Rede von
Dr.
Angela
Merkel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Kollege Struck,
nach der Antwort auf die Frage meines Kollegen Bosbach,
in der die gesamte Verachtung für Ihre Partei spürbar
wurde, –
– kann ich nur sagen: Sie sollten bei dieser Einstellung zu
den Menschen von Befragungen der Bevölkerung Ab-
stand nehmen.
In diesem Sinne sage ich Ihnen auch: Das, was Sie hier
heute gesagt haben, hat wieder einmal gezeigt: Sie neh-
men es mit der Wahrheit nicht nur nicht so genau, sondern
Sie sagen schlicht und ergreifend die Unwahrheit.
Jenes in Deutschland inzwischen weithin beschriebene
Ereignis im Zusammenhang mit dem Kabinett handelte
nicht von der Ökosteuer, sondern bekanntermaßen vom
Sommersmog. Damals hatte Frau Griefahn in ausführli-
cher Weise sämtliche Mütter und Väter in Deutschland
wegen der Gefährdung durch den Sommersmog in Hyste-
rie versetzt.
Wir haben eine Verordnung gemacht. Diese hat genau bis
zum letzten Jahr gehalten. Herr Trittin war nicht in der
Lage, eine Nachfolgeverordnung zu beschließen. Und
heute ist es eben nicht mehr schlimm, weil Sie regieren
und weil Sie keine Volksverhetzung mehr betreiben.
Sie haben das damals mit den Kindern in einer Weise ge-
macht, die völlig unverantwortlich war. Das ist Punkt
eins.
Zum zweiten Punkt. Was die ökologischen Elemente
im Steuersystem anbelangt – das habe ich immer gesagt,
selbst in der Debatte, als noch Finanzminister Lafontaine
hier die einführende Rede gehalten hat –, war ich in der
Tat der Meinung, dass solche Steuern europaeinheitlich
eingeführt werden sollten. Damals habe ich mich auch
noch in seltener Übereinstimmung mit Ihrem Herrn Bun-
deskanzler befunden. Auch er war nämlich der Meinung:
erste Stufe national und ab dann nur noch europaeinheit-
lich.
Heute ist es aber so, dass Herr Eichel nach Frankreich
fährt und letztendlich abnicken muss – natürlich unter
Protest nach außen –, dass die französische Regierung die
Steuern senkt und die deutsche Regierung zum 1. Januar
2001 die Steuer erhöhen will. Wir sind dagegen, weil das
von der Europaeinheitlichkeit abweicht.
Herr Struck, da Sie so viel lesen, empfehle ich die Lek-
türe Ihrer eigenen Koalitionsvereinbarung. Dort steht
schwarz auf weiß geschrieben: Die Ausgestaltung dieser
Reform – gemeint ist die ökologische Steuerreform –
sollte in Abhängigkeit von der Konjunktur – das ist im Au-
genblick kein Thema – und den aktuellen Energiepreisen
erfolgen.
Sie haben selbstherrlich für die gesamte Legislaturperi-
ode festgelegt, wie die nächsten Stufen auszusehen haben.
Jetzt müssen Sie feststellen, dass sich die aktuellen Ener-
giepreise anders entwickelt haben, als Sie es erwartet ha-
ben.
Ich erwarte, dass Sie auf diese Entwicklung Rücksicht
nehmen und deshalb die Steuern zum 1. Januar 2001 nicht
erhöhen. Das ist nur recht und billig gemäß dem, was Sie
in Ihrer eigenen Koalitionsvereinbarung festgelegt haben.