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ID1411617600

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    Nachruf auf die Abgeordnete Ilse Schumann 11059 A Nachruf auf den Alterspräsidenten des Deut- schen Bundestages Fred Gebhardt . . . . . . . . 11059 B Eintritt der Abgeordneten Pia Maier und Ulrich Kelber in den Deutschen Bundestag . 11059 C Nachträgliche Glückwünsche zum Geburtstag der Abgeordneten Dr. Norbert Blüm, Wolfgang Weiermann, Dr. Peter Danckert, Dr. Manfred Lischewski und Rudolf Bindig 11059 D Absetzung des Tagesordnungspunktes: Erste Beratung des Gesetzentwurfes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes . . . . . . . . . . . . . 11059 D Tagesordnungspunkt 1 a) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bun- deshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2001 (Haushaltsgesetz 2001) (Drucksache 14/4000) . . . . . . . . . . . . . 11059 D b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Finanzplan des Bundes 2000 bis 2004 (Drucksache 14/4001) . . . . . . . . . . . . . 11060 A Hans Eichel, Bundesminister BMF . . . . . . . . 11060 A Dietrich Austermann CDU/CSU . . . . . . . . . . 11068 A Joachim Poß SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11072 D Dr. Günter Rexrodt F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . 11076 D Oswald Metzger BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11081 B Dr. Barbara Höll PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11085 A Hans Georg Wagner SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 11086 D Ernst Hinsken CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 11088 A Jürgen Koppelin F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . 11089 D Peter Rauen CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 11091 B Antje Hermenau BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11094 D Jürgen Koppelin F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . 11096 C Dr. Uwe-Jens Rössel PDS . . . . . . . . . . . . . . . 11097 B Jörg-Otto Spiller SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11098 D Bartholomäus Kalb CDU/CSU . . . . . . . . . . . 11101 D Hans-Eberhard Urbaniak SPD . . . . . . . . . . . . 11103 D Bartholomäus Kalb CDU/CSU . . . . . . . . . 11104 D Susanne Jaffke CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 11105 C Einzelplan 05 Auswärtiges Amt Joseph Fischer, Bundesminister AA . . . . . . . . 11107 B Karl Lamers CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 11111 A Gernot Erler SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11113 C Dr. Werner Hoyer F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . 11116 A Wolfgang Gehrcke PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 11118 A Gert Weisskirchen (Wiesloch) SPD . . . . . . . . 11119 A Peter Hintze CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 11121 A Gernot Erler SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11122 B Dr. Helmut Lippelt BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11124 B Dr. Helmut Haussmann F.D.P. . . . . . . . . . . . . 11126 B Uwe Hiksch PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11127 B Dr. Christoph Zöpel, Staatsminister AA . . . . 11128 B Plenarprotokoll 14/116 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 116. Sitzung Berlin, Dienstag, den 12. September 2000 I n h a l t : Ulrich Irmer F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11128 D Peter Hintze CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 11130 C Dr. Christoph Zöpel, Staatsminister AA . . . . 11130 D Christian Schmidt (Fürth) CDU/CSU . . . . . . 11131 A Günter Gloser SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11133 A Einzelplan 17 Bundesministerium für Familie, Senio- ren, Frauen und Jugend Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11135 A Dr. Ilja Seifert PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11138 C Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11139 A Dr. Maria Böhmer CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 11139 B Irmingard Schewe-Gerigk BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11141 D Ina Lenke F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11143 D Petra Bläss PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11145 D Hildegard Wester SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11147 A Ina Lenke F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11148 D Maria Eichhorn CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 11149 B Christian Simmert BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11151 B Dr. Ilja Seifert PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11152 B Klaus Haupt F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11153 C Christel Hanewinckel SPD . . . . . . . . . . . . . . . 11154 C Manfred Kolbe CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 11156 C Einzelplan 15 Bundesministerium für Gesundheit Andrea Fischer, Bundesministerin BMG . . . . 11159 A Wolfgang Lohmann (Lüdenscheid) CDU/CSU 11161 B Eckhart Lewering SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11163 D Dr. Ilja Seifert PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11165 A Dr. Dieter Thomae F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . 11165 C Dr. Ruth Fuchs PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11166 D Dr. Martin Pfaff SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11167 D Aribert Wolf CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 11171 C Klaus Kirschner SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 11172 A Monika Knoche BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11174 A Aribert Wolf CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 11175 A Ulf Fink CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11175 D Dr. Ilja Seifert PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11177 B Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11178 C Berichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11178 A Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 11179 A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Peter Letzgus (CDU/CSU) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Errich- tung einer Stiftung „Erinnerung, Verantwor- tung und Zukunft“ (114. Sitzung, Tagesord- nungspunkt 7 a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11179 C Anlage 3 Neudruck einer zu Protokoll gegebenen Rede zur Beratung des Antrags: Vererblichkeit von Bodenreformeigentum (105. Sitzung) . . . . . . 11179 D Anlage 4 Technisch bedingter Neudruck eines Rede- beitrages (115. Sitzung) . . . . . . . . . . . . . . . . . 11180 C Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 12. September 2000II Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 12. September 2000
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    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 12. September 2000 Dr. Ilja Seifert 11178 (C) (D) (A) (B) Berichtigung 114. Sitzung, Seite IV; Rednerliste zu Zusatztagesordnungspunkt 7, statt „Dr. Heinrich Fink (PDS)“ ist „Ulf Fink (CDU/CSU)“ zu lesen. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 12. September 2000 11179 (C) (D) (A) (B) Altmaier, Peter CDU/CSU 12.09.2000 Behrendt, Wolfgang SPD 12.09.2000* Brudlewsky, Monika CDU/CSU 12.09.2000 Bühler (Bruchsal), CDU/CSU 12.09.2000* Klaus Dr. Eid, Uschi BÜNDNIS 90/ 12.09.2000 DIE GRÜNEN Elser, Marga SPD 12.09.2000 Frick, Gisela F.D.P. 12.09.2000 Hauer, Nina SPD 12.09.2000 Heyne, Kristin BÜNDNIS 90/ 12.09.2000 DIE GRÜNEN Hörster, Joachim CDU/CSU 12.09.2000 Hoffmann (Chemnitz), SPD 12.09.2000 Jelena Dr. Hornhues, CDU/CSU 12.09.2000* Karl-Heinz Marquardt, Angela PDS 12.09.2000 Dr. Meyer (Ulm), SPD 12.09.2000 Jürgen Dr. Protzner, Bernd CDU/CSU 12.09.2000 Rauber, Helmut CDU/CSU 12.09.2000 Rupprecht, Marlene SPD 12.09.2000 Scheffler, Siegfried SPD 12.09.2000 Dr. Vollmer, Antje BÜNDNIS 90/ 12.09.2000 DIE GRÜNEN Zapf, Uta SPD 12.09.2000 * für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Peter Letzgus (CDU/CSU) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Errichtung einer Stiftung „Erinnerung, Ver- antwortung und Zukunft“ (Drucksachen 14/3206 und 14/3459) (114. Sitzung, Tagesordnungspunkt 7 a) Die NS-Herrschaft hat vielen Menschen großes Leid zugefügt. Zwangsarbeiter wurden deportiert, inhaftiert und ausgebeutet. Deutsche Unternehmen, die an diesem Unrecht betei- ligt waren, tragen eine hohe Verantwortung. Ihre Bereitschaft zur finanziellen Wiedergutmachung begrüße ich. Da in den Verhandlungen jedoch keine optimale Rechtssicherheit erzielt werden konnte, gehe ich davon aus, dass weitere Forderungen an Deutschland und deut- sche Unternehmen gestellt werden. Der Zwangsarbeiter- fonds wird kein finanzieller Schlussstrich werden. Ich bin nicht damit einverstanden, dass einige Opfer- gruppen, an die bisher bereits Entschädigungsleistungen gezahlt wurden, gegenüber anderen Opfergruppen privi- legiert werden, obwohl Letztere einem gleich schweren Schicksal ausgesetzt waren. Die Diskussion um Zwangsarbeit hat auch viele Deut- sche, die ähnliche Schicksale zu erdulden hatten (darunter auch meine Mutter), in ihrem Gerechtigkeitssinn getrof- fen. Lösungen zur Wiedergutmachung für diese Menschen sind weder in der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ noch an anderer Stelle vorgesehen. Ich stimme dem Gesetzentwurf nicht zu. Anlage 3 Neudruck einer zu Protokoll gegebenen Rede zurBeratung des Antrags: Vererblichkeit von Bo- denreformeigentum (105. Sitzung, Seite 9916 D) Steffi Lemke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Wir ha- ben den Antrag der PDS-Fraktion zum Thema „Ver- erblichkeit von Bodenreformeigentum“, Drucksache 14/1063, bereits vor einem Jahr, am 24. Juni 1999, an die- ser Stelle behandelt. Gegenstand der heutigen Debatte ist die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Angele- genheiten der neuen Länder vom 16. Dezember 1999 zu dieser Thematik. Die mit dem Zweiten Vermögensrechtsänderungs- gesetz 1992 in das EGBGB eingefügten Regelungen des Art. 233, §§ 11 bis 16 waren und sind die notwendigen Konsequenzen aus unregelmäßiger Rechtsanwendung in der ehemaligen DDR. Die Quelle der Ungerechtigkeit müssen Sie dort verorten, werte Kolleginnen und Kollegen von der PDS, und für diesen Zustand tragen Sie ein Stück Mitverantwortung. Der Bundesgesetzgeber hat sich 1992 aus gutem Grund für die so genannte Nachzeichnungsregelung entschieden. Nur so konnte eine Gleichbehandlung aller Erben von Bo- denreformland erreicht werden. Es ging dabei nicht nur darum, eine formale Rege- lungslücke zu schließen; es ging vielmehr darum, eine Gleichbehandlung zu erreichen, und zwar zwischen den- jenigen Neubauern-Erben, die bereits zu DDR-Zeiten ihr Bodenreformgrundstück verloren hatten, weil die zustän- digen Behörden die Besitzwechselvorschriften konse- quent angewandt haben, und denjenigen Personen, bei denen die Behörden aufgrund der praktischen Bedeu- tungslosigkeit des Privateigentums an Grund und Boden eine konsequente Löschung im Grundbuch vernachlässigt haben. Es geht also im Kern um die Frage: Welche Lösung hat der bundesdeutsche Gesetzgeber, welche Lösung hat die- ses Parlament gewählt, um ein inkonsistentes und will- kürliches Handeln der DDR-Behörden im Nachhinein unter Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes zu korrigieren? Unter diesen Vorbedingungen war die Nachzeich- nungsregelung der einzig gangbare Weg. Man kann die Nachzeichnungsregelung mit der einfachen Formel ver- anschaulichen: Kein Neubauern-Erbe soll dadurch be- nachteiligt sein, dass die DDR-Behörden die Besitzwech- selvorschriften konsequent umgesetzt haben, bzw. umgekehrt: Kein Neubauer-Erbe soll dadurch einen Vor- teil gewinnen, dass die DDR-Behörden die Besitzwech- selvorschriften nachlässig angewendet haben. Es ging hier also darum, den durch die Willkür der DDR-Behörden entstandenen Zustand nach dem Gleichbehandlungs- grundsatz aufzulösen. Dies war nur über die Nachzeich- nungsregelung möglich, mit der das Kriterium der Zutei- lungsfähigkeit in das bundesdeutsche Recht eingefügt wurde. Der Bundesgerichtshof hat in seinen Urteilen vom De- zember 1998 zwar anerkannt, dass eine grundsätzliche Vererbbarkeit von Bodenreformland in der DDR gegeben war – aber er ist nicht so weit gegangen, daraus einen Än- derungsbedarf beim geltenden Recht abzuleiten. Vielmehr gilt nach wie vor die Definition der Zuteilungsfähigkeit, die der BGH mit seinem Urteil vom 18. Juli 1997 gegeben hat. Danach ist zuteilungsfähig im Wesentlichen nur der- jenige Erbe, der am 15. März 1990 in der Landwirtschaft tätig war. Inzwischen sind zehn Jahre vergangen, und die Länder haben mit unterschiedlichem Nachdruck die Überprüfung der Grundbücher betrieben, um das Eigentum an Boden- reformgrundstücken zu klären. Das Land Mecklenburg- Vorpommern, in dem auch die meisten Bodenreform- grundstücke liegen, ist hierin am weitesten fortgeschritten: 97 Prozent der Fälle sind bislang überprüft worden. In 7 Prozent der Fälle wurde ein Anspruch des Landes als so genannter „Besserberechtigter“ an einem Bodenreform- grundstück festgestellt, weil kein zuteilungsfähiger Erbe vorhanden war. In 0,1 Prozent der Fälle hat das Land auf- grund persönlicher Härten der Betroffenen auf seine An- sprüche verzichtet. Ich bin der Auffassung, dass sich an diesen Zahlen zeigt, dass in der überwiegenden Zahl der Fälle die An- wendung der bestehenden Gesetze zu Klarheit und einer abschließenden Regelung der Eigentumsfragen geführt hat. Damit ist zehn Jahre nach der deutschen Einheit die rechtmäßige Zuordnung der Bodenreformgrundstücke weitestgehend abgeschlossen. Ich glaube, dass wir zehn Jahre nach der deutschen Ein- heit auf einem guten Weg sind, dieses schwierige Kapitel des Einigungsprozesses abzuschließen. Klar ist aber auch – und das möchte ich der Ehrlichkeit halber sagen –, dass vollständige Gerechtigkeit auf diesem Gebiet nicht zu er- reichen ist. Anlage 4 Technisch bedingter Neudruck eines Redebei- trages (115. Sitzung, Seite 11022 C) Dr. Jürgen Meyer (Ulm) (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich die Debatte über die europäische Grundrechte-Charta mit zwei Vorbemerkungen beginnen. In der letzten Sitzung des Konvents in Brüssel hat das Präsidium mitgeteilt, dass Roman Herzog den Vorsitz des Konvents demnächst wieder übernehmen wird. (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der F.D.P.) Wir alle wissen, dass er wegen der schweren Erkrankung seiner Frau den Vorsitz im Konvent niedergelegt hatte. Die Rückkehr von Roman Herzog ist vom Konvent und, wie ich sehe, auch von Ihnen sehr positiv aufgenommen worden. Roman Herzog gelingt es, mit seiner Kompetenz und seinem Ansehen, auch widerstreitende Gruppen im Konvent zusammenzuführen und das Projekt der Grund- rechte-Charta zum Erfolg zu führen. Meine zweite Vorbemerkung gilt der Rede von Präsi- dent Chirac, die er im Deutschen Bundestag gehalten hat. Ich fand es sehr erfreulich, dass Präsident Chirac deutlich gemacht hat, dass es auch bei der Grundrechte-Charta da- rum geht, mehr Demokratie in Europa zu wagen. Dies spiegelt sich bereits in der Zusammensetzung des Kon- vents wider, denn drei Viertel der Mitglieder dieses Gre- miums sind Parlamentarier. Es ist ein Signal für mehr De- mokratie, wenn eine Weichenstellung in Richtung einer Konkretisierung der Werteordnung in Europa durch ein solches Gremium vorgenommen wird. Deshalb sollten wir alle dazu beitragen, das Projekt zum Erfolg zu führen. Weil wir in früheren Debatten und auch in der Debatte im Mai in diesem Hause ein hohes Maß an Konsens fest- gestellt hatten, habe ich seinerzeit vorgeschlagen, nach- dem die Anträge der Koalitionsfraktionen einerseits und der Oppositionsfraktionen andererseits vorgelegt worden waren, diese zu einer gemeinsamen Entschließung zu- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 12. September 200011180 (C) (D) (A) (B) sammenzufassen. Die fast zweimonatigen Bemühungen nach der letzten Debatte schienen erfolgreich zu sein. Lei- der ist es heute doch nicht möglich, eine gemeinsame Ent- schließung zu verabschieden. Bevor ich dazu eine Bemerkung mache, möchte ich aber feststellen, dass alle Fraktionen in diesem Parlament in zahlreichen Punkten inhaltlich übereinstimmen. Wir sind uns darin einig, dass die Arbeiten des Konvents zur Erarbeitung der Grundrechte-Charta weiter unterstützt werden. Wir sind uns einig darin, dass die Bedeutung der Grundrechte-Charta auch in der deutschen Öffentlichkeit erkannt und gewürdigt und darüber eine breite gesell- schaftliche Debatte geführt werden sollte. Gemeinsam fordern wir die Bundesregierung auf, für den Beitritt der Europäischen Union zur Europäischen Menschenrechtskonvention einzutreten. Wir sind uns ei- nig darin, dass der Konvent fortschrittliche und für die eu- ropäische Integration zentrale Grundrechte formulieren sollte, wozu insbesondere ein Diskriminierungsverbot, ein aktives Gleichstellungsgebot sowie kulturelle Grundrech- te gehören. Wir sind uns auch einig darin, dass die Auf- nahme von wirtschaftlichen und sozialen Rechten unter Berücksichtigung der europäischen Sozialcharta und der Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Ar- beitnehmer in die Charta unterstützt werden sollte. Und: Ich denke, wir sind uns einig darüber, dass sich die Bun- desregierung im Europäischen Rat für die Rechtsverbind- lichkeit der Grundrechte-Charta mit individueller Kla- gemöglichkeit einsetzen sollte. Nun werden manche mit Recht fragen: Warum legen die Fraktionen des Deutschen Bundestages angesichts ei- ner derart weitreichenden inhaltlichen Übereinstimmung nicht eine gemeinsame Entschließung vor? Dabei kann es natürlich nicht darum gehen, so etwas wie einen „Ein- heitsbrei“ herzustellen oder abstrakte Formulierungen zu Papier zu bringen, die letztlich wenig aussagen. Die Sub- stanz dessen, was uns verbindet, ist so groß, dass die Fra- ge, warum es nicht zu einer gemeinsamen Entschließung gekommen ist, nur schwer beantwortet werden kann. Die uns Anfang dieser Woche von der CDU/CSU-Frak- tion mitgeteilte Ablehnung kam für viele von uns völlig überraschend. Ich habe natürlich versucht, rational nach- zuvollziehen, worauf sich diese Ablehnung gründet, und festzustellen, ob sie vielleicht nur ein Mittel ist, Profil auf einem ungeeigneten Feld der Auseinandersetzung zu ge- winnen. Vonseiten der CDU/CSU wurde – es hat ja keinen Sinn, darum herumzureden – bezüglich des Grundrechts auf Asyl auf angeblich unüberbrückbare Meinungs- unterschiede hingewiesen. Dies verwundert uns, da wir uns ursprünglich auch mit der CDU/CSU darauf verstän- digt hatten, uns dem Bekenntnis des Europäischen Rates von Tampere, dem künftigen europäischen Asylrecht die Genfer Flüchtlingskonvention uneingeschränkt und all- umfassend zugrunde zu legen, anzuschließen. Ich bin der Auffassung, dass die auf nationaler Ebene sicherlich notwendige Auseinandersetzung um das von der CDU/CSU-Fraktion lediglich gewünschte institutio- nelle Asylrecht und das von uns weiterhin für richtig er- achtete einklagbare individuelle Grundrecht auf Asyl auch geführt werden muss. Aber heute geht es um die Beratun- gen des Konvents in Brüssel. Ich finde, man sollte die Aus- einandersetzung, die auf nationaler Ebene zu führen ist, vor allem dann nicht nach Brüssel verlagern, wenn man sie auf nationaler Ebene nicht gewinnen kann; denn für eine Grundgesetzänderung gibt es keine Mehrheit. Außerdem werden wir in die Grundrechte-Charta auf- nehmen, dass das Niveau weiter gehender nationaler Grundrechte durch die Charta nicht abgesenkt werden darf. Diese Forderung wurde von Delegierten verschiede- ner Länder erhoben. Die Finnen sind zum Beispiel in Sorge, dass das Niveau ihrer hochmodernen Verfassung durch die Grundrechte-Charta gesenkt werden könnte. Dies darf nicht geschehen. Deshalb sind wir der Auffas- sung – mit den eben skizzierten Folgen für das deutsche Asylrecht –, dass durch die Grundrechte-Charta der hohe Grund-rechtsstandard der nationalen Verfassungen in kei- nem Fall gesenkt werden darf. Darauf haben wir uns be- reits verständigt. Warum also streiten wir im Zusammen- hang mit der Charta dann über diesen Punkt? Ein weiteres Thema, mit dem wir uns in den nächsten zwei Wochen im Konvent sehr intensiv beschäftigen wer- den, sind die sozialen Grundrechte. Wir hatten uns ei- gentlich darauf verständigt, klarzustellen: Es ist an der Zeit, die immer wieder beschworene Unteilbarkeit und Universalität der Menschenrechte auch dadurch zu doku- mentieren, dass – dem Auftrag von Köln entsprechend – die wirtschaftlichen und sozialen Grundrechte Eingang in die Charta finden. Warum streiten wir also darüber? Im Konvent besteht Einigkeit, dass durch die Grundrechte- Charta die Kompetenzen der EU-Organe nicht erweitert werden dürfen. Ich bin der Auffassung, wir sollten gemeinsam überle- gen, ob die bevorstehende Debatte im Konvent in Brüssel nicht auch von uns unterstützt werden sollte. Es ist offen- sichtlich, dass es Streit über die sozialen Grundrechte gibt. Wer wollte das in Abrede stellen? Es ist auch offensicht- lich, dass einige Länder großen Wert darauf legen, eine Vielzahl sozialer Grundrechte zu formulieren. Wir sind da- gegen der Auffassung – ich habe das eben als gemeinsa- me Auffassung dargestellt –, dass man nur Grundrechte formulieren sollte, die auch einklagbar sind. Deshalb wer- be ich um Unterstützung für den Versuch – den ich ge- meinsam mit dem Delegierten der französischen Regie- rung, Herrn Braibant, unternommen habe –, in dieser Frage einen Mittelweg zu finden. Roman Herzog hat, als die Debatten im Konvent sehr streitig ausgetragen wurden, die Mitglieder des Konvents ausdrücklich aufgefordert, einen solchen Mittelweg zu suchen. Dieser sollte auf drei Säulen beruhen. In die Präambel der Charta und in die Überschrift des Kapitels über die so- zialen Grundrechte sollte – als erste Säule – der Grundsatz der Solidarität festgeschrieben werden. Als zweite Säule sollten in acht Artikeln, gruppiert um die Elemente Arbeit, Gesundheit, Bildung und soziale Sicherheit, die Respek- tierung und der Schutz sozialer Grundrechte in die Charta aufgenommen werden. In der dritten Säule sollte deutlich gemacht werden: Es wird auch künftig Konventionen mit neuen – auch sozialen – Grundrechten geben. Diese sind, wenn alle Mitgliedstaaten zugestimmt haben, Grundlage der Auslegung und Anwendung der Charta. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 12. September 2000 11181 (C) (D) (A) (B) Um deutlich zu machen, dass wir uns eigentlich ver- ständigen könnten, will ich einmal die drei Sätze vorlesen, die Herr Braibant und ich in Bezug auf das Recht auf Ar- beit vorgeschlagen haben. Ich wüsste gerne, ob irgendje- mand in diesem Raum ist, der der folgenden Formulierung nicht zustimmen kann: Jeder hat das Recht zu arbeiten und das Recht auf Schutz seines Arbeitsplatzes. Insbesondere hat jeder das Recht, seinen Beruf frei zu wählen und auszu- üben, sowie das Recht auf freien Zugang zu unent- geltlicher Arbeitsvermittlung. Jeder hat Anspruch auf Schutz vor ungerechtfertigter oder missbräuchlicher Entlassung. Wer kann gegen ein so formuliertes soziales Grundrecht auf Arbeit sein? (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Ich habe gehört, dass die Debatte in der CDU/CSU- Fraktion letztlich deshalb zur Ablehnung einer gemeinsa- men Entschließung geführt hat, weil man sich über die Aufnahme eines kleinen Satzes nicht einig geworden ist. Wir haben im Entwurf der gemeinsamen Entschließung folgenden Satz vorgesehen: Die Charta soll klarstellen, dass gleichgeschlechtli- che Paare nicht benachteiligt werden dürfen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Was haben Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU-Fraktion, gegen diesen Satz? Mir ist schon klar, dass ich eigentlich diejenigen Ihrer Kollegen anspre- chen müsste, die nicht da sind. (Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Herr Altmaier wird das gleich in vernichtender Deut- lichkeit klarmachen!) Bezogen auf den von Ihnen kritisierten Satz darf ich Ih- nen in Erinnerung rufen, was Sie vor kurzem auf Ihrem Parteitag in Essen zu diesem Thema beschlossen haben und auch von Ihrer Vorsitzenden, Frau Merkel, sehr un- terstützt worden ist. Ich zitiere aus Ihrem Parteitagsbe- schluss: Wir respektieren die Entscheidung von Menschen, die in anderen Formen der Partnerschaft ihren Le- bensentwurf zu verwirklichen suchen. (Peter Hintze [CDU/CSU]: So ist es!) Wir anerkennen, dass auch in solchen Beziehungen Werte gelebt werden können, die für unsere Gesell- schaft grundlegend sind. Dies gilt für nicht eheliche Partnerschaften zwischen Frauen und Männern; dies gilt auch für gleichgeschlechtliche Partnerschaften. Wir werben für Toleranz und wenden uns gegen jede Form von Diskriminierung. (Beifall im ganzen Hause) Verehrte Kolleginnen und Kollegen, genau dies hatten wir für unsere gemeinsame Entschließung vorgesehen. (Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Schreiben Sie das in die Charta und wir stimmen zu!) Mir ist klar, dass Sie in Ihrer Fraktion dafür gekämpft haben, sich aber letztlich gegenüber Ihren CSU-Kollegen nicht durchsetzen konnten. Ich bitte Sie dringend, dieses Problem zu lösen und nicht zuzulassen, dass das, was Frau Merkel zu diesem Thema gesagt und durchgesetzt hat, von Herrn Stoiber wieder aus dem Gefecht gezogen wird. (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Wir stehen ja gar nicht im Gefecht! Nicht so martialisch!) Ich habe sehr genau beobachtet, dass Sie in unserer letz- ten Debatte am 18. Mai irritiert reagierten, als der CSU- Kollege Dr. Müller als ausdrückliche Bedingung für die Ratifizierung der Charta bezeichnete: Wir wollen keine Kompetenzausweitung, sondern er- warten Kompetenzbeschränkungen. Wie kann man so etwas von der Grundrechte-Charta, die sich mit der Kompetenzfrage bekanntlich nicht zu befas- sen hat, überhaupt erwarten? Kommen Sie zu einer ver- nünftigen Einigung mit den CSU-Kollegen in Ihrer Frak- tion! Wenn das geschehen ist, dann legen wir – das ist meine Überzeugung – wieder gemeinsame Entschließun- gen vor. Die Grundlage dafür ist breit genug. Lassen Sie uns gemeinsam feststellen: Es geht bei der Grundrechte-Charta um die Identität der Europäer, die ih- re Werteordnung, an die sie gebunden sind, deutlich ma- chen sollten. Genauso wichtig ist: Es geht um die Kon- trolle von Machtausübung durch die EU-Organe in Brüssel. (Sabine Leutheusser-Schnarrenberger [F.D.P.]: Das ist der Kern!) Dass wir dafür gemeinsam eintreten, sollte künftig wieder deutlicher werden, als es heute durch Mehrheitsentschei- dungen über einen Antrag der Koalition deutlich werden kann. Überlegen Sie bitte, ob Taktik nicht Übertaktieren bedeutet, wenn man die Taktik über die Sache stellt. Ich werde mich jedenfalls durch die Abstimmungen, die heute leider nicht im Konsens erfolgen werden, nicht davon abhalten lassen, auch mit den Europapolitikern der Oppositionsfraktionen, die für eine gemeinsame Ent- schließung gekämpft haben und denen es in erster Linie um die Sache und nicht um parteitaktischen Vorteil geht, weiter konstruktiv zusammenzuarbeiten. Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 12. September 200011182 (C) (D) (A) (B) Druck: MuK. Medien-und Kommunikations GmbH, Berlin
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    Rede von Aribert Wolf


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Kirschner, Ihre Frage
    zeigt eigentlich, wie fantasielos die Regierungsparteien
    an die Gesundheitspolitik herangehen. Wir denken
    schlicht und ergreifend nicht daran, ganze Leistungsfelder
    auszugrenzen.


    (Klaus Kirschner [SPD]: Aber 29 Milliarden DM zu streichen!)


    – Habe ich jetzt das Wort oder wollen Sie weiterreden?
    Darauf können wir uns gerne verständigen; wir müssen
    nur wissen, wie.


    (Klaus Kirschner [SPD]: Das ist eine ganze Menge Holz, wo Sie rangehen! Das müssen Sie überlegen!)


    Wir wollen nicht ganze Leistungsfelder ausgrenzen.
    Wir wollen beispielsweise ermöglichen, dass Menschen
    entscheiden können, ob sie, zum Beispiel in den betref-
    fenden Bereichen, eine Selbstbeteiligungwählen. Das ist
    ein überlegenswertes Modell.


    (Dr. Uwe Küster [SPD]: Oh, hätten Sie geschwiegen!)


    Wir können ferner darüber nachdenken, ob wir quer-
    beet, über alle Leistungsbereiche hinweg, vom Kranken-
    haus über ambulante Leistungen bis hin zur Kran-
    kengymnastik etc., einfach zulassen, dass der Einzelne
    entscheiden kann, ob er die entsprechenden Leistungen
    selbst finanziert oder ob er sich dagegen versichern will.
    Das bedeutet für diejenigen, die jetzt betroffen sind, kei-
    nerlei Mehrbelastung, sondern mehr Freiheiten, da der
    Bürger selbst entscheidet, welche Leistungen er für nötig
    und welche er für unnötig hält.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Bei Ihrer Politik ist es so, dass einem der Arzt heute,

    wenn man in eine Arztpraxis geht, sagt: Guter Mann

    bzw. gute Frau, ich kann Ihnen das nicht mehr verordnen,
    denn mein Budget ist erschöpft. Da helfen weder Härte-
    fallregelungen noch eigene Entscheidungen der Bürger.
    Vielmehr werden diese Entscheidungen von anderen ge-
    troffen. Deswegen ist das Ansehen, das Ihre Gesund-
    heitspolitik in der Öffentlichkeit genießt, auch so niedrig.


    (Beifall des Abg. Eckart von Klaeden [CDU/CSU] – Dr. Dieter Thomae [F.D.P.]: Da hat er Recht!)


    Mich beunruhigt, dass mit dieser rot-grünen Gesund-
    heitspolitik ein dramatischer Ansehensverlust der gesetz-
    lichen Krankenversicherung einhergeht. Vor der Wahl ha-
    ben uns die rot-grünen Regierungsparteien noch
    vollmundig mehr soziale Gerechtigkeit versprochen.
    Doch dieses rot-grüne Wahlversprechen ist wie eine Sei-
    fenblase zerplatzt.

    Das Zentrum für Sozialpolitik der Universität Bremen

    (Dr. Dieter Thomae [F.D.P.]: Bremen?)


    wertete im April 2000 die Antworten von 4 000 repräsen-
    tativen Versicherten der Gmünder Ersatzkasse aus. Von
    den Befragten waren im vierten Quartal 1999 58 Prozent
    in Behandlung. 27 Prozent dieser Menschen wurde die
    Verschreibung bisher verordneter Arznei- oder Heilmittel
    verweigert bzw. auf das Jahr 2000 verschoben. Bei
    68 Prozent der Ablehnungen von Verordnungen gaben die
    Ärzte als Begründung an, sie müssten wegen der Budge-
    tierung die Leistungen aus der eigenen Tasche bezahlen.
    In 24 Prozent der Fälle gaben die Versicherten, denen Me-
    dikamente verweigert wurden, an, sie hätten spürbare ge-
    sundheitliche Nachteile gehabt. Meine Damen und Her-
    ren, eine Ministerin, die sich angesichts solcher Probleme
    noch ihrer Erfolge rühmen will, taugt allenfalls für eine
    Comedyserie im Fernsehen, nicht aber für das Bundes-
    kabinett.

    Ihre rot-grüne Politik beschädigt nicht nur das Ver-
    trauen in unser Gesundheitswesen, sie demotiviert auch
    die Leistungserbringer und schadet den Patienten. Auch
    die Ärzte sind zu Recht sauer. Denn Erfolg lohnt sich
    nicht für sie. Wenn die Arzneimittelausgaben insgesamt
    überschritten werden, wird der Sparsame genauso bestraft
    wie der Vielverordner. Ist das etwa gerecht?

    Der Präsident der Bundesärztekammer kritisiert die
    Zustände in den deutschen Krankenhäusern. Mit dem
    Kostendruck steigt auch die Arbeitsbelastung des Klinik-
    personals. Immer mehr Patienten werden von übermüde-
    ten Medizinern behandelt. Dass das Risiko für Leib und
    Leben, das davon ausgeht, und die Gefahr, durch Be-
    handlungsfehler Schäden zu erleiden, steigen, kann sich
    ja jeder ausmalen. Dieses Risiko gehen Sie bewusst ein,
    ganz zu schweigen von der Menschlichkeit, die in den
    Krankenhäusern immer öfter auf der Strecke bleibt. Für
    die grüne Gesundheitsministerin ist dies alles kein Pro-
    blem. Statt für Patienten – das haben wir ja auch heute
    wieder gehört – interessiert sie sich vorwiegend für Zah-
    len. Das ist beschämend.

    Aber auch bei den Zahlen steht es nicht zum Besten.
    2,5 Milliarden DM beträgt das aktuelle Defizit der Kas-
    sen.Ab nächstem Jahr fehlen den Krankenversicherungen






    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    dank rot-grüner Verschiebebahnhöfe weitere 1,2 Milliar-
    den DM. Denn der Staat zahlt dann für seine Arbeitslosen
    einfach weniger Beiträge. Dies ist ein Finanzloch, das der
    kleine Mann, das Otto Normalverbraucher mit seinen Bei-
    trägen wieder auszugleichen hat.

    Keines der grundlegenden Finanzierungsprobleme
    ist gelöst. Ich erinnere nur daran, was Sie von Rot-Grün
    der Krankenversicherung mutwillig an Einnahmen entzo-
    gen oder an zusätzlichen Zahlungsverpflichtungen aufge-
    bürdet haben: Durch die Reduzierung der Zuzahlungen
    ergibt sich ein Einnahmeausfall von 1 Milliarde DM jähr-
    lich, durch das Aussetzen des Krankenhausnotopfers ein
    Einnahmeausfall von 700 Millionen DM jährlich. Durch
    die Ausweitung von Leistungen, zum Beispiel in Form
    von Soziotherapie und Selbsthilfegruppen, entstehen
    Mehrausgaben von 1 Milliarde DM jährlich, durch die
    Ausnahmeregelung vom Budget bei den Krankenhäusern
    Mehrausgaben von 2 Milliarden DM jährlich und durch
    die Kürzung bei Renten in den Jahren 2000 bzw. 2001
    Mindereinnahmen von 600 Millionen DM bzw. 1,4 Milli-
    arden DM.

    Meine Damen und Herren, wenn wir das zusammen-
    rechnen, ergibt sich allein für das Jahr 2000 eine Mehrbe-
    lastung der gesetzlichen Krankenversicherungen in Höhe
    von 5,3Milliarden DM und für das Jahr 2001 von 7,5Mil-
    liarden DM. Wir werden nächstes Jahr sehen, Frau
    Fischer, wer Recht hat. Mitte nächsten Jahres – das pro-
    gnostiziere ich Ihnen – werden die Beiträge saftig steigen.
    Dann werden Sie sinkende Behandlungsqualität und
    höhere Kosten verantworten müssen. Das sind die trauri-
    gen Brandzeichen, die Sie dem deutschen Gesundheits-
    wesen aufdrücken.

    Aber auch ein anderes Feld haben Sie ganz toll be-
    ackert. Das Gutachten zum RSA, das noch Horst Seehofer
    in Auftrag gegeben hat, kassieren Sie erst ein, um es dann
    mit einer einjährigen Verzögerung


    (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Zweijährige Verzögerung!)


    doch wieder auf den Weg zu bringen. Auch das ist ein
    trauriger Meilenstein Ihrer rückwärts gewandten Politik.
    Damit ist wertvolle Zeit verstrichen, um eine fundierte
    Grundlage für die Organisationsreform der gesetzlichen
    Krankenversicherungen auf den Weg zu bringen.

    Aber es kommt noch pikanter. Die Ministerin sagt öf-
    fentlich, sie sei für einen Ausschluss von kinderlosen Ehe-
    paaren aus der beitragsfreien Mitversicherung, um
    dann, ein paar Wochen später, mit dem Entwurf des
    Lebenspartnerschaftsgesetzes neue Personengruppen in
    die beitragsfreie Mitversicherung aufzunehmen. Statt
    Ehepaaren sollen bei Frau Fischer also künftig nur noch
    schwule und lesbische Partner beitragsfrei in der Kran-
    kenkasse mitversichert sein.


    (Lachen bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Die Bundesregierung hat offensichtlich auch in dieser
    Frage keine vernünftige Linie.


    (Dr. Uwe Küster [SPD]: Völlig neben der Kappe!)


    – Ja, das ist neben der Kappe; das finde ich auch. Aber
    warum machen Sie es dann?


    (Dr. Uwe Küster [SPD]: Eine Narrenkappe hat er auf!)


    Auch in den anderen Bereichen hat man sich im BMG
    wenig hervorgetan. In der Pflegeversicherung fehlen
    400Millionen DM. Mit der Genehmigung der Richtlinien
    zur häuslichen Krankenpflege verschlechtern Sie die
    häusliche Versorgung von Pflegebedürftigen; auch da
    Pfusch ohne Ende.

    Weil Sie gerne hören, was wir möchten, möchte ich Ih-
    nen in kurzen Zügen unser Konzept vortragen. Wir wol-
    len nicht Ihre alten Trampelpfade weiter auslatschen, son-
    dern wir wollen mutig neue Konzepte angehen und neue
    Ideen in die Tat umsetzen.


    (Dr. Uwe Küster [SPD]: Nun ist aber genug hier! Die Zeit ist um!)


    Wir meinen, der Versicherte muss stärker in den Blick-
    punkt rücken. Er braucht mehr Rechte, mehr Transparenz
    und mehr Wahlmöglichkeiten.

    Warum eigentlich soll ein gesetzlich Versicherter nicht
    wissen dürfen, was seine Behandlung beim Arzt gekostet
    hat? Warum soll er nicht erfahren, welcher Arzt gute Be-
    handlungsqualität und welcher schlechte abliefert? Wir
    wollen, dass die Bürger aus verschiedenen Versorgungs-
    angeboten das für sie passende auswählen können. Die
    Menschen sollen die Wahlmöglichkeiten haben; nicht Po-
    litiker sollen für sie entscheiden, was richtig und was
    falsch ist.

    Wir wollen einen solidarischen Kernbereich, der si-
    cherstellt, dass keiner in jungen Jahren, in denen er we-
    nige Leistungen braucht, zu viele Leistungen abwählt.
    Zum Schutz der Kranken muss die gesetzliche Kranken-
    versicherung auch die Risikopatienten versichern und
    diejenigen aufnehmen, die schon heute Leistungen aus
    der gesetzlichen Krankenversicherung beanspruchen.

    Für die Leistungserbringer wollen wir mehr Wettbe-
    werb und vor allem für die Selbstverwaltung mehr Ge-
    staltungsspielräume und weniger Budgetierung.

    Unser Gesundheitswesen braucht diese neuen Ideen
    und diesen neuen Mut und nicht die rot-grünen Pannen bei
    der Gesetzgebung zur Gesundheitsreform, Auftritte im
    Zirkus Roncalli oder das Fabulieren über Patientenrechte,
    Selbsthilfegruppen und ärztliche Ethik. All dies soll ei-
    gentlich nur verdecken, dass die grüne Ministerin mit
    ihren Rezepten am Ende ist. Offensichtlich hat sie nicht
    mehr die politische Kraft, die brennenden Probleme
    gesetzgeberisch zu lösen. Eigentlich müsste jetzt der
    Kanzler selbst rasch die Notoperation einleiten. Denn Ge-
    sundheit ist ein hohes Gut und kein Versuchskaninchen
    für eine überforderte Ministerin.

    Ich bedanke mich.

    (Beifall bei der CDU/CSU)




Rede von Anke Fuchs
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Jetzt hat die Kollegin
Monika Knoche, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.




Aribert Wolf

11173


(C)



(D)



(A)



(B)



  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Monika Knoche


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)


    Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und
    Kollegen! Nach diesem Redebeitrag – man weiß schon
    vorher, wer zu dem Thema spricht – bin ich mir nicht si-
    cher: Soll man froh sein über diesen Beitrag oder eher fra-
    gen, ob es für diese Themen nicht einen Qualifizierteren
    hätte geben können?


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Als Sie angefangen haben, habe ich einen Moment ge-
    stutzt und mich gefragt: Möchte der Kollege Aribert Wolf
    jetzt tatsächlich eine Renaissance des Wahl- und Regel-
    leistungsprinzips, das insbesondere für chronisch Kranke
    eine Leistungsausgrenzung bedeutet?


    (Beifall bei Abgeordneten der PDS)

    Möchte er genau das, weshalb die Vorgängerregierung ab-
    gewählt worden ist, wieder einführen?


    (Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: Das ist doch Quatsch!)


    Dann würde ich sagen: Machen Sie weiter so in der De-
    batte, dann haben wir gar nichts zu befürchten.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Natürlich ist die Haushaltsdebatte immer der Zeit-
    punkt, zu dem man Bilanz zieht, nach vorne schaut – völ-
    lig richtig – und sich – gerade beim Gesundheitshaushalt
    – am wenigsten mit Zahlen des Haushalts selber aufhält.
    Aber es ist sicherlich richtig, dass die Leistung, die wir
    gleich zu Beginn erbracht haben – das Prinzip der Sach-
    leistung unter der Bedingung der Beitragssatzstabilität,
    die ebenfalls erreicht worden ist, wieder zur vollen Gül-
    tigkeit zu bringen –, eine politische Leistung ist, die auch
    Sie nicht schmälern können und die die Bevölkerung sehr
    wohl zu honorieren weiß.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: Ja? Wo denn? In welchen Umfragen?)


    Wir wissen – ich gestatte mir zu sagen: auch Sie wis-
    sen –, dass sektorale Budgets nicht das sind, was sich
    zukunftsorientierte Gesundheitspolitikerinnen vorstellen.
    Wir alle wissen, dass die Diskussion unter den Leistungs-
    trägern und Leistungserbringern darüber sehr weit voran-
    geschritten ist, wie man Behandlungsleitlinien und Orien-
    tierung in die Versorgung hineinbringen kann und wie
    Qualität und Transparenz in den Honorierungssystemen
    abgebildet werden können. Ein Schritt in diese Richtung
    sind die weltweit nirgendwo sonst in dieser Umfänglich-
    keit vollzogenen Fallpauschalen im Krankenhaus.

    Sie wissen das. Aber die Bevölkerung kann es in die-
    ser Klarheit nicht wissen, weil die Sachlage kompliziert
    ist. Aber Ihnen als verantwortlichen Politikerinnen und
    Politikern ist bekannt, dass die Kassenärztliche Vereini-
    gung als Körperschaft des öffentlichen Rechts die Verant-
    wortung, aber auch die Pflicht hat, ihr Honorierungssys-
    tem der Zukunftsorientierung anzupassen.


    (Aribert Wolf [CDU/CSU]: Bei Ihnen sind die anderen schuld!)


    Die Politik kann nur sehr schlecht dort hineinregieren.

    Augenblicklich werden Gespräche über Honorie-
    rungssysteme geführt. Ich kann nicht dem Argument fol-
    gen, dass das Mindestdurchschnittseinkommen vor Steu-
    ern für niedergelassene Ärzte bei 250 000 DM liegen
    muss und sie zugleich Leistungseinschränkungen in der
    Größenordnung von 25 Prozent durchführen wollen. Das
    kann ich nicht gutheißen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Dr. Dieter Thomae [F.D.P.]: Gehen Sie mal in die neuen Bundesländer! 250 000 DM sind doch ein Witz!)


    Herr Dr. Thomae, Sie wissen um die Tatsache, dass die
    gesamtdeutsche Grundlohnsummenanbindung und die
    Transfers vom Westen in den Osten Leistungen sind, die
    Sie während Ihrer Regierungszeit nicht erbracht haben.
    Die niedergelassenen Ärzte in den alten Bundesländern
    erbringen solidarische Leistungen an ihre Kollegen in den
    neuen Bundesländern. Um die Zeit der Wende und danach
    waren dort noch ein sehr profundes Wissen und eine fach-
    lich sehr hohe Kompetenz vorhanden hinsichtlich einer
    integrierten Versorgung. Diese Kompetenz und die ent-
    sprechende Struktur hat ihnen die alte Bundesregierung
    genommen, als sie darauf gesetzt hat, dass alle in die
    Zwangsniederlassung kommen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS)


    Es war strukturell ein eklatanter Fehler, den wir direkt
    nach der Vereinigung auf das Heftigste kritisiert haben.


    (Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ CSU]: Jetzt kommen Sie mit diesen alten Kamellen!)


    Jetzt liegt die Zukunft in der integrierten Versorgung.
    Wenn vorhin in den Debattenbeiträgen die Beispiele
    Schweiz und Niederlande genannt worden sind, dann
    frage ich: Wofür sind diese Länder gelobt worden? Sie
    sind dafür gelobt worden, dass sie entsprechende Be-
    handlungsleitlinien haben, sich an Qualitätssicherung und
    Qualitätsstandards orientieren und eine integrierte Ver-
    sorgung durchführen.


    (Dr. Dieter Thomae [F.D.P.]: Wie hoch ist denn die integrierte Versorgung in der Schweiz? Wissen Sie das überhaupt?)


    Wer versucht nun, dies auf den Weg zu bringen? Das ist
    ein Bestandteil des Gesundheitsstrukturgesetzes.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Sie können sagen, dass in der jetzigen Form eine Gefahr
    darin besteht, dass es interessengeleitet zu Einkaufsmo-
    dellen kommen könnte, die niemand von uns will. Lassen
    Sie uns über solche Fragen sprechen.