Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 128. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. Oktober 2000
Wieland Sorge
12382
(C)
(D)
(A)
(B)
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 128. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. Oktober 2000 12383
(C)
(D)
(A)
(B)
Austermann, Dietrich CDU/CSU 27.10.2000
Balt, Monika PDS 27.10.2000
Barthel (Berlin), SPD 27.10.2000
Eckhardt
Behrendt, Wolfgang SPD 27.10.2000*
Berninger, Matthias BÜNDNIS 90/ 27.10.2000
DIE GRÜNEN
Bohl, Friedrich CDU/CSU 27.10.2000
Brunnhuber, Georg CDU/CSU 27.10.2000
Deß, Albert CDU/CSU 27.10.2000
Ehlert, Heidemarie PDS 27.10.2000
Eichhorn, Maria CDU/CSU 27.10.2000
Dr. Eid, Uschi BÜNDNIS 90/ 27.10.2000
DIE GRÜNEN
Elser, Marga SPD 27.10.2000
Flach, Ulrike F.D.P. 27.10.2000
Dr. Gehb, Jürgen CDU/CSU 27.10.2000
Dr. Geißler, Heiner CDU/CSU 27.10.2000
Dr. Gerhardt, Wolfgang F.D.P. 27.10.2000
Glos, Michael CDU/CSU 27.10.2000
Götz, Peter CDU/CSU 27.10.2000
Günther (Duisburg), CDU/CSU 27.10.2000
Horst
Hasselfeldt, Gerda CDU/CSU 27.10.2000
Dr. Haussmann, Helmut F.D.P. 27.10.2000
Hedrich, Klaus-Jürgen CDU/CSU 27.10.2000
Hermenau, Antje BÜNDNIS 90/ 27.10.2000
DIE GRÜNEN
Heyne, Kristin BÜNDNIS 90/ 27.10.2000
DIE GRÜNEN
Hirche, Walter F.D.P. 27.10.2000
Hollerith, Josef CDU/CSU 27.10.2000
Dr. Hornhues, CDU/CSU 27.10.2000*
Karl-Heinz
Hornung, Siegfried CDU/CSU 27.10.2000*
Dr. Hoyer, Werner F.D.P. 27.10.2000
Kalb, Bartholomäus CDU/CSU 27.10.2000
Klemmer, Siegrun SPD 27.10.2000
Klose, Hans-Ulrich SPD 27.10.2000
Dr. Knake-Werner, PDS 27.10.2000
Heidi
Dr. Kohl, Helmut CDU/CSU 27.10.2000
Kolbow, Walter SPD 27.10.2000
Koschyk, Hartmut CDU/CSU 27.10.2000
Laumann, Karl-Josef CDU/CSU 27.10.2000
Leutheusser- F.D.P. 27.10.2000
Schnarrenberger, Sabine
Lintner, Eduard CDU/CSU 27.10.2000
Lippmann, Heidi PDS 27.10.2000
Dr. Lippold (Offenbach), CDU/CSU 27.10.2000
Klaus W.
Marhold, Tobias SPD 27.10.2000
Matschie, Christoph SPD 27.10.2000
Michels, Meinolf CDU/CSU 27.10.2000
Müller (Jena), Bernward CDU/CSU 27.10.2000
Müller (Berlin), PDS 27.10.2000
Manfred
Neuhäuser, Rosel PDS 27.10.2000
Neumann (Bremen), CDU/CSU 27.10.2000
Bernd
Dr. Pflüger, Friedbert CDU/CSU 27.10.2000
Repnik, Hans-Peter CDU/CSU 27.10.2000
Dr. Rexrodt, Günter F.D.P. 27.10.2000
Dr. Rössel, Uwe-Jens PDS 27.10.2000
Roth (Augsburg), BÜNDNIS 90/ 27.10.2000
Claudia DIE GRÜNEN
Rübenkönig, Gerhard SPD 27.10.2000
Rühe, Volker CDU/CSU 27.10.2000
Schmidt (Eisleben), SPD 27.10.2000
Silvia
Schmitz (Baesweiler), CDU/CSU 27.10.2000
Hans Peter
Schröder, Gerhard SPD 27.10.2000
Dr. Schuchardt, Erika CDU/CSU 27.10.2000
entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich
Anlage 1
Liste der entschuldigten Abgeordneten
Anlagen zum Stenographischen Bericht
Schütz (Oldenburg), SPD 27.10.2000
Dietmar
Schulhoff, Wolfgang CDU/CSU 27.10.2000
Schultz (Everswinkel), SPD 27.10.2000
Reinhard
Seiters, Rudolf CDU/CSU 27.10.2000
Dr. Skarpelis-Sperk, SPD 27.10.2000
Sigrid
Dr. Solms, Hermann F.D.P. 27.10.2000
Otto
Spranger, Carl-Dieter CDU/CSU 27.10.2000
Dr. Süssmuth, Rita CDU/CSU 27.10.2000
Dr. Thomae, Dieter F.D.P. 27.10.2000
Dr. Waigel, Theodor CDU/CSU 27.10.2000
Dr. von Weizsäcker, SPD 27.10.2000
Ernst Ulrich
Wiesehügel, Klaus SPD 27.10.2000
Wissmann, Matthias CDU/CSU 27.10.2000
Dr. Wodarg, Wolfgang SPD 27.10.2000*
Dr. Wolf, Winfried PDS 27.10.2000
Zierer, Benno CDU/CSU 27.10.2000*
* für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung
Anlage 2
Erklärung nach § 31 GO
des Abgeordneten Martin Hohmann (CDU/CSU)
zur Abstimmung über den Entwurf eines Geset-
zes zur Änderung des Grundgesetzes – Arti-
kel 12 a – (Drucksachen 14/4380 und 14/4220)
Im Grundsatz begrüße ich die Gleichberechtigung von
Frauen in der Gesellschaft. Beim Einsatz mit der Waffe,
der zwangsläufig auch zum Einsatz in Kampf- und Kampf-
unterstützungstruppen führen wird, kann ich dem jedoch
ausnahmsweise nicht zustimmen. Frauen sind in der
Kampfzone und in Gefangenschaft ungleich größeren Ge-
fährdungen und Verletzbarkeiten ausgesetzt. Es sollte da-
her hier nicht schematisch der Gleichheitsgrundsatz zur
Anwendung kommen.
Anlage 3
Erklärung nach § 31 GO
des Abgeordneten René Röspel (SPD) zur Ab-
stimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur
Änderung des Grundgesetzes – Artikel 12 a –
(Drucksachen 14/4380 und 14/4420)
Ich habe bei der heutigen Abstimmung gegen die Neu-
fassung des Art. 12 a Abs. 4 Satz 2 des Grundgesetzes in
der Formulierung „Sie dürfen auf keinen Fall zum Dienst
mit der Waffe verpflichtet werden“ gestimmt, weil ich die
sich daraus ergebende Konsequenz und die Begründung
für die Änderung nicht mittragen kann. In der Begrün-
dung der Änderung wird angeführt, „der Ausschluss von
Frauen“ vom Dienst mit der Waffe werde „zunehmend als
Verstoß gegen die Gleichberechtigung von Männern und
Frauen empfunden“.
Art. 12 a Abs. 1 Satz 1 sieht vor, dass „Männer … zum
Dienst in den Streitkräften ... verpflichtet werden“ kön-
nen. Sie sind – in der Regel – verpflichtet, Wehrdienst zu
leisten. Die jetzige Regelung manifestiert die Möglichkeit
für Frauen, freiwilligen Dienst in den Streitkräften leisten
zu können.
Wenn mit der Gleichberechtigung von Mann und Frau
argumentiert wird und dies wirklich Zielsetzung gesetz-
geberischen Handelns sein soll, so gibt es nur zwei kon-
sequente und logische Handlungsoptionen im Bereich der
Bundeswehr: Erstens. Die Rechte und Pflichten der
Frauen werden denen der Männer angepasst. Das bedeu-
tet, dass die Wehrpflicht auch für Frauen eingeführt wird
und Frauen mit allen Konsequenzen in allen Waffengat-
tungen und Verwendungen verpflichtet werden können.
Zweitens. Die Rechte und Pflichten der Männer werden
denen der Frauen angepasst. Das bedeutet, dass die Wehr-
pflicht für Männer abgeschafft wird und künftig Frauen
und Männer auf freiwilliger Basis der Bundeswehr bei-
treten können.
Die jetzige Regelung bedeutet, dass es für Männer eine
Wehrpflicht gibt, während Frauen freiwillig Dienst in der
Bundeswehr leisten dürfen. Diese Regelung hat nach mei-
nem Verständnis nichts mit Gleichberechtigung zu tun
und verschärft nur die bereits existierende Wehrunge-
rechtigkeit zwischen den Geschlechtern einer Generation.
Deshalb habe ich mit Nein gestimmt.
Anlage 4
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Sabine Jünger, Rolf
Kutzmutz, Gregor Gysi, Dr. Klaus Grehn,
Dr. Christa Luft, Dr. Dietmar Bartsch, Pia Maier
(alle PDS) zurAbstimmung über den Entwurf ei-
nes Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes
– Artikel 12a – (Drucksachen 14/4380 und
14/4420)
Wir begrüßen – ungeachtet unserer Forderung nach
deutlicher Reduzierung der Streitkräfte, unserer Ableh-
nung von Zwangsdiensten und der Zunahme militä-
rischen Denkens und Handelns – eine Klarstellung des
Art. 12 a GG. Solange es Armeen gibt, muss es für jeden
Menschen – egal welchen Geschlechts, welcher Haut-
farbe oder sexuellen Orientierung – die gleichen Zu-
gangsmöglichkeiten geben.
Es muss auch weiterhin ausgeschlossen sein, dass
Frauen – für Männer wäre es genauso wünschenswert –
im Verteidigungsfall dienstverpflichtet werden können.
Dies wird durch die Änderung von Art. 12 a erneut klar-
gestellt.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 128. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. Oktober 200012384
(C)
(D)
(A)
(B)
Anlage 5
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Dr. Antje Vollmer, Steffi
Lemke und Franziska Eichstädt-Bohlig (alle
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung
über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung
des Grundgesetzes – Artikel 12 a – (Drucksachen
14/4380 und 14/4420)
Die geänderte Fassung des Art. 12 a GG legt eindeutig
fest, dass Frauen nicht „zum Dienst mit der Waffe ver-
pflichtet werden“ können, weshalb ich dieser Änderung
des Grundgesetzes zugestimmt habe.
Ich teile jedoch nicht die Begründung und unterstütze
nicht die Öffnung der Bundeswehr beim freiwilligen
Dienst mit der Waffe für Frauen. Der Ausschluss von
Frauen beim Dienst mit der Waffe ist nach meiner Auf-
fassung kein Verstoß gegen die Gleichberechtigung von
Frauen und Männern, da Gleichberechtigung nicht
Gleichsetzung in allen gesellschaftlichen Bereichen be-
deuten kann.
Verstöße gegen die Gleichberechtigung finden sich in
fast allen Bereichen unserer Gesellschaft. Frauen sind ins-
besondere auf den Leitungs- und Entscheidungsebenen
von Wirtschaft, Politik, Kultur und Wissenschaft unterre-
präsentiert. Dieses Ungleichgewicht zu beseitigen ist
wichtiger als der Zugang zum Waffendienst für Frauen
und hätte positive Auswirkungen auf unsere Gesellschaft.
Die Distanz von Frauen zur militärischen Übung und
zu Kriegshandlungen ist kein Nachteil, sondern ein Vor-
teil, der in der Vergangenheit positiv in unserer Gesell-
schaft gewirkt hat.
Anlage 6
Zu Protokoll gegebene Rede
zur Beratung des Antrags: Für mehr Sicherheit
an der deutsch-tschechischen Grenze (Tagesord-
nungspunkt 20)
Ulla Jelpke (PDS): In der Begründung zu dem hier
vorliegenden Antrag der CDU/CSU heißt es: „Illegale
Einreisen und Schleusungen von Ausländern haben an der
Grenze zwischen Tschechien und der Bundesrepublik
Deutschland, besonders zum Freistaat Sachsen, ein be-
drohliches Ausmaß angenommen.“ Und weiter: „Die von
Ausländern im Grenzbereich begangenen Straftaten ha-
ben stark zugenommen.“
Ich weiß nicht, woher Sie Ihre Fakten nehmen. Aber
mit den mir vorliegenden Jahresberichten des Bundes-
grenzschutzes stimmen diese Zahlen auf jeden Fall nicht
überein. Der Jahresbericht des Bundesgrenzschutzes für
1998 spricht von 15 486 Zurückweisungen und 6 591 Zu-
rückschiebungen wegen unerlaubter Einreise. Im folgen-
den Jahresbericht für 1999 ist dann von 12 846 Aufgriffen
im deutsch-tschechischen Grenzbereich die Rede.
Wörtlich heißt es dort – ich zitiere aus Seite 10 des
BGS-Berichts –, dass „an der EU-Außengrenze zur
Tschechischen Republik die absolute Zahl der unerlaub-
ten Einreisen gegenüber 1998 um ein Drittel zurückge-
gangen ist.“ Von einem „bedrohlichen Ausmaß“ oder ei-
ner „starken Zunahme“, wie Sie in Ihrem Antrag
schreiben, kann also keine Rede sein.
Sowieso lehne ich eine Politik, die auf Flucht und Mi-
gration mit immer neuen Grenzsperren und Grenzbefesti-
gungen reagieren will, prinzipiell ab. Ich will nicht immer
mehr Grenzsperren und Grenzbefestigungen, ich will
nicht immer mehr Grenzschützer, Infrarotkameras und
Polizei an den Grenzen dieses Landes, ich will endlich
eine humane und demokratische Flüchtlings- und Migra-
tionspolitik.
Auf der einen Seite diskutieren wir und andere in der
Öffentlichkeit über einen ständig steigenden Bedarf die-
ses Landes an Zuwanderung. Auf der anderen Seite kom-
men Sie daher und verlangen noch mehr Grenzsperren ge-
gen diese Zuwanderung. Das machen wir nicht mit. Das
ist falsch, hinterwäldlerisch und inhuman.
Bevölkerungsexperten zum Beispiel der UNO spre-
chen von einer halben Million Menschen, die in Zukunft
jedes Jahr in die Bundesrepublik einwandern sollten, de-
ren Zuwanderung und Arbeitsaufnahme also notfalls mit
staatlicher Unterstützung wie bei der Green Card geför-
dert werden sollte.
Ich will jetzt gar nicht über diese Zahlen im Einzelnen
und die Green Card reden. Aber dass es viele gute Gründe
für eine wachsende Zuwanderung gibt, wird inzwischen
von fast niemandem mehr bestritten. Die einzigen Men-
schen, die das noch bestreiten, sind offenbar einige Hin-
terwäldler in der CDU/CSU.
Ich will Ihnen ruhig noch ein paar Zahlen nennen. Die
tschechische Fremden- und Grenzpolizei hat 1997 nach
eigenen Angaben etwa 32 000 Menschen an der Einreise
in die Bundesrepublik gehindert. Wie viele davon Flücht-
linge waren, denen damit das Asylrecht genommen
wurde, ist unklar. Ich vermute, es waren nicht wenige po-
litische Flüchtlinge darunter.
1998 stieg die Zahl der Festnahmen wegen versuchter
unerlaubter Einreise in die Bundesrepublik auf der tsche-
chischen Seite sogar auf 44 000 Menschen an. Mit ande-
ren Worten: Die Grenzbefestigungen und Grenzkontrol-
len auf der tschechischen Seite sind in den letzten Jahren
bereits erheblich verschärft worden.
Auf deutscher Seite hat der BGS seit 1998 zusätzlich
zu den ohnehin bestehenden direkten Grenzkontrollen
– ich zitiere aus dem Schengen-Erfahrungsbericht – „hin-
ter der Grenze eine zweite Linie mit insgesamt 480 mobi-
len Kräften aufgebaut“. In dieser Situation einen weiteren
Ausbau der Grenzsperren und Grenzkontrollen zu verlan-
gen ist für mich nicht nur prinzipiell, sondern auch kon-
kret vollständig unbegründet und inakzeptabel. Wir brau-
chen nicht mehr Grenzsperren und Grenzpolizei, wir
brauchen endlich offene Grenzen für Menschen in Not.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 128. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. Oktober 2000 12385
(C)
(D)
(A)
(B)
Anlage 7
Zu Protokoll gegebene Reden
zu:
– Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Ei-
genheimzulagengesetzes und anderer Gesetze;
– Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Ei-
genheimzulagengesetzes
(Zusatztagesordnungspunkt 16)
Wolfgang Spanier (SPD): Die Zusatzförderung für
den Einbau bestimmter energiesparender Anlagen und
die Zusatzförderung von Niedrigenergiehäusern laufen,
nachdem sie bereits 1998 um zwei Jahre verlängert wor-
den sind, zum 31. Dezember 2001 aus. Allein vom Zeit-
ablauf ist es deshalb geboten, dass wir rechtzeitig ent-
scheiden, ob diese Zusatzförderung fortgesetzt wird.
Die Verlängerung der Zusatzförderung um weitere
zwei Jahre ist energiepolitisch sinnvoll. Wir wollen die
Zusatzförderung für Niedrigenergiehäuser fortsetzen. Wir
wollen weiterhin den Einbau zum Beispiel von Wärme-
pumpen, Solar- oder Wärmerückgewinnungsanlagen för-
dern. Hier schlagen wir eine Veränderung vor. Bisher war
für Elektrowärmepumpen eine Leistungszahl von min-
destens 3,5 vorgesehen. Zukünftig sollen Elektrowärme-
pumpen mit einer Leistungszahl von mindestens 4,0,
elektrische Sole-Wasser-Wärmepumpen mit einer Leis-
tungszahl von mindestens 3,8 gefördert werden. Die Leis-
tungszahlen für die Förderung von Wärmepumpen wer-
den damit an den Stand der Technik angepasst. Damit
werden auch technische und ökologische Innovationen
gestärkt.
Diese Ökokomponente im Eigenheimzulagengesetz ist
ein Beitrag zu einer nachhaltigen Klimaschutzpolitik. Bis
2005 wollen wir die CO2-Emmissionen um 25 Prozentvermindern. Wir wissen, dass wir gerade im Gebäudebe-
reich noch große Möglichkeiten haben, um die CO2-Min-derung wirksam nach vorne zu bringen. In der Sache folgt
der Antrag der CDU/CSU unserem Antrag. Beide wollen
wir die Ökozulage fortsetzen und auf zwei Jahre befristen.
Die Ablehnung der Verlängerung der Ökozulage durch
die F.D.P. in der Ausschussberatung ist völlig unverständ-
lich. Bisher hat die F.D.P. die Ökozulage immer unter-
stützt. Warum sie jetzt solche Kapriolen schlägt, ist nicht
mehr nachzuvollziehen.
Natürlich gibt es auch einen Zusammenhang zwischen
der Verlängerung der Ökozulage und der geplanten Ener-
gieeinsparverordnung. Um es gleich deutlich zu sagen:
Die Verlängerung der Zusatzförderung im Eigenheim-
zulagengesetz bedeutet nicht, dass die Energieeinsparver-
ordnung auf die lange Bank geschoben wird. Die Vorbe-
reitungen laufen seit längerem, die Abstimmung zwischen
den zuständigen Ministerien ist erfolgt. Notwendig ist
auch eine sorgfältige Abstimmung mit den Ländern und
natürlich muss diese Verordnung an die EU-Kommission
weitergeleitet werden. Wir wissen alle, dass wir uns da auf
mindestens sechs Monate Wartezeit einstellen müssen.
Das heißt, von der Schlussfassung bis zur Realisierung
vergeht mindestens ein Jahr. Ich hoffe, dass es möglichst
noch in diesem Jahr einen Kabinettsbeschluss zur Ener-
gieeinsparverordnung gibt und dann selbstverständlich
auch der Bundestag informativ damit befasst wird.
In einem Punkt unterscheiden wir uns allerdings vom
Antrag der CDU/CSU-Fraktion: Der Gesetzentwurf der
Fraktion der CDU/CSU will die Verlängerung der Öko-
zulage um weitere zwei Jahre lediglich durch einen Aus-
tausch des Datums erreichen. Damit kann jedoch nicht
verhindert werden, dass Wohnungen gefördert werden,
die bei einem früheren In-Kraft-Treten der Energieein-
sparverordnung bereits dem ordnungsrechtlichen Stan-
dard genügen. Die in unserem Entwurf vorgesehene Be-
schränkung der Zusatzförderung auf Wohnungen, für
deren Errichtung die Wärmeschutzverordnung von 1994
gilt, verhindert, dass Bauherren und Erwerber die Zusatz-
förderung erhalten, die bereits die Standards der ge-
planten Energieeinsparverordnung erfüllen müssen. Ein
reiner Austausch des Datums, wie im Entwurf von
CDU/CSU vorgesehen, hätte genau dies zur Folge.
Wir sehen die Ökozulage aber auch im Zusammenhang
mit der Energiepolitik dieser Bundesregierung und der
Koalitionsfraktionen. Wir verstärken dies noch durch das
Modernisierungsprogramm für den Wohnungsbestand,
das die Koalitionsfraktionen im Rahmen des Zukunftin-
vestitionsprogramms beschlossen haben. 2001, 2002 und
2003 werden jeweils 400 Millionen Mark dafür bereitge-
stellt. Wir sehen die Ökozulage aber auch im Zusam-
menhang mit der Energiepolitik.
Die Verdreifachung des Ölpreises hat uns allen noch
einmal deutlich gemacht, dass wir uns stärker vom Öl
unabhängig machen müssen. Energieeinsparung und die
verstärkte Nutzung regenerativer Energien sind die wich-
tigsten Instrumente, um Ressourcen zu schonen und den
Energieverbrauch zu senken.
Dazu haben wir eine Fülle von Initiativen zur Förde-
rung der erneuerbaren Energien und der Kraft-Wärme-
Kopplung, zur Förderung nachwachsender Rohstoffe für
Biodiesel, zur Förderung von Bioenergie insgesamt auf
den Weg gebracht. Mit dem 100 000-Dächer-Programm
machen wir den Weg frei für eine deutlich stärkere Nut-
zung der Solarenergie. In der Klimaschutzpolitik und
nachhaltigen Energiepolitik haben wir große Fortschritte
erreicht. Die Ökozulage im Eigenheimzulagengesetz ist
ein Baustein dieser Politik. Deshalb bitte ich Sie alle um
Unterstützung.
Horst Schild (SPD): Mit dem Gesetzentwurf der Ko-
alitionsfraktionen wollen wir die Ökokomponente der Ei-
genheimzulage zwei Jahre länger gewähren, als es bisher
vorgesehen war. Bei der Einbringung des Gesetzentwurfs
wurde bereits gesagt, wie erfreulich sich diese Ökokom-
ponente ausgewirkt hat.
Inzwischen können wir auch mit Zahlen belegen, dass
die ökologische Zusatzförderung wirksame Anreize für
Investitionen zur Reduzierung des Energiebedarfs ge-
schaffen hat. Allein vom Jahr 1997 auf das Jahr 1998 hat
sich die Zahl der gewährten Ökozulagen etwa verdoppelt.
Für die Zeit ab 1999 zeichnet sich ein weiterer Anstieg ab.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 128. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. Oktober 200012386
(C)
(D)
(A)
(B)
Da die neue Energieeinsparverordnung nicht mehr in
diesem Jahr kommt, entfällt der Grund für die bisherige
Befristung der Ökozulage zum 31. Dezember 2000.
Durch die Verlängerung um zwei Jahre erreichen wir für
Bauherren und Hauskäufer Planungssicherheit bis En-
de 2002. In der Zwischenzeit wird sicherlich die neue
Energieeinsparverordnung vorliegen und der Einbau von
energiesparenden Anlagen oder der Bau von Niedrig-
Energiehäusern bei Bauvorhaben immer mehr zum Stan-
dard gehören.
Bis zu diesem Zeitpunkt werden weiterhin acht Jahre
lang 2 Prozent der Kosten für die Herstellung einer ener-
gieeinsparenden Anlage, jedoch maximal 500 DM im
Jahr, erstattet. Zusätzlich werden Wohnungen in so genann-
ten Niedrigenergiehäusern mit jährlich 400 DM acht Jahre
lang gefördert. Der Einbau von Solaranlagen und Wär-
mepumpen wird ebenso erleichtert wie die Entscheidung
für den Bau eines Niedrigenergiehauses. Bei dieser För-
derung bleibt es also nach wie vor, abgesehen von einer
geringfügigen Änderung der Fördervoraussetzungen für
Wärmepumpen, deren Leistungszahlen an den Stand der
Technik angepasst werden sollen.
Wir wollen nicht nur Bauherren entlasten, sondern
auch die umweltfreundlichen und energieeinsparenden
Techniken voranbringen. Denn uns allen müssen gesunde
Umweltbedingungen und die langfristige Nutzbarkeit der
Rohstoffressourcen am Herzen liegen. Diesem Ziel soll
auch die neue Energieeinsparverordnung dienen. Ob mit
der Ökozulage oder mit der neuen Verordnung: In jedem
Fall wollen wir Investitionen im Interesse höherer Ener-
gieeffizienz voranbringen.
Die Zulagenförderung muss künftig an die Rahmenbe-
dingungen der geplanten Energieeinsparverordnung an-
gepasst werden. Hier zeigt sich übrigens ein Unterschied
zwischen dem Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen
und dem der CDU/CSU. Wir stellen eine Verknüpfung her
zwischen der Ökozulage und der neuen Energieeinspar-
verordnung: Bei der Herstellung oder Anschaffung eines
Neubaus soll die Förderung auf Wohnungen beschränkt
werden, für die noch die alte Wärmeschutzverordnung von
1994 gilt. Diese Beschränkung verhindert, dass auch Bau-
herren und Erwerber eines Neubaus die Zusatzförderung für
Maßnahmen erhalten, die bereits nach der geplanten Ener-
gieeinsparverordnung erforderlich sind. Mitnahmeeffekte
wären ansonsten vorprogrammiert. Diese Regelung im
Koalitionsentwurf ist konsequent, denn wir wollen mit
der Zulage zu einer freiwilligen Investition anreizen, die
über das gesetzlich ohnehin erforderliche Energieeinspar-
niveau hinausgeht. Ein Anreiz ist überflüssig, soweit der
Einbau der entsprechenden Technik bei Neubauten bereits
zwingend vorgeschrieben ist.
Dieses Gesetz ist Teil unserer Politik, deren erklärtes
Ziel es ist, über ein Bündel verschiedener Maßnahmen
Energieverbrauch einzusparen. Der gesunkene Ener-
giebedarf ist im Interesse der Allgemeinheit wie auch im
Interesse des einzelnen Bauherrn. Denn während der lan-
gen Lebensdauer ihrer Immobilie werden sich die Ener-
giekosten verteuern. Damit wird sich der Nutzen von
Energiesparinvestitionen früher oder später rechnen. Da-
her gibt es zu der Verlängerung der Ökozulagen aus unse-
rer Sicht auch keine vernünftige Alternative.
Dr. Michael Meister (CDU/CSU): Es ist sicher eine gute
Nachricht aus dem Deutschen Bundestag, dass die Mehr-
heit dieses Hauses nun den bereits im Frühjahr von der
Unionsfraktion angeregten Vorschlag aufgreift und die
Ökozulagen im Eigenheimzulagengesetz über den
31. Dezember diesen Jahres hinaus verlängert. Anderer-
seits darf aber nicht verschwiegen werden, dass diese er-
neute Verlängerung – wir beschließen heute bereits die
zweite Verlängerung – nur deshalb notwendig ist, weil es
die Bundesregierung immer noch nicht geschafft hat, die
seit Jahren in Rede stehende Energieeinsparverordnung
auf den Weg zu bringen. Über Jahre hinweg hat die Politik
darauf geachtet, den ordnungspolitischen Rahmen der Be-
stimmungen zum Wärmeschutz mit dem fortschreitenden
Stand der Technik weiterzuentwickeln. Mit diesen eindeu-
tigen Rahmenbedingungen war vor allem Planungssicher-
heit für Hausbesitzer, Planer und Bauwirtschaft gegeben.
Ausgerechnet unter der Verantwortung der rot-grünen
Bundesregierung ist der Verordnungsgeber ordnungspoli-
tisch weit hinter den Stand der Technik zurückgefallen,
von Planungssicherheit kann keine Rede sein. Das ist Gift
für die ohnehin labile Bauwirtschaft und auf keinen Fall
eine positive Werbung für die Verbesserung des Wärme-
schutzstandards im Wohnungsbau. Jedenfalls ist es sehr zu
begrüßen, dass die deutsche Bauwirtschaft sich nicht vom
Schneckentempo der Bundesregierung bestimmen lässt
und im Hinblick auf wärmetechnische Verbesserungen
über alle Gewerke hinweg an einem Strang zieht. Auf diese
Initiative der Bauwirtschaft sind wir angewiesen, deshalb
begrüßen wir diese sehr.
Auf die Planungssicherheit stellt auch der Änderungs-
antrag der Unionsfraktion zum vorliegenden Gesetzent-
wurf ab. Denn dort ist nicht klar zu erkennen, bis zu wel-
chem Zeitpunkt die Verlängerung der Ökozulagen für den
Neubau gelten soll. Es darf eben nicht sein, dass ein Häus-
lebauer erst ein verwaltungsjuristisches Fachseminar be-
suchen muss, um zu erfahren, wann und warum er noch
eine Förderung des Staates für seine besonderen Be-
mühungen um weniger Energieeinsatz erhält. Dem An-
trag der Koalition ist zu entnehmen, dass die Förderung
wegfällt, wenn zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens die
Baugenehmigung noch nicht erteilt ist. Ist die Genehmi-
gung zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens bereits erteilt,
wird gefördert, wenn die Durchführung der Maßnahme
bis Ende 2002 erfolgt. Dies kann zu dem absurden Ergeb-
nis führen, dass Maßnahmen, die im Juni durchgeführt
werden, nicht mehr gefördert werden, Maßnahmen, die
rechtzeitig beantragt, aber erst im Dezember durchgeführt
werden, aber noch unter die Förderung fallen. Deshalb
sprechen wir uns im Zeichen einer notwendigen Pla-
nungssicherheit dafür aus, eine eindeutige zeitliche Befri-
stung festzusetzen und damit Klarheit für alle Beteiligten
statt Verunsicherung in allen Teilen zu schaffen.
Wie gesagt, es ist in der Sache richtig und be-
grüßenswert, dass auch noch über das Jahr 2000 hinaus
Bauherren, die Wohneigentum erwerben, für den Einbau
von Wärmepumpenanlagen, Solaranlagen oder Anlagen
zur Wärmerückgewinnung zusätzlich DM 500/anno und
für die Bauausführung im Niedrigenergiehausstandard
DM 400/anno Zusatzförderung erhalten werden.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 128. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. Oktober 2000 12387
(C)
(D)
(A)
(B)
Die Tatsache, dass diese erneute Verlängerung auf-
grund der immer noch ausstehenden Energieeinsparver-
ordnung notwendig ist, bedeutet ein Armutszeugnis für
die Klimaschutzpolitik der Bundesregierung, die außer
vollmundiger Ankündigungen noch nichts wegweisend
Neues auf den Weg gebracht hat. Mit heißer Luft kann
man aber die Probleme der Erwärmung des Weltklimas
keinesfalls in den Griff bekommen. Die Bundesregierung
lebt von den Vorgaben und Ideen der unionsgeführten
Vorgängerregierung, die sie doch so vehement als völlig
unzureichend kritisierte. Erinnern Sie sich nur daran, wie
abschätzig sie das Instrument der Selbstverpflichtung der
Wirtschaft an dieser Stelle beurteilt haben. Tatsache ist,
dass die deutsche Selbstverpflichtung in Rio bis zu Jahr
2005 die CO2-Emissionen in Deutschland um 25 Prozentzu reduzieren, unter der früheren Bundesregierung zu
über 60 Prozent realisiert wurde. Tatsache ist auch, dass
seit der rot-grünen Regierungsübernahme in diesem Be-
reich Stagnation herrscht, Deutschland hat seine einstige
Vorreiterrolle längst verloren, wie die letzten Klima-
schutzkonferenzen in aller Klarheit gezeigt haben.
Notwendig ist aus unserer Sicht ein durchdachtes Maß-
nahmenbündel, um die vorhandenen Einsparpotenziale zu
mobilisieren. Neben den ordnungspolitischen Rahmen in
der Energieeinsparverordnung müssen wir steuerliche An-
reizprogramme, Direktzuschüsse und Zinsverbilligungen
stellen, die ein nachhaltiges Programm zur Wärmesanie-
rung vor allem im Gebäudebestand anstoßen. Während wir
innerhalb der Unionsfraktion über die konkrete Ausgestal-
tung von Förderungsinstrumenten diskutieren, mit denen
vor allem die CO2-Einsparpotenziale im Gebäudebestandaktiviert werden können, sorgt der Bundesumweltminister
weiter für grundsätzliche Verunsicherung. Seine Ankündi-
gung im Rahmen der Vorstellung des jüngsten nationalen
Klimaschutzbündnisses, er wolle das Energieeinsparungs-
gesetz ändern, lässt daran zweifeln, ob die Novelle der
Energieeinsparverordnung noch in dieser Wahlperiode in
Kraft gesetzt werden kann. Denn offensichtlich gibt es in-
nerhalb der Koalition noch Diskussionen über die gesetz-
liche Grundlage einer Energieeinsparverordnung. Die
Bundesregierung hat diese Woche angekündigt, sie wolle
die Energieeinsparverordnung nun noch im Dezember
2000 in die Ausschüsse einbringen. Die Verordnung könne
dann im Frühjahr 2002 in Kraft treten. Bei diesem engen
Zeitplan darf nichts schief gehen, sonst könnte das In-
Kraft-Treten allein aufgrund der Tatsache scheitern, dass
im Vorfeld der Bundestagswahl 2002 keine Sitzungen der
Gremien mehr stattfinden.
Bei der Änderung des Wohngeldgesetzes geht es inhalt-
lich um die Frage, bestimmte steuerfreie Einkünfte in die
für die Wohngeldermittlung maßgebliche Einkommenser-
mittlung einzubeziehen. Im Sinne einer gesetzlichen Ver-
einfachung durch Konsistenz mit dem Zweiten Wohnungs-
baugesetz unterstützen wir diese Initiativen. Dass dieser
Regelungsbedarf bei der Wohngeldreform 1999 übersehen
wurde, wirft ein, bezeichnendes Licht auf die handwerkli-
che Qualität der Gesetzgebung der rot-grünen Koalition.
Die Einsicht an dieser Stelle ist zu begrüßen, wenngleich
Sie, wie bei den Ökokomponenten vorher dargestellt,
Nachbesserungen mit Ansage beschließen.
Franziska Eichstädt-Bohlig (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN): Wir beraten heute die Verlängerung des Öko-
bonus in der Eigenheimzulage bis zum In-Kraft-Tre-
ten der Energieeinsparverordnung. Diese Entscheidung
ist ein weiterer wichtiger Baustein für mehr Energieeffi-
zienz und Klimaschutz am Bau. Bauherren, die in mo-
derne Energiespartechnik und/oder Niedrigenergiebau-
weise investieren, erhalten acht Jahre lang bis zu 900 DM
jährlich zusätzlich vom Staat. Um technische Innovation
zu fördern, haben wir die Fördervoraussetzungen für elek-
trische Wärmepumpen angehoben. Es werden nur noch
moderne, effiziente Wärmepumpen mit einer Leistungs-
zahl von mindestens 4,0, bei Sole-Wasser-Wärmepumpen
mindestens 3,8, gefördert.
Ich bin froh, dass wir das im Ausschuss – und ich hoffe
auch hier – einvernehmlich beschließen können. Die
CDU/CSU hat völlig recht: Es waren nicht wir, sondern
es war der ehemalige Bauminister Töpfer, der diese För-
derung eingeführt hat – allerdings auf sanften Druck von
Grünen und SPD. Aber wenn ich mir das heutige um-
weltpolitische Profil der CDU/CSU ansehe, dann muss
ich sagen: Nach Töpfer sind Sie wieder in die ökologische
Steinzeit zurückgefallenen: Statt ernsthaftem umweltpoli-
tischen Engagement findet man bei Ihnen fast nur noch
Polemik und Gedächtnisverlust.
Die hohen Ölpreise und weltweite Umweltkatastrophen
machen eines doch ganz klar: Wir brauchen einen massi-
ven Innovationsschub für mehr Energieeffizienz und mehr
Klimaschutz am Bau. Wir können mit moderner Energie-
effizienztechnik einem Bruchteil des heutigen Energiever-
brauchs erreichen. Nur ein Beispiel: Ein Passivhaus, das
heute zu nur geringen Mehrkosten am Markt erhältlich ist,
verbraucht für Heizung nur noch circa 180 Liter Öl im
Jahr, ein Durchschnittshaus dagegen circa 2 000 Liter. –
Rot-Grün hat deshalb in den vergangen zwei Jahren wich-
tige Weichen für mehr Energieeffizienz und Klimaschutz
am Bau gestellt:
Mit der neuen Energieeinsparverordnung, die in den
nächsten Wochen verabschiedet wird, wird erstmals die
Primärenergieeffizienz zum Maßstab der Anforderungen
für Neubauten. Das begünstigt die umweltfreundliche So-
lartechnik oder die sehr effiziente Gasbrennwerttechnik
gegenüber der stromfressenden Nachtspeicherheizung.
Anlagentechnische und bauliche Anforderungen werden
zusammengefasst. Nachrüstverpflichtungen für veraltete
und teure Heizungen und sehr schlecht gedämmte Ge-
bäude sind vorgesehen.
Unsere Fraktion hat durchgesetzt, dass aus den Zinser-
sparnissen durch die UMTS-Erlöse 400 Millionen DM
jährlich für ein Altbausanierungsprogramm eingesetzt
werden. Damit können in den nächsten Jahren 6 Milliar-
den DM an zinsgünstigen Krediten für Heizungsmoderni-
sierung, Wärmedämmung, moderne Energieeffizienz-
techniken und regenerative Energien an Hauseigentümer
vergeben werden. Ebenfalls aus den UMTS-Zinserlösen
werden die Forschungsmittel für Energieforschung um
jährlich 100 Millionen DM aufgestockt; davon fließen
mindestens 20 Millionen DM in die Forschung für Ener-
gieeffizenz am Bau.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 128. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. Oktober 200012388
(C)
(D)
(A)
(B)
Die neue Bundesenergieagentur wird den Schwerpunkt
ihrer Arbeit auf Energieeffizienz unter anderem im Ge-
bäudebereich legen. Beratung, Öffentlichkeitsarbeit und
Koordination in diesem Bereich werden entscheidend
verbessert.
Diese Weichenstellungen nützen nicht nur der Umwelt
und dem Geldbeutel von Bauherren und Eigentümer. Sie
schaffen und sichern auch zahlreiche Arbeitsplätze in der
Bauwirtschaft, im Handwerk und in modernen Industrie-
zweigen. Und nicht zuletzt: Damit verbunden sind auch
neue Akzente in der Wohnungsbauförderung: Weg von
der einseitigen Orientierung auf Neubau, hin zu einer Er-
neuerung, Wertverbesserung und Modernisierung des
Wohnungsbestandes. Das nützt den Städten und wirkt der
Zersiedelung entgegen.
Hans-Michael Goldmann (F.D.P.): Mit der schein-
bar guten Nachricht, dass der Ökobonus im Eigenheim-
zulagengesetz verlängert werden soll, soll die erfolglose
Bau- und Umweltpolitik der Bundesregierung überdeckt
werden. Rot-Grün ist nicht in der Lage, den mit der Öko-
zulage geförderten Niedrigenergiehausstandard zum
Stand der Technik im Neubaubereich zu machen. Die im-
mer wieder angekündigte Energieeinsparverordnung, die
neuerdings wieder in das Klimaschutzprogramm der Re-
gierung aufgenommen wurde, kommt vorerst nicht.
Dafür wäre es notwendig, dass sich die Bundesminis-
ter Jürgen Trittin, Reinhard Klimmt und Werner Müller
auf den Entwurf einer Energieeinsparverordnung einigen
und diesen durch den Bundesrat bringen. Wie zu hören ist,
besteht zwischen BMU einerseits und BMVBW und
BMWi andererseits Dissens. Wir wissen aus Erfahrung,
dass Umweltminister Trittin den Streit verlieren wird.
Aber noch wehrt er sich tapfer und blockiert die Energie-
einsparverordnung. Mit der Verlängerung des Ökobonus
ist das Eingeständnis von Rot-Grün verbunden, dass die
angekündigte Energieeinsparverordnung in dieser Wahl-
periode nicht mehr in Kraft treten wird. Dieses bau- und
umweltpolitische Versagen wird – auf den ersten Blick
folgerichtig – durch eine Verlängerung des Ökobonus im
Eigenheimzulagegesetz kompensiert.
Die F.D.P. hat grundsätzlich nichts gegen ökologische
Anreize auch im Bereich der Eigenheimneubauförderung.
Wir haben bei der Einführung der Eigenheimzulage die
nun auslaufende Regelung mitgestaltet.
Die schlampige rot-grüne Politik kann die F.D.P. aller-
dings nicht unterstützen: Die vorgesehene Verlängerung
wird in erster Linie zu Mitnahmeeffekten führen, weil der
geförderte Niedrigenergiestandard im Eigenheimneubau
in den meisten Fällen auch ohne öffentliche Förderung
realisiert wird. Gleichzeitig fehlt im rot-grünen Gesetz-
entwurf eine klare Abgrenzung und ein klares Datum,
wann die Förderung wirklich ausläuft. Das begünstigt
Unsicherheit bei den Bauherren, die so nicht gewollt sein
kann.
Dreh- und Angelpunkt für eine konsistente Politik zur
CO2-Einsparung im Gebäudebereich ist und bleibt derTermin des In-Kraft-Tretens der geplanten Energieein-
sparverordnung. Ohne Klarheit über dieses Datum und
die Inhalte der Verordnung sind die Förderinstrumente
nicht einmal die Hälfte wert. Das gilt übrigens auch für
die UMTS-Mittel, die zur Altbausanierung verwendet
werden sollen.
Dieser rot-grüne Ökomurks muss beendet werden. Le-
gen Sie endlich die Energieeinsparverordnung vor!
Christine Ostrowski (PDS): Änderung des Eigen-
heimzulagengesetzes – oh, dachte ich. Endlich senkt man
die Zulage für Neubau und erhöht dafür die Zulage für den
Erwerb eines Hauses aus dem Bestand. Gut für die Ent-
wicklung der Innenstädte, noch besser für die Vermeidung
von Flächenversiegelung, am besten für die Senkung des
Ressourcenverbrauchs. Doch ich irrte.
Es geht um die so genannte Ökozulage, die Zusatzför-
derung für den Einbau von energiesparenden Anlagen, die
zwei Jahre verlängert wird. Wir können uns feiern. Was
sind wir ökologisch! Wer dagegen ist, muss mit kollekti-
ver Ächtung rechnen. Man hat öko zu sein oder ist nicht.
Ich traue mich trotzdem: Erstens. Die Verlängerung der
Ökozulage ist Ersatz, Ersatz für die neue Energiesparver-
ordnung, die 2000 in Kraft treten sollte, mit der Sie nicht
aus dem Knick kommen. Deshalb die Verlängerung.
Zweitens. Die Ökozulage ist teuer, sie kostet zusätzli-
che 46 Millionen. Eine Verordnung kostet nichts.
Drittens. Die Ökozulage betrifft vorwiegend den Neu-
bau eines Eigenheims. 98 Prozent aller Ökozulagen der
letzten Jahre wurden für Neubauten gezahlt, Häuser im
Bestand sind vernachlässigbar. Für das einzelne neue
Haus mag dadurch die Energiebilanz verbessert sein, die
ökologische Gesamtbilanz ist mehr als fraglich.
Die Mehrzahl neuer Eigenheime entsteht auf dem
Land, das heißt gesamtwirtschaftlich: enormer zusätzli-
cher Ressourcenverbrauch, für die Baustoffe, für Straßen,
für Verkehr zwischen Arbeit und Wohnung, für Infra-
struktur, etc. Bedauerlich, dass Sie sich als ökologisch fei-
ern, aber nicht einmal den Versuch einer Gegenrechnung,
einer Gesamtbilanz aufmachen.
Viertens. Das größte Einsparpotenzial liegt im vorhan-
denen Gebäudebestand, der mit der Ökozulage nicht er-
fasst wird. 95 Prozent der Heizenergie wird in Altbauten
verbraucht, die bis `92 errichtet wurden. Hier müsste die
Verschwendung zuerst gestoppt werden. Dieses Feld liegt
brach.
Fünftens. Vor Zusatzgeld hat der liebe Gott die Analyse
gestellt. Sie sind schnell bereit, viel Geld zu geben und zu
fördern, so auch über 1Milliarde DM– neu – für das CO2-Minderungsprogramm. Sie sind aber nicht bereit, die Ge-
samtwirkung bisheriger Maßnahmen zu analysieren. Ich
zitiere aus einem Gutachten der DIW: „Schon in den
Neunzigerjahren ist ... ein umfangreiches ... Programm
auf den Weg gebracht worden. Dahinter stand das ... Ziel,
den CO2-Austoß ... um 25 Prozent zu senken ... die ehr-geizige Vorlage (wird) bei weitem nicht erreicht. Es sind
vor allem die Sektoren Verkehr und Haushalte, ... deren
Anteil am Energieverbrauch ... gestiegen (ist) ... bei den
privaten Haushalten von 25 auf reichlich 28 Prozent ...
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 128. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. Oktober 2000 12389
(C)
(D)
(A)
(B)
Verstehen Sie: Die Wirkung der neuen, verschärften
Wärmeschutz- und der Heizungsanlagenverordnung aus
Mitte `90 ist gleich Null. Eine deprimierende Bilanz, de-
ren Ursache ergründet werden muss, will man nicht Ge-
fahr laufen, Fördergelder zum Fenster rauszuschmeißen.
Sechstens. Ein Letztes. Ganz nebenbei – im Titel nicht
zu finden – wird auch das Wohngeldgesetz geändert. Zum
wohngeldrechtlichen Einkommen zählen künftig noch
der steuerfreie Betrag von Abfindungen, die steuerfreie
Rente wegen Minderung der Erwerbstätigkeit, der Unter-
haltsvorschuss und freiwillige Unterhaltszahlungen. Das
heißt: Für die Betroffenen wird mehr Einkommen ange-
rechnet, ihr Wohngeld vermindert sich. Dass wir das nicht
befürworten, dürfte klar sein.
Anlage 8
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur
Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes und
anderer Gesetze (Tagesordnungspunkt 21)
Gisela Schröter (SPD): Seit fünf Jahren gibt es die
europäische Richtlinie zum Schutz natürlicher Personen
bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum
freien Datenverkehr. Die Frist für die Umsetzung in na-
tionales Recht ist im Oktober 1998 abgelaufen. Das, was
die alte Bundesregierung bis dahin ausgearbeitet hatte,
war nicht mehr als eine Minimallösung. Es war fraglich,
ob sie überhaupt den Anforderungen der EU gerecht ge-
worden wäre.
Die neue Bundesregierung musste die Umsetzung der
Richtlinie ganz neu angehen. Dabei hat sie sinnvol-
lerweise über die Umsetzung hinaus erste wichtige Ände-
rungen am geltenden Datenschutzrecht vorgenommen.
Dazu waren umfangreiche Abstimmungen mit den Län-
dern nötig. Außerdem mussten die besonderen Anliegen
der Medien berücksichtigt werden.
Ich bin froh, dass wir heute endlich im Parlament die
Beratung der Anpassung an die EU-Richtlinie beginnen.
Die im Entwurf angestrebte Modernisierung des Da-
tenschutzrechts ist der Beginn zur einer grundlegenderen
Reform. Es ist ein erster Schritt, die zunehmende Zer-
splitterung des deutschen Datenschutzrechts aufzuhalten.
Den Ländern bietet er eine gemeinsame Orientierung für
die Anpassung ihrer Landesgesetze.
Wir alle wissen, die Umsetzung der Richtlinie ist eil-
bedürftig. Ich bin mir sicher, dass es in diesem Sinne im
Ausschuss zu konstruktiven Beratungen kommen wird.
Das ist vor allem auch möglich aufgrund der guten Vor-
bereitung in den Abstimmungen mit den Ländern und
durch die Einbeziehung der Datenschutzbeauftragten.
Die Vorgaben der Richtlinie sind: die Informations-
rechte der Bürger zu stärken, die Mitgliedstaaten zur Ein-
richtung staatlicher Kontrollstellen auch für den nicht öf-
fentlichen Bereich zu verpflichten, ein einheitliches
Datenschutzniveau in den Mitgliedstaaten zu schaffen
und eine Regelung für die Übermittlung personenbezoge-
ner Daten an Drittstaaten einzuführen. Die Umsetzung
soll mehr Transparenz und Bürgerfreundlichkeit bringen.
Wichtig ist mir der Hinweis auf Neuregelungen im Ge-
setz, die über den Anpassungsbedarf hinausgehen. Damit
werden erste Elemente der Modernisierung und Verein-
heitlichung des Datenschutzrechts eingeführt.
Für besonders wichtig halte ich den neuen Grundsatz
der Datenvermeidung und Datensparsamkeit, der bereits
in der Hardware verankert werden soll. So erreichen wir
den gezielten Einsatz datenschutzfreundlicher Technik.
Das ist ein guter Weg, um Gefahren für das informatio-
nelle Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen systema-
tisch zu reduzieren, wenn nicht gar auszuschließen.
In diesen Zusammenhang gehört auch die Einführung
des Datenschutzaudits. Voreiliger Kritik aus der Wirt-
schaft, das bringe nur Kosten und Verwaltungsaufwand,
will ich hier ausdrücklich entgegenhalten: Schon bald
werden die Unternehmen vom Audit profitieren. Das
frühzeitige Verfügen über Datenschutzstandards wird
Wettbewerbsvorteile bringen. Das schafft doch überhaupt
erst das notwendige Vertrauen der Verbraucher in die Da-
tensicherheit. Nur dann lassen sich gute Geschäfte ma-
chen.
Ein weiterer wichtiger Punkt im Änderungsgesetz ist
die Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Räume.
Anfang Juli gab es hierzu im Ausschuss eine Anhörung.
Die Auswertung der Anhörung konnte noch nicht voll-
ständig in den Entwurf mit einfließen. Hier ist noch mit
Änderungsvorschlägen aus dem Innenministerium zu
rechnen. Eine steht schon fest: die Pflicht zur Kenntlich-
machung von optischer Überwachung im öffentlich zu-
gänglichen Raum.
Lassen Sie uns die überfällige Anpassung an die
EU-Richtlinie schnell zu Ende bringen.
Mit der vorliegenden Novelle ist der Reformbedarf
beim Datenschutz bei weitem nicht abgearbeitet. Das ist
ein eigenes wichtiges Reformprojekt. Über die Jahre und
Jahrzehnte ist das Datenschutzrecht ausgefranst und in
zahlreiche bereichsspezifische Regelungen aufgesplittert.
Es ist inzwischen so kompliziert und unübersichtlich,
dass die wesentliche Aufgabe, der Schutz vor Datenmiss-
brauch, immer schwieriger zu erfüllen ist. Unser Ziel ei-
ner grundlegenden Reform des Datenschutzes muss es
also sein, die Schutzbestimmungen in einem modernen,
schlanken und lesbaren Gesetz zusammenzuführen.
Jeder weiß, dass unser geltendes Datenschutzrecht
nicht mehr mit den rasanten Entwicklungen im I- und K-
Bereich mithalten kann. Die heraufziehende Wissens- und
Informationsgesellschaft darf nicht den Verlust der Pri-
vatheit bringen; das begreife ich als eine zentrale politi-
sche Aufgabe.
Mitte der 70er-Jahre, als bei uns das Datenschutz-
recht konzipiert wurde, bezog sich der Regelungsbedarf
auf schwerfällige zentrale Großrechner. Heute sind Da-
tenzugang, -übermittlung und -verarbeitung möglich über
kleinste Anlagen mit immer größeren Leistungskapazitä-
ten. Während sich früher der Umgang mit elektronisch er-
fassten Daten fast nur im öffentlichen Bereich abspielte,
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 128. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. Oktober 200012390
(C)
(D)
(A)
(B)
ist heute jeder private Haushalt mit Internet-Anschluss
davon betroffen. Im Laufe der Jahre hat sich der Rege-
lungsbedarf zunehmend verschoben vom öffentlichen in
den privaten Bereich.
Die digitale Vernetzung hat längst den nationalen Rah-
men gesprengt. Damit kann eine nationale Regelung al-
lein den Datenschutz immer weniger gewährleisten. Tech-
nologische Globalisierung erfordert letztlich globale
Regelungsmechanismen.
Die EU ist hier einen wichtigen Schritt gegangen:
Nicht nur wurde der Datenschutz in die EU-Charta auf-
genommen. Auch gibt es ganz konkrete Bemühungen, in
Verhandlungen mit Drittstaaten beim Datenaustausch
europäische Datenschutzstandards verbindlich zu ma-
chen. Das „Safe Harbor“-Abkommen mit den Vereinigten
Staaten gibt europäischen Bürgern erstmals die Gewähr,
dass für ihre in die USA gelangten Daten annähernd glei-
cher Schutz gilt wie innerhalb der EU.
Datenschutz hatte ursprünglich den Sinn, den Bürger
vor staatlicher Macht zu schützen. Heute wird, wie schon
gesagt, Datenschutz in der Gesellschaft zwischen Privaten
immer wichtiger. Das gilt insbesondere zwischen Unter-
nehmen und Verbrauchern. So muss vor allem der „glä-
serne Konsument“ verhindert werden. Die Unternehmen,
die ihre Umsätze vor allem im Netz machen wollen – ich
nenne die Stichworte E-Commerce und E-Business – ha-
ben inzwischen erkannt, dass das in ihrem ureigenen Inte-
resse liegt.
Zahlreiche Untersuchungen bestätigen: Die Verbrau-
cher werden die kommerziellen Angebote im Netz nur
nutzen, wenn sie sicher sein können, dass mit ihren Daten
kein Missbrauch getrieben wird. Datensicherheit wird da-
mit zur Voraussetzung für die Entwicklungschancen einer
ganzen Zukunftsbranche. Hier liegt – volkswirtschaftlich
gesehen – tatsächlich ein gewaltiges Wirtschafts- und In-
novationspotenzial. Mangelnder Datenschutz darf nicht
zum Wachstums- und lnnovationshemmnis werden.
Ich denke, es ist deutlich geworden: Die Lösung der
hier skizzierten Aufgaben kann die vorliegende Daten-
schutznovelle nicht leisten. Die erforderliche Neuausrich-
tung des Datenschutzes muss in einem gründlichen Dis-
kussionsprozess vorbereitet werden.
Die Bundesregierung hat einen entsprechenden Gut-
achtenauftrag vergeben. Die Regierungsfraktionen wer-
den die umfassende Reform mit einer Begleitkommission
unterstützen.
Lassen Sie uns mit dem vorliegenden Gesetzentwurf
die überfällige Anpassung an die EU-Richtlinie zügig be-
raten und verabschieden. Größere Aufgaben warten auf
uns.
Beatrix Philipp (CDU/CSU): Wir sprechen heute
über den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Ände-
rung des Bundesdatenschutzgesetzes und anderer Gesetze
in erster Lesung. Das Gesetz ist notwendig geworden,
weil die bundesdeutschen Gesetze an eine Richtlinie des
Europäischen Parlaments und des Rates angepasst wer-
den müssen. Diese Richtlinie zielt auf den Schutz natürli-
cher Personen bei der Verarbeitung von personenbezoge-
nen Daten und auf den freien Datenverkehr.
Im Oktober letzten Jahres hat die Bundesregierung
schon einmal einen Versuch gestartet, den Datenschutz zu
novellieren. Allerdings zerrissen die Medien den Entwurf
in der Luft: Da wollte Herr Schily der Presse einen Maul-
korb verpassen und in jede Redaktion einen Datenschutz-
beauftragten setzen, der den Umgang der Journalisten mit
personenbezogenen Daten überwacht. Die in unserem
Land so hochgelobte Pressefreiheit wäre damit so gut wie
gar nicht mehr vorhanden gewesen; undenkbar, obwohl
ich mir manchmal einen etwas sensibleren Umgang mit
personenbezogenen Daten wünschen würde.
In dem nun vorliegenden Entwurf ist der Maulkorb für
die Presse verschwunden. Immerhin zeigt das, dass die
Bundesregierung in Teilbereichen „lernfähig“ ist.
Wir alle wissen: Der Datenschutz ist ein sensibles
Thema, das viele Bereiche betrifft. Mit dem vorliegenden
Entwurf wird nicht nur das Bundesdatenschutzgesetz
geändert, sondern auch: das Bundesverfassungsschutzge-
setz, das Gesetz über den Militärischen Abschirmdienst,
das Bundesnachrichtendienst-Gesetz, das Sicherheits-
überprüfungsgesetz, das Bundesgrenzschutzgesetz, das
Bundeskriminalamtgesetz und das Sozialgesetzbuch. Das
allein setzt schon voraus, dass ein Verfahren gefunden
wird, das uns dem Ziel, den deutschen Datenschutz trans-
parenter und verständlicher zu machen, näher bringt, in-
dem es das Gesetz lesbar oder lesbarer macht. Dies ist mit
der heutigen Vorlage nicht unbedingt gelungen.
Der Bundesrat hat zu diesem Gesetzentwurf am
29. September 2000 Stellung genommen und insgesamt
19 Empfehlungen ausgesprochen. Leider liegt uns bisher
nicht schriftlich vor, was die Bundesregierung mit diesen
Empfehlungen machen will: ob sie ihnen folgen
oder sie ablehnen will.
Eine meines Erachtens ernst zu nehmende Kritik be-
zieht sich auf die Einführung eines Datenaudits für „An-
bieter von Datenverarbeitungssystemen und -program-
men und datenverarbeitenden Stellen“. Die Erfahrungen
mit Auditierungen in anderen Bereichen haben gezeigt,
dass diese Verfahren sehr kostenintensiv sind, aber den
Erwartungen, die an sie gestellt werden, nicht gerecht
werden.
In der Vergangenheit hat sich die betriebliche Selbst-
kontrolle bewährt, die durch den betrieblichen Daten-
schutzbeauftragten gewährleistet wurde. Warum soll hier
eine doppelte Kontrolle eingeführt werden? Die Ein-
führung eines Datenschutzaudits schwächt im Übrigen
den betrieblichen Datenschutzbeauftragten, seine Auto-
rität und Verantwortung. Man sollte auf das Audit ver-
zichten.
Ebenso verzichtbar ist meines Erachtens der im Gesetz
vorgesehene „Maulkorb für den Datenschutzbeauftrag-
ten“. Nach dem vorliegenden Gesetzentwurf bedarf der
behördliche Datenschutzbeauftragte bei Meinungsver-
schiedenheiten mit dem Leiter der verantwortlichen Stelle
demnächst einer Zustimmung der obersten Bundesbehör-
de, wenn er sich direkt an den Bundesbeauftragten für
Datenschutz wenden will. Durch eine solch einschrän-
kende Regelung, die es bisher in keiner Rechts- und
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 128. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. Oktober 2000 12391
(C)
(D)
(A)
(B)
Verwaltungsvorschrift der Länder gibt, würde die Unab-
hängigkeit des behördlichen Datenschutzbeauftragten
aufgehoben, zumindest massiv eingeschränkt werden.
Auch im Bereich der Zulässigkeit der Datenerhebung,
-verarbeitung und -nutzung gibt es die Notwendigkeit zur
„Nachbesserung“.
So werden bisherige Vorschriften für den öffentlichen
auf den nicht öffentlichen Bereich ausgeweitet. Doch die
Ausgangslage ist in beiden Bereichen völlig unterschied-
lich: Im öffentlichen Bereich werden Aufgabenbereiche
durch den Gesetzgeber festgelegt. Da reicht für die Da-
tenverarbeitung das so genannte Erforderlichkeitsprinzip.
Im nicht öffentlichen Bereich kann sich der Einzelne seine
Aufgaben selbst stellen; hier gelten die Prinzipien der
freien wirtschaftlichen Betätigung und der Vertragsfrei-
heit. Daher sind Vorschriften, die für den öffentlichen Be-
reich gelten, hier zu modifizieren.
Im Gesetzentwurf ist vorgesehen, dass zukünftig „per-
sonenbezogene Daten beim Betroffenen“ erhoben wer-
den. Für den öffentlichen Bereich mag das hoheitliche
Auftreten des Staates gegenüber den Bürgern seinen Sinn
haben. Aber im Bereich der Privatwirtschaft gilt das Prin-
zip der Gleichordnung und der freien Entfaltung – Ge-
werbefreiheit, Vertragsfreiheit, um nur einige Begriffe zu
nennen. Insofern besteht meines Erachtens für eine Ein-
schränkung der Datenerhebung keinerlei Bedürfnis. Die
bisherigen Vorschriften der Datenverarbeitung und -nut-
zung stellen hier einen ausreichenden Schutz für den Be-
troffenen dar.
Ein weiterer Punkt ist die Meldepflicht von verarbeite-
ten Daten für den öffentlichen und nicht öffentlichen Be-
reich. Hier muss klarer formuliert werden.
Ebenfalls problematisch scheint es zu sein, dass bei der
Datenübermittlung innerhalb der EU-Mitgliedstaaten
noch in der täglichen Praxis überprüft werden muss, ob
diese Übermittlung überhaupt unter den Anwendungsbe-
reich der EG-Datenschutzlinie fällt.
Wenn ein neues Gesetz beraten wird, sollte man auch
den technischen Fortschritt der Zeit beachten und berück-
sichtigen. Das hier vorliegende Gesetz lässt die neuen
elektronischen Kommunikationswege völlig außer Acht.
Als Einwilligung zur Erhebung, Verarbeitung oder Nut-
zung von personenbezogenen Daten schreibt das Gesetz
grundsätzlich die Schriftform vor. Gerade in Hinsicht auf
den E-Commerce-Bereich muss das Gesetz „moderner“
gefasst werden.
Es gibt noch einige Punkte mehr, die im Laufe des Ge-
setzgebungsverfahrens angesprochen werden müssen. Ich
meine beispielsweise die folgenden Bereiche: die Verar-
beitung von personenbezogenen Daten, den Umgang mit
für die Werbung genutzten Daten, die Verknüpfung von
Angaben aus verschiedenen Datenbeständen in Bezug auf
schutzwürdige Interessen der Betroffenen, die strafrecht-
lichen Androhungen bei Missbrauch im Umgang mit per-
sonenbezogenen Daten, die Kostenfrage muss deutlicher
angesprochen und geklärt werden, und schließlich: Auch
über die Videoüberwachung muss im Rahmen des Daten-
schutzes geredet werden.
Wie gesagt, bis heute morgen lag die Stellungnahme
der Bundesregierung zu den Empfehlungen des Bundes-
rates nicht vor. Wir werden aber im Laufe der Beratungen
genug Zeit haben, ein vernünftiges Datenschutzgesetz
hinzubekommen. Ich gebe die Hoffnung nicht auf.
Cem Özdemir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich
freue mich, dass wir heute endlich dieses komplizierte
Gesetz auf den parlamentarischen Weg bringen.
Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz weist in
seinem neuesten Bericht mit Recht auf die rasante Be-
schleunigung des technischen Fortschritts hin. Die Ein-
führung des Radios dauerte 38 Jahre. Beim Fernsehen wa-
ren nur noch 13 Jahre vonnöten. Das Internet wiederum
brauchte nur vier Jahre. Der Markt wächst doppelt so
schnell wie die Volkswirtschaft insgesamt.
Das hat enorme Auswirkungen auf die Politik und
die Gesetzgebung. Wenn mittlerweile jeder Deutsche über
18 Jahre allein 52-mal in Unternehmensdateien gespei-
chert ist, schafft das Sorgen und Ängste vor einem gläser-
nen Bürger, der jeden Überblick darüber verloren hat, was
mit seinen Daten geschieht und was alles über ihn in öf-
fentlichen und vor allem in privaten Dateien gespeichert
ist.
Umfragen zeigen deutlich eine erhebliche Skepsis der
Befragten. Bei der von der Konferenz der Datenschutz-
beauftragten in Auftrag gegebenen Studie gaben ein Drit-
tel der Befragten an, sie hätten persönlich den Eindruck,
dass ihre Daten widerrechtlich und gegen ihren Willen
missbraucht wurden. Das gilt nicht nur bei Eingriffen
durch den Staat, sondern gerade bei den Eingriffen Pri-
vater. Dieser Bereich wird immer bedeutsamer.
Die Umsetzung der EU-Datenschutzrichtlinie ist ein
wichtiger erster Schritt zu einer umfassenden Reform.
Halten wir uns vor Augen: Die Struktur unseres Daten-
schutzrechts stammt in ihrem Kern noch aus den 70er-
Jahren. Die jetzige Fassung ist nach der Umsetzung der
EU-Richtlinie für Anwender nicht gut genug lesbar. Seine
Steuerungsfunktion kann das Bundesdatenschutzgesetz
aber nur wahrnehmen, wenn auch die Nutzerinnen und
Nutzer damit arbeiten können. Lesbarkeit und Verständ-
lichkeit sind die Voraussetzungen für die Akzeptanz von
Gesetzen.
Dieses neue Gesetz muss dann weit in die Zukunft wei-
sen. Es muss eine Antwort geben auf die Herausforderun-
gen der modernen Informationsgesellschaft des 21. Jahr-
hunderts. Wir stehen inmitten einer technischen
Revolution wie zurzeit der Erfindung der Buchdrucker-
kunst. Damals konnten plötzlich viel mehr Menschen
Bücher lesen. Heute erleben wir die internationale Ver-
flechtung mit unbegrenztem Zugang zum Internet.
Mit dieser Anpassung an das EU-Recht allein ist es
nicht getan. Wir haben deshalb bereits mit der Vorberei-
tung einer völligen Überarbeitung des Datenschutzgeset-
zes unter Beteiligung internationaler Fachleute begonnen.
Wir wollen diese Diskussion zügig, zugleich aber so of-
fen wie möglich gestalten, um den vielen Fachleuten, ins-
besondere den Datenschutzbeauftragten von Bund und
Ländern, angemessene Mitgestaltungsmöglichkeiten zu
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 128. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. Oktober 200012392
(C)
(D)
(A)
(B)
geben. Gemeinsam mit dem Koalitionspartner haben wir
zusätzlich das öffentliche Projekt „E-Demokratie“ ent-
wickelt, an dem sich alle Interessierten beteiligen können
(www.moderner-datenschutz.de).
Der jetzt vorgelegte Gesetzentwurf der Bundesregie-
rung ist ein solides Fundament für die weitere Diskussion
einer Neustrukturierung des Datenschutzrechts. An eini-
gen Stellen geht er bereits deutlich über die Vorgaben der
Richtlinie hinaus. So haben wir auch den Bundesdaten-
schutzbeauftragten gestärkt.
Besonders wichtig ist ferner die gesetzliche Veranke-
rung des Datenschutzaudits. Davon versprechen wir uns
einen großen technologischen Schub. Die Datenschutzbe-
auftragten der Länder haben uns hier sehr ermuntert und
gestärkt, für diese Regelung einzutreten. Ich möchte an
dieser Stelle für die freundschaftliche und ertragreiche
Zusammenarbeit mit den Datenschutzbeauftragten dan-
ken.
Mit dem heute vorgelegten Gesetz zur Umsetzung der
EU-Richtlinie von 1995 wird der Datenschutz erheblich
verbessert und der Datenverkehr innerhalb der EU wird
dem inländischen gleichgestellt. Festgeschrieben wird
auch der Grundsatz der Datensparsamkeit und der Daten-
vermeidung. Neu ist zum Schutz der Bürgerrechte auch
die Möglichkeit der Anonymisierung und Pseudonymi-
sierung von Datenbeständen. Erweitert werden auch die
Benachrichtigungspflichten über die Speicherungen und
die Weitergabe von Daten der Betroffenen.
Öffentliche Stellen werden nunmehr endlich verpflich-
tet, eigene Datenschutzbeauftragte zu ernennen. Die jetzt
gefundenen Regelungen sind dazu gewiss noch nicht der
Weisheit letzter Schluss. Insbesondere aber in den Sicher-
heitsbehörden stehen manche bürgerrechtlichen Lernpro-
zesse noch am Anfang. Die behördlichen Datenschutz-
beauftragten werden es hier nicht einfach haben. Mit dem
Gesetz wird aber immerhin ein Anfang gemacht, den wir
als Parlament aufmerksam begleiten und unterstützen
müssen.
Jörg van Essen (F.D.P.): Die Novellierung des Da-
tenschutzrechts ist seit langem überfällig. Die europä-
ische Datenschutzrichtlinie, die wir in das nationale Recht
umzusetzen haben, stammt aus dem Jahr 1995. Die Um-
setzungsfrist ist vor fast genau zwei Jahren abgelaufen.
Bis die parlamentarischen Beratungen abgeschlossen sind
und das Gesetz verabschiedet ist, werden weitere Monate
vergehen. Dennoch darf sich das Parlament nicht durch
die zögerliche Haltung der Bundesregierung unter Zeit-
druck setzen lassen.
Das Datenschutzrecht ist eine sensible Materie; denn
es schützt das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Bürge-
rinnen und Bürger. Für die F.D.P. ist andererseits aber
auch wichtig, dass datenschutzrechtliche Positionen nicht
als Vorwand genutzt werden, um berechtigte Anliegen ab-
zuwehren, wie etwa bei der Verbrechensbekämpfung.
Die Bundesregierung verfolgt mit dem jetzt endlich
vorgelegten Gesetzentwurf im Wesentlichen das Ziel, die
Vorgaben der europäischen Richtlinie umzusetzen. In ei-
nem zweiten Schritt sollen dann die Arbeiten an einer um-
fassenden Neukonzeption des Datenschutzrechts aufge-
griffen und weitergeführt werden, mit dem Ziel der Mo-
dernisierung, Vereinfachung und Erhöhung der Lesbar-
keit des Gesetzes. Dies ist dringend notwendig. Wir sind
gespannt, ob die Ankündigung, dieses Ziel noch in der
laufenden Legislaturperiode zu erreichen, tatsächlich
wahr gemacht wird. Nach den Erfahrungen mit den Pro-
jekten dieser Koalition sind daran erheblich Zweifel er-
laubt.
Der Gesetzentwurf enthält durchaus begrüßenswerte
Ansätze, die den Datenschutz, wie ihn die Freien Demo-
kraten für richtig und wichtig halten, effektiver machen.
Ich denke an den Grundsatz der Datenvermeidung und der
Datensparsamkeit, an die Vorabkontrolle, an das Daten-
schutzaudit, an die Erweiterung der Rechte des Bundes-
beauftragten für den Datenschutz insbesondere im nicht
öffentlichen Bereich und an die Regelung der Zulässigkeit
der Videoüberwachung. Besonders begrüßen wir, dass die
ursprüngliche Absicht der Regierung, in völlig unsensi-
blem Umgang mit der Pressefreiheit Journalisten unter
die Kontrolle redaktionsinterner Datenschutzbeauftragter
zu stellen, nach massiven Protesten unter anderem der
F.D.P. nun nicht mehr in dem Gesetzentwurf enthalten ist.
Den Grundsatz „Selbstkontrolle kommt vor staatlicher
Kontrolle“ musste die Regierung offenbar erst mühsam
lernen.
Aus dem Entwurf herausgenommen wurde die Rege-
lung über die Chipkarten, die im öffentlichen wie im nicht
öffentlichen Bereich zunehmend Verwendung finden. Wir
werden bei den Beratungen zu prüfen haben, ob wir diese
Regelung noch in das laufende Gesetzgebungsverfahren
einfügen können.
Für uns Liberale bleiben wichtige Bereiche des Daten-
schutzes auch nach dieser Novellierung regelungsbedürf-
tig. In der Informationsgesellschaft muss der Datenschutz
als traditionelles Abwehrrecht gegenüber dem Staat in
vergleichbarem Maße auf das Verhältnis zwischen Priva-
ten ausgedehnt werden. Das gilt etwa für die Videoüber-
wachung, die nach der Novelle lediglich bezüglich der
öffentlich zugänglichen Räume, nicht aber – um ein Bei-
spiel zu geben – im Bereich der Betriebe erfasst wird.
Aber auch darüber hinaus gewinnt die Bildverarbei-
tung aufgrund der ständig steigenden Verarbeitungskapa-
zität eine neue Bedeutung. Der Vertrieb von Häuseran-
sichten, so genannte Großraumprojekte, oder die Zustellung
von Ferienfotos über das Internet lassen ahnen, welchen
Rang die elektronische Bildverarbeitung im Alltagsleben
künftig erhalten wird. Vor allem müssen wir den Bürgern
bei der Nutzung von offenen Systemen wie dem Internet
die Möglichkeiten des Selbstschutzes geben und damit
den Datenschutz fördern. Ich nenne hier nur die Stich-
worte: Sicherheitsinfrastrukturen, digitale Signaturen und
kryptographische Verfahren.
Nicht unerwähnt bleiben darf abschließend, dass alle
gesetzlichen Regelungen ineffektiv bleiben, wenn die
Aufsichtsbehörden in personeller wie in materieller Hin-
sicht nicht ausreichend ausgestattet sind. Schon jetzt ist
die Ausstattung zu gering, um die Praxis der Datenverar-
beitung in Wirtschaft und Verwaltung auch nur annähernd
tatsächlich überprüfen zu können. In dieser Frage sind
insbesondere die Länder in der Verantwortung.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 128. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. Oktober 2000 12393
(C)
(D)
(A)
(B)
Petra Pau (PDS):Gemäß der Richtlinie 95/46/EG des
Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Okto-
ber 1995 war die Bundesregierung verpflichtet, das bun-
desdeutsche Datenschutzgesetz bis zum 24. Oktober 1998
dieser Richtlinie anzupassen. Das ist bis heute nicht ge-
schehen. Nicht nur der Bundesbeauftragte für Daten-
schutz hat diesen Umstand immer wieder heftig kritisiert.
Nun wird mit dem vorgelegten Gesetzentwurf versucht,
dieser europäischen Anforderung und der Anforderung
nach einheitlichem europäischen Recht Genüge zu tun.
Damit sollen die Bürgerrechte gestärkt, staatliche Kon-
trollstellen eingerichtet und ein einheitliches Daten-
schutzniveau geschaffen werden, der Datenverkehr inner-
halb der EU soll dem innerstaatlichen angeglichen, der
Austausch personenbezogener Daten mit Drittstaaten ver-
einheitlicht werden. Der andere Zweck des Gesetzes ist,
das BDSG auf die Entwicklungen der modernen Techno-
logien einzustellen und gesetzliche Vorgaben für eine Da-
tenminderung zu entwickeln.
Ich will nicht verhehlen, dass ich dieses Vorhaben aus-
drücklich begrüße und dass ich mich da ganz den Daten-
schutzbeauftragten des Bundes und auch der Länder an-
schließen kann, die das Gesetzesvorhaben ausdrücklich
als wichtigen und notwendigen Schritt begrüßen. Für die
Datenschutzbeauftragten hat dabei das Gebot zur Daten-
vermeidung und Datensparsamkeit bei der Systemgestal-
tung und die Einführung eines Datenschutzaudits durch
§ 9 a des vorliegenden Gesetzentwurfs besonders positive
Kritik hervorgerufen. Diese allgemeinen Bewertungen
teile ich, auch wenn sie aus meiner Sicht ein wenig zu eu-
phorisch ausfallen. Dass mag vor allem auch daran liegen,
dass nach 10 Jahren gesetzlichen Stillstandes endlich
diese drängenden Probleme angepackt werden – zu eu-
phorisch, weil ich finde, dass eine ganze Reihe von kon-
kreten Regelungen enthalten sind, die, was die Datener-
hebung, -speicherung und -weitergabe betrifft, über das
Ziel hinausschießen. Ich will hier nur einige Beispiele an-
führen:
Im vorgelegten Entwurf wird im § 6 b die Videoüber-
wachung geregelt. Der Entwurf begnügt sich hier mit
ganz allgemeinen Regelungen für die Videoüberwachung
im öffentlich zugänglichen Raum. Zulässig ist sie, wenn
sie zur „Aufgabenerfüllung“ staatlicher Stellen notwen-
dig ist. Nach BGS-G und BKA-G gehört zur „Aufgaben-
erfüllung“ die Verbrechensvorbeugung. Das heißt, der
Entwurf des BDSG legalisiert damit die präventive Vi-
deoüberwachung öffentlicher Bereiche. Die Speicherung
der so erhobenen Daten wird genauso zulässig wie die
Weitergabe.
Auch die Vorschriften zur Löschung dieser vorbeugend
und völlig willkürlich gewonnenen Daten sind ganz all-
gemein und unverbindlich geregelt, nämlich dann, „wenn
sie zur Erreichung des Zwecks nicht mehr erforderlich
sind“, was immer das heißen mag. Und wie wir seit der
Anhörung des Innenausschusses wissen, gehen hier die
Ansichten von Datenschützern und Wissenschaftlern ei-
nerseits und Vertretern der Polizeibehörden andererseits
naturgemäß weit auseinander.
lm vorgelegten Gesetzentwurf werden alle Vorschrif-
ten des BfV-G, des MAD-G, des BND-G, des BGS-G, des
BKA-G, des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes übernom-
men. Das BDSG soll damit gesetzlich regeln, dass die da-
tenschutzrechtlichen Kontrollrechte des Bürgers einge-
schränkt werden. Gesetzlich geregelt wird damit, dass der
Staat wohl in die Privatsphäre des Bürgers massiv ein-
greifen kann, der Bürger aber kaum hiergegen Schutz-
möglichkeiten hat. Ich bekomme beispielsweise häufig
Klagen von Bürgern, bei denen Hausdurchsuchungen
stattgefunden haben, von Bürgern also, in deren privaten
Lebensbereich von staatlichen Stellen massiv eingegrif-
fen wurde, die aber nicht die Möglichkeit haben, zu kon-
trollieren, was mit ihren Daten geschehen ist. Der Daten-
schutzbeauftragte wird auch gerade bei der Kontrolle der
Eingriffe in das Brief-, Post und Fernmeldegeheimnis aus-
geschlossen (siehe Seite 29 der Bundesrats-Drucksa-
che 461/00). Das Datenschutzgesetz sollte nicht dazu
dienen, den Schutz staatlicher Stellen vor Bürgerkon-
trolle zu regeln.
Im vorgelegten Entwurf wird auch die Weitergabe von
Daten an Drittstaaten geregelt (§ 4 b). Die Datenweiter-
gabe an Staaten, die über kein angemessenes Daten-
schutzniveau verfügen, ist auch dann zulässig, „wenn die
Übermittlung zur Erfüllung eigener Aufgaben einer öf-
fentlichen Stelle des Bundes aus zwingenden Gründen der
Verteidigung oder der Erfüllung über- und zwischenstaat-
licher Verpflichtungen auf dem Gebiet der Krisenbewälti-
gung oder Konfliktverhinderung oder für humanitäre
Maßnahmen erforderlich ist“. Diese allgemeine Klausel
erlaubt eigentlich alles.
Im vorgelegten Gesetzentwurf wird auch festgelegt,
dass Daten über die ethnische Herkunft und religiöse oder
philosophische Überzeugungen nach dem SGB aus Grün-
den der Rentenversicherung und der Voraussetzungen des
Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung national-
sozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung ge-
speichert werden können. Der Entwurf regelt Ähnliches
beim Fremdrentengesetz und beim beruflichen Rehabili-
tierungsgesetz. Auch hier wird – was ich äußerst proble-
matisch finde – „eine Weiterübermittlung dieser Daten an
andere Leistungsträger im Rahmen des § 67 b zulässig“
(Seite 126 der Bundesrats-Drucksache). Ich möchte in
diesem Zusammenhang gar nicht länger darüber nach-
denken, was mit jenen Daten beispielsweise von Spätaus-
siedlern geschieht, die vom BND über die Zustände in der
ehemaligen Sowjetunion ausgefragt worden sind, oder
mit den Daten jener Menschen passiert, die Antrag auf
Anerkennung als Spätaussiedler stellen und bei denen ge-
prüft wird, ob sie „eine herausgehobene politische und be-
rufliche Stellung innegehabt“ haben.
Ich meine von daher: Der Sinn dieses Gesetzes sollte
nicht darin bestehen, den lockeren Zugriff auf Daten der
Bürger zu legalisieren und damit auf eine neue gesetzli-
che Grundlage zu stellen. Ein novelliertes BDSG sollte
die Rechte der Bürgerinnen und Bürger tatsächlich schüt-
zen; dies umso mehr, da die bereits jetzt schon vorhande-
nen technischen Möglichkeiten es dem Staat ermögli-
chen, massiv und fast allumfassend in das informationelle
Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen einzugreifen.
Lassen sie uns in der weiteren Debatte die Belange der
Bürgerinnen und Bürger, ihr Selbstbestimmungsrecht in
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 128. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. Oktober 200012394
(C)
(D)
(A)
(B)
den Mittelpunkt stellen. Dann könnte dieses Gesetzes-
vorhaben tatsächlich mehr Rechtssicherheit und mehr
Selbstbestimmtheit bringen und manche Angst vor neuen
technischen Entwicklungen nehmen, ja sogar zu ihrer
selbstbewussten Nutzung anregen.
Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun-
desminister des Innern: Der Gesetzentwurf, den die Bun-
desregierung vorgelegt hat, dient der Anpassung des Bun-
desdatenschutzgesetzes und anderer Gesetze an die
EG-Datenschutzrichtlinie. Durch diese Richtlinie wird
ein einheitliches Datenschutzniveau für die Mitgliedstaa-
ten der EU geschaffen. Der innergemeinschaftliche Da-
tenverkehr wird künftig dem inländischen Datenverkehr
gleichgestellt. Die Informationsrechte des Bürgers wer-
den gestärkt.
Die von der EG-Richtlinie gesetzte Umsetzungsfrist ist
am 24. Oktober 1998 verstrichen. Die alte Bundesregie-
rung hatte dem Vorhaben nicht die erforderliche hohe
Priorität eingeräumt. Daher zeigte sich im Laufe des Jah-
res 1999 noch erheblicher Diskussionsbedarf, etwa sei-
tens der Wirtschaft, aber auch von Länderseite. Schließ-
lich gab es aufseiten der Medien erhebliche Bedenken,
denen Rechnung getragen werden sollte.
Die Kommission hat am 11. Januar dieses Jahres die
Einleitung der dritten Stufe des Vertragsverletzungsver-
fahrens wegen Nicht-Umsetzung der EG-Datenschutz-
richtlinie gegen Deutschland, Frankreich, Luxemburg,
die Niederlande und Irland bekannt gegeben. Trotz des
langen Vorlaufs ist daher eine zügige Beratung des Ge-
setzentwurfs erforderlich.
Mit der Richtlinie und ihrer jetzt erfolgenden nationa-
len Umsetzung werden die Weichen für ein einheitliches
Datenschutzniveau innerhalb Europas gestellt. Dadurch
wird ein reibungsloser Austausch personenbezogener Da-
ten garantiert. Gleichzeitig wird die Transparenz der Da-
tenverarbeitung von Wirtschaft und Verwaltung für den
einzelnen Bürger weiter verbessert. Der Datenaustausch
mit Drittstaaten wird zwar reglementiert, durch einen
großzügigen Ausnahmekatalog wird jedoch dafür Sorge
getragen, dass eine Beeinträchtigung des Wirtschaftsver-
kehrs nicht eintritt.
Dass die von der Richtlinie insoweit eingeführten In-
strumentarien praxisgerecht sind, haben die unlängst er-
folgreich abgeschlossenen Verhandlungen zwischen der
Kommission und dem US-Handelsministerium zum so
genannten safe harbor – Konzept des „sicheren Hafens“ –
bewiesen. Danach wird auch zukünftig der Austausch per-
sonenbezogener Daten zwischen europäischen und ame-
rikanischen Unternehmen möglich sein. Hierzu wurden
von amerikanischer Seite erstmals konkrete Zusagen im
Hinblick auf die Gewährleistung eines effektiven Daten-
schutzregimes gemacht.
Der Gesetzentwurf ist generell darauf ausgerichtet, die
Richtlinie zwar im erforderlichen Umfang umzusetzen,
anderseits aber von den zur Verfügung stehenden Optio-
nen in einer für Bund, Länder, Gemeinden und Wirtschaft
möglichst kostengünstigen Weise Gebrauch zu machen.
Die unvermeidlichen Mehrbelastungen der Wirtschaft
werden sich daher in vertretbarem Umfang halten. Auf-
grund der einheitlichen europäischen Regelungen sind
Wettbewerbsnachteile nicht zu befürchten.
Mit den Ländern ist bereits im Vorfeld eine intensive
Abstimmung des Entwurfs erfolgt. Dabei sind die Kern-
forderungen der Länder aufgegriffen worden. Der Bun-
desrat hat in seiner Stellungnahme einige weitere Anre-
gungen gegeben. Auch der Mehrzahl dieser Anträge
beabsichtigt die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung
zu folgen. Insgesamt wird das in Deutschland bereits be-
stehende hohe Datenschutzniveau aufrechterhalten.
Nach Auffassung der Bundesregierung besteht ein über
die vorliegende unmittelbare Umsetzung der Vorgaben
der Richtlinie hinausgehender Änderungs- und Moderni-
sierungsbedarf im Bundesdatenschutzgesetz; es besteht
Anlass, eine grundsätzliche Neustrukturierung des Daten-
schutzrechts ins Auge zu fassen. Die Bundesregierung hat
sich nach sorgfältiger Prüfung für ein zweistufiges Vorge-
hen entschieden; sie hat dementsprechend die Ziele für
eine Anpassung des Bundesdatenschutzgesetzes in der
ersten Stufe, um die es hier heute geht, im Wesentlichen
auf die Umsetzung der zwingenden Richtlinienvorgaben
beschränkt.
In einem zweiten Schritt, der zeitnah dieser ersten
Phase nachfolgen soll, wird dann die grundlegende Neu-
strukturierung des Bundesdatenschutzgesetzes auf der
Tagesordnung stehen, einschließlich einer kritischen
Überprüfung des Bestandes an speziellen Datenschutzre-
gelungen. Wichtiges dieser zweiten Stufe wird die Ge-
währleistung des Rechts auf informationelle Selbstbe-
stimmung unter den Bedingungen der sich immer rascher
ändernden technischen Rahmenbedingungen sein.
Anlage 9
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung der Anträge:
– Herabsetzung der Grundsteuer bei strukturel-
lem Mitwohnungsleerstand;
– Sofortmaßnahmen zur Sicherung der Existenz
von Wohnungsgenossenschaften aus Treu-
handliegenschaftsbeständen in den neuen
Bundesländern;
– UMTS-Milliarden für Entlastung von Alt-
schulden auf dauerhaft leerstehenden Wohn-
raum;
– Vorlage einer Verordnung zur Umsetzung des
§ 6 a des Zweiten Gesetzes zur Änderung des
Altschuldenhilfe-Gesetzes
zum Entwurf eines Gesetzes:
– Änderung des Eigenheimzulagengesetzes.
(Tagesordnungspunkt 22 a bis d und Zusatzta-
gesordnungspunkt 17)
Dr. Peter Danckert (SPD): Mit ihrem Antrag fordert
die PDS, aus den Erlösen der Versteigerung der Mobil-
funklizenzen einen Betrag von 3 Milliarden DM für die
Entlastung von Altschulden auf dauerhaft leer stehenden
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 128. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. Oktober 2000 12395
(C)
(D)
(A)
(B)
Wohnraum zu verwenden. Die PDS-Fraktion setzt ihre
Versuche fort – zehn Jahre nach der deutschen Einheit –,
eine von ihr zu verantwortende Misere in der Wohnungs-
wirtschaft mit einem populistischen Federstrich zu been-
den. Leider verschließt sie erneut die Augen vor den poli-
tischen Realitäten.
Die Erlöse in Höhe von 99,4 Milliarden DM aus der
Versteigerung sind komplett in die Schuldentilgung des
Staatshaushaltes geflossen, um den Haushalt nachhaltig
zu konsolidieren und den Sparkurs der Bundesregierung
mit entschlossenem, konkretem Handeln zu unterlegen.
Wir wissen, dass die PDS immer gerne und immer schnell
dabei ist, staatliche Gelder konzeptlos auszugeben – je-
denfalls völlig falsche Schwerpunkte setzt. Was mich hier
wirklich erstaunt, ist der Umstand, dass die PDS offen-
sichtlich nicht zur Kenntnis nehmen will, dass bereits am
1. September 2000 die Novelle zum Altschuldenhilfe-Ge-
setz der neuen Bundesregierung in Kraft getreten ist.
Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich darauf auf-
merksam machen, dass auf Initiative der SPD-Fraktion in
die Novelle eine „Härtefallregelung“, nämlich der neue
§ 6 a AHG, aufgenommen wurde. Danach ist die Bundes-
regierung zum Erlass einer Verordnung, die bereits in der
Mache ist und schon am 1. Januar 2001 in Kraft treten
soll, über zusätzliche Altschuldenhilfe ermächtigt. Dieje-
nigen Wohnungsunternehmen, die infolge erheblichen
dauerhaften Leerstandes in ihrer wirtschaftlichen Exis-
tenz gefährdet sind, erhalten so zusätzliche Entlastungen,
und zwar unabhängig, ob sie Zinsbeihilfe oder Teilentla-
stung in Anspruch genommen haben.
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen von
der PDS, die UMTS-Milliarden sind, wie ich bereits
sagte, sinnvoll zur Schuldentilgung verwandt worden.
Damit Sie sich erst gar nicht die Mühe mit einem weite-
ren Antrag machen müssen, kann ich Ihnen auch versi-
chern, dass die daraus resultierenden Zinsersparnisse des
Bundes von rund 5 Milliarden DM ebenfalls zielgerichtet
für Investitionen eingesetzt werden, und zwar in die
großen Bereiche Verkehr – Schiene und Straße –, For-
schung und Bildung sowie in neue Technologien. Mit die-
sem Zukunftsinvestitionsprogramm – auch ZIP genannt –
haben diese Regierung und die sie tragenden Fraktionen
entscheidende Impulse für die schnellere Entwicklung
und Verbesserung der Infrastruktur gesetzt und mit der
massiven Unterstützung von Bildung und Forschung in
die Zukunft der jungen Generation investiert. Das hat für
uns die erste Priorität: Haushaltskonsolidierung und Zu-
kunftsinvestitionen bestimmen unser politisches Han-
deln.
Doch jetzt zu Ihrem Gesetzesentwurf zur Änderung
des Eigenheimzulagengesetzes, den ich als Wohnungspo-
litiker interessant finde.Das Eigenheimzulagengesetz för-
dert die Herstellung, die Anschaffung oder Ausbauten
und Erweiterungen an einer Eigentumswohnung bezie-
hungsweise an einer Wohnung im eigenen Haus, sofern
der Anspruchsberechtigte die Wohnung zu eigenen
Wohnzwecken nutzt. § 17 EigZulG sieht bei der Eigen-
heimzulage dann Besonderheiten vor, wenn Genossen-
schaftsanteile erworben werden sollen. Voraussetzung für
die Förderung nach § 17 EigZulG ist, dass die Mitglieder
Anteile in Höhe von mindestens 10 000 DM an einer ei-
gentumsorientierten Genossenschaft zeichnen müssen.
Die Förderung bezieht sich nur auf selbstgenutztes Wohn-
eigentum und auf Anteile an eigentumsorientierten Woh-
nungsgenossenschaften.Voraussetzung ist, wie es das Ge-
setz in § 17 EigZulG klar definiert, dass die Satzung der
Genossenschaft für die Genossenschaftsmitglieder das
vererbliche Recht auf Eigentumserwerb für den Fall un-
widerruflich vorsieht, dass die Mehrheit der in einem Ob-
jekt wohnenden Genossenschaftsmitglieder der Begrün-
dung von Wohnungseigentum und der Veräußerung der
Wohnungen schriftlich zugestimmt hat.
Die PDS möchte sich von diesem Grundsatz lösen und
die Förderung auch auf den Anteilserwerb für beste-
hende, nicht eigentumsorientierte Wohnungsgenossen-
schaften erweitern sowie die Mindesthöhe des Genossen-
schaftsanteils als Bedingung für die Gewährung der
Zulage entfallen lassen. Ich gebe ja gerne zu, dass es dann
den bestehenden Genossenschaften erleichtern würde,
neue Mitglieder und finanzielle Mittel für Investitionen in
den Bestand zu gewinnen. Aber – und ein „aber“ muss in
diesem Fall natürlich kommen – Sinn und Zweck des Ge-
setzes ist es doch, was in § 2 EigZulG auch deutlich zum
Ausdruck kommt, dass nur Eigentum und damit auch nur
Anteile an eigentumsorientierten Wohnungsgenossen-
schaften gefördert werden. Was Sie hier wollen, ist nicht
nur systemwidrig und verstößt gegen Sinn und Zweck des
Gesetzes, sondern stellt auch einen völlig neuen Förder-
tatbestand dar!
Aber Sie müssen sich an dieser Stelle gar nicht echauf-
fieren, denn der Erwerb von Anteilen an bestehenden
Wohnungsgenossenschaften wird bereits über die förder-
fähigen Bausparbeiträge sowohl im Rahmen der Woh-
nungsbauprämie, da hier nur eine wohnungswirtschaftli-
che Verwendung Voraussetzung ist, sowie durch das
5. Vermögensbildungsgesetz gefördert. Im sozialen Be-
reich kommt bei der neuen Regierung kein Bürger zu
kurz; nur die lieben Kolleginnen und Kollegen der Oppo-
sition kommen mit ihren Ideen leider immer zu spät!
Denn – ich will die Gelegenheit nicht ungenutzt verstrei-
chen lassen –: Wir haben doch gerade vor wenigen Minu-
ten mehrheitlich für den Gesetzesentwurf zum Eigen-
heimzulagengesetz von SPD und Bündnis 90/Die Grünen
gestimmt, der den Förderzeitraum für den Einbau be-
stimmter energiesparender Anlagen und für Niedrigener-
giehäuser um zwei weitere Jahre verlängert.
Und – denn das soll bitte auch nicht in Vergessenheit
geraten –: Wir haben die Wohngeldnovelle mit einigen be-
deutsamen Zielen auf den Weg gebracht, die ab 2001 er-
hebliche Verbesserungen vorsieht. Die Wohngeldreform
bewirkt einen durchschnittlichen Anstieg des Wohngel-
des. Außerdem wird die Zahl der Anspruchsberechtigten
durch die Anhebung der Werte in den Wohngeldtabellen
erheblich ausgeweitet, weil sich damit auch die Einkom-
mensgrenzen verändern. Allein in den neuen Ländern be-
kommen 85 000 zusätzliche Haushalte die Chance, Wohn-
geld in Anspruch zu nehmen. Und im Zeichen des Aufbau
Ost: Wir vereinheitlichen das Wohngeld in Ost- und West-
deutschland, wofür 1,4 Milliarden DM mehr zur Verfü-
gung stehen.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 128. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. Oktober 200012396
(C)
(D)
(A)
(B)
Die SPD hat mal wieder – und ich sage hier mit Stolz
„mal wieder“ – für die Bürger aus den neuen wie aus den
alten Bundesländern, zahlreiche Verbesserungen erreicht!
Dr. Christine Lucyga (SPD): Wichtige wohnungs-
politische Entscheidungen sind noch in dieser Legislatur-
periode zu treffen bzw. umzusetzen. Zu den wichtigsten
Aufgaben zählen tragfähige Stadtentwicklungskonzepte,
die die Zukunft dauerhaft leer stehenden Wohnraums
klären und – angesichts rund 1 Million leer stehender
Wohnungen in den neuen Bundesländern auch das Thema
Abriss – dort, wo es angebracht ist, nicht länger tabuisie-
ren. Messlatte ist dabei unsere erklärte politische Absicht:
Wir wollen mehr bezahlbare Wohnungen und mehr Le-
bensqualität in unseren Städten und Gemeinden und die
besonderen Probleme der ostdeutschen Wohnungswirt-
schaft – wie Fehler des Altschuldenhilfe-Gesetzes und die
bedrohlich angewachsenen Leerstände – zügig und sach-
gerecht lösen, denn wir wollen – auch dies ist eine unse-
rer erklärten wohnungspolitischen Zielsetzungen – So-
zialwohnungsbestände für eine dauerhafte soziale
Wohnungswirtschaft sichern.
In der Eigenheimförderung und in der Städtebauförde-
rung setzen wir – entsprechend ihrem unverändert hohen
Stellenwert – neue Akzente, die auch neue, integrative An-
sätze einschließen. Soeben haben wir Änderungen am
Eigenheimzulagengesetz beschlossen, oder, wie vor kur-
zem, mit der am 1. September in Kraft getretenen Novelle
zum Altschuldenhilfe-Gesetz erhebliche Erleichterungen
für die Wohnungsunternehmen in den neuen Ländern ge-
schaffen.
Wenn wir heute – leider wieder einmal zu vorgerück-
ter Stunde – über gleich fünf wohnungspolitische Anträge
der PDS sprechen, in denen zweifellos wichtige Probleme
angesprochen werden, dann ist aber auch festzustellen,
dass wir an der Lösung dieser Probleme bereits arbeiten
und auch bei ihrer Lösung ein gutes Stück vorangekom-
men sind. Wir setzen dabei auf tragfähige Lösungen von
Bestand und nicht auf den kurzzeitigen Aha-Effekt, auf
den zum Beispiel der PDS-Antrag „UMTS-Milliarden für
Entlastung von Altschulden auf dauerhaft leer stehenden
Wohnraum“ angelegt ist.
Mit diesem Antrag wird, im Grunde genommen, wie-
der einmal das Phantom des Goldesels aufgezäumt, der
nach Belieben mit einem goldenen Regen aushelfen kann.
Aber leider sind Märchen im täglichen Leben ebenso sel-
ten wie in der Politik, und ein Fass ohne Boden ist nun ein-
mal keine Sparbüchse. Genau dies aber ist die Botschaft
Ihres Antrages: Man braucht, wie in einem Selbstbe-
dienungsladen, nur zuzugreifen, die Finanzierung erfolgt
per Blankoscheck.
Ein gewisser Realismus kann indessen beim Umgang
mit öffentlichen Mitteln bestimmt nicht schaden und so
ziehen wir dem auch eine Lösung vor, die unserer Verant-
wortung für die gegenwärtigen Probleme und für die Zu-
kunft der jungen Generation entspricht. Wir wollen keine
kurzlebigen Effekte, sondern solide Maßnahmen, und
deshalb halten wir es für die sinnvollste und beste Lösung,
die UMTS-Versteigerungserlöse nicht sofort wieder in
konsumtiven Einzelausgaben versickern zu lassen, son-
dern im Rahmen der Haushaltskonsolidierung zur Schul-
dentilgung und die daraus Jahr für Jahr resultierenden
Zinsersparnisse im Rahmen eines Zukunftsinvestitions-
programmes für zusätzliche Investitionsmaßnahmen zu
verwenden. Zum Beispiel werden drei Jahre lang jährlich
mehrere 100 Millionen Mark für zinsgünstige Kredite für
die CO2-Minderung im Gebäudebereich eingesetzt: zurErneuerung von Heizungsanlagen, zur Wärmedämmung,
für den Einsatz regenerativer Energien und innovativer
Gerätetechnik. Von den Mitteln, die in die Erneuerung der
Infrastruktur fließen, wird an anderer Stelle zu sprechen
sein.
Die Entlastung und Erleichterung für die Wohnungs-
unternehmen in den Neuen Ländern wollen wir, nach-
dem am 1. September bereits die Novelle zum ASHG in
Kraft getreten ist, unter anderem durch eine zusätzliche
Altschuldenhilfe, wie sie laut dem neu aufgenommenen
§ 6 des ASHG möglich ist, auf dem Verordnungswege
schaffen. Diese Verordnung soll bereits am 1. Januar
2001 in Kraft treten und auch örtliche und regionale
Gesamtkonzepte zur Bewältigung des Leerstandspro-
blems initiieren, für die von der durch die Bundesregie-
rung eingesetzte Kommission „Wohnungswirtschaftli-
cher Strukturwandel in den neuen Bundesländern“ bis
November diesen Jahres Leitlinien erarbeitet werden. Da-
mit ist den im vorliegenden PDS-Antrag enthaltenen An-
liegen bereits Rechnung getragen. Auch für das Problem
der TLG-Genossenschaften werden wir gemeinsam mit
der TLG eine Lösung finden. Verschiedene Maßnahmen
zur Unterstützung der betroffenen Wohnungsunterneh-
men hat die TLG bereits eingeleitet.
Den Vogel abgeschossen haben Sie allerdings mit dem
Antrag „Herabsenkung der Grundsteuer bei strukturellem
Mietwohnungsleerstand“, denn mit einem solchen An-
trag, der sicher gut gemeint ist, würden genau diejenigen
getroffen, die ohnehin aufgrund der strukturellen Leer-
stände mit besonderen Aufwendungen belastet sind und
nun durch Grundsteuermindereinnahmen zusätzlich ge-
troffen würden: die Städte und Gemeinden nämlich. Das
kann nun wirklich nicht ernsthaft gewollt sein. Im Grunde
würde eine Umsetzung dieses Antrages eine so weitrei-
chende Systemänderung darstellen, dass der vorgeschla-
gene Weg schlichtweg realitätsfremd genannt werden
muss.
Wer eine tragfähige Lösung will und die Probleme der
ostdeutschen Wohnungswirtschaft ernst nimmt – und das
tun wir – wird also nicht ohne ein solides Handlungskon-
zept auskommen. Wir haben dazu bereits wirksame
Schritte getan. Wie ernst wir die gravierenden wohnungs-
wirtschaftlichen und stadtstrukturellen Probleme neh-
men, die aufgrund der hohen Wohnungsleerstände in den
NBL bestehen, haben wir durch die Novelle zum Alt-
schuldenhilfe-Gesetz bewiesen. Ebenso werden wir ernst-
haft die Maßnahmeempfehlungen der Expertenkommis-
sion zum wohnungswirtschaftlichen Strukturwandel in
den neuen Ländern umsetzen.
Heinz Seiffert (CDU/CSU): Der Antrag der PDS zielt
darauf ab, leer stehende Mietwohnungen vor allem in den
neuen Bundesländern nahezu vollständig von der
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 128. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. Oktober 2000 12397
(C)
(D)
(A)
(B)
Grundsteuer zu befreien. Diese Steuer ist aber für die
Kommunen eine wichtige, geradezu unverzichtbare Ein-
nahmequelle. Eine teilweise Abschaffung würde zu ganz
erheblichen Einnahmeausfällen führen und damit die
ohnehin schwierige Finanzlage der Städte und Gemeinden
gerade in den neuen Bundesländern noch mehr schwä-
chen. Mit einer bürokratischen Regelung würden Sie,
fürchte ich, auch den Anreiz mindern, Plattenbausiedlun-
gen bedarfsgerecht zurückzubauen und zu sanieren.
Eine Grundsteuerbefreiung, die Sie laut Begründung
vor allem für die neuen Länder beantragen, wäre nicht
praktikabel, ungerecht und streitanfällig. Auch in den al-
ten Bundesländern gibt es Leerstandsfälle, beispielsweise
wegen falscher Standortentscheidung, in denen selbstver-
ständlich die Grundsteuer eingefordert wird. Wie soll man
dort verfahren? Mit zweierlei Maß zu messen ist ja wohl
kaum der richtige Weg. Entweder die Grundsteuer wird
beibehalten, dann muss sie aber auch für alle gelten – es
gibt ja sogar eine Härtefallregelung – oder sie wird abge-
schafft. Letzteres ist jedoch nicht finanzierbar.
Die Grundsteuer ist eine von den Kommunen zu erhe-
bende Steuer mit eigenem Hebesatzrecht. Es gibt triftige
Gründe, die Grundsteuer zu reformieren und zu erhalten,
auch wenn von gewissen Seiten populistisch gefordert
wird, sie abzuschaffen. Sie bringt den Kommunen ein ste-
tiges, nicht von konjunkturellen Schwankungen oder von
Gewinneinbrüchen großer ortsansässiger Unternehmer
abhängiges Einkommen. Bei der angespannten Fi-
nanzlage haben viele Gemeinden in der Grundsteuer we-
nigstens eine sicher kalkulierbare Einnahmequelle, mit
der sie weitgehend und unabhängig von der Wirtschafts-
lage rechnen können.
Die Objekte, auf die Grundsteuer erhoben wird, sind
nicht disponibel; Gestaltungsmöglichkeiten scheiden weit-
gehend aus. Für die Eigentümer gibt es keine Möglichkeit,
sie dem örtlichen Steuergläubiger zu entziehen. Die Grund-
steuer deckt viele Ausgaben der Kommunen für die allge-
meine Daseinsvorsorge, soweit diese nicht über Beiträge
und Gebühren erfasst werden.
Im internationalen Vergleich der Industriestaaten ist
die Grundsteuerbelastung in Deutschland äußerst be-
scheiden. Gemessen am gesamten Steueraufkommen be-
trägt das Grundsteueraufkommen in Deutschland nur
1,13 Prozent, in Japan 7,16 Prozent, in Großbritannien
9,11 Prozent und in den USA9,5 Prozent. Allerdings hinkt
der Vergleich ein wenig, da die Grundsteuer in den ande-
ren Staaten die wesentliche Einnahmequelle der Kommu-
nen ist.
Dass die Grundsteuer reformbedürftig ist, ist spätes-
tens seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom
22. Juni 1995 klar. Damals wurde in Karlsruhe festge-
stellt, dass die nach den Wertverhältnissen vom 1. Januar
1964 – in den neuen Ländern sogar nach denen von
1935 – ermittelten Einheitswerte für das Grundvermögen
nicht mehr für Zwecke der Vermögensteuer – die darauf-
hin entfallen ist – und der Erbschaft- und Schenkung-
steuer angewandt werden dürfen. Allein für die Zwecke
der Grundsteuer erscheint die Weiterführung der Ein-
heitsbewertung nicht mehr sinnvoll. Das ist wirklich
wahr.
Auch wenn bei der Grundsteuer die Grundstückswerte
nicht mit den Werten anderer Vermögenswerte in Bezug
gesetzt werden, entsprechen die schon in den alten Bun-
desländern seit mehr als 30 Jahren unveränderten Werte-
feststellungen bei der Einheitsbewertung auch in ihrer Re-
lation zueinander nicht mehr den realen Verhältnissen.
Am 4. Mai 2000 hat sich die Finanzministerkonferenz
der Länder nun mehrheitlich auf einen Formulierungs-
vorschlag auf der Basis von Modell B verständigt und das
Bundesministerium der Finanzen gebeten, ein Gesetzge-
bungsverfahren einzuleiten. Gemäß des Modells B wird
zukünftig den Wertverhältnissen des jeweiligen Grund-
stücks und pauschalen Werten des Gebäudes Rechnung
getragen, indem sich die Bemessungsgrundlage aus rea-
len, projektbezogenen Daten zusammensetzt. Das hat
zwar zur Folge, dass ein gewisser Aufwand zur Beschaf-
fung der Daten betrieben werden muss, aber gleichzeitig
wird so der Eigenheit eines jeden Grundstücks bzw. Ge-
bäudes Rechnung getragen. Insofern werden hier auch
Verbesserungen für Mietleerstände eingeführt; denn ge-
rade der Wert von Plattenbauten dürfte verhältnismäßig
gering sein. Die Erhebung der Grundsteuer aufgrund des
Verkehrswertes ist also gerechter und für den Bürger auch
einsichtiger als die derzeitige Praxis. Die Einheitswerte,
die in den Finanzämtern mit großem Aufwand gepflegt
werden, sind auf Dauer ganz sicher keine angemessene
Basis für die Grundsteuer. Hier muss die Regierung end-
lich aktiv werden.
Darüber hinaus haben die Finanzminister der Länder
das Ziel vor Augen, das Grundsteuerverfahren vollständig
auf die Gemeinden zu übertragen. Das würde die Finanz-
ämter erheblich entlasten. Eine Einmischung des Bundes,
wie die PDS in ihrem Antrag fordert, wäre also derzeit
auch aus diesem Grunde gewiss nicht hilfreich. Nach
§§ 33 und 34 des Grundsteuergesetzes kann, wie es die
PDS in ihrem Antrag anführt, auf Antrag bei der zustän-
digen Gemeinde die Grundsteuer bei bebauten und ver-
mieteten Grundstücken bereits jetzt herabgesetzt werden,
wenn der normale Rohertrag des Steuergegenstandes um
mehr als 20 Prozent gemindert und der Steuerschuldner
die Minderung des Rohertrags nicht zu vertreten hat. Das
bedeutet, dass es gerade bei Mietleerständen aufgrund
struktureller Gegebenheiten dem Hauseigentümer frei-
steht, bei der zuständigen Gemeinde eine Ermäßigung der
Grundsteuer zu beantragen. Diese Klausel ist für Härte-
fälle eingebaut worden. Eine weitere Herabsetzung oder
gar eine Aussetzung für bestimmte Fälle war und ist vom
Gesetzgeber nicht gewollt und würde auch keinen Sinn
machen.
Die Grundsteuer ist eine wichtige, konjunkturunab-
hängige Einnahmequelle für die Kommunen, die auf je-
den Fall beibehalten werden muss. Dabei kann man sicher
darüber reden, auf welcher neuen Basis die Berechnung
der Steuer erfolgen soll. Da sind wir für konstruktive
Vorschläge der Regierung – die allerdings auf sich warten
lassen – offen. Es macht jedoch absolut keinen Sinn, jetzt
bestimmte Regionen quasi von der Steuer zu befreien.
Dies würde zu Ungerechtigkeit und Neid der nicht Be-
günstigten führen. Es bleibt abzuwarten, wie das endgül-
tige Gesetz aussehen wird, das die Grundsteuer neu regelt.
Der PDS-Antrag ist ausschließlich populistisch begrün-
det. Auch deshalb muss er abgelehnt werden.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 128. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. Oktober 200012398
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Franziska Eichstädt-Bohlig (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN): Ich begrüße es sehr, dass die Kollegin
Ostrowski und die Fraktion der PDS mit großer Zähigkeit
um Lösungen für die wachsenden Leerstandsprobleme in
Ostdeutschland ringt. Aber ich bedaure etwas, dass Sie
nicht warten können, bis die Ergebnisse der Experten-
kommission Leerstand in 14 Tagen vorgelegt werden.
Tatsache ist – die Leerstandsprobleme werden in Zu-
kunft weiter ansteigen. Bereits heute stehen durchschnitt-
lich 13 Prozent des Wohnungsbestandes in Ost leer, ins-
gesamt 1 Million Wohnungen. Davon gehören etwa
350 000 Wohnungen kommunalen Wohnungsgesellschaf-
ten und Genossenschaften, etwa 650 000 Wohnungen pri-
vaten Eigentümern. Aktuell wird der Einnahmenverlust
der Wohnungswirtschaft auf jährlich 2,3 Milliarden DM
geschätzt. In den nächsten 5 Jahren ist der Abriss von
mindestens 250 000 nötig.
Wir müssen uns darauf einstellen, dass die ostdeut-
schen Städte und Länder in einem Prozess von 10 bis
20 Jahren einen umfassenden Stadtumbau organisieren
müssen, der dem kontinuierlichen Bevölkerungsrückgang
ebenso Rechnung trägt wie den sich ändernden Wohnan-
sprüchen. Dabei darf es auf keinen Fall nur um Abriss und
Rückbau gehen. Im Gegenteil: Es ist von entscheidender
Bedeutung, dass der Rückbau mit Aufwertungsstrategien
verbunden wird und neuer Optimismus in die ostdeut-
schen Städte und Stadtteile einkehrt.
Wo ein Straßenzug Platte abgerissen werden muss,
müssen Reihenhaussiedlungen, Eigenheime und Grünan-
lagen entstehen. Nur so wird es gelingen, den Menschen
eine Zukunft in ihrer Heimat zu geben. Diesen Prozess zu
initiieren ist ganz wesentlich die Aufgabe der ostdeut-
schen Kommunen und Länder.
Frau Kollegin Ostrowski, es ist auch Aufgabe der
Kommunen, von der geltenden Regel der Grundsteuer-
entlastung Gebrauch zu machen, bevor nach neuen Re-
geln gerufen wird. Hoyerswerda beispielsweise ist hier
vorbildlich und gewährt seiner Wohnungswirtschaft
Grundsteuerentlastung für leerstehenden Wohnraum.
Zum Antrag der PDS, drei Milliarden DM aus den
UMTS-Erträgen der ostdeutschen Wohnungswirtschaft
zur Verfügung zu stellen: Die Bundesregierung bereitet
die § 6 a-Verordnung vor. Es werden Mittel zur Entlas-
tung von Wohnungsunternehmen von Altschulden in den
Haushalt eingestellt. Das heißt, der Bund wird in Kürze
einen wichtigen Schritt zur Lösung des Problems tun.
Minister Klimmt hat zugesagt, dass die Altschulden-
entlastung auch für Wohnungen gelten soll, die bereits
vom Markt genommen werden mussten. Nun sind Länder
und Kommunen am Zuge. Folgende Schritte halte ich als
nächstes erforderlich:
Erstens. Die Länder müssen den Kommunen Geld für
die städtebauliche Planung geben, die erforderlich ist, um
klare Entscheidungen über die Prioritäten für Abriss oder
Erhalt fällen zu können. Die Kommunen brauchen eben-
falls Unterstützung für die städtebauliche Planung, die
Rückbau und städtebauliche Aufwertung miteinander
verknüpft.
Zweitens. Die Länder müssen ihre raumordnerischen
Prioritäten bestimmen und ihre eigene Planung und För-
derpraxis von Siedlungserweiterung auf Rückbau und
Siedlungserweiterung auf Rückbau und Stabilisierung der
vorhandenen Siedlungsräume umstellen.
Drittens. Die Wohnungsbauförderung der Länder muss
hart und klar umgestellt werden. Die Neubauförderung
muss reduziert und mit der Stabilisierung und Aufwertung
von Rückbaumaßnahmen verknüpft werden. Ähnlich wie
es Sachsen bereits gemacht hat, müssen die Länder Pro-
gramme für Abriss und Stadtumbau entwickeln.
Viertens. Die Länder sollten ihrerseits Runde Tische
zur Hilfe für die Wohnungswirtschaft einrichten. Hier
müssen gerade auch die Kreditinstitute eingebunden und
mit in die Pflicht genommen werden.
Weil es sich um die Aufgabe einer umfassenden und
lang andauernden Umsteuerung in der Stadtentwicklung
in Ostdeutschland handelt und weil davon nicht nur die
Wohnungs- und die Bauwirtschaft, sondern mittelbar
auch das kleine und mittlere Gewerbe der Städte und Re-
gionen betroffen ist, muss dieses Problem in die Solidar-
paktverhandlungen und in die weitere Wirtschaftsförde-
rung Ost einbezogen werden. Hier müssen Bund, Länder,
Gemeinden und Wohnungswirtschaft konstruktiv zusam-
menarbeiten. Auch die westdeutschen Länder dürfen ihre
Unterstützung nicht versagen.
Dr. Karlheinz Guttmacher (F.D.P.): F.D.P. und PDS
sind sich in der Beurteilung der Wohnungspolitik für die
neuen Bundesländer in zwei Punkten einig: Erstens. Die
unternehmerische Wohnungswirtschaft befindet sich in
einer existenzbedrohenden strukturellen Krise. Zweitens.
Die Maßnahmen der Bundesregierung reichen zur Be-
wältigung dieser Krise nicht aus.
Die F.D.P. hat deshalb in der Debatte um die Änderung
des Altschuldenhilfegesetzes gefordert, der Wohnungs-
wirtschaft Ost eine Strukturhilfe zu gewähren. Allen Woh-
nungsunternehmen mit einem strukturellen, dauerhaften
Leerstand von mehr als fünf Prozent sollte die Möglich-
keit eingeräumt werden, sich auf Antrag auch von den
restlichen Altschulden in Höhe von 150 DM pro Quadrat-
meter zu befreien. Als Gegenleistung wollten die Libera-
len ein tragfähiges unternehmerisches Konzept.
Leider hat die Bundesregierung die Wohnungswirt-
schaft im Regen stehen lassen und ist weder dem Vor-
schlag der F.D.P. noch anderen Vorschlägen für eine
Strukturhilfe gefolgt. Die Bundesregierung hat stattdes-
sen eine Verordnungsermächtigung verabschiedet, wo-
nach zusätzliche Strukturhilfen nur nach Maßgabe vor-
handener Haushaltmittel und nach den Regeln einer zu
erlassenen Verordnung eingesetzt werden können. Diese
Verordnung gibt es bisher nicht. Ein unzureichender Ent-
wurf ist in Arbeit; der Termin des In-Kraft-Tretens steht
allerdings ebenso wenig fest wie die Dotierung der Struk-
turhilfe im Haushalt 2001.
Ich halte es grundsätzlich für richtig und hilfreich,
wenn wir hier im Deutschen Bundestag immer wieder die
Probleme der Wohnungswirtschaft in den neuen Bundes-
ländern zur Sprache bringen.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 128. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. Oktober 2000 12399
(C)
(D)
(A)
(B)
Ob die vorliegenden Anträge der PDS allerdings in der
Sache hilfreich sind, muss doch bezweifelt werden. Inso-
fern endet spätestens jetzt die Gemeinsamkeit mit der
PDS: UMTS-Milliarden, Subventionen, einseitige Bevor-
zugung bei der Grundsteuer sind altbackene Instrumente
der Politik, die bestehende Verkrustungen verstärken und
unhaltbare Strukturen festigen, wo doch Wandel gefragt
ist. Die F.D.P. will die Wohnungsunternehmen beim not-
wendigen Wandel unterstützen. Offenbar gefällt sich die
PDS in ihrer Rolle als Ostalgie-Regionalpartei. Die An-
träge der PDS zur Absenkung der Grundsteuer, zur Exis-
tenzsicherung von Wohnungsgenossenschaften und zur
Verwendung von UMTS-Milliarden gehen weit über das
notwendige Maß hinaus. Sie deuten insgesamt auf das
hin, was politisch beabsichtigt ist: Die PDS will sich als
Interessenwahrer der Wohnungswirtschaft Ost präsentie-
ren. Die Einseitigkeit und Schmalspurigkeit der Anträge
sprechen für sich. Wer sich derartig opportunistisch ver-
hält, zeigt, dass er nicht in der Lage ist, Gesamtverant-
wortung zu übernehmen.
Anlage 10
Amtliche Mitteilungen
Der Bundesrat hat in seiner 755. Sitzung am 20. Okto-
ber 2000 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen
gemäß Artikel 84 Abs. 1 Grundgesetz zuzustimmen:
– Gesetz zu dem Abkommen vom 10. März 1998 zwi-
schen der Regierung der Bundesrepublik Deutsch-
land und der Regierung der Republik Südafrika
über die Seeschifffahrt
– Gesetz zurÄnderung des Personenbeförderungsge-
setzes (PBefG)
– Gesetz zur Verbesserung der Zusammenarbeit von
Arbeitsämtern und Trägern der Sozialhilfe
Die Fraktion der F.D.P. hat mit Schreiben vom 25. Ok-
tober 2000 den Gesetzentwurf zur Einsetzung einer
unabhängigen Sachverständigenkommission zur Fest-
setzung der Abgeordnetenentschädigung – Drucksa-
che 14/1732 – zurückgezogen.
Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mit-
geteilt, dass der Ausschuss gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der
Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu der
nachstehenden Vorlage absieht:
Haushaltsausschuss
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Haushaltsführung 2000
Überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 05 02 Titel 686
30 – Beitrag an die Vereinten Nationen –
– Drucksachen 14/3487, 14/3574 Nr. 1.4
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Haushaltführung 2000
Überplanmäßige Ausgabe in Höhe von 95 000 000 DM
bei Kapitel 60 04 Titel 654 01 – Bundeszuschuss an
den Ausgleichsfonds (Lastenausgleich)
– Drucksachen 14/3606, 14/3720 Nr. 1 –
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Haushaltsführung 2000
Überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 60 04 Titel 698 08 –
Bundesanteil gemäß Gesetz zur Errichtung einer Stiftung
„Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ –
– Drucksachen 14/4047, 14/4093 Nr. 1.10 –
Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Bericht der Bundesregierung über den Stand von Si-
cherheit und Gesundheit bei der Arbeit und über das
Unfall- und Berufskrankheitengeschehen in der Bun-
desrepublik Deutschland im Jahre 1998
– Drucksache 14/2471 –
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Bericht über die Anwendung des Subsidiaritätsprin-
zips 1998 (Subsidiaritätsbericht 1998)
– Drucksachen 14/1512, 14/1616 Nr. 1.9 –
Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mit-
geteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden EU-Vorla-
gen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Parla-
ment zur Kenntnis genommen oder von einer Beratung
abgesehen hat.
Auswärtiger Ausschuss
Drucksache 14/3050 Nr. 2.4
Drucksache 14/3428 Nr. 1.5
Drucksache 14/3428 Nr. 2.12
Drucksache 14/3428 Nr. 2.14
Drucksache 14/3428 Nr. 2.29
Drucksache 14/3576 Nr. 2.6
Finanzausschuss
Drucksache 14/3723 Nr. 2.6
Drucksache 14/3723 Nr. 2.7
Drucksache 14/3723 Nr. 2.8
Drucksache 14/3723 Nr. 2.10
Drucksache 14/3723 Nr. 2.15
Drucksache 14/3859 Nr. 2.16
Drucksache 14/3859 Nr. 1.6
Drucksache 14/3859 Nr. 1.7
Drucksache 14/3859 Nr. 2.30
Drucksache 14/3859 Nr. 2.39
Drucksache 14/3859 Nr. 2.42
Haushaltsausschuss
Drucksache 14/3859 Nr. 2.23
Ausschuss fürWirtschaft und Technologie
Drucksache 14/3050 Nr. 1.2
Drucksache 14/3576 Nr. 2.15
Drucksache 14/3576 Nr. 2.36
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
Drucksache 14/4092 Nr. 2,7
Drucksache 14/4092 Nr. 2.8
Drucksache 14/4092 Nr. 2.9
Drucksache 14/4092 Nr. 2.11
Drucksache 14/4170 Nr. 2.71
Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung
Drucksache 14/3341 Nr. 2.32
Drucksache 14/3576 Nr. 2.14
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 128. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. Oktober 200012400
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(D)
(A)
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Drucksache 14/3576 Nr. 2.16
Drucksache 14/3576 Nr. 2.18
Drucksache 14/3576 Nr. 2.22
Drucksache 14/3576 Nr. 2.29
Drucksache 14/3576 Nr. 2.35
Drucksache 14/3859 Nr. 2.21
Drucksache 14/3859 Nr. 2.25
Ausschuss für Gesundheit
Drucksache 14/3576 Nr. 2.30
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenab-
schätzung
Drucksache 14/3859 Nr. 2.14
Drucksache 14/3859 Nr. 2.15
Drucksache 14/3859 Nr. 2.16
Drucksache 14/3859 Nr. 2.17
Drucksache 14/3859 Nr. 2.18
Drucksache 14/3859 Nr. 2.19
Drucksache 14/4092 Nr. 2.12
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent-
wicklung
Drucksache 14/3050 Nr. 2.26
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union
Drucksache 14/2817 Nr. 1.8
Drucksache 14/3146 Nr. 1.1
Drucksache 14/3341 Nr. 1.4
Drucksache 14/3341 Nr. 2.22
Drucksache 14/3428 Nr. 1.2
Drucksache 14/3428 Nr. 2.18
Drucksache 14/3576 Nr. 1.6
Drucksache 14/3576 Nr. 1.11
Drucksache 14/3576 Nr. 2.10
Drucksache 14/3576 Nr. 2.25
Drucksache 14/3576 Nr. 2.31
Drucksache 14/3576 Nr. 2.38
Drucksache 14/3576 Nr. 2.39
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 128. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. Oktober 2000 12401
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