Rede von
Heidi
Lippmann-Kasten
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(PDS)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS)
Frau Präsidentin! Meine
Damen und Herren! Mit der Einsetzung der Weizsäcker-
Kommission bestand die Chance, eine grundlegende
Reform der Bundeswehr zu vollziehen. Aber mit den na-
hezu zeitgleich vom Verteidigungsminister präsentierten
Eckwerten wurde die längst überfällige gesellschaftliche
Debatte nicht nur über die Zukunft der Bundeswehr, son-
dern vor allem auch über ihren künftigen Auftrag verhin-
dert. Das, was Sie, Herr Scharping, kurz danach dem
Kabinett vorlegten, ist insofern keine Zäsur in der Bun-
deswehrplanung, als Sie krampfhaft an der Wehrpflicht
festhalten und die Personalstärke der Streitkräfte mög-
lichst hoch halten wollen.
Die Zäsur besteht aber darin, dass die Bundeswehr jetzt
auf voller Breite zu einer Interventionsarmee umgebaut
werden soll. Das beginnt mit der Aufhebung der Trennung
von Hauptverteidigungskräften und Krisenreaktionskräf-
ten und dem Aufbau von 150 000 so genannten Einsatz-
kräften. Das setzt sich fort in den neuen Führungsstruktu-
ren der Streitkräfte, zum Beispiel durch Bildung von neuen
Einsatzführungskommandos für künftige Auslandsein-
sätze. Das beinhaltet weit reichende Umrüstungen und
Hochtechnologisierung durch Kommunikations- und
Führungsmittel zur optimalen Steuerung der Einsätze, Sa-
tellitenaufklärung und Verbesserung der Abstands- und
Präzisionsfähigkeit.
Und das endet bei Neubeschaffungen, zum Beispiel
von Kampfhubschraubern, dem immer teurer werdenden
Wahnsinnsprojekt Eurofighter und von neuen Transport-
flugzeugen zur Verbesserung der strategischen Verlege-
fähigkeit. Das heißt im Klartext nichts anderes, als dass
die neue Interventionsarmee künftig schnellstmöglich in
die neuen Krisengebiete transportiert werden sollen, nach
dem Motto: höher, schneller, weiter, schlagkräftiger und
letztendlich – vielleicht – auch tödlicher.
Das, was Ihre „Allparteienkoalition minus PDS“, wie
es das Ministerium immer so schön formuliert, als umfas-
sende Modernisierung der Streitkräfte bezeichnet, bedeu-
tet nichts anderes als den umfassenden Ausbau der
Kriegsführungs- und Interventionsfähigkeit der Bundes-
wehr. Es ist Augenwischerei, wenn die Landes- und
Bündnisverteidigung weiterhin als Kern des Auftrags be-
zeichnet wird, denn die Planungen sind darauf ausgerich-
tet, künftig mindestens zwei Kriegseinsätze parallel be-
wältigen zu können. Damit meine ich nicht Einsätze wie
KFOR und SFOR, sondern neue Einsätze wie zum Bei-
spiel im Nahen Osten oder rund ums Kaspische Meer, wo
ein Kampf um Öl geführt wird.
Natürlich steht die Bundeswehr dabei künftig nicht al-
lein. Sie wird durch die EU mit ihrer neuen Militärunion
unterstützt, die ihre Streitkräfte auf bis zu 200 000 Solda-
ten ausbauen will. Auch die NATO hat mit ihrem neuen
strategischen Konzept ihren neuen Daseinszweck festge-
schrieben: Kriseninterventionismus mit – wie man kürz-
lich lesen konnte – bis zu 450 000 Einsatzkräften.