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ID1411610600

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Nachruf auf die Abgeordnete Ilse Schumann 11059 A Nachruf auf den Alterspräsidenten des Deut- schen Bundestages Fred Gebhardt . . . . . . . . 11059 B Eintritt der Abgeordneten Pia Maier und Ulrich Kelber in den Deutschen Bundestag . 11059 C Nachträgliche Glückwünsche zum Geburtstag der Abgeordneten Dr. Norbert Blüm, Wolfgang Weiermann, Dr. Peter Danckert, Dr. Manfred Lischewski und Rudolf Bindig 11059 D Absetzung des Tagesordnungspunktes: Erste Beratung des Gesetzentwurfes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes . . . . . . . . . . . . . 11059 D Tagesordnungspunkt 1 a) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bun- deshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2001 (Haushaltsgesetz 2001) (Drucksache 14/4000) . . . . . . . . . . . . . 11059 D b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Finanzplan des Bundes 2000 bis 2004 (Drucksache 14/4001) . . . . . . . . . . . . . 11060 A Hans Eichel, Bundesminister BMF . . . . . . . . 11060 A Dietrich Austermann CDU/CSU . . . . . . . . . . 11068 A Joachim Poß SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11072 D Dr. Günter Rexrodt F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . 11076 D Oswald Metzger BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11081 B Dr. Barbara Höll PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11085 A Hans Georg Wagner SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 11086 D Ernst Hinsken CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 11088 A Jürgen Koppelin F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . 11089 D Peter Rauen CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 11091 B Antje Hermenau BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11094 D Jürgen Koppelin F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . 11096 C Dr. Uwe-Jens Rössel PDS . . . . . . . . . . . . . . . 11097 B Jörg-Otto Spiller SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11098 D Bartholomäus Kalb CDU/CSU . . . . . . . . . . . 11101 D Hans-Eberhard Urbaniak SPD . . . . . . . . . . . . 11103 D Bartholomäus Kalb CDU/CSU . . . . . . . . . 11104 D Susanne Jaffke CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 11105 C Einzelplan 05 Auswärtiges Amt Joseph Fischer, Bundesminister AA . . . . . . . . 11107 B Karl Lamers CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 11111 A Gernot Erler SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11113 C Dr. Werner Hoyer F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . 11116 A Wolfgang Gehrcke PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 11118 A Gert Weisskirchen (Wiesloch) SPD . . . . . . . . 11119 A Peter Hintze CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 11121 A Gernot Erler SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11122 B Dr. Helmut Lippelt BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11124 B Dr. Helmut Haussmann F.D.P. . . . . . . . . . . . . 11126 B Uwe Hiksch PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11127 B Dr. Christoph Zöpel, Staatsminister AA . . . . 11128 B Plenarprotokoll 14/116 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 116. Sitzung Berlin, Dienstag, den 12. September 2000 I n h a l t : Ulrich Irmer F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11128 D Peter Hintze CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 11130 C Dr. Christoph Zöpel, Staatsminister AA . . . . 11130 D Christian Schmidt (Fürth) CDU/CSU . . . . . . 11131 A Günter Gloser SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11133 A Einzelplan 17 Bundesministerium für Familie, Senio- ren, Frauen und Jugend Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11135 A Dr. Ilja Seifert PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11138 C Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11139 A Dr. Maria Böhmer CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 11139 B Irmingard Schewe-Gerigk BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11141 D Ina Lenke F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11143 D Petra Bläss PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11145 D Hildegard Wester SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11147 A Ina Lenke F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11148 D Maria Eichhorn CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 11149 B Christian Simmert BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11151 B Dr. Ilja Seifert PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11152 B Klaus Haupt F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11153 C Christel Hanewinckel SPD . . . . . . . . . . . . . . . 11154 C Manfred Kolbe CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 11156 C Einzelplan 15 Bundesministerium für Gesundheit Andrea Fischer, Bundesministerin BMG . . . . 11159 A Wolfgang Lohmann (Lüdenscheid) CDU/CSU 11161 B Eckhart Lewering SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11163 D Dr. Ilja Seifert PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11165 A Dr. Dieter Thomae F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . 11165 C Dr. Ruth Fuchs PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11166 D Dr. Martin Pfaff SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11167 D Aribert Wolf CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 11171 C Klaus Kirschner SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 11172 A Monika Knoche BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11174 A Aribert Wolf CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 11175 A Ulf Fink CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11175 D Dr. Ilja Seifert PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11177 B Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11178 C Berichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11178 A Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 11179 A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Peter Letzgus (CDU/CSU) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Errich- tung einer Stiftung „Erinnerung, Verantwor- tung und Zukunft“ (114. Sitzung, Tagesord- nungspunkt 7 a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11179 C Anlage 3 Neudruck einer zu Protokoll gegebenen Rede zur Beratung des Antrags: Vererblichkeit von Bodenreformeigentum (105. Sitzung) . . . . . . 11179 D Anlage 4 Technisch bedingter Neudruck eines Rede- beitrages (115. Sitzung) . . . . . . . . . . . . . . . . . 11180 C Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 12. September 2000II Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 12. September 2000
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    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 12. September 2000 Dr. Ilja Seifert 11178 (C) (D) (A) (B) Berichtigung 114. Sitzung, Seite IV; Rednerliste zu Zusatztagesordnungspunkt 7, statt „Dr. Heinrich Fink (PDS)“ ist „Ulf Fink (CDU/CSU)“ zu lesen. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 12. September 2000 11179 (C) (D) (A) (B) Altmaier, Peter CDU/CSU 12.09.2000 Behrendt, Wolfgang SPD 12.09.2000* Brudlewsky, Monika CDU/CSU 12.09.2000 Bühler (Bruchsal), CDU/CSU 12.09.2000* Klaus Dr. Eid, Uschi BÜNDNIS 90/ 12.09.2000 DIE GRÜNEN Elser, Marga SPD 12.09.2000 Frick, Gisela F.D.P. 12.09.2000 Hauer, Nina SPD 12.09.2000 Heyne, Kristin BÜNDNIS 90/ 12.09.2000 DIE GRÜNEN Hörster, Joachim CDU/CSU 12.09.2000 Hoffmann (Chemnitz), SPD 12.09.2000 Jelena Dr. Hornhues, CDU/CSU 12.09.2000* Karl-Heinz Marquardt, Angela PDS 12.09.2000 Dr. Meyer (Ulm), SPD 12.09.2000 Jürgen Dr. Protzner, Bernd CDU/CSU 12.09.2000 Rauber, Helmut CDU/CSU 12.09.2000 Rupprecht, Marlene SPD 12.09.2000 Scheffler, Siegfried SPD 12.09.2000 Dr. Vollmer, Antje BÜNDNIS 90/ 12.09.2000 DIE GRÜNEN Zapf, Uta SPD 12.09.2000 * für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Peter Letzgus (CDU/CSU) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Errichtung einer Stiftung „Erinnerung, Ver- antwortung und Zukunft“ (Drucksachen 14/3206 und 14/3459) (114. Sitzung, Tagesordnungspunkt 7 a) Die NS-Herrschaft hat vielen Menschen großes Leid zugefügt. Zwangsarbeiter wurden deportiert, inhaftiert und ausgebeutet. Deutsche Unternehmen, die an diesem Unrecht betei- ligt waren, tragen eine hohe Verantwortung. Ihre Bereitschaft zur finanziellen Wiedergutmachung begrüße ich. Da in den Verhandlungen jedoch keine optimale Rechtssicherheit erzielt werden konnte, gehe ich davon aus, dass weitere Forderungen an Deutschland und deut- sche Unternehmen gestellt werden. Der Zwangsarbeiter- fonds wird kein finanzieller Schlussstrich werden. Ich bin nicht damit einverstanden, dass einige Opfer- gruppen, an die bisher bereits Entschädigungsleistungen gezahlt wurden, gegenüber anderen Opfergruppen privi- legiert werden, obwohl Letztere einem gleich schweren Schicksal ausgesetzt waren. Die Diskussion um Zwangsarbeit hat auch viele Deut- sche, die ähnliche Schicksale zu erdulden hatten (darunter auch meine Mutter), in ihrem Gerechtigkeitssinn getrof- fen. Lösungen zur Wiedergutmachung für diese Menschen sind weder in der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ noch an anderer Stelle vorgesehen. Ich stimme dem Gesetzentwurf nicht zu. Anlage 3 Neudruck einer zu Protokoll gegebenen Rede zurBeratung des Antrags: Vererblichkeit von Bo- denreformeigentum (105. Sitzung, Seite 9916 D) Steffi Lemke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Wir ha- ben den Antrag der PDS-Fraktion zum Thema „Ver- erblichkeit von Bodenreformeigentum“, Drucksache 14/1063, bereits vor einem Jahr, am 24. Juni 1999, an die- ser Stelle behandelt. Gegenstand der heutigen Debatte ist die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Angele- genheiten der neuen Länder vom 16. Dezember 1999 zu dieser Thematik. Die mit dem Zweiten Vermögensrechtsänderungs- gesetz 1992 in das EGBGB eingefügten Regelungen des Art. 233, §§ 11 bis 16 waren und sind die notwendigen Konsequenzen aus unregelmäßiger Rechtsanwendung in der ehemaligen DDR. Die Quelle der Ungerechtigkeit müssen Sie dort verorten, werte Kolleginnen und Kollegen von der PDS, und für diesen Zustand tragen Sie ein Stück Mitverantwortung. Der Bundesgesetzgeber hat sich 1992 aus gutem Grund für die so genannte Nachzeichnungsregelung entschieden. Nur so konnte eine Gleichbehandlung aller Erben von Bo- denreformland erreicht werden. Es ging dabei nicht nur darum, eine formale Rege- lungslücke zu schließen; es ging vielmehr darum, eine Gleichbehandlung zu erreichen, und zwar zwischen den- jenigen Neubauern-Erben, die bereits zu DDR-Zeiten ihr Bodenreformgrundstück verloren hatten, weil die zustän- digen Behörden die Besitzwechselvorschriften konse- quent angewandt haben, und denjenigen Personen, bei denen die Behörden aufgrund der praktischen Bedeu- tungslosigkeit des Privateigentums an Grund und Boden eine konsequente Löschung im Grundbuch vernachlässigt haben. Es geht also im Kern um die Frage: Welche Lösung hat der bundesdeutsche Gesetzgeber, welche Lösung hat die- ses Parlament gewählt, um ein inkonsistentes und will- kürliches Handeln der DDR-Behörden im Nachhinein unter Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes zu korrigieren? Unter diesen Vorbedingungen war die Nachzeich- nungsregelung der einzig gangbare Weg. Man kann die Nachzeichnungsregelung mit der einfachen Formel ver- anschaulichen: Kein Neubauern-Erbe soll dadurch be- nachteiligt sein, dass die DDR-Behörden die Besitzwech- selvorschriften konsequent umgesetzt haben, bzw. umgekehrt: Kein Neubauer-Erbe soll dadurch einen Vor- teil gewinnen, dass die DDR-Behörden die Besitzwech- selvorschriften nachlässig angewendet haben. Es ging hier also darum, den durch die Willkür der DDR-Behörden entstandenen Zustand nach dem Gleichbehandlungs- grundsatz aufzulösen. Dies war nur über die Nachzeich- nungsregelung möglich, mit der das Kriterium der Zutei- lungsfähigkeit in das bundesdeutsche Recht eingefügt wurde. Der Bundesgerichtshof hat in seinen Urteilen vom De- zember 1998 zwar anerkannt, dass eine grundsätzliche Vererbbarkeit von Bodenreformland in der DDR gegeben war – aber er ist nicht so weit gegangen, daraus einen Än- derungsbedarf beim geltenden Recht abzuleiten. Vielmehr gilt nach wie vor die Definition der Zuteilungsfähigkeit, die der BGH mit seinem Urteil vom 18. Juli 1997 gegeben hat. Danach ist zuteilungsfähig im Wesentlichen nur der- jenige Erbe, der am 15. März 1990 in der Landwirtschaft tätig war. Inzwischen sind zehn Jahre vergangen, und die Länder haben mit unterschiedlichem Nachdruck die Überprüfung der Grundbücher betrieben, um das Eigentum an Boden- reformgrundstücken zu klären. Das Land Mecklenburg- Vorpommern, in dem auch die meisten Bodenreform- grundstücke liegen, ist hierin am weitesten fortgeschritten: 97 Prozent der Fälle sind bislang überprüft worden. In 7 Prozent der Fälle wurde ein Anspruch des Landes als so genannter „Besserberechtigter“ an einem Bodenreform- grundstück festgestellt, weil kein zuteilungsfähiger Erbe vorhanden war. In 0,1 Prozent der Fälle hat das Land auf- grund persönlicher Härten der Betroffenen auf seine An- sprüche verzichtet. Ich bin der Auffassung, dass sich an diesen Zahlen zeigt, dass in der überwiegenden Zahl der Fälle die An- wendung der bestehenden Gesetze zu Klarheit und einer abschließenden Regelung der Eigentumsfragen geführt hat. Damit ist zehn Jahre nach der deutschen Einheit die rechtmäßige Zuordnung der Bodenreformgrundstücke weitestgehend abgeschlossen. Ich glaube, dass wir zehn Jahre nach der deutschen Ein- heit auf einem guten Weg sind, dieses schwierige Kapitel des Einigungsprozesses abzuschließen. Klar ist aber auch – und das möchte ich der Ehrlichkeit halber sagen –, dass vollständige Gerechtigkeit auf diesem Gebiet nicht zu er- reichen ist. Anlage 4 Technisch bedingter Neudruck eines Redebei- trages (115. Sitzung, Seite 11022 C) Dr. Jürgen Meyer (Ulm) (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich die Debatte über die europäische Grundrechte-Charta mit zwei Vorbemerkungen beginnen. In der letzten Sitzung des Konvents in Brüssel hat das Präsidium mitgeteilt, dass Roman Herzog den Vorsitz des Konvents demnächst wieder übernehmen wird. (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der F.D.P.) Wir alle wissen, dass er wegen der schweren Erkrankung seiner Frau den Vorsitz im Konvent niedergelegt hatte. Die Rückkehr von Roman Herzog ist vom Konvent und, wie ich sehe, auch von Ihnen sehr positiv aufgenommen worden. Roman Herzog gelingt es, mit seiner Kompetenz und seinem Ansehen, auch widerstreitende Gruppen im Konvent zusammenzuführen und das Projekt der Grund- rechte-Charta zum Erfolg zu führen. Meine zweite Vorbemerkung gilt der Rede von Präsi- dent Chirac, die er im Deutschen Bundestag gehalten hat. Ich fand es sehr erfreulich, dass Präsident Chirac deutlich gemacht hat, dass es auch bei der Grundrechte-Charta da- rum geht, mehr Demokratie in Europa zu wagen. Dies spiegelt sich bereits in der Zusammensetzung des Kon- vents wider, denn drei Viertel der Mitglieder dieses Gre- miums sind Parlamentarier. Es ist ein Signal für mehr De- mokratie, wenn eine Weichenstellung in Richtung einer Konkretisierung der Werteordnung in Europa durch ein solches Gremium vorgenommen wird. Deshalb sollten wir alle dazu beitragen, das Projekt zum Erfolg zu führen. Weil wir in früheren Debatten und auch in der Debatte im Mai in diesem Hause ein hohes Maß an Konsens fest- gestellt hatten, habe ich seinerzeit vorgeschlagen, nach- dem die Anträge der Koalitionsfraktionen einerseits und der Oppositionsfraktionen andererseits vorgelegt worden waren, diese zu einer gemeinsamen Entschließung zu- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 12. September 200011180 (C) (D) (A) (B) sammenzufassen. Die fast zweimonatigen Bemühungen nach der letzten Debatte schienen erfolgreich zu sein. Lei- der ist es heute doch nicht möglich, eine gemeinsame Ent- schließung zu verabschieden. Bevor ich dazu eine Bemerkung mache, möchte ich aber feststellen, dass alle Fraktionen in diesem Parlament in zahlreichen Punkten inhaltlich übereinstimmen. Wir sind uns darin einig, dass die Arbeiten des Konvents zur Erarbeitung der Grundrechte-Charta weiter unterstützt werden. Wir sind uns einig darin, dass die Bedeutung der Grundrechte-Charta auch in der deutschen Öffentlichkeit erkannt und gewürdigt und darüber eine breite gesell- schaftliche Debatte geführt werden sollte. Gemeinsam fordern wir die Bundesregierung auf, für den Beitritt der Europäischen Union zur Europäischen Menschenrechtskonvention einzutreten. Wir sind uns ei- nig darin, dass der Konvent fortschrittliche und für die eu- ropäische Integration zentrale Grundrechte formulieren sollte, wozu insbesondere ein Diskriminierungsverbot, ein aktives Gleichstellungsgebot sowie kulturelle Grundrech- te gehören. Wir sind uns auch einig darin, dass die Auf- nahme von wirtschaftlichen und sozialen Rechten unter Berücksichtigung der europäischen Sozialcharta und der Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Ar- beitnehmer in die Charta unterstützt werden sollte. Und: Ich denke, wir sind uns einig darüber, dass sich die Bun- desregierung im Europäischen Rat für die Rechtsverbind- lichkeit der Grundrechte-Charta mit individueller Kla- gemöglichkeit einsetzen sollte. Nun werden manche mit Recht fragen: Warum legen die Fraktionen des Deutschen Bundestages angesichts ei- ner derart weitreichenden inhaltlichen Übereinstimmung nicht eine gemeinsame Entschließung vor? Dabei kann es natürlich nicht darum gehen, so etwas wie einen „Ein- heitsbrei“ herzustellen oder abstrakte Formulierungen zu Papier zu bringen, die letztlich wenig aussagen. Die Sub- stanz dessen, was uns verbindet, ist so groß, dass die Fra- ge, warum es nicht zu einer gemeinsamen Entschließung gekommen ist, nur schwer beantwortet werden kann. Die uns Anfang dieser Woche von der CDU/CSU-Frak- tion mitgeteilte Ablehnung kam für viele von uns völlig überraschend. Ich habe natürlich versucht, rational nach- zuvollziehen, worauf sich diese Ablehnung gründet, und festzustellen, ob sie vielleicht nur ein Mittel ist, Profil auf einem ungeeigneten Feld der Auseinandersetzung zu ge- winnen. Vonseiten der CDU/CSU wurde – es hat ja keinen Sinn, darum herumzureden – bezüglich des Grundrechts auf Asyl auf angeblich unüberbrückbare Meinungs- unterschiede hingewiesen. Dies verwundert uns, da wir uns ursprünglich auch mit der CDU/CSU darauf verstän- digt hatten, uns dem Bekenntnis des Europäischen Rates von Tampere, dem künftigen europäischen Asylrecht die Genfer Flüchtlingskonvention uneingeschränkt und all- umfassend zugrunde zu legen, anzuschließen. Ich bin der Auffassung, dass die auf nationaler Ebene sicherlich notwendige Auseinandersetzung um das von der CDU/CSU-Fraktion lediglich gewünschte institutio- nelle Asylrecht und das von uns weiterhin für richtig er- achtete einklagbare individuelle Grundrecht auf Asyl auch geführt werden muss. Aber heute geht es um die Beratun- gen des Konvents in Brüssel. Ich finde, man sollte die Aus- einandersetzung, die auf nationaler Ebene zu führen ist, vor allem dann nicht nach Brüssel verlagern, wenn man sie auf nationaler Ebene nicht gewinnen kann; denn für eine Grundgesetzänderung gibt es keine Mehrheit. Außerdem werden wir in die Grundrechte-Charta auf- nehmen, dass das Niveau weiter gehender nationaler Grundrechte durch die Charta nicht abgesenkt werden darf. Diese Forderung wurde von Delegierten verschiede- ner Länder erhoben. Die Finnen sind zum Beispiel in Sorge, dass das Niveau ihrer hochmodernen Verfassung durch die Grundrechte-Charta gesenkt werden könnte. Dies darf nicht geschehen. Deshalb sind wir der Auffas- sung – mit den eben skizzierten Folgen für das deutsche Asylrecht –, dass durch die Grundrechte-Charta der hohe Grund-rechtsstandard der nationalen Verfassungen in kei- nem Fall gesenkt werden darf. Darauf haben wir uns be- reits verständigt. Warum also streiten wir im Zusammen- hang mit der Charta dann über diesen Punkt? Ein weiteres Thema, mit dem wir uns in den nächsten zwei Wochen im Konvent sehr intensiv beschäftigen wer- den, sind die sozialen Grundrechte. Wir hatten uns ei- gentlich darauf verständigt, klarzustellen: Es ist an der Zeit, die immer wieder beschworene Unteilbarkeit und Universalität der Menschenrechte auch dadurch zu doku- mentieren, dass – dem Auftrag von Köln entsprechend – die wirtschaftlichen und sozialen Grundrechte Eingang in die Charta finden. Warum streiten wir also darüber? Im Konvent besteht Einigkeit, dass durch die Grundrechte- Charta die Kompetenzen der EU-Organe nicht erweitert werden dürfen. Ich bin der Auffassung, wir sollten gemeinsam überle- gen, ob die bevorstehende Debatte im Konvent in Brüssel nicht auch von uns unterstützt werden sollte. Es ist offen- sichtlich, dass es Streit über die sozialen Grundrechte gibt. Wer wollte das in Abrede stellen? Es ist auch offensicht- lich, dass einige Länder großen Wert darauf legen, eine Vielzahl sozialer Grundrechte zu formulieren. Wir sind da- gegen der Auffassung – ich habe das eben als gemeinsa- me Auffassung dargestellt –, dass man nur Grundrechte formulieren sollte, die auch einklagbar sind. Deshalb wer- be ich um Unterstützung für den Versuch – den ich ge- meinsam mit dem Delegierten der französischen Regie- rung, Herrn Braibant, unternommen habe –, in dieser Frage einen Mittelweg zu finden. Roman Herzog hat, als die Debatten im Konvent sehr streitig ausgetragen wurden, die Mitglieder des Konvents ausdrücklich aufgefordert, einen solchen Mittelweg zu suchen. Dieser sollte auf drei Säulen beruhen. In die Präambel der Charta und in die Überschrift des Kapitels über die so- zialen Grundrechte sollte – als erste Säule – der Grundsatz der Solidarität festgeschrieben werden. Als zweite Säule sollten in acht Artikeln, gruppiert um die Elemente Arbeit, Gesundheit, Bildung und soziale Sicherheit, die Respek- tierung und der Schutz sozialer Grundrechte in die Charta aufgenommen werden. In der dritten Säule sollte deutlich gemacht werden: Es wird auch künftig Konventionen mit neuen – auch sozialen – Grundrechten geben. Diese sind, wenn alle Mitgliedstaaten zugestimmt haben, Grundlage der Auslegung und Anwendung der Charta. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 12. September 2000 11181 (C) (D) (A) (B) Um deutlich zu machen, dass wir uns eigentlich ver- ständigen könnten, will ich einmal die drei Sätze vorlesen, die Herr Braibant und ich in Bezug auf das Recht auf Ar- beit vorgeschlagen haben. Ich wüsste gerne, ob irgendje- mand in diesem Raum ist, der der folgenden Formulierung nicht zustimmen kann: Jeder hat das Recht zu arbeiten und das Recht auf Schutz seines Arbeitsplatzes. Insbesondere hat jeder das Recht, seinen Beruf frei zu wählen und auszu- üben, sowie das Recht auf freien Zugang zu unent- geltlicher Arbeitsvermittlung. Jeder hat Anspruch auf Schutz vor ungerechtfertigter oder missbräuchlicher Entlassung. Wer kann gegen ein so formuliertes soziales Grundrecht auf Arbeit sein? (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Ich habe gehört, dass die Debatte in der CDU/CSU- Fraktion letztlich deshalb zur Ablehnung einer gemeinsa- men Entschließung geführt hat, weil man sich über die Aufnahme eines kleinen Satzes nicht einig geworden ist. Wir haben im Entwurf der gemeinsamen Entschließung folgenden Satz vorgesehen: Die Charta soll klarstellen, dass gleichgeschlechtli- che Paare nicht benachteiligt werden dürfen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Was haben Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU-Fraktion, gegen diesen Satz? Mir ist schon klar, dass ich eigentlich diejenigen Ihrer Kollegen anspre- chen müsste, die nicht da sind. (Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Herr Altmaier wird das gleich in vernichtender Deut- lichkeit klarmachen!) Bezogen auf den von Ihnen kritisierten Satz darf ich Ih- nen in Erinnerung rufen, was Sie vor kurzem auf Ihrem Parteitag in Essen zu diesem Thema beschlossen haben und auch von Ihrer Vorsitzenden, Frau Merkel, sehr un- terstützt worden ist. Ich zitiere aus Ihrem Parteitagsbe- schluss: Wir respektieren die Entscheidung von Menschen, die in anderen Formen der Partnerschaft ihren Le- bensentwurf zu verwirklichen suchen. (Peter Hintze [CDU/CSU]: So ist es!) Wir anerkennen, dass auch in solchen Beziehungen Werte gelebt werden können, die für unsere Gesell- schaft grundlegend sind. Dies gilt für nicht eheliche Partnerschaften zwischen Frauen und Männern; dies gilt auch für gleichgeschlechtliche Partnerschaften. Wir werben für Toleranz und wenden uns gegen jede Form von Diskriminierung. (Beifall im ganzen Hause) Verehrte Kolleginnen und Kollegen, genau dies hatten wir für unsere gemeinsame Entschließung vorgesehen. (Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Schreiben Sie das in die Charta und wir stimmen zu!) Mir ist klar, dass Sie in Ihrer Fraktion dafür gekämpft haben, sich aber letztlich gegenüber Ihren CSU-Kollegen nicht durchsetzen konnten. Ich bitte Sie dringend, dieses Problem zu lösen und nicht zuzulassen, dass das, was Frau Merkel zu diesem Thema gesagt und durchgesetzt hat, von Herrn Stoiber wieder aus dem Gefecht gezogen wird. (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Wir stehen ja gar nicht im Gefecht! Nicht so martialisch!) Ich habe sehr genau beobachtet, dass Sie in unserer letz- ten Debatte am 18. Mai irritiert reagierten, als der CSU- Kollege Dr. Müller als ausdrückliche Bedingung für die Ratifizierung der Charta bezeichnete: Wir wollen keine Kompetenzausweitung, sondern er- warten Kompetenzbeschränkungen. Wie kann man so etwas von der Grundrechte-Charta, die sich mit der Kompetenzfrage bekanntlich nicht zu befas- sen hat, überhaupt erwarten? Kommen Sie zu einer ver- nünftigen Einigung mit den CSU-Kollegen in Ihrer Frak- tion! Wenn das geschehen ist, dann legen wir – das ist meine Überzeugung – wieder gemeinsame Entschließun- gen vor. Die Grundlage dafür ist breit genug. Lassen Sie uns gemeinsam feststellen: Es geht bei der Grundrechte-Charta um die Identität der Europäer, die ih- re Werteordnung, an die sie gebunden sind, deutlich ma- chen sollten. Genauso wichtig ist: Es geht um die Kon- trolle von Machtausübung durch die EU-Organe in Brüssel. (Sabine Leutheusser-Schnarrenberger [F.D.P.]: Das ist der Kern!) Dass wir dafür gemeinsam eintreten, sollte künftig wieder deutlicher werden, als es heute durch Mehrheitsentschei- dungen über einen Antrag der Koalition deutlich werden kann. Überlegen Sie bitte, ob Taktik nicht Übertaktieren bedeutet, wenn man die Taktik über die Sache stellt. Ich werde mich jedenfalls durch die Abstimmungen, die heute leider nicht im Konsens erfolgen werden, nicht davon abhalten lassen, auch mit den Europapolitikern der Oppositionsfraktionen, die für eine gemeinsame Ent- schließung gekämpft haben und denen es in erster Linie um die Sache und nicht um parteitaktischen Vorteil geht, weiter konstruktiv zusammenzuarbeiten. Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 12. September 200011182 (C) (D) (A) (B) Druck: MuK. Medien-und Kommunikations GmbH, Berlin
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    Rede von Dr. Rudolf Seiters


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Zur Beantwortung
    Frau Bundesministerin Dr. Bergmann.

    Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin für Fa-
    milie, Senioren, Frauen und Jugend: Entschuldigung, aber
    ich habe nicht mitbekommen, dass Sie vorhin eine Zwi-
    schenfrage stellen wollten. Ich antworte natürlich gerne
    auf Ihre Frage, das hätte ich auch vorhin gemacht.

    Zum Thema Steuerung. Wir haben den Verbänden und
    den Beschäftigungsstellen wirklich freie Hand gelassen.
    Es gab Kontingente, die vorgegeben waren. Aber wir ha-
    ben hier sogar noch ausgetauscht und gesagt: Wenn es ir-
    gendwo zu Problemen kommt, dann verteilen wir um. Wir
    hatten eine Extraregelung für den Bereich der individuel-
    len Schwerstbehindertenbetreuung und für den Bereich
    der mobilen Dienste. Das gilt ebenso für den Kinderbe-
    reich. Wir haben, so gut es irgend ging, abgesichert, dass
    auch dort, wo es keine Kontingente mehr gab, jeder Zivi,
    der kam, eingestellt werden konnte.

    Warum und weshalb das in Würzburg nicht geklappt
    hat, weiß ich nicht; da muss ich einmal nachfragen. Man
    muss sich aber auch die Beschäftigungsstellen vor Ort an-
    sehen und sich fragen: Haben sie jetzt vor lauter Angst an-
    ders reagiert? Ich habe bisher von solchen Fällen nichts
    gehört. Wir sind wirklich jeder Beschwerde, die aus die-
    sem Bereich gekommen ist, sofort nachgegangen und ha-
    ben uns darum gekümmert, dass genau dies nicht eintritt.

    Wir werden im Jahresdurchschnitt 2000 immerhin
    124 000 Zivildienstleistende haben. Und es gibt immer
    ein paar Bereiche, wo man sagen kann: Wenn dort einmal
    im Moment keiner ist, dann ist das nicht so schlimm. Aber
    diesen Bereich haben wir vorrangig abgedeckt.

    Ich muss auch noch einmal sagen, dass diese Arbeit auf
    Freiwilligkeit beruht. Das Hauptproblem ist: Wie be-
    kommen wir genügend junge Leute, die freiwillig in
    diesem Bereich arbeiten? Wir werden in den nächsten Ta-
    gen die Empfehlung der Arbeitsgruppe vorstellen. Dabei
    werde ich noch etwas zu dem Thema sagen: Wie können
    wir Freiwilligendienste ausbauen? Wie können wir in be-
    stimmten kritischen Bereichen das eine oder andere mit
    entsprechend qualifizierten Freiwilligen abfangen? Das
    Thema fällt nicht unter den Tisch. Da brauchen Sie sich
    keine Sorgen zu machen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)




Rede von Dr. Rudolf Seiters
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Ich gebe nunmehr
der Kollegin Dr. Maria Böhmer für die CDU/CSU-Frak-
tion das Wort.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Maria Böhmer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident!
    Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir brauchen nicht nur

    mutige Männer in diesem Land, wir brauchen vor allen
    Dingen eine mutige Familienministerin.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Bei dieser Bilanz, die Sie versucht haben anzureißen, Frau
    Ministerin Bergmann, hilft Schönreden nichts. Die Bilanz
    ist dürftig, wenn man sich anschaut, was in den letzten
    zwei Jahren geschehen ist.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Sie häufen Minuspunkt auf Minuspunkt: beim Erzie-

    hungsgeld zu kurz gesprungen, beim Kindergeld nur das
    Nötigste, die Eigenheimförderung haben Sie als Erstes
    gekürzt, den Unterhaltsvorschuss haben Sie auf die Kom-
    munen verlagert und die älteren Menschen sind im War-
    testand, was das Heimgesetz betrifft. Ich darf gar nicht an
    unseren Antrag denken, den wir im Pflegebereich zu den
    Demenzkranken gestellt haben. Jugendschutz im Me-
    dienbereich scheint für Sie ein Fremdwort zu sein, der
    Zivildienst ist zur Spardose degeneriert. Bei der Alterssi-
    cherung der Frauen – das muss ich Ihnen sagen – haben
    Sie bisher auf der ganzen Linie versagt.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Lachen bei der SPD)


    Bezüglich des Programms „Frau und Beruf“, das immer
    wieder angesprochen wird, hat die Steigerung ganze
    14 Pfennige pro erwerbstätige Frau betragen. Damit wol-
    len Sie Frauen nach vorne bringen?

    Im Bereich der Frauenpolitik gibt es statt eines Geset-
    zes, das wir jetzt debattieren könnten, wirklich nur küm-
    merliche Eckpunkte, wie wir in der letzten Woche erfah-
    ren haben. Ich muss Ihnen sagen: Unter diesen Um-
    ständen darf es nicht wundern, dass die „Wirtschaftswo-
    che“ am 17. August festgestellt hat, dass Sie, Frau Minis-
    terin Bergmann – es tut mir Leid –, ein Ausfall auf der
    ganzen Linie seien.

    Vier zentrale Politikfelder haben Sie vor sich. In vier
    zentralen Politikfeldern haben Sie so gut wie nichts be-
    wirkt.

    Ich nenne als Erstes – das tue ich bewusst – den
    Familienbereich. Sie haben im Koalitionsvertrag gesagt:
    Wir wollen Deutschland wieder zu einem kinder- und fa-
    milienfreundlichen Land machen. Das sind schöne Worte,
    das sind gute Worte. Aber wie sieht die Realität aus? Die
    Situation der Familien in Deutschland ist äußerst unbe-
    friedigend. In der „FAZ“ war am 8. September zu lesen:
    fast jedes fünfte Kind arm. Kinder kosten Geld – gar keine
    Frage.


    (Christel Hanewinckel [SPD]: Aber es geht doch gar nicht um die Armut!)


    Aber Kinder dürfen nicht zum Armutsrisiko werden. Je
    mehr Kinder, umso mehr kommt eine normal verdienende
    Familie an die Grenze der Sozialhilfebedürftigkeit. Das
    ist sozial ungerecht; denn Kinder sind unsere Zukunft.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wie war das noch einmal mit dem Kindergeld, dessen

    Erhöhung Sie ja immer wieder in den Blick rücken und
    auf das Sie auch heute wieder rekurrieren? Jedes Kind ist




    Dr. Ilja Seifert

    11139


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    gleich viel wert, das habe ich von der SPD immer wieder
    gehört. Wenn ich mir aber vor Augen führe, dass eine Fa-
    milie mit vier Kindern bei der Kindergelderhöhung im
    Schnitt nur mit der Hälfte der Erhöhung wegkommt – sie
    erhält umgerechnet pro Kopf statt 30 DM nur 15 DM –,
    dann muss ich sagen: Der Weg, den Sie hier beschreiten,
    ist nicht der Weg in eine familienfreundliche Gesellschaft.

    Familienförderung ist ein Stiefkind dieser Bundesre-
    gierung, trotz aller Worte, die Sie finden, trotz aller finan-
    ziellen Mittel, die Sie aufbringen. Hier muss ich Ihnen sa-
    gen: Die hochgelobten Kindergelderhöhungen werden
    von steigenden Kindergartenbeiträgen und von den Aus-
    gaben für Strom, Benzin und Heizöl aufgefressen.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Das, was sich hier darstellt, ist ein dickes Minusgeschäft
    für Familien. Es ist typisch SPD: In die eine Tasche geben
    Sie etwas, aus der anderen Tasche nehmen Sie etwas.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Man muss doch Politik als eine Gesamtheit sehen, man
    kann den Blick doch nicht nur auf eine Tat richten.

    Nehmen Sie die Ökosteuer. Sie betrifft alle, aber be-
    trifft die Familien ganz besonders. Die Familien müssen
    mit dem Auto zur Arbeit fahren, die Kinder müssen zur
    Schule gebracht werden, gerade im ländlichen Bereich,
    und auf die Heizkosten kann doch niemand verzichten.
    Oder wollen Sie die Familien im Winter im Kalten sitzen
    lassen? Das bedeutet in jedem Monat 130 DM mehr für
    das Tanken und 33 DM mehr für das Heizen.


    (Hildegard Wester [SPD]: Wie viel fahren die Leute denn?)


    Das heißt, dass den Familien unter dem Strich weniger
    bleibt, als sie vorher gehabt haben. Das ist Etiketten-
    schwindel.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Die Ökosteuer mutiert hier zur K.-O.-Steuer für Familien.

    Sie verschließen – das habe ich in allen Debatten heute
    und in den letzten Tagen gemerkt – einfach die Augen vor
    dieser Entwicklung. Wir sagen es Ihnen hier noch einmal
    ganz klar: Satteln Sie bei der Ökosteuer Anfang des
    nächsten Jahres nicht erneut drauf, stoppen Sie diese Ent-
    wicklung und schaffen Sie die Ökosteuer ab!


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Politik für Familien ist auch mehr als Finanzpolitik.

    Wir müssen die gesellschaftlichen Veränderungen in
    den Blick nehmen. Da sind wir nicht auseinander, wenn
    es darum geht, eine bessere Vereinbarkeit von Familie und
    Beruf zu erreichen. Wir müssen dafür sorgen, dass sich
    die Menschen wieder auf Kinder freuen, Ja zu Kindern
    sagen und sich nicht zurückgehalten fühlen. Aber dazu
    müssen bestimmte Rahmenbedingungen in unserer Ge-
    sellschaft verändert werden. Auch muss in der Arbeits-
    welt etwas geschehen. Nur, sehr geehrte Frau Ministerin
    Bergmann, mit den von Ihnen vorgelegten Eckpunkten für
    ein Gleichstellungsgesetz, mit denen erreicht werden soll,
    dass Frauen in der Arbeitswelt vorankommen, werden Sie
    – mit Verlaub – nicht viel ausrichten. Vor allen Dingen
    sind keine neuen Ideen dabei.

    Ich habe einmal in mein Regal gegriffen – das würde
    den anderen Kolleginnen hier auch nicht schwer fallen –
    und jetzt eine Broschüre aus dem Jahre 1987 in der Hand:
    „Leitfaden zur Frauenförderung in Betrieben“. Wenn ich
    die dünnen Eckpunkte, die Sie vorgestellt haben, mit dem
    vergleiche, was 1987 von der ersten Frauenministerin
    Deutschlands gesagt worden ist, dann sehe ich keine Wei-
    terentwicklung. Das ist Stagnation bei den Ideen. Wir
    brauchen gerade bei der Vereinbarung von Familie und
    Beruf neue Ideen. Wir brauchen ein druckvolles Eintreten
    für Verbesserungen.

    Jetzt möchte ich Ihnen einmal sagen, wo es solche
    neuen Ideen gibt. Nicht bei der SPD; aber schauen Sie ins
    Saarland: Im Saarland werden jetzt die Weichen für die
    Finanzierung im Kindergartenbereich neu gestellt. Der
    saarländische Ministerpräsident Müller geht einen muti-
    gen Weg.


    (Karl Diller [SPD]: Auf unsere Kosten!)

    Die Kindergartenplätze sollen kostenlos sein. Das halte
    ich für richtig. Werben Sie dafür, damit wir gemeinsam in
    Deutschland Verbesserungen erreichen können.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Wir brauchen eine qualitative Weiterentwicklung,

    eine Modernisierung der Familienpolitik. Sie haben über
    mehr Kindergeld und über die Änderungen beim Erzie-
    hungsgeld gesprochen. Aber das alles ist nicht der große
    Wurf; denn Familien müssen heute immer noch auf ver-
    schiedene Leistungen rekurrieren, müssen zu verschiede-
    nen Ämtern gehen und sind mit verschiedenen Einkom-
    mensgrenzen konfrontiert. Wir treten dafür ein, ein
    Familiengeld zu schaffen, das es Eltern leichter macht,
    Kinder zu erziehen, und das Ja zum Kind erleichtert. Wir
    werden dafür kämpfen und uns in der nächsten Zeit mit
    Ihnen darüber auseinander setzen, wie eine zukunftswei-
    sende Familienförderung auszusehen hat.

    Was das Familienbild angeht, so bin ich in letzter Zeit
    sehr nachdenklich geworden; denn Sie sind dabei, das
    Grundrecht in Art. 6 des Grundgesetzes, „Ehe und Fami-
    lie stehen unter dem besonderen Schutz der staatlichen
    Ordnung“, auszuhebeln. Sie wollen für die gleichge-
    schlechtlichen Lebensgemeinschaften eine „Ehe light“
    schaffen. Wir sind dafür, Diskriminierungen abzubauen.
    Dort, wo es notwendig ist, dass Hilfe geleistet wird, sind
    wir für konkrete Hilfe. Aber wir werden es nicht mitma-
    chen, dass jeglicher Unterschied zur klassischen Ehe von
    Ihnen ausgehebelt wird.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die „Ehe light“ geht auf Kosten aller anderen. Beden-

    ken Sie: Der Kuchen, den Sie zu verteilen haben, wird
    nicht größer werden.


    (Hildegard Wester [SPD]: Was verteilen wir denn?)


    Wenn mehr an diesem Tisch sitzen – das planen Sie mit
    Ihren Vorschlägen zur „Ehe light“ –, dann werden die
    Stücke kleiner. Das geht zulasten der kinderreichen Fami-
    lien und der Alleinerziehenden und das ist kein Weg in
    eine familienfreundliche Gesellschaft.


    (Beifall bei der CDU/CSU)





    Dr. Maria Böhmer
    11140


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    Jetzt will ich einen weiteren Punkt ansprechen, der mir
    seit längerer Zeit – gerade wenn ich mir Ihre Äußerungen
    bzw. Nichtäußerungen vor Augen führe, Frau Ministerin
    Bergmann – sehr viel Sorgen macht: Es ist das Thema
    Frauen und Rente. Ich habe die Pressemeldungen ver-
    folgt. Ich habe Sie, Frau Ministerin, vermisst, als es da-
    rum ging, sich in dieses Themenfeld einzubringen und
    Forderungen für Frauen zu erheben. Sie haben in New
    York davon gesprochen, wir bräuchten ein „gender main-
    streaming“, das heißt, die Integration der Anliegen von
    Frauen in allen Politikbereichen. Nur: Wo erheben Sie
    Ihre Stimme, wenn es darum geht, für Frauen in der
    Rentenreform etwas zu erreichen? Es ist die Mehrzahl
    der Rentner, um die es geht. Es geht um die Zukunft von
    11 Millionen Rentnerinnen in Deutschland. Hier erkenne
    ich nichts, was von Ihnen an Gedanken eingebracht wor-
    den ist.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


    Das einzige, was ich aus Ihrem Hause registriert habe,
    war ein harscher Protest, als die Frauenverbände einen of-
    fenen Brief an Bundeskanzler Schröder schrieben und
    darin erklärten, die Frauen stünden in Gefahr, eindeutige
    Verliererinnen dieser Rentenreform zu werden, wenn die
    Pläne von Rot-Grün Realität würden. Daraufhin hat Ihre
    Parlamentarische Staatssekretärin, Frau Niehuis, von ei-
    ner unglaubwürdigen Allianz und von unglaubwürdigen
    Luftblasen gesprochen.

    So kann man in diesem Land nicht mit Frauen um-
    gehen. Sie haben die Frauen vor der Wahl benutzt, um die
    Rentenforderungen, die Sie aufgestellt haben und die Sie
    heute als Fehler bitter bereuen, im Lande zu verbreiten.
    Wenn Ihnen aber die Botschaften nicht passen, greifen Sie
    zu Beschimpfungen; das geht nicht. Wir müssen zurück-
    kehren zu einer Politik, die dazu führt, dass gerade in der
    Rentenversicherung Nachteile für Frauen abgebaut wer-
    den und vor allen Dingen keine neuen Nachteile entste-
    hen.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


    Ich hoffe sehr darauf, dass in dem Gesetzentwurf, den wir
    erwarten, diese Bedingungen erfüllt sind und Sie Ihre
    Stimme mit erheben.

    Ich will als letzten Punkt eines ansprechen: Sie haben
    sich zur Jugendpolitik, zu Gewalt und zum Rechtsradika-
    lismus geäußert. Aber ich habe von Ihnen nichts zu einem
    Bereich gehört, der in diesem Zusammenhang eigentlich
    in Ihrem Blickfeld liegen sollte: Es ist der Jugendschutz
    im Medienbereich. Frau Ministerin, das ist eine Kompe-
    tenz, die in Ihren Händen liegt. Gewalt im Fernsehen, Ge-
    walt im Internet, Pornographie im Internet und die Ent-
    wicklung im digitalisierten Fernsehen, das alles muss uns
    eigentlich alle umtreiben.

    Seit einem Jahr liegt der Bericht zum IuKDG, zum In-
    formations- und Kommunikationsdienste-Gesetz, vor. In
    diesem ist ausgeführt, dass die Bestimmungen zum Ju-
    gendschutz im Medienbereich nicht mehr den aktuellen
    Anforderungen entsprechen. Welche Schlussfolgerungen
    ziehen Sie aus dieser Aussage? Wo sind Ihre Vorschläge?

    Ich habe bisher nichts erfahren. Die Länder – so ist mir zu
    Ohren gekommen – wollen jetzt den Jugendschutz im
    Medienbereich auf ihre Seite ziehen. Das heißt: Eine
    Kernkompetenz aus Ihrem Haus steht zur Disposition. Ich
    kann Ihnen nur sagen: Wehren Sie sich! Im Zeitalter der
    Globalisierung und im Zeitalter von Internet kann es doch
    nicht sein, dass eine Kernkompetenz im Bereich des Ju-
    gendmedienschutzes von der nationalen Ebene völlig auf
    die regionale Ebene, auf die Länderebene verlagert wird.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wir brauchen klare, einheitliche Regelungen im Be-

    reich des Jugendmedienschutzes. Wir brauchen bessere
    Einrichtungen in diesem Bereich. Wir müssen diesen
    Dschungel durchforsten. Das gilt es zu tun, hier erwarte
    ich Vorschläge aus Ihrem Haus und nicht nur von Länder-
    seite. Denn es gilt, schnell zu handeln, damit wir der Ge-
    walt auf diesem Feld Einhalt gebieten können.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. – Ulla Schmidt [Aachen] [SPD]: Wer war es denn, der das Privatfernsehen unbedingt wollte, ohne jede Einschränkung? Ich glaube, ich erinnere mich an etwas!)