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ID1411606100

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Metadaten
  • insert_drive_fileAus Protokoll: 14116

  • date_rangeDatum: 12. September 2000

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    Nachruf auf die Abgeordnete Ilse Schumann 11059 A Nachruf auf den Alterspräsidenten des Deut- schen Bundestages Fred Gebhardt . . . . . . . . 11059 B Eintritt der Abgeordneten Pia Maier und Ulrich Kelber in den Deutschen Bundestag . 11059 C Nachträgliche Glückwünsche zum Geburtstag der Abgeordneten Dr. Norbert Blüm, Wolfgang Weiermann, Dr. Peter Danckert, Dr. Manfred Lischewski und Rudolf Bindig 11059 D Absetzung des Tagesordnungspunktes: Erste Beratung des Gesetzentwurfes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes . . . . . . . . . . . . . 11059 D Tagesordnungspunkt 1 a) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bun- deshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2001 (Haushaltsgesetz 2001) (Drucksache 14/4000) . . . . . . . . . . . . . 11059 D b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Finanzplan des Bundes 2000 bis 2004 (Drucksache 14/4001) . . . . . . . . . . . . . 11060 A Hans Eichel, Bundesminister BMF . . . . . . . . 11060 A Dietrich Austermann CDU/CSU . . . . . . . . . . 11068 A Joachim Poß SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11072 D Dr. Günter Rexrodt F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . 11076 D Oswald Metzger BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11081 B Dr. Barbara Höll PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11085 A Hans Georg Wagner SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 11086 D Ernst Hinsken CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 11088 A Jürgen Koppelin F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . 11089 D Peter Rauen CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 11091 B Antje Hermenau BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11094 D Jürgen Koppelin F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . 11096 C Dr. Uwe-Jens Rössel PDS . . . . . . . . . . . . . . . 11097 B Jörg-Otto Spiller SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11098 D Bartholomäus Kalb CDU/CSU . . . . . . . . . . . 11101 D Hans-Eberhard Urbaniak SPD . . . . . . . . . . . . 11103 D Bartholomäus Kalb CDU/CSU . . . . . . . . . 11104 D Susanne Jaffke CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 11105 C Einzelplan 05 Auswärtiges Amt Joseph Fischer, Bundesminister AA . . . . . . . . 11107 B Karl Lamers CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 11111 A Gernot Erler SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11113 C Dr. Werner Hoyer F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . 11116 A Wolfgang Gehrcke PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 11118 A Gert Weisskirchen (Wiesloch) SPD . . . . . . . . 11119 A Peter Hintze CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 11121 A Gernot Erler SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11122 B Dr. Helmut Lippelt BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11124 B Dr. Helmut Haussmann F.D.P. . . . . . . . . . . . . 11126 B Uwe Hiksch PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11127 B Dr. Christoph Zöpel, Staatsminister AA . . . . 11128 B Plenarprotokoll 14/116 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 116. Sitzung Berlin, Dienstag, den 12. September 2000 I n h a l t : Ulrich Irmer F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11128 D Peter Hintze CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 11130 C Dr. Christoph Zöpel, Staatsminister AA . . . . 11130 D Christian Schmidt (Fürth) CDU/CSU . . . . . . 11131 A Günter Gloser SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11133 A Einzelplan 17 Bundesministerium für Familie, Senio- ren, Frauen und Jugend Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11135 A Dr. Ilja Seifert PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11138 C Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11139 A Dr. Maria Böhmer CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 11139 B Irmingard Schewe-Gerigk BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11141 D Ina Lenke F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11143 D Petra Bläss PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11145 D Hildegard Wester SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11147 A Ina Lenke F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11148 D Maria Eichhorn CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 11149 B Christian Simmert BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11151 B Dr. Ilja Seifert PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11152 B Klaus Haupt F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11153 C Christel Hanewinckel SPD . . . . . . . . . . . . . . . 11154 C Manfred Kolbe CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 11156 C Einzelplan 15 Bundesministerium für Gesundheit Andrea Fischer, Bundesministerin BMG . . . . 11159 A Wolfgang Lohmann (Lüdenscheid) CDU/CSU 11161 B Eckhart Lewering SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11163 D Dr. Ilja Seifert PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11165 A Dr. Dieter Thomae F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . 11165 C Dr. Ruth Fuchs PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11166 D Dr. Martin Pfaff SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11167 D Aribert Wolf CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 11171 C Klaus Kirschner SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 11172 A Monika Knoche BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11174 A Aribert Wolf CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 11175 A Ulf Fink CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11175 D Dr. Ilja Seifert PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11177 B Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11178 C Berichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11178 A Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 11179 A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Peter Letzgus (CDU/CSU) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Errich- tung einer Stiftung „Erinnerung, Verantwor- tung und Zukunft“ (114. Sitzung, Tagesord- nungspunkt 7 a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11179 C Anlage 3 Neudruck einer zu Protokoll gegebenen Rede zur Beratung des Antrags: Vererblichkeit von Bodenreformeigentum (105. Sitzung) . . . . . . 11179 D Anlage 4 Technisch bedingter Neudruck eines Rede- beitrages (115. Sitzung) . . . . . . . . . . . . . . . . . 11180 C Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 12. September 2000II Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 12. September 2000
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    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 12. September 2000 Dr. Ilja Seifert 11178 (C) (D) (A) (B) Berichtigung 114. Sitzung, Seite IV; Rednerliste zu Zusatztagesordnungspunkt 7, statt „Dr. Heinrich Fink (PDS)“ ist „Ulf Fink (CDU/CSU)“ zu lesen. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 12. September 2000 11179 (C) (D) (A) (B) Altmaier, Peter CDU/CSU 12.09.2000 Behrendt, Wolfgang SPD 12.09.2000* Brudlewsky, Monika CDU/CSU 12.09.2000 Bühler (Bruchsal), CDU/CSU 12.09.2000* Klaus Dr. Eid, Uschi BÜNDNIS 90/ 12.09.2000 DIE GRÜNEN Elser, Marga SPD 12.09.2000 Frick, Gisela F.D.P. 12.09.2000 Hauer, Nina SPD 12.09.2000 Heyne, Kristin BÜNDNIS 90/ 12.09.2000 DIE GRÜNEN Hörster, Joachim CDU/CSU 12.09.2000 Hoffmann (Chemnitz), SPD 12.09.2000 Jelena Dr. Hornhues, CDU/CSU 12.09.2000* Karl-Heinz Marquardt, Angela PDS 12.09.2000 Dr. Meyer (Ulm), SPD 12.09.2000 Jürgen Dr. Protzner, Bernd CDU/CSU 12.09.2000 Rauber, Helmut CDU/CSU 12.09.2000 Rupprecht, Marlene SPD 12.09.2000 Scheffler, Siegfried SPD 12.09.2000 Dr. Vollmer, Antje BÜNDNIS 90/ 12.09.2000 DIE GRÜNEN Zapf, Uta SPD 12.09.2000 * für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Peter Letzgus (CDU/CSU) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Errichtung einer Stiftung „Erinnerung, Ver- antwortung und Zukunft“ (Drucksachen 14/3206 und 14/3459) (114. Sitzung, Tagesordnungspunkt 7 a) Die NS-Herrschaft hat vielen Menschen großes Leid zugefügt. Zwangsarbeiter wurden deportiert, inhaftiert und ausgebeutet. Deutsche Unternehmen, die an diesem Unrecht betei- ligt waren, tragen eine hohe Verantwortung. Ihre Bereitschaft zur finanziellen Wiedergutmachung begrüße ich. Da in den Verhandlungen jedoch keine optimale Rechtssicherheit erzielt werden konnte, gehe ich davon aus, dass weitere Forderungen an Deutschland und deut- sche Unternehmen gestellt werden. Der Zwangsarbeiter- fonds wird kein finanzieller Schlussstrich werden. Ich bin nicht damit einverstanden, dass einige Opfer- gruppen, an die bisher bereits Entschädigungsleistungen gezahlt wurden, gegenüber anderen Opfergruppen privi- legiert werden, obwohl Letztere einem gleich schweren Schicksal ausgesetzt waren. Die Diskussion um Zwangsarbeit hat auch viele Deut- sche, die ähnliche Schicksale zu erdulden hatten (darunter auch meine Mutter), in ihrem Gerechtigkeitssinn getrof- fen. Lösungen zur Wiedergutmachung für diese Menschen sind weder in der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ noch an anderer Stelle vorgesehen. Ich stimme dem Gesetzentwurf nicht zu. Anlage 3 Neudruck einer zu Protokoll gegebenen Rede zurBeratung des Antrags: Vererblichkeit von Bo- denreformeigentum (105. Sitzung, Seite 9916 D) Steffi Lemke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Wir ha- ben den Antrag der PDS-Fraktion zum Thema „Ver- erblichkeit von Bodenreformeigentum“, Drucksache 14/1063, bereits vor einem Jahr, am 24. Juni 1999, an die- ser Stelle behandelt. Gegenstand der heutigen Debatte ist die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Angele- genheiten der neuen Länder vom 16. Dezember 1999 zu dieser Thematik. Die mit dem Zweiten Vermögensrechtsänderungs- gesetz 1992 in das EGBGB eingefügten Regelungen des Art. 233, §§ 11 bis 16 waren und sind die notwendigen Konsequenzen aus unregelmäßiger Rechtsanwendung in der ehemaligen DDR. Die Quelle der Ungerechtigkeit müssen Sie dort verorten, werte Kolleginnen und Kollegen von der PDS, und für diesen Zustand tragen Sie ein Stück Mitverantwortung. Der Bundesgesetzgeber hat sich 1992 aus gutem Grund für die so genannte Nachzeichnungsregelung entschieden. Nur so konnte eine Gleichbehandlung aller Erben von Bo- denreformland erreicht werden. Es ging dabei nicht nur darum, eine formale Rege- lungslücke zu schließen; es ging vielmehr darum, eine Gleichbehandlung zu erreichen, und zwar zwischen den- jenigen Neubauern-Erben, die bereits zu DDR-Zeiten ihr Bodenreformgrundstück verloren hatten, weil die zustän- digen Behörden die Besitzwechselvorschriften konse- quent angewandt haben, und denjenigen Personen, bei denen die Behörden aufgrund der praktischen Bedeu- tungslosigkeit des Privateigentums an Grund und Boden eine konsequente Löschung im Grundbuch vernachlässigt haben. Es geht also im Kern um die Frage: Welche Lösung hat der bundesdeutsche Gesetzgeber, welche Lösung hat die- ses Parlament gewählt, um ein inkonsistentes und will- kürliches Handeln der DDR-Behörden im Nachhinein unter Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes zu korrigieren? Unter diesen Vorbedingungen war die Nachzeich- nungsregelung der einzig gangbare Weg. Man kann die Nachzeichnungsregelung mit der einfachen Formel ver- anschaulichen: Kein Neubauern-Erbe soll dadurch be- nachteiligt sein, dass die DDR-Behörden die Besitzwech- selvorschriften konsequent umgesetzt haben, bzw. umgekehrt: Kein Neubauer-Erbe soll dadurch einen Vor- teil gewinnen, dass die DDR-Behörden die Besitzwech- selvorschriften nachlässig angewendet haben. Es ging hier also darum, den durch die Willkür der DDR-Behörden entstandenen Zustand nach dem Gleichbehandlungs- grundsatz aufzulösen. Dies war nur über die Nachzeich- nungsregelung möglich, mit der das Kriterium der Zutei- lungsfähigkeit in das bundesdeutsche Recht eingefügt wurde. Der Bundesgerichtshof hat in seinen Urteilen vom De- zember 1998 zwar anerkannt, dass eine grundsätzliche Vererbbarkeit von Bodenreformland in der DDR gegeben war – aber er ist nicht so weit gegangen, daraus einen Än- derungsbedarf beim geltenden Recht abzuleiten. Vielmehr gilt nach wie vor die Definition der Zuteilungsfähigkeit, die der BGH mit seinem Urteil vom 18. Juli 1997 gegeben hat. Danach ist zuteilungsfähig im Wesentlichen nur der- jenige Erbe, der am 15. März 1990 in der Landwirtschaft tätig war. Inzwischen sind zehn Jahre vergangen, und die Länder haben mit unterschiedlichem Nachdruck die Überprüfung der Grundbücher betrieben, um das Eigentum an Boden- reformgrundstücken zu klären. Das Land Mecklenburg- Vorpommern, in dem auch die meisten Bodenreform- grundstücke liegen, ist hierin am weitesten fortgeschritten: 97 Prozent der Fälle sind bislang überprüft worden. In 7 Prozent der Fälle wurde ein Anspruch des Landes als so genannter „Besserberechtigter“ an einem Bodenreform- grundstück festgestellt, weil kein zuteilungsfähiger Erbe vorhanden war. In 0,1 Prozent der Fälle hat das Land auf- grund persönlicher Härten der Betroffenen auf seine An- sprüche verzichtet. Ich bin der Auffassung, dass sich an diesen Zahlen zeigt, dass in der überwiegenden Zahl der Fälle die An- wendung der bestehenden Gesetze zu Klarheit und einer abschließenden Regelung der Eigentumsfragen geführt hat. Damit ist zehn Jahre nach der deutschen Einheit die rechtmäßige Zuordnung der Bodenreformgrundstücke weitestgehend abgeschlossen. Ich glaube, dass wir zehn Jahre nach der deutschen Ein- heit auf einem guten Weg sind, dieses schwierige Kapitel des Einigungsprozesses abzuschließen. Klar ist aber auch – und das möchte ich der Ehrlichkeit halber sagen –, dass vollständige Gerechtigkeit auf diesem Gebiet nicht zu er- reichen ist. Anlage 4 Technisch bedingter Neudruck eines Redebei- trages (115. Sitzung, Seite 11022 C) Dr. Jürgen Meyer (Ulm) (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich die Debatte über die europäische Grundrechte-Charta mit zwei Vorbemerkungen beginnen. In der letzten Sitzung des Konvents in Brüssel hat das Präsidium mitgeteilt, dass Roman Herzog den Vorsitz des Konvents demnächst wieder übernehmen wird. (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der F.D.P.) Wir alle wissen, dass er wegen der schweren Erkrankung seiner Frau den Vorsitz im Konvent niedergelegt hatte. Die Rückkehr von Roman Herzog ist vom Konvent und, wie ich sehe, auch von Ihnen sehr positiv aufgenommen worden. Roman Herzog gelingt es, mit seiner Kompetenz und seinem Ansehen, auch widerstreitende Gruppen im Konvent zusammenzuführen und das Projekt der Grund- rechte-Charta zum Erfolg zu führen. Meine zweite Vorbemerkung gilt der Rede von Präsi- dent Chirac, die er im Deutschen Bundestag gehalten hat. Ich fand es sehr erfreulich, dass Präsident Chirac deutlich gemacht hat, dass es auch bei der Grundrechte-Charta da- rum geht, mehr Demokratie in Europa zu wagen. Dies spiegelt sich bereits in der Zusammensetzung des Kon- vents wider, denn drei Viertel der Mitglieder dieses Gre- miums sind Parlamentarier. Es ist ein Signal für mehr De- mokratie, wenn eine Weichenstellung in Richtung einer Konkretisierung der Werteordnung in Europa durch ein solches Gremium vorgenommen wird. Deshalb sollten wir alle dazu beitragen, das Projekt zum Erfolg zu führen. Weil wir in früheren Debatten und auch in der Debatte im Mai in diesem Hause ein hohes Maß an Konsens fest- gestellt hatten, habe ich seinerzeit vorgeschlagen, nach- dem die Anträge der Koalitionsfraktionen einerseits und der Oppositionsfraktionen andererseits vorgelegt worden waren, diese zu einer gemeinsamen Entschließung zu- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 12. September 200011180 (C) (D) (A) (B) sammenzufassen. Die fast zweimonatigen Bemühungen nach der letzten Debatte schienen erfolgreich zu sein. Lei- der ist es heute doch nicht möglich, eine gemeinsame Ent- schließung zu verabschieden. Bevor ich dazu eine Bemerkung mache, möchte ich aber feststellen, dass alle Fraktionen in diesem Parlament in zahlreichen Punkten inhaltlich übereinstimmen. Wir sind uns darin einig, dass die Arbeiten des Konvents zur Erarbeitung der Grundrechte-Charta weiter unterstützt werden. Wir sind uns einig darin, dass die Bedeutung der Grundrechte-Charta auch in der deutschen Öffentlichkeit erkannt und gewürdigt und darüber eine breite gesell- schaftliche Debatte geführt werden sollte. Gemeinsam fordern wir die Bundesregierung auf, für den Beitritt der Europäischen Union zur Europäischen Menschenrechtskonvention einzutreten. Wir sind uns ei- nig darin, dass der Konvent fortschrittliche und für die eu- ropäische Integration zentrale Grundrechte formulieren sollte, wozu insbesondere ein Diskriminierungsverbot, ein aktives Gleichstellungsgebot sowie kulturelle Grundrech- te gehören. Wir sind uns auch einig darin, dass die Auf- nahme von wirtschaftlichen und sozialen Rechten unter Berücksichtigung der europäischen Sozialcharta und der Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Ar- beitnehmer in die Charta unterstützt werden sollte. Und: Ich denke, wir sind uns einig darüber, dass sich die Bun- desregierung im Europäischen Rat für die Rechtsverbind- lichkeit der Grundrechte-Charta mit individueller Kla- gemöglichkeit einsetzen sollte. Nun werden manche mit Recht fragen: Warum legen die Fraktionen des Deutschen Bundestages angesichts ei- ner derart weitreichenden inhaltlichen Übereinstimmung nicht eine gemeinsame Entschließung vor? Dabei kann es natürlich nicht darum gehen, so etwas wie einen „Ein- heitsbrei“ herzustellen oder abstrakte Formulierungen zu Papier zu bringen, die letztlich wenig aussagen. Die Sub- stanz dessen, was uns verbindet, ist so groß, dass die Fra- ge, warum es nicht zu einer gemeinsamen Entschließung gekommen ist, nur schwer beantwortet werden kann. Die uns Anfang dieser Woche von der CDU/CSU-Frak- tion mitgeteilte Ablehnung kam für viele von uns völlig überraschend. Ich habe natürlich versucht, rational nach- zuvollziehen, worauf sich diese Ablehnung gründet, und festzustellen, ob sie vielleicht nur ein Mittel ist, Profil auf einem ungeeigneten Feld der Auseinandersetzung zu ge- winnen. Vonseiten der CDU/CSU wurde – es hat ja keinen Sinn, darum herumzureden – bezüglich des Grundrechts auf Asyl auf angeblich unüberbrückbare Meinungs- unterschiede hingewiesen. Dies verwundert uns, da wir uns ursprünglich auch mit der CDU/CSU darauf verstän- digt hatten, uns dem Bekenntnis des Europäischen Rates von Tampere, dem künftigen europäischen Asylrecht die Genfer Flüchtlingskonvention uneingeschränkt und all- umfassend zugrunde zu legen, anzuschließen. Ich bin der Auffassung, dass die auf nationaler Ebene sicherlich notwendige Auseinandersetzung um das von der CDU/CSU-Fraktion lediglich gewünschte institutio- nelle Asylrecht und das von uns weiterhin für richtig er- achtete einklagbare individuelle Grundrecht auf Asyl auch geführt werden muss. Aber heute geht es um die Beratun- gen des Konvents in Brüssel. Ich finde, man sollte die Aus- einandersetzung, die auf nationaler Ebene zu führen ist, vor allem dann nicht nach Brüssel verlagern, wenn man sie auf nationaler Ebene nicht gewinnen kann; denn für eine Grundgesetzänderung gibt es keine Mehrheit. Außerdem werden wir in die Grundrechte-Charta auf- nehmen, dass das Niveau weiter gehender nationaler Grundrechte durch die Charta nicht abgesenkt werden darf. Diese Forderung wurde von Delegierten verschiede- ner Länder erhoben. Die Finnen sind zum Beispiel in Sorge, dass das Niveau ihrer hochmodernen Verfassung durch die Grundrechte-Charta gesenkt werden könnte. Dies darf nicht geschehen. Deshalb sind wir der Auffas- sung – mit den eben skizzierten Folgen für das deutsche Asylrecht –, dass durch die Grundrechte-Charta der hohe Grund-rechtsstandard der nationalen Verfassungen in kei- nem Fall gesenkt werden darf. Darauf haben wir uns be- reits verständigt. Warum also streiten wir im Zusammen- hang mit der Charta dann über diesen Punkt? Ein weiteres Thema, mit dem wir uns in den nächsten zwei Wochen im Konvent sehr intensiv beschäftigen wer- den, sind die sozialen Grundrechte. Wir hatten uns ei- gentlich darauf verständigt, klarzustellen: Es ist an der Zeit, die immer wieder beschworene Unteilbarkeit und Universalität der Menschenrechte auch dadurch zu doku- mentieren, dass – dem Auftrag von Köln entsprechend – die wirtschaftlichen und sozialen Grundrechte Eingang in die Charta finden. Warum streiten wir also darüber? Im Konvent besteht Einigkeit, dass durch die Grundrechte- Charta die Kompetenzen der EU-Organe nicht erweitert werden dürfen. Ich bin der Auffassung, wir sollten gemeinsam überle- gen, ob die bevorstehende Debatte im Konvent in Brüssel nicht auch von uns unterstützt werden sollte. Es ist offen- sichtlich, dass es Streit über die sozialen Grundrechte gibt. Wer wollte das in Abrede stellen? Es ist auch offensicht- lich, dass einige Länder großen Wert darauf legen, eine Vielzahl sozialer Grundrechte zu formulieren. Wir sind da- gegen der Auffassung – ich habe das eben als gemeinsa- me Auffassung dargestellt –, dass man nur Grundrechte formulieren sollte, die auch einklagbar sind. Deshalb wer- be ich um Unterstützung für den Versuch – den ich ge- meinsam mit dem Delegierten der französischen Regie- rung, Herrn Braibant, unternommen habe –, in dieser Frage einen Mittelweg zu finden. Roman Herzog hat, als die Debatten im Konvent sehr streitig ausgetragen wurden, die Mitglieder des Konvents ausdrücklich aufgefordert, einen solchen Mittelweg zu suchen. Dieser sollte auf drei Säulen beruhen. In die Präambel der Charta und in die Überschrift des Kapitels über die so- zialen Grundrechte sollte – als erste Säule – der Grundsatz der Solidarität festgeschrieben werden. Als zweite Säule sollten in acht Artikeln, gruppiert um die Elemente Arbeit, Gesundheit, Bildung und soziale Sicherheit, die Respek- tierung und der Schutz sozialer Grundrechte in die Charta aufgenommen werden. In der dritten Säule sollte deutlich gemacht werden: Es wird auch künftig Konventionen mit neuen – auch sozialen – Grundrechten geben. Diese sind, wenn alle Mitgliedstaaten zugestimmt haben, Grundlage der Auslegung und Anwendung der Charta. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 12. September 2000 11181 (C) (D) (A) (B) Um deutlich zu machen, dass wir uns eigentlich ver- ständigen könnten, will ich einmal die drei Sätze vorlesen, die Herr Braibant und ich in Bezug auf das Recht auf Ar- beit vorgeschlagen haben. Ich wüsste gerne, ob irgendje- mand in diesem Raum ist, der der folgenden Formulierung nicht zustimmen kann: Jeder hat das Recht zu arbeiten und das Recht auf Schutz seines Arbeitsplatzes. Insbesondere hat jeder das Recht, seinen Beruf frei zu wählen und auszu- üben, sowie das Recht auf freien Zugang zu unent- geltlicher Arbeitsvermittlung. Jeder hat Anspruch auf Schutz vor ungerechtfertigter oder missbräuchlicher Entlassung. Wer kann gegen ein so formuliertes soziales Grundrecht auf Arbeit sein? (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Ich habe gehört, dass die Debatte in der CDU/CSU- Fraktion letztlich deshalb zur Ablehnung einer gemeinsa- men Entschließung geführt hat, weil man sich über die Aufnahme eines kleinen Satzes nicht einig geworden ist. Wir haben im Entwurf der gemeinsamen Entschließung folgenden Satz vorgesehen: Die Charta soll klarstellen, dass gleichgeschlechtli- che Paare nicht benachteiligt werden dürfen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Was haben Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU-Fraktion, gegen diesen Satz? Mir ist schon klar, dass ich eigentlich diejenigen Ihrer Kollegen anspre- chen müsste, die nicht da sind. (Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Herr Altmaier wird das gleich in vernichtender Deut- lichkeit klarmachen!) Bezogen auf den von Ihnen kritisierten Satz darf ich Ih- nen in Erinnerung rufen, was Sie vor kurzem auf Ihrem Parteitag in Essen zu diesem Thema beschlossen haben und auch von Ihrer Vorsitzenden, Frau Merkel, sehr un- terstützt worden ist. Ich zitiere aus Ihrem Parteitagsbe- schluss: Wir respektieren die Entscheidung von Menschen, die in anderen Formen der Partnerschaft ihren Le- bensentwurf zu verwirklichen suchen. (Peter Hintze [CDU/CSU]: So ist es!) Wir anerkennen, dass auch in solchen Beziehungen Werte gelebt werden können, die für unsere Gesell- schaft grundlegend sind. Dies gilt für nicht eheliche Partnerschaften zwischen Frauen und Männern; dies gilt auch für gleichgeschlechtliche Partnerschaften. Wir werben für Toleranz und wenden uns gegen jede Form von Diskriminierung. (Beifall im ganzen Hause) Verehrte Kolleginnen und Kollegen, genau dies hatten wir für unsere gemeinsame Entschließung vorgesehen. (Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Schreiben Sie das in die Charta und wir stimmen zu!) Mir ist klar, dass Sie in Ihrer Fraktion dafür gekämpft haben, sich aber letztlich gegenüber Ihren CSU-Kollegen nicht durchsetzen konnten. Ich bitte Sie dringend, dieses Problem zu lösen und nicht zuzulassen, dass das, was Frau Merkel zu diesem Thema gesagt und durchgesetzt hat, von Herrn Stoiber wieder aus dem Gefecht gezogen wird. (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Wir stehen ja gar nicht im Gefecht! Nicht so martialisch!) Ich habe sehr genau beobachtet, dass Sie in unserer letz- ten Debatte am 18. Mai irritiert reagierten, als der CSU- Kollege Dr. Müller als ausdrückliche Bedingung für die Ratifizierung der Charta bezeichnete: Wir wollen keine Kompetenzausweitung, sondern er- warten Kompetenzbeschränkungen. Wie kann man so etwas von der Grundrechte-Charta, die sich mit der Kompetenzfrage bekanntlich nicht zu befas- sen hat, überhaupt erwarten? Kommen Sie zu einer ver- nünftigen Einigung mit den CSU-Kollegen in Ihrer Frak- tion! Wenn das geschehen ist, dann legen wir – das ist meine Überzeugung – wieder gemeinsame Entschließun- gen vor. Die Grundlage dafür ist breit genug. Lassen Sie uns gemeinsam feststellen: Es geht bei der Grundrechte-Charta um die Identität der Europäer, die ih- re Werteordnung, an die sie gebunden sind, deutlich ma- chen sollten. Genauso wichtig ist: Es geht um die Kon- trolle von Machtausübung durch die EU-Organe in Brüssel. (Sabine Leutheusser-Schnarrenberger [F.D.P.]: Das ist der Kern!) Dass wir dafür gemeinsam eintreten, sollte künftig wieder deutlicher werden, als es heute durch Mehrheitsentschei- dungen über einen Antrag der Koalition deutlich werden kann. Überlegen Sie bitte, ob Taktik nicht Übertaktieren bedeutet, wenn man die Taktik über die Sache stellt. Ich werde mich jedenfalls durch die Abstimmungen, die heute leider nicht im Konsens erfolgen werden, nicht davon abhalten lassen, auch mit den Europapolitikern der Oppositionsfraktionen, die für eine gemeinsame Ent- schließung gekämpft haben und denen es in erster Linie um die Sache und nicht um parteitaktischen Vorteil geht, weiter konstruktiv zusammenzuarbeiten. Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 12. September 200011182 (C) (D) (A) (B) Druck: MuK. Medien-und Kommunikations GmbH, Berlin
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. h.c. Gernot Erler


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Liebe Kolle-
    ginnen und Kollegen! Die Bundesregierung präsentiert
    sich bei dieser Haushaltsdebatte mit einer positiven Leis-
    tungsbilanz zur Halbzeit. Zu der hat auch die deutsche
    Außenpolitik, haben auch die Aktivitäten der Bundesre-
    gierung in der internationalen Politik beigetragen. Die Ba-
    sis dafür ist die gute Zusammenarbeit zwischen dem Aus-
    wärtigen Amt und dem Parlament, sind die koordinierten
    Aktivitäten von Regierung und Regierungsfraktionen,
    aber auch die im Kern derzeit nicht gefährdete Haltung
    eines Grundkonsenses zwischen allen Fraktionen in die-
    sem Raum.

    Herr Kollege Lamers, an diesem Eindruck haben Sie
    durch Ihre – entschuldigen Sie – etwas lustlos vorgetra-
    gene Kritik in kleiner Münze nichts ändern können. Der
    Grundkonsens wird nicht beschädigt, wenn Sie etwas zu
    Österreich sagen, ein bisschen zu etwas mehr Geld, wobei
    Sie wieder nicht sagen, woher es kommen soll, und dann
    noch das Thema Rüstungsexporte antippen.

    Lokomotive dieses Erfolges ist der Außenminister
    selbst. Das kann er nur durch die tüchtige Arbeit von vie-
    len tausend Mitarbeitern, im Hause wie auch im Ausland.
    Ich finde, dafür muss man auch einmal Dank und Aner-
    kennung in dieser Debatte aussprechen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Der Lohn ist – auch das scheint Ihnen entgangen zu sein,
    Herr Kollege Lamers – eine sehr breite, eine erstaunlich
    breite Zustimmung der Bevölkerung für die Außenpolitik
    und für den Außenminister.

    Im Gegensatz zu Ihnen stelle ich für die SPD-Bun-
    destagsfraktion fest, dass die rot-grüne Regierung die
    richtigen Prioritäten setzt. Es ist richtig, jetzt das Haupt-
    augenmerk – das haben wir gerade wieder gehört – auf
    den Erfolg bei den strukturellen Reformen und beim Ver-
    trag von Nizza zu legen, zugleich die Osterweiterung
    sorgfältig vorzubereiten und Frankreich bei seiner




    Karl Lamers

    11113


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    wahrscheinlich historischen Aufgabe im Rahmen der
    gegenwärtigen Präsidentschaft zu unterstützen. Herr
    Außenminister, wir freuen uns, dass Sie jetzt – dabei wer-
    den wir Sie unterstützen – mit guten Argumenten für die
    Osterweiterung noch mehr in die Öffentlichkeit gehen
    wollen.


    (Beifall des Abg. Gert Weisskirchen [Wiesloch] [SPD])


    Es ist unverzichtbar, bei den Bemühungen um eine Sta-
    bilisierung in Südosteuropa keinen Moment nachzu-
    lassen, neue Perspektiven auch im Sinne der europäischen
    Integration dieser Länder für diese Region zu schaffen
    und dafür die Möglichkeiten des von Deutschland
    angestoßenen Stabilitätspaktes voll zu nutzen. Es ist
    vernünftig – das ist eine weitere Priorität –, die Instrumen-
    te präventiver Politik zu erweitern und sie zum Beispiel
    intensiv in jener konfliktreichen Zone anzuwenden, die
    vom Nahen Osten über den Kaukasus bis hin zum Kaspi-
    schen Meer reicht. Hier geht es um die nächsten Be-
    währungsproben einer vorausschauenden Friedenspoli-
    tik. Deshalb wollen wir, dass Barak und Arafat zu einer
    Friedenslösung kommen. Deshalb wollen wir nicht nur,
    dass im Kaukasus die Kampfhandlungen auslaufen, son-
    dern auch, dass dort Konzepte einer politischen Stabilität
    für die ganze Region Raum greifen.


    (Beifall des Abg. Gert Weisskirchen [Wiesloch] [SPD])


    Deshalb wollen wir, dass soziale, wirtschaftliche und po-
    litische Dämme gegen eine Ausbreitung des gewaltberei-
    ten islamischen Fundamentalismus in Zentralasien und in
    der kaspischen Region errichtet werden.

    Es ist gut, dass der Bundeskanzler in New York die
    deutsche Unterstützung für eine handlungsfähige Welt-
    organisation zum Ausdruck gebracht hat. Der deutsche
    Beitrag zur Stärkung der Vereinten Nationen ist aus der
    Sicht der SPD-Bundestagsfraktion noch ein bisschen
    wichtiger als der Titel „Weltstaatsmann“, den der Bun-
    deskanzler mitgebracht hat und zu dem wir ihm gleich-
    wohl herzlich gratulieren.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Es ist notwendig, dass wir die Arbeit der Weltorganisa-
    tion durch Beiträge zu einer gerechteren Weltwirtschafts-
    ordnung erleichtern. Wir begrüßen ausdrücklich, dass der
    Bundeskanzler eine deutsche Beteiligung an Kofi Annans
    Initiative angekündigt hat, die Zahl der Menschen, die am
    stärksten in Armut leben, weltweit bis zum Jahr 2015 zu
    halbieren. Das ist die vernünftige Fortsetzung der Kölner
    Entschuldungsinitiative, die eine Erweiterung auf dem
    G8-Gipfel in Okinawa erfahren hat.

    Aus aktuellem Anlass füge ich, besonders an die rechte
    Seite des Hauses gerichtet, hinzu: Es kann nicht angehen,
    dass wir die Explosion der Rohölpreise auf dem Welt-
    markt nur durch die Brille des deutschen Verbrauchers an
    der Zapfsäule betrachten, anstatt uns auch um die Exis-
    tenzgefährdung von Millionen von Menschen zu küm-
    mern, die ein Dauerhochpreis für Brennstoffe auslöst.


    (Beifall bei der SPD – Walter Hirche [F.D.P.]: Wir nehmen viermal so viel Steuern pro Liter wie die Förderländer!)


    – Hier handeln Sie schon wieder mit kleiner Münze.

    (Walter Hirche [F.D.P.]: Es geht schon um Entwicklung!)

    Schließlich nenne ich den letzten Punkt der Prioritäten:

    Inzwischen ist unbestritten, dass die Entscheidung über
    das Holocaust-Denkmal, unsere Beschlüsse zum Zwangs-
    arbeiterabkommen und die Art, wie sich die Deutschen
    mit dem Rechtsradikalismus im eigenen Land auseinan-
    der setzen, eine internationale und kaum zu überschät-
    zende Wirkung und Bedeutung haben. Aber besonders im
    Hinblick auf den Kampf gegen den Rechtsradikalismus
    wäre es fatal, diese Aufgabe auf eine Standortfrage zu re-
    duzieren. Gerhard Schröder hat bei seiner Rede vor den
    deutschen Botschafterinnen und Botschaftern am 4. Sep-
    tember, die eben schon zitiert wurde, hierzu eine gute Po-
    sition formuliert, die ich zitieren möchte:

    Ausländerfeindlichkeit und neonazistische Gewalt
    werden wir in Deutschland nicht dulden. Hierzu ver-
    pflichten uns nicht nur historische Gründe. Es geht
    auch nicht allein um den Ruf unseres Landes im Aus-
    land, um Investoren aus dem Ausland oder dringend
    benötigte Spitzenkräfte für Wirtschaft und Wissen-
    schaft. Nein, es geht um ein elementares Prinzip un-
    serer Demokratie. Wir dürfen nicht an den Grund-
    werten unserer Gesellschaft rütteln lassen. Wenn
    Grundrechte wie Menschenwürde und körperliche
    Unversehrtheit nicht für alle Bürger, also auch für
    die ausländischen Mitbürger, gleichermaßen gelten,
    dann ist unsere Werteordnung in ihrem Keim gefähr-
    det.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Das ist eine hervorragende Position, die ich von unserer
    Seite ausdrücklich unterstütze.

    Meine Damen und Herren, Deutschland ist heute ein
    verlässlicher und anerkannter Partner in der interna-
    tionalen Politik. Für die Bürger der Hauptstadt wurde
    das zuletzt sichtbar in den großen Staatsbesuchen von
    Clinton, Blair, Chirac, Putin, Zhu Rongji, Khatami und
    vielen anderen.

    Manchmal kann Ansehen und Einfluss des Heimatlan-
    des auch für einen einzelnen Bürger Bedeutung bekom-
    men. Wir freuen uns, dass die Bemühungen der Bundes-
    regierung um die Freilassung der Familie Wallert zum
    Schluss von Erfolg gekrönt wurden. Wir danken allen
    daran Beteiligten und auch der Republik Libyen für ihre
    Unterstützung. Ich finde, dass ebenfalls die Familie
    Wallert selbst, die unter größter Belastung ein Höchstmaß
    an Übersicht und Selbstkontrolle bewahrt hat, hier Dank
    und Anerkennung verdient.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)


    Die SPD-Bundestagsfraktion unterstützt die Bundesre-
    gierung in allen Hauptaufgaben der internationalen Poli-
    tik, setzt selbst aber auch eigene Schwerpunkte. In dieser




    Gernot Erler
    11114


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    Haushaltsdebatte haben wir die drei wichtigsten zu nen-
    nen: Besondere Prioritäten haben für uns die erfolgreiche
    Umsetzung des Stabilitätspaktes für Südosteuropa, die
    parlamentarische Begleitung der Entwicklung einer Ge-
    meinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der Europä-
    ischen Union, der so genannten GASP, und eine eigene
    Initiative zur öffentlichen Information und Argumenta-
    tion in Sachen Osterweiterung der EU. Einzelheiten hi-
    erzu wird nachher mein Kollege Günter Gloser vortragen.

    Der Stabilitätspakt ist und bleibt der große Test für die
    Fähigkeit Europas zu einer langfristigen, auf Inklusion
    und Kooperation abzielenden präventiven Friedenspoli-
    tik. Der EU-Sonderbeauftragte Bodo Hombach leistet
    – das ist längst europaweit anerkannt – mit einem erstaun-
    lich kleinen Team eine erstaunlich umfangreiche und
    wirksame Arbeit.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Die SPD-Bundestagsfraktion unterstützt und begleitet
    diese Arbeit durch eine spezielle Arbeitseinheit. Wir ha-
    ben den Anstoß dazu gegeben, in das vielgliedrige Ge-
    bäude des Stabilitätspakts auch ein parlamentarisches
    Stockwerk einzuziehen, unter anderem durch die Organi-
    sation und Durchführung von zwei Parlamentarierkonfe-
    renzen: die erste im Oktober letzten Jahres in Berlin und
    die zweite im Juni dieses Jahres in Dubrovnik.

    Wir freuen uns, dass unser Staffelstab inzwischen auch
    von anderer Seite aufgenommen wurde. Gerade heute und
    morgen findet in Zagreb ein Gipfel aller Parlamentspräsi-
    denten der Stabilitätspaktstaaten statt, an dem unter an-
    derem Vizepräsidentin Antje Vollmer und die Kollegin
    Uta Zapf teilnehmen. Wir erwarten von diesem Gipfel
    weitere Anstöße für die notwendige parlamentarische Di-
    mension des Stabilitätspakts.

    Im Zuge der Haushaltsdebatte möchte ich in Sachen
    Stabilitätspakt eine sehr klare Erwartung zum Ausdruck
    bringen: Die Bundesrepublik hat mit der Ankündigung
    Eindruck gemacht, 1,2 Milliarden DM in vier Jahren zur
    Verfügung zu stellen, und dieser wichtige Beitrag darf auf
    keinen Fall in Frage gestellt werden,


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


    und zwar weder durch eine Reduzierung der 1,2 Milliar-
    den DM noch durch eine zu weit greifende Streckung
    noch durch eine Verwendung für andere Projekte als für
    die des Stabilitätspaktes.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


    Ich kündige an, dass meine Fraktion hier sehr energische
    Initiativen ergreifen wird, um diese drei Punkte sicherzu-
    stellen und damit jeden Zweifel an dem für uns wichtigen
    Punkt, Erfolg des Stabilitätspakts, im Keim zu ersticken.

    Bei dem zweiten wichtigen Schwerpunkt, GASP, geht
    es meiner Fraktion ebenfalls um die Rolle des Parlaments

    bei einer solchen fundamentalen Weiterentwicklung Eu-
    ropas. Unerwartet schnell hat sich im letzten Jahr der
    Hohe Repräsentant Javier Solana eine eigene Stellung
    aufgebaut; zudem existieren inzwischen in der Umset-
    zung der Beschlüsse von Helsinki ein ganzes Bündel von
    neuen Institutionen der GASP, und zwar sowohl militäri-
    sche als auch nicht militärische. Wir haben Gespräche mit
    allen unseren Schwesterparteien und mit Herrn Solana in
    Brüssel geführt und dabei festgestellt: Es wird noch ein
    langer Weg sein, bis die verschiedenen Kulturen bei der
    Aufgabe von Souveränitätsrechten zusammenkommen
    werden.

    Uns ist hierbei besonders wichtig, dass nicht militäri-
    sche Initiativen und Institutionen nicht zurückbleiben.
    Dies bedeutet die Verstärkung der präventiven Fähig-
    keiten im Rahmen der GASP. Unsere Fraktion wird hierzu
    im Herbst einen ausführlichen Bericht vorlegen.

    Es gibt einen Schwerpunkt bei dem Aufbau präventiver
    Fähigkeiten und der muss sich auch in Haushaltsentschei-
    dungen niederschlagen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Nach meiner Meinung verträgt sich eine Kürzung um
    20 Millionen DM in diesem Bereich nicht mit der ange-
    sprochenen Prioritätensetzung. Auch hier werden wir uns
    kräftig einsetzen, um eine Korrektur zu erreichen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Ich habe schon darauf hingewiesen, dass der Kollege
    Gloser etwas zu dem dritten Schwerpunkt, nämlich zu der
    EU-Erweiterung, vortragen wird. Deshalb kann ich mir
    meine Ausführungen hierzu sparen. Ich möchte nur so viel
    sagen: Mit einem Teil seiner Initiative – diesen akzep-
    tieren wir alle in der SPD – hat Günter Verheugen offene
    Türen eingerannt, nämlich als er die politischen Eliten
    aufgefordert hat, aktiver auch mit den berechtigten,
    nachvollziehbaren und beantwortbaren Sorgen der Bürger
    umzugehen. Wir haben schon vor seinem Appell unsere
    Entscheidung getroffen und eine Art Gesamtkonzept zu
    diesem Bereich vorbereitet.

    Mein Fazit ist: Es bekommt diesem Land gut, wenn der
    nationale und internationale Grundkonsens gewahrt
    bleibt. Herr Kollege Lamers, ich möchte betonen: Ich
    habe Ihren Ausführungen nicht entnehmen können, dass
    die CDU/CSU diesen Pfad verlassen möchte. Wir sind
    bereit, den Grundkonsens in den wichtigen Fragen auf-
    rechtzuerhalten und auszubauen und zugleich für eine
    breite Zustimmung der Öffentlichkeit und der Bürgerin-
    nen und Bürger unseres Landes hierfür zu sorgen. Wir
    können im Augenblick über das Ausmaß des Grundkon-
    senses hinsichtlich der Außenpolitik dieser Regierung
    froh sein. Dass dies deutliche eigene Schwerpunkt- und
    Akzentsetzungen der größeren Regierungspartei nicht
    ausschließt, habe ich versucht darzulegen.

    Ich danke Ihnen, dass Sie mir zugehört haben.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)





    Gernot Erler

    11115


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)




Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nächster Redner ist
der Kollege Dr. Werner Hoyer für die F.D.P.-Fraktion.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Werner Hoyer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (F.D.P.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Frau Präsidentin! Liebe
    Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte meine Rede mit
    einem Dank an Bundesminister Fischer beginnen. Er hat
    zu Recht darauf hingewiesen, dass heute vor zehn Jahren
    ein überaus wichtiger Vertrag zustande gekommen ist. Ich
    weiß es zu schätzen, dass Sie die Rolle vieler gewürdigt
    haben, die daran beteiligt waren, insbesondere die von
    Hans-Dietrich Genscher und von Markus Meckel. Es war
    angemessen, dass Sie das hier getan haben.


    (Beifall bei der F.D.P., der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Ich hätte mir gewünscht – das sage ich, damit das
    Ganze nicht zu freundlich wird –, Sie hätten auf die Frage,
    die Ihnen mehrfach aus dem Saal entgegengeschallt ist,
    konkret geantwortet: Was macht er denn jetzt? Hebt er
    nun die Sanktionen gegen Österreich auf oder nicht?
    Ihr Kollege, der dänische Außenminister Niels Helveg
    Petersen, hat klar gesagt: Heute, innerhalb weniger Stun-
    den, werden die Sanktionen aufgehoben. Punkt, aus! Eine
    solche Antwort haben wir heute auch vom deutschen
    Außenminister erwartet.


    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Die Aufhebung der Sanktionen gegen Österreich ist für
    den dänischen Außenminister natürlich außerordentlich
    wichtig; denn in Dänemark steht das Referendum über
    den Euro an. Ich fürchte, dort ist schon ein großer Scha-
    den entstanden. „Jyllands-Posten“, eine der großen däni-
    schen Zeitungen, schreibt in der heutigen Ausgabe:

    Der Schaden für die Jaseite
    – also für diejenigen, die den Beitritt Dänemarks zur
    Euro-Zone befürworten –

    ist geschehen. Ein eklatantes Fiasko, das auf Monate
    die dänische EU-Debatte vergiftet hat, war diese
    Entscheidung gegen Österreich.

    Wenn der Bundeshaushalt das in Zahlen gegossene
    Regierungsprogramm einer Bundesregierung ist, wie es
    die Finanzwissenschaft auszudrücken pflegt, dann ist der
    Entwurf des Einzelplans 05, nämlich der für das Auswär-
    tige Amt, eine Bankrotterklärung für die deutsche Außen-
    politik. Er entbehrt jeglicher Prioritätensetzung und lässt
    keine ernsthafte Auseinandersetzung mit den veränderten
    und gestiegenen Herausforderungen an die Rolle
    Deutschlands in der Welt erkennen. Damit steht er – das
    ist wichtig – in krassem Kontrast zur Rhetorik des Außen-
    ministers anlässlich der Botschafterkonferenz und der des
    Bundeskanzlers bzw. – wie hieß das noch? – des „World
    Statesman“ anlässlich der Tagung der Vereinten Nationen
    letzte Woche in New York. Deshalb ist der Einzelplan 05
    eine tiefe Enttäuschung für die Angehörigen des auswär-
    tigen Dienstes im In- und Ausland. Sie erwarten von einer
    Botschafterkonferenz mehr als von einem erweiterten
    Jahrgangstreffen. Sie erwarten nicht nur inhaltliche Per-
    spektiven. In dieser Hinsicht sind sie ja schon zur Genüge
    enttäuscht worden. Sie erwarten vielmehr auch Perspek-
    tiven für ihren Dienst, und zwar nicht nur für die Ziele und

    für den Instrumentenkasten deutscher Außenpolitik, son-
    dern auch für die Mittel, mit denen die Diplomatie der
    Politik helfen soll, ihre Ziele zu erreichen.

    Der deutsche auswärtige Dienst habe hinsichtlich der
    Kürzungsmöglichkeiten das Ende der Fahnenstange er-
    reicht, so Joseph Fischer letzte Woche. Das habe ich schon
    vor Jahren gehört.


    (Dr. Helmut Lippelt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Von Ihrem Außenminister!)


    Aber noch nie habe ich so wenige Anstrengungen er-
    kennen können, daraus die Konsequenzen zu ziehen, wie
    bei diesem Minister.


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Um es auf eine kurze Formel zu bringen: Minister
    Fischer kämpft nicht für den Stellenwert deutscher und in-
    ternationaler Politik und er kämpft nicht für sein Haus. Er
    kämpft nicht für dessen Fähigkeit, den gewachsenen He-
    rausforderungen mit den Mitteln einer Diplomatie gerecht
    zu werden, die auf diese Herausforderungen auch vorbe-
    reitet sein muss. Er gefällt sich darin, mit sorgenzerfurch-
    ter Stirn den globalgalaktischen Diskurs zu führen und die
    zusätzlichen Herausforderungen zu beschreiben.


    (Gernot Erler [SPD]: Komisch, dass er so erfolgreich ist!)


    Gleichzeitig gefällt er sich darin, die Platte vom solida-
    rischen Beitrag des Auswärtigen Amtes zur Haushalts-
    konsolidierung aufzulegen. Das passt nicht zusammen.


    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Wir brauchen – hier nehme ich die Anregung des Kol-

    legen Lamers gerne auf – in Deutschland eine Debatte
    über unsere Rolle in der Welt, über internationale Politik,
    über internationale Wirtschaftsbeziehungen, über kultu-
    rellen Austausch, über alle Dimensionen von Globalisie-
    rung und darüber, was uns das eigentlich Wert ist. Des-
    wegen wäre in Anlehnung an die britische Royal
    Commission eine Gruppe, die sich darüber grundsätzlich
    mit langfristiger PerspektiveGedanken macht, eine gute
    Idee.


    (Beifall bei der F.D.P.)

    Alle reden von Globalisierung, nur die deutsche Po-

    litik wird immer provinzieller. Wer, wenn nicht der
    Außenminister, müsste dagegen eigentlich Sturm laufen?
    Aber weit gefehlt: Mit Ausnahme seiner als Privatmann
    gehaltenen Europarede sind von Minister Fischer keine
    konzeptionellen Überlegungen zu zentralen Fragen der
    Außenpolitik zu hören gewesen. Diese Rede bestach eher
    durch die Tatsache, dass sie gehalten wurde, als durch
    ihren Inhalt im Detail.

    Der deutsche auswärtige Dienst ist heute kleiner als der
    der alten Bundesrepublik vor der Wende. Allein im
    Rechts- und Konsularbereich haben sich die Aufgaben
    vervielfacht. Das hat jetzt auch der Minister begriffen. In
    einem Brief vom 1. September schreibt der Bundesminis-
    ter an die Berichterstatter für den Haushalt des Auswärti-
    gen Amtes, wie sehr es im Visumsbereich brummt, und






    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    bittet, man möge doch dafür sorgen, dass die Rechts- und
    Konsularabteilungen der Auslandsvertretungen von den
    zu erwartenden pauschalen Stellenkürzungen ausgenom-
    men werden. So viel Chuzpe ist schon stark. Genau die-
    sen Antrag hat die F.D.P. für den Haushalt 1999 und den
    Haushalt 2000 gestellt, sogar als Gesetzesantrag einge-
    bracht. Er ist jedes Mal von Ihnen abgelehnt worden.
    Wenn Sie diesmal mitmachen wollen, sind Sie herzlich
    eingeladen. Sie können sicher sein, dass dieser Antrag von
    uns wieder gestellt wird. Kämpfen Sie also endlich für
    Ihren Haushalt! Kämpfen Sie für den Auswärtigen Dienst,
    nicht mit uns, sondern bitte mit dem Finanzminister.


    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Die Schwachstellen dieser Regierung sind nicht nur in

    den haushaltstechnischen Punkten zu sehen, sondern auch
    bei den Inhalten. Bei dem Thema Menschenrechte sind
    die Grünen als Tiger gestartet. Inzwischen ist ihr Außen-
    minister als Bettvorleger gelandet. Der Stellenwert der
    humanitären Hilfe im Regierungsentwurf ist erbärmlich.
    Das, was zum Thema OSZE und zum Stabilitätspakt an-
    gemerkt worden ist, wird von mir unterstützt. Auch hier
    gibt es erhebliche Schwachstellen im Haushalt. Wir wer-
    den bei den Beratungen darauf zurückkommen.


    (Christian Schmidt [Fürth] [CDU/CSU]: Wir können die Präsidentin der OSZE einmal einladen!)


    Der angekündigte Aufschwung in der auswärtigen
    Kulturpolitik findet nicht statt. Im Gegenteil. Um nur ein
    Beispiel zu nennen, über das viel zu wenig gesprochen
    wird: Viele deutsche Auslandsschulen sind, obwohl sie
    von überragender Bedeutung sind, akut von Schließung
    bedroht.


    (Uta Titze-Stecher [SPD]: Das ist nicht wahr!)

    Die Führungsrolle Deutschlands bei der für uns und

    unserer wirtschaftlichen, politischen und insbesondere si-
    cherheitspolitischen Interessen so wichtigen Osterweite-
    rung der EU wird zunehmend weniger erkennbar. Deut-
    sche Initiativen zur Überwindung der Blockade in der
    Regierungskonferenz zur institutionellen Reform der EU
    sind nicht in Sicht.

    Man könnte das noch lange fortsetzen, zum Beispiel im
    Hinblick auf die Außenwirtschaftspolitik. Hier reihen sich
    der Bundeswirtschaftsminister und der Bundesaußenmi-
    nister in dieselbe Phalanx ein. Sie tun beide nichts dafür.
    Ich finde es schon erstaunlich, Herr Bundesaußenminis-
    ter, dass Sie bei den vielen Gelegenheiten, die es in den
    letzten Monaten gegeben hätte, nicht ein einziges Mal ei-
    nen der Gäste auf der EXPO empfangen haben.


    (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Vollends wirr, meine Damen und Herren, wird es aber

    bei der Balkanpolitik und der Rüstungsexportpolitik. In
    der Balkanpolitik haben Sie wahrscheinlich einen Preis
    dafür zahlen müssen, dass Sie am Anfang Ihrer Amtszeit
    bei einer nuklearstrategischen Frage schief gelegen ha-
    ben, und hinterher nicht mehr aufmucken konnten, wenn
    andere Fehler gemacht haben. Das ist zum Beispiel bei der

    bedenklichen Entscheidung über die Zielauswahl der Fall
    gewesen mit dem Ergebnis unnötiger Zwangssolidarisie-
    rung des serbischen Volkes mit seinem Diktator. Früher
    hätten Sie, Herr Fischer, gesagt: Der deutsche Außenmi-
    nister organisiert die Abdankung der Politik gegenüber
    dem Militär.

    Vollends wirr wird es in der Rüstungsexportpolitik.
    Da wird erst in einem großen Kraftakt einem NATO-Mit-
    glied der Kandidatenstatus für die EU verschafft, einer
    politischen Union, die sich auf Rechtsstaatlichkeit, De-
    mokratie und Menschenrechte festgelegt hat. Als Nächs-
    tes wird diesem NATO-Partner ein Spitzenprodukt deut-
    scher Rüstungstechnologie zum Ausprobieren geliefert.
    Jetzt, wo sie das Ding ganz gerne hätten, und zwar gleich
    1 000 Stück, wird das mit dem Hinweis auf die Men-
    schenrechtssituation abgelehnt. Das geschieht, obwohl
    die militärische Stärkung der Südostflanke der NATO ein
    von der Bundesregierung abgesegnetes Ziel des Bündnis-
    ses ist, bei dem die Leoparden helfen könnten. Um noch
    eines draufzusetzen, wird die Lieferung einer Munitions-
    fabrik an die Türkei genehmigt. Zum Beispiel sind Ge-
    wehrkugeln in den kurdischen Bergschluchten menschen-
    rechtspolitisch offenbar weniger brisant als Panzer. Diese
    Logik schmerzt.


    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Die gleiche Story könnte ich Ihnen über die Lieferung ei-
    ner MOX-Anlage nach Russland erzählen. Auch hierbei
    sind die Widersprüche evident.

    Ich denke, man muss Verständnis für die Frage haben,
    die in der vergangenen Woche in der Zeitschrift „Die Wo-
    che“ gestellt worden ist, ob nämlich „der Eindruck eines
    radikalen Wandels nicht bloß ein oberflächlicher Befund
    ist. Ob Fischers Programm nicht schon immer das war, als
    was es heute kenntlich wird: Fischer. Ein Machtmensch,
    der sich beim Drang nach oben wechselnden Milieus an-
    passt, Abhängige und Bewunderer um sich schart und al-
    lein das tut, was ihm nützt.“

    Zum Schluss möchte ich ein Wort zum Thema Öster-
    reich sagen.