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ID1411616700

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    Nachruf auf die Abgeordnete Ilse Schumann 11059 A Nachruf auf den Alterspräsidenten des Deut- schen Bundestages Fred Gebhardt . . . . . . . . 11059 B Eintritt der Abgeordneten Pia Maier und Ulrich Kelber in den Deutschen Bundestag . 11059 C Nachträgliche Glückwünsche zum Geburtstag der Abgeordneten Dr. Norbert Blüm, Wolfgang Weiermann, Dr. Peter Danckert, Dr. Manfred Lischewski und Rudolf Bindig 11059 D Absetzung des Tagesordnungspunktes: Erste Beratung des Gesetzentwurfes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes . . . . . . . . . . . . . 11059 D Tagesordnungspunkt 1 a) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bun- deshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2001 (Haushaltsgesetz 2001) (Drucksache 14/4000) . . . . . . . . . . . . . 11059 D b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Finanzplan des Bundes 2000 bis 2004 (Drucksache 14/4001) . . . . . . . . . . . . . 11060 A Hans Eichel, Bundesminister BMF . . . . . . . . 11060 A Dietrich Austermann CDU/CSU . . . . . . . . . . 11068 A Joachim Poß SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11072 D Dr. Günter Rexrodt F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . 11076 D Oswald Metzger BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11081 B Dr. Barbara Höll PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11085 A Hans Georg Wagner SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 11086 D Ernst Hinsken CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 11088 A Jürgen Koppelin F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . 11089 D Peter Rauen CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 11091 B Antje Hermenau BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11094 D Jürgen Koppelin F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . 11096 C Dr. Uwe-Jens Rössel PDS . . . . . . . . . . . . . . . 11097 B Jörg-Otto Spiller SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11098 D Bartholomäus Kalb CDU/CSU . . . . . . . . . . . 11101 D Hans-Eberhard Urbaniak SPD . . . . . . . . . . . . 11103 D Bartholomäus Kalb CDU/CSU . . . . . . . . . 11104 D Susanne Jaffke CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 11105 C Einzelplan 05 Auswärtiges Amt Joseph Fischer, Bundesminister AA . . . . . . . . 11107 B Karl Lamers CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 11111 A Gernot Erler SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11113 C Dr. Werner Hoyer F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . 11116 A Wolfgang Gehrcke PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 11118 A Gert Weisskirchen (Wiesloch) SPD . . . . . . . . 11119 A Peter Hintze CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 11121 A Gernot Erler SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11122 B Dr. Helmut Lippelt BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11124 B Dr. Helmut Haussmann F.D.P. . . . . . . . . . . . . 11126 B Uwe Hiksch PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11127 B Dr. Christoph Zöpel, Staatsminister AA . . . . 11128 B Plenarprotokoll 14/116 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 116. Sitzung Berlin, Dienstag, den 12. September 2000 I n h a l t : Ulrich Irmer F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11128 D Peter Hintze CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 11130 C Dr. Christoph Zöpel, Staatsminister AA . . . . 11130 D Christian Schmidt (Fürth) CDU/CSU . . . . . . 11131 A Günter Gloser SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11133 A Einzelplan 17 Bundesministerium für Familie, Senio- ren, Frauen und Jugend Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11135 A Dr. Ilja Seifert PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11138 C Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11139 A Dr. Maria Böhmer CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 11139 B Irmingard Schewe-Gerigk BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11141 D Ina Lenke F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11143 D Petra Bläss PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11145 D Hildegard Wester SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11147 A Ina Lenke F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11148 D Maria Eichhorn CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 11149 B Christian Simmert BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11151 B Dr. Ilja Seifert PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11152 B Klaus Haupt F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11153 C Christel Hanewinckel SPD . . . . . . . . . . . . . . . 11154 C Manfred Kolbe CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 11156 C Einzelplan 15 Bundesministerium für Gesundheit Andrea Fischer, Bundesministerin BMG . . . . 11159 A Wolfgang Lohmann (Lüdenscheid) CDU/CSU 11161 B Eckhart Lewering SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11163 D Dr. Ilja Seifert PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11165 A Dr. Dieter Thomae F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . 11165 C Dr. Ruth Fuchs PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11166 D Dr. Martin Pfaff SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11167 D Aribert Wolf CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 11171 C Klaus Kirschner SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 11172 A Monika Knoche BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11174 A Aribert Wolf CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 11175 A Ulf Fink CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11175 D Dr. Ilja Seifert PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11177 B Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11178 C Berichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11178 A Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 11179 A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Peter Letzgus (CDU/CSU) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Errich- tung einer Stiftung „Erinnerung, Verantwor- tung und Zukunft“ (114. Sitzung, Tagesord- nungspunkt 7 a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11179 C Anlage 3 Neudruck einer zu Protokoll gegebenen Rede zur Beratung des Antrags: Vererblichkeit von Bodenreformeigentum (105. Sitzung) . . . . . . 11179 D Anlage 4 Technisch bedingter Neudruck eines Rede- beitrages (115. Sitzung) . . . . . . . . . . . . . . . . . 11180 C Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 12. September 2000II Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 12. September 2000
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    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 12. September 2000 Dr. Ilja Seifert 11178 (C) (D) (A) (B) Berichtigung 114. Sitzung, Seite IV; Rednerliste zu Zusatztagesordnungspunkt 7, statt „Dr. Heinrich Fink (PDS)“ ist „Ulf Fink (CDU/CSU)“ zu lesen. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 12. September 2000 11179 (C) (D) (A) (B) Altmaier, Peter CDU/CSU 12.09.2000 Behrendt, Wolfgang SPD 12.09.2000* Brudlewsky, Monika CDU/CSU 12.09.2000 Bühler (Bruchsal), CDU/CSU 12.09.2000* Klaus Dr. Eid, Uschi BÜNDNIS 90/ 12.09.2000 DIE GRÜNEN Elser, Marga SPD 12.09.2000 Frick, Gisela F.D.P. 12.09.2000 Hauer, Nina SPD 12.09.2000 Heyne, Kristin BÜNDNIS 90/ 12.09.2000 DIE GRÜNEN Hörster, Joachim CDU/CSU 12.09.2000 Hoffmann (Chemnitz), SPD 12.09.2000 Jelena Dr. Hornhues, CDU/CSU 12.09.2000* Karl-Heinz Marquardt, Angela PDS 12.09.2000 Dr. Meyer (Ulm), SPD 12.09.2000 Jürgen Dr. Protzner, Bernd CDU/CSU 12.09.2000 Rauber, Helmut CDU/CSU 12.09.2000 Rupprecht, Marlene SPD 12.09.2000 Scheffler, Siegfried SPD 12.09.2000 Dr. Vollmer, Antje BÜNDNIS 90/ 12.09.2000 DIE GRÜNEN Zapf, Uta SPD 12.09.2000 * für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Peter Letzgus (CDU/CSU) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Errichtung einer Stiftung „Erinnerung, Ver- antwortung und Zukunft“ (Drucksachen 14/3206 und 14/3459) (114. Sitzung, Tagesordnungspunkt 7 a) Die NS-Herrschaft hat vielen Menschen großes Leid zugefügt. Zwangsarbeiter wurden deportiert, inhaftiert und ausgebeutet. Deutsche Unternehmen, die an diesem Unrecht betei- ligt waren, tragen eine hohe Verantwortung. Ihre Bereitschaft zur finanziellen Wiedergutmachung begrüße ich. Da in den Verhandlungen jedoch keine optimale Rechtssicherheit erzielt werden konnte, gehe ich davon aus, dass weitere Forderungen an Deutschland und deut- sche Unternehmen gestellt werden. Der Zwangsarbeiter- fonds wird kein finanzieller Schlussstrich werden. Ich bin nicht damit einverstanden, dass einige Opfer- gruppen, an die bisher bereits Entschädigungsleistungen gezahlt wurden, gegenüber anderen Opfergruppen privi- legiert werden, obwohl Letztere einem gleich schweren Schicksal ausgesetzt waren. Die Diskussion um Zwangsarbeit hat auch viele Deut- sche, die ähnliche Schicksale zu erdulden hatten (darunter auch meine Mutter), in ihrem Gerechtigkeitssinn getrof- fen. Lösungen zur Wiedergutmachung für diese Menschen sind weder in der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ noch an anderer Stelle vorgesehen. Ich stimme dem Gesetzentwurf nicht zu. Anlage 3 Neudruck einer zu Protokoll gegebenen Rede zurBeratung des Antrags: Vererblichkeit von Bo- denreformeigentum (105. Sitzung, Seite 9916 D) Steffi Lemke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Wir ha- ben den Antrag der PDS-Fraktion zum Thema „Ver- erblichkeit von Bodenreformeigentum“, Drucksache 14/1063, bereits vor einem Jahr, am 24. Juni 1999, an die- ser Stelle behandelt. Gegenstand der heutigen Debatte ist die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Angele- genheiten der neuen Länder vom 16. Dezember 1999 zu dieser Thematik. Die mit dem Zweiten Vermögensrechtsänderungs- gesetz 1992 in das EGBGB eingefügten Regelungen des Art. 233, §§ 11 bis 16 waren und sind die notwendigen Konsequenzen aus unregelmäßiger Rechtsanwendung in der ehemaligen DDR. Die Quelle der Ungerechtigkeit müssen Sie dort verorten, werte Kolleginnen und Kollegen von der PDS, und für diesen Zustand tragen Sie ein Stück Mitverantwortung. Der Bundesgesetzgeber hat sich 1992 aus gutem Grund für die so genannte Nachzeichnungsregelung entschieden. Nur so konnte eine Gleichbehandlung aller Erben von Bo- denreformland erreicht werden. Es ging dabei nicht nur darum, eine formale Rege- lungslücke zu schließen; es ging vielmehr darum, eine Gleichbehandlung zu erreichen, und zwar zwischen den- jenigen Neubauern-Erben, die bereits zu DDR-Zeiten ihr Bodenreformgrundstück verloren hatten, weil die zustän- digen Behörden die Besitzwechselvorschriften konse- quent angewandt haben, und denjenigen Personen, bei denen die Behörden aufgrund der praktischen Bedeu- tungslosigkeit des Privateigentums an Grund und Boden eine konsequente Löschung im Grundbuch vernachlässigt haben. Es geht also im Kern um die Frage: Welche Lösung hat der bundesdeutsche Gesetzgeber, welche Lösung hat die- ses Parlament gewählt, um ein inkonsistentes und will- kürliches Handeln der DDR-Behörden im Nachhinein unter Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes zu korrigieren? Unter diesen Vorbedingungen war die Nachzeich- nungsregelung der einzig gangbare Weg. Man kann die Nachzeichnungsregelung mit der einfachen Formel ver- anschaulichen: Kein Neubauern-Erbe soll dadurch be- nachteiligt sein, dass die DDR-Behörden die Besitzwech- selvorschriften konsequent umgesetzt haben, bzw. umgekehrt: Kein Neubauer-Erbe soll dadurch einen Vor- teil gewinnen, dass die DDR-Behörden die Besitzwech- selvorschriften nachlässig angewendet haben. Es ging hier also darum, den durch die Willkür der DDR-Behörden entstandenen Zustand nach dem Gleichbehandlungs- grundsatz aufzulösen. Dies war nur über die Nachzeich- nungsregelung möglich, mit der das Kriterium der Zutei- lungsfähigkeit in das bundesdeutsche Recht eingefügt wurde. Der Bundesgerichtshof hat in seinen Urteilen vom De- zember 1998 zwar anerkannt, dass eine grundsätzliche Vererbbarkeit von Bodenreformland in der DDR gegeben war – aber er ist nicht so weit gegangen, daraus einen Än- derungsbedarf beim geltenden Recht abzuleiten. Vielmehr gilt nach wie vor die Definition der Zuteilungsfähigkeit, die der BGH mit seinem Urteil vom 18. Juli 1997 gegeben hat. Danach ist zuteilungsfähig im Wesentlichen nur der- jenige Erbe, der am 15. März 1990 in der Landwirtschaft tätig war. Inzwischen sind zehn Jahre vergangen, und die Länder haben mit unterschiedlichem Nachdruck die Überprüfung der Grundbücher betrieben, um das Eigentum an Boden- reformgrundstücken zu klären. Das Land Mecklenburg- Vorpommern, in dem auch die meisten Bodenreform- grundstücke liegen, ist hierin am weitesten fortgeschritten: 97 Prozent der Fälle sind bislang überprüft worden. In 7 Prozent der Fälle wurde ein Anspruch des Landes als so genannter „Besserberechtigter“ an einem Bodenreform- grundstück festgestellt, weil kein zuteilungsfähiger Erbe vorhanden war. In 0,1 Prozent der Fälle hat das Land auf- grund persönlicher Härten der Betroffenen auf seine An- sprüche verzichtet. Ich bin der Auffassung, dass sich an diesen Zahlen zeigt, dass in der überwiegenden Zahl der Fälle die An- wendung der bestehenden Gesetze zu Klarheit und einer abschließenden Regelung der Eigentumsfragen geführt hat. Damit ist zehn Jahre nach der deutschen Einheit die rechtmäßige Zuordnung der Bodenreformgrundstücke weitestgehend abgeschlossen. Ich glaube, dass wir zehn Jahre nach der deutschen Ein- heit auf einem guten Weg sind, dieses schwierige Kapitel des Einigungsprozesses abzuschließen. Klar ist aber auch – und das möchte ich der Ehrlichkeit halber sagen –, dass vollständige Gerechtigkeit auf diesem Gebiet nicht zu er- reichen ist. Anlage 4 Technisch bedingter Neudruck eines Redebei- trages (115. Sitzung, Seite 11022 C) Dr. Jürgen Meyer (Ulm) (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich die Debatte über die europäische Grundrechte-Charta mit zwei Vorbemerkungen beginnen. In der letzten Sitzung des Konvents in Brüssel hat das Präsidium mitgeteilt, dass Roman Herzog den Vorsitz des Konvents demnächst wieder übernehmen wird. (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der F.D.P.) Wir alle wissen, dass er wegen der schweren Erkrankung seiner Frau den Vorsitz im Konvent niedergelegt hatte. Die Rückkehr von Roman Herzog ist vom Konvent und, wie ich sehe, auch von Ihnen sehr positiv aufgenommen worden. Roman Herzog gelingt es, mit seiner Kompetenz und seinem Ansehen, auch widerstreitende Gruppen im Konvent zusammenzuführen und das Projekt der Grund- rechte-Charta zum Erfolg zu führen. Meine zweite Vorbemerkung gilt der Rede von Präsi- dent Chirac, die er im Deutschen Bundestag gehalten hat. Ich fand es sehr erfreulich, dass Präsident Chirac deutlich gemacht hat, dass es auch bei der Grundrechte-Charta da- rum geht, mehr Demokratie in Europa zu wagen. Dies spiegelt sich bereits in der Zusammensetzung des Kon- vents wider, denn drei Viertel der Mitglieder dieses Gre- miums sind Parlamentarier. Es ist ein Signal für mehr De- mokratie, wenn eine Weichenstellung in Richtung einer Konkretisierung der Werteordnung in Europa durch ein solches Gremium vorgenommen wird. Deshalb sollten wir alle dazu beitragen, das Projekt zum Erfolg zu führen. Weil wir in früheren Debatten und auch in der Debatte im Mai in diesem Hause ein hohes Maß an Konsens fest- gestellt hatten, habe ich seinerzeit vorgeschlagen, nach- dem die Anträge der Koalitionsfraktionen einerseits und der Oppositionsfraktionen andererseits vorgelegt worden waren, diese zu einer gemeinsamen Entschließung zu- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 12. September 200011180 (C) (D) (A) (B) sammenzufassen. Die fast zweimonatigen Bemühungen nach der letzten Debatte schienen erfolgreich zu sein. Lei- der ist es heute doch nicht möglich, eine gemeinsame Ent- schließung zu verabschieden. Bevor ich dazu eine Bemerkung mache, möchte ich aber feststellen, dass alle Fraktionen in diesem Parlament in zahlreichen Punkten inhaltlich übereinstimmen. Wir sind uns darin einig, dass die Arbeiten des Konvents zur Erarbeitung der Grundrechte-Charta weiter unterstützt werden. Wir sind uns einig darin, dass die Bedeutung der Grundrechte-Charta auch in der deutschen Öffentlichkeit erkannt und gewürdigt und darüber eine breite gesell- schaftliche Debatte geführt werden sollte. Gemeinsam fordern wir die Bundesregierung auf, für den Beitritt der Europäischen Union zur Europäischen Menschenrechtskonvention einzutreten. Wir sind uns ei- nig darin, dass der Konvent fortschrittliche und für die eu- ropäische Integration zentrale Grundrechte formulieren sollte, wozu insbesondere ein Diskriminierungsverbot, ein aktives Gleichstellungsgebot sowie kulturelle Grundrech- te gehören. Wir sind uns auch einig darin, dass die Auf- nahme von wirtschaftlichen und sozialen Rechten unter Berücksichtigung der europäischen Sozialcharta und der Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Ar- beitnehmer in die Charta unterstützt werden sollte. Und: Ich denke, wir sind uns einig darüber, dass sich die Bun- desregierung im Europäischen Rat für die Rechtsverbind- lichkeit der Grundrechte-Charta mit individueller Kla- gemöglichkeit einsetzen sollte. Nun werden manche mit Recht fragen: Warum legen die Fraktionen des Deutschen Bundestages angesichts ei- ner derart weitreichenden inhaltlichen Übereinstimmung nicht eine gemeinsame Entschließung vor? Dabei kann es natürlich nicht darum gehen, so etwas wie einen „Ein- heitsbrei“ herzustellen oder abstrakte Formulierungen zu Papier zu bringen, die letztlich wenig aussagen. Die Sub- stanz dessen, was uns verbindet, ist so groß, dass die Fra- ge, warum es nicht zu einer gemeinsamen Entschließung gekommen ist, nur schwer beantwortet werden kann. Die uns Anfang dieser Woche von der CDU/CSU-Frak- tion mitgeteilte Ablehnung kam für viele von uns völlig überraschend. Ich habe natürlich versucht, rational nach- zuvollziehen, worauf sich diese Ablehnung gründet, und festzustellen, ob sie vielleicht nur ein Mittel ist, Profil auf einem ungeeigneten Feld der Auseinandersetzung zu ge- winnen. Vonseiten der CDU/CSU wurde – es hat ja keinen Sinn, darum herumzureden – bezüglich des Grundrechts auf Asyl auf angeblich unüberbrückbare Meinungs- unterschiede hingewiesen. Dies verwundert uns, da wir uns ursprünglich auch mit der CDU/CSU darauf verstän- digt hatten, uns dem Bekenntnis des Europäischen Rates von Tampere, dem künftigen europäischen Asylrecht die Genfer Flüchtlingskonvention uneingeschränkt und all- umfassend zugrunde zu legen, anzuschließen. Ich bin der Auffassung, dass die auf nationaler Ebene sicherlich notwendige Auseinandersetzung um das von der CDU/CSU-Fraktion lediglich gewünschte institutio- nelle Asylrecht und das von uns weiterhin für richtig er- achtete einklagbare individuelle Grundrecht auf Asyl auch geführt werden muss. Aber heute geht es um die Beratun- gen des Konvents in Brüssel. Ich finde, man sollte die Aus- einandersetzung, die auf nationaler Ebene zu führen ist, vor allem dann nicht nach Brüssel verlagern, wenn man sie auf nationaler Ebene nicht gewinnen kann; denn für eine Grundgesetzänderung gibt es keine Mehrheit. Außerdem werden wir in die Grundrechte-Charta auf- nehmen, dass das Niveau weiter gehender nationaler Grundrechte durch die Charta nicht abgesenkt werden darf. Diese Forderung wurde von Delegierten verschiede- ner Länder erhoben. Die Finnen sind zum Beispiel in Sorge, dass das Niveau ihrer hochmodernen Verfassung durch die Grundrechte-Charta gesenkt werden könnte. Dies darf nicht geschehen. Deshalb sind wir der Auffas- sung – mit den eben skizzierten Folgen für das deutsche Asylrecht –, dass durch die Grundrechte-Charta der hohe Grund-rechtsstandard der nationalen Verfassungen in kei- nem Fall gesenkt werden darf. Darauf haben wir uns be- reits verständigt. Warum also streiten wir im Zusammen- hang mit der Charta dann über diesen Punkt? Ein weiteres Thema, mit dem wir uns in den nächsten zwei Wochen im Konvent sehr intensiv beschäftigen wer- den, sind die sozialen Grundrechte. Wir hatten uns ei- gentlich darauf verständigt, klarzustellen: Es ist an der Zeit, die immer wieder beschworene Unteilbarkeit und Universalität der Menschenrechte auch dadurch zu doku- mentieren, dass – dem Auftrag von Köln entsprechend – die wirtschaftlichen und sozialen Grundrechte Eingang in die Charta finden. Warum streiten wir also darüber? Im Konvent besteht Einigkeit, dass durch die Grundrechte- Charta die Kompetenzen der EU-Organe nicht erweitert werden dürfen. Ich bin der Auffassung, wir sollten gemeinsam überle- gen, ob die bevorstehende Debatte im Konvent in Brüssel nicht auch von uns unterstützt werden sollte. Es ist offen- sichtlich, dass es Streit über die sozialen Grundrechte gibt. Wer wollte das in Abrede stellen? Es ist auch offensicht- lich, dass einige Länder großen Wert darauf legen, eine Vielzahl sozialer Grundrechte zu formulieren. Wir sind da- gegen der Auffassung – ich habe das eben als gemeinsa- me Auffassung dargestellt –, dass man nur Grundrechte formulieren sollte, die auch einklagbar sind. Deshalb wer- be ich um Unterstützung für den Versuch – den ich ge- meinsam mit dem Delegierten der französischen Regie- rung, Herrn Braibant, unternommen habe –, in dieser Frage einen Mittelweg zu finden. Roman Herzog hat, als die Debatten im Konvent sehr streitig ausgetragen wurden, die Mitglieder des Konvents ausdrücklich aufgefordert, einen solchen Mittelweg zu suchen. Dieser sollte auf drei Säulen beruhen. In die Präambel der Charta und in die Überschrift des Kapitels über die so- zialen Grundrechte sollte – als erste Säule – der Grundsatz der Solidarität festgeschrieben werden. Als zweite Säule sollten in acht Artikeln, gruppiert um die Elemente Arbeit, Gesundheit, Bildung und soziale Sicherheit, die Respek- tierung und der Schutz sozialer Grundrechte in die Charta aufgenommen werden. In der dritten Säule sollte deutlich gemacht werden: Es wird auch künftig Konventionen mit neuen – auch sozialen – Grundrechten geben. Diese sind, wenn alle Mitgliedstaaten zugestimmt haben, Grundlage der Auslegung und Anwendung der Charta. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 12. September 2000 11181 (C) (D) (A) (B) Um deutlich zu machen, dass wir uns eigentlich ver- ständigen könnten, will ich einmal die drei Sätze vorlesen, die Herr Braibant und ich in Bezug auf das Recht auf Ar- beit vorgeschlagen haben. Ich wüsste gerne, ob irgendje- mand in diesem Raum ist, der der folgenden Formulierung nicht zustimmen kann: Jeder hat das Recht zu arbeiten und das Recht auf Schutz seines Arbeitsplatzes. Insbesondere hat jeder das Recht, seinen Beruf frei zu wählen und auszu- üben, sowie das Recht auf freien Zugang zu unent- geltlicher Arbeitsvermittlung. Jeder hat Anspruch auf Schutz vor ungerechtfertigter oder missbräuchlicher Entlassung. Wer kann gegen ein so formuliertes soziales Grundrecht auf Arbeit sein? (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Ich habe gehört, dass die Debatte in der CDU/CSU- Fraktion letztlich deshalb zur Ablehnung einer gemeinsa- men Entschließung geführt hat, weil man sich über die Aufnahme eines kleinen Satzes nicht einig geworden ist. Wir haben im Entwurf der gemeinsamen Entschließung folgenden Satz vorgesehen: Die Charta soll klarstellen, dass gleichgeschlechtli- che Paare nicht benachteiligt werden dürfen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Was haben Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU-Fraktion, gegen diesen Satz? Mir ist schon klar, dass ich eigentlich diejenigen Ihrer Kollegen anspre- chen müsste, die nicht da sind. (Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Herr Altmaier wird das gleich in vernichtender Deut- lichkeit klarmachen!) Bezogen auf den von Ihnen kritisierten Satz darf ich Ih- nen in Erinnerung rufen, was Sie vor kurzem auf Ihrem Parteitag in Essen zu diesem Thema beschlossen haben und auch von Ihrer Vorsitzenden, Frau Merkel, sehr un- terstützt worden ist. Ich zitiere aus Ihrem Parteitagsbe- schluss: Wir respektieren die Entscheidung von Menschen, die in anderen Formen der Partnerschaft ihren Le- bensentwurf zu verwirklichen suchen. (Peter Hintze [CDU/CSU]: So ist es!) Wir anerkennen, dass auch in solchen Beziehungen Werte gelebt werden können, die für unsere Gesell- schaft grundlegend sind. Dies gilt für nicht eheliche Partnerschaften zwischen Frauen und Männern; dies gilt auch für gleichgeschlechtliche Partnerschaften. Wir werben für Toleranz und wenden uns gegen jede Form von Diskriminierung. (Beifall im ganzen Hause) Verehrte Kolleginnen und Kollegen, genau dies hatten wir für unsere gemeinsame Entschließung vorgesehen. (Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Schreiben Sie das in die Charta und wir stimmen zu!) Mir ist klar, dass Sie in Ihrer Fraktion dafür gekämpft haben, sich aber letztlich gegenüber Ihren CSU-Kollegen nicht durchsetzen konnten. Ich bitte Sie dringend, dieses Problem zu lösen und nicht zuzulassen, dass das, was Frau Merkel zu diesem Thema gesagt und durchgesetzt hat, von Herrn Stoiber wieder aus dem Gefecht gezogen wird. (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Wir stehen ja gar nicht im Gefecht! Nicht so martialisch!) Ich habe sehr genau beobachtet, dass Sie in unserer letz- ten Debatte am 18. Mai irritiert reagierten, als der CSU- Kollege Dr. Müller als ausdrückliche Bedingung für die Ratifizierung der Charta bezeichnete: Wir wollen keine Kompetenzausweitung, sondern er- warten Kompetenzbeschränkungen. Wie kann man so etwas von der Grundrechte-Charta, die sich mit der Kompetenzfrage bekanntlich nicht zu befas- sen hat, überhaupt erwarten? Kommen Sie zu einer ver- nünftigen Einigung mit den CSU-Kollegen in Ihrer Frak- tion! Wenn das geschehen ist, dann legen wir – das ist meine Überzeugung – wieder gemeinsame Entschließun- gen vor. Die Grundlage dafür ist breit genug. Lassen Sie uns gemeinsam feststellen: Es geht bei der Grundrechte-Charta um die Identität der Europäer, die ih- re Werteordnung, an die sie gebunden sind, deutlich ma- chen sollten. Genauso wichtig ist: Es geht um die Kon- trolle von Machtausübung durch die EU-Organe in Brüssel. (Sabine Leutheusser-Schnarrenberger [F.D.P.]: Das ist der Kern!) Dass wir dafür gemeinsam eintreten, sollte künftig wieder deutlicher werden, als es heute durch Mehrheitsentschei- dungen über einen Antrag der Koalition deutlich werden kann. Überlegen Sie bitte, ob Taktik nicht Übertaktieren bedeutet, wenn man die Taktik über die Sache stellt. Ich werde mich jedenfalls durch die Abstimmungen, die heute leider nicht im Konsens erfolgen werden, nicht davon abhalten lassen, auch mit den Europapolitikern der Oppositionsfraktionen, die für eine gemeinsame Ent- schließung gekämpft haben und denen es in erster Linie um die Sache und nicht um parteitaktischen Vorteil geht, weiter konstruktiv zusammenzuarbeiten. Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 12. September 200011182 (C) (D) (A) (B) Druck: MuK. Medien-und Kommunikations GmbH, Berlin
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    Rede von Prof. Dr. Martin Pfaff


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Liebe Kol-
    leginnen und Kollegen! Traditionsgemäß bietet die Haus-
    haltswoche, vor allem die in der Mitte einer Legislaturpe-
    riode, Anlass zum Rückblick, aber auch zum Ausblick.
    Sie ist auf ganz besondere Weise eine Nagelprobe für die
    Regierung selbst – es geht um die Frage, ob sie klare Vor-
    stellungen über die Ziele und die notwendigen Maßnah-
    men in der laufenden Legislaturperiode und darüber hi-
    naus hat –, aber natürlich auch eine Nagelprobe für die
    Opposition: Wird sie alles in Bausch und Bogen verdam-
    men, auch Maßnahmen, die sie in der Vergangenheit sel-
    ber durchgeführt hat oder im Konsens mit durchgeführt




    Dr. Ruth Fuchs

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    hat, wird sie Populismus pur in den Vordergrund stellen,
    weil dies der Opposition leichter fällt, oder wird sie dort
    Verantwortung mit tragen, wo es erforderlich ist? Ich
    muss ganz offen sagen, die Bemerkungen, die ich heute
    gehört habe, stimmen mich nicht gerade optimistisch.


    (Beifall bei der SPD)

    Herr Kollege Lohmann, Sie sagen hier, eine moderne

    Gesundheitspolitik sei gefordert. Besteht eine moderne
    Gesundheitspolitik darin, dass man


    (Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ CSU]: Tatsachen zur Kenntnis nimmt!)


    Gesundheitsrisiken privatisiert, dass man die Zuzahlun-
    gen erhöht, dass man den Leistungskatalog mindert und
    die Risiken den Menschen aufbürdet,


    (Zuruf von der CDU/CSU: Das macht ihr doch!)


    die zum Teil nicht in der Lage sind, sie zu tragen? Diese
    Vorschläge haben einen langen grauen Bart. Das ist nicht
    modern, auch wenn man es wieder auf neues Briefpapier
    kopiert; das muss ich hier in aller Deutlichkeit sagen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: Aber die Leistungen vorzuenthalten ist richtig?)


    Zweitens sprechen Sie das Problem der Zulassung von
    Arzneimitteln an. Es besteht ja in der Tat. Aber hier muss
    doch die bescheidene Frage erlaubt sein, was Sie denn in
    den 16 Jahren Ihrer Regierungszeit getan haben, um die-
    sen Stau bei den Zulassungen zu beseitigen? Angemahnt
    wurde es von uns und von den europäischen Institutionen
    schon lange. Wer im Glashaus sitzt, sollte sicher nicht mit
    Steinen werfen.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Sie haben die sektoralen Budgets kritisiert. Wir wis-

    sen, sie haben auch negative Effekte. Aber dann frage ich
    Sie: Warum haben Sie denn das Globalbudget verhindert,
    das eine intelligentere Form gewesen wäre


    (Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ CSU]: Nein, eine Katastrophe wäre das gewesen!)


    und mehr Flexibilität zwischen den Sektoren erlaubt
    hätte? Auch hier erfordert die Glaubwürdigkeit einiges.

    In einem Punkt haben Sie ja nicht Unrecht: Die Kür-
    zung der Beiträge der Arbeitslosen zur gesetzlichen
    Krankenversicherung stellt einen Verschiebebahnhof
    dar. Ich sage das in aller Deutlichkeit. Nun muss aber zum
    einen auch daran erinnert werden, dass die Haushaltskon-
    solidierung, die Sparbemühungen eine logische Konse-
    quenz der Finanzsituation sind, die wir bei der Über-
    nahme der Regierungsverantwortung vorfanden.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: Das kann doch kein Argument für Verschiebebahnhöfe sein, jedenfalls kein professorales Argument!)


    Ohne diese Situation würde Walter Riester nicht seinen
    Beitrag zur Konsolidierung des Haushalts leisten müssen.

    Zum anderen darf ich, da Sie ja besondere Experten für
    Verschiebebahnhöfe sind, daran erinnern, was eigentlich
    in Ihrer Regierungszeit geschehen ist. Erstes Beispiel: die
    Senkung des Rentenbeitrags von 18,7 Prozent auf
    17,7 Prozent, später auf 17,5 Prozent bei gleichzeitiger
    Erhöhung des Beitrags der Bundesanstalt für Arbeit. Das
    war eine Zweckentfremdung des Reservepolsters der
    Rentenversicherung. Zweites Beispiel – wohlgemerkt, ich
    komme zur GKV –: Absenkung von Reha-Leistungen in
    der Rentenversicherung, Anstieg ambulanter Leistungen
    in der gesetzlichen Krankenversicherung. Das haben Sie
    gemacht. Drittes Beispiel: Ausgliederung der medizini-
    schen Rehabilitation als Regelleistung der GKV. Das war
    Ihre Absicht und das bedeutet eine weitere Belastung der
    gesetzlichen Pflegeversicherung. Durch das so genannte
    2. GKV-Neuordnungsgesetz wollten Sie darüber hinaus
    die häusliche Krankenpflege und die ambulante Rehabili-
    tation von einer gesetzlichen Anspruchsleistung auf eine
    satzungsgemäße Mehrleistung umsatteln. Das hätte eine
    Mehrbelastung der gesetzlichen Pflegeversicherung be-
    deutet.

    In den fünf Jahren zwischen 1992 und 1997 haben Sie
    der gesetzlichen Krankenversicherung 17 Milliarden DM
    entzogen, und zwar durch die Senkung der Bemessungs-
    grundlage für die Krankenversicherungsbeiträge aus
    Entgeltersatzleistungen von 100 Prozent auf 80 Prozent
    – 4,5 Milliarden DM pro Jahr –, durch die Anhebung der
    Bemessungsgrundlage vom Nettoentgelt bei den Ren-
    tenversicherungsbeiträgen – 1 Milliarde DM pro Jahr –,
    durch die Senkung der den Krankenkassen zustehenden
    Beitragseinzugsvergütungen – einen Bruchteil einer Mil-
    liarde DM – und durch die Senkung der Entgeltfortzah-
    lung. Ich könnte die Liste fortsetzen.


    (Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ CSU]: Warum haben wir dann 1997 und 1998 Überschüsse gehabt?)


    Sie haben dem System 17 Milliarden DM entzogen. Ich
    sage noch einmal: Wer im Glashaus sitzt, sollte wirklich
    nicht mit Steinen werfen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: 1997 und 1998 sind Überschüsse entstanden! Wie kommt denn das? – Gegenruf von der SPD: Weil die Patienten zur Kasse gebeten worden sind!)


    Im Übrigen: Zu dem, was Bundeskanzler Schröder
    über die Stärkung der Eigenverantwortung gesagt hat,
    stehen wir.


    (Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ CSU]: Nur verbal, nicht mit Tatsachen!)


    Mit Eigenverantwortung meinen wir aber nicht eine
    Erhöhung der Zuzahlung. Wir meinen die Verantwortung
    der Menschen für ihre Lebensführung, für das Lebens-
    umfeld, vor allem aber für die Lebensführung: das ist Ei-
    genverantwortung.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)





    Dr. Martin Pfaff
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    Es ist klar, dass das Ernährungs-, Bewegungs- und Ar-
    beitsverhalten einen wesentlichen Einfluss auf die Zivili-
    sationskrankheiten hat. Mit diesem Konzept der Eigen-
    verantwortung können wir uns anfreunden, nicht aber mit
    einer Anhebung der Zuzahlungen.

    Geschätzter, lieber Dieter Thomae: Die rot-grüne Ge-
    sundheitspolitik hat sicher dieses vernichtende Urteil
    nicht verdient. Das ist ganz klar.


    (Dr. Dieter Thomae [F.D.P.]: Die Patienten sagen es!)


    Der Überschuss, den ihr uns am Ende der Periode über-
    lassen habt – es gab einen rechnerischen Überschuss –,
    war das Produkt einer enormen Anhebung der Zuzahlun-
    gen. Die Anhebung der Zuzahlungen zur Entlastung des
    Budgets ist die Kunst der Primitiven. Das kann jeder ma-
    chen


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Dieter Thomae [F.D.P.]: Jetzt bekommt der Patient gar nichts! – Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ CSU]: Dann schaffen Sie doch die Zuzahlungen sofort ab!)


    Die andere Frage ist, wie sich Budgets auswirken. Ich
    finde es sehr eigenartig, mit welcher Begeisterung noch
    unter dem früheren Bundesgesundheitsminister Seehofer
    Budgets eingeführt wurden. Das war damals in Ordnung,
    jetzt aber soll es auf einmal Teufelswerkzeug sein. Ich
    frage Sie zum Arzneimittelbudget: Bedeutet Ihre Kritik an
    diesem Budget, dass alle Ärztinnen und Ärzte, die mit
    ihrem Budget zurechtkommen, ihren Patientinnen und
    Patienten die notwendige Versorgung verweigern?
    Bedeutet das, dass nur der geringere Anteil, der nicht zu-
    rechtkommt, die Norm ist, obwohl alle anderen offen-
    sichtlich damit zurechtkommen? Wenn wir die Spielre-
    geln kennen, wissen wir auch, dass in begründeten Fällen
    auch Erklärungen für Überschreitungen angebracht wer-
    den können.

    Was die Freiberuflichkeit der Ärzte angeht: Wir wis-
    sen alle, dass die Ärzte einen sozial gebundenen Beruf ha-
    ben. Sie werden aus Zwangsbeiträgen der Mitglieder der
    gesetzlichen Krankenversicherung finanziert. Im Übri-
    gen: Auch dieses Gebot der sozialen Gebundenheit der
    freien Berufe verpflichtet doch nicht die Sozialversiche-
    rungen, oder den Gesetzgeber, Überkapazitäten, die zu
    enormen Ausgabensteigerungen führen, zu finanzieren.
    Wollen Sie denn wirklich, dass die Versicherten mit ihren
    Zwangsbeiträgen Kapazitäten finanzieren, die nicht er-
    forderlich sind und über den Bedarf hinausgehen?


    (Zurufe von CDU/CSU: Aber wo sind die denn? – Wo sind die denn konkret?)


    Das kann ja wohl nicht der Sinn der sozialen Kranken-
    versicherung sein.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition,
    wir wollen keine Hetzjagd auf Ärzte. Ich finde, das wäre
    nicht richtig. Aber diejenigen, die das Gesetz brechen,

    müssen mit aller Konsequenz des Gesetzes rechnen, so
    wie es in anderen Bereichen ebenso der Fall ist.

    So viel nur als erste Replik. Ich sagte ja schon, dass
    eine solche Haushaltswoche auch Anlass zum Rückblick
    insgesamt geben kann.


    (Dr. Dieter Thomae [F.D.P.]: Aber auch zum Ausblick!)


    Nachdem der Kollege Eckhart Lewering schon einiges
    gesagt hat, kann ich nur wiederholen: Wir haben nach Be-
    ginn unserer Regierungsverantwortung das unselige
    Krankenhausnotopfer gestrichen. Das wissen die Men-
    schen draußen. Wir haben die Zuzahlungen bei Arznei-
    mitteln reduziert. Auch das ist angekommen.


    (Dr. Dieter Thomae [F.D.P.]: Aber die Leistungen gekürzt!)


    Leider konnten wir es wegen der Finanzlage nicht so weit
    reduzieren, wie wir es gerne getan hätten.


    (Dr. Dieter Thomae [F.D.P.]: Dafür verrotten die Krankenhäuser!)


    Wir haben die Zuzahlungen für chronisch Kranke nach
    dem ersten Jahr gestrichen. Das ist doch eine sozialpoliti-
    sche Leistung, die eigentlich auch von Ihnen Anerken-
    nung verdienen würde. Wir haben bei den Psychothera-
    peuten die Zuzahlungen gestrichen, wir haben die
    Dynamisierung der Zuzahlungen ebenfalls gestrichen,
    und den unseligen Koppelungsmechanismus, den man Ih-
    nen, verehrter Herr Kollege Seehofer – ich erinnere an den
    berühmt-berüchtigten Spaziergang im Altmühltal –, zu-
    schreibt, dass nämlich bei einem Steigen der Beiträge die
    Versicherten zu höheren Zuzahlungen genötigt werden,
    also sozusagen als Hebel gegenüber den Kassen benutzt
    werden, haben wir Gott sei Dank auch gestrichen. Darauf
    sind wir auch ein wenig stolz. Ich glaube, die Menschen
    werden das auch zu würdigen wissen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der SPD: Haben sie schon! – Gegenrufe von der CDU/ CSU: Das sieht man an den Umfragen! – Die Sympathiewerte von Frau Fischer sind enorm!)


    Wir haben den Zahnersatz, den Sie für nach 1978 Ge-
    borene privatisiert haben, als Sachleistung wieder einge-
    führt. Wir haben die unseligen PKV-Elemente, die in der
    privaten Krankenversicherung durchaus richtig am Platz
    sind, wieder aus der gesetzlichen Krankenversicherung
    gestrichen. Ich fasse zusammen: Diese Bundesregierung
    hat – gemessen an ihren Ankündigungen aus dem Wahl-
    kampf – auch in der Gesundheitspolitik Wort gehalten.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Nehmen wir einmal das GKV-Strukturreformgesetz
    als Beispiel. Ich stelle mit aller Ernsthaftigkeit fest: An-
    gesicht der Kritik an unserem System – die WHO hat uns
    wieder einen Spiegel vorgehalten, auch wenn er etwas
    verzerrt war – sind wir uns doch darüber einig, dass es ei-
    nige Defizite in unserem System gibt, zum Beispiel die
    mangelnde Verzahnung. Die Antwort auf dieses Problem
    sind Maßnahmen in Richtung integrierter Versorgung. Ein




    Dr. Martin Pfaff

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    weiteres Problem sind falsche Anreize im Vergütungssys-
    tem. Die Antwort sind beispielsweise durchgehend leis-
    tungsbezogene Vergütungen und Fallpauschalen im Kran-
    kenhaus, die Stärkung der Prävention, die Sie geschwächt
    haben, Steigerung der Transparenz, Qualitätssicherung,
    über die schon viel gesprochen wurde, sowie Stärkung der
    Patientenrechte und der Rolle der Hausärzte.

    Wir können auch darauf stolz sein, dass wir die unse-
    lige Sozialmauer, die im Gesundheitswesen durch die
    Mitte Deutschlands ging, endlich zum Abriss freigegeben
    haben. Die Einführung eines gesamtdeutschen Risiko-
    strukturausgleichs war ein wichtiger Punkt.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Zur finanziellen Lage der gesetzlichen Krankenver-
    sicherung hat die Frau Bundesministerin einiges gesagt.
    Ich sage es ganz deutlich: Hier gibt es Licht und Schatten.
    Es gibt Licht, weil die Finanzsituation der gesetzlichen
    Krankenkassen am Ende des Jahres wie im vergangenen
    Jahr wahrscheinlich wieder ausgeglichen sein wird. Es
    gibt auch etwas Licht, weil jetzt die Einkommen aus ge-
    ringfügiger Beschäftigung in der gesetzlichen Kranken-
    kasse berücksichtigt werden. Hier lagen Sie, meine liebe
    Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, deutlich
    daneben. Wenn der Umfang der geringfügigen Beschäfti-
    gung wirklich so drastisch zurückgegangen wäre, wie Sie
    prognostiziert hatten, dann würden die Einnahmen in die-
    sem Jahr nicht bei 2 Milliarden DM und im nächsten Jahr
    sogar über 2 Milliarden DM liegen. Sie wären dann deut-
    lich geringer ausgefallen. Hieran zeigt sich wiederum,
    dass unser Schritt richtig war.

    Die Beitragssätze in Ost und West haben sich bis auf
    drei Zehntel Beitragssatzpunkte – wohlgemerkt: im
    Durchschnitt – angenähert. Sie werden für einige Zeit sta-
    bil sein.

    Es gibt aber auch Schatten. Das möchte ich in aller
    Deutlichkeit sagen. Die Urteile des Bundesverfassungs-
    gerichts bedeuten, dass die Ausgaben um 3 Milliarden bis
    6,5 Milliarden DM steigen werden. Die Einmalzahlungen
    beim Krankengeld und die Angleichung der Krankenkas-
    senbeiträge für freiwillig versicherte Rentner bedeuten für
    die Krankenkassen Mindereinnahmen in Höhe von unge-
    fähr 500 Millionen DM. Wir wissen, dass dies finanzielle
    Risiken in sich birgt. Auch der Verschiebebahnhof, der
    durch die Sparzwänge notwendig wurde, ist eine weitere
    Belastung. Dazu habe ich schon einiges gesagt.

    Dennoch meinen wir, dass die Finanzlage kurzfristig
    überschaubar ist, auch wenn mittelfristig erhebliche Risi-
    ken bestehen und sich große Gewitterwolken zusammen-
    brauen. Darauf werde ich noch eingehen. In den Progno-
    sen wird davon ausgegangen, dass die gesetzliche
    Pflegeversicherung zwar übergangsweise Defizite auf-
    weisen wird, dass aber in relativ wenigen Jahren die Bud-
    gets wieder ausgeglichen werden können bzw. in der
    zweiten Hälfte des Jahrzehnts sogar Überschüsse entste-
    hen werden, sobald die Situation der Demenzkranken ver-
    bessert ist, was unabdingbar ist. Niemals wird die gesetz-
    lich erforderliche Mindestreserve unterschritten. Das
    muss man auch einmal deutlich sagen. Ich weiß, das kann

    uns angesichts des Bedarfs, der nicht gedeckt ist, nicht
    voll befriedigen. Aber auch hier gibt es einige Missver-
    ständnisse.

    Das große Problem sehen wir nicht in der Entwicklung
    der Durchschnittsbeiträge, sondern in der Entwicklung
    der Beitragssätze nach Kassenarten, und zwar beson-
    ders in der neuesten Entwicklung nach 1999. Wir haben
    gemeinsam in Lahnstein den Risikostrukturausgleich be-
    schlossen. Wir haben auch gemeinsam die Ausweitung
    der Wahlfreiheit beschlossen. Wir haben uns auch ge-
    meinsam gefreut – ich hoffe, jedenfalls die meisten von
    uns –, dass die intendierten Wirkungen auch erzielt wur-
    den. Aber vor allem seit 1999 ist ein ganz besonderes Pro-
    blem entstanden. Das betrifft auch schon das Jahr 1998,
    aber besonders danach hat sich das Problem bis zum heu-
    tigen September vergrößert.
    Deshalb hat der heutige Termin auch eine gewisse sym-
    bolische Bedeutung. Es ist ganz offensichtlich, dass hier
    ein erhebliches Problem auf uns zukommt. Schon im Jahr
    1999 haben rund eine Million Menschen die Kranken-
    kasse gewechselt, wahrscheinlich sind es in diesem Jahr
    noch etwas mehr. Dass sie die Kassen wechseln wollen
    oder können, ist aber nicht das Problem. Das war als In-
    strument des Wettbewerbs sogar intendiert.


    (Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: Das meine ich auch!)


    Das Problem besteht darin, dass es überwiegend 25-
    bis 40-Jährige sind, die ihre Kasse wechseln. Wenn man
    sich die Auswertung einer großen Kassenart anschaut,
    dann zeigt sich, dass von den Abgewanderten weniger als
    1 Prozent in den letzten drei Jahren überhaupt einen
    Krankenhausaufenthalt hatte. Das heißt, die Wechsler
    sind jung, allein stehend, Gutverdiener und vor allem ge-
    sund; das betrifft also vor allem eine bestimmte Alters-
    gruppe. Das heißt im Klartext: Den großen Kassen, den
    AOKen und den Ersatzkassen werden Ressourcen entzo-
    gen, die dem gesamten System fehlen.


    (Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ CSU]: Also wollen Sie den Wechsel untersagen?)


    Diejenigen, die breitere Schultern haben, entziehen sich
    der Solidarpflicht. Das ist doch nicht etwas, das nur eine
    Hälfte des Hauses interessieren kann. Ich sagte es schon:
    Wir haben das gemeinsam beschlossen.

    Im Wesentlichen geht es um circa 15 Betriebskranken-
    kassen, die den Löwenanteil dieser Wechsler aufnehmen.
    Diese haben in der Regel kein Servicenetz, kein Dienst-
    leistungsangebot in der Fläche. Sie sind in der Regel nicht
    gleichermaßen für alle, sondern hauptsächlich für die Jun-
    gen und Gesunden zu erreichen, die zum Beispiel im In-
    ternet surfen und die günstigeren Beitragssätze finden
    können. Das kann ja keine Lösung für alle sein. Es kann
    nicht der Zweck dieses Wettbewerbs sein, dass sich die
    „guten Risiken“ der Solidarpflicht entziehen; nicht nur,
    weil die Ressourcen entzogen werden, sondern weil dies
    in der Tendenz dazu führen muss, dass es zwei Arten von
    Kassen geben wird: Kassen mit geringen Beitragssätzen
    für Junge und Gesunde und Kassen für Alte, Kranke, Fa-
    milien mit Kindern und Menschen mit besonderen
    gesundheitlichen Risiken oder mit geringeren Einkom-




    Dr. Martin Pfaff
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    men. Ich frage: Wie lange kann eine solche Entwicklung
    andauern, bis es wirklich zum Crash kommt? Hierfür tra-
    gen wir alle zusammen eine besondere Verantwortung.
    Wir haben es zusammen beschlossen. Ich meine, wir kön-
    nen nicht nur zusehen, wie die Entsolidarisierung in die-
    ser Legislaturperiode ein Ausmaß erreicht, das erhebliche
    Konsequenzen nach sich zieht.

    Kurzfristig müssen wir also der Risikoselektion im
    Kassenwettbewerb etwas entgegensetzen, ohne aber die
    Konstruktion dieses Mechanismus grundsätzlich in Frage
    zu stellen. Wir müssen darüber hinaus mehr Transparenz
    schaffen.


    (Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid]) [CDU/

    CSU]: Machen Sie einen Vorschlag!)

    Wir müssen das Krankenhausfinanzierungsgesetz und die
    Bundespflegesatzverordnung an die Situation nach dem
    Jahre 2003 anpassen. Wir müssen den Fremdkas-
    senausgleich regeln. Mittelfristig – das sage ich in gebo-
    tener Kürze – müssen wir Rationalisierungsreserven dort
    mobilisieren, wo sie zu mobilisieren sind. Das ist eine
    sehr schwierige Aufgabe. Wenn das nicht ausreicht, dann
    kommt sicherlich die Diskussion, ob nicht die Verbreite-
    rung der Bemessungsgrundlage über neue Einkommens-
    arten oder die Anhebung der Beitragsbemessungs-
    und/oder Versicherungspflichtgrenze aufs Tapet muss.

    Wenn wir schon über Verbreiterung und Erhöhung der
    Einkommensgrenzen für diejenigen, die ihren Solidarbei-
    trag leisten sollen, reden, dann müssen wir auch über den
    Arbeitgeberbeitrag reden;


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    denn auch dort gibt es Ungerechtigkeiten zwischen denen,
    die vielen Menschen Brot und Arbeit geben, und den an-
    deren, die eben mehr Maschinen einsetzen.


    (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


    Diese Diskussion muss erlaubt sein. Sie muss aber in die-
    ser Legislaturperiode beginnen und wird dann hoffentlich
    in der nächsten Legislaturperiode Früchte tragen.



Rede von Anke Fuchs
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Kollege, denken
Sie bitte an die Redezeit!


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Prof. Dr. Martin Pfaff


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Ich komme zum Schluss.
    Die Dinge, die Sie anbieten – Pflicht- und Wahlleis-

    tungen, Reduzierung des Risikostrukturausgleichs, Ab-
    schaffung der Budgets – sind keine Alternative für uns.
    Wir halten folgende drei Folgerungen fest: Erstens: Auch
    in Zukunft muss gelten, gleiche Gesundheitschancen für
    alle – unabhängig vom Einkommen – zu gewährleisten.
    Zweitens: Mehr Qualität und Wirtschaftlichkeit muss
    auch in Zukunft unser Ziel sein. Drittens und letztens: So-
    lidarisch organisierte und vor allem finanzierte Gesund-
    heitssysteme sind sowohl kosteneffektiver als auch ver-
    teilungsgerechter. Wir müssen ja wirklich bekloppt sein,
    wenn wir diesen Weg verlassen wollen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)