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ID1411609900

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    Nachruf auf die Abgeordnete Ilse Schumann 11059 A Nachruf auf den Alterspräsidenten des Deut- schen Bundestages Fred Gebhardt . . . . . . . . 11059 B Eintritt der Abgeordneten Pia Maier und Ulrich Kelber in den Deutschen Bundestag . 11059 C Nachträgliche Glückwünsche zum Geburtstag der Abgeordneten Dr. Norbert Blüm, Wolfgang Weiermann, Dr. Peter Danckert, Dr. Manfred Lischewski und Rudolf Bindig 11059 D Absetzung des Tagesordnungspunktes: Erste Beratung des Gesetzentwurfes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes . . . . . . . . . . . . . 11059 D Tagesordnungspunkt 1 a) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bun- deshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2001 (Haushaltsgesetz 2001) (Drucksache 14/4000) . . . . . . . . . . . . . 11059 D b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Finanzplan des Bundes 2000 bis 2004 (Drucksache 14/4001) . . . . . . . . . . . . . 11060 A Hans Eichel, Bundesminister BMF . . . . . . . . 11060 A Dietrich Austermann CDU/CSU . . . . . . . . . . 11068 A Joachim Poß SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11072 D Dr. Günter Rexrodt F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . 11076 D Oswald Metzger BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11081 B Dr. Barbara Höll PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11085 A Hans Georg Wagner SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 11086 D Ernst Hinsken CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 11088 A Jürgen Koppelin F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . 11089 D Peter Rauen CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 11091 B Antje Hermenau BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11094 D Jürgen Koppelin F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . 11096 C Dr. Uwe-Jens Rössel PDS . . . . . . . . . . . . . . . 11097 B Jörg-Otto Spiller SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11098 D Bartholomäus Kalb CDU/CSU . . . . . . . . . . . 11101 D Hans-Eberhard Urbaniak SPD . . . . . . . . . . . . 11103 D Bartholomäus Kalb CDU/CSU . . . . . . . . . 11104 D Susanne Jaffke CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 11105 C Einzelplan 05 Auswärtiges Amt Joseph Fischer, Bundesminister AA . . . . . . . . 11107 B Karl Lamers CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 11111 A Gernot Erler SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11113 C Dr. Werner Hoyer F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . 11116 A Wolfgang Gehrcke PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 11118 A Gert Weisskirchen (Wiesloch) SPD . . . . . . . . 11119 A Peter Hintze CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 11121 A Gernot Erler SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11122 B Dr. Helmut Lippelt BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11124 B Dr. Helmut Haussmann F.D.P. . . . . . . . . . . . . 11126 B Uwe Hiksch PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11127 B Dr. Christoph Zöpel, Staatsminister AA . . . . 11128 B Plenarprotokoll 14/116 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 116. Sitzung Berlin, Dienstag, den 12. September 2000 I n h a l t : Ulrich Irmer F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11128 D Peter Hintze CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 11130 C Dr. Christoph Zöpel, Staatsminister AA . . . . 11130 D Christian Schmidt (Fürth) CDU/CSU . . . . . . 11131 A Günter Gloser SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11133 A Einzelplan 17 Bundesministerium für Familie, Senio- ren, Frauen und Jugend Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11135 A Dr. Ilja Seifert PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11138 C Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11139 A Dr. Maria Böhmer CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 11139 B Irmingard Schewe-Gerigk BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11141 D Ina Lenke F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11143 D Petra Bläss PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11145 D Hildegard Wester SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11147 A Ina Lenke F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11148 D Maria Eichhorn CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 11149 B Christian Simmert BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11151 B Dr. Ilja Seifert PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11152 B Klaus Haupt F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11153 C Christel Hanewinckel SPD . . . . . . . . . . . . . . . 11154 C Manfred Kolbe CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 11156 C Einzelplan 15 Bundesministerium für Gesundheit Andrea Fischer, Bundesministerin BMG . . . . 11159 A Wolfgang Lohmann (Lüdenscheid) CDU/CSU 11161 B Eckhart Lewering SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11163 D Dr. Ilja Seifert PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11165 A Dr. Dieter Thomae F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . 11165 C Dr. Ruth Fuchs PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11166 D Dr. Martin Pfaff SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11167 D Aribert Wolf CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 11171 C Klaus Kirschner SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 11172 A Monika Knoche BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11174 A Aribert Wolf CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 11175 A Ulf Fink CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11175 D Dr. Ilja Seifert PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11177 B Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11178 C Berichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11178 A Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 11179 A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Peter Letzgus (CDU/CSU) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Errich- tung einer Stiftung „Erinnerung, Verantwor- tung und Zukunft“ (114. Sitzung, Tagesord- nungspunkt 7 a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11179 C Anlage 3 Neudruck einer zu Protokoll gegebenen Rede zur Beratung des Antrags: Vererblichkeit von Bodenreformeigentum (105. Sitzung) . . . . . . 11179 D Anlage 4 Technisch bedingter Neudruck eines Rede- beitrages (115. Sitzung) . . . . . . . . . . . . . . . . . 11180 C Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 12. September 2000II Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 12. September 2000
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    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 12. September 2000 Dr. Ilja Seifert 11178 (C) (D) (A) (B) Berichtigung 114. Sitzung, Seite IV; Rednerliste zu Zusatztagesordnungspunkt 7, statt „Dr. Heinrich Fink (PDS)“ ist „Ulf Fink (CDU/CSU)“ zu lesen. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 12. September 2000 11179 (C) (D) (A) (B) Altmaier, Peter CDU/CSU 12.09.2000 Behrendt, Wolfgang SPD 12.09.2000* Brudlewsky, Monika CDU/CSU 12.09.2000 Bühler (Bruchsal), CDU/CSU 12.09.2000* Klaus Dr. Eid, Uschi BÜNDNIS 90/ 12.09.2000 DIE GRÜNEN Elser, Marga SPD 12.09.2000 Frick, Gisela F.D.P. 12.09.2000 Hauer, Nina SPD 12.09.2000 Heyne, Kristin BÜNDNIS 90/ 12.09.2000 DIE GRÜNEN Hörster, Joachim CDU/CSU 12.09.2000 Hoffmann (Chemnitz), SPD 12.09.2000 Jelena Dr. Hornhues, CDU/CSU 12.09.2000* Karl-Heinz Marquardt, Angela PDS 12.09.2000 Dr. Meyer (Ulm), SPD 12.09.2000 Jürgen Dr. Protzner, Bernd CDU/CSU 12.09.2000 Rauber, Helmut CDU/CSU 12.09.2000 Rupprecht, Marlene SPD 12.09.2000 Scheffler, Siegfried SPD 12.09.2000 Dr. Vollmer, Antje BÜNDNIS 90/ 12.09.2000 DIE GRÜNEN Zapf, Uta SPD 12.09.2000 * für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Peter Letzgus (CDU/CSU) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Errichtung einer Stiftung „Erinnerung, Ver- antwortung und Zukunft“ (Drucksachen 14/3206 und 14/3459) (114. Sitzung, Tagesordnungspunkt 7 a) Die NS-Herrschaft hat vielen Menschen großes Leid zugefügt. Zwangsarbeiter wurden deportiert, inhaftiert und ausgebeutet. Deutsche Unternehmen, die an diesem Unrecht betei- ligt waren, tragen eine hohe Verantwortung. Ihre Bereitschaft zur finanziellen Wiedergutmachung begrüße ich. Da in den Verhandlungen jedoch keine optimale Rechtssicherheit erzielt werden konnte, gehe ich davon aus, dass weitere Forderungen an Deutschland und deut- sche Unternehmen gestellt werden. Der Zwangsarbeiter- fonds wird kein finanzieller Schlussstrich werden. Ich bin nicht damit einverstanden, dass einige Opfer- gruppen, an die bisher bereits Entschädigungsleistungen gezahlt wurden, gegenüber anderen Opfergruppen privi- legiert werden, obwohl Letztere einem gleich schweren Schicksal ausgesetzt waren. Die Diskussion um Zwangsarbeit hat auch viele Deut- sche, die ähnliche Schicksale zu erdulden hatten (darunter auch meine Mutter), in ihrem Gerechtigkeitssinn getrof- fen. Lösungen zur Wiedergutmachung für diese Menschen sind weder in der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ noch an anderer Stelle vorgesehen. Ich stimme dem Gesetzentwurf nicht zu. Anlage 3 Neudruck einer zu Protokoll gegebenen Rede zurBeratung des Antrags: Vererblichkeit von Bo- denreformeigentum (105. Sitzung, Seite 9916 D) Steffi Lemke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Wir ha- ben den Antrag der PDS-Fraktion zum Thema „Ver- erblichkeit von Bodenreformeigentum“, Drucksache 14/1063, bereits vor einem Jahr, am 24. Juni 1999, an die- ser Stelle behandelt. Gegenstand der heutigen Debatte ist die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Angele- genheiten der neuen Länder vom 16. Dezember 1999 zu dieser Thematik. Die mit dem Zweiten Vermögensrechtsänderungs- gesetz 1992 in das EGBGB eingefügten Regelungen des Art. 233, §§ 11 bis 16 waren und sind die notwendigen Konsequenzen aus unregelmäßiger Rechtsanwendung in der ehemaligen DDR. Die Quelle der Ungerechtigkeit müssen Sie dort verorten, werte Kolleginnen und Kollegen von der PDS, und für diesen Zustand tragen Sie ein Stück Mitverantwortung. Der Bundesgesetzgeber hat sich 1992 aus gutem Grund für die so genannte Nachzeichnungsregelung entschieden. Nur so konnte eine Gleichbehandlung aller Erben von Bo- denreformland erreicht werden. Es ging dabei nicht nur darum, eine formale Rege- lungslücke zu schließen; es ging vielmehr darum, eine Gleichbehandlung zu erreichen, und zwar zwischen den- jenigen Neubauern-Erben, die bereits zu DDR-Zeiten ihr Bodenreformgrundstück verloren hatten, weil die zustän- digen Behörden die Besitzwechselvorschriften konse- quent angewandt haben, und denjenigen Personen, bei denen die Behörden aufgrund der praktischen Bedeu- tungslosigkeit des Privateigentums an Grund und Boden eine konsequente Löschung im Grundbuch vernachlässigt haben. Es geht also im Kern um die Frage: Welche Lösung hat der bundesdeutsche Gesetzgeber, welche Lösung hat die- ses Parlament gewählt, um ein inkonsistentes und will- kürliches Handeln der DDR-Behörden im Nachhinein unter Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes zu korrigieren? Unter diesen Vorbedingungen war die Nachzeich- nungsregelung der einzig gangbare Weg. Man kann die Nachzeichnungsregelung mit der einfachen Formel ver- anschaulichen: Kein Neubauern-Erbe soll dadurch be- nachteiligt sein, dass die DDR-Behörden die Besitzwech- selvorschriften konsequent umgesetzt haben, bzw. umgekehrt: Kein Neubauer-Erbe soll dadurch einen Vor- teil gewinnen, dass die DDR-Behörden die Besitzwech- selvorschriften nachlässig angewendet haben. Es ging hier also darum, den durch die Willkür der DDR-Behörden entstandenen Zustand nach dem Gleichbehandlungs- grundsatz aufzulösen. Dies war nur über die Nachzeich- nungsregelung möglich, mit der das Kriterium der Zutei- lungsfähigkeit in das bundesdeutsche Recht eingefügt wurde. Der Bundesgerichtshof hat in seinen Urteilen vom De- zember 1998 zwar anerkannt, dass eine grundsätzliche Vererbbarkeit von Bodenreformland in der DDR gegeben war – aber er ist nicht so weit gegangen, daraus einen Än- derungsbedarf beim geltenden Recht abzuleiten. Vielmehr gilt nach wie vor die Definition der Zuteilungsfähigkeit, die der BGH mit seinem Urteil vom 18. Juli 1997 gegeben hat. Danach ist zuteilungsfähig im Wesentlichen nur der- jenige Erbe, der am 15. März 1990 in der Landwirtschaft tätig war. Inzwischen sind zehn Jahre vergangen, und die Länder haben mit unterschiedlichem Nachdruck die Überprüfung der Grundbücher betrieben, um das Eigentum an Boden- reformgrundstücken zu klären. Das Land Mecklenburg- Vorpommern, in dem auch die meisten Bodenreform- grundstücke liegen, ist hierin am weitesten fortgeschritten: 97 Prozent der Fälle sind bislang überprüft worden. In 7 Prozent der Fälle wurde ein Anspruch des Landes als so genannter „Besserberechtigter“ an einem Bodenreform- grundstück festgestellt, weil kein zuteilungsfähiger Erbe vorhanden war. In 0,1 Prozent der Fälle hat das Land auf- grund persönlicher Härten der Betroffenen auf seine An- sprüche verzichtet. Ich bin der Auffassung, dass sich an diesen Zahlen zeigt, dass in der überwiegenden Zahl der Fälle die An- wendung der bestehenden Gesetze zu Klarheit und einer abschließenden Regelung der Eigentumsfragen geführt hat. Damit ist zehn Jahre nach der deutschen Einheit die rechtmäßige Zuordnung der Bodenreformgrundstücke weitestgehend abgeschlossen. Ich glaube, dass wir zehn Jahre nach der deutschen Ein- heit auf einem guten Weg sind, dieses schwierige Kapitel des Einigungsprozesses abzuschließen. Klar ist aber auch – und das möchte ich der Ehrlichkeit halber sagen –, dass vollständige Gerechtigkeit auf diesem Gebiet nicht zu er- reichen ist. Anlage 4 Technisch bedingter Neudruck eines Redebei- trages (115. Sitzung, Seite 11022 C) Dr. Jürgen Meyer (Ulm) (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich die Debatte über die europäische Grundrechte-Charta mit zwei Vorbemerkungen beginnen. In der letzten Sitzung des Konvents in Brüssel hat das Präsidium mitgeteilt, dass Roman Herzog den Vorsitz des Konvents demnächst wieder übernehmen wird. (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der F.D.P.) Wir alle wissen, dass er wegen der schweren Erkrankung seiner Frau den Vorsitz im Konvent niedergelegt hatte. Die Rückkehr von Roman Herzog ist vom Konvent und, wie ich sehe, auch von Ihnen sehr positiv aufgenommen worden. Roman Herzog gelingt es, mit seiner Kompetenz und seinem Ansehen, auch widerstreitende Gruppen im Konvent zusammenzuführen und das Projekt der Grund- rechte-Charta zum Erfolg zu führen. Meine zweite Vorbemerkung gilt der Rede von Präsi- dent Chirac, die er im Deutschen Bundestag gehalten hat. Ich fand es sehr erfreulich, dass Präsident Chirac deutlich gemacht hat, dass es auch bei der Grundrechte-Charta da- rum geht, mehr Demokratie in Europa zu wagen. Dies spiegelt sich bereits in der Zusammensetzung des Kon- vents wider, denn drei Viertel der Mitglieder dieses Gre- miums sind Parlamentarier. Es ist ein Signal für mehr De- mokratie, wenn eine Weichenstellung in Richtung einer Konkretisierung der Werteordnung in Europa durch ein solches Gremium vorgenommen wird. Deshalb sollten wir alle dazu beitragen, das Projekt zum Erfolg zu führen. Weil wir in früheren Debatten und auch in der Debatte im Mai in diesem Hause ein hohes Maß an Konsens fest- gestellt hatten, habe ich seinerzeit vorgeschlagen, nach- dem die Anträge der Koalitionsfraktionen einerseits und der Oppositionsfraktionen andererseits vorgelegt worden waren, diese zu einer gemeinsamen Entschließung zu- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 12. September 200011180 (C) (D) (A) (B) sammenzufassen. Die fast zweimonatigen Bemühungen nach der letzten Debatte schienen erfolgreich zu sein. Lei- der ist es heute doch nicht möglich, eine gemeinsame Ent- schließung zu verabschieden. Bevor ich dazu eine Bemerkung mache, möchte ich aber feststellen, dass alle Fraktionen in diesem Parlament in zahlreichen Punkten inhaltlich übereinstimmen. Wir sind uns darin einig, dass die Arbeiten des Konvents zur Erarbeitung der Grundrechte-Charta weiter unterstützt werden. Wir sind uns einig darin, dass die Bedeutung der Grundrechte-Charta auch in der deutschen Öffentlichkeit erkannt und gewürdigt und darüber eine breite gesell- schaftliche Debatte geführt werden sollte. Gemeinsam fordern wir die Bundesregierung auf, für den Beitritt der Europäischen Union zur Europäischen Menschenrechtskonvention einzutreten. Wir sind uns ei- nig darin, dass der Konvent fortschrittliche und für die eu- ropäische Integration zentrale Grundrechte formulieren sollte, wozu insbesondere ein Diskriminierungsverbot, ein aktives Gleichstellungsgebot sowie kulturelle Grundrech- te gehören. Wir sind uns auch einig darin, dass die Auf- nahme von wirtschaftlichen und sozialen Rechten unter Berücksichtigung der europäischen Sozialcharta und der Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Ar- beitnehmer in die Charta unterstützt werden sollte. Und: Ich denke, wir sind uns einig darüber, dass sich die Bun- desregierung im Europäischen Rat für die Rechtsverbind- lichkeit der Grundrechte-Charta mit individueller Kla- gemöglichkeit einsetzen sollte. Nun werden manche mit Recht fragen: Warum legen die Fraktionen des Deutschen Bundestages angesichts ei- ner derart weitreichenden inhaltlichen Übereinstimmung nicht eine gemeinsame Entschließung vor? Dabei kann es natürlich nicht darum gehen, so etwas wie einen „Ein- heitsbrei“ herzustellen oder abstrakte Formulierungen zu Papier zu bringen, die letztlich wenig aussagen. Die Sub- stanz dessen, was uns verbindet, ist so groß, dass die Fra- ge, warum es nicht zu einer gemeinsamen Entschließung gekommen ist, nur schwer beantwortet werden kann. Die uns Anfang dieser Woche von der CDU/CSU-Frak- tion mitgeteilte Ablehnung kam für viele von uns völlig überraschend. Ich habe natürlich versucht, rational nach- zuvollziehen, worauf sich diese Ablehnung gründet, und festzustellen, ob sie vielleicht nur ein Mittel ist, Profil auf einem ungeeigneten Feld der Auseinandersetzung zu ge- winnen. Vonseiten der CDU/CSU wurde – es hat ja keinen Sinn, darum herumzureden – bezüglich des Grundrechts auf Asyl auf angeblich unüberbrückbare Meinungs- unterschiede hingewiesen. Dies verwundert uns, da wir uns ursprünglich auch mit der CDU/CSU darauf verstän- digt hatten, uns dem Bekenntnis des Europäischen Rates von Tampere, dem künftigen europäischen Asylrecht die Genfer Flüchtlingskonvention uneingeschränkt und all- umfassend zugrunde zu legen, anzuschließen. Ich bin der Auffassung, dass die auf nationaler Ebene sicherlich notwendige Auseinandersetzung um das von der CDU/CSU-Fraktion lediglich gewünschte institutio- nelle Asylrecht und das von uns weiterhin für richtig er- achtete einklagbare individuelle Grundrecht auf Asyl auch geführt werden muss. Aber heute geht es um die Beratun- gen des Konvents in Brüssel. Ich finde, man sollte die Aus- einandersetzung, die auf nationaler Ebene zu führen ist, vor allem dann nicht nach Brüssel verlagern, wenn man sie auf nationaler Ebene nicht gewinnen kann; denn für eine Grundgesetzänderung gibt es keine Mehrheit. Außerdem werden wir in die Grundrechte-Charta auf- nehmen, dass das Niveau weiter gehender nationaler Grundrechte durch die Charta nicht abgesenkt werden darf. Diese Forderung wurde von Delegierten verschiede- ner Länder erhoben. Die Finnen sind zum Beispiel in Sorge, dass das Niveau ihrer hochmodernen Verfassung durch die Grundrechte-Charta gesenkt werden könnte. Dies darf nicht geschehen. Deshalb sind wir der Auffas- sung – mit den eben skizzierten Folgen für das deutsche Asylrecht –, dass durch die Grundrechte-Charta der hohe Grund-rechtsstandard der nationalen Verfassungen in kei- nem Fall gesenkt werden darf. Darauf haben wir uns be- reits verständigt. Warum also streiten wir im Zusammen- hang mit der Charta dann über diesen Punkt? Ein weiteres Thema, mit dem wir uns in den nächsten zwei Wochen im Konvent sehr intensiv beschäftigen wer- den, sind die sozialen Grundrechte. Wir hatten uns ei- gentlich darauf verständigt, klarzustellen: Es ist an der Zeit, die immer wieder beschworene Unteilbarkeit und Universalität der Menschenrechte auch dadurch zu doku- mentieren, dass – dem Auftrag von Köln entsprechend – die wirtschaftlichen und sozialen Grundrechte Eingang in die Charta finden. Warum streiten wir also darüber? Im Konvent besteht Einigkeit, dass durch die Grundrechte- Charta die Kompetenzen der EU-Organe nicht erweitert werden dürfen. Ich bin der Auffassung, wir sollten gemeinsam überle- gen, ob die bevorstehende Debatte im Konvent in Brüssel nicht auch von uns unterstützt werden sollte. Es ist offen- sichtlich, dass es Streit über die sozialen Grundrechte gibt. Wer wollte das in Abrede stellen? Es ist auch offensicht- lich, dass einige Länder großen Wert darauf legen, eine Vielzahl sozialer Grundrechte zu formulieren. Wir sind da- gegen der Auffassung – ich habe das eben als gemeinsa- me Auffassung dargestellt –, dass man nur Grundrechte formulieren sollte, die auch einklagbar sind. Deshalb wer- be ich um Unterstützung für den Versuch – den ich ge- meinsam mit dem Delegierten der französischen Regie- rung, Herrn Braibant, unternommen habe –, in dieser Frage einen Mittelweg zu finden. Roman Herzog hat, als die Debatten im Konvent sehr streitig ausgetragen wurden, die Mitglieder des Konvents ausdrücklich aufgefordert, einen solchen Mittelweg zu suchen. Dieser sollte auf drei Säulen beruhen. In die Präambel der Charta und in die Überschrift des Kapitels über die so- zialen Grundrechte sollte – als erste Säule – der Grundsatz der Solidarität festgeschrieben werden. Als zweite Säule sollten in acht Artikeln, gruppiert um die Elemente Arbeit, Gesundheit, Bildung und soziale Sicherheit, die Respek- tierung und der Schutz sozialer Grundrechte in die Charta aufgenommen werden. In der dritten Säule sollte deutlich gemacht werden: Es wird auch künftig Konventionen mit neuen – auch sozialen – Grundrechten geben. Diese sind, wenn alle Mitgliedstaaten zugestimmt haben, Grundlage der Auslegung und Anwendung der Charta. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 12. September 2000 11181 (C) (D) (A) (B) Um deutlich zu machen, dass wir uns eigentlich ver- ständigen könnten, will ich einmal die drei Sätze vorlesen, die Herr Braibant und ich in Bezug auf das Recht auf Ar- beit vorgeschlagen haben. Ich wüsste gerne, ob irgendje- mand in diesem Raum ist, der der folgenden Formulierung nicht zustimmen kann: Jeder hat das Recht zu arbeiten und das Recht auf Schutz seines Arbeitsplatzes. Insbesondere hat jeder das Recht, seinen Beruf frei zu wählen und auszu- üben, sowie das Recht auf freien Zugang zu unent- geltlicher Arbeitsvermittlung. Jeder hat Anspruch auf Schutz vor ungerechtfertigter oder missbräuchlicher Entlassung. Wer kann gegen ein so formuliertes soziales Grundrecht auf Arbeit sein? (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Ich habe gehört, dass die Debatte in der CDU/CSU- Fraktion letztlich deshalb zur Ablehnung einer gemeinsa- men Entschließung geführt hat, weil man sich über die Aufnahme eines kleinen Satzes nicht einig geworden ist. Wir haben im Entwurf der gemeinsamen Entschließung folgenden Satz vorgesehen: Die Charta soll klarstellen, dass gleichgeschlechtli- che Paare nicht benachteiligt werden dürfen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Was haben Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU-Fraktion, gegen diesen Satz? Mir ist schon klar, dass ich eigentlich diejenigen Ihrer Kollegen anspre- chen müsste, die nicht da sind. (Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Herr Altmaier wird das gleich in vernichtender Deut- lichkeit klarmachen!) Bezogen auf den von Ihnen kritisierten Satz darf ich Ih- nen in Erinnerung rufen, was Sie vor kurzem auf Ihrem Parteitag in Essen zu diesem Thema beschlossen haben und auch von Ihrer Vorsitzenden, Frau Merkel, sehr un- terstützt worden ist. Ich zitiere aus Ihrem Parteitagsbe- schluss: Wir respektieren die Entscheidung von Menschen, die in anderen Formen der Partnerschaft ihren Le- bensentwurf zu verwirklichen suchen. (Peter Hintze [CDU/CSU]: So ist es!) Wir anerkennen, dass auch in solchen Beziehungen Werte gelebt werden können, die für unsere Gesell- schaft grundlegend sind. Dies gilt für nicht eheliche Partnerschaften zwischen Frauen und Männern; dies gilt auch für gleichgeschlechtliche Partnerschaften. Wir werben für Toleranz und wenden uns gegen jede Form von Diskriminierung. (Beifall im ganzen Hause) Verehrte Kolleginnen und Kollegen, genau dies hatten wir für unsere gemeinsame Entschließung vorgesehen. (Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Schreiben Sie das in die Charta und wir stimmen zu!) Mir ist klar, dass Sie in Ihrer Fraktion dafür gekämpft haben, sich aber letztlich gegenüber Ihren CSU-Kollegen nicht durchsetzen konnten. Ich bitte Sie dringend, dieses Problem zu lösen und nicht zuzulassen, dass das, was Frau Merkel zu diesem Thema gesagt und durchgesetzt hat, von Herrn Stoiber wieder aus dem Gefecht gezogen wird. (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Wir stehen ja gar nicht im Gefecht! Nicht so martialisch!) Ich habe sehr genau beobachtet, dass Sie in unserer letz- ten Debatte am 18. Mai irritiert reagierten, als der CSU- Kollege Dr. Müller als ausdrückliche Bedingung für die Ratifizierung der Charta bezeichnete: Wir wollen keine Kompetenzausweitung, sondern er- warten Kompetenzbeschränkungen. Wie kann man so etwas von der Grundrechte-Charta, die sich mit der Kompetenzfrage bekanntlich nicht zu befas- sen hat, überhaupt erwarten? Kommen Sie zu einer ver- nünftigen Einigung mit den CSU-Kollegen in Ihrer Frak- tion! Wenn das geschehen ist, dann legen wir – das ist meine Überzeugung – wieder gemeinsame Entschließun- gen vor. Die Grundlage dafür ist breit genug. Lassen Sie uns gemeinsam feststellen: Es geht bei der Grundrechte-Charta um die Identität der Europäer, die ih- re Werteordnung, an die sie gebunden sind, deutlich ma- chen sollten. Genauso wichtig ist: Es geht um die Kon- trolle von Machtausübung durch die EU-Organe in Brüssel. (Sabine Leutheusser-Schnarrenberger [F.D.P.]: Das ist der Kern!) Dass wir dafür gemeinsam eintreten, sollte künftig wieder deutlicher werden, als es heute durch Mehrheitsentschei- dungen über einen Antrag der Koalition deutlich werden kann. Überlegen Sie bitte, ob Taktik nicht Übertaktieren bedeutet, wenn man die Taktik über die Sache stellt. Ich werde mich jedenfalls durch die Abstimmungen, die heute leider nicht im Konsens erfolgen werden, nicht davon abhalten lassen, auch mit den Europapolitikern der Oppositionsfraktionen, die für eine gemeinsame Ent- schließung gekämpft haben und denen es in erster Linie um die Sache und nicht um parteitaktischen Vorteil geht, weiter konstruktiv zusammenzuarbeiten. Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 12. September 200011182 (C) (D) (A) (B) Druck: MuK. Medien-und Kommunikations GmbH, Berlin
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    Rede von Christian Schmidt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsi-
    dent! Ohne die Gepflogenheit zu missachten, den präsi-
    dierenden Kollegen in irgendeiner Weise in die Debatte
    einzubeziehen, stellt sich natürlich auch die Frage, in wel-
    cher Funktion der Kollege vor mir in der Tat gesprochen
    hat und ob Sie die Dauer seines Beitrags nicht eigentlich
    auf die Redezeit der SPD-Fraktion anrechnen müssten.

    Ich darf sagen: Ich habe die Art und Weise sehr ge-
    schätzt, wie Staatsminister Zöpel in einem Bereich, für
    den er, wenn ich recht weiß, nicht mehr zuständig ist, ge-
    antwortet hat. Manchmal lassen Äußerungen – auch die-
    jenigen, die Kollege Hintze angesprochen hat – von an-
    derer Seite der Bundesregierung Schärfe, Deutlichkeit
    und Klarheit vermissen. Es gibt in der Tat eine ganze
    Reihe von Fragen, die wir angesprochen haben, von den
    Fragen der beabsichtigten Übergangsregelungen bis hin
    zu manchen anderen Dingen, über die dieses Parlament,
    das als Verfassungsorgan in der repräsentativen Demo-
    kratie ausgehandelten Verträgen mit einer entsprechenden
    Mehrheit zuzustimmen hat, gerne rechtzeitig informiert
    würde. Das ist ein Stück Bürgernähe und Demokratiever-
    ständnis, das notwendig ist. Es hat ganz und gar nichts mit
    dem zu tun, was Herr Kollege Zöpel angesprochen hat.

    Ich will einen Punkt aufgreifen, den er genannt hat. Er
    hat den Schwerpunkt auf die Osterweiterung und gerade
    auf unsere Nachbarländer gelegt. Es ist in der Tat eine
    ganz entscheidende Frage, wie die Wirkung unserer Posi-
    tion auf Polen, auf die Tschechische Republik und auf
    Ungarn gesehen wird; allerdings – ich gestatte mir, das
    dazuzusagen – gilt es auch zu berücksichtigen, wie die
    Wirkung der Fragestellungen auf unsere eigenen Bürger
    ist.

    Der Kollege Verheugen hat schon vor Monaten Fra-
    gestellungen aufgeworfen, beispielsweise die der Konse-
    quenz der Freizügigkeit, die mich vermuten lassen, dass
    seine Äußerung nicht ein rechter Ausrutscher war, son-
    dern eigentlich in der Konsequenz seines Denkens liegt.
    Ich bin sehr dafür, dass wir keine Unklarheit aufkommen
    lassen und dass wir die Osterweiterung der Europä-
    ischen Union als eine politische Jahrhundertaufgabe an-
    sehen, an der wir alle arbeiten.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Ich bin aber auch sehr dafür, dass wir unser Volk, die
    Bürger, die uns gewählt haben, unsere Mitbürger, in die
    Politik so ernsthaft einbeziehen, dass wir uns auch der
    Mühe unterziehen, zu argumentieren, wie notwendig die
    Integration Polens, Tschechiens und Ungarns ist. Es mag
    dann natürlich das eine oder andere Thema geben, über
    das vertieft gesprochen werden muss und bei dem es Dis-
    krepanzen gibt, die aus dem Weg geräumt werden müs-
    sen.

    Die Agenda 2000 wurde bereits angesprochen. Den
    Bürgern bei uns ist nicht klar, wie die Finanzierung der
    Erweiterung der Europäischen Union vonstatten geht. Sie
    sehen nur, dass die Beträge, über die in Berlin damals ver-
    handelt worden ist, nicht ausreichen. Ich will gar nicht al-
    lein von der polnischen Landwirtschaft reden. Wir haben
    eine ganze Reihe von Defiziten. 68Milliarden DM für die
    Beitrittsländer ist zu wenig. Die Frage ist: Wie löst sich
    das Problem der Defizite?

    Der luxemburgische Ministerpräsident Juncker hat ja
    nun vor einiger Zeit nicht gerade freundliche Sätze über
    den Europäischen Rat gesagt, als er über die Art und
    Weise gesprochen hat, wie die Verhandlungen ablaufen
    und wie intensiv bzw. weniger intensiv Vorlagen gelesen
    werden. Es lohnt sich schon, die Agenda 2000 noch ein-
    mal zu lesen. Ich befürchte, dass sie auch damals einige
    nicht ganz gelesen haben.

    Der Bundeskanzler hat in einer Situation, in der er von
    Europa noch recht wenig Ahnung hatte – noch weniger,
    als er gegenwärtig hat –, seine Zustimmung zu Entschei-
    dungen gegeben, bei denen eine deutsch-französische Ko-
    operation nötig gewesen wäre. Ich will nur noch einmal
    das Thema Kofinanzierung ansprechen. Diese ist kein
    Heilmittel, aber notwendig.

    Wo ich schon bei den deutsch-französischen Bezie-
    hungen bin, möchte ich noch ein Vorgehen ansprechen,
    das nicht unwidersprochen bleiben kann. In Bezug auf das
    Vorgehen gegen Österreich wird das Argument ge-
    bracht, es sei dringend erforderlich, dem deutsch-franzö-
    sischen Verhältnis in dieser Frage die Priorität einzuräu-
    men. Jawohl, es ist richtig, dass das deutsch-französische
    Verhältnis in allen Bereichen ein Schlüsselverhältnis für
    das Gedeihen der europäischen Integration ist. Das kann
    aber nicht heißen, dass in solchen Fragen wie in denen der
    Behandlung von Mitgliedstaaten der Europäischen Union
    einer französischen Einlassung – wenn es denn so war –
    mit gewisser deutscher Unterstützung der Weg gebahnt
    wird, Deutschland jetzt aber nicht bereit ist, die Initiative
    zu ergreifen – diese muss ja nicht coram publico stattfin-
    den – und zu sagen: Meine lieben französischen Freunde,
    ich glaube, wir müssen hier einen Ausweg finden. Der
    Ausweg, der jetzt in Form einer Brücke, die der Bericht
    der Drei Weisen baut, geboten wird, wäre da. Unter Ziffer
    115 findet sich sogar etwas, durch das sich diejenigen be-
    stätigt fühlen können, die immer noch meinen, die Sank-
    tionen hätten irgendetwas Positives bewirkt, und was man
    aufnehmen könnte.


    (Dr. Helmut Lippelt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir sind hier coram publico!)





    Staatsminister Dr. Christoph Zöpel

    11131


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    Ich wiederhole das, was Kollege Haussmann gesagt
    hat: Ich fordere den Außenminister auf, sich hier und jetzt,
    bevor er zur Generalversammlung der Vereinten Nationen
    nach New York entschwindet, hinzustellen und zu sagen,
    ob er wie sein dänischer Kollege und entsprechend der
    gestrigen Ankündigung von Herrn Moskovici bereit wäre,
    die Sanktionen aufzuheben.


    (Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wir sind doch hier öffentlich!)


    Ich möchte da schon noch einmal auf die Feinheiten Ihrer
    Argumentation eingehen. Es geht nicht, zu sagen, das sei
    keine Angelegenheit der portugiesischen Präsidentschaft;
    deren Briefpapier sei nur versehentlich verwendet wor-
    den; es handle sich hierbei vielmehr um Einzelentschei-
    dungen der 14 Staaten. Ich kann mich gut daran erinnern,
    wie wir in der Fragestunde hier standen und wie unsere
    mündlichen Fragen von Herrn Staatsminister Volmer in
    einer sehr herablassenden Art und Weise beantwortet und
    korrigiert wurden.


    (Dr. Helmut Lippelt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist das Schicksal der Opposition!)


    Es ist nun so, dass jeder für sich entscheiden kann, denn
    es betraf nur die bilateralen Beziehungen. Herr Fischer,
    seien Sie mutig, nehmen Sie die bilateralen Beziehungen
    zu Österreich wieder auf, entschuldigen Sie sich anstän-
    dig und sagen Sie: „Ich habe Blödsinn gemacht; ich will
    versuchen, das nicht mehr zu tun.“ Dann passt die Sache.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. – Dr. Karl-Heinz Hornhues [CDU/CSU]: So muss das sein! – Joseph Fischer, Bundesminister: So ein Schmarren!)


    – Nein, so einfach ist es nicht. Ich möchte Ihnen ganz
    ernsthaft sagen: Gehen Sie einmal nach Österreich und
    sprechen Sie mit Ihren Genossen. Fragen Sie sie – viel-
    leicht in zwei bis drei Jahren, wenn sie ihre Wahlnieder-
    lage verdaut haben –, ob Sie ihrem Lande etwas Gutes ge-
    tan haben.

    Ich habe es vorhin in allem Ernst als Zwischenruf ein-
    gebracht. Wenn bei den anstehenden Kommunalwahlen in
    Belgien jetzt der Stimmenanteil des Vlaams Blok in
    Antwerpen oder sonst wo möglicherweise noch zunimmt
    – davor besteht ja Furcht –, dann muss man das auch an
    der Fragestellung messen, ob denn solche Sanktionen et-
    was nützen oder nicht. Wenn Herr Haider jetzt öffentlich
    triumphiert, dann ist das eine Konsequenz Ihrer Schnaps-
    ideepolitik mit diesen komischen Sanktionen.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. – Zurufe von der SPD)


    Eigentlich wollte ich ja mit einem Lob anfangen. Das
    Lob bezog sich auf die Botschafterkonferenz, die Sie,
    Herr Außenminister, durchgeführt haben, und auf die Re-
    den, die dort bezüglich der Perspektiven des auswärti-
    gen Dienstes gehalten worden sind. Ich finde, das passt
    durchaus da hinein. Ich möchte Sie nämlich darin bestär-
    ken, dass Sie den auswärtigen Dienst bei der notwendigen
    Reform mit einer entsprechenden parlamentarischen Be-

    gleitung, die wir anbieten, unterstützen. Lassen Sie sich
    vom Finanzminister nicht die Butter vom Brot nehmen.


    (Gernot Erler [SPD]: Das Problem ist, der nimmt nicht nur die Butter, sondern auch das Brot!)


    Er geht ja inzwischen nicht nur so weit, dass er Ihnen Stel-
    len streicht – ab und zu gibt Ihnen der Haushaltsausschuss
    ein paar Stellen, die Sie gar nicht wollten; vielleicht ver-
    suchen Sie das auch in diesem Jahr –, sondern sogar noch
    weiter. Wenn der Finanzminister sagt, die EU-Länder
    bräuchten untereinander keine diplomatischen Vertretun-
    gen mehr, dann sollten im diplomatischen Dienst und
    auch bei unserer Außenpolitik alle Alarmglocken läuten.
    Die Vertretungen sind nicht nur ein Teil europäischer In-
    nenpolitik, sondern auch ein Teil der Darstellung der Bun-
    desrepublik Deutschland nach außen. Wenn es in Öster-
    reich keine Botschaft mehr gegeben hätte, dann hätten Sie
    niemanden mehr gehabt, der nach Ihrer Version überhaupt
    noch mit Österreich hätte reden dürfen. Seien Sie also
    dankbar, dass wir in Österreich eine Botschaft mit sehr
    verdienten Mitarbeitern haben, die anständig und gut ge-
    arbeitet haben.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Werner Hoyer [F.D.P.])


    Wir stimmen in Bezug auf die Reform des auswärtigen
    Dienstes auch zu, dass dieser zahlenmäßig nicht reduziert
    werden darf – ich will das noch einmal ansprechen – und
    dass wir dabei eine Art Generalrevision durchführen müs-
    sen, nicht weil das Gesetz über den auswärtigen Dienst
    aus dem Jahre 1990 nicht mehr gut wäre, sondern weil
    sich die politischen und technischen Realitäten geändert
    haben. Wenn es aber stimmt – da ist die Zahl wohl eini-
    germaßen zutreffend –, dass zahlenmäßig gerade einmal
    die Hälfte der Diplomaten, die Frankreich oder Großbri-
    tannien in seinem Dienst hat, die gleiche Arbeit für das
    größere Deutschland leisten muss, dann zeigt das erstens
    die Arbeitsbelastung unserer Diplomaten und zweitens
    die Notwendigkeit, diese Arbeit neu zu definieren und in
    eine neue Politik mit einzubeziehen. Ich befürchte, allein
    mit der klassischen Vorstellung vom Diplomaten wird bei
    keinem Finanzminister die Geneigtheit bestehen, mehr
    Geld locker zu machen.

    Das heißt, die Motivation muss gestärkt werden, die
    Aufgaben müssen neu definiert werden. Die Motivation
    leidet allerdings dann, wenn beim internen Stellenkegel
    und vor allen Dingen bei den politischen „guidelines“, bei
    den Richtlinien, Schwierigkeiten bestehen. Auf diese
    muss man noch einmal zu sprechen kommen.

    Da geht es beispielsweise um die Frage: Wie wird ei-
    gentlich mit Russland umgegangen? Wie wird mit dem
    transatlantischen Verhältnis umgegangen? Wo ist da die
    Orientierung? In Ihrer Rede finde ich sehr wenig zu die-
    ser Frage; Sie haben es zum Schluss kurz angesprochen.
    Ich finde auch keine Beschäftigung mit den Schwierig-
    keiten, die insbesondere in Russland auftreten, nachdem
    Herr Putin in gewissen Bereichen seines politischen Ver-
    haltens einen Weg eingeschlagen hat, der mit Demokratie
    nichts mehr zu tun hat. Hier muss etwas passieren. Hier
    muss auch im auswärtigen Dienst – nicht nur auf




    Christian Schmidt (Fürth)

    11132


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    Botschafterkonferenzen – klar werden, dass wir eine Re-
    gierung brauchen, die in diesen Fragen eine klare Ziel-
    stellung hat. Unsere Regierung hat sie nicht und das ist be-
    dauerlich.

    Etwas Versöhnliches zum Schluss – wenn es nicht so
    traurig wäre, könnte man darüber lachen –: Offensichtlich
    neigt der Weltstaatsmann Schröder dazu, sich zum Dollar
    zu äußern. Erst hilft er mit, den Euro nach unten zu reden,
    und nun versucht er anscheinend, auch den Dollar nach
    unten zu reden. Wie könnte es sonst sein, dass im Haus-
    haltsentwurf für den Beitrag an die Vereinten Nationen
    von 308 Millionen US-Dollar ein Wechselkurs von
    1,88 DM zugrunde gelegt wird?


    (Peter Hintze [CDU/CSU]: Schön!)

    Nach dem heutigen Wechselkurs wären das rund 700Mil-
    lionen DM. Das Haushaltsrisiko von rund 120 Millio-
    nen DM versucht der Bundeskanzler offensichtlich per-
    sönlich mit flotten, lockeren Sprüchen zu lösen, indem er
    die Wirtschaft nach unten redet.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Peter Hintze [CDU/CSU]: Er rechnet mit einem raschen Regierungswechsel!)




Rede von Dr. Rudolf Seiters
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Ich gebe das Wort
dem Kollegen Günter Gloser für die SPD-Fraktion.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Günter Gloser


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Sehr geehrter Herr Präsident!
    Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wenn man so man-
    che Zwischentöne in der heutigen Debatte ein bisschen
    beiseite schiebt, dann glaube ich, feststellen zu können,
    dass es in wichtigen Fragen der Außen- und Europa-
    politik einen Grundkonsens gibt. Ich erwähne ausdrück-
    lich, Herr Kollege Hintze, dass Sie vorhin gesagt haben
    – ich denke, Ihre Aussage hat nicht nur heute, sondern
    auch morgen und übermorgen Bestand –, die CDU/CSU-
    Bundestagsfraktion wolle den Erfolg beider Projekte, also
    den Erfolg bei der Regierungskonferenz in Nizza und den
    Erfolg im Rahmen der EU-Erweiterung. Das ist ein gutes
    Zeichen. Im Deutschen Bundestag – auch als Sie damals
    regiert haben – gab es in Grundfragen immer schon einen
    Konsens.

    Es ist vorhin schon gesagt worden – und ich komme
    darauf zurück –: In der Mitte der Legislaturperiode ist es
    Zeit, eine Art Zwischenbilanz zu ziehen. Ich darf in die-
    sem Zusammenhang ein paar kritische Anmerkungen zu
    den Vorwürfen machen, die die jetzige Opposition uns da-
    mals gemacht hat: Wir würden Deutschlands Interessen
    schaden; wir seien kein verlässlicher Partner; wir hätten
    die deutsch-französischen Beziehungen gestört. Ich muss
    dazu sagen: Sie haben sich eine Scheinwelt aufgebaut. Sie
    haben Ihre Meinung in der Zwischenzeit an bestimmten
    Stellen auch schon korrigieren müssen. Die deutsch-fran-
    zösischen Beziehungen funktionieren gut. Sie sind der
    Motor der europäischen Einigung.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Ich halte es für einen Wert an sich, dass unter der Re-
    gierung Schröder/Fischer der Weg der europäischen In-

    tegration kontinuierlich weitergegangen wird. Wir sind
    ein berechenbarer Partner geblieben und bleiben es auch
    in der Zukunft. Wir haben sehr viele wichtige Entschei-
    dungen getroffen – ich erinnere nur an die ersten sechs
    Monate unserer Ratspräsidentschaft –, beispielsweise
    Entscheidungen hinsichtlich des Kosovo. Ohne die Frie-
    densinitiativen der Bundesregierung wäre dieser Konflikt
    nicht zu der Zeit der deutschen Präsidentschaft beendet
    worden.

    Ich erwähne ferner die Agenda 2000. Ohne das Ver-
    handlungsgeschick der Bundesregierung wäre in Berlin
    dieser zukunftsweisende Kompromiss – ja, es war ein
    Kompromiss – nicht möglich gewesen. Erst dieser Kom-
    promiss im Rahmen der Agenda 2000, Herr Kollege
    Schmidt, hat die Möglichkeit geschaffen, auch über die
    EU-Erweiterung Beschlüsse zu fassen. Diesen Punkt
    sollte man einmal festhalten. Staatsminister Zöpel hat
    vorhin gesagt, dass man ausdrücklich eine Revisionsklau-
    sel aufgenommen hat, um Veränderungen aufgrund der
    aktuellen Diskussion einbeziehen zu können.

    Auch die Ausarbeitung einer Grundrechte-Charta
    wurde von Ihnen lange bekämpft. Jetzt gibt es darüber ei-
    nen Konsens. Weil es für die europäische Idee wichtig ist,
    ein identitätsstiftendes Projekt zu haben, reden wir nicht
    nur über ein bürgernahes Europa, sondern wir wollen mit
    dieser Charta ein bürgernahes Europa schaffen.

    Ein weiterer Punkt ist die europäische Beschäfti-
    gungspolitik.Auch dafür wurden in Köln unter der deut-
    schen Ratspräsidentschaft wesentliche Akzente gesetzt
    und von den Portugiesen weiterentwickelt. Zur Halbzeit
    und nach Ende der ersten für diese Regierung sicherlich
    nicht einfachen Jahre kann man sagen, dass es sich um
    wichtige Meilensteine auf dem Weg zur europäischen In-
    tegration handelte.

    Ich komme nun auf das Thema Osterweiterung zu
    sprechen. Ich bin sehr erfreut darüber, dass entsprechende
    Signale von der Opposition kommen. Die SPD-Bundes-
    tagsfraktion wackelte an dieser Stelle zu keinem Zeit-
    punkt. Im Gegenteil: Wir haben vor wenigen Wochen in
    der Bundestagsfraktion deutlich gemacht, dass wir dieses
    Projekt unterstützen. Wir wissen nämlich, dass es neben
    den Risiken vor allem Chancen birgt. Wir nehmen diese
    Risiken ernst. Ich glaube aber, dass wir uns in diesem
    Punkt nicht von allen, aber doch von einigen Kollegen der
    CDU/CSU unterscheiden, indem wir diese Risiken offen
    ansprechen. Wir wollen die Bürger aber nicht noch mehr
    verängstigen. Wir sind nämlich der Auffassung, dass be-
    stimmte Risiken durch Entscheidungen der Kommunen,
    der Länder und des Bundes und irgendwann – Sie erwäh-
    nen ja immer das Subsidiaritätsprinzip – durch Unterstüt-
    zung der Europäischen Union politisch beherrschbar sind.


    (Christian Schmidt [Fürth] [CDU/CSU]: Das ist ein gutes Prinzip!)


    Angesichts der aktuellen Diskussion, die durch das In-
    terview ausgelöst wurde, sage ich ganz deutlich: Nehmen
    wir die Ängste und die Befürchtungen ernst! Sprechen
    wir mit den Menschen, aber bestärken wir sie nicht in
    ihren Ängsten! Liebe Kollegen aus Bayern, Ihr Minister-
    präsident hat leider bei den Menschen Ängste geschürt,




    Christian Schmidt (Fürth)


    11133


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    anstatt aufklärerisch zu wirken. Wir von der SPD-Frak-
    tion informieren, aber desinformieren nicht.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Christian Schmidt [Fürth] [CDU/CSU]: Man muss die Probleme ansprechen und dann lösen!)


    In diesem Punkt gibt es Unterschiede bei Ihnen.
    Merkel sagt dieses, Merz sagt jenes und Stoiber sagt et-
    was anderes. Es wäre ganz wichtig, dass Sie wenigstens
    in diesem Punkt einen gemeinsamen Weg finden.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Ein weiterer Punkt – dies möchte ich mit Hinweis auf
    unsere Regierung sehr deutlich feststellen –: Ohne Zwei-
    fel muss es zwischen Außenministern Treffen geben.
    Wichtig ist aber auch das Gespräch mit den Bürgerin-
    nen und Bürgern, mit den Landräten und den Bürger-
    meistern vor Ort in den grenznahen Regionen. Herr
    Dr. Müller, ich kann Sie beruhigen: Es gibt viele Bürger-
    meister – leider gibt es in Bayern immer noch zu viele Ih-
    rer Couleur; in Mecklenburg-Vorpommern habe ich ganz
    andere Bürgermeister kennen gelernt –, die klar sagen:
    Wir sind für die EU-Erweiterung. Über das Ob gibt es
    überhaupt keinen Dissens, nur über das Wie. Damit müs-
    sen wir uns hier im Parlament, aber auch in den Landta-
    gen und in den Kommunen befassen.


    (Dr. Gerd Müller [CDU/CSU]: Und mit den Bürgern!)


    In Mecklenburg-Vorpommern fragt man sich zum Bei-
    spiel, warum man mit den Grenzübergängen nach Polen
    nicht in die Gänge kommt, warum eine Verbesserung der
    dortigen Situation so lange dauert. Da muss einmal nach-
    gehakt werden. Ein anderer Bürgermeister einer Stadt an
    der Grenze äußerte: Wenn die Grenzen geöffnet werden,
    dann fließt der dadurch entstehende Verkehr durch meine
    Stadt. Das kann ich den Bürgern nicht zumuten. – Da ist
    die Frage an uns gerichtet, was man, wenn es sich zum
    Beispiel um eine Bundesstraße handelt, tun kann.

    Oftmals sind es sehr banale Dinge, die in den nächsten
    Monaten im Rahmen der Vorbereitung der EU-Er-
    weiterung zu lösen sind, damit zum Beispiel, wenn sich
    der Verkehr durch die Stadt schlängelt und es Staus gibt,
    nicht gesagt wird: Die EU-Beitrittsländer sind die Schul-
    digen. Wir wollten eigentlich keine EU-Erweiterung; für
    uns wird nichts getan. – Ich denke, wir alle sind gefordert:
    Sie in den Ländern, in denen Sie Verantwortung tragen,
    und wir in den Ländern, in denen wir die Verantwortung
    tragen, und hier auf Bundesebene.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    CDU-Kommunalpolitiker aus Mecklenburg-Vor-
    pommern haben mir gesagt – ich habe mich darüber sehr
    gefreut –, dass es bei ihnen mittlerweile Handwerker gibt,
    die die polnische Sprache erlernen. An diesem Beispiel
    wird klar, dass sie nicht nur sagen: „Die Polen kommen zu
    uns nach Mecklenburg-Vorpommern“, sondern dass sie
    den europäischen Markt auch anders begreifen, indem sie

    sagen: „Wir können unsere Leistungen auch in Polen an-
    bieten. Dazu müssen wir aber die Sprache beherrschen.
    Wir können ja nicht jedes Mal einen Dolmetscher mit-
    nehmen.“ Ich denke, dass es viele Initiativen in diesem
    Sinne gibt. Dies ist ein sehr gutes Beispiel. Es gibt noch
    viele andere, die anzusprechen den zeitlichen Rahmen
    sprengen würde.

    In diesem Bereich besteht Handlungsbedarf. Wir
    können die bestehenden Risiken beherrschen. Das soll-
    ten wir den Menschen sagen. Insofern teile ich Günter
    Verheugens Einschätzung, dass wir noch mehr Informa-
    tionen weitergeben müssen. Haushälter und andere
    möchte ich darauf hinweisen, dass wir keine teuren Hoch-
    glanzbroschüren brauchen. Die erreichen nämlich viele
    Menschen nicht. Wir brauchen andere Medien, um ent-
    sprechende Informationen zu den Menschen zu transpor-
    tieren.

    Ich möchte Günter Verheugen für eine Äußerung aus-
    drücklich danken, nachdem er so viel Schelte und Prügel
    bekommen hat. Er hat zu Beginn des entsprechenden In-
    terviews gesagt: Die Erweiterung der Europäischen
    Union nach Osten ist ein historischer Glücksfall. – Recht
    hat er. Da gibt es überhaupt keinen Zweifel. Weil dies ein
    historischer Glücksfall ist, brauchen wir darüber auch
    keine Volksabstimmung. Das Gefährliche an der ent-
    standenen Diskussion ist, dass bei den Menschen durch
    bestimmte Äußerungen Erwartungen geweckt worden
    sind. Der Vergleich mit der Einführung des Euro hinkt. Es
    ist vorhin in der Diskussion schon angesprochen worden:
    Dann, wenn wir unsere Souveränität abgeben, sollten wir
    abstimmen, aber nicht in anderen Fällen. Wenn die Polen
    im Rahmen ihres Beitritts eine Volksbefragung durch-
    führen, dann ist das logisch. Denn sie werden Souverä-
    nitätsrechte auf die Ebene der Europäischen Union über-
    tragen.

    Herr Kollege Hintze, ich hoffe, dass der jetzt beste-
    hende Konsens nicht nur im Jahre 2000/2001 anhält, son-
    dern dass er auch noch im Wahljahr 2002 besteht. An an-
    derer Stelle ist es schon gesagt worden: Es wäre fatal, die
    EU-Erweiterung zu einem Wahlkampfthema zu machen.
    Dies wäre kein gutes Zeichen auch an unsere Nachbarn.
    Das heißt nicht, dass man in bestimmten Punkte nicht kri-
    tisch miteinander umgehen sollte. Das bringt das Rollen-
    verständnis von Regierung und Opposition mit sich. Aber
    eine platte Auseinandersetzung über dieses Thema hielte
    ich für gefährlich.

    Auch ich sage noch einmal – ich weiß nicht, wer dies
    vorhin angesprochen hat –: Es ist wichtig, sich in die
    Köpfe unserer Nachbarn zu versetzen. Dort gibt es Re-
    gierungen, die ihren Bürgerinnen und Bürgern wahnsin-
    nige Opfer im Rahmen dieses Prozesses abverlangen
    müssen. Auch dort gibt es Wahlen. Es ist nicht nur bei uns
    so, dass manches so oder so entschieden wird, weil
    Wahlen anstehen. Auch in Polen, in Tschechien und in
    Ungarn wird gewählt. Das ist bei bestimmten Prozessen,
    die wir zu bewerkstelligen haben, zu berücksichtigen.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)





    Günter Gloser
    11134


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    Nicht Frust auf Europa ist angesagt, sondern Lust auf
    Europa. Machen wir alle mit!

    Vielen Dank.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)