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ID1411701300

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Tagesordnungspunkt 1 a) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bun- deshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2001 (Haushaltsgesetz 2001) (Drucksache 14/4000) . . . . . . . . . . . . . 11183 A b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Finanzplan des Bundes 2000 bis 2004 (Drucksache 14/4001) . . . . . . . . . . . . . 11183 B Einzelplan 04 Bundeskanzleramt Michael Glos CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 11183 B Dr. Peter Struck SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11188 C Wolfgang Bosbach CDU/CSU . . . . . . . . . . 11195 D Dr. Angela Merkel CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 11196 A Dr. Peter Struck SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11196 D Dr. Wolfgang Gerhardt F.D.P. . . . . . . . . . . . . . 11197 B Rezzo Schlauch BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11202 B Dr. Guido Westerwelle F.D.P. . . . . . . . . . . . . . 11207 A Dr. Gregor Gysi PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11207 B Gerhard Schröder, Bundeskanzler . . . . . . . . . 11212 B Friedrich Merz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 11221 B Dr. Peter Struck SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11231 D Dr. Gregor Gysi PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11232 C Rezzo Schlauch BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11233 B Hans Eichel, Bundesminister BMF . . . . . . . . . 11233 D Günter Nooke CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 11236 C Oswald Metzger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11237 C Dr. Mathias Schubert SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 11239 A Einzelplan 14 Bundesministerium der Verteidigung Rudolf Scharping, Bundesminister BMVg . . . 11240 B Ulrich Adam CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 11244 B Rudolf Scharping, Bundesminister BMVg . . . 11244 D Paul Breuer CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11245 B Helmut Wieczorek (Duisburg) SPD . . . . . . 11247 B Rudolf Scharping SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 11248 D Angelika Beer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 11249 D Dirk Niebel F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11251 A Jürgen Koppelin F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . 11251 D Günther Friedrich Nolting F.D.P. . . . . . . . . . . 11252 C Heidi Lippmann PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11255 B Peter Zumkley SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11257 A Dietrich Austermann CDU/CSU . . . . . . . . . . . 11258 D Winfried Nachtwei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11261 C Kurt J. Rossmanith CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 11263 C Manfred Opel SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11265 B Plenarprotokoll 14/117 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 117. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 13. September 2000 I n h a l t : Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 117. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. September 2000II Einzelplan 23 Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesministerin BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11267 C Michael von Schmude CDU/CSU . . . . . . . . . 11270 A Dr. Angelika Köster-Loßack BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11271 C Joachim Günther (Plauen) F.D.P. . . . . . . . . . . 11273 C Carsten Hübner PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11274 D Detlef Dzembritzki SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 11276 A Peter Weiß (Emmendingen) CDU/CSU . . . 11276 B Joachim Günther (Plauen) F.D.P. . . . . . . . . 11278 A Klaus-Jürgen Hedrich CDU/CSU . . . . . . . . . . 11278 D Heidemarie Wieczorek-Zeul SPD . . . . . . . . . . 11280 C Klaus-Jürgen Hedrich CDU/CSU . . . . . . . . . . 11281 A Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11281 C Berichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11281 B Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . . 11283 A Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 117. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. September 2000
  • folderAnlagen
    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 117. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. September 2000 Heidemarie Wieczorek-Zeul 11281 (C) (D) (A) (B) Berichtigung 116. Sitzung, Seite 11113 (B) Zweiter Absatz, der zweite Satz ist wie folgt zu lesen: „Deswegen bitte ich, wirklich einmal zu überlegen – ein Gedanke, den Kol- lege Schäuble und ich schon zu Beginn der 90er-Jahre zum Ausdruck gebracht ha- ben –, ob es angesichts dieser Tatsachen, die ja letzten Endes im wirtschaftlichen Bereich liegen, nicht angemessen ist, eine Art politische Mitgliedschaft der Bei- trittsländer ins Auge zu fassen, sie dort zu beteiligen, wo man sie beteiligen kann und wo wir sie, beispielsweise bei der Innen- und Justiz- sowie der Migrationspoli- tik, dringend brauchen.“ Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 117. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. September 2000 11283 (C)(A) Brudlewsky, Monika CDU/CSU 13.09.2000 Dr. Eid, Uschi BÜNDNIS 90/ 13.09.2000 DIE GRÜNEN Elser, Marga SPD 13.09.2000 Fischer (Frankfurt), BÜNDNIS 90/ 13.09.2000 Joseph DIE GRÜNEN Hauer, Nina SPD 13.09.2000 Heyne, Kristin BÜNDNIS 90/ 13.09.2000 DIE GRÜNEN Hoffmann (Chemnitz), SPD 13.09.2000Jelena Marquardt, Angela PDS 13.09.2000 Dr. Meyer (Ulm), SPD 13.09.2000Jürgen Dr. Protzner, Bernd CDU/CSU 13.09.2000 Rauber, Helmut CDU/CSU 13.09.2000 Scheffler, Siegfried SPD 13.09.2000 Dr. Vollmer, Antje BÜNDNIS 90/ 13.09.2000DIE GRÜNEN Zapf, Uta SPD 13.09.2000 entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage zum Stenographischen Bericht Druck: MuK. Medien-und Kommunikations GmbH, Berlin
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Wolfgang Gerhardt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (F.D.P.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident!
    Meine Damen und Herren! Herr Bundeskanzler, ganz
    ernsthaft und ohne Ironie – auch der Kollege Struck hat es
    ja umfassend gewürdigt –: Ich gratuliere Ihnen uneinge-
    schränkt zu der Auszeichnung als Weltstaatsmann. Diese
    Auszeichnung wird von einem Gremium verliehen. Wir
    mögen hier im innerparteilichen Schlagabtausch manches
    an Ihrer Politik anders sehen; das besprechen wir jetzt.
    Aber: Herzlichen Glückwunsch!


    (Beifall bei der F.D.P., der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Michael Glos [CDU/CSU])


    Nur, Herr Kollege Struck, Sie haben schon gespürt,
    dass diese Auszeichnung sehr wenig in Ihre Reihen aus-
    strahlt.


    (Lachen bei der F.D.P. und der CDU/CSU)


    Das möchte ich Ihnen gleich zu Beginn sagen: Ein Frak-
    tionsvorsitzender im Deutschen Bundestag darf sich bei
    aller politischen Kontroverse mit anderen niemals zu sol-
    chen persönlichen Bemerkungen hinreißen lassen, wie
    Sie sie gegenüber dem früheren Bundeskanzler Kohl ge-
    tan haben.


    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Wir alle haben – nachdem Sie jetzt Platz genommen ha-
    ben, wissen Sie das – heute Morgen Souveränität und Stil
    in Ihren diesbezüglichen Ausführungen schmerzhaft ver-
    misst. Das muss zu Beginn klar festgestellt werden.


    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Nun komme ich zu den eigentlichen Themen. Herr

    Bundeskanzler, nachdem Sie diese große Auszeichnung
    bekommen haben, hoffen wir, die Bundestagsfraktion der
    F.D.P., dass Ihnen mit dieser Auszeichnung im Rücken ei-
    niges leichter von der Hand geht, was in diesem Herbst
    zur Entscheidung kommt. Lassen Sie mich bei einem ganz
    kleinen Thema anfangen und dieses dazu in Bezug setzen:
    Ein Weltstaatsmann mit Ladenschluss in Deutschland –
    das passt so nicht zusammen.


    (Heiterkeit und Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Ändern Sie mit uns im Herbst die Gesetzeslage. Der
    Hauptverband des Deutschen Einzelhandels hat seine
    Meinung geändert und schlägt nun auch vor, dass die La-
    deninhaber selbst entscheiden. Herr Bundeskanzler, der
    Weltstaatsmann und der Fraktionsvorsitzende der F.D.P.
    könnten gut zusammenfinden,


    (Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh!)


    weil wir doch fragen müssen: Warum um alles in der Welt
    sind die hier versammelten Abgeordneten verpflichtet
    und bereit, den Inhabern von Geschäften vorzuschreiben,
    wann sie öffnen und schließen dürfen? Das kann nicht
    sein.


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


    Weltstaatsmann und Österreich: Sind nun die Sank-
    tionen richtig aufgehoben, halb aufgehoben oder zu drei
    Viertel aufgehoben? Sie müssen das nachher sagen. Ich
    schlage Ihnen einfach vor: Mit diesem Titel im Rücken la-
    den Sie als Weltstaatsmann der Bundesrepublik Deutsch-
    land den benachbarten Kanzler der Republik Österreich
    nach Berlin ein, um eindeutig vor aller Öffentlichkeit
    klarzustellen, dass die Sanktionen aufgehoben sind.


    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Sie wissen es genauso gut wie ich: Die Sanktionen sind

    in die Hose gegangen. Sie haben in Dänemark Befürch-
    tungen ausgelöst, die das Referendum in eine falsche
    Richtung lenken können. Sie haben in der kleinen be-
    nachbarten Schweiz Befürchtungen ausgelöst, was mit je-
    nen geschieht, die als kleineres Land vielleicht dazukommen




    Dr. Peter Struck

    11197


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    möchten. Sie haben weltweit bei den kleinen Ländern den
    Eindruck erweckt, die Großen wollten den Kleinen Mores
    lehren.

    Das ist der psychologische Eindruck, den Sie erweckt
    haben, nicht die Sorge um eine Entwicklung in der Nach-
    barrepublik Österreich, die gefährlich werden könnte.
    Nein, die Souveränität des Umgangs mit benachbarten
    Staaten und mit allen Staaten der Welt gebietet es, Wahl-
    ergebnisse zu respektieren und Koalitionsvereinbarungen
    zur Kenntnis zu nehmen; es sei denn, Koalitionsver-
    einbarungen und die eingeleitete Politik widersprächen
    eklatant den Verträgen der Europäischen Union. Aber
    nicht die österreichische Politik widerspricht eklatant den
    Verträgen der Europäischen Union, sondern die Reaktion
    der 14 Staaten widerspricht eklatant den Verträgen der Eu-
    ropäischen Union.


    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Ich kann Ihnen eine Sorge nehmen – Herr Kollege

    Schlauch spricht nachher noch –: Nehmen Sie die Inter-
    netseite der österreichischen Grünen; sie denken so wie
    die deutsche F.D.P. Ich habe sie ausgedruckt mitgebracht.

    Auf Ihren Außenminister, der noch gestern einen Eier-
    tanz der Sonderklasse aufgeführt hat, brauchen Sie keine
    Rücksicht zu nehmen. Der Mann darf uns nicht mehr er-
    zählen, was er mit Menschenrechtenmeint. Ich habe ein
    Zitat von ihm. Er hat noch 1995 von einem barbarischen
    Krieg und grausamen Morden einer nuklearen Super-
    macht gegen ein kleines Kaukasusvolk gesprochen. Als
    der vorhin beschimpfte Bundeskanzler Kohl noch Verant-
    wortung hatte, hat er unsere Regierung aufgefordert, end-
    lich eine westliche Initiative gegen Moskau zu ergreifen.
    Als der Außenminister Fischer in Moskau beim Kriegs-
    herrn Putin war, hat er davon nichts mehr erwähnt. Des-
    halb gilt dies gar nicht mehr.


    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Wenn wir jetzt schon einiges unter dem großen Schirm

    verändern, dann schlage ich Ihnen vor: Machen Sie eine
    Kehrtwende bei der Ökosteuer. Als Weltstaatsmann geht
    das, weil Sie galaktisch denken müssen. Sie müssen auch
    die anderen sehen.


    (Heiterkeit und Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)


    Aus der innenpolitischen Auseinandersetzung wissen
    Sie doch: Die doppelte Dividende ist nicht möglich. Be-
    kanntlich sind die Rentenversicherungsbeiträge nicht so
    stark im Sinken begriffen, wie wir uns das gewünscht hät-
    ten. Der Stau auf den Autobahnen ist noch da. Die Öko-
    steuer drangsaliert eher die Autofahrer. Auch belastet sie
    – das wissen Sie doch – diejenigen, die keine S-Bahnsta-
    tion vor der Tür haben. Im Übrigen wird in diesem Win-
    ter, weil es auch die Heizölkosten betrifft, der Satz „Ihr
    müsst euch warm anziehen“ eine völlig neue Bedeutung
    gewinnen.


    (Heiterkeit und Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)


    Es sind eben nicht die bösen Ölscheichs und die Mine-
    ralölkonzerne, die immer herhalten müssen. Nein, es sind

    diesmal die Steuerbelastungen in der Bundesrepublik
    Deutschland. Die Frage von vorhin „Wissen Sie denn ge-
    nau, ob der Benzinpreis, wenn wir die Ökosteuer ausset-
    zen, nicht weitersteigt?“ ist so nicht zu beantworten. Aber
    eines wissen wir genau: Wenn Sie sie nicht aussetzen,
    steigt er auf jeden Fall. Diese Sicherheit hat der Bundes-
    kanzler der Bundesrepublik Deutschland.


    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Sie können auch schlecht den OPEC-Staaten anraten,

    die Produktion zu erhöhen, um weltweit einigermaßen
    Stabilität zu sichern und die großen Gesellschaften und
    die hoch technologisierten Gesellschaften nicht in soziale
    Instabilitäten zu stürzen. Wenn die OPEC-Staaten die Pro-
    duktion dauernd steigern, um in einer globalisierten Wirt-
    schaft einen weltweiten Beitrag zu leisten, der Weltstaats-
    mann in Deutschland die Ökosteuer aber dauernd erhöht,
    werden das die Scheichs nicht begreifen. Sie werden Ih-
    nen dann irgendwann sagen: Wenn Sie so handeln, dann
    brauchen wir auch die Produktion nicht zu erhöhen. Also
    aufpassen: Wer so einen Titel bekommt, muss Weitblick
    zeigen.


    (Heiterkeit und Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)


    Deshalb schlage ich Ihnen vor, noch in diesem Herbst eine
    entsprechende Erklärung abzugeben. Ich gebe hier sogar
    meine Meinung kund: Sie werden das in diesem Herbst
    tun. Sie werden die Ökosteuer aussetzen. Sie werden das
    nicht im Bundestag erklären; das war für Ihre Erklärun-
    gen auch nie der richtige Ort. Sie werden einen Autogip-
    fel installieren und dann werden Sie das Ganze erklären.
    Die Grünen werden es dann mitmachen, weil sie ohnehin
    keine Alternative mehr haben. So wird das früher oder
    später ablaufen.


    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Ich mache Ihnen sogar einen Vorschlag. Ich habe in

    meinem Kalender noch einmal vorgreiflich

    (Zuruf von der SPD: Handgreiflich!)


    geprüft: Der Verband der deutschen Automobilindustrie
    hat in absehbarer Zeit zu einem Empfang in Frankfurt ein-
    geladen. Ich nehme daran teil. Ich schlage vor, Frau Kol-
    legin Merkel kommt ebenfalls.


    (Friedrich Merz [CDU/CSU]: Ich komme auch!)


    – Sie kommen auch hin? – Dann kann der Bundeskanzler
    eine entsprechende Erklärung abgeben. Wir begrüßen
    diese Erklärung. Ich lasse vorsorglich eine Pressemittei-
    lung in der F.D.P.-Bundestagsfraktion anfertigen.


    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Ich empfehle für die F.D.P.-Fraktion eine weitere Kurs-

    korrektur in der Gesundheitspolitik. Im Übrigen rieche
    ich die Kurskorrektur schon förmlich.


    (Dr. Peter Struck [SPD]: Was?)

    Denn, Herr Bundeskanzler, Sie haben in der letzten Zeit
    einige bemerkenswerte Äußerungen zu diesem Sujet ge-




    Dr. Wolfgang Gerhardt
    11198


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    macht. Was Frau Fischer in der Gesundheitspolitik ange-
    fasst hat, ist alles unheilbar krank geworden.


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Wir hatten einen schlechten Gesetzentwurf und ein
    schlechtes Gesetz. Es wird budgetiert, reglementiert, kol-
    lektiv abgebucht, kollektiv zugeteilt; es ist ein Supermarkt
    ohne Preisschilder, bei dem niemand mehr Anreize für ein
    verantwortungsbewusstes Verhalten bekommt. Das ist
    das Ergebnis der Gesundheitspolitik.


    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Sie geben den Versicherten, die einzahlen, eigentlich

    überhaupt keine Rechte. Sie geben einer Schar von Milli-
    onen Versicherten nicht eine einzige Chance, selbst zu
    entscheiden: gegen oder für etwas, mit Selbstbehalt, ohne
    Selbstbehalt, mit Zuzahlung oder ohne Zuzahlung. Wer
    sich in der Woche fünf Tage krankschreiben lässt, bezahlt
    bei Erkältung dasselbe wie jemand, der ins Büro geht und
    einen starken Tee mitnimmt, damit er seine Arbeit ver-
    richten kann. Das ist kein gerechtes System.


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Sie werden diesen Marsch in das alte Kollektiv, in die
    alte Einheitsversicherung stoppen müssen. Sie müssen die
    Eigenverantwortung der Menschen stärken. Sie können
    soziale Kriterien einbeziehen für diejenigen, die nicht so
    zahlungsfähig sind, aber Sie können nicht ein Heer von
    Millionen Beitragszahlern über einen Kamm scheren.

    Sie werden bei den Kassen Wettbewerbs- und Ver-
    handlungslösungen vorschlagen müssen. Sie werden dazu
    beitragen müssen, dass das Vertrauensverhältnis Arzt/Pa-
    tient wieder ein echtes Vertrauensverhältnis wird und dass
    nicht der Patient zum Arzt kommt und der Arzt eine The-
    rapie untersagen muss, weil Frau Fischer reglementiert.

    Am Ende werden auch die Grünen das mitmachen
    müssen. Sie wissen, Herr Bundeskanzler, dass auf einem
    der größten Wachstumsmärkte der Welt, der Gesundheits-
    politik, in Deutschland Dilettantismus herrscht. Die Grü-
    nen werden das mitmachen, Frau Fischer wird gehen – das
    sagt ihr nur niemand richtig. Es ist höchste Zeit.


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Wenn Sie in diesem Herbst mit uns die Rentenreform
    weiter verhandeln, müssen dazu heute einige Bemerkun-
    gen gemacht werden, weil wir ja zu Recht Ihrem Appell
    gefolgt sind, in überparteiliche Gespräche einzutreten.
    Eine Bemerkung darf ich auch gegenüber dem Welt-
    staatsmann machen: Bei der letzten Bundestagswahl ha-
    ben Sie, Herr Bundeskanzler, all das, über was wir heute
    am Tisch mit Ihnen verhandeln und was die Union und wir
    schon damals in kleinen Schritten für angezeigt hielten,
    als „soziale Schweinerei“ bezeichnet.


    (Zurufe von der CDU/CSU: Hört! Hört!)

    Das muss hier erwähnt werden dürfen, weil sich jeder, der
    hier ein Mandat hat, merken muss, dass mit diesen grob-
    schlächtigen Argumenten kein Bundestagswahlkampf

    mehr geführt werden sollte, wenn man die Bevölkerungs-
    entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland, die wirt-
    schaftliche Lage, die Lebenserwartung und den Alters-
    aufbau kennt.


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Wir verhandeln mit Ihnen. Wir erleben jetzt kein Dif-
    famierungspotenzial mehr gegen die Freie Demokratische
    Partei, weil Sie wissen und ich weiß: Wir beide können
    das kleine Einmaleins nicht beiseite schieben und Adam
    Riese nicht überwältigen.

    Die von Ihrem Arbeitsminister vorgeschlagene Grund-
    richtung war richtig, den Menschen zu sagen, die gesetz-
    liche Rente wird es allein nicht mehr bringen. Wir brau-
    chen Aufbau privater Altersvorsorge, die Kombination
    macht ein Altersvorsorgeniveau aus. Das ist richtig. Nur,
    meine Fraktion hat für diese Erkenntnis von all denen, die
    mir heute hier im Plenum gegenübersitzen, ohne Ende
    Prügel bezogen. Das muss doch einmal gesagt werden in
    der Bundesrepublik Deutschland.


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Jetzt allerdings – das muss ich Ihnen vorhalten – be-
    ginnt aufgrund der Gespräche, die Sie mit dem Deutschen
    Gewerkschaftsbund geführt hatten, das Ganze, sich zulas-
    ten der jungen Generation zu neigen. Der Sachverständi-
    genrat hat für die sozialen Sicherungssysteme zwei Voka-
    beln genannt: Fairness und Generationengerechtigkeit.
    Ihre Verhandlungsergebnisse zur Beruhigung Ihrer ge-
    werkschaftlichen Milieus in der SPD gehen eindeutig zu-
    lasten der jungen Generation.


    (Beifall bei der F.D.P.)

    Wenn am Ende noch nicht einmal der zunächst ange-

    peilte Beitragssatz von 22 Prozent für die Zeit nach 2020,
    2030 gesichert werden kann, sondern wir schon jetzt le-
    sen müssen, dass der Beitragssatz sehr wahrscheinlich die
    23-Prozent-Marke übersteigen wird, und den Hinweis des
    Bundesarbeitsministers hören, man könne dies in den
    Griff bekommen, weil es ab 2010 noch Stellschrauben bei
    der gesetzlichen Rentenversicherung gebe, dann sage ich
    Ihnen, wie ich hier stehe: Niemand in der zukünftigen
    jungen Generation wird bereit sein, zulasten seiner Ar-
    beitsmarktchancen in ein System mit dieser Beitragshöhe
    zu gehen; niemand wird mit dem Bewusstsein in ein Sys-
    tem einzahlen, dass bei ihm nach 2010 noch an Stell-
    schrauben gedreht werden kann. Jeder wird sein Geld lie-
    ber in eine private Kapitaldeckung tragen.


    (Beifall bei der F.D.P.)

    Deshalb sage ich Ihnen für die F.D.P.-Fraktion: Wir

    werden an den Gesprächen weiter teilnehmen. Wir wis-
    sen, dass die Bundesrepublik Deutschland eine Reform ih-
    rer sozialen Sicherungssysteme braucht. Aber ich sage Ih-
    nen vorsorglich auch, dass wir ein Ergebnis mit einem
    Beitragssatz von 22 plus 4 oder gar einen vorhersehbaren
    Beitragssatz von über 22 Prozent nicht akzeptieren werden.
    Wir sind es unendlich leid, immer nur Reparaturbetriebe zu




    Dr. Wolfgang Gerhardt

    11199


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    haben. Wir wollen jetzt eine funktionsfähige, generatio-
    nenübergreifende Reform.


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Wir haben in diesem Herbst die Abstimmung über das
    Vermittlungsausschussergebnis zur Steuerreform vor
    uns. Die F.D.P.-Bundestagsfraktion hat durch kluge Ver-
    handlungen und verantwortungsbewusstes Verhalten
    auch des Kollegen Rainer Brüderle erkennen lassen, dass
    wir einen Kompromiss mittragen, um überhaupt einen
    ersten Schritt zu erreichen. Aber dies ist nicht unsere ab-
    schließende Vorstellung von einer Steuerreform; dies ist
    lediglich ein erster Schritt. Im Übrigen warne ich davor,
    Herr Kollege Struck, zu sagen, Sie erreichten damit eine
    große Beschäftigungsdynamik. Wir haben noch keine
    ausreichende Beschäftigungsdynamik in Deutschland;
    wir haben eher einen demographischen Abgang in den
    Ruhestand als eine wirkliche Vermehrung von Arbeits-
    plätzen.


    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Wir werden also dem Steuerreformgesetz zustimmen.

    Wir prüfen jetzt, ob im Gesetzentwurf alle Zusagen ein-
    gehalten worden sind. Für uns war ganz entscheidend, die
    gröbste Diskriminierung gegenüber dem Mittelstand zu
    beseitigen: die Besteuerung bei Betriebsveräußerungen.


    (Dr. Gregor Gysi [PDS]: Das haben wir schon rausgehandelt!)


    – Das war prima, Herr Gysi. Die Einzigen, die es nicht
    rausgehandelt haben, waren die Grünen, die in der Öf-
    fentlichkeit immer so tun, als seien sie die Sachanwälte
    der Kleinen. Die Grünen haben sich in dieser Frage völlig
    über den Tisch ziehen lassen.

    Wir haben das jetzt korrigiert. Aber, Herr Bundeskanz-
    ler, Sie wissen es wie ich: Die Spanne der unterschiedli-
    chen Besteuerung von Kapitalgesellschaften, Personen-
    gesellschaften, Unternehmen und Unternehmern ist in
    Deutschland immer noch groß; die Schere muss ge-
    schlossen werden. Es darf keine Diskriminierung von
    Einkommen geben. Das bleibt weiter auf der Tagesord-
    nung.


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Im Übrigen ist auch eine Steuersenkung im Jahr 2005
    angesichts der Dynamik, die Ihr Kollege Struck hier ver-
    kündet, zu spät. Wenn die Steuereinnahmen so aussehen,
    wie Sie es selbst verkünden, sollten Sie früher mehr von
    diesen Steuereinnahmen an die Bürgerinnen und Bürger
    zurückgeben. Die Freie Demokratische Partei wird auf
    diesem Kurs bleiben.


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Herr Bundeskanzler, nach Schätzungen der Weltbank
    verdanken die reichen Länder zwei Drittel ihrer Wert-
    schöpfung dem Humankapital, also den Menschen. Damit
    wissen Sie wie ich, dass eine der größten Investitionen in
    der Bundesrepublik Deutschland in die Bildungs- und
    Qualifikationssysteme gehen muss, weil die Herausforde-

    rung nur mit der Fähigkeit von Menschen gemeistert wer-
    den kann, die die explosive Entwicklung begreifen. Die
    Konsensdemokratie, die Sie über runde Tische und viele
    Gremien so meisterhaft organisieren – das ist in der Öf-
    fentlichkeit etwas Beliebtes und von Journalisten Bewun-
    dertes und überall Beschriebenes –, stößt damit an ihre
    Grenze. Sie müssen das Instrument Konsensdemokratie
    mit runden Tischen und großen Gipfeln mit den wirkli-
    chen Zukunftsaufgaben der Bundesrepublik Deutschland
    abgleichen. Sie werden mit nur einem Modell der Kon-
    sensdemokratie nicht weiterkommen. Sie müssen auch
    Fragen streitig stellen und durch Mehrheiten entscheiden.
    Sie werden manche Fragen nicht einstimmig entscheiden
    können.

    Lassen Sie mich Ihnen eine Frage vorlegen, bei der Sie
    mit dem Modell Konsensdemokratie noch eine Weile ar-
    beiten können, bei der Sie aber ebenso wie ich wissen,
    dass wir eine Entscheidung treffen müssen: 40 Prozent der
    deutschen Bevölkerung werden in absehbarer Zeit 60
    Jahre und älter sein. Das liegt auf der Hand. Das Datum
    kennen wir. 15 Prozent werden 20 Jahre und jünger sein.
    Heute liegt das viel enger beieinander, nämlich bei 23 und
    24 Prozent. Die Konsequenzen solcher Daten können Sie
    bei Konsensgesprächen mit den Gewerkschaften über die
    Rente nicht beiseite schieben. Sie haben es aber anschei-
    nend getan. Die Kenntnis solcher Daten können Sie bei
    dem Thema Einwanderung nicht mit einer Kommission
    beiseite schieben. Sie wissen wie ich: Die Green-Card-
    Regelung ist keine ausreichende Antwort auf diese Be-
    völkerungsentwicklung.


    (Beifall bei der F.D.P.)

    Deshalb sage ich Ihnen: Ihre konsensdemokratische

    Antwort der Einrichtung einer Kommission, konsens-
    demokratisch mit Frau Professor Süssmuth an der Spitze,
    ist nicht die ausreichende Antwort auf die im Jahre 2000
    tatsächlich erkennbaren Daten. Sie wissen wie ich, dass es
    besser wäre, wenn wir uns sofort über eine klare gesetzli-
    che Grundlage der Einwanderung nach Deutschland ei-
    nigten, um national bestimmen zu können, wie viele und
    wer zu uns kommen kann. Zu den Reihen der Union sage
    ich: Machen Sie sich auf, diesen Weg mitzugehen. Es ist
    besser, wir gehen diesen Weg frühzeitig, bewältigen das
    Problem heute, machen eine klare gesetzliche Grundlage
    und laden die besten Köpfe der Welt nach Deutschland
    ein, anstatt nichts zu regeln, trotzdem eine Einwanderung
    zu bekommen und mehr in das soziale Netz als in den
    wirtschaftlichen Aufbau unseres Landes investieren zu
    müssen. Das ist die Herausforderung, die sich uns stellt.


    (Beifall bei der F.D.P.)

    Wir werden aber gleichzeitig vielen unserer Mitbürge-

    rinnen und Mitbürgern sagen müssen: Eine Gesellschaft
    wie die deutsche behält nicht Innovationskraft und Stabi-
    lität, wenn immer mehr und mehr in unserer Gesellschaft
    glauben, dass wir das Vorhandene behalten können, ohne
    eigene Kinder aufzuziehen. Das ist die andere logische
    Seite der Medaille. Eine Gesellschaft, die in einen solchen
    Altersaufbau läuft, verliert an Innovationskraft, weil der
    Reibungsdruck und der Fragedruck der jungen Genera-
    tion gegenüber der älteren nachlässt. Das muss bewältigt
    werden, das ist die Aufgabe. Da hilft kein runder Tisch,




    Dr. Wolfgang Gerhardt
    11200


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    sondern nur ein klarer Kopf. Deshalb müssen wir jetzt
    eine solche Regelung machen.


    (Beifall bei der F.D.P.)

    Die Vorgänge der letzten Monate, die rechtsradikalen

    Ausschreitungen bis hin zur Ermordung ausländischer
    Mitbürger, müssen uns herausfordern. Es wird nicht damit
    getan sein, Ausbildungsplätze und Arbeitsplätze zu schaf-
    fen. Es gibt auch Arbeitsplatzbesitzer, die im Kopf ge-
    nauso schäbig über Ausländer denken wie Arbeitslose. Es
    muss einen großen gesellschaftlichen Anlauf in allen
    deutschen Schulen und Gemeinden geben: überall wo wir
    Eltern, Familien, Kinder, Ausbilder und Meister in Be-
    trieben treffen.

    Sie mögen jetzt schon alle insgeheim verteilt haben,
    wie der Ertrag und die Zinsersparnis aus den UMTS-
    Lizenzen ausgegeben werden sollen. Ich mache Ihnen den
    Vorschlag, einen erneuten, gut finanzierten Anlauf zur po-
    litischen Bildung in Deutschland zu unternehmen, offen
    über die erzieherische Qualität von Schulen in Deutsch-
    land zu diskutieren und uns gemeinsam mit Gewerk-
    schaftlern, Ausbildungsbetrieben, Meistern und Familien
    auf den Weg zu machen. Ein Gemeinschaftskundeunter-
    richt in Deutschland allein bringt es anscheinend nicht
    mehr. Wir müssen alle aufbrechen, um Mentalitäten zu
    verändern. Das sollte uns das Geld wert sein. Wir haben
    es, wir könnten es und müssen es jetzt tun. Ein Verbot der
    NPD reicht nicht.


    (Beifall bei der F.D.P.)

    Wir brauchen in Deutschland eine wirkliche Offensive

    in Spitzentechnologien. Das alte Modell der Grünen, der
    Bürokratisierung von Fortschritt, ist zu Ende. Jürgen
    Trittin ist die Personifizierung eines gedanklichen Aus-
    laufmodells.


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Wir müssen eine mentale Veränderung hin zu einer Spit-
    zenentwicklung bringen und brauchen im Übrigen eine
    Lockerung unserer Wachstumsbremsen beim Alter. Ich
    habe neulich mit großer Freude, aber auch etwas mit Iro-
    nie, eine Bemerkung des Präsidenten des DIHT, Hans
    Peter Stihl, den ich sehr schätze, gelesen, man müsse
    die Lebensarbeitszeit verlängern. Ich habe gedacht: Ja
    wären wir wenigstens schon bei 65. Momentan scheidet
    man mit unter 60 Jahren aus dem Erwerbsleben aus. Viele
    Vertreter der deutschen Wirtschaft haben noch vor weni-
    gen Jahren in Kenntnis all der Daten, die ich hier vortrage,
    geglaubt, man könne große Frühverrentungsprogramme
    auflegen.


    (Walter Hirche [F.D.P.]: Richtig!)

    Wenn wir über eine Lockerung der Wachstumsbrem-

    sen im Alter reden, dann sollten wir nicht nur über die Ver-
    gangenheit, sondern auch über die Zukunft reden. Frühe-
    rer Berufseintritt, bessere Schullaufbahnen und bessere
    Hochschulstudiengänge wären besser für das volkswirt-
    schaftliche Produkt der Bundesrepublik Deutschland.


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Wir brauchen – um ein weiteres umstrittenes und
    der Bevölkerung nicht ausreichend vermitteltes Ziel
    anzusprechen – die Osterweiterung der Europäischen
    Union als deutsche Zukunftsinvestition größten Aus-
    maßes.


    (Beifall bei der F.D.P.)

    Der deutsche Export in die osteuropäischen Länder ist
    höher als der in die Vereinigten Staaten von Amerika. Die
    osteuropäischen Länder suchen europäische Orientie-
    rung. Wenn wir sie ihnen nicht geben, dann werden wir es
    in diesen Ländern mit Entwicklungen zu tun haben, die
    einen Rückfall in den Nationalismus bedeuten, dessen
    Trümmer wir noch überall in Europa sehen können.


    (Beifall bei der F.D.P.)

    Da können Sie sich, Herr Bundeskanzler, einmal austoben
    und Ihre Blockadepolitik betreiben; denn in den osteuro-
    päischen Ländern werden Sie dann Kräfte vorfinden, mit
    denen verglichen die FPÖ und ihre Gedankenwelt ein
    Kinderspiel sind.

    Alles muss darauf hinauslaufen, die Bedenken von
    Menschen ernst zu nehmen, die Risiken aufzuzählen und
    Übergangsfristen zu vereinbaren. Die politische Führung
    muss den Weg engagiert und couragiert gehen. Das alles
    wird in der öffentlichen Debatte zu wenig beachtet.
    Wenn die politische Führungsklasse der Bundesrepublik
    Deutschland nur Bedenken anmeldet und nicht auch die
    Chancen sieht, dann wird das für uns Stabilitätsverluste
    bedeuten. Wir werden Stabilität in der Bundesrepublik
    Deutschland nicht erhalten können, wenn es den Ländern
    in Mittel- und Osteuropa nicht gelingt, eigene ökonomi-
    sche und politische Stabilität zu gewinnen, wenn wir eine
    Insel der Stabilität sind. Das ist die eigentliche Heraus-
    forderung, vor der wir stehen.


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Herr Bundeskanzler, Sie haben den Euro zuerst nicht
    so recht gewollt, als er eingeführt wurde. Jetzt reden Sie
    ihn gewaltig schön. Der schwache Euro, so haben Sie neu-
    lich erklärt, sei aufgrund der höheren Auslandsumsätze
    eher ein Anlass zur Freude als zur Sorge.


    (Ulrich Heinrich [F.D.P.]: Die Börse hat darauf reagiert!)


    Das stand auch in einem Vermerk meiner Mitarbeiter, aber
    nur im ersten Teil. Wenn man ihn weiterliest, kommt man
    zu der Stelle, an der meine Mitarbeiter weiter vermerkt
    haben: „Fatal: Abwertungsbedingte Exportvorteile sind
    nur von kurzer Dauer, wenn nicht gleichzeitig Struktur-
    reformen greifen“.


    (Michael Glos [CDU/CSU]: Sehr wahr!)

    Sie täuschen eine Wettbewerbsfähigkeit vor, die nicht aus
    innerer Stärke entsteht. Ich glaube, Ihre Beamten müssen
    Ihnen etwas Ähnliches aufgeschrieben haben. Sie haben
    es nur nicht vorgetragen. Aber Sie müssten es vortragen.


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)





    Dr. Wolfgang Gerhardt

    11201


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    Ich möchte noch etwas ergänzen: „Die Euro-
    Schwäche“, so haben mir meine Mitarbeiter aufgeschrie-
    ben, „bedeutet Verengung der Verteilungsspielräume“.
    Das muss doch für Sie ein besonderes Alarmzeichen sein.
    „Dies erschwert nicht nur die lohnpolitischen Auseinan-
    dersetzungen, sondern nimmt auch der Finanzpolitik
    Handlungsraum“, haben meine Mitarbeiter hinzugefügt.
    „Die Euro-Schwäche“, so denken meine Mitarbeiter, „ist
    auch Ausdruck dafür, dass das Vertrauen der internationa-
    len Kapitalmärkte schwindet und dass der Euro-Raum
    ökonomisch mit anderen Konkurrenten in der Welt nicht
    mithalten kann“. Sie begründen das auch mit einem Hin-
    weis. Fabius – komischerweise tragen alle Finanzmin-
    ister, die so agieren, einen französisch klingenden Namen;
    wir hatten ja auch einmal so einen – sagt der EZB ganz ne-
    benbei, so wie früher Lafontaine der Bundesbank: Es
    wäre ganz gut, wenn die EU ein Inflationsziel vorgäbe
    und dem währungspolitischen Pol EZB einen wirtschafts-
    politischen Pol entgegensetzen würde. Wer so etwas
    äußert, der redet den Euro in den Keller. Das sollte ganz
    klar festgestellt werden.


    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Herr Bundeskanzler, mich interessiert neben der Dis-

    kussion in der Bundesrepublik Deutschland vor allem die
    Frage, wie Sie Ihr Politikmodell der Konsensdemokratie
    und der großen runden Tische jetzt allmählich auf die Zu-
    kunftsaufgaben ausrichten wollen. Ihre Äußerungen zum
    Thema „Euro“ waren noch nie das Gelbe vom Ei. Sie
    müssen in diesem Herbst eine Entscheidung treffen. Herr
    Bundeskanzler, Sie sind sehr elegant als Autokanzler in
    den Sommer gestartet. Aber Sie müssen, wenn Sie wei-
    terhin so kurzfristig wie bisher denken, aufpassen, dass
    Sie am Ende des Jahres nicht liegen bleiben, weil Ihnen
    der Sprit ausgegangen ist.

    Herzlichen Dank.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)




Rede von Dr. h.c. Wolfgang Thierse
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Ich erteile das Wort
dem Kollegen Rezzo Schlauch, Bündnis 90/Die Grünen.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Rezzo Schlauch


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Haushalt
    2001 ist wie sein Vorgänger ein echter Reformhaushalt.
    Reformhaushalt heißt: Während Sie in der alten Regie-
    rungszeit von Schwarz-Gelb jährlich durchschnittlich
    60 Milliarden DM Nettoneuverschuldung aufgehäuft ha-
    ben, reduzieren wir die Nettoneuverschuldung im lau-
    fenden Jahr auf 49 Milliarden DM und im jetzt anstehen-
    den Haushalt auf unter 45 Milliarden DM. Und – das ist
    auch Reformhaushalt –: Mit diesem Sparkurs eröffnen wir
    Gestaltungsräume, in denen wir aufbauen, in denen wir
    investieren, in denen wir soziale und ökologische Refor-
    men auf den Weg bringen. Meine Damen und Herren, wir
    sparen real das erste Mal seit langem in der Geschichte
    dieser Haushalte, indem wir mit den UMTS-Erlösen in
    Höhe von circa 100 Milliarden DM den von Ihnen aufge-
    türmten Schuldenberg von 1 500 Milliarden DM auf real
    1 400 Milliarden DM reduzieren.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Herr Glos, wenn Sie sagen – das sagen aber nicht nur
    Sie –, Rot-Grün habe unverschämtes Glück und der Fi-
    nanzminister sei der Hans im Glück, dann sage ich: Ja, wir
    haben Glück. Es ist aber das Glück der Tüchtigen: der
    tüchtigen rot-grünen Haushälter, der tüchtigen Fraktionen
    und des tüchtigen Finanzministers Eichel,


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    die diesen teilweise sehr schmerzhaften Sparkurs nach jah-
    relanger Miss- und Schuldenwirtschaft durch Schwarz-
    Gelb eingeschlagen haben und den wir zusammen konse-
    quent fortsetzen: zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger
    und zum Wohle unseres Landes.

    Sie haben unser Land über Jahre hinweg in den Re-
    formstau geführt. Anstelle der notwendigen Veränderun-
    gen, so wie sie nahezu alle Nachbarländer schon lange
    eingeleitet hatten, haben Sie das Geld unserer Kinder un-
    besorgt ausgegeben.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Dieses Versäumnis hat unser Land viel Zeit und Geld ge-
    kostet und uns im internationalen Ranking tief absinken
    lassen. Dieses Versäumnis wird uns noch lange begleiten
    und viele Anstrengungen kosten. Anstatt aber mit einer
    konstruktiven Opposition dazu beizutragen, diesen Stau
    aufzulösen, mit zukunftsfähigen Ideen und Konzepten mit
    uns in einen Wettbewerb zu treten, hadern Sie mit sich
    selbst und räsonieren über die Regierungskoalition ins
    Leere.

    Bei der Steuerreform, die Herr Merz – er ist gerade
    nicht da –


    (Michael Glos [CDU/CSU]: Er muss auch mal!)


    für Ihre Partei und für Ihre Fraktion grandios in den Sand
    gesetzt hat, spielen Sie immer noch die beleidigte Leber-
    wurst.

    Bei der Ökosteuer geben Sie den wild gewordenen
    Corridastier, der mit ein paar Banderillas im Rücken
    blindlings durch die Arena bockspringt.


    (Michael Glos [CDU/CSU]: Na so was!)

    – Ich weiß, Sie verstehen das nicht. Es ist Ihnen zu wenig
    bayerisch, Herr Glos.


    (Michael Glos [CDU/CSU]: Das ist Pamplona!)


    Ein bissle international soll es auch hier sein.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

    Bei der Rentenreform,Herr Glos, schwanken Sie zwi-

    schen dem bayerischen „niemals nicht“ und der merkel-
    schen Unentschiedenheit. Aber egal, wie Sie es anstellen,
    die Koalition zieht ruhig ihre Bahnen.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Trotz aller negativen Prognosen – wir haben sie alle

    noch deutlich im Ohr, Stichwort „Das schaffen die nie“ –




    Dr. Wolfgang Gerhardt
    11202


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    haben wir das Sparpaket durch den Bundesrat gebracht.
    Trotz unverbrüchlicher gegenseitiger Schwüre innerhalb
    der CDU – „Die schwarze Front steht“ – haben wir auch
    die Unternehmensteuerreform durch den Bundesrat ge-
    bracht, obwohl wir dort bekanntlich keine Mehrheit hat-
    ten.

    Herr Repnik, damit haben wir Ihrem jahrelang ge-
    pflegten Argument, die rot-grüne Bundesratsmehrheit
    habe die schwarz-gelbe Steuerreform blockiert, endgültig
    den Zahn gezogen. Wir haben nämlich beide umfangrei-
    che Reformprojekte ohne eigene Mehrheit durch den
    Bundesrat gebracht, weil wir intelligent vorgegangen
    sind,


    (Lachen bei der CDU/CSU)

    weil wir gut verhandelt haben und weil wir nicht, wie
    Schwarz-Gelb, mit dem Kopf durch die Wand wollten.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Hans-Peter Repnik [CDU/ CSU]: Gekaufte Republik!)


    Wie war das noch, Herr Merz, Herr Schäuble und Herr
    Repnik, als Sie die Häme über uns ergossen haben: Die
    können es nicht? Ob Sie da heute noch so sicher sind,
    möchte ich Sie gar nicht erst ernsthaft fragen.


    (Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Warten Sie einmal ab!)


    3,3 Prozent Wachstum von Januar bis Juni dieses Jah-
    res. Die Deutsche Bank geht von 3,3 Prozent realem
    Wachstum für das ganze Jahr und von 3,6 Prozent für das
    nächste Jahr aus. Das sind die höchsten Zahlen seit 1994.


    (Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Auch bei der Inflation seid ihr oben!)


    Das heißt, Sie haben die ganze Legislaturperiode von
    1994 bis 1998 verschenkt.

    Das höchste Ziel unserer Regierung – so haben wir das
    auch festgeschrieben – ist die Reduzierung der Arbeits-
    losigkeit. Die Möglichkeit der Beschäftigung – das wis-
    sen wir alle – ist Voraussetzung für eine individuelle Le-
    bensgestaltung, für gesellschaftliche Teilhabe und für
    materielle Sicherheit. Im zweiten Quartal dieses Jahres
    waren 731 000 Menschen mehr als im Jahr davor be-
    schäftigt. Eine drei viertel Million Menschen mehr war an
    der Erbringung unserer Wirtschaftsleistungen beteiligt.
    Das ist eine reale Zunahme um nahezu 2 Prozent. Mit dem
    JUMP-Programm haben wir die Jugendlichen erfolgreich
    von der Straße geholt. Insgesamt haben wir die geringste
    Arbeitslosenquote seit vier Jahren.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Wir setzen die größte Steuerreform in der Geschichte
    der Bundesrepublik um. Herr Repnik, wir tun dies ohne
    Sie, weil Sie und Herr Merz es vorgezogen haben, den
    Kopf trotzig wie der kleine Bub in den Sand zu stecken
    und die Realität nicht wahrzunehmen.


    (Beifall des Abg. Hans Georg Wagner [SPD])


    Sie wollten nicht sehen, dass die ganze Gesellschaft, dass
    die Wirtschaft, dass die Bürger und dass sogar von Ihnen
    regierte Länder auf diese Reform gewartet haben, dass sie
    diese Reform wollten und für richtig gehalten haben. Aber
    Herr Merz, der Verhandlungsführer, wollte nicht. Da war
    Herr Merz plötzlich allein zu Haus. Lieber Herr Kollege,
    das ist nicht Politik. Das, was Sie gemacht haben, ist ge-
    radezu Verweigerung von Politik.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Schon in Erwartung der Steuerreform sind die Investi-
    tionen im zweiten Quartal dieses Jahres um 8,2 Prozent
    gestiegen. Die Wirtschaftsforschungsinstitute haben ein
    zusätzliches halbes Prozent an Wachstum allein durch die
    Steuerreform prognostiziert. Rund eine halbe Million
    zusätzlicher Arbeitsplätze wird in den nächsten Jahren
    infolge der positiven Wirkungen unserer Steuerreform er-
    wartet. Es geht um ein Entlastungsvolumen von ins-
    gesamt rund 62 Milliarden DM pro Jahr, die bei den Bür-
    gern und den Unternehmern im Geldbeutel verbleiben
    und für Investitionen zur Verfügung stehen.


    (Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Im Jahr 2005! 60 Milliarden DM mehr für die Ökosteuer!)


    – Herr Repnik, hören Sie zu. Vielleicht können Sie doch
    noch etwas lernen. – Über 50 Prozent des Entlastungsvo-
    lumens fließen allein den privaten Haushalten zu. Fast
    40 Prozent, Herr Gerhardt, fließen dem Mittelstand zu.

    Jetzt können wir uns darüber streiten, wer mehr dafür
    getan hat. Wir haben mit durchgesetzt, dass die Gewer-
    besteuer angerechnet worden ist. Das war ein ganz er-
    heblicher Batzen für den Mittelstand. Wir haben auch mit
    durchgesetzt, dass die Tarife gesenkt werden. Wenn Sie
    zum Schluss noch ein Sahnehäubchen draufbekommen
    haben,


    (Dr. Gregor Gysi [PDS]: Nein, wir!)

    dann gönne ich Ihnen das gerne. Nur müssen Sie dann
    dazu sagen, dass die F.D.P. mit dem Herrn Brüderle aus
    Rheinland-Pfalz vorneweg für die Steuerreform und mit
    Bremsern wie Döring und Ihrer Frau Wagner in Hessen
    gegen die Steuerreform war. So kennen wir die F.D.P.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Wolfgang Gerhardt [F.D.P.]: Jetzt haben Sie aber Ihr Pulver verschossen!)


    Auch Sie, Herr Gerhardt, haben ja vorhin die Schwie-
    rigkeiten personifiziert, indem Sie an die Union appelliert
    haben, sie möge sich doch bei der Frage der Einwande-
    rung etwas bewegen. Dazu kann ich nur sagen: Wer zu-
    gleich mit dem profiliertesten Gegner dieser Einwande-
    rungspolitik, der gegen sie im Wahlkampf eine unsägliche
    Kampagne aufgezogen hat, koaliert, hat doch offensicht-
    lich Schwierigkeiten. Dessen Inneres ist doch offensicht-
    lich geteilt.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Dr. Gregor Gysi [PDS]: Da ist etwas dran, Herr Westerwelle!)





    Rezzo Schlauch

    11203


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    Herr Kollege Merz, Ihnen rate ich: Machen Sie nicht
    den gleichen Fehler bei der Rentenreform. Machen Sie
    dabei mit.


    (Dr. Wolfgang Gerhardt [F.D.P.]: Bei welcher?)


    Die Beitragssatzstabilität hat höchste Priorität. Auch da
    gebe ich Ihnen, Herr Gerhardt, gerne Recht. Unsere Poli-
    tik wird dieser Priorität gerecht werden. Wir werden auch
    bei Zugeständnissen an die Gewerkschaften an einer ge-
    rechten Verteilung der Lasten festhalten. Die Reform darf
    nicht teurer werden, es darf keine weitere Verschiebung
    der Lasten in die Zukunft und damit auf die junge und
    mittlere Generation geben.


    (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


    Aber – das ist der Widerspruch bei Ihnen – mit Ihrer Op-
    position gegen die Ökosteuer planen Sie, liebe Kollegen
    von der F.D.P. und der Union, nichts anderes. Sie wollen
    die Rente für die jüngere Generation teurer machen.

    Gegenüber dem letzten Jahr, in dem Sie die Regierung
    stellten, sind die Beitragssätze im Jahr 2000 um 1 Pro-
    zentpunkt gesunken. Das ist nur dank der Ökosteuer mög-
    lich. Im Jahre 2000 fließen 17 Milliarden DM und im
    Jahre 2001 23Milliarden DM an Einnahmen aus der Öko-
    steuer direkt in die Rentenversicherung. Ich habe noch
    keinen Vorschlag von irgendeinem von Ihnen gehört, wie
    man diese Lücke schließen sollte. Das ist unseriös.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Ich kann Ihnen nur sagen: Wir verstehen etwas von Op-
    positionsarbeit. Wir waren lange genug in der Opposition.
    Wir hätten uns aber geschämt, so unseriös Opposition zu
    machen wie Sie.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Lachen bei der CDU/CSU – Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Das könnt ihr bald wieder beweisen!)


    Das Prinzip, Arbeit zu verbilligen und Ressourcen-
    verbrauch zu verteuern, ist ökologisch und sozial richtig.
    Dr. Schäuble hat dies schon vor Jahren erkannt. Heute ah-
    nen ja viele von Ihnen, dass er nicht der Schlechteste war
    für die Aufgabe, Sie zu führen. Es haut aber fast dem Fass
    den Boden aus, wenn man liest, dass Herr Lippold, einer
    aus Ihrer Ökoriege, sofern man überhaupt davon sprechen
    kann, jetzt eine CO2-Steuer – das ist ja eine Steuer auchauf das Benzin – und eine Maut für Lkw fordert. Das ist
    doch der Gipfel der Heuchelei: auf der einen Seite die
    Brummis gegen die Regierung hetzen, aber selber eine
    LKW-Maut und eine Ökosteuer fordern. Dazu kann ich
    nur sagen: Diese Arbeitsteilung, nach vorne eine platte
    Kampagne führen und für ein paar Interessenverbände et-
    was Differenzierteres vorlegen, lassen wir Ihnen nicht
    durchgehen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Dr. Peter Ramsauer [CDU/ CSU]: Sie brauchen nicht so zu brüllen! Ist ja furchtbar!)


    Durch die Ökosteuer ist es gelungen, das Umdenken
    bei den Herstellern und Verbrauchern zu verstärken bzw.
    einzuleiten. Geringerer Verbrauch und die Entwicklung
    alternativer Antriebstechniken sind heute und morgen das
    Terrain, auf dem der Wettbewerb der Automobilhersteller
    entschieden wird. Das ist gut und vernünftig so, weil da-
    durch CO2-Emissionen reduziert, die Umwelt geschontund die deutschen Hersteller bei weltweit steigenden Ener-
    giepreisen auf dem Weltmarkt wettbewerbsfähiger wer-
    den. Es ist derzeit einfach ein Vergnügen, die Anzeigen
    der Automobilindustrie zu lesen. Diese werben nicht
    mehr mit mehr Leistung, sondern mit weniger Verbrauch.
    Zum Beispiel: „TDI-Fahrer ärgern sich über die aktuellen
    Benzinpreise garantiert nicht“. Offensichtlich fährt bei Ih-
    nen überhaupt keiner TDI, denn Sie ärgern sich nur. Die
    Leute aber freuen sich lieber über den geringen Verbrauch
    und natürlich über weniger Tankquittungen. Das ist genau
    das, was wir durch die Ökosteuer erreichen wollten.

    Energie sparen und Effizienzevolution, das ist bei allen
    Technologien, die Energie verbrauchen, der effektivste
    Weg, die Umwelt zu entlasten. Es ist auch der effektivste
    Weg, sich – Herr Gerhardt, jetzt komme ich noch einmal
    zu Ihnen – aus der Abhängigkeit des OPEC-Kartells zu
    entfernen,


    (Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Sie entfernen sich von den Leuten!)


    und es ist der effektivste Weg, die Umwelt zu entlasten.
    Die OPEC-Staaten haben die Industriestaaten und da-

    mit auch uns aufgefordert, die Benzinsteuern zu senken.
    Da kann ich nur sagen – das hat auch Frau Merkel vorhin
    in ihrer Intervention gesagt –: Es ist doch abenteuerlich,
    wenn wir dieser Erpressung nachgeben, damit sie noch
    mehr Kohle einsacken können. Das ist eine Politik, die
    überhaupt nicht weiterführt.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Herr Merz, es sollte sich bis zu Ihnen herumgespro-
    chen haben: Wir haben eine Klimakatastrophe, das Po-
    lareis schmilzt, das Ozonloch wird auf Jahre hinaus
    größer, und zwar immer schneller. Sie können zwar täg-
    lich die zweite Stelle hinter dem Komma des Benzinprei-
    ses aufsagen, aber Sie haben kein Konzept, wie Sie mit
    dieser realen Gefahr umgehen. Sie denken an diesem
    Punkt nicht von 12 Uhr bis Mittag. Das ist die Haltung
    von seelenlosen Technokraten, die nur Zahlen wahrneh-
    men und die sich weltweit häufenden Ökokatastrophen
    einfach ausblenden oder schönreden.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Sie sind der Frontmann einer Fraktion, die von sich
    sagt, dass ihr die Bewahrung der Schöpfung ein Anliegen
    sei. Sie kommen daher, als seien 12 Pfennig Benzinpreis
    wichtiger als die notwendige Umsteuerung im Ressour-
    cenverbrauch und in der Art zu wirtschaften. Die „Welt“
    – das ist ja nun eine Zeitung, die eher Ihnen nahe steht als
    uns – schrieb:

    Da will eine Regierung den Tanker Deutschland flott
    bekommen und der Opposition ist der Sprit zu teuer.




    Rezzo Schlauch
    11204


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    Wohl wahr. 12 Pfennig Benzinpreis, nur dafür ist die
    Ökosteuer verantwortlich, für mehr nicht. Der Rest sind
    Rohölpreise und Währungskurse.

    Herr Gerhardt, Sie sagen doch immer, Sie seien eine
    marktwirtschaftliche Partei. Ich begreife es nicht, dass
    eine marktwirtschaftliche Partei dann, wenn der Preis ei-
    ner Ware hochgeht,


    (Dr. Wolfgang Gerhardt [F.D.P.]: Wenn er vom Markt hochginge!)


    mit einer Subventionierung reagiert.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Dr. Wolfgang Gerhardt [F.D.P.]: Wo ist denn da ein Marktpreis?)


    Das ist doch geradezu absurd! Da stellen Sie doch die
    Marktwirtschaft auf den Kopf.

    Herr Gerhardt, lassen Sie mich auch jemanden zitieren,
    der Ihnen wahrscheinlich ebenfalls politisch näher steht
    als mir, nämlich den Chef von Daimler-Chrysler, der sagt:

    Wir stehen vor einem Dilemma. Die Nachfrage nach
    Energie wächst allen Energiesparerfolgen zum Trotz.
    Das bedeutet, dass die Ölpreise weiter steigen wer-
    den.
    In der Zukunft brauchen wir Menschen also neue
    Energie. Wir sollten uns dabei nicht abbringen las-
    sen, querzudenken, Neues auszuprobieren, auch
    wenn es viele Skeptiker gibt und geben wird. Und
    wir sollten diese Menschheitsaufgabe „Hand in
    Hand“ leisten, alle, die in der Gesellschaft Verant-
    wortung tragen.

    Sie werfen die ausgeleierten Gebetsmühlen gegen die
    Ökosteuer an, übrigens jetzt bereits zum dritten Mal,
    nachdem Rühe und Rüttgers damit schon gescheitert sind.
    Wir probieren Neues, wir denken quer, wir übernehmen
    die Verantwortung für die Zukunft.

    Dazu gehört auch, dass wir übereingekommen sind,
    und zwar, Herr Glos, in aller Selbstbewusstheit: die bei-
    den Fraktionen, nicht die Regierung. Das hätte ich einmal
    bei Ihnen sehen mögen, in Ihrer Zeit.


    (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


    Die Fraktionen entscheiden darüber, was mit den einge-
    sparten Zinsen in Höhe von 5 Milliarden DM geschehen
    soll.


    (V o r s i t z: Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms)


    Wir werden sie gemeinsam vornehmlich in die Schienen-
    wege, in die Straßenwege und – das ist etwas Neues – in
    die Altbausanierung stecken, für die Sie entsprechende
    Zuschüsse gestrichen haben. Damit schaffen wir neue
    Arbeitsplätze im Handwerk und reduzieren den CO2-Aus-stoß und die Heizölkosten. Diese Maßnahmen werden wir
    mit einem ordentlichen Batzen Geld auf den Weg bringen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)