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    Wahl der Abgeordneten Christa Nickels als or- dentliches Mitglied in den Programmbeirat für Sonderpostwertzeichen . . . . . . . . . . . . . . . . . 12123 A Erweiterung der Tagesordnung . . . . . . . . . . . 12123 B Absetzung der Tagesordnungspunkte 24 a und b 12124 C Nachträgliche Ausschussüberweisungen . . . . 12124 C Tagesordnungspunkt 3 a) Abgabe einer Erklärung der Bundesre- gierung zum 50. Jahrestag der Euro- päischen Menschenrechtskonvention 12125 A b) Antrag der Fraktionen von SPD, CDU/CSU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und F.D.P.: 50 Jahre Europä- ische Menschenrechtskonvention (Drucksache 14/4390) . . . . . . . . . . . . . 12125 A c) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Europäischen Über- einkommen vom 5. März 1996 über die an Verfahren vor dem Europä- ischen Gerichtshof für Menschen- rechte teilnehmenden Personen (Drucksache 14/4298) . . . . . . . . . . . . . 12125 A Dr. Herta Däubler-Gmelin, Bundesministerin BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12125 B Dr. Christian Schwarz-Schilling CDU/CSU 12128 D Rudolf Bindig SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12130 C Sabine Leutheusser-Schnarrenberger F.D.P. 12131 D Joseph Fischer, Bundesminister AA . . . . . . . . 12133 B Carsten Hübner PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12135 B Dieter Schloten SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12136 D Dr. Karl-Heinz Hornhues CDU/CSU . . . . . . . 12138 B Dr. Helmut Lippelt BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12140 A Peter Altmaier CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 12140 D Hedi Wegener SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12142 C Tagesordnungspunkt 4 a) Unterrichtung durch die Bundesregie- rung: Gutachten des Wissenschaftli- chen Beirats Bodenschutz beim Bun- desministerium für Umwelt, Natur- schutz und Reaktorsicherheit Wege zum vorsorgenden Boden- schutz Fachliche Grundlagen und konzep- tionelle Schritte für eine erweiterte Bodenvorsorge (Drucksache 14/2834) . . . . . . . . . . . . . 12144 A b) Unterrichtung durch die Bundesregie- rung: Bericht der Bundesregierung zum Jahresgutachten 1998 „Welt im Wandel – Strategien zur Bewältigung globaler Umweltrisiken“ des Wissen- schaftlichen Beirats derBundesregie- rung Globale Umweltänderungen (Drucksache 14/3285) . . . . . . . . . . . . . 12144 B c) Unterrichtung durch die Bundesregie- rung: Umweltgutachten 2000 des Ra- tes von Sachverständigen für Um- weltfragen Schritte ins nächste Jahrtausend (Drucksache 14/3363) . . . . . . . . . . . . . 12144 B Plenarprotokoll 14/127 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 127. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 26. Oktober 2000 I n h a l t : d) Antrag der Abgeordneten Birgit Homburger, Ulrike Flach, weiterer Abgeordneter und der Fraktion F.D.P.: Novellierung der Verpackungsver- ordnung und Flexibilisierung der Mehrwegquote (Drucksache 14/3814) . . . . . . . . . . . . . 12144 C e) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit – zu dem Antrag der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Grenzüberschreitende Zusam- menarbeit zur Stärkung des Schutzes der Böden – zu dem Antrag der Abgeordneten Ulrike Flach, Birgit Homburger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion F.D.P.: Erarbeitung einer internationalen Bodenschutzkon- vention (Drucksachen 14/2567, 14/983, 14/3711) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12144 C in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 4 Antrag der Abgeordneten Birgit Homburger, Marita Sehn, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion F.D.P.: Börsen- handel mit Emissionszertifikaten in Deutschland konkret vorbereiten (Drucksache 14/4395) . . . . . . . . . . . . . . . 12144 D Marion Caspers-Merk SPD . . . . . . . . . . . . . . 12144 D Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach) CDU/CSU 12146 C Jürgen Trittin, Bundesminister BMU . . . . . . . 12148 B Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach) CDU/CSU 12150 B Jürgen Trittin, Bundesminister BMU . . . . . . . 12151 B Birgit Homburger F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . 12151 D Marion Caspers-Merk SPD . . . . . . . . . . . . . . 12154 A Birgit Homburger F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . 12154 B Eva Bulling-Schröter PDS . . . . . . . . . . . . . . . 12154 D Ulrich Kelber SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12156 C Christa Reichard (Dresden) CDU/CSU . . . . . 12158 B Dr. Reinhard Loske BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12159 B Werner Wittlich CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 12161 C Jürgen Wieczorek (Böhlen) SPD . . . . . . . . . . 12163 A Dr. Christian Ruck CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 12164 D Eva Bulling-Schröter PDS . . . . . . . . . . . . 12165 D Tagesordnungspunkt 25 Überweisungen im vereinfachten Ver- fahren a) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung des Euro im Sozial- und Arbeitsrecht sowie zur Än- derung anderer Vorschriften (4. Euro- Einführungsgesetz) (Drucksachen 14/4375, 14/4388) . . . . 12167 A b) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Verbesserung der be- trieblichen Altersversorgung (Drucksache 14/4363) . . . . . . . . . . . . . 12167 B c) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Überein- kommens zum Schutz der Mee- resumwelt des Nordostatlantiks (OSPAR-Übereinkommen) (Drucksache 14/3949) . . . . . . . . . . . . . 12167 B d) Erste Beratung des von den Abgeordne- ten Christina Schenk, Christine Ostrowski, weiteren Abgeordneten und der Fraktion PDS eingebrachten Ent- wurfs eines ... Gesetzes zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (... SGB III – Änderungsgesetz) (Drucksache 14/3227) . . . . . . . . . . . . . 12167 B e) Antrag der Abgeordneten Hildebrecht Braun (Augsburg), Rainer Brüderle, weiterer Abgeordneter und der Fraktion F.D.P.: Für eine vertiefte Partner- schaft zwischen Rußland und der EU (Drucksache 14/811) . . . . . . . . . . . . . . 12167 C Zusatztagesordnungspunkt 5 Weitere Überweisung im vereinfachten Verfahren (Ergänzung zu TOP 25) Antrag der Fraktionen SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Weiterentwick- lung der sozialen Pflegeversicherung (Drucksache 14/4391) . . . . . . . . . . . . . . . 12167 C Tagesordnungspunkt 26 Abschließende Beratungen ohne Aus- sprache a) Zweite Beratung und Schlussabstim- mung des von der Bundesregierung ein- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 7. September 1999 zwischen der Bundesrepublik Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 127. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Oktober 2000II Deutschland und der Republik Usbe- kistan zur Vermeidung der Doppel- besteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (Drucksachen 14/3465, 14/4207) . . . . 12167 D b) Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem An- trag der Abgeordneten Hildebrecht Braun (Augsburg), Rainer Brüderle, weiterer Abgeordneter und der Fraktion F.D.P.: Für eine sofortige Verhängung umfassender Handelssanktionen ge- gen Jugoslawien (Drucksachen 14/793, 14/4205) . . . . . 12168 A c) – h) Beschlussempfehlungen des Petitions- ausschusses Sammelübersichten 201, 202, 203, 204, 205, 206 zu Petitionen (Drucksachen 14/4278, 14/4279, 14/4280, 14/4281, 14/4282, 13/4283) 12168 B Zusatztagesordnungspunkt 6 Aktuelle Stunde betr. Haltung der Bun- desregierung zur Forderung von Bun- desverkehrsminister Klimmt, die Öko- steuer im Jahr 2003 zu beenden . . . . . . 12168 D Jürgen Koppelin F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12168 D Ludwig Eich SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12170 A Hans Michelbach CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 12171 B Albert Schmidt (Hitzhofen) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12172 B Dr. Barbara Höll PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12173 C Monika Ganseforth SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 12174 D Dirk Fischer (Hamburg) CDU/CSU . . . . . . . . 12176 B Dr. Reinhard Loske BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12177 C Gisela Frick F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12178 D Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12180 A Otto Bernhardt CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 12182 A Lothar Binding (Heidelberg) SPD . . . . . . . . . 12183 A Klaus-Peter Willsch CDU/CSU . . . . . . . . . . . 12184 B Dr. Peter Danckert SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 12185 B Tagesordnungspunkt 5 Beschlussempfehlung und Bericht des Ver- teidigungsausschusses zu der Unterrich- tung durch die Wehrbeauftragte: Jahresbe- richt 1999 (41. Bericht) (Drucksachen 14/2900, 14/4204) . . . . . . . 12186 C Dr. Willfried Penner, Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages . . . . . . . . . . . . . . . . . 12186 D Uwe Göllner SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12189 B Bernd Siebert CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 12190 C Winfried Nachtwei BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12193 A Hildebrecht Braun (Augsburg) F.D.P. . . . . . . 12194 C Dr. Winfried Wolf PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 12195 D Walter Kolbow, Parl. Staatssekretär BMVg . . 12196 D Hildebrecht Braun (Augsburg) F.D.P. . . . . 12197 C Angelika Beer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 12198 C Hans Raidel CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 12198 D Ulrike Merten SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12200 B Robert Leidinger SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12201 B Zusatztagesordnungspunkt 7 Antrag der Abgeordneten Ulrich Adam, Ilse Aigner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion CDU/CSU: Verfassungsklage der Bundesregierung gegen das Land Nordrhein-Westfalen wegen der Verlet- zung seiner verfassungmäßigen Pflich- ten gegenüber dem Bund im Verfahren zurAufhebung der Immunität des Abge- ordneten Ronald Pofalla (Drucksache 14/4244) . . . . . . . . . . . . . . . 12202 C Eckart von Klaeden CDU/CSU . . . . . . . . . . . 12202 D Erika Simm SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12204 C Dr. Norbert Lammert CDU/CSU . . . . . . . . . . 12207 A Erika Simm SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12207 D Rainer Funke F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12208 B Steffi Lemke BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 12208 D Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten CDU/CSU 12209 D Sabine Jünger PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12210 B Tagesordnungspunkt 7 a) Erste Beratung des von den Abgeord- neten Dr. Hermann Otto Solms, Jörg van Essen, weiteren Abgeordneten und der Fraktion F.D.P. eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Art. 48 Abs. 3) (Drucksache 14/4127) . . . . . . . . . . . . . 12211 A Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 127. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Oktober 2000 III b) Erste Beratung des von den Abgeordne- ten Dr. Hermann Otto Solms, Jörg van Essen, weiteren Abgeordneten und der Fraktion F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung des Abgeordnetengesetzes (Drucksache 14/4128) . . . . . . . . . . . . . 12211 A Dr. Hermann Otto Solms F.D.P. . . . . . . . . . . . 12211 B Dr. Uwe Küster SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12212 B Dr. Peter Ramsauer CDU/CSU . . . . . . . . . . . 12213 B Cem Özdemir BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 12215 B Dr. Barbara Höll PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12216 B Anni Brandt-Elsweier SPD . . . . . . . . . . . . . . 12216 D Tagesordnungspunkt 6 Antrag der Abgeordneten Renate Blank, Wilhelm Josef Sebastian, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion CDU/CSU: Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Güterkraftverkehrsgewerbes erhalten und sichern (Drucksache 14/4150) . . . . . . . . . . . . . . . 12217 D in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 8 Antrag der Abgeordneten Horst Friedrich (Bayreuth), Hans-Michael Goldmann, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion F.D.P.:Wettbewerbsnachteile für deut- sches Güterkraftverkehrsgewerbe besei- tigen (Drucksache 14/4396) . . . . . . . . . . . . . . . 12217 D in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 9 Antrag der Abgeordneten Dirk Fischer (Hamburg), Dr.-Ing. Dietmar Kansy, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion CDU/CSU: Weißbuch über Harmonisie- rungsdefizite bei Verkehrsdienstleistun- gen (Drucksache 14/4378) . . . . . . . . . . . . . . . 12218 A Wilhelm Josef Sebastian CDU/CSU . . . . . . . 12218 A Angelika Graf (Rosenheim) SPD . . . . . . . . . . 12219 C Horst Friedrich (Bayreuth) F.D.P. . . . . . . . . . 12221 D Albert Schmidt (Hitzhofen) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12222 D Renate Blank CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 12224 B Dr. Margrit Wetzel SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 12225 D Zusatztagesordnungspunkt 10 Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zu der Streitsache vor dem Bundesverfassungsgericht 2 BvF 1/00 (Drucksache 14/4354) . . . . . . . . . . . . . . . . 12227 B Alfred Hartenbach SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 12227 B Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten CDU/CSU 12229 C Hans-Christian Ströbele BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12231 C Norbert Geis CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 12232 D Jörg van Essen F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12233 A Dr. Evelyn Kenzler PDS . . . . . . . . . . . . . . . . 12233 C Tagesordnungspunkt 8 Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Neuregelung der sozialversiche- rungsrechtlichen Behandlung von einmalig gezahltem Arbeitsentgelt (Einmalzah- lungs-Neuregelungsgesetz) (Drucksachen 14/4371, 14/4409) . . . . . . . 12234 B Walter Riester, Bundesminister BMA . . . . . . 12234 C Heinz Schemken CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 12235 B Dr. Thea Dückert BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12236 C Dirk Niebel F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12237 D Pia Maier PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12239 A Franz Thönnes SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12240 A Wolfgang Zöller CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 12242 A Tagesordnungspunkt 9 Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes über Teilzeitarbeit und befristete Ar- beitsverträge und zur Änderung und Aufhebung arbeitsrechtlicher Bestim- mungen (Drucksache 14/4374) . . . . . . . . . . . . . . . 12243 A in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 11 Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Heinrich L. Kolb, Dr. Irmgard Schwaetzer, weiteren Abgeordneten und der Fraktion F.D.P. eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Intensivierung der Beschäftigungsförderung (Drucksache 14/4103) . . . . . . . . . . . . . . . 12243 B Walter Riester, Bundesminister BMA . . . . . . 12243 B Dr. Heinrich L. Kolb F.D.P. . . . . . . . . . . . 12244 A Brigitte Baumeister CDU/CSU . . . . . . . . . . . 12245 C Dr. Thea Dückert BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12247 B Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 127. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Oktober 2000IV Dr. Heinrich L. Kolb F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . 12248 C Dr. Klaus Grehn PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12249 D Olaf Scholz SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12250 D Wolfgang Meckelburg CDU/CSU . . . . . . 12251 B Dr. Klaus Grehn PDS . . . . . . . . . . . . . . . . 12252 A Johannes Singhammer CDU/CSU . . . . . . . . . 12253 B Tagesordnungspunkt 10 Antrag der Abgeordneten Hartmut Büttner (Schönebeck), Dr. Paul Krüger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion CDU/CSU: Einsatz von Bildauswertungssystemen bei der Rekonstruktion vorvernichteter Stasi-Unterlagen (Drucksache 14/3770) . . . . . . . . . . . . . . . 12254 D Hartmut Büttner (Schönebeck) CDU/CSU 12254 D Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär BMI 12255 D Rainer Funke F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12256 D Hans-Christian Ströbele BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12257 B Ulla Jelpke PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12258 B Tagesordnungspunkt 11 a) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Straßen- verkehrsgesetzes und anderer straßenverkehrsrechtlicher Vor- schriften (StVRÄndG) (Drucksache 14/4304) . . . . . . . . . . . . . 12259 B b) Unterrichtung durch die Bundesregie- rung: Bericht des Bundesministeri- ums für Verkehr, Bau- und Woh- nungswesen über Maßnahmen auf dem Gebiet der Unfallverhütung im Straßenverkehr und Übersicht über das Rettungswesen 1998 und 1999 – Unfallverhütungsbericht Straßen- verkehr 1998/99 (Drucksache 14/3863) . . . . . . . . . . . . . 12259 B Tagesordnungspunkt 12 Antrag der Abgeordneten Wolfgang Börnsen (Bönstrup), Dirk Fischer (Ham- burg), weiterer Abgeordneter und der Frak- tion CDU/CSU: Für ein fahrradfreundli- ches Deutschland (Drucksache 14/3773) . . . . . . . . . . . . . . . 12259 C Gustav-Adolf Schur PDS . . . . . . . . . . . . . . . . 12259 D Tagesordnungspunkt 13 Antrag der Abgeordneten Detlef Parr, Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, weiterer Abgeordneter und der Fraktion F.D.P.: Präimplantationsdiagnostik rechtlich absichern (Drucksache 14/4098) . . . . . . . . . . . . . . . 12260 C Detlef Parr F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12260 D Hubert Hüppe CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 12261 B Dr. Ilja Seifert PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12261 D Dr. Carola Reimann SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 12262 B Hubert Hüppe CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 12264 C Dr. Ilja Seifert PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12265 C Dr. Edzard Schmidt-Jortzig F.D.P. . . . . . . . . . 12266 B Hubert Hüppe CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 12266 C Dr. Ilja Seifert PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12266 D Annette Widmann-Mauz CDU/CSU . . . . . . . 12267 B Monika Knoche BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12267 D Christa Nickels, Parl. Staatssekretärin BMG 12268 C Dr. Edzard Schmidt-Jortzig F.D.P. . . . . . . 12269 A Tagesordnungspunkt 14 Antrag der Abgeordneten Dr. Norbert Lammert, Dirk Fischer (Hamburg), weite- rer Abgeordneter und der Fraktion CDU/CSU: Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses (Drucksache 14/3673) . . . . . . . . . . . . . . . 12270 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 12 Antrag der Abgeordneten Petra Pau, Heinrich Fink, Roland Claus und der Frak- tion PDS: Arbeitsweise der Experten- kommission Historische Mitte (Drucksache 14/4402) . . . . . . . . . . . . . . . 12270 B Dr. Heinrich Fink PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12270 C Tagesordnungspunkt 15 a) Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Ulla Jelpke, Rosel Neuhäuser, Petra Pau und der Fraktion PDS: Schaffung der gesetzlichen Vo- raussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis für lange in Deutschland lebende Ausländerin- nen und Ausländer (sog. Altfallrege- lung) (Drucksachen 14/2066, 14/2509) . . . . 12271 B Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 127. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Oktober 2000 V b) Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Petra Pau, Ulla Jelpke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion PDS: Abschaffung des Flughafenver- fahrens (§ 18 a AsylVfG) (Drucksachen 14/26, 14/2979) . . . . . . 12271 B Ulla Jelpke PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12271 C Rüdiger Veit SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12272 D Erwin Marschewski CDU/CSU . . . . . . . . . . . 12274 A Marieluise Beck (Bremen) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12275 D Eva Bulling-Schröter PDS . . . . . . . . . . . . 12276 C Dr. Max Stadler F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12277 B Hans-Peter Kemper SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 12278 A Zusatztagesordnungspunkt 13 Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung von Vor- schriften über die Tätigkeit der Wirt- schaftsprüfer (Wirtschaftsprüferord- nungs-Änderungsgesetz – WPOÄG) (Drucksachen 14/3649, 14/4262) . . . . . . . 12279 C Tagesordnungspunkt 16 Antrag der Abgeordneten Horst Schmidbauer (Nürnberg), Gudrun Schaich- Walch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion SPD sowie der Abgeordneten Katrin Dagmar Göring-Eckardt, Kerstin Müller (Köln), Rezzo Schlauch und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ziele für die Qualitätssteigerung in der Diabetes-Versorgung (Drucksache 14/4263) . . . . . . . . . . . . . . . 12280 A Tagesordnungspunkt 23 Erste Beratung des von den Abgeordneten Rainer Funke, Hans-Joachim Otto (Frank- furt), weiteren Abgeordneten und der Frak- tion F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der EU-Richtli- nie über das Folgerecht des Urhebers des Originals eines Kunstwerkes (Folge- rechtsanpassungsgesetz) (Drucksache 14/3555) . . . . . . . . . . . . . . . 12280 A Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12280 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 12281 A Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung des Antrags: Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Güterkraftverkehrsgewerbe erhalten und si- chern (Tagesordnungspunkt 6) Dr. Winfried Wolf PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12281 D Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – des Entwurfs eines Gesetzes zur Ände- rung des Straßenverkehrsgesetzes und anderer straßenverkehrsrechtlicher Vor- schriften (StVRÄndG) – der Unterrichtung der Bundesregierung zum Bericht des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen über Maßnahmen auf dem Gebiet der Unfallverhütung im Straßenverkehr und Übersicht über das Rettungswesen 1998 und 1999 (Unfallverhütungsbe- richt Straßenverkehr 1998/99) (Tages- ordnungspunkt 11 a und b) Rita Streb-Hesse SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12282 C Eduard Lintner CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 12284 A Albert Schmidt (Hitzhofen) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12284 D Horst Friedrich (Bayreuth) F.D.P. . . . . . . . . . 12286 A Dr. Winfried Wolf PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12286 B Siegfried Scheffler, Parl. Staatssekretär BMVBW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12287 B Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Für ein fahrradfreundliches Deutsch- land (Tagesordnungspunkt 12) Heide Mattischeck SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 12288 A Wolfgang Börnsen (Bönstrup) CDU/CSU . . . 12288 C Winfried Hermann BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12290 A Hans-Michael Goldmann F.D.P. . . . . . . . . . . 12291 B Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Anträge: – Wiederaufbau des Berliner Stadtschlos- ses – Arbeitsweise der Expertenkommission Historische Mitte (Tagesordnungspunkt 14 und Zusatztagesordnungspunkt 12) Monika Griefahn SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12292 A Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 127. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Oktober 2000VI Dr. Norbert Lammert CDU/CSU . . . . . . . . . . 12293 B Dr.-Ing. Dietmar Kansy CDU/CSU . . . . . . . . 12293 D Franziska Eichstädt-Bohlig BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12294 C Dr. Günter Rexrodt F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . 12295 A Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung von Vorschriften über die Tätigkeit der Wirt- schaftsprüfer (Wirtschaftsprüferordnungs-Än- derungsgesetz – WPOÄG) (Tagesordnungs- punkt 13) Dr. Rainer Wend SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12295 C Hartmut Schauerte CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 12296 B Margareta Wolf (Frankfurt) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12297 A Rainer Funke F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12298 A Rolf Kutzmutz PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12298 B Siegmar Mosdorf, Parl. Staatssekretär BMWi 12298 D Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Ziele für die Qulitätssteigerung in der Diabetes-Versorgung (Tagesordnungs- punkt 16) Horst Schmidbauer (Nürnberg) SPD . . . . . . . 12299 D Dr. Harald Kahl CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 12301 C Detlef Parr F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12302 D Katrin Göring-Eckardt BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12303 B Dr. Ruth Fuchs PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12304 C Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der EU-Richtlinie über das Folgerecht des Ur- hebers des Originals eines Kunstwerkes (Fol- gerechtsanpassungsgesetz) (Tagesordnungs- punkt 23) Dirk Manzewski SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12305 B Norbert Röttgen CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 12306 A Dr. Antje Vollmer BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12306 D Rainer Funke F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12307 B Dr. Heinrich Fink PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12308 A Dr. Eckhart Pick SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12308 D Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 127. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Oktober 2000 VII Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 127. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Oktober 2000
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    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 127. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Oktober 2000 Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms 12280 (C)(A) 1) Anlage 7 2) Anlage 8 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 127. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Oktober 2000 12281 (C) (D) (A) (B) Balt, Monika PDS 26.10.2000 Barthel (Berlin), SPD 26.10.2000 Eckhardt Behrendt, Wolfgang SPD 26.10.2000* Deß, Albert CDU/CSU 26.10.2000 Ehlert, Heidemarie PDS 26.10.2000 Elser, Marga SPD 26.10.2000 Flach, Ulrike F.D.P. 26.10.2000 Dr. Gehb, Jürgen CDU/CSU 26.10.2000 Glos, Michael CDU/CSU 26.10.2000 Götz, Peter CDU/CSU 26.10.2000 Großmann, Achim SPD 26.10.2000 Hasselfeldt, Gerda CDU/CSU 26.10.2000 Heyne, Kristin BÜNDNIS 90/ 26.10.2000 DIE GRÜNEN Hirche, Walter F.D.P. 26.10.2000 Hornung, Siegfried CDU/CSU 26.10.2000* Dr. Hoyer, Werner F.D.P. 26.10.2000 Klemmer, Siegrun SPD 26.10.2000 Dr. Knake-Werner, PDS 26.10.2000 Heidi Dr. Kohl, Helmut CDU/CSU 26.10.2000 Lippmann, Heidi PDS 26.10.2000 Matschie, Christoph SPD 26.10.2000 Müller (Jena), Bernward CDU/CSU 26.10.2000 Müller (Berlin), PDS 26.10.2000 Manfred Neuhäuser, Rosel PDS 26.10.2000 Roth (Augsburg), BÜNDNIS 90/ 26.10.2000 Claudia DIE GRÜNEN Scharping, Rudolf SPD 26.10.2000 Schily, Otto SPD 26.10.2000 Schmidt (Eisleben), SPD 26.10.2000 Silvia Schmitz (Baesweiler), CDU/CSU 26.10.2000 Hans Peter Schröder, Gerhard SPD 26.10.2000 Schulhoff, Wolfgang CDU/CSU 26.10.2000 Schultz (Everswinkel), SPD 26.10.2000 Reinhard Dr. Süssmuth, Rita CDU/CSU 26.10.2000 Dr. Tiemann, Susanne CDU/CSU 26.10.2000 Wiefelspütz, Dieter SPD 26.10.2000 Wissmann, Matthias CDU/CSU 26.10.2000 Dr. Wodarg, Wolfgang SPD 26.10.2000* Zierer, Benno CDU/CSU 26.10.2000* * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlungdes Europarates Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung des Antrags: Wettbewerbsfähig- keit des deutschen Güterkraftverkehrsgewerbes erhalten und sichern (Tagesordnungspunkt 6) Dr. Winfried Wolf (PDS): Die CDU/CSU stimmt in ihrem Antrag „Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Gü- terkraftverkehrsgewerbes erhalten“ ein kakophonisches und pharisäisches Klagelied an. Pharisäisch, weil die hier beklagten „Wettbewerbsverzerrungen“ doch nicht allein und nicht einmal in erster Linie Produkt der SPD-Grünen- Regierung sind. CDU/CSU und F.D.P. haben acht Jahre lang die Öff- nung der EU nach Osten gefördert, wohl wissend, dass dies zunächst in den Beitrittsländern zu hunderttausenden Existenzvernichtungen führen würde, und mit in Kauf nehmend, dass dies auch in unserem Land zerstörerische Folgen haben müsste. Jetzt, als Oppositionspartei, wird die „Liberalisierung im europäischen Güterverkehrsmarkt“ wortreich beklagt. Doch dies ist nur eine Klage über die eigene EU-Politik, die seitens SPD und Grünen fortgesetzt wird. Der Antrag ist kakophonisch, und dies bereits in der Sprache. Da ist die Rede von „ausländischen Güterver- kehrskraftunternehmen“, die in den „attraktiven deut- schen Markt drängen“ würden. Kurz darauf heißt es gar, durch diesen fremdländischen LKW-Angriff würden entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht „deutsche LKW durch gebietsfremde Fahrzeuge ... er- setzt“. Die Wortwahl ist einfach fatal und dient, kollegial und freundschaftlich formuliert, nicht der Völkerverstän- digung. Doch abgesehen von dieser Scheinheiligkeit und die- ser unseriösen Terminologie sind es zwei besondere Aspekte, weswegen wir den Antrag von CDU/CSU ab- lehnen. Da ist zum einen Punkt 6 dieses Antrags, wonach „die mit dem Gesetz vom 24. März 1999 eingeführte ... ökolo- gische Steuerreform aufzuheben“ sei. Die CDU/CSU-Fraktion fordert damit ein weiteres Mal eine ersatzlose Aufhebung der ökologischen Steuer- reform. Bei aller Kritik an dieser Ökosteuer – eine ersatz- lose Streichung lehnen wir ab. Diese Steuer ist sozial nicht ausgewogen und sie hat ökologisch eine unzureichende Wirkung. Doch die Richtung, in die sie weist, ist richtig. Ihre ersatzlose Streichung hieße doch, dass Energie er- neut billiger wird und der Verbrauch damit ansteigt. Eine ersatzlose Streichung hieße andererseits aber auch, dass der löbliche und im Detail vielfach misslungene Versuch von SPD und Grünen, über eine Ökosteuer eine Energie- und Verkehrswende zu erreichen, für lange Zeit von der Tagesordnung gestrichen wäre. Diese Politik des „weg damit“ und „weiter so“, die in diesem CDU/CSU-Antrag zum Ausdruck kommt, ist un- verantwortlich. Sie ist vor allem nicht zu verantworten mit Blick auf eine drohende Klimakatastrophe und mit Blick auf spätere Generationen, für die wir hier und heute Mit- verantwortung tragen. Der zweite Grund, weswegen der CDU/CSU-Antrag abzulehnen ist, hat etwas mit seiner Borniertheit zu tun. Ja, in unserem Land sind Arbeitsplätze als Resultat der EU-Erweiterung und EU-Liberalisierung im LKW-Ge- werbe bedroht. Doch wer redet von den Arbeitsplätzen in anderen Transport-Branchen? Wer redet von den kleinen Binnenschiffern, die kaputt gehen und die für eine ökolo- gisch wesentlich akzeptablere Transportpolitik stehen? Wer redet von den hunderttausenden Arbeitsplätzen bei der Bahn in den mittel- und osteuropäischen Ländern und in unserem Land, die mit dieser Liberalisierung zerstört wurden und zerstört werden. Auch hier gilt: Es sind Arbeitsplätze in einer Transport-Branche, die als umwelt- freundlich zu gelten hat. Überhaupt: Der Antrag zielt faktisch auf ein weiteres Wachstum des LKW-Verkehrs, und das ist das Verkehrtes- te, was im Rahmen des verkehrten Verkehrs gemacht werden kann. Der LKW-Verkehr hat sich in den letzten zehn Jahren bereits um rund 50 Prozent erhöht. Während der Anteil der Bahn im Güterverkehr von 20,5 Prozent im Jahr 1991 auf 15 Prozent im Jahr 1999 fiel und sich damit in Rich- tung „bodenlos“ entwickelt, stieg der Anteil des LKW- Verkehrs von 61 auf 70 Prozent. Wer regelmäßig auf Autobahnen fährt, weiß, dass in- zwischen die rechte Fahrbahn zu einem erheblichen Teil vom LKW-Verkehr okkupiert ist und damit als Endlos- Lager der Wirtschaft fungiert. Wenn es für die einen „just in time“ heißt, dann heißt dies für die anderen „just im Stau“. Eine Förderung dieser untragbaren Zustände, die der CDU/CSU-Antrag impliziert, ist abzulehnen. Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – des Entwurfs eines Gesetzes zur Ände- rung des Straßenverkehrsgesetzes und ande- rer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften (StVRÄndG) – der Unterrichtung der Bundesregierung zum Bericht des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen über Maßnahmen auf dem Gebiet der Unfallverhütung im Straßenverkehr und Übersicht über das Ret- tungswesen 1998 und 1999 (Unfallverhü- tungsbericht Straßenverkehr 1998/99) (Tages- ordnungspunkt 11 a und b) Rita Streb-Hesse (SPD):Um die Zielsetzung und Än- derungen im Straßenverkehrsgesetz zu veranschaulichen, möchte ich Sie nach Frankfurt am Main entführen: Der Frankfurter Stadtteil Nordend liegt in der Nähe des Ban- kenviertels und der Fachhochschule, hat eine hohe Block- bebauung und Wohndichte, eine bevorzugte Kneipenkul- tur und enge Straßen. Jeden Morgen quält sich eine Blechlawine auf den Einfallstraßen durch das Viertel. Be- rufspendler und Studenten fahren mehrfach um die Blocks und streiten sich mit den Anwohnern um die we- nigen Parklücken. Geparkt wird auf dem Bürgersteig, der Straße, und auch Ein- und Ausfahrten sind nicht tabu. Der Schulweg wird zum Parcourslauf, ebenso wie das Fahren mit einem Kinderwagen. Der Leiter der Frankfurter Straßenverkehrsbehörde be- schreibt dies treffend als „Ausnahmezustand“, und dieses Bild findet sich genauso in den Abendstunden. Ob in Frankfurt, Wiesbaden, Köln, Berlin oder München: Besonders Großstädte kämpfen mit zunehmendem Ver- kehrsdruck. Mangelnder Parkraum für die Anwohner, Pendlerströme und Parksuchverkehr, dies verringert die Wohnqualität, verursacht Stadtflucht und gefährdet die Si- cherheit aller. Letzteres zeigt auch der vorliegende Unfallverhü- tungsbericht. Rund 65 Prozent aller Unfälle mit Perso- nenschaden passieren innerorts, die Zahl von 77 Prozent von Kindern als Unfallopfer lässt erschrecken. Hier ist die Bundespolitik gefordert. Ein zentraler und wichtiger Schritt der Gesetzesnovelle ist die Schaffung einer rechts- sicheren Grundlage für das bevorrechtigte Parken von Be- wohnern städtischer Quartiere mit erheblichem Park- raummangel, bekannt als Anwohnerparken. Sie erinnern sich: Aufgrund des höchstrichterlichen Ur- teils vom Mai 1998 zu der Klage Einzelner mussten viele Kommunen bisher bewährte Anwohnerparkregelungen aussetzen bzw. abschaffen – in anderen Städten herrscht seitdem Verunsicherung über die Rechtssicherheit ihres Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 127. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Oktober 200012282 (C) (D) (A) (B) Parksystems. Das Bundesverwaltungsgericht befand, dass der Begriff „Anwohner“ nicht mit Parkzonen, die über zwei oder drei Straßen hinausgehen, vereinbar sei. In der Folge sind auch in Frankfurt die Anwohnerparkzonen „ge- kippt“. Die Polizei meldet seitdem eine Verkehrszunahme in den betroffenen Stadtteilen von rund 5 bis 7 Prozent. Über zwei Dinge sind wir uns doch einig: Zum einen ist das Anwohnerparksystem eine bewährte Maßnahme der Kommunen, eine zufrieden stellende Parkraumbewirt- schaftung zu schaffen, den Individualverkehr nicht weiter wachsen zu lassen und Verkehrssicherheit zu fördern. Zum anderen brauchen die Kommunen eine Rechtsgrundlage, die ihnen den notwendigen Handlungsspielraum ermög- licht. Im Klartext: Eine kleinräumige Begrenzung des An- wohnerparkens ist in vielen Kommunen nicht alltagstaug- lich. Eine straßenbezogene Regelung reicht dort nicht aus, wo schon jetzt mehr Anwohner, die einen Parkplatz benötigen, als Parkraum vorhanden sind – erst recht nicht in Großstädten mit hohen Pendlerquoten. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung trägt diesem Anliegen Rechnung: Er ermöglicht Bewohner-Parkberei- che bis zu einer maximalen Ausdehnung von einem Kilo- meter. Das ist praxistauglich und kommunalfreundlich, es entspricht den Forderungen des Deutschen Städtetags. Dieser ist es auch, der ausdrücklich darum bittet, nähere Ausführungsbestimmungen den Kommunen zu überlas- sen. Ich betone das nicht ohne Grund und mit einem kri- tischen Blick zur Länderbank, denn der Bundesrat wird die Ausführungsbestimmungen beraten. Und damit haben Sie ja auch schon begonnen, zum Unwillen der kommu- nalen Vertreter aller Parteien in den Städten. Diese haben sich ausnahmslos und einstimmig gegen restriktive Vor- gaben ausgesprochen. Wer, wie die hessische Landesre- gierung, eine restriktive Vorgabe von maximal 50 Prozent des Parkraums für die Bewohner fordert oder wer die Größe der Bewohnerparkzonen nach der Einwohnerzahl der Städte staffeln will und dabei auf die Zustimmung ei- ner Mehrheit im Bundesrat setzen will, regelt schlicht an den kommunalen Notwendigkeiten vorbei. Ich appelliere an die Damen und Herren Länderminister: Haben Sie doch ein wenig mehr Vertrauen in die politische Kompe- tenz der Kommunalpolitiker! Die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen zeigen dieses Vertrauen. Mit der neuen Rechtsgrundlage werden die Kommunen gemeinsam mit den Straßenver- kehrsbehörden vernünftige Regelungen festlegen, die An- liegerrechte wahren und Handwerk und Gewerbebetrei- bende berücksichtigen. Eine einseitige Privilegierung liegt nicht im Interesse der Kommunen, und das wissen Sie alle. Auf einen zweiten Bestandteil des Gesetzes möchte ich ebenfalls ausführlicher eingehen: Auto und Alkohol gehören nicht zusammen. Gemäß unserer Ankündigung in der Koalitionsvereinbarung wird als neuer einheitlicher Grenzwert die 0,5-Promille-Regelung aufgenommen. Die Vorgängerregierung war hier nicht konsequent genug: Einerseits haben Sie bei der damaligen Änderung die 0,5- Promille-Grenze neu eingeführt, andererseits von wirksa- men Rechtsfolgen bei Verstößen jedoch abgesehen. Das war ein halbherziger Vorstoß in die prinzipiell richtige Richtung. Im Interesse einer Steigerung der Ver- kehrssicherheit, besonders für unsere jungen und jüngsten Verkehrsteilnehmer, wird es keine 0,8-Promille-Grenze mehr geben. Der Verstoß gegen die 0,5-Promille-Grenze soll mit dem Entzug der Fahrerlaubnis und einer Buß- geldhöchstgrenze von 3 000 DM geahndet werden, ana- log dem vorgesehenen Strafmaß bei Verstoß gegen das Drogenverbot im Straßenverkehr. Der Unfallverhütungsbericht hat auch hier sprechende Zahlen: Jeder fünfte Verkehrstod ist auf Alkohol zurück- zuführen, bei circa einem Drittel der registrierten Unfälle spielte Alkohol eine Rolle; der Rückgang hier ist mit 2 Prozent nur geringfügig. Angaben der Frankfurter Poli- zei zeigen einen Zuwachs der innerörtlichen Unfallzahlen unter Alkoholeinfluss allein im letzten Jahr von 8,4 Pro- zent. Ebenso alarmierend ist auch die Zahl der an Unfäl- len beteiligten Fahranfänger: Jeder fünfte Unfall mit Per- sonenschaden ging 1999 auf Fahrer im Alter zwischen 18 und 24 Jahren zurück. Experten der Polizei und der In- stitute bestätigen uns, dass auch geringer Alkoholkonsum die Leistungsfähigkeit mindert, das Reaktionsvermögen beeinträchtigt. Die einheitliche Einführung der 0,5-Pro- mille-Grenze wird Alkohol am Steuer künftig härter ahn- den, sie unterstützt unser gemeinsames Bemühen um mehr Verkehrssicherheit, weniger Todesfälle und weniger Unfallverletzte. Sie ist ein glaubwürdiger und richtungs- weisender Kompromiss zwischen den Vorstellungen mancher Bundesländer, ein Fahrverbot schon bei null Pro- mille bzw. bei 0,3-Promille festzulegen oder die 0,8-Pro- mille-Regelung beizubehalten. Dabei ist der kurvenreiche Kurs, den ein Teil der CDU/CSU-Ländervertreter zurzeit fahren, doch erwäh- neswert. Wie wollen vor allem die CSU-Kolleginnen und Kollegen erklären, dass es auf der einen Seite sinnvoll ist, für Fahranfänger die Nullpromillegrenze zu diskutieren und einzuführen, sich aber Erwachsene ab dem 24. Le- bensjahr getrost an eine 0,8-Promille-Grenze herantrin- ken sollen? Diese „Logik“ kann ich nicht nachvollziehen. Welches Lernverhalten soll das bewirken? Die SPD-Fraktion hat hier einen klaren Kurs: Wir müs- sen und werden eine sachliche und faktenbezogene Dis- kussion über Maßnahmen zum Schutz junger Fahranfän- ger führen, aber ebenso konsequent das Signal an alle Verkehrsteilnehmer senden, dass Alkohol am Steuer für uns keine Bagatelle ist. Der Gesetzentwurf beinhaltet noch eine Reihe weiterer Regelungen, die ich nur kurz benenne: Die Neuregelung zum Verbot des Mitführens von Radar- und Laserwarn- geräten ist wohl unstreitig – ein Vorhaben, das die SPD-Fraktion schon im Sommer 1999 beantragt hat. Die Änderungen zum Fahrerlaubnis- und Fahrlehrerrecht setzen notwendige Ergänzungen der 1999 vorgenommenen Änderungen um. Darüber hinaus sieht die Gesetzesnovelle Änderungen beim Punktesystem, dem Kraftfahrsachver- ständigengesetz und zur Bußgeldkatalog-Verordnung vor. Bereits in den 30er-Jahren sagte Kurt Tucholsky: „Die Deutschen fahren nicht Auto, um sich fortzubewegen, sondern um Recht zu haben.“ In der heutigen Zeit gilt dies sichtlich immer noch – oft nicht im Sinne der Verkehrssi- cherheit. Unsere Aufgabe ist es daher, das Verkehrsrecht Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 127. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Oktober 2000 12283 (C) (D) (A) (B) fortzuschreiben, um ein Mehr an Sicherheit und ein faires Miteinander aller Verkehrsteilnehmer zu gewährleisten. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf kommt die Bundes- regierung dieser wichtigen Aufgabe nach. Ich hoffe auf eine konstruktive Diskussion in den Ausschüssen und eine breite Zustimmung. Eduard Lintner (CDU/CSU): Erlauben sie mir ein- gangs – bei aller Tragik, die hinter jedem Einzelfall steht – die Feststellung, dass es insgesamt erfreulich ist, wenn der „Unfallverhütungsbericht Straßenverkehr 1998/99“ auch für das vergangene Jahr von einem Rückgang der Zahl der Getöteten berichten kann. Dabei ist besonders der signifi- kante Rückgang der schweren Verkehrsunfälle mit Kin- dern – von 511 1991 auf nur noch 309 im Jahre 1999 – zu begrüßen. Diese Bilanz wird noch dadurch verbessert, dass die Zahl der Kfzs von 1991 bis 1999 um 17,5 Prozent auf 50,6 Millionen Autos gestiegen ist. Tatsache ist aber auch, dass die Zahl der von der Poli- zei erfassten Verkehrsunfälle insgesamt um 6,4 Prozent auf 145 099 gestiegen ist, die Sachschäden um 6,8 Prozent zugenommen haben, ebenso die Zahl der Verletzten. Ein solch differenziertes Geschehen verlangt nach spe- ziellen, ebenfalls differenzierenden Antworten: Generelle Gebote oder Verbote werden der Problematik häufig nicht gerecht. Ihnen fehlt es an Plausibilität und damit an Ak- zeptanz. Dann aber bedarf es zur Erzwingung einer so hohen Kontrolldichte, wie sie weder personell noch ma- teriell auf Dauer durchgehalten werden kann, von dem verheerenden Eindruck einmal abgesehen, den solche dichte Polizeieinsätze hinterlassen. Mit Überzeugung und Aufklärung ist da mehr zu gewinnen als mit Verboten und Repression. Ein ermutigendes Beispiel für einen solchen Weg ist zum Beispiel die am 1. August 1998 eingeführte Rege- lung, das Verstöße gegen das Verbot von Alkohol am Steuer differenziert ahndet: Für 0,5 bis 0,8 Promille sind 200 DM Geldbuße und zwei Punkte in Flensburg fällig; danach gibt es den Entzug der Fahrerlaubnis. Trotz einer Zunahme des PKW-Bestandes im letzten Jahr stagnierte die Zahl der durch Alkoholeinfluss bedingten Unfälle. Nach einem deutlichen Rückgang um 13 Prozent im Jahr davor – 1998 mit damals 15 Prozent weniger Verletzten und 23 Prozent weniger Toten –, ist die Sicherung dieses relativ niedrigen Niveaus im Jahr 1999 ein echter Erfolg. Die Autofahrer und die potenziellen Mitfahrer sind of- fenbar zusätzlich sensibilisiert worden und handeln zu- nehmend verantwortungsbewusster als früher. Wachsen- des Verantwortungsbewusstsein und damit freiwillige Befolgung von staatlichen Vorgaben sind die effizienteste Form einer Regelung überhaupt, weil der Sicherheits- effekt dieser freiwilligen Selbstbeschränkung wirkungs- voller ist als die unter dem Gesichtspunkt der Verhältnis- mäßigkeit immer nur in beschränkter Zahl möglichen Kontrollen. Überzieht man Verbote, dann macht man ihre Beach- tung in der Lebenswirklichkeit fast unmöglich, denn man verspielt die freiwillige Selbstbeschränkung und riskiert, dass die Fahrer eine Zusammenarbeit wegen Überforde- rung praktisch verweigern. Dann wäre die höchst wün- schenswerte Mitwirkung durch Einsicht gestört und der Erziehungseffekt stark gefährdet. Mit Sicherheit muss die Änderung der zum 1. Mai 1998 geltenden Promilleregelungen als vorschnell bezeichnet werden. Um den Einfluss solcher Vorschriften auf das Unfallgeschehen beurteilen zu können, bedarf es weit längerer Zeiträume. Die Bundesregierung selbst stellt auch in dem heute vorliegenden „Unfallverhütungsbe- richt Straßenverkehr 1998/99“ ausdrücklich fest: „Die Entwicklung des Unfallgeschehens in den zurückliegen- den zehn Jahren ist relevant für die Abschätzung der Wir- kung von laufenden und künftigen Verkehrssicherheits- maßnahmen.“ Warum halten Sie sich nicht an die eigenen Erkenntnisse? lm Übrigen zeigen die positiven Erfahrungen mit Mo- dellprojekten, die auf erzieherische Einwirkung auf spe- zielle Gruppen und Verkehrsteilnehmer wie Kinder, Ju- gendliche, Zweiradfahrer oder jugendliche Fahranfänger gerichtet sind, dass man sehr wohl auf diese Weise posi- tive Verhaltensänderungen erreichen kann. Umso unver- ständlicher ist es, dass die Regierungskoalition erst ges- tern im Verkehrsausschuss einen Antrag unserer Fraktion, die Mittel im Haushalt 2001 um magere 4 Millionen DM auf 26 Millionen DM zu erhöhen, abgelehnt hat. Sie set- zen also unverändert – nach sozialistischer Denkart – auf Gesetzeszwang und Bevormundung und halten offenbar wenig von selbstverantwortlichem Verhalten mündiger Bürger. Selbst nachweisbare Erfolge eines solchen Denk- ansatzes können Sie von Ihrer eingefahrenen Denkweise nicht abbringen. Die im Gesetzentwurf ebenfalls vorgesehene Ermäch- tigungsgrundlage zur Anordnung weiträumiger Bewoh- nerparkbereiche ist nicht unproblematisch, weil sie geeig- net ist, den für das geschäftliche und kulturelle Leben in Städten so dringend notwendigen, der Allgemeinheit zur Verfügung stehenden Parkraum drastisch einzuschrän- ken. Dieser Aspekt liegt ja auch der Stellungnahme des Bundesrats zugrunde, der die Bundesregierung auffor- dert, die Privilegierung der Bewohner auf maximal 50Prozent des Parkraums zu begrenzen. Dem kann man sich nur anschließen. Alles in allem wird sich in den jetzt folgenden Aus- schussberatungen zeigen, ob wir – was angesichts des mit dem Gesetz verbundenen Eingriffs in die persönliche Sphäre von Bürgerinnen und Bürgern wünschenswert wäre – zu einer gemeinsamen Auffassung in den wichti- gen Punkten kommen können. Den Willen dazu wünsche ich uns allen. Albert Schmidt (Hitzhofen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der Gesetzentwurf zum Straßenverkehr der Bundesregierung sorgt für eine Reihe von Verbesserun- gen im Straßenverkehrsrecht, die seit geraumer Zeit über- fällig sind. Er setzt weitere Punkte aus der Koali- tionsvereinbarung zwischen SPD und Bündnisgrünen um, die 1998 mit guten Gründen vereinbart worden sind. Zunächst: Die so genannte ,,Promillegrenze“ beim Autofahren wird endlich auf den Wert 0,5 statt bisher 0,8 abgesenkt. Damit wird klar signalisiert: Alkohol trinken Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 127. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Oktober 200012284 (C) (D) (A) (B) und Autofahren passt nicht zusammen. Zahlreiche Unter- suchungen und leider auch zahlreiche Unfallanalysen haben gezeigt: Schon zwischen 0,5 und 0,8 Promille kann es zu beträchtlichen Einschränkungen der Fahrsicherheit kommen. Die Konsequenz daraus kann nur lauten: Die Sanktionen, die bisher als Folge der Überschreitung der alten 0,8-Promille-Regelung galten, insbesondere das Fahrverbot, müssen künftig bereits auf eine Übertretung der 0,5-Promille-Grenze angewandt werden. Fahrverbote kann es demnach bereits ab 0,5 Promille geben. Das „He- rantrinken“ an einen Grenzwert wird erschwert, da 0,5 Promille bekanntermaßen schnell erreicht sind. Es liegt im Interesse aller Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer, mit dieser Neuregelung, die übrigens auch einen Beitrag zur Harmonisierung ver- gleichbarer Regelungen in Europa darstellt, für mehr Sicherheit und weniger Risiko auf Deutschlands Straßen zu sorgen. Nicht nur die Autofahrerinnen und Autofahrer, sondern auch und vor allem für die nicht motorisierten Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer wird diese Neuregelung zu mehr Sicherheit führen. Ich appel- liere an Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, dieser Neuregelung zuzustimmen und daraus keine ideologische Debatte abzuleiten. Einen weiteren Schritt gegen das Unfallrisiko im Straßenverkehr stellt das ebenfalls im Gesetzentwurf der Bundesregierung vorgesehene Verbot von Radar- warngeräten im Fahrzeug dar. Damit wird unverant- wortliches Rasen unter tatsächlicher oder vermeintlicher Umgehung der polizeilichen Kontrollen erschwert bzw. konsequenter bestraft. Geräte, die rasende Autofahrer vor etwaigen Radarkontrollen warnen sollen, funktionieren zwar bis heute nicht wirklich zuverlässig. Sie suggerieren aber dennoch, getrost schneller als erlaubt fahren zu kön- nen, da man vor dem Erwischtwerden durch Kontrollen geschützt sei. Tempolimits wie auch deren Überwachung sind aber nur dann sinnvoll, wenn sich der Autofahrer gezwungen sieht, sie immer zu beachten, und wenn er im Falle der Nichteinhaltung mit seiner Entdeckung und Be- strafung rechnen muss. Die neue Promille-Regelung wie auch das Verbot von Radarwarngeräten sind keine willkürlichen Einschrän- kungen, die einem übertriebenen staatlichen Kontroll- bedürfnis entsprechen. Es sind vielmehr notwendige und richtige Ergänzungen bisheriger Sicherheitsvorschriften, die Leben retten können. Denn um nichts anderes geht es im Straßenverkehr täglich: um Leben und Tod, um Ge- sundheit oder Verletzungen. Wenn wir durch diese Neuregelungen helfen können, Verkehrsunfälle und ihre schrecklichen Folgen zu vermeiden oder zu verringern, sind wir verpflichtet, sie möglichst schnell in Kraft zu set- zen. Genau darum bitte ich Sie alle. Ein dritter wichtiger Punkt der von der Bun- desregierung vorgelegten Novelle des Straßenverkehrsge- setzes ist die seit längerem erwartete Änderung des An- wohnerparkens. Die bisherige Regelung war durch das Bundesverwaltungsgericht zu Fall gebracht worden: Der Begriff des „Anwohners“ unterstellt demnach eine enge räumliche Beziehung zwischen Wohnung und PKW-Ab- stellort. Die Bereiche mit Sonderparkberechtigungen haben aber zum Teil eine Ausdehnung von bis zu tausend Metern, sodass sie häufig aufgehoben werden mussten. In Großstädten sind aber größere Räume zum Ausgleich zwischen dem Angebot an Parkfläche und der tatsäch- lichen Nachfrage erforderlich. In Zukunft wird es deshalb möglich sein, auch großräumige Bewohnerparkbereiche einzurichten, indem in § 6 des Straßenverkehrsgesetzes das Wort „Anwohner“ durch „Bewohner städtischer Quartiere mit erheblichem Parkraummangel“ ersetzt wird. Ich glaube, auch diese sinnvolle Neuregelung sollte fraktionsübergreifend breite Zustimmung finden. Schließlich beschäftigt uns heute noch die Diskussion des „Unfallverhütungsberichts Straßenverkehr“ der Bun- desregierung für die Jahre 1998 und 1999. Er gibt einen umfassenden Überblick über das Unfallgeschehen und die Unfallursachen auf Deutschlands Straßen. Er berichtet aber auch sehr genau über die zahlreichen und verdienst- vollen Leistungen des Bundes und anderer Maßnahmen- träger, die sich aktiv um eine Verbesserung der Verkehrssicherheit bemühen. Er reportiert auch die For- schungstätigkeit und die großartige Arbeit der Verbände im Bereich der Verkehrssicherheit. Das Ergebnis dieser Übersicht ist in einem Punkt relativ ermutigend: Das Risiko, im Straßenverkehr tödlich zu verunglücken, war Anfang der 90er-Jahre höher als heute. 1990 gab es in Deutschland bei rund 42 Millionen Kfz mit einer Fahrleistung von etwa 550 Milliarden km insgesamt 11 000 Straßenverkehrstote. 1999 wurden trotz erheblich höherer Fahrleistung mit wesentlich mehr Fahrzeugen auf Deutschlands Straßen weniger als 7 800 Menschen töd- lich verletzt. Rückläufig ist vor allem die Zahl der im Straßenverkehr getöteten Kinder. Dies spricht für den Er- folg verbesserter Sicherheitstechnik am und im Auto, vielleicht auch für die Erfolge der Verkehrssicherheits- erziehung. Dennoch gibt es keinen Grund zur Zufriedenheit. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass wir nach wie vor für die beanspruchte alltägliche Automobilität einen viel zu hohen Preis bezahlen, an den wir uns niemals gewöhnen dürfen. Hinzu kommt, dass die Zahl der Unfälle mit Per- sonenschäden immer noch zunimmt, von 1998 auf 1999 um fast fünf Prozent. Erst die aktuellsten, im Bericht der Bundesregierung noch nicht erfassten Zahlen für das erste Halbjahr 2000 zeigen Gott sei Dank auch hier eine rückläufige Tendenz. In jedem Falle ist jeder Verkehrstote und jeder Verletz- te ein Opfer zu viel, ein Opfer, das jede Anstrengung rechtfertigt, zu mehr Sicherheit im Verkehr beizutragen, zum Beispiel auch durch die eingangs vorgestellten Neuregelungen im Straßenverkehrsgesetz. Die immer noch hohe Unfallzahl im Straßenverkehr ist aber auch ein weiterer Anlass, die Bemühungen zum Ausbau und zur Attraktivitätsverbesserung der sichereren Verkehrssys- teme Bus und Bahn zu verstärken und durch ein beson- deres Verkehrssicherheitsprogramm neue Impulse für mehr Sicherheit zu geben. Die Bundesregierung, aber auch wir alle als Verkehrs- teilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer stehen in der Pflicht, das Menschenmögliche zu tun, um Mobilität sicherer zu machen. Ich erwarte und erhoffe mir dafür im Bundestag eine breite Übereinstimmung. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 127. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Oktober 2000 12285 (C) (D) (A) (B) Horst Friedrich (Bayreuth) (F.D.P.):Wir reden heute über den Unfallverhütungsbericht des Bundesministeri- ums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen für 1998 und 1999 und über den Gesetzentwurf der Bundesregierung, der aus diesem Bericht offenbar Lehren ziehen soll. Ich will mich gar nicht lange mit den Details aufhalten, die im Zweifel unstrittig – es handelt sich um eine reine Übernahme von Erfahrungen aus der Praxis in den Ge- setzestext – sind. Hierzu gehört auch das Thema Park- raumbewirtschaftung, bei dem das Haus auf eine höchst- richterliche Entscheidung einigermaßen liberal reagiert hat. Es wird dann an den Kommunen sein, nicht zu re- striktiv vorzugehen. Nebenbei bemerkt, es zeigt sich hieran auch, dass in den Fachabteilungen immer dann, wenn keine ideologischen Denkverbote auf sie herunter- prasseln, noch immer Sachkenntnis existiert. Diese Sachkenntnis zu nutzen, sollte eigentlich auf al- len Politikfeldern der Normalfall sein. In puncto Promil- legrenze hat man sich allerdings von allzu viel Sachver- stand nicht blenden lassen. Bei den alkoholverursachten Unfällen sind nicht die Fahrer mit einem Wert von 0,5 Promille bis 0,8 Promille das Problem, sondern die „Ex- tremtrinker“, die Werte von über 1,6 Promille aufweisen. Es handelt sich also um Werte, die deutlich über der ab- soluten Fahruntüchtigkeit liegen. Wenn der Minister den Unfallverhütungsbericht seines eigenen Hauses, der doch die Grundlage des Gesetzent- wurfes bildet, richtig gelesen hätte, dann hätte er an der bestehenden Promilleregelung nichts geändert. Denn 96 Prozent der Autofahrer halten sich an die Vorgabe, nichts zu trinken; nur 4 Prozent werden überhaupt auffäl- lig. Von diesen ist es wiederum nur ein Teil, der absolut fahruntüchtig ist. Dieser – nur dieser – wird größer. Man kann etwas für die Verkehrssicherheit tun, indem man die Kontrollen verstärkt und mit gerichtsfest verwertbaren Meßmethoden – die leider auch nicht immer zu finden sind – arbeitet. Auch im internationalen Vergleich muss man nur in den Unfallverhütungsbericht schauen, um sogleich Frankreich mit wesentlich mehr Verkehrstoten bei niedri- gerer Promillegrenze zu finden. Dies steht im Gegensatz zu der Gesetzesbegründung, in der von einer notwendigen Anpassung der Grenze im internationalen Vergleich ge- sprochen wird. Die bestehende Grenze ist auch nicht zu kompliziert. Man kann sie ganz einfach erklären, und jeder wird sie verstehen: Bei unauffälligem Verhalten gilt bei 0,5 Pro- mille Geldbuße und bei 0,8 Fahrverbot. Diese Regelung hat sich bewährt. Bei auffälligem Verhalten dagegen galt und gilt weiterhin die Grenze von 0,3 Promille – die ei- gentlich strafrechtlich relevante Grenze in Deutschland. Ihr Konzept schießt dagegen mit Kanonen auf Spatzen, obwohl die Krähen ganz woanders sitzen. Vielleicht soll- ten Sie mehr Zielwasser trinken. Dr. Winfried Wolf (PDS): Ich möchte mich hier auf den Bericht der Bundesregierung zur Unfallverhütung im Straßenverkehr konzentrieren. Natürlich ist die in diesem Bericht über einen längeren Zeitraum belegte rückläufige Zahl der Straßenverkehrsopfer zu begrüßen. Gleichzeitig bleibt es richtig, dass 7 749 Tote im bundesdeutschen Straßenverkehr 1999 7 749 Tote zuviel und in jeden Fall ein gewaltiger Blutzoll sind. Generell sollte der Blick nicht allzu sehr auf die Verkehrstoten konzentriert sein. Die Zahl der Verletzten – rund 500 000 im Jahr – und die Zahl der Schwerverletzten – rund 100 000 im Jahr – sind ebenfalls wichtige Größen. In einigen Teilbereichen gab es auch Zunahmen. So im Fall der Zahl der Unfälle im Kfz-Verkehr und im Fall der Zahl der Verletzten. Ein besonderes Problem, das im Bericht der Bundesre- gierung kaum angesprochen wird, stellt die enorme Dis- krepanz auf Bundesländerebene dar. Im Grunde haben wir hier vier erheblich auseinander liegende Gruppen. Da sind zum einen die Stadtstaaten Hamburg, Bremen und Berlin. In diesen gibt es „nur“ 26 bis 30 Tote auf eine Million Einwohner. Dann haben wir zweitens die übrigen west- deutschen Bundesländer und das Bundesland Sachsen. In diesen liegt die Zahl der im Straßenverkehr je 1 Million Einwohner Getöteten bei durchschnittlich 100. Drittens haben wir die Bundesländer Thüringen und Sachsen-An- halt mit 137 bzw. 131 Getöteten je 1 Million Einwohner. Und schließlich haben wir die Bundesländer Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern mit 187 bzw. 208 Getöte- ten je 1 Million Einwohner. Für die erste Kategorie gibt es eine einleuchtende Er- klärung: In den Städten gibt es eine durchweg begrenzte Kfz-Geschwindigkeit von normalerweise 50 km/h und teilweise in den Wohnquartieren ein maximales Tempo von 30 km/h. Die Spitzenwerte in den erwähnten zwei ost- deutschen Ländern Mecklenburg-Vorpommern und Bran- denburg, aber im Grunde auch die erheblich über dem westdeutschen Durchschnitt liegenden Werte in Thürin- gen und Sachsen-Anhalt sind schwer zu erklären. Dass in diesen Ländern die Arbeitslosenrate wesentlich über dem westlichen Durchschnitt und auch über derjenigen in Sachsen liegt, spielt möglicherweise eine Rolle, kann aber nicht als entscheidend erkannt werden. Sicherlich wird ein Bündel von Ursachen hierfür eine Erklärung geben können. Und ebenso sicher ist, dass auf diesem Gebiet er- hebliche Anstrengungen erforderlich sind, um diese Ex- tremwerte zumindest zu nivellieren. Über einen längeren Zeitraum hinweg betrachtet ist noch ein Vergleich der Entwicklung zwischen den inner- orts Getöteten und den außerhalb geschlossener Ortschaf- ten Getöteten von Interesse. 1991 waren es 3 349 innerorts und 7 951 außerorts im Straßenverkehr Getötete. 1998 da- gegen 1 098 innerorts im Kfz-Verkehr Getötete und 5 884 außerhalb geschlossener Ortschaften Getötete. Das heißt: Anfang der Neunzigerjahre machten die innerorts Getöte- ten noch 30 Prozent aller Straßenverkehrsopfer aus. Im Jahr 1999 machten die innerorts Getöteten „nur“ noch 15 Prozent aller Straßenverkehrstoten aus. Es gab bei den innerorts Getöteten also nicht nur einen Rückgang bei den absoluten Opferzahlen, sondern vor allem auch einen enormen Rückgang bei ihrem relativen Anteil an allen Getöteten. Dieser Entwicklung entspricht im Übrigen die Entwicklung der im Straßenverkehr innerorts bzw. außer- halb geschlossener Ortschaften verletzten Menschen. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 127. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Oktober 200012286 (C) (D) (A) (B) Die entscheidende Erklärung für diesen Prozess lautet: Es ist offensichtlich gelungen, in den Städten grundsätz- lich zu einer derartigen Verkehrsberuhigung beizutragen, dass sich diese in wesentlich größeren Verbesserungen in der Opferbilanz niederschlug als außerhalb geschlossener Ortschaften, wo es teilweise keine Tempolimits gibt bzw. Autobahnen, wo Geschwindigkeitsüberschreitungen mehr die Regel sind und wo Tempolimits weit weniger kontrol- liert werden als in geschlossenen Ortschaften. Zum Schluss sei auf zwei Aspekte verwiesen, die in der vorliegenden Statistik nicht auftauchen. Erstens der internationale Vergleich. Trotz aller lobens- werter Fortschritte, die es bei den Straßenverkehrsopfern gibt, steht unser Land keineswegs im EU-Vergleich am besten da. In der BRD wurden 1997 10,4 Menschen je 100 000 Einwohner im Schnitt im Kfz-Verkehr getötet (so die letzten verfügbaren Zahlen – in „Verkehr in Zahlen 1999“, S. 29). In allen skandinavischen Ländern liegt je- doch dieser Wert deutlich darunter: In Finnland bei 8,5, in Schweden bei 6,1, in Dänemark bei 9,3 und in den Nie- derlanden bei 7,5. Auch im Vereinigten Königreich Groß- britannien wurden im Jahr 1997 „nur“ 6,3 Menschen je 100 000 Einwohner im Kfz-Verkehr getötet – knapp 40 Prozent weniger als in der Bundesrepublik Deutsch- land. Zweitens der Vergleich Männer – Frauen. Dieser wird in den uns vorliegenden Statistiken ebenfalls nicht wie- dergegeben. Frauen verursachen im Vergleich zu Män- nern und unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Fahrleistung zwar ähnlich viele Unfälle wie Männer. Doch bei den von Frauen verursachten Unfällen kommt es nur in der Hälfte der Fälle zu Straßenverkehrstoten und nur zu halb so vielen Schwerverletzten wie bei den von Männern verursachten Unfällen – wohlgemerkt immer bei Berücksichtigung der unterschiedlichen Fahrleistun- gen. Auch diese Tatsache sollte zu denken geben und könnte ein Ansatzpunkt für weitere Verbesserungen in der Unfallbilanz sein. Ziele müssen die Entschleunigung, Tempolimits und ein Abbau des Macho-Gehabes im Ver- kehr sein. Wobei das Letztere eng mit dem Ersteren zu- samenhängt. Siegfried Scheffler, Parl. Staatssekretär beim Bun- desministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen: Die Erhöhung der Verkehrssicherheit ist und bleibt eine der wichtigsten Aufgaben der Verkehrspolitik. Das BMVBW räumt der Verkehrssicherheit höchste Priorität ein. Die zunehmende Mobilität wird nur dann akzeptiert, wenn auch ein hohes Maß an Verkehrssicherheit gewähr- leistet wird. Unser Verkehrssystem wird immer komple- xer. Deshalb müssen wir bestehende Unfallgefahren be- seitigen und künftige Sicherheitsrisiken frühzeitig erkennen, um sie zu verhindern. Für alle Verkehrsträger gilt grundsätzlich, dass die Eigenverantwortung der Verkehrsteilnehmer, der Trans- portunternehmen und der Hersteller gestärkt werden muss. Auch der Einsatz moderner Verkehrstechnik kann zur wei- teren Verbesserung der Verkehrssicherheit beitragen. Um die von allen geforderte Verkehrswende zu schaf- fen, brauchen wir zunächst eine umfassende Bestandsauf- nahme der Verkehrsentwicklung – auch der Unfallursa- chen und -risiken. Wir gehen diese Bestandsaufnahme in allen Bereichen an: bei großen Projekten wie der Überar- beitung des Bundesverkehrswegeplanes, wie auch in der Verkehrssicherheit. Der vorgelegte Bericht zur Unfallent- wicklung 2000 ist ein wichtiger Baustein unserer inte- grierten Verkehrspolitik. Der Bericht steht in unmittelba- rem Zusammenhang mit dem Verkehrsbericht 2000, den wir in Kürze vorlegen werden. Er dient als Zwischen- schritt für die Überarbeitung des Bundesverkehrswege- planes. Danach folgt ein umfassendes Verkehrssicher- heitsprogramm, das wir Anfang nächsten Jahres vorlegen werden. Der Unfallverhütungsbericht Straßenverkehr stellt die Unfallsituation auf deutschen Straßen dar und informiert umfassend über unsere Maßnahmen zur Verkehrssicher- heit. Straßenverkehrsunfälle sind in der Regel keine schicksalhafte, unvermeidbare Nebenerscheinung des Straßenverkehrs, sondern in den meisten Fällen Folgen vermeidbaren menschlichen Fehlverhaltens. Obwohl die Zahl der tödlichen Unfälle in den letzten Jahren stetig zurückgegangen ist, bedeuten die jährlich Tausende von Straßenunfällen mit Personenschäden und zum Teil schweren Verletzungen einen tiefen Einschnitt in die Le- bensqualität – auch in das allgemeine Sicherheitsgefühl – der Bürger und Bürgerinnen unseres Landes. Im interna- tionalen Vergleich befindet sich Deutschland bei der Un- fallhäufigkeit – bezogen auf die Bevölkerungszahl, den Fahrzeugbestand und die Länge des Straßennetzes – nur im Mittelfeld. Das muss sich ändern. Zu den Unfallrisiken. Festzuhalten ist: Der Fahrzeug- bestand ist gestiegen, aber das Risiko, bei einem Straßen- verkehrsunfall getötet zu werden, ist gesunken. Die Zahl der Verkehrsunfälle insgesamt ist leider nicht zurück- gegangen. Positiv ist der Rückgang der schweren Ver- kehrsunfälle bei Kindern. Dennoch bleibt viel zu tun: Die Aufmerksamkeit der Bundesregierung gilt daher insbe- sondere dem Schutz der schwächeren Verkehrsteilneh- mer, von Kindern und Älteren. Nach wie vor sind junge Fahranfänger am meisten gefährdet. Auch auf den Land- straßen passieren überdurchschnittlich viele Verkehrsun- fälle. Zur Unfallentwicklung in den ersten drei Monaten 2000. Die Ad-hoc-Unfallexpertengruppe hat festgestellt: Die erhöhten Unfallzahlen im ersten Quartal 2000 gehen weitgehend auf eine milde Witterung und den zusätzli- chen Schalttag im Februar zurück. Die Expertenkommis- sion glaubt, dass sich die Unfallentwicklung nicht negativ verändern wird. Die Expertengruppe bestätigt auch, dass mit dem Verkehrssicherheitsprogramm, das wir Anfang des nächsten Jahres vorlegen werden, wichtige Schritte zur Verbesserung der Verkehrssicherheit eingeleitet wer- den. Mein Fazit: Die Bundesregierung wird die Verkehrssi- cherheit kontinuierlich fördern und verbessern. Unsere Maßnahmen tragen bereits erste Früchte und werden von Experten bestätigt. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 127. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Oktober 2000 12287 (C) (D) (A) (B) Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Für ein fahrrad- freundliches Deutschland (Tagesordnung 12) Heide Mattischek (SPD): Obwohl Berlin nicht ge- rade die besten Rahmenbedingungen für Radler und Rad- lerinnen bietet – schon gar nicht im Regierungsviertel –, sehe ich hier mehr Abgeordnete, die sich des Fahrrads be- dienen als je zuvor. Ich bedaure es außerordentlich, dass die konstruktiven Bemühungen des ADFC um ein „fahr- radfreundliches Regierungsviertel“ weder bei der damali- gen Bundesregierung noch bei der Berliner Stadtregie- rung auf Interesse gestoßen sind. Der „1. Fahrradbericht der Bundesregierung über die Situation des Fahrradverkehrs in der Bundesrepublik Deutschland“ ist eine wichtige Zäsur: Die derzeitige Si- tuation des Radverkehrs in Deutschland wird systema- tisch dargestellt. Die grundlegenden Probleme werden be- nannt, Vorbildleistungen im In- und Ausland aufgezeigt, Empfehlungen zur Verbesserung des Radverkehrs formu- liert. Ich begrüße es sehr, dass die jetzige Bundesregierung trotz der besonderen Zuständigkeit der Kommunen bei In- vestitionen und bei Infrastrukturmaßnahmen auch die Verantwortung des Bundes hervorhebt, die die frühere Regierung eher von sich gewiesen hat. Ich freue mich des- halb, dass die CDU/CSU-Kollegen in einem neuerlichen Antrag dies auch so sehen. Nicht nur, weil in dem Antrag meine Heimatstadt Erlangen lobend erwähnt wird, sehe ich sehr viel positive Ansätze darin. Eine Reihe von For- derungen, die Sie erheben, sind diskussionswürdig. Es bleibt allerdings die Frage offen, warum Sie diese nicht in den Jahren 1982 bis 1998 gestellt und erfüllt haben. Da wir uns, Herr Kollege Börnsen, in dem Ziel einig sind, den Fahrradanteil am Alltagsverkehr spürbar anzu- heben, müssen wir nach Wegen suchen, dieses Ziel zu er- reichen. Wenn wir auf diesem Weg ein gutes Stück ge- meinsam gehen könnten, würde es der Sache nicht schaden. Wir haben überfraktionell eine öffentliche Anhörung zum Thema Fahrradverkehr beschlossen, die am 24. Ja- nuar 2001 stattfinden wird. Daraus werden uns gewiss weitere Erkenntnisse erwachsen. Ich begrüße es sehr, dass die jetzige Bundesregierung nicht nur einfach den Fahrradbericht vorgelegt hat, son- dern erste Schlüsse daraus gezogen hat. Es gibt seit dem letzten Jahr einen Bund-Länder-Arbeitskreis, der auch den Sachverstand von Verbänden wie dem ADFC und dem VCD mit einbezieht. Ich erwarte, dass wir nach der Anhörung mehr darüber wissen, welche Strategie zum Beispiel die Niederlande entwickelt und umgesetzt haben, um dem Fahrradanteil auf beinahe 30 Prozent anzuheben. Weder ist das Klima dort bemerkenswert anders noch ist die Topographie in Deutschland hauptsächlich alpin. Es gibt also noch großen Handlungsbedarf: Die Sicherheit muss erheblich verbessert werden, die Infrastruktur braucht erhebliche Verstärkung, für den Imagegewinn muss etwas getan wer- den, auch der Verbund mit ÖPNV und Fernverkehr ist noch nicht optimal – bei aller Anerkennung des Erreich- ten. Ein Stück Benachteiligung wird jetzt durch die Um- wandlung der Kilometerpauschale in eine – lange gefor- derte – Entfernungspauschale beseitigt. Man kann es nicht oft genug sagen: Die gesamtwirt- schaftlichen positiven Effekte des Fahrradfahrens sind beachtlich: das Einsparpotenzial im Gesundheitssystem, die Umsatzsteigerungen bei Reiseveranstaltern, in der Gastronomie und im Beherbergungsgewerbe sowie 8 Milliarden DM Umsatz bei Herstellung, Handel und Dienstleistung. Und überall bestehen noch Steigerungs- möglichkeiten. Umso mehr ist zu begrüßen, dass im Fahrradbericht aufgezeigt wird, dass das Fahrrad als „System“ eine Zukunft hat, wie uns das ziemlich per- fekte „System Auto“ täglich vor Augen führt. Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU): Die Renaissance des Fahrrades hat Mitte der 70er-Jahre ein- gesetzt. Heute gibt es 75 Millionen Räder in Deutschland. Am Gesamtverkehrsaufkommen ist der Radverkehr bei uns mit 12 Prozent beteiligt – bei steigender Tendenz. Wir von der Union begrüßen diese Entwicklung und werden sie weiter fördern. Die Trendwende zu mehr Fahrrad hat zwei Ursachen. Bei immer mehr Bürgerinnen und Bürgern gilt das Rad als umweltschonendes, gesundheitsförderndes und energie- sparendes Verkehrsmittel. Bei den Kommunen, den Bun- desländern und den Bundesregierungen hat durch die Energiekrise der 70er-Jahre ein Umdenkungsprozess hin zu mehr Förderung des Fahrradverkehrs eingesetzt. Bürgerinteresse und politischer Wille haben dazu geführt, dass heute bereits 35 Prozent aller Radfahrer ihr Rad zur Fahrt zu Arbeit und Ausbildung nutzen, weitere 35 Pro- zent zum Freizeitvergnügen und fast 30 Prozent für Ein- kaufsfahrten. Obwohl die Städte, Gemeinden und die Länder eine vorrangige Zuständigkeit für Investitionen in verbesserte Radfahrbedingungen haben, hat der Bund in den vergan- genen 20 Jahren beispielhaft gehandelt. Das Radwegesys- tem an Bundesstraßen wurde von 6 300 Kilometern auf heute 15 000 Kilometer mehr als verdoppelt. Allein in den neuen Bundesländern wurde eine Erweiterung der Rad- wege von 500 Kilometern in zehn Jahren auf jetzt fast 2 000 Kilometer erzielt. Mit Beginn dieses neuen Jahr- hunderts sind ein Drittel aller Bundesstraßen mit Radwe- gen versehen, das heißt, prozentual verfügen die Bundes- straßen über doppelt so viele Radwege wie Landes- oder Kreisstraßen. Dieses anerkennenswerte Resultat wurde möglich, weil die GVFG-Mittel auf 1 Milliarde DM jähr- lich aufgestockt wurden. Leider hat die derzeitige Bun- desregierung diesen Fonds wesentlich gekürzt, zum Nachteil des Radwegebaus, zum Nachteil der Radfahrer. Einen Durchbruch zu mehr Rechten für Radfahrer hat die Radfahrnovelle von 1997 gebracht, unter anderem mit ihrer Einbahnstraßen- und Sonderstreifenregelung. Hier erwarten wir, dass aus der Probephase eine Dauerregelung zum Jahresende wird. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 127. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Oktober 200012288 (C) (D) (A) (B) Einen weiteren Durchbruch für eine kombinierte Fahr- radförderung wurde die Öffnung der GVFG-Mittel auch für die Schaffung von Bike-and-Ride-Anlagen an Bahn- und Bushöfen. Dazu ist auch die Regelmitnahme für Fahrräder durch die DB AG zu rechnen. Sie betrug 1991 818 000 im Schienennahverkehr und verdoppelte sich in sieben Jahren auf 1,6 Millionen. In den Fernzügen hat sie sich in den 90er-Jahren von anfänglich 200 000 auf mehr als 600 000 verdreifacht. Ein deutliches Signal hat die Bundesrepublik auch bei der Novellierung der StVO in sieben Punkten für den Radverkehr gesetzt. Sie wurde zu einer tatsächlichen Un- fallverhütungsvorschrift mit dem Resultat, dass Radfahr- unfälle von 74 000 Anfang der 90er-Jahre auf 68 879 im Jahr 1998 gesenkt werden konnten, trotz einer Zunahme des Radverkehrs. Doch nehmen bei Kindern und Senioren die Radfahrunfälle leider wieder zu. Die Entscheidung der Regierung, die Mittel für die Verkehrssicherheit um 4Millionen DM gegenüber 1999 zu kürzen, ist in diesem Zusammenhang unverantwortlich und kontraproduktiv. Diese wenigen Belege zeigen: Wir von der Union ha- ben klar und konsequent eine Pro-Fahrrad-Politik betrie- ben. Die über 60 Millionen Radfahrerinnen und Radfah- rer in Deutschland können sich auf uns verlassen. Das wird sich auch nicht ändern. Die rot-grüne Regierung hat bei ihrer Fahrradpolitik in diesem Jahr mit einer Verdop- pelung der Verwarngelder für Radfahrerinnen und Rad- fahrer einen besonderen Akzent gesetzt. Diese Maßnah- men hat viele Radler verärgert, fühlen sie sich doch gestraft, obwohl sich die große Mehrheit verkehrsgerecht verhält. Nun müssen alle für wenige Radfahr-Rambos büßen. Eine Alternative zum Auto ist der Drahtesel im Kurz- streckenbereich allemal. Staaten wie Dänemark und die Niederlande mit einem Radverkehrsanteil von 27 Prozent machen deutlich, dass es auch bei uns noch Entwick- lungspotenziale gibt. Wir stellen uns für die Umsetzung dieser Perspektive die Schaffung eines nationalen Fahrradforums vor. Der Bund-Länder-Arbeitskreis kann dafür durchaus die Basis sein, gemeinsam mit Pro-Fahrrad-Organisationen. Dieses „Deutsche Fahrradforum“ hätte eine Koordinierungs- funktion, wäre Bindeglied zwischen den verschiedenen Ebenen, ohne in die Vorort-Kompetenz einzugreifen. Zum Vorschlag Masterplan unterscheidet sich unsere Al- ternative durch mehr Respekt vor der föderativen Rechts- Struktur unseres Landes. Gemeinsam ist beiden, dass sie sich als sachliche Folgerung aus dem ersten Fahrradbe- richt der Bundesregierung ergeben. Diese Dokumentation ist ein Werk aus der Ministerzeit von Matthias Wissmann. Dass sie ungekürzt von der derzeitigen Regierung über- nommen und zur Grundlage für die Fahrradpolitik erklärt worden ist, spricht für die Qualität des Papiers, aber auch für den Pragmatismus des Hauses Klimmt. Unser heute hier vorgelegter Antrag, der Ausgangs- punkt dieser Debatte, will in seiner Zielsetzung die At- traktivität des Fahrradverkehrs steigern, den Mobilitäts- raum für das Rad erweitern, die Sicherheitsbedingungen verbessern, das Potenzial zum Umsteigen auf das Rad er- höhen, insgesamt eine weitere Klimaverbesserung für das Verkehrsmittel Fahrrad in unserem Land erreichen. In zehn Punkten sehen wir konkrete Handlungsmög- lichkeiten. Dazu gehört unter andem die Schaffung eines bundesweiten Radwegenetzes, also Ausweisung von Bundes-Radtouren, wie sie in der Schweiz als so genannte nationale Routen mit Erfolg praktiziert werden, um den touristischen Aspekt zu verstärken. Weiter halten wir auch die Optimierung des Dienstleistungsangebotes der Bahn für Fahrrad-Reisende für erforderlich. Noch wenig berücksichtigt bleibt bei der Bundesre- gierung derzeit der Tatbestand, dass das Unfallrisiko von Radfahrern mehr als doppelt so hoch wie bei PKW-Fahrern und Fußgängern ist. Radfahrer haben keine Knautschzone. Je mehr wir die Sicherheit für sie verbes- sern, umso größer ist die Bereitschaft, auf das Rad umzu- steigen. Deshalb plädieren wir mit Nachdruck für die An- hebung der Mittel für die Verkehrssicherheit, die gegenüber 1999 durch die rot-grüne Regierung gekürzt wurden. Wer für mehr Rad ist, der zeigt durch sein Ab- stimmungsverhalten heute, ob er es auch ernst meint mit der Förderung des Fahrradverkehrs, der sagt Ja zu unse- rem Antrag. Völlig unberücksichtigt bleibt bei der Regierung der Sachverhalt, dass es zu circa 420 000 Fahrraddiebstählen pro Jahr in unserem Land kommt – bei einer Auf- klärungsquote von 9 Prozent und einem Versicherungs- schaden, den wir alle zu tragen haben, in Höhe von circa 130 Millionen DM jährlich, legt man einen Fahrradwert von nur 300 DM zugrunde. Wenn Jahr für Jahr fast eine halbe Millionen Menschen bittere Erfahrungen mit dem Fahrradklau machen, fördert das nicht die Attraktivität dieses Verkehrsmittels. Erfreulich an den vorgelegten Fahrradinitiativen ist die weitgehende Übereinstimmung über alle Fraktionen hin- weg. Erfreulich ist auch, dass immer mehr unserer eigenen Kollegen als Radfahrer in Berlin und zu Hause unterwegs sind und gute Beispiele geben. Wenig hilfreich jedoch ist die Ausrichtung von Bundes- kanzler Schröder in Wort und Tat, allein dem Auto offen- sichtlich Vorrang einzuräumen. Das gilt auch für den Frak- tionsvorsitzenden der Bündnisgrünen, Rezzo Schlauch, in seiner kürzlich erfolgten von vielen Radfahrerinnen und Radfahrern als provozierend empfundenen Porsche-Prä- sentation. Peinlich muss diese Aktion auch auf die Mitglie- der seiner Fraktion wirken, die sich seit Jahren um Pedes und nicht um Porsche bemüht haben. Nein, wer so um das Auto buhlt, der hat seine Glaubwürdigkeit als Radfahrer- Partei verloren. Wir von der Union stehen für ein ganzheitliches Ver- kehrskonzept, das alle Verkehrsträger berücksichtigt. Es geht von den Fragen aus: Wie sichere ich das Mobi- litätsbedürfnis der Bürgerinnen und Bürger? Was ist öko- logisch und ökonomisch vertretbar? Das Fahrrad stellt im Kurzstreckenbereich durchaus eine Alternative zum Auto dar, nicht nur der ÖPNV. Fast 50 Prozent aller PKW-Fahr- ten liegen unterhalb der 5-Kilometer-Grenze. Wenn Städte wie Münster und Erlangen es erreichen, dass der Anteil der Fahrräder am Gesamtverkehr bei 40 Prozent Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 127. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Oktober 2000 12289 (C) (D) (A) (B) liegt, dann sollten andere Kommunen, auch wenn deren Landschaftsstruktur nicht so ideal ist, zumindest ein 25-Prozent-Ziel anpeilen – bei systematischer Förderung des Fahrradverkehrs ein durchaus erreichbares Resultat, wenn die Infrastruktur um das Rad, angefangen von sicheren Parkhäusern, mit beachtet wird. Vergessen wir bei unserer Absicht zu mehr Fahrradför- derung nicht den Tatbestand, dass ein neues Verkehrsmit- tel auch im Alltag – nicht nur im Freizeitverkehr – im Kommen ist: die Inline-Skater. Auch hier sollte gelten, die begonnene Initiative zu stärken, sie in das Gesamtver- kehrssystem einzubinden. Wir erwarten als Grundlage dafür einen Bericht der Bundesregierung. Wie beim Fahr- rad geht es auch hier um ein umweltschonendes, gesund- heitsförderndes und energiesparendes Verkehrsmittel, und beiden ist eigen: Sie bereiten Vergnügen. Zu Dank verpflichtet ist der Deutsche Bundestag all denen, die auch beim Fahrradverkehr kompetent und ve- rantwortungsbewusst mit Rat und Tat der Politik zur Seite stehen, vom Deutschen Verkehrssicherheitsrat über den ADFC, die Verkehrswacht und weiteren Verkehrssicher- heitsverbänden bis hin zur Polizei und den Fachkräften in den Schulen. Sie alle, die oft ehrenamtlich tätig sind, sor- gen mit für ein konstruktives Klima zur Förderung des Fahrrades. Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN):Lange Zeit wurde Radfahren von der Politik über- sehen und unterschätzt, zumindest von der Politik auf Bundesebene. Das Fahrrad war allenfalls ein Thema der Kommunalpolitik, wenn überhaupt. Dort wurde das An- liegen nach Jahrzehnten der Missachtung in den vergan- genen zwei Dekaden zunehmend entdeckt. Ja, man kann sagen, Radfahren erlebte eine erfreuliche Wiederent- deckung und -nutzung. Viele umweltbewusste Kommu- nen haben inzwischen eine Radverkehrskonzeption und fördern Radfahren auf vielfältige Art. Auch einzelne Bun- desländer, allen voran das rot-grün regierte Nordrhein- Westfalen, fördern Radfahren landesweit durch Radwege und Zuschüsse für zum Beispiel Radstationen. Die För- derung des Radfahrens wird allgemein als Chance gese- hen, die Verkehrsprobleme in den Städten zu mildern und mit wenig Mitteln ein umweltfreundliches Verkehrsmittel voranzubringen. Meine Fraktion, die zu Recht den Ruf hat, eine fahr- radfreundliche zu sein – darüber können die Ausflüge unseres Vorsitzenden im Sportwagen nicht hinwegtäu- schen –, begrüßt es gewissermaßen mit freundlichem Radklingeln, dass sich der Bundestag mit Radfahren be- fasst. Der erste Radbericht einer deutschen Bundesregie- rung, eine wirklich interessante Drucksache mit vielen in- teressanten Informationen und Daten, liegt vor. Meine Fraktion hat diese Woche bereits eine Anhörung im Reichstag veranstaltet mit erfreulicher Resonanz und guten Impulsen für ein fahrradfreundliches Land. Der Verkehrsausschuss wird im Januar 2001 eine große An- hörung zum Radfahren machen. Das alles sind Zeichen dafür, dass sich nun auch die Bundespolitik dem Rad zu- wendet. Ich freue mich, dass sich auch die CDU/CSU- Fraktion mit dem vorliegenden Antrag klar zu einer fahr- radfreundlichen Politik bekennt. Radfahren, das zeigen die unterschiedlichen Untersu- chungen, Modelle und die Erfahrungen in verschiedenen Ländern und Kommunen wie auch Beispiele im europä- ischen Ausland, ist nicht so sehr abhängig von der Zahl der Berge, sondern von der Politik und der Kultur eines Landes, einer Stadt oder einer Region. Die Schweiz, wahrlich nicht so flach wie Norddeutschland oder die Niederlande, führt uns vor, wie man durch eine gut auf- einander abgestimmte Politik Radfahren im Alltag wie auch in der Freizeit und im Urlaub fördern kann. Die Schweiz gilt inzwischen als Velo-Musterland neben den Niederlanden. Dort gibt es nicht nur eine lange Radfahr- tradition, sondern auch eine strategisch abgestimmte Po- litik, die mit einem Masterplan FIETS (RAD) das Rad- fahren systematisch gefördert hat. Man hatte aber auch den Mut, das Autofahren in den Innenstädten einzu- schränken. Die deutlich höheren Radverkehrsanteile in Holland wie in einzelnen deutschen Städten wie bei- spielsweise Troisdorf, Münster, Erlangen, Freiburg oder in meiner Wahlkreisstadt Tübingen zeigen, dass man mit engagierter Politik in wenigen Jahren viel erreichen kann. Rund 30 Prozent Anteil Radverkehr in diesen positiven Beispielen, aber 5 Prozent und weniger in anderen Kom- munen, leider vor allem in den neuen Bundesländern. Die Hälfte aller Autofahrten haben eine Entfernung un- ter 6 Kilometer. Das ist die ideale Distanz fürs Rad. In die- sem Fall ist das Rad meistens das schnellste Transport- mittel. Wenn wir es schaffen könnten, von diesen Kurzfahrten einen größeren Anteil aufs Rad zu verlagern, hätten wir viel fürs Klima und die Luftreinhaltung getan. Berechnungen des Umweltbundesamtes belegen, dass bis zu 7 Millionen Tonnen C02-Minderung pro Jahr zu erzie-len wäre, wenn 30 Prozent dieses Autoverkehrs aufs Rad verlagert werden könnten, oder bar bis zu 13 Millionen Tonnen, wenn wir 30 Prozent des Autoverkehrs bis 10 Ki- lometer umschichten könnten. Diese Mengen erreicht man sonst nur mit massiven Eingriffen in die Wirtschaft oder in den Autoverkehr mit einem Tempolimit. Die spannende Frage ist: Warum wird trotz so vieler Vorzüge so wenig Rad gefahren, im Durchschnitt in Deutschland West circa 12 Prozent, in Deutschland Ost 9 Prozent? Es gibt leider noch zahlreiche Barrieren auf den Straßen, in den Köpfen und in den Körpern. Es gibt trotz eines massiven Ausbaus zu wenig Radwege bzw. si- chere Wege und Straßen zum Radfahren. Es muss nicht immer der teure separate Radweg auf dem Gehweg sein mit Kanten und Absätzen, eng und zugeparkt. Oft ist ein Sicherheitsstreifen als Fahrspur am Rande der Straße bes- ser und billiger. Es gibt noch immer viel zu wenige sichere Abstellplätze und es gibt nach wie vor keine wirklich gute Mitnahmebedingungen bei öffentlichen Verkehrsmitteln. Die Bahn hat eigens eingerichtete Fahrradabteile, eigent- lich ein Fortschritt gegenüber früher. Gleichzeitig sind bei manchen Wagentypen die Türen zu eng und Treppen zu steil für passables Einsteigen. Man muss fast ein Balan- cekünstler sein beim Ein- und Aussteigen. Ich führe dies hier so aus, weil das Beispiel veranschaulicht, dass die Konstrukteure und Planer die Radmitnahme nicht wirk- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 127. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Oktober 200012290 (C) (D) (A) (B) lich im Kopf haben. Es mangelt an einer Kultur des Rad- fahrens. Das muss sich ändern. Was ist zu tun? Zunächst muss der Bund seine Verant- wortung wahrnehmen, sich auch fürs Radfahren und den Radwegebau zuständig zu fühlen. Ich sehe mit Freude, dass alle Fraktionen in diese Richtung denken. Wir schla- gen vor, dass das Verkehrsministerium alle Beteiligten einlädt zu einem Runden Tisch Rad. Dies könnte der erste Schritt zu einem Masterplan RAD sein, den wir wie der VCD und der ADFC und andere Umweltorganisationen fordern. Ein Masterplan RAD müsste Ziele, Maßnahmen und Schritte, möglichst im breiten Konsens aller Betrof- fenen und Verantwortlichen aller politischen Ebenen, festlegen und eine gemeinsame Strategie beinhalten. Ein Masterplan müsste aufzeigen, wie Deutschland zum fahr- radfreundlichen Land gemacht werden kann. Dieser Plan muss vor allem ein kommunikativer Prozess sein und mit einer Kampagne „FahrRad“ verbunden werden, damit wir es schaffen, in den nächsten 10 Jahren den Anteil des Rad- verkehrs zu verdoppeln oder wenigstens auf 20 Prozent zu steigern. Die Anhörung im Januar wird uns hierzu sicher noch weitere Anregungen geben. Wir Grünen werden dazu gerne in Kooperation mit unserem Koalitionspartner ei- nen Antrag erarbeiten. Ich könnte mir sogar vorstellen, wenn ich mir die Forderungen des vorliegenden CDU/CSU-Antrages betrachte, dass wir ein fraktions- übergreifendes Bündnis „ProRad“ zustande bekommen. Wir sollten es versuchen. Die Radfahrerinnen und Rad- fahrer würden sich freuen. Hans-Michael Goldmann (F.D.P.): Radfahren macht Spaß! Außerdem ist es gesund, leise, schnell, flexibel, sportlich, ökologisch und kostengünstig. Kein Wunder, dass sich inzwischen die unterschiedlichsten Interessen- gruppen für den Radverkehr stark machen. So ist es gut, dass wir im Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungs- wesen beschlossen haben, am 24. Januar 2001 eine An- hörung zum Radverkehr durchzuführen. Schon heute gibt mir der Tagesordnungspunkt „Für ein fahrradfreundliches Deutschland“ Gelegenheit, mich als absoluter Fahrradfan zu outen. Nicht nur in meiner Jugend war ich mit meiner guten alten Rixe in Deutschland unterwegs, sondern auch heute trägt mich meine Gazelle an vielen Wochenenden durch die fahrradfreundliche Landschaft des Emslandes und Ostfrieslands. Fahrradfahren hat eine echte Renaissance in Deutsch- land erlebt. So kommt es auch, dass bereits zum zweiten Mal in Folge in Deutschland die Fahrradproduktionszah- len deutlich gestiegen sind. 1999 kletterte die Zahl der bei uns gefertigten Fahrräder auf 3,2 Millionen, das sind noch einmal 2 Prozent mehr als im Jahr zuvor, und das sichert viele Arbeitsplätze in einer äußerst innovativen Branche. Gestiegen sind die Durchschnittsqualitäten, und das aus gutem Grunde, denn die Kunden legen immer mehr Wert auf eine hervorragende Ausstattung ihrer Fahrräder. So sind komfortable Federungssysteme, zupackende Brem- sen und leistungsfähige Lichtanlagen für den echten Bi- ker heute eine absolute Notwendigkeit. Die Modelle, die von der Fahrradindustrie angeboten werden, decken den Tourenradbereich, das Trekking-Cross oder das MTB- Sportive-Bike ab. Ja, sogar Rennmaschinen haben Kon- junktur, nachdem sich auch sportliche Erfolge in diesem Bereich eingestellt haben. Millionen einzelne Verkehrsteilnehmer haben sich längst für das Rad entschieden, da es auf unvergleichliche Art Sport, Spaß und Schnelligkeit in den Alltag integriert. Das Fahrrad ist gerade in den Städten und dicht besiedel- ten Gegenden ein optimales Verkehrsmittel und natürlich im Bereich des Fremdenverkehrs ein ernst zu nehmender wirtschaftlicher Faktor. Seitens des Bundes, der Länder und der Gemeinden sind große Anstrengungen unternom- men worden, ein gutes Radverkehrsnetz aufzubauen. Durch die grundlegende Novellierung der Straßenver- kehrsordnung im Jahre 1997 sind sehr konkrete Verbesse- rungen von der Radwegebenutzungspflicht, der Radfahr- straße oder der Einbahnstraßenregelung für den Radfahrer erreicht worden. Diese Schritte waren notwendig, denn der Fahrradfahrer, der Radler ist im Konflikt mit dem mo- torisierten Verkehr immer der Schwächere. Wenn auch insgesamt ein positives Resümee in Bezug auf das Fahrradfahren in Deutschland zu ziehen ist, so kann doch nicht abgestritten werden, dass es noch Hand- lungsbedarf gibt. Die Niederländer haben es uns vorge- macht. Ihr Masterplan Fiets schreibt Ziele fest, die wir in Deutschland ganz einfach übernehmen sollten: Imagever- besserung fürs Fahrrad, Diebstahlprävention, Radrouten- netze, Fahrradabstellanlagen an Haltestellen und Bahnhö- fen sowie die Fahrradnutzung in der Freizeit. Was der Masterplan Fiets für die Niederländer ist, muss der Fahrrad-Masterplan für Deutschland sein. Mit diesem Plan verknüpft die F.D.P. folgende Ziele: Erstens. Umstieg vom Auto auf das Fahrrad in Verbin- dung mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Zweitens. Sicherheit für Radfahrer, Fahrradparkplätze und Diebstahlprävention. Drittens. Vernetzung des Radverkehrs mit den Ver- kehrs- und Transportplänen des Bundes, der Länder und Gemeinden. Viertens. Nutzung des Wirtschaftsfaktors Fahrrad im Hinblick auf Herstellung, Handel, Dienstleistung und Tourismus. Weil wir möchten, dass immer mehr Menschen im All- tag, im Beruf und in der Freizeit auf das Rad setzen, wer- den wir aktiv dazu beitragen, den Radverkehr als Ge- samtsystem zu fördern. Der VCD, der Verkehrsclub Deutschlands hat eine breite Palette von Handlungsan- weisungen für die Akteure aufgelistet, die am Gesamtsys- tem Radverkehr positiv mitwirken wollen. Sie reicht vom Bund, den Ländern und Kommunen über die Betriebe, die Verkehrsunternehmen und Krankenkassen, die Fahrrad- branche, die Eltern, Kindergärten und Schulen bis hin zu den Einzelhändlern und Werbegemeinschaften sowie den Architekten und Wohnungswirtschaftsunternehmen. Aber auch die Tourismusbranche und die Medien werden als wichtige Akteure richtigerweise genannt. Radfahren macht Spaß – schon jetzt und zukünftig noch mehr, weil wir sicherlich im Rahmen der Anhörung Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 127. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Oktober 2000 12291 (C) (D) (A) (B) zum Fahrradverkehr in Deutschland wertvolle Anregun- gen bekommen werden, die uns politisch so handeln lassen werden, dass sich der Spaß und die Qualität des Radfahrens noch steigern werden, und wir einen ent- scheidenden Schritt zum Fahrrad-Masterplan gehen wer- den. Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden Zur Beratung der Anträge: – Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses – Arbeitsweise der Expertenkommission His- torische Mitte (Tagesordnungspunkt 14 und Zusatztagesord- nungspunkt 12) Monika Griefahn (SPD): Seit 1992 wird nun über die Gestaltung des Schlossplatzes in der Berliner Mitte disku- tiert. Ohne Zweifel ist dieser Ort ein besonderer Ort in der Hauptstadt und verdient deshalb besondere Beachtung. Schon in preußischer Zeit hatte er eine Strahlkraft über Berlin hinaus und das Gesamtensemble der Berliner Mitte – Museumsinsel, die Linden, der Pariser Platz und das Brandenburger Tor – unterstützte diese Wirkung noch. Seit dem Ende des Krieges, spätestens aber seit der Sprengung des Stadtschlosses ist diese Wirkung dahin. Erst die Zerstörung durch Bomben, dann die teilweise Neubebauung und -gestaltung der Mitte vom Alexander- platz zum Brandenburger Tor veränderten das Bild völlig. Wir haben es also mit einer städtebaulichen Umwälzung zu tun, die sowohl unter historischen als auch unter archi- tektonischen Gesichtspunkten nicht ignoriert werden kann. Natürlich lädt der verwaiste Schlossplatz geradezu ein, sich Gedanken über dessen Gestaltung zu machen. Des- halb haben wir heute diese Debatte. Aber es kann doch nicht im Ernst darum gehen, mit historisierenden Kon- zepten an alten Glanz und Gloria anknüpfen zu wollen. Das hieße, die architektonischen Realitäten der letzten 50 Jahre nicht zur Kenntnis zu nehmen. Ob man nun den Palast der Republik oder den Marx-Engels-Platz mag oder nicht: Sie gehören zur Geschichte der Stadt. Sie sind Ausdruck der politischen Geschichte, dieses Landes und sind insofern nicht weg zu diskutieren. Das heißt aber: Wenn man sich Gedanken über die Ge- staltung des Schlossplatzes macht, dann ist das gesamte Umfeld dieses Geländes in die Überlegungen mit einzu- beziehen. Nur so kann man der Geschichte der Berliner Mitte gerecht werden. Und nur so ist es gewährleistet, das die zukünftige Gestaltung des Schlossplatzes von der Be- völkerung auch angenommen wird. Die alleinige Rekon- struktion der historischen Kubatur mit ihrer historischen Fassade ist die falsche Lösung. Sie passt nicht mehr auf den Schlossplatz und schon gar nicht in die heutige Zeit. Der Schlossplatz in seiner jetzigen Gestalt bietet alle Chancen und Möglichkeiten einer Gestaltung, die sich an den Gegebenheiten und Erfordernissen unserer zukünfti- gen Lebenswelt orientiert. Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich stelle nicht die große baukulturelle Bedeutung des ehemaligen Stadt- schlosses infrage. Der Schlossplatz soll auch ein Ort der Erinnerung an die Geschichte sein. Aber gerade deshalb kann es nicht darum gehen, die Historie einfach architek- tonisch wieder zu beleben. Das würde weder dem Ort noch der Zeit gerecht werden. Die Gestaltung kann nur im Rahmen einer Gesamtkonzeption geplant werden, die dem gesamten Umfeld des Platzes – historisch und städ- tebaulich – gerecht wird. Dieser Ort kann daher nur öf- fentlich, demokratisch und vor allem bürgernah gestaltet werden. Nach meiner Auffassung widerspricht dies auch einer rein privaten Finanzierung. Dann wäre die Gefahr einer ausschließlich kommerziellen Nutzung viel zu groß. Die Expertenkommission „Historische Mitte Berlins“, die das Bundeskabinett bald einsetzen wird, wird darüber zu befinden haben, wie der Platz genutzt werden soll, wie welcher Bau auf der Kubatur des alten Schlosses ausse- hen kann und welche Finanzierungskonzepte möglich sind. Daneben soll ein städtebauliches Gesamtkonzept für die Umgebung erstellt werden. Diese Vorgehensweise halte ich für angemessen. Der Kommission soll deshalb auch genug Zeit für ihre Bera- tungen eingeräumt werden. Es wäre fatal, wenn aus Zeit- mangel oder wegen Zeitdrucks an dieser herausragenden Stelle in der Berliner Mitte etwas entstehen würde, das nicht im Geringsten der Bedeutung des Ortes gerecht würde. Wir dürfen uns bei der Gestaltung des Schlossplatzes nicht unter Druck setzen lassen. Wir haben es hier mit ei- nem politischen und kulturellen Raum im humboldt- schen Sinne zu tun, der die Elemente von Museumsinsel, Oper und Universität ergänzen muss. Der Aspekt der Zen- tralität dieses Ortes und die Einbeziehung dieser Idee müssen meiner Auffassung nach die bestimmenden Ele- mente bei der Gestaltung und Planung sein. Deshalb muss meiner Ansicht nach zuerst die Nutzung bestimmt werden, denn die Nutzung bestimmt auch die anschließende Architektur. Bei der Nutzung möchte die SPD-Fraktion eine vorwiegend öffentliche Nutzung errei- chen. Für die öffentliche Nutzung könnte zum Beispiel eine internationale Organisation, die den Gegensatz zwi- schen Ost und West verbindet und in die Zukunft weist, wie zum Beispiel die UNESCO, eine gute Institution sein. Ein anderer interessanter Vorschlag ist der von Profes- sor Lehmann gemachte, die Museumsinhalte aus Dahlem als Ergänzung zur Museumsinsel für die nichteuropäische Kulturgeschichte auf das Gelände in ein Nachfolgege- bäude des Schlosses unterzubringen. Dieses bedeutet aber, dass es öffentliche Nutzungen sind, die zum Teil auch durch die öffentliche Hand mitfinanziert werden. Interessant ist dabei auch die Auffassung von Professor Lehmahn, dass eben auch die Dahlemer Gebäude reno- vierungsbedürftig wären und der Mitfinanzierung bedürf- ten, sodass diese Gelder eingespart werden könnten und Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 127. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Oktober 200012292 (C) (D) (A) (B) als öffentliche Gelder mit in die Erstellung eines Gebäu- des im Schlossareal einfließen könnten. Die zweite Überlegung gilt der Gestaltung des Gebäu- des und der Frage der Einbeziehung der Volkskammer. Ich habe großen Respekt vor der Geschichte der Men- schen in der DDR und vor denkmalgeschützten Gebäude- teilen, die historische Bedeutung haben, nämlich des Volkskammersaals. So gehört der Volkskammersaal si- cherlich als ein Element mit in die Überlegung, ihn in ein wie auch immer gestaltetes Gebäude am Schlossplatz zu integrieren. Schwierigkeiten wird es sicherlich dabei ge- ben, die Kubatur des Schlosses zu erhalten und trotzdem den Volkskammersaal zu integrieren. Aber auch das ist si- cherlich architektonisch möglich, wie wir am Potsdamer Platz gesehen haben. Die dritte Frage, die sich dann stellt, ist: Soll es ein mo- dernes Gebäude oder der Wiederaufbau des Schlosses sein? Für beides gibt es gute Argumente, Ein Wiederauf- bau des Schlosses würde an die Tradition anschließen und würde das Ensemble der Museumsinsel, der Humboldt- Universität und der Oper ergänzen. Ein modernes Ge- bäude, das zukunftsweisend ist und sich vielleicht auch nicht architektonisch zum Beispiel an die Architektur des Potsdamer Platzes anschließt, sondern neue Wege geht, würde wiederum einen Blick in die Zukunft gestatten. Sozialdemokraten sind ja auch immer gut für Kompro- misse. Ich kann mir durchaus eine Kombination von bei- dem vorstellen: einen Teil des Schlosses im Bauhüttever- fahren aufzubauen, einen Teil mit der Integration des Volkskammersaales modern zu gestalten, also eine inno- vative Lösung für den Gesamtkomplex auf dem Schloss- areal zu finden. Wie gesagt, ich empfinde die Debatte heute nur als An- regung für die Arbeitsgruppe, für die Expertenkommis- sion, die jetzt eingerichtet werden soll. Sie wird begleitet werden von einer Moderatorengruppe, die Regierung und Parlamente der Bundesrepublik und des Landes Berlin vertritt. Wir werden in den Ausschüssen – und ich bin si- cher, dass das der Bauausschuss genauso machen wird wie der Ausschuss für Kultur und Medien – die oder den Vorsitzenden oder auch einzelne Mitglieder der Experten- kommission einladen, ihre Vorstellung und die Diskus- sion in der Expertengruppe zu hören und zu bewerten. Klar ist, dass sich das Parlament letztendlich hinterher ein eigenes Bild machen muss und entscheiden muss, wie auch immer die Vorschläge aus der Expertengruppe sein werden. In diesem Sinne werden wir auch die bestehen- den Anträge der F.D.P., der schon eingebracht ist, und der CDU diskutieren. Ansonsten warten wir gespannt auf die Arbeit der Kommission und die Dynamik, die sich durch die vielschichtigen Persönlichkeiten ergibt. Dr. Norbert Lammert (CDU/CSU): Der Wiederauf- bau des Berliner Stadtschlosses ist heute weder ab- schließend noch vom Bundestag allein zu entscheiden. Mit der Einsetzung einer gemeinsamen Expertenkommis- sion haben Bundesregierung und Berliner Senat aller- dings deutlich gemacht, dass für den Bund und die Haupt- stadt eine Entscheidung bedarf, die wegen vieler mit dem Stadtschloss direkt und indirekt verbundener Aspekte nicht beliebig ausgesetzt werden kann. Die CDU-Fraktion will mit ihrem Antrag ein Votum des Bundestages für den notwendigen Abstimmungs- und Entscheidungsprozess zwischen Bund und Berlin herbei- führen: Das Stadtschloss hat eine politische und historische Bedeutung, die über seine offensichtliche städtebauliche Relevanz hinausweist. Nur eine weitgehend öffentliche Nutzung des künftigen Gebäudes an dieser prominenten Stelle unbeschadet möglicher Beteiligung privater Inves- toren wird dieser überragenden Bedeutung gerecht. Eine kostenfreie Bereitstellung des Grundstückes durch den Bund kann nur unter der Bedingung des Nachweises einer solchen dauerhaften öffentlichen Nutzung erfolgen. Es gibt beachtliche Argumente für eine vorrangige Nutzung dieses Gebäudes auf diesem Gelände in unmittelbarer Nachbarschaft zur Museumsinsel zugunsten der außer- europäischen Sammlungen der Stiftung Preußischer Kul- turbesitz. Eine weitgehende Wiederherstellung der alten Fassaden sowie des Schlüter-Innenhofes des Stadtschlos- ses würde den historischen, städtebaulichen und funktio- nellen Verbund zur Museumsinsel besonders deutlich zum Ausdruck bringen. Der Beschluss des Bundestages soll zugleich eine Ori- entierung für die von Bund und Land eingesetzte Kom- mission sein, deren Beratungen und Vorschläge den Bun- destag in seiner abschließenden Meinungsbildung nicht präjudizieren können. Dr.-Ing. Dietmar Kansy (CDU/CSU): Es ist schon viel pro und contra Wiederaufbau des Berliner Stadt- schlosses gesagt und geschrieben worden, teils in Respekt vor der anderen Meinung, teils hochnäsig mit Unfehlbar- keitsanspruch, zum Beispiel Befürworter des Wiederauf- baus in die Walt-Disney-Welt stellend oder diejenigen mit Totschlagsargumenten wie „Bilderstürmer“ belegend, die der Wiederherstellung des Palastes der Republik skep- tisch gegenüberstehen. Deshalb meine erste Bitte: Sach- lichkeit in der Diskussion. Meine zweite Bitte geht an die Fachleute aus den Be- reichen Denkmalspflege Städtebau und Architektur. Natürlich braucht die Gesellschaft deren Rat; die zwi- schen der Bundesregierung und dem Berliner Senat ver- einbarte Bildung einer Expertenkommission zeigt dies ja deutlich. Dennoch sollte man die Meinung von Millionen Nichtfachleuten nicht einfach zur Seite schieben. Was für konservative Denkmalschützer – ich meine das hier nicht parteipolitisch – Todsünden sind, ist für viele Millionen Menschen ein Grund zur Freude, zum Beispiel das Kno- chenhauer-Amtshaus in Hildesheim, das schon völlig ver- schwunden war, die Wiederherstellung des städtebauli- chen Ensembles in Münster, das Leibnizhaus in Hannover, der Frankfurter Römer und – besser noch – das Goethehaus sowie vieles andere. Also messen wir uns beispielsweise beim Ringen um die Zukunft des Berliner Stadtschlosses an der Streitkul- tur von Goerd Peschken für und Wolfgang Pehen gegen Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 127. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Oktober 2000 12293 (C) (D) (A) (B) die Wiederherstellung des Schlosses in der ersten emoti- onsgeladenen Diskussionsrunde Anfang der 90er-Jahre. Die CDU/CSU-Fraktion plädiert in ihrem Antrag für den Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses, weil es nach unserer Auffassung zunächst einmal ein bedeutendes Zeugnis nicht nur der Berliner und der preußischen, son- dern auch der gesamten deutschen Geschichte ist. Dies mag in manchen deutschen „Political-correctness-Ohren“ vielleicht anstößig klingen. In Warschau war das nicht so und auch in Paris würde es nicht so sein. Insbesondere – aber nicht nur – ist festzustellen: Der städtebauliche Ideenwettbewerb „Spreeinsel“ hat gezeigt, dass bei allem Respekt vor moderner Stadtplanung und moderner Architektur die entsetzliche städtebauliche Wunde, die die Kommunisten 1950 zur Schaffung eines Paradeplatzes der Berliner Mitte schlugen, am besten durch die Kubatur des alten Schlosses geheilt werden kann. Dies bedeutet natürlich noch nicht automatisch Ar- chitektur des Schlosses. Aber bietet es sich nicht geradezu an, wenigstens die historischen Fassaden weitgehend wie- der herzustellen? Das klassische Berlin westlich des Stadtschlossareals ist doch in DDR-Zeiten im erheblichen Umfang rekon- struiert worden: Gendarmenmarkt, Forum Friedericia- num, Museumsinsel oder der Bereich Singakademie, Neue Wache und Zeughaus. Wie das Kronprinzenpalais, die Staatsoper oder die Hedwigskathedrale waren sie zwar im Gegensatz zum Stadtschloss nicht völlig aus dem Stadtbild verschwunden. Aber sind es nicht im Sinne kon- servativer Denkmalspflege auch „nur“ Kopien? Nachdem die Wiederherstellung der schinkelschen Bauakademie und des Kommandantenhauses dieses Ensemble komplet- tieren wird, ist zu fragen: Warum befürworten einige Kri- tiker des Stadtschlosswiederaufbaus den Wiederaufbau der Bauakademie, die auch völlig verschwunden war? Bleibt die Diskussion über die Nutzung oder, besser gesagt, über die Aufgabe. Da wird argumentiert, der Wie- deraufbau leite sich aus keiner realen Aufgabe her und sei auch deswegen abzulehnen. Für uns setzt der Wiederauf- bau ein Nutzungskonzept und eine gestalterische Lösung voraus, die der überragenden Bedeutung des Areals und dem großen öffentlichen Interesse an seiner Gestaltung gerecht wird. Finanzierungsmodelle unter wesentlicher Beteiligung privaten Engagements sind unverzichtbar, müssen aber eine maßgeblich öffentliche Nutzung er- möglichen, zum Beispiel – aber nicht zwangsläufig – ent- sprechend den Vorschlägen des Präsidenten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion erwartet von der Bundesregierung, jetzt endlich einen offiziellen Bericht über den aktuellen Stand der Gespräche und Verhandlun- gen, insbesondere im Hinblick auf die Expertenkommis- sion, vorzulegen. Diese Kommission wird zwar, wie schon gesagt, „nur“ beraten und nicht entscheiden; aber die Zusammensetzung dürfte doch das Ergebnis wesent- lich mitbestimmen! Deshalb meine dritte und letzte Bitte, diesmal an die Koalitionsfraktionen und an die Bundesre- gierung: Wenn Informationen zutreffen, dass für den Bund in dieser Kommission nicht nur zwei Bundesminis- ter und der sozialdemokratische Bundestagspräsident, sondern auch noch eine weitere Koalitionsabgeordnete vorgesehen sind, ist dies keine seriöse Behandlung der Opposition, die früher als Regierungsfraktion in allen ver- gleichbaren Fällen immer dafür gesorgt hat, dass mindes- tens ein Oppositionsabgeordneter – meistens war es Peter Conradi – beteiligt war. Denken Sie bitte noch einmal da- rüber nach, bevor Sie in Kürze darüber entscheiden wer- den. Franziska Eichstädt-Bohlig (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Bislang beschränkt sich die Diskussion über die Zukunft des Berliner Schlossplatzareals weitgehend auf die Erörterung der Frage, ob das Stadtschloss rekon- struiert oder der Palast der Republik erhalten werden soll. Die Verengung der Diskussion auf Gestaltungsfragen wird allerdings der Bedeutung dieses Areals als Aus- gangspunkt der historischen und städtebaulichen Ent- wicklung der Stadt nicht gerecht. Die Frage, welchen Stel- lenwert wir der Nutzung und Gestaltung der Berliner Mitte zukünftig zumessen wollen, aber auch die nach un- serem Umgang mit der deutschen Geschichte, dem kultu- rellem Erbe Preußens und der Geschichte der DDR, las- sen sich aber nicht allein mit Gestaltungsfragen beantworten. Von daher begrüßen wir die Entscheidung der Bundesregierung, eine Expertenkommission einzu- setzen, die Konzepte für die städtebauliche Entwicklung, Nutzung und Bebauung der historischen Mitte Berlins er- arbeiten soll – und zwar nicht nur für den Bereich von Pa- last und Schlossplatz, sondern auch für das gesamte Um- feld. Wir wünschen der Kommission viel Erfolg bei der Arbeit. Der Schlossplatz braucht eine Nutzung, die ihn zum zentralen öffentlichen Ort mit einer demokratischen, bür- gernahen Funktion macht. Es sollte ein Ort werden, der nicht nur Vergangenheit repräsentiert, sondern sich be- wusst der Lebenswelt des 21. Jahrhunderts öffnet. Der Vorschlag des Präsidenten der Stiftung Preußischer Kul- turbesitz, das Museum für außereuropäische Kunst am Schlossplatz anzusiedeln, findet unsere uneingeschränkte Zustimmung. Denkbar sind aber auch die Realisierung ei- ner modernen Bibliothek des Landes Berlin zusammen mit einem Medienkulturzentrum oder die Ansiedlung ei- ner hochrangigen europäischen Organisation als Zeichen der Integration von West- und Mittelosteuropa. Diese Vor- schläge sind geeignet, an diesem Ort Landes-, Bundes- und Europafunktionen gleichermaßen zur Geltung zu bringen. Der Schlossplatz muss ein öffentlicher Ort blei- ben. Er darf nicht privatisiert werden. Von einem Verkauf oder einer Überlassung der Grundstücke an Private halte ich von daher gar nichts. Wenn für die Nutzungsziele ein stimmiges Konzept er- arbeitet ist, kann auf tragfähiger Basis über die Gestaltung neu nachgedacht und ein Architekturwettbewerb durch- geführt werden. Dieser sollte ebenso offen sein für eine Modernisierung von Teilen des Palastes wie für eine Teil- rekonstruktion des Schlosses. Die vielen Entwürfe, die es bereits gibt, zeigen, dass die Gestaltung immer dann an Spannung gewinnt, wenn den Brüchen der Vergangenheit Reverenz erwiesen und gleichzeitig Raum für Zukunft geöffnet wird. Ich will der Arbeit der Schlossplatzkom- mission nicht vorgreifen: Aber ich denke, eine Architek- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 127. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Oktober 200012294 (C) (D) (A) (B) tur und eine Gestaltung des öffentlichen Raumes, der es gelingt, die preußische Geschichte und die DDR-Ge- schichte sichtbar werden zu lassen, ohne sie nur nachzu- bauen und die gleichzeitig eine neue, zeitgemäße Gestal- tung und Nutzung für diesen zentralen Ort der Stadt Berlin findet, ist eine Herausforderung, der sich Politik, Bürger und Architektur stellen sollten. Wenn Teile des Schlosses rekonstruiert werden sollen, dann muss sich unsere Gesellschaft – und insbesondere die Berliner Stadtgesellschaft – dieser schwierigen Auf- gabe in würdiger Weise stellen. Es darf nicht um auf Be- ton geschraubten Kulissenbau über der Tiefgarage gehen. Dann müssen nach dem Vorbild der Dresdner Frauenkir- che eine Stiftung gegründet werden und eine Bauhütte ge- gründet werden, die die verschüttete Baukultur und das verlernte Kunsthandwerk in seinen vielen Facetten neu belebt. Dafür müssen dann sicher auch in großem Umfang Spenden geworben werden, eine Art neues „Mäzenaten- tum“ begründet werden. Wir sollten es uns selbst nicht zu einfach machen – es geht nicht um Fassaden; es geht um eine lebendige und würdige Nutzung; es geht um eine Gestaltung, die der Ge- schichte des Ortes gerecht wird, ohne Brüche zu übertün- chen, und nicht zuletzt um Wege, wie sich die Stadtge- sellschaft diesen Ort wieder aneignet. Dr. Günter Rexrodt (F.D.P.): Die F.D.P.-Bundestags- fraktion begrüßt es außerordentlich, wenn sich die Kolle- gen von CDU/CSU unserem Antrag zum Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses heute offiziell anschließen. Sie alle wissen, dass der F.D.P.-Antrag zur Rekon- struktion des Hohenzollernschlosses schon seit dem Herbst des vergangenen Jahres dem Parlament bzw. dem Kulturausschuss zur Diskussion vorliegt. Seither ist leider so gut wie nichts geschehen. Zwar ha- ben mittlerweile Bündnis 90/Die Grünen in Gestalt Frau Vollmers in dankenswerter Weise das Vorhaben der Libe- ralen, die alte Mitte Berlins wiedererstehen zu lassen, be- fürwortet. Doch von der SPD-Fraktion ist nichts zu hören. Wie es diesem Kanzler und dieser Regierung eigen ist und ihr Tun hauptsächlich charakterisiert, hat Herr Schröder – im Schlepptau: Staatsminister Naumann – wieder einmal eine Kommission eingesetzt. Richtiger- weise müsste ich sagen: Er hat beschlossen, eine Kom- mission einzusetzen – und das übrigens bereits im Früh- jahr dieses Jahres. Die Umsetzung dieses Beschlusses steht allerdings noch aus. Das wenige, was man dazu aus dem Bundesbauminis- terium, das sich in dieser Angelegenheit als wenig koope- rativ erweist, hört, ist erschreckend: In nahezu entwürdi- gender Weise wird um die zu berufenden Personen politisch geschachert. Da soll beispielsweise die Frauen- quote wichtiger sein als Sachkenntnis. Da werden Namen von Personen in den Medien genannt, die zuvor überhaupt nicht gefragt worden sind und deshalb jetzt dankend ab- lehnen. Ich frage hier öffentlich: Ist das Verzö- gerungstaktik oder Dilettantismus? Die F.D.P.-Bundestagsfraktion war von Anfang an ge- gen die Berufung dieser Kommission. Sie ist weder sinn- voll noch zielführend. Denn am Ende wird sie weder das Recht noch die Pflicht haben, die Entscheidung über den Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses zu treffen. Diese Entscheidung ist einzig und allein Sache des Parla- ments. Sie, meine Damen und Herrn auf den Regierungs- bänken, können eine Kommission nach der anderen ein- setzen. Das Entscheidungsrecht werden Sie deshalb nicht an sich ziehen können. In dieser so wichtigen Frage müs- sen die Abgeordneten selbst Farbe bekennen. Denn es geht um nicht weniger als um ein Bekenntnis des Deut- schen Bundestages zur deutschen Geschichte im Be- wusstsein der Herausforderung der Zukunft. Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung von Vorschriften über die Tätigkeit der Wirtschaftsprüfer (Wirtschaftsprüferord- nungs-Änderungsgesetz – WPOÄG) (Zusatzta- gesordnungspunkt 13) Dr. Rainer Wend (SPD): Wir beraten heute über das Gesetz zur Änderung von Vorschriften über die Tätigkeit der Wirtschaftsprüfer, das nicht nur von den Fachverbän- den begrüßt wurde, sondern auch im Ausschuss für Wirt- schaft und Technologie einstimmig beschlossen wurde. Damit tragen wir der Internationalisierung der Märkte in sinnvoller Weise Rechnung und etablieren internationale Standards. Insgesamt wurde die Wirtschaftsprüferord- nung durchforstet, um sie an die Erfordernisse einer sich verändernden Realität anzupassen. Zudem bedarf die Ein- führung des Euro einer Regelung. Kernpunkt des Änderungsgesetzes ist die dringend notwendige Sicherung von Qualitätsstandards deutscher Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, um die internationale Konkurrenzfähigkeit dieser Gesellschaften noch weiter zu stärken. Die Internationalisierung der Märkte macht auch und gerade vor den Wirtschaftsprüfern in Deutsch- land nicht Halt. Qualitätssicherung ist hier ein wichtiges Stichwort. In den USAbereits seit Jahren praktiziert, wur- den ähnliche Instrumente auch in vielen europäischen Ländern bereits etabliert. In Deutschland fehlte bisher ein adäquates Instrument. Im Rahmen der Verflechtung der Kapitalmärkte ist die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaftsprüfergesellschaften immer un- erlässlicher. Mit dem vorliegenden Gesetz wird das Berufsrecht der Wirtschaftsprüfer und der vereidigten Buchprüfer in die- sem Sinne weiterentwickelt. So wird eine obligatorische Qualitätskontrolle für alle Berufsangehörigen eingeführt, die gesetzliche Abschlussprüfungen durchführen. Die vorgesehene externe Qualitätskontrolle, die so genannte Peer Review, basiert auf der regelmäßig, alle drei Jahre durchgeführten Kontrolle der Praxis durch einen anderen, unabhängigen Wirtschaftsprüfer. Bei Beanstandungen kann zukünftig ein Qualitätskontrollbeirat der Wirt- schaftsprüferkammer Maßnahmen ergreifen, wie zum Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 127. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Oktober 2000 12295 (C) (D) (A) (B) Beispiel Sonderprüfungen. Dies Vorgehen entspricht in- ternationalen Standards und erhöht damit die Konkur- renzfähigkeit der deutschen Wirtschaftsprüfergesell- schaften deutlich. Um die Notwendigkeit der Anpassung an internatio- nale Gegebenheiten nochmals zu verdeutlichen: Auch deutsche Unternehmen nutzen zunehmend Finanzierungs- möglichkeiten internationaler, insbesondere US-amerika- nischer Kapitalmärkte. Die amerikanische Börsenaufsicht akzeptiert aber Abschlussprüfer nur dann, wenn sie an ei- nem anerkannten System der Qualitätskontrolle teilneh- men. Das hat bisher durchaus zu Problemen für deutsche Wirtschaftsprüfergesellschaften geführt. Nicht wenige haben Klienten an größere Gesellschaften, die internatio- nale Standards adaptiert hatten, verloren. Die Novelle soll auch einen Beitrag zur Verschlankung der staatlichen Verwaltung leisten. Bürokratie soll, wo sinnvoll, abgebaut werden. Das Gesetz sieht dementspre- chend eine Übertragung von Zulassungsaufgaben sowie die Aufsicht über die Berufsangehörigen und Berufsge- sellschaften von den obersten Landesbehörden auf die Wirtschaftsprüferkammer vor. Hierdurch wird ein Beitrag zum Abbau von Bürokratie und zur Straffung von Ver- waltungsverfahren geleistet. Doppelzuständigkeiten ent- fallen. Zeitgleich bedeutet die Verantwortungsübergabe an die Selbstverwaltungsorgane der Wirtschaftsprüfer eine Stärkung ihrer Stellung. Nach dem Grundsatz der Verantwortungsdelegation sollen die Länder die Möglich- keit haben, für sich Regelungen zu finden, die im Ein- klang mit ihren Verwaltungsmodernisierungen stehen; denn auch hier soll der sinnvolle Abbau von Bürokratie unterstützt werden, um Spielraum für moderne, flexiblere Verwaltungsapparate zu lassen. Zusammenfassend sei festgestellt, dass eine längst überfällige Reform des Berufsrechts der Wirtschaftsprü- fer von der neuen Koalition endlich angepackt wurde. Wir freuen uns über die Unterstützung der Oppositionspar- teien und sind überzeugt, dass wir damit einen wichtigen Berufsstand unseres Landes in einer globalisierten Wirt- schaft deutlich gestärkt haben. Hartmut Schauerte (CDU/CSU): Der vorliegende Gesetzentwurf soll das Berufsrecht der Wirtschaftsprüfer und der vereidigten Buchprüfer an die Veränderungen im beruflichen Umfeld anpassen. Die massiven und schnel- len Veränderungen in der Wirtschaft in Zeiten der Globa- lisierung machen dies erforderlich. Oberstes Ziel muss dabei sein, die Qualität der Berufsausübung und die Wett- bewerbsfähigkeit des Berufsstandes zu erhalten und wei- ter zu stärken. Dies wird durch die Einführung einer Qua- litätskontrolle, wie es sie seit vielen Jahren in den USA und zwischenzeitlich auch in den meisten europäischen Staaten gibt, erreicht. Die beim Vollzug der Wirtschaftsprüferordnung beste- henden Doppelzuständigkeiten von obersten Landes- behörden für Wirtschaft und der Wirtschaftsprüferkam- mern werden beseitigt und das Verwaltungsverfahren vereinfacht. Als Beitrag zur Entbürokratisierung ist dies ein begrüßenswerter Ansatz. Der Gesetzentwurf wurde im Bund-Länder-Ausschuss „Wirtschaftliches Prüfungs- und Beratungswesen“ ohne Differenzpunkte beraten. Der Bundesrat hat die Bundes- regierung aufgefordert, auch im Hinblick auf das genos- senschaftliche Prüfungssystem eine obligatorische Kon- trolle einzuführen. Hierzu laufen bereits konsensuale Gespräche zwischen dem Bundesministerium der Justiz und dem Genossenschaftsverband, sodass diese Punkte im Zuge der Novelle des Genossenschaftsgesetzes umge- setzt werden können. Die Haltung der Betroffenen zum vorliegenden Ge- setzentwurf ist eindeutig: Die Berufsverbände und die Wirtschaftsprüferkammer sind mit einer berufsständi- schen gegenüber einer staatlichen Qualitätskontrolle ein- verstanden. Das neue System stärkt das Vertrauen der Öf- fentlichkeit in ihre Arbeit. Die Übertragung der Zuständigkeit für die Bestellung von Wirtschaftsprüfern und der Aner- kennung von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften auf die Kammer entspricht ebenfalls einem bereits seit langem geäußerten Wunsch. Die Einführung der obligatorischen Qualitätskontrolle im Rahmen dieser 4. WPO-Novelle ist aus wirtschaftspo- litischer Sicht dringend geboten gewesen. Die rasante Globalisierung der Wirtschaft und die damit einherge- hende Internationalisierung des Prüfungsmarktes erzeu- gen einen Harmonisierungsdruck hin zu international gül- tigen Qualitätsstandards für Prüfungsgesellschaften, denen sich Deutschland nicht länger entziehen konnte. Die amerikanischen Börsen verlangen von den bei ihnen notierten Unternehmen ein entsprechendes System der Qualitätskontrolle. Ohne es können deutsche Unterneh- men die Möglichkeiten der Kapitalbeschaffung auf den US-Finanzmärkten schwerer nutzen. Der internationale Berufsverband und nicht zuletzt die entsprechenden Gre- mien der Europäischen Kommission drängen seit langem darauf. Die Union begrüßt daher ausdrücklich den vorlie- genden Gesetzentwurf als Beitrag zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands. Abschließend einige kritische Anmerkungen zum Ge- setzgebungsverfahren in Richtung der Regierungskoali- tion; dies ist gerade vor dem Hintergrund eines übergrei- fenden fachlichen Konsenses in der Sache selbst aus unserer Sicht ärgerlich und unschön. Ich meine dabei nicht redaktionelle Änderungen, für die wir alle vollstes Verständnis haben. Es stimmt aber bedenklich, wenn die rot-grüne Fraktion im Stile einer Überrumpelungstaktik durch plötzliche Tischvorlagen im Wirtschaftsausschuss Änderungen herbeiführt, mit denen sie im Vorfeld auf Länderseite mehrfach gescheitert ist. Ich meine die Dele- gationsermächtigung. Dieses alleinige Anliegen des Lan- des Nordrhein-Westfalen ist zuvor in allen Gremien stets zurückgewiesen worden, zuletzt im Wirtschaftsausschuss des Bundesrates. Zur Begründung wurde jeweils ange- führt, dass die Frage einer Delegation der Prüfungszu- ständigkeit zusammen mit der Neuordnung der Wirt- schaftsprüferprüfung in einer 5. WPO-Novelle geregelt und die gegenwärtige Novelle nicht mit dieser strittigen Frage belastet werden sollte. Das Inkrafttreten der 4. WPO-Novelle, das wegen der Einführung des Peer Re- view eilbedürftig ist, sollte im Hinblick auf eventuelle Einwendungen des Bundesrates in dieser Frage nicht ver- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 127. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Oktober 200012296 (C) (D) (A) (B) zögert werden. Schließlich wendet sich auch der Berufs- stand, also Wirtschaftsprüferkammer und IDW, bisher massiv gegen die Delegationsklausel. Nun ist diese Än- derung doch noch durch taktisches Spiel gegen den er- klärten Willen des Berufsstandes und ohne eingehende Diskussion quasi hinter unserem Rücken erfolgt, mit dem sich wohl erfüllenden Kalkül, dass die Länder deshalb jetzt nicht noch den Vermittlungsausschuss anrufen wer- den. Auch die in einem Schnellschuss eines Kollegen der SPD-Fraktion fast eingebrachte 16-Stunden-Regelung stieß nur bei einem Teil des Berufsstandes auf Zustim- mung und ist nun wieder vom Tisch. Das hat uns bei ei- nem eilbedürftigen Gesetz zwei Wochen Verzögerung ge- kostet. Dies ist unnötig und vermeidbar. Ein solches Vorgehen ist ein unschöner Beigeschmack, auf den wir gerne verzichtet hätten. Mehr Geradlinigkeit, einen aus- reichenden Vorlauf bei substanziellen Änderungsanträgen und rechtzeitige fachliche Klärung mit den Betroffenen auch in Einzelfragen würden wir in Zukunft sehr be- grüßen. Dem Gesetzentwurf der Bundesregierung in der Fas- sung der vorgelegten Änderungsanträge der Koalitions- fraktionen stimmen wir zu. Margareta Wolf (Frankfurt) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Mit dem hier zur Beratung vorliegenden Ge- setz zur Änderung von Vorschriften über die Tätigkeit der Wirtschaftsprüfer erhöhen wir die Qualität der Berufsaus- übung und stärken das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Arbeit der Wirtschaftsprüfer. Wir verfolgen dabei insbesondere folgende drei Ziele: Erstens: Verbesserung des Systems der Qualitätskon- trolle vor dem Hintergrund der Diskussion über eine ver- besserte Unternehmensaufsicht, der so genannten Cor- porate Governance. Die Rolle der Wirtschaftsprüfer im Fall Holzmann macht die Notwendigkeit einer weiteren Reform deutlich. Zweitens: Angleichung an die Vorschriften der USA, um Wettbewerbsnachteile deutscher Wirtschaftsprüfer aufzuheben. Die rasche Einführung einer Qualitätskon- trolle ist notwendig, denn deutsche Unternehmen nutzen zunehmend die Finanzierungsmöglichkeiten internatio- naler, vor allem US-amerikanischer, Kapitalmärkte. Ab- schlussprüfer werden beispielsweise von der amerikani- schen Börsenaufsichtsbehörde aber nur dann akzeptiert, wenn sie an einem anerkannten System der Qualitäts- kontrolle teilnehmen. Drittens: Straffung des Vollzugs der Wirtschaftsprüfer- ordnung zwischen Landesbehörden und Kammern. Die herausragendste Änderung ist die Einführung einer externen Qualitätskontrolle. Wirtschaftsprüfer, die ge- setzliche Abschlussprüfungen durchführen, müssen nun ihre Praxis alle drei Jahre durch einen anderen unab- hängigen Wirtschaftsprüfer prüfen lassen. Dieses ist die so genannte Peer Review. Bei Beanstandungen kann ein Qualitätskontrollbeirat der Wirtschaftsprüferkammer Maßnahmen ergreifen, beispielsweise eine Sonderprü- fung anordnen oder Auflagen zur Mängelbeseitigung er- teilen. Das Gesetz sieht ferner die Übertragung von Zu- lassungsaufgaben von den obersten Landesbehörden auf die Wirtschaftsprüferkammer vor. Hierdurch werden Ver- waltungsverfahren gestrafft und ein Beitrag zum Abbau von Bürokratie geleistet. Die einstimmige Zustimmung aller Parteien im Aus- schuss beweist die Richtigkeit dieses Gesetzesvorhabens. Trotzdem gibt es noch viel zu tun. Es bedarf in Bezug auf die Zielsetzung der Verbesserung der Corporate Gover- nance noch weiterer Änderungen, die im Rahmen der Kommission „Corporate Government“ beim Kanzleramt diskutiert werden müssen. Hier gibt es beispielsweise Forderungen, eine nach britischem Vorbild vom Peer-Re- view-System getrennte Instanz – ein so genanntes Board – einzurichten, die sich in Trägerschaft der Wirt- schaftsprüferkammer befindet und durch Berufsange- hörige und sachverständige Dritte besetzt sein und auf Antrag oder bei öffentlicher Diskussion tätig werden sollte. Nicht zuletzt der Fall Holzmann hat deutlich gemacht: Die Corporate Governance, die Unternehmensaufsicht, in Deutschland ist nicht ausreichend. Im Rahmen der Cor- porate Governance haben die Wirtschaftsprüfer eine wichtige Funktion. Von ihrer Arbeit hängt beispielweise die Wirksamkeit der Arbeit des Aufsichtsrates ab. Die Einfluss- und Kontrollmöglichkeiten von Aufsichtsräten sind bisher aber zu gering und wurden in einzelnen Fällen sträflich vernachlässigt. Um die Kontrollmöglichkeiten zu verbessern, sind einschneidende Änderungen erforder- lich, denn die Forderungen nach ausreichender Kontrolle durch Aufsichtsrat und Hauptversammlung sind wesentli- che Voraussetzungen für die Schaffung einer neuen Akti- enkultur in Deutschland. Anleger müssen sich an den Wertpapiermärkten in einem fairen, sicheren und durch- schaubaren Umfeld engagieren können. Unter dem Druck der internationalen Kapitalmärkte müssen deutsche Un- ternehmen die Qualität ihrer Corporate Governance, das Zusammenspiel von Gesetzen, Verordnungen und freiwil- ligen Praktiken, verbessern. Wirksame Corporate Governance zeichnet sich aus durch Transparenz über wichtige Finanz- und Betriebs- informationen, den Schutz und die Durchsetzbarkeit der Rechte aller Shareholder und Aufsichtsgremien, die fähig sind, Unternehmensstrategien ebenso wie wichtige Ge- schäftspläne und -entscheidungen unabhängig zu ge- nehmigen, Gremien, die weiter in der Lage sind, das nach objektiven Kriterien ausgewählte Management selbst- ständig einzustellen, dessen Performance und Integrität zu überwachen und allenfalls die Mitglieder der Unter- nehmensleitung zu ersetzen. Zweifellos stehen das Ver- trauen der Arbeitnehmer und der Investoren sowie der Ruf der einzelnen Unternehmen in engem Zusammenhang mit den Corporate-Governance-Praktiken. Ebenso wichtig für das Vertrauen der Investoren in die Aktienmärkte, auf denen sich die Unternehmen mit Kapi- tal versorgen, ist jedoch die Qualität des wirtschaftlichen und politischen Umfeldes und das im jeweiligen Land üb- liche Regelwerk der Corporate Governance. Verbesserte Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 127. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Oktober 2000 12297 (C) (D) (A) (B) Corporate Governance in Deutschland schafft die Vo- raussetzungen zum Erhalt von Arbeitsplätzen im welt- weiten Wettbewerb durch eine Stärkung des Vertrauens der Investoren, Förderung der Kapitalbildung und der Entwicklung aktiver Aktienmärkte sowie Erleichterung des Zugangs der Unternehmen zu Kapital zu weltweit wettbewerbsfähigen Bedingungen. Rainer Funke (F.D.P.): Der vorliegende Entwurf des Wirtschaftsprüfer-Änderungsgesetzes beweist einmal wieder, dass auch Gesetze wie guter Wein reifen müssen. Als wir noch zu den Beratungen des KonTraG einen Peer- review vorsehen wollten, wurde dies von den Berufsver- bänden der Wirtschaftsprüfer entschieden abgelehnt, weil sie der Auffassung waren, dass durch interne Qualitäts- sicherungen der Wirtschaftsprüfergesellschaften eine ausreichende Qualitätskontrolle gesichert werden könne. Ich war schon damals sehr skeptisch, aber solche Bestim- mungen der Qualitätssicherungen gegen den Berufsstand durchzusetzen, ist auch nicht hilfreich. Ich begrüße es da- her sehr, dass die Wirtschaftsprüferverbände inzwischen dem vorliegenden Gesetz zustimmen. Zwischenzeitlich hat sich auch international die Erkenntnis durchgesetzt, dass die traditionellen Qualitätssicherungsmaßnahmen durch eine externe Qualitätskontrolle zu ergänzen sind. Ich begrüße auch, dass die Qualitätskontrolle durch die Wirtschaftsprüferkammern vorgenommen wird, dies ent- spricht unseren grundsätzlichen Bemühungen, das Subsi- diaritätsprinzip einzuhalten. Damit zeigen auch die freien Berufe, insbesondere in ihren verkammerten Bereich, dass sie ihre eigenen Angelegenheiten auch in die eigenen Hände nehmen können. Der Staat soll nur das an Aufga- ben übernehmen, was die Kammern nicht erledigen kön- nen. Mit dieser Qualitätskontrolle wird man sicherlich präventiv viel erreichen können. Aber sicherlich nicht, dass Insolvenzen und betrügerische Bilanzmanipulatio- nen verschwinden. Zur Aufdeckung solcher Manipulatio- nen muss auch wegen der Globalisierung unserer Wirt- schaft das Auge des eigentlichen Wirtschaftsprüfers noch stärker geschärft werden, deswegen muss das Ziel für den wirtschaftsprüfenden Bereich die erstklassige Ausbildung und die ständige Fortbildung der Wirtschaftsprüfer sein. Nur so werden wir auch weltweit einen angesehenen Stan- dard halten können. Rolf Kutzmutz (PDS): Die PDS stimmt dem Gesetz- entwurf insbesondere aus vier Gründen zu: Erstens. Erstmals wird in Deutschland die externe „Qualitätsprüfung“ von Wirtschaftsprüfern vorgeschrie- ben – in der EU gab es das ansonsten nur noch in Öster- reich nicht. Zweitens. Diese Qualitätsprüfung – ebenso wie nun auch die Zulassungsprüfung – wird zumindest mittelfris- tig den bestehenden Wirtschaftsprüferkammern adminis- trativ zugeordnet. Drittens. Die Transparenz des Berufsregisters wird ver- bessert, indem dort mehr aussagefähige Angaben zu den Wirtschaftsprüfern als bisher aufgenommen werden. Viertens. Das Berufsrecht soll in aus unserer Sicht durchaus sinnvoller Weise gelockert werden, indem Rechtsanwälte qua Gesetz – bisher mit Ausnahmegeneh- migung – Chefs von Wirtschaftsprüfungsfirmen sein dürfen, ausländische Rechts-/Patentanwälte und Steuer- berater mit Ausnahmegenehmigung Chefs von Wirt- schaftsprüfungsfirmen sein sollen, ausländische Wirt- schaftsprüfer etc. Gesellschafter in deutschen Firmen werden können. Insbesondere die beiden erstgenannten Ziele korres- pondieren mit PDS-Grundpositionen: Eine externe Qua- litätsprüfung – wenngleich sie zunächst nur für Prüfer börsennotierter Unternehmen bindend sein soll – er- scheint angesichts der Vielzahl auch für die öffentliche Hand teuren Wirtschaftsskandale – von Vulkan bis Holz- mann –, an denen stets falsche oder zumindest missver- ständliche Testate von Wirtschaftsprüfern beteiligt waren, überfällig. Ob sich die vorgesehene Lösung bewährt, kann natürlich erst die Praxis zeigen. Das Prüfinstrumentarium über die Kammern erscheint keineswegs missbrauchsan- fälliger, als es zum Beispiel eine Prüfung durch staatliche Stellen wäre. Zugleich wird damit der aus unserer Sicht richtige Weg fortgesetzt, Aufgaben in die Hände der Selbstverwaltungsorganisation der Betroffenen zu legen und damit auch die Legitimität von Pflichtmitglied- schafts-Organisationen der Wirtschaft zu stärken. Gleichzeitig möchten wir der Bundesregierung ans Herz legen, den Vorschlag des Bundesrates bald umzuset- zen, auch für genossenschaftliche Wirtschaftsprüfungs- verbände ein System obligatorischer Qualitätskontrolle einzuführen. Schließlich ist es in der Wirkung nun egal, wo ein Wirtschaftsprüfer angebunden ist, wenn er „pfuscht“. Siegmar Mosdorf, Parl. Staatssekretär beim Bundes- minister für Wirtschaft und Technologie: Die Bundesre- gierung hat am 12. April dieses Jahres das Gesetz zur Än- derung von Vorschriften über die Tätigkeit der Wirtschaftsprüfer beschlossen, mit dem entscheidende Weichen für die Zukunftsfähigkeit des Berufsstands ge- stellt werden. Wesentliche Neuerung ist die Einführung einer obliga- torischen Qualitätskontrolle für alle Wirtschaftsprüfer, die die gesetzlich vorgeschriebene Abschlussprüfung durch- führen. Das neue System, das internationalem Standard voll entspricht, wird die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaftsprüfer und das Vertrauen der Öffentlich- keit in ihre Arbeit stärken. Wie sehr wir mit diesem Gesetz am Puls der Zeit liegen, zeigt die überwältigende Zustimmung, die der Gesetzent- wurf über alle Parteigrenzen hinweg im Wirtschaftsaus- schuss erfahren hat. Kernstück des Gesetzentwurfs ist die Einführung einer externen Qualitätskontrolle für Wirtschaftsprüfer und ver- eidigte Buchprüfer, die den internationalen Anforderun- gen entspricht. Bereits 1997/98 bei den Beratungen zum Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unterneh- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 127. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Oktober 200012298 (C) (D) (A) (B) mensbereich war diese Forderung vereinzelt erhoben, von der damaligen Regierung aber nicht aufgegriffen worden. Heute sind wir uns in allen Parteien, aber auch mit dem Berufsstand und den Ländern einig, dass es dieser Ergän- zung des Berufsrechts dringend bedarf, und zwar zu- nächst, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Berufsstands und der Wirtschaft insgesamt zu sichern. In vielen westlichen Industrienationen sind in den letz- ten Jahren Systeme einer externen Qualitätskontrolle für Wirtschaftsprüfer eingeführt worden. Die wichtigen ame- rikanischen Börsen schreiben mittlerweile vor, dass der Abschlussprüfer eines bei ihnen notierten Unternehmens einem entsprechenden System der Qualitätskontrolle un- terliegen muss. Damit deutsche Unternehmen die Mög- lichkeiten der Kapitalbeschaffung in den USA nutzen können, ist die Einführung der Qualitätskontrolle erfor- derlich. Auch die Europäische Kommission ist der Auffassung, dass eine Qualitätskontrolle bei Wirtschaftsprüfern der Sicherung einer hochwertigen Berufsausübung dient. Sie wird daher in Kürze den Mitgliedstaaten die zügige Ein- führung derartiger Konzepte empfehlen und schließt mit- telfristig den Erlass einer entsprechenden Richtlinie nicht mehr aus. Mit unserer Initiative greifen wir diese Ent- wicklungen frühzeitig auf. Die Qualitätskontrolle wird aber auch dazu beitragen, das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Arbeit der Wirt- schaftsprüfer zu festigen. Sie ist ein erster und wichtiger Schritt zur Verbesserung der Unternehmenskontrolle. Darüber hinaus hat der Bundeskanzler zu Fragen der Corporate Governance eine hochrangige Expertenkom- mission berufen, die ein umfassendes Konzept vorlegen soll. Hierzu werden bald konkrete Vorschläge vorliegen, die dann von der Bundesregierung zu bewerten und gege- benenfalls umzusetzen sind. In das neue System der Qualitätskontrolle werden alle Wirtschaftsprüfer einbezogen, die gesetzliche Abschluss- prüfungen durchführen. Die Einbeziehung aller gesetzli- chen Abschlussprüfungen in die Qualitätskontrolle ist aus Sicht der Bundesregierung erforderlich, um die Wettbe- werbsfähigkeit, gerade des Mittelstandes, zu erhalten. Um den Wirtschaftsprüfungspraxen die notwendige Umstellung zu ermöglichen, erfolgt die Einführung in mehreren Stufen: Praxen mit börsennotierten Mandanten müssen eine erste Prüfung bis Ende 2002 durchgeführt haben. Für alle anderen Praxen besteht eine Über- gangsfrist bis Ende 2005. Parallel dazu steht die freiwil- lige Teilnahme am System jedem Berufsangehörigen of- fen. Zwei weitere wichtige Neuerungen des Gesetz- entwurfs möchte ich noch kurz erwähnen: zum einen die Übertragung von Aufgaben im Bereich der Berufszulas- sung von den Landesbehörden auf die Wirtschaftsprüfer- kammer. Derzeit bestehen bei der Bestellung von Wirt- schaftsprüfern und der Anerkennung von Wirtschaftsprü- fungsgesellschaften sowie bei ihrer Überwachung paral- lele Zuständigkeiten von Landesministerien und der Wirtschaftsprüferkammer. Die Straffung des Verwaltungs- verfahrens und die Übertragung von Aufgaben werden zu einer erheblichen Entlastung bei der Landesverwaltung führen und bedeuten einen weiteren Schritt zum Abbau von Bürokratie. Dies liegt auf der Linie des kürzlich von Bundestag und Bundesrat beschlossenen 7. Steuerberatungsänderungs- gesetzes, mit dem ebenfalls Aufgaben der Berufszulas- sung auf Selbstverwaltungsorgane übertragen wurden. Zum anderen haben die Bundestagsausschüsse be- schlossen, die praktischen Ausbildungszeiten zum Wirt- schaftsprüfer um ein Jahr zu verkürzen. Die Bundesregie- rung begrüßt dies ausdrücklich. Mit dieser Straffung der Ausbildungsdauer wird ein wesentliches Hindernis bei der Gewinnung von Nachwuchs im Berufsstand beseitigt. Zudem wird damit – unter Wahrung des hohen Qualitäts- niveaus der Ausbildung – eine Angleichung der Ausbil- dungsdauer an das international übliche Maß erreicht. Auch dies wird die Position der deutschen Wirtschafts- prüfungsgesellschaften im internationalen Wettbewerb festigen. Die Förderung der internationalen Wettbewerbsfähig- keit, die Sicherung eines hohen Qualitätsniveaus und die Stärkung der Selbstverwaltung sind für mich Kernbe- standteile einer innovativen Mittelstands- und Freiberufs- politik. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf sind wir auf einem guten Weg. Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Ziele für die Qua- litätssteigerung in der Diabetes-Versorgung (Ta- gesordnungspunkt 16) Horst Schmidbauer (Nürnberg) (SPD): Es ist heut- zutage selten, dass man für ein gesundheitspolitisches Projekt Lob bekommt. Es ist noch seltener, dass man für das gleiche Projekt Lob von allen Seiten erhält. Umso be- dauerlicher ist es, dass in der parlamentarischen Arbeit der Stellenwert des Zukunftsprojektes Diabetes noch nicht so erkannt worden ist. Dies sieht man an dem zweistelligen Tagesordnungspunkt. Umso beachtlicher ist es, wenn der wissenschaftliche Leiter des Deutschen Diabetes-Forschungszentrums, der Vertreter der St.-Vincent-Initiative der WHO und der In- ternationalen Diabetes-Federation, die ja Laien mit einschließt, Herr Prof. Dr. Werner Scherbaum, mir und der SPD gratuliert, dass es zu dem Projekt gekommen ist, dieses Papier aufzustellen, das er mit allem Nachdruck von fachlich-inhaltlicher Seite unterstützt. Noch gewich- tiger ist das Lob aus dem Kreis der Betroffenen, von dem stellvertretenden Vorsitzenden der größten deutschen Be- troffenenorganisation, dem Deutschen Diabetiker-Bund, Volker Krempel, der die Initiative nicht nur befürwortet, sondern nachdrücklich unterstützt. Aber nicht nur Ärzteschaft und Betroffene sehen das so, auch aus dem Kreis der gesetzlichen Krankenversi- cherung äußert sich Herr Dr. Rolf Hoberg, der stellvertre- tende Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes: Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 127. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Oktober 2000 12299 (C) (D) (A) (B) Wir stehen jetzt vor dem Durchbruch. Darum begrüßen wir diese Initiative sehr, die hier von der SPD und von Herrn Schmidbauer ergriffen worden ist, dass wir hin- kommen zu einer leitlinienorientierten Versorgung von Diabeteskranken, und dieses flächendeckend. Ich zitiere auch Prof. Dr. Karl Lauterbach, Mitglied des Sachverständigenrates des BMG: Der Sachverständigen- rat begrüßt ausdrücklich die heute vorgetragene Initiative. Sie entspricht Forderungen, die vom Sachverständigenrat immer wieder gestellt werden, die aber bisher trotz stän- diger Wiederholungen wenig – in den letzten zehn Jahren im Prinzip – Beachtung gefunden haben. Dies betrifft zum einen die Definition ganz konkreter Versorgungs- ziele, indikationsspezifischer, konkreter Versorgungs- ziele, wie es hier geleistet wird. Zum Zweiten wird von uns die leitlinienkonforme Therapie gefordert. Evidenz- basierte Leitlinien sollen im Vordergrund stehen, weil de- ren Wirksamkeit für die Verbesserung der Versorgung be- legt ist. Das Lob tut gut, aber entscheidend ist das Ziel, das wir mit der Qualitätssteigerung in der Diabetes-Versorgung erreichen wollen und erreichen werden. Mit dem auf die- sen Zielen aufbauenden Nationalen Aktionsplan Diabetes wollen wir ein rasches Ende der Leidensgeschichte von Diabetikern erreichen. Ich sage deswegen „Leidensge- schichte“, weil wir heute wissen, dass die durchschnittli- che Lebenserwartung von nicht gut eingestellten oder nicht eingestellten oder behandelten Diabetikerinnen und Diabetikern rund sieben Jahre niedriger ist. Mit den „Zielen für die Qualitätssteigerung in der Dia- betes-Versorgung“ wollen wir einen doppelten Paradig- menwechsel in Deutschland einleiten. Es ist ein doppelter Paradigmenwechsel, weil erstmals durch den Bundestag für eine Gruppe chronisch Kranker ein Rechtsanspruch auf eine patientenorientierte und qualitätsgesicherte Ver- sorgung eingefordert wird. Diesen Stellenwert haben die 6 Millionen Betroffenen verdient, die Betroffenen der größten Volkskrankheit. Ich gehe davon aus, dass der Bundestag einhellig für diesen Rechtsanspruch auf eine patientenorientierte, qualitätsgesicherte Versorgung für chronisch kranke Menschen votiert. Der zweite Paradigmenwechsel, den wir damit in Deutschland einleiten, ist, dass der Bundestag erstmals in seiner Geschichte ein gesundheitspolitisches Ziel festlegt. Ein vorrangiges gesundheitspolitisches Ziel wird die Qualitätssteigerung in der Diabetes-Versorgung sein. Da- mit wird der Diabetes eine Pionierrolle bei der Versorgung chronisch kranker Menschen eingeräumt. Wenn dieses Zukunftsprojekt, dieser Nationale Akti- onsplan Diabetes, für die Betroffenen in die Tat umgesetzt wird, dann wird das eine Vorbildfunktion auch für andere Gruppen chronisch Kranker in der Bevölkerung haben. Die Zeit der bekennenden Sprechblasen zum Problem der Volkskrankheiten ist nicht mehr gefragt. Gefragt ist kon- kretes und verbindliches Handeln im Interesse 6 Milli- onen betroffener Bürgerinnen und Bürger. Die Ernsthaf- tigkeit unseres Zukunftsprojektes wird in der Koalition durch entsprechend verbindliches Handeln unterlegt oder bestätigt. Es genügt nicht, alleine ein Gesundheitsziel, ein vorrangiges Gesundheitsziel im Bundestag festzulegen. Das wird nur dann glaubwürdig, wenn damit verbindli- ches Handeln der Verantwortlichen und der Betroffenen verbunden wird. Ich möchte unser Zukunftsprojekt anhand von vier Punkten beschreiben. Erstens. Die klare Zielvorgabe wird Bestandteil der Beschlussfassung des Deutschen Bundestages. Dieses Ziel orientiert sich an der St.-Vincent-Deklaration, die elf Jahre alt ist. Die darin enthaltenen Ziele sind die Amputa- tionsrate bei Diabetes-Kranken um die Hälfte zu reduzie- ren, die Erblindungen um ein Drittel zurückzuführen, Nierenversagen um ein Drittel zu reduzieren – um nur ei- nige der wichtigsten Ziele zu nennen. Zweitens. Der Plan sorgt für die Bündelung, das Zu- sammenführen von Fachleuten und aller Kräfte. Im Ge- gensatz zu der Versorgungslage bei den Betroffenen ist die wissenschaftliche Basis in Deutschland sehr gut. Wir können im internationalen Konzert sehr gut mitspielen. Deswegen können wir auf einem profunden Fachwissen aufbauen. Diese Fülle von Fachwissen gilt es, jetzt zu- sammenzufassen, zu bewerten und daraus ein ganzheitli- ches Konzept zu machen. Deshalb ist es wichtig, dass eine Bündelung dieser Kräfte stattfindet und dass wir das Ver- zetteln, das Nebeneinanderher-Arbeiten in verschiedenen Aufgabenfeldern überwinden. Drittens. Dazu brauchen wir eine Moderatorenrolle, die Moderatorenrolle der Bundesregierung. Es freut mich ganz besonders, dass Frau Bundesministerin Andrea Fischer und auch Frau Staatssekretärin Christa Nickels aktiv die Rolle der Moderation in dieser Aufgabe über- nehmen. Diese Moderatorenrolle der Bundesregierung wird von allen Beteiligten gewünscht, weil ohne sie das Ziel nicht oder nur schwer erreichbar ist. Wir bedürfen also einer Moderationsaufgabe. Ohne diese Moderation werden wir in Deutschland nicht den Erfolg haben. Der vierte Punkt könnte überschrieben werden mit: „Glaubwürdigkeit durch klare Terminvorgaben“. Mit dem Antrag wird klar vorgegeben, welche Schritte bis zu welchem Zeitpunkt zu geschehen haben: Bis Ende 2000 ist eine Kommission mit medizinischem Fachpersonal, Vertretern der Kostenträger, der Selbsthilfegruppen und Patientenverbände einzusetzen, deren Aufgabe es ist, die Ziele des Programms zu erarbeiten und deren weitere Umsetzung zu begleiten. Bis Anfang 2001 sollen die Rah- menbedingungen für eine verbesserte Diabetiker-Ver- sorgung auf dem Tisch liegen. Dabei geht es auch um eine einheitliche Dokumentation. Bis Mitte 2001 wird von der Kommission ein Bericht mit Versorgungszielen und Vorschlägen für notwendige Gesetzesänderungen er- wartet. Bis Ende 2001 soll der Medizinische Dienst der Spitzenverbände ein weiteres Kompetenz-Evaluations- zentrum schaffen, das die Rahmenbedingungen für die Versorgungsqualität weiterentwickelt und Struktur- forschung veranlasst. Bis Ende 2002 soll unter Modera- tion der Bundesregierung in Zusammenarbeit mit allen Beteiligten im Gesundheitswesen ein Maßnahmenkatalog erarbeitet und dem Bundestag als Basis für einen Na- tionalen Aktionsplan Diabetes vorgelegt werden. Die Verbindlichkeit müssen wir auf alle Fälle gewährleisten, Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 127. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Oktober 200012300 (C) (D) (A) (B) sonst wird aus dem Zukunftsprojekt nicht die geforderte Realität. Wir wissen, was in Deutschland für Diabetiker notwendig ist, um gleiche Lebenserwartung und gleiche Lebensqualität zu erreichen. Wir haben in Deutschland viele große und kleine Inseln, wo es in der Zwischenzeit eine zielorientierte qualitätsgesicherte Versorgung gibt oder in nächster Zeit geben kann. Wir haben uns in Deutschland genügend Kenntnisse und Qualifikationen durch wissenschaftliche Arbeiten und erfolgreiche Mo- dellvorhaben erarbeitet und erworben. Wir können auf dieser Basis unseres Zukunftsprojektes sehr gut aufset- zen. Die Versorgung nach Wohnortprinzip hat keine Zukunft. Deshalb muss die Diabetes-Versorgung zu der flächendeckenden Regelversorgung werden. Sollte es jetzt immer noch jemanden geben, der die Dramatik des Versorgungsauftrages nicht sieht, sollte dieser zum Abschluss unter dem Licht der aktuellen Daten seinen Offenbarungseid leisten. Das sind Daten, die jeden Verantwortlichen aufschrecken lassen: Die Schlaganfall- rate bei Diabetikern ist doppelt so hoch, zwei von drei Amputationen sind diabetesbedingt, 40 Prozent der Dia- lysezugänge kommen aus dem Diabetikerbereich, 30 Prozent aller Neuerblindungen, also jede dritte Neuerblindung, sind diabetesbedingt. Wenn wir für diesen Zustand der Reparatur von Fol- gekrankheiten rund 20 Milliarden DM im Jahr ausgeben, können Sie sich denken, was wir damit alles an Präven- tion machen könnten. Es ist eigentlich gerade zu him- melschreiend, dass wir wahnsinnige Beträge dafür aus- geben, dass die Betroffenen in ein dunkles Loch fallen und dann irgendwo und irgendwann aus diesem Loch wieder herausgezogen werden müssen. Deshalb will ich abschließend auf den großen Wert der Prävention hin- weisen. Wir haben eine Steigerung der Kosten und des Leids, des menschlichen Leids durch Diabetes zu erwarten, weil die Alterskohorte der von Diabetes Betroffenen wächst und weil auch die Risikofaktoren steigen, insbesondere das Übergewicht und die Bewegungsarmut. Wir müssen davon ausgehen, dass sich in den nächsten 30 Jahren, wenn nichts unternommen wird, die Zahl der Diabetiker verdoppeln wird. Allerdings ist diese Verdoppelung nicht schicksalsgegeben, sondern kann vermieden werden. Würden wir jetzt systematisch in die Prävention in- vestieren, könnten wir die Kosten nicht nur stabilisieren, sondern möglicherweise sogar senken. Es ist also aus meiner Sicht notwendig, jetzt in die Prävention zu in- vestieren, um in zehn Jahren – gute Präventionspro- gramme brauchen so viel Vorlaufzeit – entsprechend die Früchte zu ernten und eine Stabilisierung der so genann- ten Neuerkrankungen an Diabetes zu bewirken. Mit Hilfe der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung und durch die Selbsthilfeorganisationen und -gruppen, die durch das Gesundheitsreformgesetz finanziell gefördert werden, müssen wir allen Menschen mit Diabetes klar- machen, dass sie die Verantwortung für ihre Therapie in die eigenen Hände nehmen müssen und ihre Verantwor- tung nicht quasi mit der Chipkarte an der Theke beim Arzt abgeben können. Wir sind zuversichtlich, dass die heute vorgelegte Initiative die Rahmenbedingungen für eine Quali- tätsverbesserung in der Diabetes-Versorgung verändern und ein Umdenken in den Köpfen bewirken wird. Wir verpflichten uns, im Interesse der Betroffenen und ihrer Angehörigen jetzt die richtigen Schritte einzuleiten. Wir wollen heute mit unserem Antrag „Ziele für die, Qual- itätssteigerung in der Diabetes-Versorgung“ vor dem Weltdiabetestag am 14. November dieses Zeichen setzen. Es schafft Glaubwürdigkeit, wenn dieser mit der Regie- rung abgestimmte Antrag – parallel zur Schirmherrschaft von Frau Bundesministerin Fischer am 14. November in Berlin – vom Bundestag beschlossen wird. Ich möchte an die Kolleginnen und Kollegen der an- deren Fraktionen appellieren: Helfen Sie mit, dass die Fol- gen der Volkskrankheit Diabetes nicht weiter auf dem Rücken der Betroffenen ausgetragen werden. Das Zukunfts- projekt Diabetes verlangt keine parteipolitischen Brillen. Dr. Harald Kahl (CDU/CSU): Der Diabetes mellitus, die Zuckerkrankheit, und die damit in Zusammenhang stehenden Folgeerkrankungen stellen angesichts ihrer Häufigkeit eine Volkskrankheit dar, die zu einer empfind- lichen Reduzierung von Leistungsfähigkeit und Lebens- erwartung der Betroffenen führen kann. Nicht selten sind Herzinfarkte, Nierenversagen oder Erblindung die dra- matischen Folgen dieser Erkrankung. Allein in Deutsch- land geht man von geschätzten 5 Millionen Menschen mit Diabetes aus, deren Behandlung circa 10 Prozent der Ge- samtausgaben für das Gesundheitswesen ausmacht. Da- mit werden die gesetzlichen Krankenversicherungen und unsere Volkswirtschaft insgesamt enorm belastet. Initiiert durch die europäische Sektion der WHO und die Internationale Diabetes Federation wurde deshalb be- reits im Jahre 1989 im italienischen St.Vincent durch Ärzte, Wissenschaftler, Politiker und Menschen mit Dia- betes ein wichtiger Anstoß zur besseren medizinischen Betreuung von Diabetikern gegeben. Die so genannte St. Vincent-Deklaration setzte dabei europaweit so ehr- geizige Ziele wie „Reduzierung der Anzahl an Amputa- tionen, Erblindung und Nierenversagen“ um jeweils ein Drittel durch ein Bündel von qualitätssichernden Maß- nahmen fest. Eben dieses Maßnahmepaket findet sich zum großen Teil im Antrag der SPD und Bündnis 90/Die Grünen wieder, den wir hier beraten. Wenn die Koalition heute beklagt, die alte Bundesregierung habe bei der Um- setzung der Deklaration versagt, so verschweigt sie, dass bisher kein europäisches Land diese Ziele erreicht hat. Das macht deutlich, dass dieses Problem nicht kurzfristig und schon gar nicht allein von der Politik gelöst werden kann. In Deutschland ist es originäre Aufgabe der Selbst- verwaltung und der Länder, Prävention, Diagnostik und Therapie in einem Bündel qualitätssichernder Maßnah- men umzusetzen. Im Sinne einer integrierten Versorgung von Diabetikern ist das nur unter Einbeziehung der Hausärzte, der ambulanten Schwerpunktpraxen stationä- rer Einrichtungen, Krankenkassen und nicht zuletzt unter besonderer Einbeziehung der Diabetiker selbst zu leisten. Als beispielgebend kann auf diesem Gebiet der Frei- staat Thüringen angesehen werden. Bereits 1995 wurden Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 127. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Oktober 2000 12301 (C) (D) (A) (B) aufbauend auf den epidemiologischen Erkenntnissen der früher in der ehemaligen DDR praktizierten Dispen- saire – Betreuung von Diabetikern neue Wege der Be- handlung eingeschlagen. Im April 1998 wurde letztlich ein Vertragswerk der AOK und der Kassenärztlichen Ver- einigung Thüringens unter finanzieller Beteiligung der al- ten Bundesregierung als Modellvorhaben abgeschlossen. So sorgen heute in Thüringen landesweit erfahrene Dia- betikologen in derzeit 35 ambulanten Schwerpunktpraxen gemeinsam mit über 200 Hausärzten sowie mit diabetolo- gisch spezialisierten Kliniken und Rehabilitationszentren für eine qualitativ hochwertige Versorgung von Patienten mit Diabetes mellitus. Charakteristisch hierfür sind Be- handlungskorridore zwischen Hausarzt und Schwer- punktpraxis, die nach Qualitätskriterien regeln, wann ein Patient vom Hausarzt an die Schwerpunktpraxis und von da aus wieder zurück an den Hausarzt überwiesen wird. Als Grundlage für eine wissenschaftlich fundierte Do- kumentation über den Umfang der Behandlung dient hierzu der Diabetes-Pass der Deutschen Diabetesgesell- schaft. Besondere Bedeutung kommt dabei dem Qua- litätsmanagement zu. Behandlungsziele werden dabei mit den Behandlungsergebnissen verglichen und wissen- schaftlich vom Institut für medizinische Informatik und Biometrie der TU Dresden kontrolliert und evaluiert. Ein ganz wesentliches Element des Modellvorhabens ist eine Ziel-Anreizvergütung. Dabei ist eine Zusatzver- gütung der am System beteiligten Leistungserbringer an die Erfüllung von Versorgungs- und Schulungsaufträgen sowie an die Vollständigkeit der entsprechenden Doku- mentation gebunden. Hiermit wird eine Vergütungsge- rechtigkeit erzielt, die sich nicht an der Menge, sondern an der Qualität der erbrachten Leistung orientiert. Ein ent- scheidender Qualitätssprung konnte auch bei der Erbrin- gung von Schulungsleistungen erzielt werden. Prävention und Aufklärung spielen hierbei eine entscheidende Rolle. Landesweit sind allein 40 regionale Selbsthilfegruppen tätig und sowohl 1990 als auch im Jahre 2000 konnten mit dem Infomobil „Diabetes und Hochdruck“ in insgesamt 90 Orten wichtige Informationen zur Gestaltung gesund- heitsbewussten Verhaltens und über die Risikofaktoren Übergewicht und Bewegungsarmut vermittelt werden. Das Thüringer Beispiel steht jedoch nicht allein. Ähn- lich erfolgreiche Programme sind bereits im Freistaat Bayern, in Baden-Württemberg und in anderen Bundes- ländern angelaufen. Wir brauchen also in Deutschland keine neue Kommission, die Versorgungsziele definiert. Es ist vielmehr Aufgabe der Länder, diese positiven Er- fahrungen gemeinsam mit der Selbstverwaltung umzuset- zen. Wir brauchen keine neuen zentralistischen Vorgaben, sondern Freiräume für die Selbstverwaltung. Deshalb sollte sich der Antrag auch an die Akteure richten, die diese Forderung konkret umsetzen müssen, und er sollte die Frage beantworten, wer das Ganze eigentlich bezahlt. Die Tatsache, dass die Regierungskoalition erst zwei Jahre nach der Regierungsübernahme durch Rot-Grün diesen Antrag einbringt, macht deutlich, dass sie selber nicht an erfolgversprechende Eingriffsmöglichkeiten des Bundes glaubt. Warum sonst das lange Warten? Man ge- winnt vielmehr den Eindruck, dass nichts anderes als blin- der Aktionismus hierbei die Feder geführt hat und damit der Öffentlichkeit angesichts des bevorstehenden Welt- diabetestages das besondere Engagement von Rot-Grün für eine bessere Betreuung von Diabetikern vorgegaukelt werden soll. Gerade die chronische Krankheit Diabetes mellitus ist ein Beispiel dafür, wie durch ein effektives Zusammen- wirken aller Leistungserbringer die Zahl der stationär zu behandelnden Diabetesfälle signifikant gesenkt und einer ambulanten Behandlung zugeführt werden kann. Das kann jedoch nur dann funktionieren, wenn das Geld auch der Leistung folgt und Vergütungsstrukturen geschaffen werden, die Qualität mit finanziellen Anreizen belohnen. Es ist ein Irrglaube, wenn man einerseits meint, eine im- mer bessere Betreuungsqualität unter anderem auch mit der Einbeziehung der Fußpflege, mit mehr Schulung und Information der Patientinnen und Patienten zu erreichen, wenn man andererseits mit der Budgetierung immer mehr finanzielle Hürden dafür aufbaut. Das Ergebnis ist eine Rationierung von Leistung gerade bei chronisch Kranken. Bezeichnenderweise steht in dem Antrag kein Wort zur Finanzierung der durchaus wünschenswerten Aufgaben. Dabei ist es unstrittig, dass eine qualitativ höherwertige Versorgung primär erst einmal mehr Geld kostet, zum Beispiel durch mehr Prävention, durch umfangreichere und qualitativ verbesserte Diagnosen und Therapien. Es ist aber auch unstrittig, dass dieses zusätzliche Geld, wenn es zeitig genug ausgegeben wird, ein großes Einsparpo- tenzial beinhaltet, weil Krankheitsverläufe und Folgeer- krankungen vermieden oder aber gemindert werden. Ein Budget verhindert das nicht nur, sondern trägt – wie viele Beispiele in den letzten Tagen zeigen – zu einer Rationie- rung und damit Verschlechterung der medizinischen Ver- sorgung chronisch Kranker bei. Wer heute Diabetikern sogar die Erstattung der so wichtigen Blutzuckerselbst- kontrolle mittels Teststreifen nicht mehr gewährt, kann nicht für sich in Anspruch nehmen, Sachwalter der Pro- bleme von Diabetikern zu sein. Und wer den Patientinnen und Patienten glaubhaft ma- chen will, dass sie in Zukunft eine hoch qualifizierte Ver- sorgung unter einem gedeckelten Budget erwarten kön- nen, belügt sie damit nicht nur, sondern koppelt das deutsche Gesundheitswesen von der internationalen Ent- wicklung ab. Detlef Parr (F.D.P.):Der Antrag der SPD und der Grü- nen zur Qualitätsverbesserung in der Diabetes-Versor- gung beleuchtet ein wichtiges Thema, das eine ein- gehende Diskussion verdient. Im Jahre 1998 waren 4,1 Millionen Diabetiker in Deutschland behandlungsbe- dürftig, mit steigender Tendenz. Die Gesamtkosten der Versorgung betragen dabei pro Jahr nach Schätzungen etwa 15 bis 25 Milliarden DM. Manche Experten spre- chen sogar von 30 Milliarden DM. Das verdeutlicht die fi- nanzielle Dimension, die dieses Thema neben der menschlichen Dimension für die Betroffenen hat. Ich teile allerdings nicht den Grundtenor des Antrages, dass in den letzten Jahren nichts geschehen sei. Zahlrei- che Projekte und Ansätze sind entstanden, die dazu bei- tragen, die Situation der Diabetiker zu verbessern. Es gibt Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 127. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Oktober 200012302 (C) (D) (A) (B) heute etwa 1 500 Diabetologen in Deutschland. Ihre Zahl ist von 1993 bis 1998 um jährlich 60 Prozent gestiegen. Die Diabetes-Gesellschaft hat regelungsbedürftige Ver- tragsinhalte von Diabetesvereinbarungen herausgegeben, die eine gute Grundlage für Vereinbarungen der Kosten- träger mit den Ärzten darstellen. In München ist man im städtischen Krankenhaus Schwabing unter der Leitung des Diabetologen und Chefarztes Professor Eberhard Standel jetzt neue Wege in Richtung teilstationärer Ver- sorgung gegangen. Entstanden ist eine spezielle Tag- Nacht-Klinik, die die Zeit, die Diabetespatienten ande- renfalls im Krankenhaus liegen müssten, fast um die Hälfte verringert. Tagespatienten schlafen daheim und kommen nach dem Frühstück fünf Tage lang in die Klinik bis zum späten Nachmittag. Umgekehrt gehen Nachtpati- enten nachmittags bis nach dem Frühstück am folgenden Tag in die Klinik. Die Barmer-Ersatzkasse hat mit der KV-Westfalen-Lippe einen Diabetesvertrag geschlossen, der eine ergebnisorientierte Vergütung vorsieht. In Wolfs- burg gab es ein Modellprojekt zwischen der BKK-Volks- wagen und der Kassenärztlichen Vereinigung Nieder- sachsen zur Früherkennung von Folgeschäden bei Patienten mit Diabetes mellitus. Dieser „Diabetes-TÜV“ ist bei Ärzten und Patienten auf große Resonanz gestoßen. Bereits im Jahre 1997 haben die Ersatzkassenverbände und die Kassenärztliche Bundesvereinigung eine Diabe- tesvereinbarung geschlossen, die insbesondere auch die Diabetikerschulung in den Vordergrund stellt. Die Liste der Vereinbarungen könnte ich noch deutlich verlängern. Allerdings, auch das muss man zugeben, ist aus diesen hoffnungsvollen Ansätzen bisher keine umfassende, flächendeckende Optimierung der Versorgung geworden. Die Zahl der Amputationen ist mit ca. 25 000 pro Jahr viel zu hoch. Mit 4 00 Patienten jährlich ist die Zahl derjeni- gen, bei denen mit der Dialyse begonnen werden muss, ebenfalls erschreckend hoch. Gleiches gilt für die Rate von 7 000 Diabetikern, die jährlich erblinden. Ihren An- trag begreifen wir deshalb als Herausforderung, uns im Gesundheitsausschuss eingehend damit zu beschäftigen, wo heute noch im Einzelnen die Defizite liegen und wie man sie in den Griff bekommen kann. Katrin-Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Trotz medizinischer Behandlungsmöglich- keiten bedeutet die Erkrankung an Diabetes eine erhebli- che Einschränkung der Lebensqualität. Obwohl die Leis- tungsfähigkeit eines Diabetikers gleich der eines Gesunden ist, erfordert ein Leben mit Diabetes viel Dis- ziplin und eine gute und richtige medizinische Behand- lung. Diabetes ist bisher nicht heilbar, Ärzte können den Menschen mit medizinischen Mitteln eine höhere Le- bensqualität geben und Spätfolgen oder zu befürchtende Komplikationen lindern. Optimal werden die mehr als 4 Millionen Diabetiker hierzulande nicht behandelt. Eine bundesweite Untersuchung hat gezeigt, dass bei circa 40 Prozent der über 50-jährigen Diabetiker die Stoff- wechseleinstellung nicht akzeptabel ist, ein Grund, warum es zu Diabetes-Folgeerkrankungen wie Erblinden, Nierenversagen und Amputationen kommt. Nach wie vor betreffen seit 1990 zwei Drittel aller in Deutschland durchgeführten Amputationen Diabetiker, jeder zweite neudialysierte Patient und jeder dritte Neuerblindete ist ein Diabetiker. Nur durch eine rechtzeitige und intensive Betreuung der Patienten kann dieser Missstand behoben werden. Die Versorgung der heute rund 4 Millionen an Diabetes erkrankten Menschen in der Bundesrepublik hat sich unter der alten Bundesregierung nicht verbessert, sondern im Gegenteil eher verschlechtert. Die Diskrepanz zwischen den neuen medizinisch- wissenschaftlichen Kenntnissen und deren Umsetzung in der Praxis ist weiter gewachsen. In den Niederlanden sind aufgrund einer besseren Diabetesbehandlung nur 13 Pro- zent der Dialysen durch Diabetes bedingt. Auch die bis- her größte Studie zu Diabetes, die Ende 1998 veröffent- lichte United Kingdom Prospective Diabetes Study (UKPDS) bietet den Beleg, dass Diabetesfolge- erkrankungen verhindert werden können, je intensiver Diabetiker behandelt werden. Sie gibt die absolute Ge- wissheit, dass eine strenge Blutzucker- und Blutdruck- kontrolle das Risiko diabetischer Folgeerkrankungen ver- mindert. Britische Wissenschaftler haben rund 20 Jahre lang mehrere tausend Diabetiker mit verschiedenen The- rapieformen behandelt und den unterschiedlichen Erfolg dokumentiert. Dieses weist darauf hin, dass die Diabe- testherapie in der Bundesrepublik Deutschland dem aktu- ellen medizinischen Wissen hinterherhinkt und eine aus- reichende sachgerechte Versorgung nicht gewährleistet ist. Das ist nicht nur verantwortungslos gegenüber den Kranken, sondern auch unvertretbar im Hinblick auf die unnötig hohen Ausgaben für die Krankenkassen. Eine mangelhafte Versorgung führt zu höheren Kosten, die – wie eine bereits im Jahr 1979 in Schweden vorgelegte Studie zeigt – bei früh erkannten und gut eingestellten Diabetikern nur einen Bruchteil betragen würden. Ob- wohl dies schon lange bekannt ist, hat die alte Bundesre- gierung nicht gehandelt. Sie trägt damit die Verantwor- tung für eine nicht ausreichende Versorgung von Diabetes-Patienten. Vielleicht hätten einige Folgeerkran- kungen verhindert werden können. Ich möchte eigentlich nicht mit den unnötig verursach- ten Kosten argumentieren, die ein unzureichend oder schlecht behandelter Patient verursacht. Denn es geht hier um Menschen, die schlicht „besser“ und unter Umständen auch länger leben können mit der geeigneten medizini- schen Versorgung. Aber lassen sie mich an einem Beispiel verdeutlichen, wie sinnvoll es ist, in einer frühen Phase der Erkrankung in eine intensive Behandlung zu investie- ren. Die Kosten für einen gut eingestellten Typ II Diabe- tiker betragen 1 000 bis 1 200 DM, während ein schlecht eingestellter Diabetiker vom Typ II 11 000 bis 13 500 DM an Kosten verursacht. Von den Kosten für Folgeerkran- kungen sei hier noch abstrahiert. An diesem Beispiel wird sichtbar: Steigerungen der Qualität gehen oft mit lang- fristigen Kostensenkungen einher. Deshalb beschreiten wir diesen Weg schon seit der Gesundheitsreform 2000. Die gesundheitspolitische Bedeutung von Diabetes ist enorm. Mit mehr als 4 Millionen Erkrankten ist Diabetes zu einer Volkskrankheit geworden. Die Wahrscheinlich- keit, an Diabetes zu erkranken, ist damit insgesamt hoch und nimmt mit steigendem Alter rapide zu. Frauen sind im Übrigen besonders von dieser Krankheit betroffen. Die Tatsache, dass unsere Gesellschaft altert, zeigt, dass die Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 127. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Oktober 2000 12303 (C) (D) (A) (B) Bedeutung dieser Krankheit in Zukunft noch weiter zu- nehmen wird. Wir haben bereits mit der Gesundheitsreform 2000 we- sentliche Schritte unternommen, um die Versorgung von chronisch Kranken wie Diabetespatienten zu verbessern, zum Beispiel mit der Aufnahme der Patientenschulung als ergänzende Leistung zur Rehabilitation, mit den Rege- lungen für eine integrierte Versorgung und mit der Ein- führung von Qualitätssicherungsmaßnahmen. Wir fordern in unserem Antrag, dass die Verbesserung der Diabetes-Versorgung von der Bundesregierung als vorrangiges Gesundheitsziel erklärt wird und konkrete Versorgungsziele definiert werden gemäß der St. Vicent- Deklaration von 1989, die bis 2005 umgesetzt werden soll. Die Ziele orientieren sich an der Vermeidung der Fol- geerkrankungen. Zur Umsetzung dieser Ziele soll daher bis Ende 2000 eine Kommission eingesetzt werden, die einen konkreten Maßnahmenkatalog als Basis zum „Na- tionalen Aktionsplan Diabetes“ bis Ende 2002 erarbeiten soll. Wir werden an der Kommission medizinisches Fach- personal aus dem Bereich der Diabetesbehandlung, Ver- treter der Kostenträger, der Selbsthilfegruppen und der Patientenverbände beteiligen. Die neu zu schaffende Kommission fordern wir auf, bis spätestens 2001 einen Bericht über den anzustrebenden Versorgungszustand vorzulegen. Wir haben bereits mit der Gesundheitsreform 2000 mit dem § 43 Abs. 3 SGB V einen erweiterten rechtlichen Rahmen für die Krankenkassen geschaffen, Patienten- schulungsmaßnahmen bedarfsgerecht anzubieten. Wir wollen daher auf die Krankenkassen einwirken, diese Schulungen auch tatsächlich anzubieten. Diese Schu- lungsangebote, die den Umgang mit der Krankheit und das Wissen darüber vermitteln, tragen wesentlich zu einer besseren Bewältigung der Krankheit und damit zu einer höheren Lebensqualität des Kranken bei. Wir wollen ferner, dass auf die Selbstverwaltung von Ärzten und Krankenkassen eingewirkt wird, damit die Fußpflege für Diabetiker in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen aufgenommen wird. Der mit der Gesundheitsreform eingeschlagene Weg der integrierten Versorgung ist auch hier fruchtbar. Wir wollen dafür sorgen, dass innerhalb einer integrierten Ver- sorgung von Haus- und Fachärzten sowie Kliniken auch zum Beispiel medizinische Fußpfleger oder Ernährungs- berater miteinander kooperieren und so eine bessere Ver- sorgung von Diabeteskranken und eine bessere Präven- tion von Folgekrankheiten stattfinden kann. Der häufigen Forderung von Diabetikerverbänden, dass der Staat eine Diabetes-Kampagne startet, tragen wir mit unserem Antrag Rechnung. Sofern die dazu benö- tigten Haushaltsmittel bereitgestellt werden können, wol- len wir eine breit angelegte Aufklärung starten. Eine Auf- klärungskampagne macht Sinn, denn für die Entstehung von Diabetes mellitus Typ II, die so genannte Altersdia- betes, sind zum Teil vermeidbare Risikofaktoren aus- schlaggebend: Neben der erblichen Vorbelastung stehen vor allem Übergewicht und Bewegungsmangel im Vordergrund. Auf Ärzte und Krankenkassen soll einge- wirkt werden, die medizinische Fußpflege für Diabetiker in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkasse aufzunehmen. Eine Verbesserung der Diabetes-Versorgung ist längst überfällig. Im Sinne der Patienten bitte ich Sie daher, die- sem Antrag zuzustimmen. Dr. Ruth Fuchs (PDS): Der Antrag der Koalitions- fraktionen zielt auf die Verbesserung der gesundheitlichen Versorgung diabeteskranker Menschen und verdient nach unserer Auffassung in seinen Grundintensionen volle Un- terstützung. Ich sage dies auch in Kenntnis des Gesund- heitswesens der DDR, in dem es gerade für die Diabetiker eine qualitativ hoch entwickelte Betreuung gab. Sie wäre nicht denkbar gewesen, ohne klar definierte gesundheits- politische Ziele und ohne ein gut koordiniertes und ge- steuertes Handeln aller Akteure. Die Zuckerkrankheit ist seit längerem in den ent- wickelten Ländern eines der großen gesundheitlichen Probleme und besonders in den höheren Altersgruppen sind wachsende Anteile der Bevölkerung betroffen. Eine Besonderheit besteht darin, dass Diabetes zwar nicht heil- bar, aber im Gegensatz zu anderen chronischen Krank- heiten sehr erfolgreich behandelbar ist. Akut auftretende und oft lebensbedrohliche Komplikationen durch ent- gleiste Blutzuckerwerte lassen sich heute durch engma- schige diagnostische Kontrollen sowie gute therapeuti- sche Führung weitgehend vermeiden. Ebenso wichtig sind intensive Schulungsmaßnahmen für die Patienten, mit deren Hilfe das erforderliche Ernährungsverhalten und der richtige Umgang mit Medikamenten vermittelt wird. Selten ist gutes Selbstmanagement der Patienten so bedeutsam, wie bei der Zuckerkrankheit. Aber auch die gefürchteten Folgeerkrankungen, die im Ergebnis fortschreitender Gefäß- und Nervenschädigun- gen vor allem zu Erblindungen, Nierenversagen und erns- ten Herz-Kreislauf-Komplikationen führen, können heute durch sorgfältige Stoffelwechseleinstellung, Blutdruck- kontrollen und anderes mehr zum großen Teil vermieden bzw. zeitlich weit hinausgeschoben werden. Allerdings gelingt es bisher im eigenen Lande nicht ausreichend, die vorhandenen medizinischen Möglich- keiten und die gute infrastrukturelle Basis unseres Ge- sundheitssystems so zur Wirkung zu bringen, dass für die Patienten eine höchstmögliche Behandlungsqualität re- sultiert. Noch immer werden Krankheiten zu häufig nicht rechtzeitig erkannt und Patienten nicht engmaschig be- treut. Vor allem aber mangelt es am Wichtigsten: An einer bewusst organisierten und reibungslosen Kooperation zwischen Hausärzten und diabetologisch spezialisierten Ärztinnen und Ärzten. Wie kann also die Diskrepanz zwischen möglicher und tatsächlicher Qualität der Versorgung flächendeckend überwunden werden und was kann die Politik dazu bei- tragen? Der zur Debatte stehende Antrag ist bestrebt da- rauf Antworten zu geben und schon das halten wir für ver- dienstvoll. Will man wirklich weiterkommen, muss man unseres Erachtens allerdings die Ursachen für die bestehenden Defizite klarer benennen. Expertenmeinungen, Studien, Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 127. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Oktober 200012304 (C) (D) (A) (B) aber auch Erfahrungen aus Modellprojekten verweisen immer wieder auf ein gleiches Ergebnis: Bei isoliert ar- beitenden Einzelpraxen, Einzelleistungsvergütung, zu- nehmenden innerärztlichen Verteilungskämpfen und da- mit verbundener Sorge, Patienten durch Überweisung zu verlieren, sind es die Strukturen und Anreize des Versor- gungssystems, die die notwendige, auf gemeinsame Ziele gerichtete kooperative Arbeit beeinträchtigen. Im Gegensatz zur Bewertung im vorliegenden Antrag hat hier auch die Gesundheitsreform 2000 keineswegs günstigere Voraussetzungen geschaffen. Im Gegenteil: Zurzeit erleben wir vorwiegend negative Wirkungen auch auf die Versorgungsqualität der Diabetiker. Gerade weil bei ihnen oft mehrere Krankheiten gleichzeitig vorliegen, stößt ihre Behandlung unter den gegebenen Budgets nicht selten auf finanzielle Grenzen. Unserer Meinung nach ist damit ein Grundproblem des Antrages angesprochen. Letztlich zielt er darauf, zeit- gemäße medizinische Arbeitsformen in einem Versor- gungssystem zu verankern, dessen grundlegende Struktu- ren darauf nicht nur nicht vorbereitet sind, sondern ihnen häufig entgegenstehen. Auch am Beispiel der Diabetiker-Versorgung bestätigt sich: Für notwendige Verbesserungen sind weiter rei- chende Strukturreformen im Gesundheitswesen erforder- lich. Zum anderen benötigen Ärzte und Patienten finanzi- elle Rahmenbedingungen, die für alle eine Behandlung entsprechend dem heutigen medizinischen Erkenntnis- stand und unabhängig vom Geldbeutel ermöglichen. Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der EU-Richtlinie über das Folge- recht des Urhebers des Originals eines Kunst- werkes (Folgerechtsanpassungsgesetz) (Tages- ordnungspunkt 23) Dirk Manzewski (SPD): Am heutigen Tag debattieren wir hier im Deutschen Bundestag über den Entwurf eines so genannten Folgerechtsanpassungsgesetzes, den die Fraktion der FDP eingebracht hat. Bei dem Thema „Folgerecht“ handelt es sich um eine urheberrechtliche Spezialproblematik. Gegenstand des in § 26 Urhebergesetz normierten Folgerechts ist es, dass der Urheber einen Anteil des Veräußerungserlöses erhalten muss, wenn das Original seines Werkes durch einen Kunsthändler, Versteigerer, Erwerber, Veräußerer oder Vermittler veräußert wird. Diese Regelung dient der Stär- kung der Rechtsposition der Urheber. Ein solcher wie im deutschen Recht ausgestalteter urheberrechtlicher An- spruch existiert in den anderen europäischen Ländern nicht überall. Zu Recht weist der Gesetzesentwurf der F.D.P. deshalb darauf hin, dass es hierdurch in der Ver- gangenheit im Kunsthandel zu erheblichen Wettbewerbs- verzerrungen in Europa – vor allem zum Nachteil Deutschlands – gekommen ist. Die weitaus größte Menge von Kunstverkäufen findet nicht zuletzt deshalb auch in London statt. Die Bundesregierung hat sich aus diesem Grunde ins- besondere während ihrer EU-Präsidentschaft im 1. Halb- jahr 1999 intensiv für die Harmonisierung des Folge- rechts eingesetzt und setzt sich im Übrigen auch weiterhin vehement dafür ein. Die nicht nur zuungunsten Deutsch- lands bestehenden Wettbewerbsverzerrungen auf dem eu- ropäischen Kunstmarkt müssen endlich beseitigt werden. So grundsätzlich wir daher einerseits das Grundanlie- gen der F.D.P. teilen, so müssen wir andererseits zum ge- genwärtigen Zeitpunkt gleichwohl deren Gesetzesent- wurf ablehnen, zum einen deshalb, weil meiner Kenntnis nach – entgegen der Behauptung der F.D.P. – nicht die Richtlinie selbst, sondern lediglich der so genannte ge- meinsame Standpunkt des Europäischen Parlaments ver- abschiedet worden ist. Es erscheint deshalb nicht un- wahrscheinlich, dass das Europäische Parlament noch Änderungen im Sinne einer urheberfreundlicheren Aus- gestaltung der Richtlinie beschließt. Ich könnte mir vor- stellen, dass dies im Übrigen auch für die von der F.D.P. monierten langen Übergangsfristen gilt. Meiner Informa- tion nach soll der Richtlinienvorschlag noch in der zwei- ten Dezemberhälfte im Europäischen Parlament ab- schließend beraten werden. Diesen Termin sollten wir zwingend abwarten. Ein Vorgriff darauf würde vermutlich ansonsten unnötigerweise Korrekturbedarf nach sich zie- hen. Zum anderen lehnen wir den Gesetzentwurf der F.D.P. deshalb ab, weil er in Teilbereichen entweder erheblich von der Richtlinie des Europäischen Parlaments abweicht oder aber den dort eröffneten Spielraum der einzelnen Mitgliedstaaten einseitig zum Nachteil der Urheber aus- schöpft. So soll nach den Vorstellungen der F.D.P. zum Beispiel das Folgerecht erst bei einer Veräußerung ab 4 000 Euro einsetzen. Die Richtlinie eröffnet dies aber schon bei geringeren Veräußerungserlösen. Auch soll das Folgerecht nur bei Veräußerungen mit Gewinn eintreten. Dies ist weder in der Richtlinie vorgesehen noch sonst verständlich. Diese Aushöhlung der Schutzrechte von Urhebern hal- ten wir nicht für akzeptabel. Dementsprechend können wir dem auch nicht folgen. Die SPD wird sich – wie be- reits in der Vergangenheit – auch zukünftig dafür einset- zen, die Rechte der Urheber, wo dies berechtigt erscheint, zu stärken. Nicht nachvollziehbar ist für uns deshalb auch, warum die erste Weiterveräußerung durch eine Galerie nach den Vorstellungen der F.D.P. vom Folgerecht ausgenommen werden sollte. Eine schlüssige Begründung hierzu findet sich im Gesetzesentwurf der F.D.P. nicht. Ich gehe davon aus, dass man hier einfach die konträre Auffassung des Rates hierzu übernommen hat, die für Kunstgalerien eine besondere Situation annimmt, weil diese oft unmittelbar von unbekannten Künstlern Kunstwerke kaufen. Dies überzeugt mich jedoch nicht, da das Gleiche auch oft für Kunsthändler gilt. Worin ein Unterschied zwischen dem Verkauf durch eine Galerie und dem durch einen Kunst- händler liegt, der dies rechtfertigt, ist für mich derzeit nicht ersichtlich. Eine Besserstellung des Galeristen Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 127. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Oktober 2000 12305 (C) (D) (A) (B) gegenüber dem Kunsthändler erscheint mir deshalb zu- mindest derzeit nicht sachgerecht. Hinzu kommt, dass die F.D.P. die Einschränkung der Auffassung des Rates, der diese Ausnahme nur gelten lassen will, wenn der erzielte Preis bei der Weiterveräußerung 10 000 Euro nicht über- steigt, nicht berücksichtigt. Die verschärfte Verjährungsregelung kann ebenfalls nicht unsere Zustimmung finden. Die Begründung der F.D.P. hierzu ist für uns genauso wenig nachvollziehbar. Bei jedem Verkauf von Werken ist in diesem Zusammen- hang der Folgerechtsanspruch schon von vornherein zu berücksichtigen. Der Veräußerer muss von Anfang an mit Forderungen des Urhebers rechnen. Eine Rechtsun- sicherheit kann also allenfalls darin liegen, dass sich gegebenenfalls die dies ohnehin einkalkulierende Er- tragserwartung – folgt man dem F.D.P.-Entwurf, die Ge- winnerwartung – erst später bestätigt. Wenn dies als Rechtsunsicherheit angesehen wird, so kann man meiner Auffassung nach durchaus damit leben, zumal eine abso- lute Höchstgrenze des Folgerechts von 12 500 Euro fest- geschrieben worden ist Norbert Röttgen (CDU/CSU): „Entwurf eines Geset- zes zur Umsetzung der EU-Richtlinie über das Folgerecht des Urhebers des Originals eines Kunstwerks“ hat die F.D.P.-Bundestagsfraktion ihren Gesetzentwurf genannt. „Die Folgerechtsrichtlinie wird ohne Übergangsfristen in nationales Recht umgesetzt“, heißt es weiter. Das Grundproblem, auf das der Gesetzentwurf der F.D.P. trifft, besteht darin, dass er eine europäische Richt- linie umsetzen möchte, die es überhaupt noch gar nicht gibt und mit dem von der F.D.P. unterstellten Inhalt höchstwahrscheinlich auch niemals geben wird. Das zeigt der aktuelle Beratungsstand. Es gibt einen Gemeinsamen Standpunkt des Rates, dessen Inhalt dem des Gesetzent- wurfes der F.D.P. nahe kommt, der aber von der Kom- mission abgelehnt wird. Die Beratungen des Rechtsaus- schusses des Europäischen Parlaments sind noch nicht abgeschlossen, die Behandlung im Europäischen Parla- ment selbst ist für Dezember 2000 vorgesehen. Fest steht allerdings, das auch das Europäische Parlament dem Ge- meinsamen Standpunkt des Rates skeptisch gegenüber- steht. Der Gesetzentwurf der F.D.P.- Bundestagsfraktion ist deshalb zumindest verfrüht, wenn nicht gar schädlich. Es ist nach Auffassung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion unerlässlich, das endgültige Ergebnis der Beratungen ab- zuwarten, statt jetzt vorschnell das Urheberrechtsgesetz zu ändern, um dann möglicherweise Anfang 2001 – im Rahmen der Umsetzung der Richtlinie – eine erneute Kor- rektur vornehmen zu müssen. Damit würden Rechtsunsi- cherheiten geschaffen, die für das berechtigte Anliegen der Künstler und Galeristen in Deutschland kontrapro- duktiv wären. Eine Harmonisierung des Urheberrechts im nationalen Alleingang ist ein Widerspruch in sich. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hätte es sich aller- dings gewünscht, bereits heute über die Umsetzung der Folgerechtsrichtlinie in deutsches Recht sprechen zu kön- nen. Wenn dies nicht der Fall ist, liegt das in erster Linie an der zögerlichen Haltung der rot-grünen Bundesregie- rung. Ihre eigene Zielsetzung für die deutsche Ratspräsi- dentschaft im ersten Halbjahr 1999 war die Verabschie- dung eines Gemeinsamen Standpunktes; erreicht hat sie eine Vertagung. Nachvollziehbare Gründe hierfür konnte sie auf Nachfrage unserer Fraktion nicht vorbringen. Da- bei drängten bereits damals die zulasten der deutschen Künstler und Galeristen bestehenden Wettbewerbsnach- teile nach einer schnellen und effektiven Lösung. Die Harmonisierung der bereits in 11 EU-Mitgliedstaaten be- stehenden Reglungen zum Folgerecht im Kunsthandel tat und tut Not. Die durch die Verzögerung für den Kunst- standort Deutschland entstehenden Schäden werden mit jedem Tag größer. Mit den zurzeit in Rede stehenden Übergangsfristen für die Umsetzung der zu erwartenden Richtlinie würden die bestehenden Wettbewerbsnachteile zementiert. Wir fordern die Bundesregierung daher auf, sich end- lich nachdrücklich auf EU-Ebene für den schnellen Erlass einer Folgerechtsrichtlinie einzusetzen. Diese muss aber die Bedürfnisse des Kunststandortes Deutschland auch hinreichend berücksichtigen. Ein Kompromiss auf Basis des kleinsten gemeinsamen Nenners kann nicht das Ziel sein. So lehnt die CDU/CSU-Bundestagsfraktion eine willkürliche optionale Untergrenze von 4 000 Euro für das Anfallen eines Folgerechtsbeitrages ab. Auch die Festset- zung eine absoluten Obergrenze für den zu leistenden Folgerechtsbeitrag in Höhe von 12 500 Euro ist aus unse- rer Sicht nicht begründbar. Es ist nicht einzusehen, warum der Urheber auf diese Weise von der Teilhabe am wirt- schaftlichen Erfolg ausgeschlossen werden soll. Lassen Sie uns gemeinsam an einer europäischen Lö- sung arbeiten, die den Kunststandort Deutschland und ebenso eine faire Teilhabe der Kunst Schaffenden am wirtschaftlichen Erfolg sichert. Der Gesetzentwurf, über den wir heute sprechen, kann dies nicht leisten. Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Zum gegenwärtigen Zeitpunkt lehnen wir den Entwurf der F.D.P. ab, und zwar aus folgendem Grund: Aufgrund der schlecht zu vermittelnden Positionen der einzelnen Länder ist es in Brüssel bisher noch zu keiner endgültigen Einigung zur Folgerechtsrichtlinie gekommen. Es macht also gar keinen Sinn, eine noch nicht beschlossene EU-Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Vielmehr ist erst einmal abzuwarten, in welcher Form und mit welchem Inhalt die Richtlinie in der EU letztendlich beschlossen wird. Alles andere wäre Zeit- und Energie- verschwendung. Das Folgerecht, so wie es derzeit in Deutschland und in den meisten EU-Mitgliedstaaten existiert und gehand- habt wird, gewährleistet den bildenden Künstlern und ihren Erben eine Beteiligung an den Einnahmen bei Wei- terverkäufen ihrer Werke und somit an deren Wert- steigerung. Die Problematik um das Folgerechtsgesetz besteht vor allem darin, dass nicht alle EU-Staaten eine solche Regelung haben. Im Sinne einer Gleichstellung der Künstler in Europa ist eine Harmonisierung anzustreben. Komponisten und Autoren sind durch Tantiemen selbst- verständlich an allen Veräußerungen ihrer Werke betei- ligt. Im Gegensatz dazu sind bildende Künstler beim Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 127. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Oktober 200012306 (C) (D) (A) (B) Weiterverkauf in einigen Ländern nicht an den Einnah- men beteiligt. So gehen beispielsweise Maler, deren Bilder auf dem Kunstmarkt in London – dem größten in Europa – weiterverkauft werden, leer aus; denn Groß- britannien hat bisher kein Folgerecht eingeführt. Dasselbe gilt für Irland, die Niederlande und Österreich. Die EU arbeitet seit langem an einer europaweiten Har- monisierung des Folgerechts, um Benachteiligungen in einzelnen Staaten innerhalb der Europäischen Union auszuschalten. Die Bundesregierung unterstützt dieses Vorhaben tatkräftig und strebt darüber hinaus eine erwei- terte internationale Harmonisierung über die Grenzen Eu- ropas hinaus an. Eine Übernahme einer EU-Folgerechts- richtlinie in nationales Recht ist für die Bundesrepublik derzeit nicht so dringlich, wie deren Übernahme in Staaten, die im Gegensatz zur Mehrheit der EU-Mitglied- staaten noch gar kein Folgerecht haben. Weiterhin sind auch zusätzliche Regelungen innerhalb des Folgerechts, das wie gesagt in Deutschland schon praktiziert wird, genau zu untersuchen und auf ihre Akzeptierbarkeit zu überprüfen. Eine Absenkung der Beteiligung der Künstler von derzeit 5 Prozent auf 3 Prozent, wie in der EU-Richtlinie geplant, wird wohl durch die Aufnahme des Folgerechts in allen Staaten der EU ausgeglichen. Jedoch sind andere Punkte zu bedenken: Über die Eingangssumme, also über den minimalen Preis eines Werkes, bei dem das Fol- gerecht greifen soll, muss diskutiert werden. Besonders ist aber auch über die vorgesehene Deckelung, also die feste Obergrenze für durch Folgerecht erzielte Einnahmen der Künstler, zu diskutieren; denn sie stellen einen sys- tematischen Widerspruch zum Urheberrecht dar. Die F.D.P. handelt mit diesem Antrag voreilig. Die Einigung in Brüssel ist frühestens im Dezember dieses Jahres zu erwarten. Sprechen wir dann darüber! Rainer Funke (F.D.P.) Seit langem ist der deutsche gegenüber dem internationalen Kunstmarkt unter Wettbe- werbsgesichtspunkten extrem benachteiligt. Lediglich in Schweden existiert ein derartig wettbewerbsfeindliches Folgerecht wie in Deutschland. Ein Teil der Staaten, zum Beispiel Frankreich, kennt das Folgerecht nur für Kunstversteigerer, andere Länder, insbesondere Großbritannien, kennen es gar nicht. Der daraus resultierende Wettbewerbsnachteil für die mit dem Folgerecht belasteten Kunstmärkte führte dazu, dass sich dieser in den EU-Staaten auf London konzentriert. Rund 80 Prozent des gesamten Kunsthandels innerhalb der EU-Staaten werden dort abgewickelt. Trotz jahrelanger Diskussionen – nicht zuletzt immer wieder hinausgezögert durch den Widerstand einiger Mit- gliedstaaten – ist es der EU-Kommission bisher nicht ge- lungen, die Regelungen über das Urheberrecht an Kunst- werken europaweit zu harmonisieren und damit auf dem europäischen Kunstmarkt einheitliche Wettbewerbsbe- dingungen zu schaffen. Die Bundesregierung hat nichts unternommen, um die Angelegenheit zu befördern. Im Gegenteil: Der Bundes- kanzler hat die bereits im vergangenen Jahr verabschie- dungsreife Folgerechtsrichtlinie auf dem Altar der Au- toindustrie geopfert und damit die Zustimmung der briti- schen Regierung zur Verhinderung der Altautoverord- nung erkauft. Dies ging nicht nur zum Nachteil Herrn Trittins, sondern auch der Künstler und Verwerter. Denn genau diese brauchen ein einheitliches Folgerecht in Eu- ropa, wenn junge deutsche Kunst auf dem deutschen und europäischen Kunstmarkt eine Chance haben soll. Zwar liegt seit März 2000 die „Richtlinie über das Fol- gerecht des Urhebers des Originals eines Kunstwerkes“ vor; seitdem verheddert sich die Folgerechtsrichtlinie aber im Gestrüpp der europäischen Institutionen. Mit un- serem Gesetzentwurf für ein Folgerechtsanpassungsge- setz wollen wir diesem Zustand der Lähmung entgegen- wirken und dem Europäischen Parlament Beine machen. Wir Liberalen halten es für nicht länger hinnehmbar, dass der Gesetzgebungsprozess in Brüssel weiterhin die Entwicklung des Kunstmarkts in Deutschland beeinträch- tigt. Wir wollen § 26 des Urheberrechtsgesetzes ändern und an die wettbewerbsrechtlichen Bedingungen in anderen EU-Staaten schnellstmöglich anpassen. Die Folgerechts- richtlinie der EU wollen wir daher ohne Übergangsfristen in nationales Recht umsetzen. Die bisher vorgesehenen langen Übergangsfristen – von zum Teil bis zu 15 Jah- ren – würden nämlich aus dem vorgesehenen Harmoni- sierungsbeschluss ein stumpfes Schwert machen. Damit würde kein fairer Wettbewerb hergestellt, vielmehr würde der gegenwärtige, den Kunstmarkt in Deutschland be- nachteiligende Rechtszustand aufrechterhalten. Der F.D.P.-Bundestagsfraktion geht es aber auch da- rum, andere den Wettbewerb im Kunsthandel beeinträch- tigende Regelungen zu ändern: Erstens. Für den Weiterverkauf von Originalen von Kunstwerken gelten in Abhängigkeit vom Verkaufspreis gestaffelte Abgabesätze. Die Abgabe beginnt bei 4 000 Eu- ro und beträgt höchsten 12 500 Euro. Zweitens. Das Folgerecht fällt erstmals nach der ersten Veräußerung durch den Urheber an. Der bisherige Rechts- zustand, nach dem bereits der erste Verkauf durch den Künstler selbst folgerechtspflichtig war, hat gerade jun- gen, noch unbekannten Künstlern in besonderer Weise ge- schadet und die Verbreitung ihrer Werke auf dem Kunst- markt beeinträchtigt. Drittens. Die Folgerechtsabgabe wird nur dann fällig, wenn die Veräußerung mit Gewinn erfolgt. Eine Abgabe- pflicht hinsichtlich der Weiterveräußerung, die keinen Gewinn für den Weiterveräußerer enthält, ist volkswirt- schaftlich unsinnig. Sie belastet einseitig den Verwerter ohne erkennbare Gründe und hemmt die Verbreitung noch nicht etablierter und damit riskanter Kunstwerke zusätz- lich. Die F.D.P.-Bundestagsfraktion will auch die Ver- jährungsfristen für den Folgerechtsanspruch neu regeln. Die bisherige zehnjährige Verjährungsfrist führte zu erheblicher Rechtsunsicherheit, gerade wenn viele Künst- ler ihr Folgerecht nicht wahrnehmen. Deshalb haben wir die Geltendmachung des Abgaberechts auf ein Jahr ab Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 127. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Oktober 2000 12307 (C) (D) (A) (B) Kenntnis der das Abgaberecht auslösenden Tatsachen fi- xiert. Nach unserer Ansicht sollte – ohne diese Kenntnis- nahme – der Folgerechtsanspruch generell nach fünf Jah- ren verjähren. Diese Verjährungsvorschriften stehen im Einklang mit den generell vom Bürgerlichen Gesetzbuch vorgesehenen Verjährungsfristen für die Geltendmachung von Ansprüchen, deren wesentlicher Zweck die Schaf- fung von Rechtsfrieden und Rechtssicherheit im Rechts- verkehr ist. Die Kritik, die an unserem Gesetzentwurf bereits im Vorfeld der ersten Lesung vereinzelt geübt wurde, weise ich im Namen meiner Fraktion entschieden zurück. Ich frage diese Kritiker: Glauben Sie ernsthaft, an den beste- henden Strukturen zum Nachteil der Verwerter und der Künstler festhalten zu können? Verwerter und Künstler – das möchte ich betonen: beide! – werden von der unsererseits vorgeschlagenen Neugestaltung profitieren: denn sie ist ausgewogen und berücksichtigt die Interessen gerade junger Künstler und Verwerter. Die jetzigen Regelungen hingegen bevorzugen einseitig und in wettbewerbswidriger Weise die etablier- ten Künstler und deren Erben. Wir schlagen Ihnen, meine Damen und Herren von den anderen Fraktionen, vor, auf der Grundlage unseres Ge- setzentwurfes das Folgerecht neu zu regeln und dem Kunstmarkt in Deutschland neuen Schwung zu geben. Dr. Heinrich Fink (PDS): Im vorliegenden Gesetzent- wurf der F.D.P. erkenne ich das berechtigte Anliegen, den augenblicklichen Wettbewerbsnachteil des deutschen Kunstmarktes gegenüber den Ländern, in denen es kein Folgerecht gibt, abzumildern. Den für die Verwirklichung dieses Anliegens vorgeschlagenen Weg halte ich aller- dings unter anderem aus drei Gründen für problematisch. Zum Ersten: Die heutige Debatte über den Gesetzent- wurf fällt gerade in die Endphase der langjährigen Bemühungen um eine Harmonisierung des Folgerechts im Rahmen der Europäischen Union. Vor wenigen Tagen wurde im Vorfeld der zweiten Lesung im zuständigen Un- terausschuss des Europäischen Parlaments ein entspre- chender Richtlinienvorschlag des Ministerrats beraten und dabei wurden auch einige Änderungen vorgeschla- gen. Deshalb wäre es gewiss sinnvoll, vor einer jeglichen nationalen Initiative das endgültige Ergebnis des Harmo- nisierungsprozesses abzuwarten, um dann die EU-Richt- linie möglichst zielgenau in nationales Recht umzusetzen. Zweifellos wäre die bevorstehende fünfte Novellierung des Urheberrechts dafür die passende Gelegenheit. Zum Zweiten: Ich halte es für sehr wünschenswert, wenn Veränderungen in unserem Folgerecht im Einver- nehmen zwischen Künstlern und Kunsthändlern erfolgen würden. Dies ist im vorliegenden Gesetzentwurf offen- sichtlich nicht der Fall. Und auch bei der zukünftigen Um- setzung der EU-Richtlinie sollten wir nicht vorschnell eine Position festschreiben, mit der die eine oder die an- dere Seite „nicht leben“ kann. Immerhin gibt es ja einen gemeinsamen Anknüpfungspunkt: Sowohl die Künstler- organisationen als auch der Kunsthandel haben sich für die europäische Harmonisierung des Folgerechts einge- setzt. Aus deutscher Sicht galt es dabei zwei Gewich- tungen auszutarieren: einerseits den bildenden Künstle- rinnen und Künstlern bzw. ihren Erben eine angemessene Beteiligung an den Wertsteigerungen der von ihnen ge- schaffenen Kunstwerke zu sichern und andererseits die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Kunstmarktes zu- mindest in Europa zu gewährleisten. Der Gesetzentwurf der F.D.P. – und damit bin ich beim dritten Grund meines Vorbehalts – wird diesem Interes- senausgleich zwischen Künstlern und Kunsthandel nicht gerecht. Der Vorschlag zielt darauf, sich bisher abzeich- nende wichtige Punkte der EU-Richtlinie ohne die vorge- sehenen Übergangsfristen, mit denen vor allem Großbri- tanniens Zustimmung zur Harmonisierung erreicht wurde, ins deutsche Urheberrecht zu übertragen. Zweifel- los würde die damit vorgesehene Absenkung des Abgabe- satzes von 5 auf durchschnittlich 3 Prozent unserem Kunsthandel, an dessen Florieren natürlich auch die Künstler ein Interesse haben, sofort zugute kommen. Den Künstlern würde allerdings auf diese Weise für längere Zeit das Äquivalent fehlen, mit dem die Absenkung des Abgabesatzes ausgeglichen werden würde, nämlich die Möglichkeit, auch an den Weiterverkäufen ihrer Werke in London oder Wien beteiligt zu sein. Denn es ist ja wohl davon auszugehen, dass Großbritannien und Österreich die ihnen zugestandenen Einführungsfristen ausschöpfen werden. Die Hoffnung, dass die Absenkung der Abgabe- sätze zu mehr Weiterverkäufen innerhalb Deutschlands führen würde, ist mehr als vage. Zudem stünde dieser er- hofften Ausweitung des Anspruchs auf das Folgerecht die im Gesetzentwurf vorgesehene Festlegung entgegen, das Folgerecht erst bei einem Weiterverkaufserlös von 4 000 Euro einsetzen zu lassen. Fazit: Der deutsche Kunsthandel würde zwar sofort von der vorgeschlagenen Regelung profitieren, dies jedoch für einige Jahre auf Kosten der anspruchsberechtigten Künstler und ihrer Fa- milien. Ich plädiere also für eine Weiterbehandlung des The- mas dann, wenn die europäische Harmonisierungs- richtlinie tatsächlich verabschiedet ist und wenn auf die- ser Grundlage den beiden betroffenen Seiten hin- reichende Gelegenheit gegeben worden ist, einen Aus- gleich ihrer Interessen bei der Umsetzung in unser Urhe- berrecht zu finden. In der Zwischenzeit hätten wir mit dem Urheberver- tragsrecht, der Novellierung des Künstlersozialversiche- rungsgesetzes und mit den Ausstellungshonoraren Ge- genstände voranzubringen, die von ungleich größerer Reichweite, Gewichtung und Dringlichkeit als eine iso- lierte Neuregelung des Folgerechts sind. Dr. Eckhart Pick, Parl. Staatssekretär bei der Bun- desministerin der Justiz: Mit dem vorliegenden Gesetz- entwurf soll eine EU-Richtlinie umgesetzt werden, die den gesetzlichen Anspruch des Urhebers harmonisiert, ei- nen Anteil an dem Erlös aus der Weiterveräußerung sei- nes Werkes zu erhalten – das so genannte Folgerecht des Urhebers. Der Gesetzentwurf geht davon aus, dass die Richtlinie bereits in Kraft getreten ist. Das ist aber nicht richtig. Denn das Europäische Parlament bereitet gegen- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 127. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Oktober 200012308 (C) (D) (A) (B) wärtig erst noch in zweiter Lesung seine Stellungnahme vor. Damit ist auch noch offen, ob diese Richtlinie nicht in wesentlichen Punkten verändert und urheberfreund- licher gestaltet wird. Natürlich hindert uns das nicht, bereits jetzt darüber nachzudenken, wie wir diese Richtlinie umsetzen wollen. Denn auch sonst warten wir nicht auf Europa, wenn wir einen dringenden Regelungsbedarf sehen. Aber ganz so, wie Sie, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen von der F.D.P.-Fraktion, sich das vorstellen, wird die Richt- linie von dieser Bundesregierung nicht umgesetzt werden. Ihr Entwurf enthält eine Reihe von Regelungen, die für die Urheber Nachteile bringen. Lassen Sie mich dies im Einzelnen erläutern: Erstens. Die Umsetzung der Richtlinie wird zu einer Absenkung des nationalen Vergütungsaufkommens füh- ren. Das geltende Recht sieht in § 26 Urheberrechtsgesetz bei der Veräußerung eines Werks der bildenden Künste vor, dass dann, wenn ein Kunsthändler an der Veräuße- rung beteiligt ist, der Urheber einen Anspruch auf 5 Pro- zent des Verkaufspreises hat. Demgegenüber sieht die Richtlinie mit zunehmender Höhe des Verkaufspreises sinkende Prozentsätze für eine Beteiligung des Urhe- bers vor. Außerdem wird eine absolute Obergrenze von 12 500 Euro eingeführt, bis zu der ein Urheber an dem Verkaufspreis beteiligt wird. Zwar wird mit der Umset- zung der Richtlinie ein Folgerecht in anderen Mitglied- staaten der Europäischen Union begründet, die dies bis- lang nicht gekannt haben. Dementsprechend kann man sich insgesamt gleichwohl nach Umsetzung der Richtlinie in allen Mitgliedstaaten eine Erhöhung des Vergütungs- aufkommens erhoffen. Die Staaten, in denen es jetzt noch kein Folgerecht gibt, werden die Frist zur Umsetzung der Richtlinie voraussichtlich voll ausschöpfen. Damit wird auch erst am Ende der Frist insgesamt für deutsche Ur- heber eine Erhöhung des Vergütungsaufkommens spürbar werden. Zweitens. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass ein Folge- recht des Urhebers erst bei einem Mindestverkaufserlös von 4 000 Euro einsetzt, dem Betrag, bei dem nach dem Entwurf der Richtlinie ein Folgerecht einsetzen muss. In Deutschland gilt gegenwärtig eine Untergrenze von 100 DM. Wenn über eine Erhöhung dieser Untergrenze nachgedacht werden soll, darf der neue Wert sicher nicht der in der Richtlinie genannte sein. Auch bei weniger teu- ren Kunstwerken soll weiterhin in Deutschland ein Fol- gerecht bestehen. Der durch die Richtlinie eröffnete Handlungsspielraum soll im Interesse der Urheber ge- nutzt werden. Drittens. Wir werden auch von der Möglichkeit Ge- brauch machen, für die erste „Tranche“, das heißt bei Ver- kaufspreisen von 4 000 bis 50 000 Euro, einen Folge- rechtssatz von 5 Prozent – und nicht von 4 Prozent wie in dem Entwurf vorgesehen – festzuschreiben, und insoweit bei der geltenden deutschen Regelung bleiben. Dies sind bereits gewichtige Gründe, den Entwurf der F.D.P.-Fraktion abzulehnen. Darüber hinaus enthält der Entwurf aber auch Regelungen, die mit dem Richtlinien- text in seiner jetzigen Fassung nicht zu vereinbaren sind und schon deswegen nicht befürwortet werden können. Der erste Punkt betrifft die Regelung der Voraussetzun- gen des Folgerechts. Nach der Richtlinie in ihrer jetzigen Fassung ist das Folgerecht unabhängig davon, ob bei der Veräußerung ein Gewinn erzielt wird. Der Urheber hat also in jedem Fall Anspruch auf seinen Anteil am Erlös der Weiterveräußerung. Nach dem Gesetzentwurf soll demgegenüber ein Folgerecht nur bei einer Veräußerung mit Gewinn bestehen. Das ist mit der Richtlinie nicht zu vereinbaren. Sie stellt deswegen nicht auf den Gewinn ab, weil sich dann die Frage stellen würde, wie denn der Ge- winn zu berechnen wäre. Und darüber kann man lange streiten. Ein weiterer Punkt betrifft die Regelung der Folge- rechtsfreiheit. Nach der Richtlinie in ihrer jetzigen Fas- sung können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass Weiter- veräußerungen in den ersten drei Jahren nach Erwerb unmittelbar vom Urheber folgerechtsfrei bleiben, wenn der bei der Weiterveräußerung erzielte Preis 10 000 Euro nicht übersteigt. Der Vorschlag des Entwurfs, stattdessen eine vollständige Folgerechtsfreiheit auch bei einer Wei- terveräußerung durch eine Galerie zu gewähren, ist eben- falls nicht mit dem Richtlinienvorschlag vereinbar. Im Übrigen ist meiner Meinung nach auch noch zu prüfen, ob von der Regelung in der Richtlinie – wenn es denn dabei bleibt – überhaupt Gebrauch gemacht werden sollte. Lassen Sie uns also erst einmal abwarten, wie der Text der Richtlinie endgültig aussehen wird. Und wenn dies feststeht, sollte gemeinsam mit allen beteiligten Kreisen – den Urhebern, der VG Bild-Kunst, den Galerien und Auktionshäusern – darüber nachgedacht werden, wie wir denn die Richtlinie gemeinsam umsetzen wollen. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 127. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. Oktober 2000 12309 (C) (D) (A) (B) Druck: MuK. Medien-und Kommunikations GmbH, Berlin
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (F.D.P.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)


    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren!




    Rudolf Bindig

    12131


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    Zu Recht befasst sich der Deutsche Bundestag heute zur
    besten Sendezeit mit der Europäischen Menschenrechts-
    konvention. Sie wurde vor 50 Jahren als europäische Ant-
    wort auf die menschenverachtende Ideologie des Natio-
    nalsozialismus, auf Rassismus und Fremdenfeindlichkeit
    und auf die mit dieser Überzeugung begangenen unge-
    heuerlichen Verbrechen formuliert und in nur 15Monaten
    Vorbereitungszeit als erste Konvention des Europarates
    erarbeitet. Heute gibt es 173 Konventionen und Ver-
    tragswerke des Europarates. Rassenhass, Ausländerhass,
    Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit wird mit der
    Europäischen Menschenrechtskonvention die Unantast-
    barkeit der Würde eines jeden Menschen unabhängig
    von seiner Herkunft, seiner Abstammung, seinem Glau-
    ben und seiner politischen Überzeugung entgegengestellt.
    Das soll die europäische identitätsstiftende Wertordnung
    sein, ja, das ist prägend für die Kultur des europäischen
    Abendlandes. Die Vielfalt der Kulturen, der Religionen,
    der Abstammungen und der politischen Überzeugungen
    sollen rassistischer Diskriminierung keinen Raum lassen.
    Das muss auch für uns Orientierungsmaßstab sein.


    (Beifall im ganzen Hause)

    Mit der EuropäischenMenschenrechtskonventionwur-

    de die beginnende europäische Einigung von vornherein
    auf ein aus damaliger Sicht solides Fundament des Men-
    schenrechtsschutzes und der Grundfreiheiten gestellt.
    Dies beruhte auf der Erkenntnis, dass es ohne Menschen-
    rechte und ohne die Anerkennung der menschlichen
    Würde keine Freiheit, keine Gerechtigkeit und keinen
    Frieden gibt.

    Lassen Sie mich an dieser Stelle etwas eigentlich
    Selbstverständliches betonen: Die Kodifizierung von
    Menschenrechten schafft nicht neue Rechte. Jeder
    Mensch besitzt von Geburt an unantastbare, unveräußer-
    liche Rechte und Freiheiten. Niemand kann sie ihm geben
    oder gewähren; sie können nur durch staatliches oder
    auch nicht staatliches Handeln eingeschränkt oder ent-
    zogen werden. Das ist nicht nur europäisch-abendländi-
    sche Ansicht, sondern kann universelle Geltung bean-
    spruchen. Spätestens seit der Allgemeinen Erklärung der
    Menschenrechte der Vereinten Nationen von 1948 ist das
    klar. Aber wie schwer die Durchsetzung der Menschen-
    rechte ist, lesen wir jeden Tag in der Zeitung und können
    wir jeden Abend den Nachrichten entnehmen.

    Es ist schon betont worden, dass im Gegensatz zu an-
    deren internationalen Menschenrechtspakten gerade die
    Europäische Menschenrechtskonvention einen wirksa-
    men Mechanismus zur Durchsetzung der gewährleiste-
    ten Rechte besitzt. Das gilt besonders für das 11. Zusatz-
    protokoll, das die heutige Handlungsfähigkeit des
    Europäischen Menschenrechtsgerichtshofes erst geschaf-
    fen hat. Er ist zu Recht von allen Vorrednern gerühmt und
    hervorgehoben worden. Ich kann nur sagen: Wir müssen
    alles tun, auch in dem eigentlich eher unbedeutenden Teil
    der finanziellen Unterstützung, um die Arbeit des Euro-
    päischen Menschenrechtsgerichtshofes für die Zukunft zu
    sichern. Denn wenn er nicht arbeiten kann und nicht dem
    gerecht wird, was die 800 Millionen Bürger erwarten, die
    in den Mitgliedstaaten des Europarates leben, dann wird

    diesen das Fundament des europäischen Menschenrechts-
    schutzes genommen werden.


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der PDS)


    Deshalb fordern wir in unserem Antrag alle gemeinsam
    unter anderem die entsprechende finanzielle Ausstattung.

    Aber lassen Sie mich auch einen Blick auf die Auswir-
    kungen der Europäischen Menschenrechtskonvention auf
    die deutsche Rechtsprechung werfen. Die in ihr enthalte-
    nen Verfahrensgarantien gehen zum Teil über die
    Gewährleistungen des Grundgesetzes und der Strafpro-
    zessordnung hinaus und harren noch der Entdeckung
    durch kreative Verteidigung. Lassen Sie mich nur zwei
    Beispiele nennen.

    Erstens. Die in Art. 6 Abs. 2 der Europäischen Men-
    schenrechtskonvention ausgesprochene Unschuldsver-
    mutung und deren Auslegung durch den Europäischen
    Menschenrechtsgerichtshof hat das Bundesverfassungs-
    gericht 1987 dazu veranlasst, deutlich zu machen, dass
    die Garantien unserer Verfassung – dazu gehört die Un-
    schuldsvermutung – im Lichte der Europäischen Men-
    schenrechtskonvention und deren Interpretation durch
    den Straßburger Gerichtshof auszulegen sind. Damit ha-
    ben wir in diesem Punkt eine unmittelbare Wirkung der
    Rechtsprechung des Gerichtshofes auf unsere Auslegung
    von Gesetzen.

    Das gilt zweitens für den Grundsatz des fairen Ver-
    fahrens, der Waffengleichheit zwischen Ankläger und
    Angeklagtem, der dem Gedanken des Art. 6 Abs. 1 der
    Europäischen Menschenrechtskonvention entnommen
    worden ist. Wie sich die Rechtsprechung in dieser Hin-
    sicht noch entwickeln wird, zum Beispiel im Blick auf
    den „agent provocateur“, kann man heute noch gar nicht
    absehen.

    Aber diese Beispiele zeigen, dass der häufig verbrei-
    tete, beruhigende Befund, dass die Europäische Men-
    schenrechtskonvention nichts enthalte, was in Deutsch-
    land nicht ohnehin durch die Grundrechte in der
    Verfassung oder zumindest durch die Strafprozessord-
    nung garantiert sei, eine glatte Fehldiagnose ist.

    In dem gemeinsamen Antrag, der der heutigen Bera-
    tung zugrunde liegt, fordern wir die Bundesregierung auf,
    sich dafür einzusetzen, dass die Urteile des Europäischen
    Gerichtshofs für Menschenrechte strikt befolgt werden.

    Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang auf
    Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention
    – Schutz vor Folter und unmenschlicher, erniedrigender
    Behandlung – hinweisen. Denn dieser Artikel hat eine ent-
    scheidende Auswirkung auf das Ausländerrecht und die
    Abschiebepraxis.


    (Beifall bei Abgeordneten der PDS)

    Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof leitet daraus
    einen Abschiebeschutz ab, wenn im Empfängerstaat Fol-
    ter oder unmenschliche und erniedrigende Behandlung
    droht, und zwar auch, wenn es um Verfolgung vonseiten
    nicht staatlicher Organisationen geht.




    Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
    12132


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    Wir haben das gestern im Menschenrechtsausschuss
    mit Ihnen, Frau Ministerin, erörtern können. Wir waren
    uns einig, dass die jüngste Rechtsprechung des Bundes-
    verfassungsgerichts als positiv anzusehen ist, und haben
    uns überlegt, wie dem in unserer Rechtsordnung noch
    stärker zum Durchbruch verholfen werden kann. Sie wol-
    len mit dem Innenminister über dieses schwierige Thema
    sprechen. Aber nehmen wir doch einfach die Rechtspre-
    chung des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs
    auf! Ergänzen wir, Frau Ausländerbeauftragte, § 53 Abs. 4
    des Ausländergesetzes und nehmen wir neben der Euro-
    päischen Menschenrechtskonvention auch auf die Recht-
    sprechung Bezug! Ich glaube, dann hätten wir mit einer
    einfachen Änderung deutlich gemacht, wie ernst wir nach
    50 Jahren Europäischer Menschenrechtskonvention und
    Rechtsprechung des Gerichtshofes die Auswirkungen auf
    unsere nationale Rechtsordnung nehmen.


    (Beifall bei der F.D.P., der CDU/CSU und der PDS)


    Lassen Sie mich zum Schluss nur einige wenige Be-
    merkungen zu den entscheidenden Impulsen der Europä-
    ischen Menschenrechtskonvention auf die Erarbeitung
    der Europäischen Grundrechte-Charta machen. Die
    ersten 18 Artikel der EMRK finden sich in einer moder-
    neren Formulierung in der Europäischen Grundrechte-
    Charta wieder. Das brauchen wir dringend, weil die Euro-
    päische Union und die Europäischen Gemeinschaften
    nicht Mitglied der Europäischen Menschenrechtskonven-
    tion sind. Deshalb setzt sich die F.D.P.-Bundestagsfrak-
    tion seit den Beratungen zur Europäischen Grundrechte-
    Charta für eine kleine technische Änderung des
    Vertragswerks durch den Vertrag von Nizza ein, die den
    Beitritt der Europäischen Union zur Europäischen
    Menschenrechtskonvention ermöglicht. Das steht in allen
    unseren Anträgen. Denn bis die Europäische Grund-
    rechte-Charta in den Verträgen enthalten und verbindlich
    sein wird, wird es, vorsichtig geschätzt, noch einmal min-
    destens vier Jahre brauchen.

    Auf diese Weise könnten wir eine Spaltung des Rechts-
    schutzes in Europa verhindern. Gerade sie, Herr Bindig,
    wollen wir mit der Europäischen Grundrechte-Charta
    nicht erreichen. Vielmehr wollen wir ein möglichst ge-
    sichertes und hohes Schutzniveau, sodass es in Europa
    keine Bürger zweiter Klasse gibt.

    Vielen Dank.

    (Beifall im ganzen Hause)




Rede von Dr. h.c. Wolfgang Thierse
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Ich erteile das Wort
dem Bundesminister Joseph Fischer.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Joseph Fischer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! 50 Jahre Eu-
    ropäische Menschenrechtskonvention – das bedeutet vor
    allem einen großen Erfolg der Lehren, die Europa aus der
    Katastrophe des Zweiten Weltkriegs, aus den furchtbaren
    Verbrechen des Deutschen Reiches gezogen hat. Ich
    denke, es ist gerade aktuell sehr, sehr wichtig, dass man
    daran erinnert, dass es nicht nur außen- und sicherheits-
    politische Konsequenzen gegeben hat, dass Demokrati-

    sierung nicht nur eine Frage im Innern Deutschlands war,
    sondern auch eine Verrechtlichung der Beziehungen zwi-
    schen den Staaten und vor allen Dingen einen grenzüber-
    schreitenden Grundrechtsschutz für die Bürgerinnen und
    Bürger als Antwort auf dieses Zeitalter der europäischen
    Diktaturen bedeutet hat.

    Dieser historische Ansatz setzt sich von der Missach-
    tung der Menschenwürde, der Herabwürdigung von Mit-
    menschen und der perversen Rassenideologie, die damals
    am Anfang des deutschen Abstiegs ins Verbrechen ge-
    standen haben, klar ab. Deutschland hat daraus im ersten
    Artikel des Grundgesetzes die Konsequenz gezogen, die
    Menschenwürde für unantastbar zu erklären. Dieser his-
    torische Ansatz ist heute aktueller denn je.

    Wir sehen, dass die Verrechtlichung des Grund-
    rechtsschutzes, der über die Grenzen hinweg reicht
    – dazu gehört, dass Diktatoren, Folterknechte und all jene,
    die sich schwerster Menschenrechtsverbrechen schuldig
    gemacht haben, zur Verantwortung gezogen werden –, im
    internationalen Staatensystem mehr und mehr um sich
    greift.

    Der VN-Gerichtshof für das ehemalige Jugoslawien
    und der Internationale Strafgerichtshof, der jetzt zur Ahn-
    dung solcher Verbrechen eingesetzt wird, sind die Konse-
    quenzen aus jener historischen Erfahrung. Am heutigen
    Tag, an dem wir den 50. Jahrestag der Europäischen
    Menschenrechtskonvention begehen und an dem wir über
    sie diskutieren, ist es wichtig, an diese Wurzeln zu erin-
    nern. Es ist aber auch wichtig, dass wir die Konsequenzen
    aus Erfahrungen der Gegenwart hinsichtlich schwerster
    Menschenrechtsverletzungen ziehen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Schon bei ihrer Unterzeichnung in Rom im November
    1950 ging die Europäische Menschenrechtskonvention
    einen entscheidenden Schritt weiter als die Allgemeine
    Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen
    vom Dezember 1948: Sie war ein bindender völker-
    rechtlicher Vertrag; sie schuf einen Gerichtshof, dem sich
    die Mitgliedstaaten des Europarates zu unterwerfen hat-
    ten; sie eröffnete allen Bürgern den damals bahnbrechen-
    den Weg, ihre Rechte individuell einzuklagen. Das war
    ein Meilenstein in der Konstitutionalisierung der Völker-
    rechtsordnung.

    Die Europäische Menschenrechtskonvention ist seit
    50 Jahren der ethische und rechtliche Kern der europä-
    ischen Wertegemeinschaft, die weit über die Europä-
    ische Union hinausreicht. Nahezu 800 Millionen Men-
    schen in 41 Staaten können sich heute auf die verbrieften
    Grundrechte berufen. Die Bedeutung, dass sich die
    Bürger von 41 Staaten auf diesen verbrieften Grund-
    rechtsschutz beziehen können, wird deutlich, wenn man
    sich bei den Vereinten Nationen umschaut: Diese Rechte
    wirken auch über Europa hinaus.

    Seit der schnellen Aufnahme der jungen Demokratien
    Mittel- und Osteuropas haben der Europarat und die
    EMRK wichtige Beiträge zur Förderung von Demokratie
    und Menschenrechten in unseren Nachbarstaaten geleis-
    tet. Nehmen wir nur das Beispiel der Demokratisierung




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    in Jugoslawien. Die Konsequenz daraus wird sein, dass
    sich auch diese Region in Richtung eines Beitritts zum
    Europarat entwickeln wird. Mit dem Beitritt zum Eu-
    roparat würde dann auch dort der individuelle Grund-
    rechtsschutz wirken. Neben der Arbeit des UN-Kriegsver-
    brechertribunals wird dies ein ganz wichtiger Schritt sein,
    mit dem die Bürger eines demokratischen Jugoslawiens in
    Kürze in den Schutz der Europäischen Menschenrechts-
    konvention einbezogen werden können.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie der Abg. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger [F.D.P.])


    Wir reden gerne über das Europa der variablen Geome-
    trie; auch der Europarat gehört dazu. Gerade bei der Auf-
    arbeitung des furchtbaren Krieges und der schwersten
    Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien hat
    der Europarat gezeigt, dass er ein wichtiges Instrument
    ist, um Russland zur Einhaltung seiner menschen-
    rechtlichen Verpflichtungen zu bewegen. Die Parla-
    mentarische Versammlung des Europarates hat ihre Rolle
    als „demokratisches Gewissen“ Europas beispielhaft
    wahrgenommen. Vor dem Europäischen Gerichtshof für
    Menschenrechte sind Hunderte von Verfahren anhängig.
    Die in Straßburg noch zu fällenden Urteile werden auch
    die russische Regierung binden.

    Der Menschenrechtsschutz in Europa setzt bis heute in-
    ternational hohe Maßstäbe. Aber er ist nichts Statisches.
    Die klassischen Grundrechte – das Recht auf Leben, das
    Verbot der Folter und der Sklaverei, die Gedanken-, Ge-
    wissens- und Religionsfreiheit und andere mehr – sind bei
    uns, Gott sei Dank, selbstverständlich. Aber denken wir
    einmal 60 Jahre zurück. Damals waren diese Rechte bei
    uns alles andere als selbstverständlich. In vielen Gegen-
    den der Welt sind diese elementaren und individuellen
    Grundrechte noch immer mitnichten eine Selbstver-
    ständlichkeit. Diese Rechte wurden über die Jahre durch
    Zusatzprotokolle um wichtige Grundrechte ergänzt.

    Ich will nur das Protokoll Nr. 6 nennen: die Abschaf-
    fung der Todesstrafe. Hier hat Europa meines Erachtens
    eine überragende Bedeutung. Im weltweiten Kampf
    gegen die Todesstrafe sind Europa, die Europäische
    Menschenrechtskonvention, der Europarat und die EU ein
    Leuchtturm. Alle Gegner der Todesstrafe, dieser inhuma-
    nen Strafe, orientieren sich an Europa. Es gehört für mich
    zu den merkwürdigsten Erfahrungen – ich nehme an, Kol-
    lege Kinkel, Ihnen wird es genauso gegangen sein –:
    Unter den Vertretern der USA, Kubas oder Chinas gibt es
    immer dann ein hohes Maß an Übereinstimmung, wenn
    man auf die Todesstrafe zu sprechen kommt.

    Man muss sich einmal vor Augen führen, welche Be-
    deutung die Todesstrafe sogar in der jüngeren europä-
    ischen Geschichte, in der Geschichte des 20. Jahrhun-
    derts, hatte. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass
    aufgrund von Taxifahrermorden und ähnlichen furcht-
    baren Verbrechen noch in den 70er-Jahren auch bei uns
    immer wieder der Ruf nach der Wiedereinführung der To-
    desstrafe laut wurde. In wichtigen europäischen Partner-
    ländern ist die Todesstrafe erst in den 70er- und 80er-
    Jahren abgeschafft worden. Wenn man sich angesichts
    dessen heute die europäische Realität anschaut, nämlich

    dass die Todesstrafe in keinem politischen Lager allen
    Ernstes mehr zur Debatte steht, wird deutlich, dass es hin-
    sichtlich des Grundrechtsschutzes und der Zivilisierung
    in diesem Bereich einen echten Fortschritt gibt. Ich denke,
    die Europäer haben Grund, darauf stolz zu sein.

    Es wurde hier von der Leitkultur gesprochen. Mit der
    europäischen Leitkultur sind wir heute ein Stück wei-
    tergekommen, Herr Kollege Schwarz-Schilling. Dazu
    können wir uns klar bekennen und dafür möchte ich mich
    bedanken.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Das hätten Sie gestern schon bei mir nachlesen können, Herr Fischer!)


    – Ich finde es gut, Herr Merz, dass Sie jetzt über den Um-
    weg „Leitkultur“ beim Verfassungspatriotismus von
    Jürgen Habermas gelandet sind. Ich kann nur sagen: Herz-
    lich willkommen! Das hätten Sie aber auch direkt haben
    können.


    (Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Das hat auch nichts mit Parteipolitik zu tun. Ich bin viel-
    mehr der Meinung, dass dies die solide Grundlage der
    deutschen Demokratie ist. Dabei sollten wir es auch be-
    wenden lassen.

    Menschenrechtsschutz in Europa braucht auch in
    Zukunft starke und durchsetzungsfähige Instrumente.
    Dazu gehört eine angemessene Ausstattung des Gerichts-
    hofs angesichts der dramatisch steigenden Zahl der Ver-
    fahren; denn sonst steht bereits Erreichtes auf dem Spiel.
    Das sollten wir alle gemeinsam dem Finanzminister mit-
    teilen.


    (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


    Die praktische Wirkung der EMRK steht und fällt mit der
    Durchsetzung der Urteile des Gerichtshofes. Da stim-
    me ich allen Vorrednerinnen und Vorrednern, auch der
    Kollegin Justizministerin und Frau Leutheusser-
    Schnarrenberger, die dies gesagt haben, zu. Wir müssen
    den Anfängen wehren, was die Umsetzung dieser Urteile
    anbetrifft. Es darf nicht dazu kommen, dass Urteile erge-
    hen, die nicht umgesetzt werden. Eine solche Rückent-
    wicklung hinsichtlich des individuellen Grundrechts-
    schutzes darf es nicht geben.

    Wir sollten uns aber auch immer wieder selbstkritisch
    fragen, inwieweit wir in Deutschland den Maßstäben der
    EMRK gerecht werden. Dazu gehört die Frage nach der
    Achtung der Menschenrechte in Deutschland ebenso wie
    die angemessene Beachtung der Rechtsprechung des Eu-
    ropäischen Gerichtshofes für Menschenrechte durch
    deutsche Gerichte.

    Der Grundrechtsschutz hat nichts von seiner Aktualität
    eingebüßt. Im Gegenteil: Die Europäische Union hat auf
    der Grundlage der Menschenrechtskonvention eine
    Grundrechte-Charta ausgearbeitet – unter aktiver Mit-
    wirkung der Kollegen des Bundestages und des Bun-
    desrates im Konvent –, die in diesem Haus breite Unter-




    Bundesminister Joseph Fischer
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    stützung gefunden hat und in Biarritz von den Staats- und
    Regierungschefs angenommen wurde. Diese Charta wird
    zum Kern einer europäischen Verfassung. Sie baut auf den
    Erfahrungen der Konvention von 1950 auf, nimmt zu-
    gleich neue Entwicklungen auf und schließt Menschen-
    rechte der so genannten dritten Generation, das heißt,
    soziale und wirtschaftliche Grundrechte, ein. Jetzt geht es
    darum, den gemeinsamen Rechtsraum zu entwickeln und
    gleichzeitig die Verbindung zwischen diesen beiden Kon-
    ventionen so zu gestalten, dass sich alle Mitgliedstaaten
    der Europäischen Union darin wiederfinden können und
    dass es ein Maximum an Grundrechtsschutz gibt.

    Meine Damen und Herren, die Achtung der Menschen-
    rechte sowie die Durchsetzung von Demokratie und
    Rechtsstaatlichkeit, der Dreiklang des Europarates also,
    werden weit über Europa hinaus immer mehr zur Kern-
    frage gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Moderni-
    sierung. Ja, ich behaupte: Die Frage der Demokratie und
    des Rechtsstaates wird zu der zentralen Frage des
    internationalen politischen Systems des 21. Jahrhunderts
    werden.

    Überall auf dieser Welt, wohin wir auch schauen: An
    der Frage der Herrschaft des Rechtsmacht sich nicht nur
    die Gerechtigkeit fest, nicht nur der individuelle Grund-
    rechtsschutz; daran machen sich natürlich auch die
    Lebenschancen der Individuen einer Nation fest. Nur eine
    offene, flexible und durch die Herrschaft des Rechts
    geprägte Gesellschaft kann an den Chancen der Globa-
    lisierung erfolgreich partizipieren und zugleich ihre Ver-
    werfungen bewältigen. Die Prinzipien der Europäischen
    Menschenrechtskonvention werden in Zukunft deshalb
    eher noch wichtiger, als sie es in den zurückliegenden
    50 Jahren zweifellos schon waren – nicht nur ethisch-
    moralisch, sondern auch politisch und im Sinne einer
    wirksamen Krisenprävention. Wenn wir zurückblicken,
    können wir sagen: Die Europäische Menschenrechtskon-
    vention war ein großer Erfolg. Dieser Erfolg verpflichtet.

    Ich möchte damit schließen, allen Mitgliedern des
    Hauses, die sich in der Parlamentarischen Versammlung
    des Europarats eingesetzt und eine sehr wichtige Arbeit
    geleistet haben, genauso herzlich zu danken wie den
    zahllosen Aktivistinnen und Aktivisten der Nichtregie-
    rungsorganisationen, die ebenfalls unerlässlich sind für
    das Gelingen des Grundrechtsschutzes.

    Vielen Dank.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie der Abg. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger [F.D.P.] und des Abg. Wolfgang Gehrcke [PDS] – Joseph Fischer, Bundesminister, zur CDU/CSU gewandt: Das Wort des Aktivisten lässt Sie erschaudern! – Gegenruf des Abg. Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Das können wir unter „Leitkultur“ subsumieren!)