Rede:
ID1411602500

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 10
    1. der: 2
    2. Alsnächster: 1
    3. Redner: 1
    4. hat: 1
    5. das: 1
    6. Wort: 1
    7. Kollege: 1
    8. Peter: 1
    9. Rauenvon: 1
    10. CDU/CSU-Fraktion.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Nachruf auf die Abgeordnete Ilse Schumann 11059 A Nachruf auf den Alterspräsidenten des Deut- schen Bundestages Fred Gebhardt . . . . . . . . 11059 B Eintritt der Abgeordneten Pia Maier und Ulrich Kelber in den Deutschen Bundestag . 11059 C Nachträgliche Glückwünsche zum Geburtstag der Abgeordneten Dr. Norbert Blüm, Wolfgang Weiermann, Dr. Peter Danckert, Dr. Manfred Lischewski und Rudolf Bindig 11059 D Absetzung des Tagesordnungspunktes: Erste Beratung des Gesetzentwurfes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes . . . . . . . . . . . . . 11059 D Tagesordnungspunkt 1 a) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bun- deshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2001 (Haushaltsgesetz 2001) (Drucksache 14/4000) . . . . . . . . . . . . . 11059 D b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Finanzplan des Bundes 2000 bis 2004 (Drucksache 14/4001) . . . . . . . . . . . . . 11060 A Hans Eichel, Bundesminister BMF . . . . . . . . 11060 A Dietrich Austermann CDU/CSU . . . . . . . . . . 11068 A Joachim Poß SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11072 D Dr. Günter Rexrodt F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . 11076 D Oswald Metzger BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11081 B Dr. Barbara Höll PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11085 A Hans Georg Wagner SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 11086 D Ernst Hinsken CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 11088 A Jürgen Koppelin F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . 11089 D Peter Rauen CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 11091 B Antje Hermenau BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11094 D Jürgen Koppelin F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . 11096 C Dr. Uwe-Jens Rössel PDS . . . . . . . . . . . . . . . 11097 B Jörg-Otto Spiller SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11098 D Bartholomäus Kalb CDU/CSU . . . . . . . . . . . 11101 D Hans-Eberhard Urbaniak SPD . . . . . . . . . . . . 11103 D Bartholomäus Kalb CDU/CSU . . . . . . . . . 11104 D Susanne Jaffke CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 11105 C Einzelplan 05 Auswärtiges Amt Joseph Fischer, Bundesminister AA . . . . . . . . 11107 B Karl Lamers CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 11111 A Gernot Erler SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11113 C Dr. Werner Hoyer F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . 11116 A Wolfgang Gehrcke PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 11118 A Gert Weisskirchen (Wiesloch) SPD . . . . . . . . 11119 A Peter Hintze CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 11121 A Gernot Erler SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11122 B Dr. Helmut Lippelt BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11124 B Dr. Helmut Haussmann F.D.P. . . . . . . . . . . . . 11126 B Uwe Hiksch PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11127 B Dr. Christoph Zöpel, Staatsminister AA . . . . 11128 B Plenarprotokoll 14/116 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 116. Sitzung Berlin, Dienstag, den 12. September 2000 I n h a l t : Ulrich Irmer F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11128 D Peter Hintze CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 11130 C Dr. Christoph Zöpel, Staatsminister AA . . . . 11130 D Christian Schmidt (Fürth) CDU/CSU . . . . . . 11131 A Günter Gloser SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11133 A Einzelplan 17 Bundesministerium für Familie, Senio- ren, Frauen und Jugend Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11135 A Dr. Ilja Seifert PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11138 C Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11139 A Dr. Maria Böhmer CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 11139 B Irmingard Schewe-Gerigk BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11141 D Ina Lenke F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11143 D Petra Bläss PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11145 D Hildegard Wester SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11147 A Ina Lenke F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11148 D Maria Eichhorn CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 11149 B Christian Simmert BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11151 B Dr. Ilja Seifert PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11152 B Klaus Haupt F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11153 C Christel Hanewinckel SPD . . . . . . . . . . . . . . . 11154 C Manfred Kolbe CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 11156 C Einzelplan 15 Bundesministerium für Gesundheit Andrea Fischer, Bundesministerin BMG . . . . 11159 A Wolfgang Lohmann (Lüdenscheid) CDU/CSU 11161 B Eckhart Lewering SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11163 D Dr. Ilja Seifert PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11165 A Dr. Dieter Thomae F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . 11165 C Dr. Ruth Fuchs PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11166 D Dr. Martin Pfaff SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11167 D Aribert Wolf CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 11171 C Klaus Kirschner SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 11172 A Monika Knoche BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11174 A Aribert Wolf CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 11175 A Ulf Fink CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11175 D Dr. Ilja Seifert PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11177 B Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11178 C Berichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11178 A Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 11179 A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Peter Letzgus (CDU/CSU) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Errich- tung einer Stiftung „Erinnerung, Verantwor- tung und Zukunft“ (114. Sitzung, Tagesord- nungspunkt 7 a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11179 C Anlage 3 Neudruck einer zu Protokoll gegebenen Rede zur Beratung des Antrags: Vererblichkeit von Bodenreformeigentum (105. Sitzung) . . . . . . 11179 D Anlage 4 Technisch bedingter Neudruck eines Rede- beitrages (115. Sitzung) . . . . . . . . . . . . . . . . . 11180 C Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 12. September 2000II Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 12. September 2000
  • folderAnlagen
    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 12. September 2000 Dr. Ilja Seifert 11178 (C) (D) (A) (B) Berichtigung 114. Sitzung, Seite IV; Rednerliste zu Zusatztagesordnungspunkt 7, statt „Dr. Heinrich Fink (PDS)“ ist „Ulf Fink (CDU/CSU)“ zu lesen. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 12. September 2000 11179 (C) (D) (A) (B) Altmaier, Peter CDU/CSU 12.09.2000 Behrendt, Wolfgang SPD 12.09.2000* Brudlewsky, Monika CDU/CSU 12.09.2000 Bühler (Bruchsal), CDU/CSU 12.09.2000* Klaus Dr. Eid, Uschi BÜNDNIS 90/ 12.09.2000 DIE GRÜNEN Elser, Marga SPD 12.09.2000 Frick, Gisela F.D.P. 12.09.2000 Hauer, Nina SPD 12.09.2000 Heyne, Kristin BÜNDNIS 90/ 12.09.2000 DIE GRÜNEN Hörster, Joachim CDU/CSU 12.09.2000 Hoffmann (Chemnitz), SPD 12.09.2000 Jelena Dr. Hornhues, CDU/CSU 12.09.2000* Karl-Heinz Marquardt, Angela PDS 12.09.2000 Dr. Meyer (Ulm), SPD 12.09.2000 Jürgen Dr. Protzner, Bernd CDU/CSU 12.09.2000 Rauber, Helmut CDU/CSU 12.09.2000 Rupprecht, Marlene SPD 12.09.2000 Scheffler, Siegfried SPD 12.09.2000 Dr. Vollmer, Antje BÜNDNIS 90/ 12.09.2000 DIE GRÜNEN Zapf, Uta SPD 12.09.2000 * für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Peter Letzgus (CDU/CSU) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Errichtung einer Stiftung „Erinnerung, Ver- antwortung und Zukunft“ (Drucksachen 14/3206 und 14/3459) (114. Sitzung, Tagesordnungspunkt 7 a) Die NS-Herrschaft hat vielen Menschen großes Leid zugefügt. Zwangsarbeiter wurden deportiert, inhaftiert und ausgebeutet. Deutsche Unternehmen, die an diesem Unrecht betei- ligt waren, tragen eine hohe Verantwortung. Ihre Bereitschaft zur finanziellen Wiedergutmachung begrüße ich. Da in den Verhandlungen jedoch keine optimale Rechtssicherheit erzielt werden konnte, gehe ich davon aus, dass weitere Forderungen an Deutschland und deut- sche Unternehmen gestellt werden. Der Zwangsarbeiter- fonds wird kein finanzieller Schlussstrich werden. Ich bin nicht damit einverstanden, dass einige Opfer- gruppen, an die bisher bereits Entschädigungsleistungen gezahlt wurden, gegenüber anderen Opfergruppen privi- legiert werden, obwohl Letztere einem gleich schweren Schicksal ausgesetzt waren. Die Diskussion um Zwangsarbeit hat auch viele Deut- sche, die ähnliche Schicksale zu erdulden hatten (darunter auch meine Mutter), in ihrem Gerechtigkeitssinn getrof- fen. Lösungen zur Wiedergutmachung für diese Menschen sind weder in der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ noch an anderer Stelle vorgesehen. Ich stimme dem Gesetzentwurf nicht zu. Anlage 3 Neudruck einer zu Protokoll gegebenen Rede zurBeratung des Antrags: Vererblichkeit von Bo- denreformeigentum (105. Sitzung, Seite 9916 D) Steffi Lemke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Wir ha- ben den Antrag der PDS-Fraktion zum Thema „Ver- erblichkeit von Bodenreformeigentum“, Drucksache 14/1063, bereits vor einem Jahr, am 24. Juni 1999, an die- ser Stelle behandelt. Gegenstand der heutigen Debatte ist die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Angele- genheiten der neuen Länder vom 16. Dezember 1999 zu dieser Thematik. Die mit dem Zweiten Vermögensrechtsänderungs- gesetz 1992 in das EGBGB eingefügten Regelungen des Art. 233, §§ 11 bis 16 waren und sind die notwendigen Konsequenzen aus unregelmäßiger Rechtsanwendung in der ehemaligen DDR. Die Quelle der Ungerechtigkeit müssen Sie dort verorten, werte Kolleginnen und Kollegen von der PDS, und für diesen Zustand tragen Sie ein Stück Mitverantwortung. Der Bundesgesetzgeber hat sich 1992 aus gutem Grund für die so genannte Nachzeichnungsregelung entschieden. Nur so konnte eine Gleichbehandlung aller Erben von Bo- denreformland erreicht werden. Es ging dabei nicht nur darum, eine formale Rege- lungslücke zu schließen; es ging vielmehr darum, eine Gleichbehandlung zu erreichen, und zwar zwischen den- jenigen Neubauern-Erben, die bereits zu DDR-Zeiten ihr Bodenreformgrundstück verloren hatten, weil die zustän- digen Behörden die Besitzwechselvorschriften konse- quent angewandt haben, und denjenigen Personen, bei denen die Behörden aufgrund der praktischen Bedeu- tungslosigkeit des Privateigentums an Grund und Boden eine konsequente Löschung im Grundbuch vernachlässigt haben. Es geht also im Kern um die Frage: Welche Lösung hat der bundesdeutsche Gesetzgeber, welche Lösung hat die- ses Parlament gewählt, um ein inkonsistentes und will- kürliches Handeln der DDR-Behörden im Nachhinein unter Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes zu korrigieren? Unter diesen Vorbedingungen war die Nachzeich- nungsregelung der einzig gangbare Weg. Man kann die Nachzeichnungsregelung mit der einfachen Formel ver- anschaulichen: Kein Neubauern-Erbe soll dadurch be- nachteiligt sein, dass die DDR-Behörden die Besitzwech- selvorschriften konsequent umgesetzt haben, bzw. umgekehrt: Kein Neubauer-Erbe soll dadurch einen Vor- teil gewinnen, dass die DDR-Behörden die Besitzwech- selvorschriften nachlässig angewendet haben. Es ging hier also darum, den durch die Willkür der DDR-Behörden entstandenen Zustand nach dem Gleichbehandlungs- grundsatz aufzulösen. Dies war nur über die Nachzeich- nungsregelung möglich, mit der das Kriterium der Zutei- lungsfähigkeit in das bundesdeutsche Recht eingefügt wurde. Der Bundesgerichtshof hat in seinen Urteilen vom De- zember 1998 zwar anerkannt, dass eine grundsätzliche Vererbbarkeit von Bodenreformland in der DDR gegeben war – aber er ist nicht so weit gegangen, daraus einen Än- derungsbedarf beim geltenden Recht abzuleiten. Vielmehr gilt nach wie vor die Definition der Zuteilungsfähigkeit, die der BGH mit seinem Urteil vom 18. Juli 1997 gegeben hat. Danach ist zuteilungsfähig im Wesentlichen nur der- jenige Erbe, der am 15. März 1990 in der Landwirtschaft tätig war. Inzwischen sind zehn Jahre vergangen, und die Länder haben mit unterschiedlichem Nachdruck die Überprüfung der Grundbücher betrieben, um das Eigentum an Boden- reformgrundstücken zu klären. Das Land Mecklenburg- Vorpommern, in dem auch die meisten Bodenreform- grundstücke liegen, ist hierin am weitesten fortgeschritten: 97 Prozent der Fälle sind bislang überprüft worden. In 7 Prozent der Fälle wurde ein Anspruch des Landes als so genannter „Besserberechtigter“ an einem Bodenreform- grundstück festgestellt, weil kein zuteilungsfähiger Erbe vorhanden war. In 0,1 Prozent der Fälle hat das Land auf- grund persönlicher Härten der Betroffenen auf seine An- sprüche verzichtet. Ich bin der Auffassung, dass sich an diesen Zahlen zeigt, dass in der überwiegenden Zahl der Fälle die An- wendung der bestehenden Gesetze zu Klarheit und einer abschließenden Regelung der Eigentumsfragen geführt hat. Damit ist zehn Jahre nach der deutschen Einheit die rechtmäßige Zuordnung der Bodenreformgrundstücke weitestgehend abgeschlossen. Ich glaube, dass wir zehn Jahre nach der deutschen Ein- heit auf einem guten Weg sind, dieses schwierige Kapitel des Einigungsprozesses abzuschließen. Klar ist aber auch – und das möchte ich der Ehrlichkeit halber sagen –, dass vollständige Gerechtigkeit auf diesem Gebiet nicht zu er- reichen ist. Anlage 4 Technisch bedingter Neudruck eines Redebei- trages (115. Sitzung, Seite 11022 C) Dr. Jürgen Meyer (Ulm) (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich die Debatte über die europäische Grundrechte-Charta mit zwei Vorbemerkungen beginnen. In der letzten Sitzung des Konvents in Brüssel hat das Präsidium mitgeteilt, dass Roman Herzog den Vorsitz des Konvents demnächst wieder übernehmen wird. (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der F.D.P.) Wir alle wissen, dass er wegen der schweren Erkrankung seiner Frau den Vorsitz im Konvent niedergelegt hatte. Die Rückkehr von Roman Herzog ist vom Konvent und, wie ich sehe, auch von Ihnen sehr positiv aufgenommen worden. Roman Herzog gelingt es, mit seiner Kompetenz und seinem Ansehen, auch widerstreitende Gruppen im Konvent zusammenzuführen und das Projekt der Grund- rechte-Charta zum Erfolg zu führen. Meine zweite Vorbemerkung gilt der Rede von Präsi- dent Chirac, die er im Deutschen Bundestag gehalten hat. Ich fand es sehr erfreulich, dass Präsident Chirac deutlich gemacht hat, dass es auch bei der Grundrechte-Charta da- rum geht, mehr Demokratie in Europa zu wagen. Dies spiegelt sich bereits in der Zusammensetzung des Kon- vents wider, denn drei Viertel der Mitglieder dieses Gre- miums sind Parlamentarier. Es ist ein Signal für mehr De- mokratie, wenn eine Weichenstellung in Richtung einer Konkretisierung der Werteordnung in Europa durch ein solches Gremium vorgenommen wird. Deshalb sollten wir alle dazu beitragen, das Projekt zum Erfolg zu führen. Weil wir in früheren Debatten und auch in der Debatte im Mai in diesem Hause ein hohes Maß an Konsens fest- gestellt hatten, habe ich seinerzeit vorgeschlagen, nach- dem die Anträge der Koalitionsfraktionen einerseits und der Oppositionsfraktionen andererseits vorgelegt worden waren, diese zu einer gemeinsamen Entschließung zu- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 12. September 200011180 (C) (D) (A) (B) sammenzufassen. Die fast zweimonatigen Bemühungen nach der letzten Debatte schienen erfolgreich zu sein. Lei- der ist es heute doch nicht möglich, eine gemeinsame Ent- schließung zu verabschieden. Bevor ich dazu eine Bemerkung mache, möchte ich aber feststellen, dass alle Fraktionen in diesem Parlament in zahlreichen Punkten inhaltlich übereinstimmen. Wir sind uns darin einig, dass die Arbeiten des Konvents zur Erarbeitung der Grundrechte-Charta weiter unterstützt werden. Wir sind uns einig darin, dass die Bedeutung der Grundrechte-Charta auch in der deutschen Öffentlichkeit erkannt und gewürdigt und darüber eine breite gesell- schaftliche Debatte geführt werden sollte. Gemeinsam fordern wir die Bundesregierung auf, für den Beitritt der Europäischen Union zur Europäischen Menschenrechtskonvention einzutreten. Wir sind uns ei- nig darin, dass der Konvent fortschrittliche und für die eu- ropäische Integration zentrale Grundrechte formulieren sollte, wozu insbesondere ein Diskriminierungsverbot, ein aktives Gleichstellungsgebot sowie kulturelle Grundrech- te gehören. Wir sind uns auch einig darin, dass die Auf- nahme von wirtschaftlichen und sozialen Rechten unter Berücksichtigung der europäischen Sozialcharta und der Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Ar- beitnehmer in die Charta unterstützt werden sollte. Und: Ich denke, wir sind uns einig darüber, dass sich die Bun- desregierung im Europäischen Rat für die Rechtsverbind- lichkeit der Grundrechte-Charta mit individueller Kla- gemöglichkeit einsetzen sollte. Nun werden manche mit Recht fragen: Warum legen die Fraktionen des Deutschen Bundestages angesichts ei- ner derart weitreichenden inhaltlichen Übereinstimmung nicht eine gemeinsame Entschließung vor? Dabei kann es natürlich nicht darum gehen, so etwas wie einen „Ein- heitsbrei“ herzustellen oder abstrakte Formulierungen zu Papier zu bringen, die letztlich wenig aussagen. Die Sub- stanz dessen, was uns verbindet, ist so groß, dass die Fra- ge, warum es nicht zu einer gemeinsamen Entschließung gekommen ist, nur schwer beantwortet werden kann. Die uns Anfang dieser Woche von der CDU/CSU-Frak- tion mitgeteilte Ablehnung kam für viele von uns völlig überraschend. Ich habe natürlich versucht, rational nach- zuvollziehen, worauf sich diese Ablehnung gründet, und festzustellen, ob sie vielleicht nur ein Mittel ist, Profil auf einem ungeeigneten Feld der Auseinandersetzung zu ge- winnen. Vonseiten der CDU/CSU wurde – es hat ja keinen Sinn, darum herumzureden – bezüglich des Grundrechts auf Asyl auf angeblich unüberbrückbare Meinungs- unterschiede hingewiesen. Dies verwundert uns, da wir uns ursprünglich auch mit der CDU/CSU darauf verstän- digt hatten, uns dem Bekenntnis des Europäischen Rates von Tampere, dem künftigen europäischen Asylrecht die Genfer Flüchtlingskonvention uneingeschränkt und all- umfassend zugrunde zu legen, anzuschließen. Ich bin der Auffassung, dass die auf nationaler Ebene sicherlich notwendige Auseinandersetzung um das von der CDU/CSU-Fraktion lediglich gewünschte institutio- nelle Asylrecht und das von uns weiterhin für richtig er- achtete einklagbare individuelle Grundrecht auf Asyl auch geführt werden muss. Aber heute geht es um die Beratun- gen des Konvents in Brüssel. Ich finde, man sollte die Aus- einandersetzung, die auf nationaler Ebene zu führen ist, vor allem dann nicht nach Brüssel verlagern, wenn man sie auf nationaler Ebene nicht gewinnen kann; denn für eine Grundgesetzänderung gibt es keine Mehrheit. Außerdem werden wir in die Grundrechte-Charta auf- nehmen, dass das Niveau weiter gehender nationaler Grundrechte durch die Charta nicht abgesenkt werden darf. Diese Forderung wurde von Delegierten verschiede- ner Länder erhoben. Die Finnen sind zum Beispiel in Sorge, dass das Niveau ihrer hochmodernen Verfassung durch die Grundrechte-Charta gesenkt werden könnte. Dies darf nicht geschehen. Deshalb sind wir der Auffas- sung – mit den eben skizzierten Folgen für das deutsche Asylrecht –, dass durch die Grundrechte-Charta der hohe Grund-rechtsstandard der nationalen Verfassungen in kei- nem Fall gesenkt werden darf. Darauf haben wir uns be- reits verständigt. Warum also streiten wir im Zusammen- hang mit der Charta dann über diesen Punkt? Ein weiteres Thema, mit dem wir uns in den nächsten zwei Wochen im Konvent sehr intensiv beschäftigen wer- den, sind die sozialen Grundrechte. Wir hatten uns ei- gentlich darauf verständigt, klarzustellen: Es ist an der Zeit, die immer wieder beschworene Unteilbarkeit und Universalität der Menschenrechte auch dadurch zu doku- mentieren, dass – dem Auftrag von Köln entsprechend – die wirtschaftlichen und sozialen Grundrechte Eingang in die Charta finden. Warum streiten wir also darüber? Im Konvent besteht Einigkeit, dass durch die Grundrechte- Charta die Kompetenzen der EU-Organe nicht erweitert werden dürfen. Ich bin der Auffassung, wir sollten gemeinsam überle- gen, ob die bevorstehende Debatte im Konvent in Brüssel nicht auch von uns unterstützt werden sollte. Es ist offen- sichtlich, dass es Streit über die sozialen Grundrechte gibt. Wer wollte das in Abrede stellen? Es ist auch offensicht- lich, dass einige Länder großen Wert darauf legen, eine Vielzahl sozialer Grundrechte zu formulieren. Wir sind da- gegen der Auffassung – ich habe das eben als gemeinsa- me Auffassung dargestellt –, dass man nur Grundrechte formulieren sollte, die auch einklagbar sind. Deshalb wer- be ich um Unterstützung für den Versuch – den ich ge- meinsam mit dem Delegierten der französischen Regie- rung, Herrn Braibant, unternommen habe –, in dieser Frage einen Mittelweg zu finden. Roman Herzog hat, als die Debatten im Konvent sehr streitig ausgetragen wurden, die Mitglieder des Konvents ausdrücklich aufgefordert, einen solchen Mittelweg zu suchen. Dieser sollte auf drei Säulen beruhen. In die Präambel der Charta und in die Überschrift des Kapitels über die so- zialen Grundrechte sollte – als erste Säule – der Grundsatz der Solidarität festgeschrieben werden. Als zweite Säule sollten in acht Artikeln, gruppiert um die Elemente Arbeit, Gesundheit, Bildung und soziale Sicherheit, die Respek- tierung und der Schutz sozialer Grundrechte in die Charta aufgenommen werden. In der dritten Säule sollte deutlich gemacht werden: Es wird auch künftig Konventionen mit neuen – auch sozialen – Grundrechten geben. Diese sind, wenn alle Mitgliedstaaten zugestimmt haben, Grundlage der Auslegung und Anwendung der Charta. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 12. September 2000 11181 (C) (D) (A) (B) Um deutlich zu machen, dass wir uns eigentlich ver- ständigen könnten, will ich einmal die drei Sätze vorlesen, die Herr Braibant und ich in Bezug auf das Recht auf Ar- beit vorgeschlagen haben. Ich wüsste gerne, ob irgendje- mand in diesem Raum ist, der der folgenden Formulierung nicht zustimmen kann: Jeder hat das Recht zu arbeiten und das Recht auf Schutz seines Arbeitsplatzes. Insbesondere hat jeder das Recht, seinen Beruf frei zu wählen und auszu- üben, sowie das Recht auf freien Zugang zu unent- geltlicher Arbeitsvermittlung. Jeder hat Anspruch auf Schutz vor ungerechtfertigter oder missbräuchlicher Entlassung. Wer kann gegen ein so formuliertes soziales Grundrecht auf Arbeit sein? (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Ich habe gehört, dass die Debatte in der CDU/CSU- Fraktion letztlich deshalb zur Ablehnung einer gemeinsa- men Entschließung geführt hat, weil man sich über die Aufnahme eines kleinen Satzes nicht einig geworden ist. Wir haben im Entwurf der gemeinsamen Entschließung folgenden Satz vorgesehen: Die Charta soll klarstellen, dass gleichgeschlechtli- che Paare nicht benachteiligt werden dürfen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Was haben Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU-Fraktion, gegen diesen Satz? Mir ist schon klar, dass ich eigentlich diejenigen Ihrer Kollegen anspre- chen müsste, die nicht da sind. (Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Herr Altmaier wird das gleich in vernichtender Deut- lichkeit klarmachen!) Bezogen auf den von Ihnen kritisierten Satz darf ich Ih- nen in Erinnerung rufen, was Sie vor kurzem auf Ihrem Parteitag in Essen zu diesem Thema beschlossen haben und auch von Ihrer Vorsitzenden, Frau Merkel, sehr un- terstützt worden ist. Ich zitiere aus Ihrem Parteitagsbe- schluss: Wir respektieren die Entscheidung von Menschen, die in anderen Formen der Partnerschaft ihren Le- bensentwurf zu verwirklichen suchen. (Peter Hintze [CDU/CSU]: So ist es!) Wir anerkennen, dass auch in solchen Beziehungen Werte gelebt werden können, die für unsere Gesell- schaft grundlegend sind. Dies gilt für nicht eheliche Partnerschaften zwischen Frauen und Männern; dies gilt auch für gleichgeschlechtliche Partnerschaften. Wir werben für Toleranz und wenden uns gegen jede Form von Diskriminierung. (Beifall im ganzen Hause) Verehrte Kolleginnen und Kollegen, genau dies hatten wir für unsere gemeinsame Entschließung vorgesehen. (Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Schreiben Sie das in die Charta und wir stimmen zu!) Mir ist klar, dass Sie in Ihrer Fraktion dafür gekämpft haben, sich aber letztlich gegenüber Ihren CSU-Kollegen nicht durchsetzen konnten. Ich bitte Sie dringend, dieses Problem zu lösen und nicht zuzulassen, dass das, was Frau Merkel zu diesem Thema gesagt und durchgesetzt hat, von Herrn Stoiber wieder aus dem Gefecht gezogen wird. (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Wir stehen ja gar nicht im Gefecht! Nicht so martialisch!) Ich habe sehr genau beobachtet, dass Sie in unserer letz- ten Debatte am 18. Mai irritiert reagierten, als der CSU- Kollege Dr. Müller als ausdrückliche Bedingung für die Ratifizierung der Charta bezeichnete: Wir wollen keine Kompetenzausweitung, sondern er- warten Kompetenzbeschränkungen. Wie kann man so etwas von der Grundrechte-Charta, die sich mit der Kompetenzfrage bekanntlich nicht zu befas- sen hat, überhaupt erwarten? Kommen Sie zu einer ver- nünftigen Einigung mit den CSU-Kollegen in Ihrer Frak- tion! Wenn das geschehen ist, dann legen wir – das ist meine Überzeugung – wieder gemeinsame Entschließun- gen vor. Die Grundlage dafür ist breit genug. Lassen Sie uns gemeinsam feststellen: Es geht bei der Grundrechte-Charta um die Identität der Europäer, die ih- re Werteordnung, an die sie gebunden sind, deutlich ma- chen sollten. Genauso wichtig ist: Es geht um die Kon- trolle von Machtausübung durch die EU-Organe in Brüssel. (Sabine Leutheusser-Schnarrenberger [F.D.P.]: Das ist der Kern!) Dass wir dafür gemeinsam eintreten, sollte künftig wieder deutlicher werden, als es heute durch Mehrheitsentschei- dungen über einen Antrag der Koalition deutlich werden kann. Überlegen Sie bitte, ob Taktik nicht Übertaktieren bedeutet, wenn man die Taktik über die Sache stellt. Ich werde mich jedenfalls durch die Abstimmungen, die heute leider nicht im Konsens erfolgen werden, nicht davon abhalten lassen, auch mit den Europapolitikern der Oppositionsfraktionen, die für eine gemeinsame Ent- schließung gekämpft haben und denen es in erster Linie um die Sache und nicht um parteitaktischen Vorteil geht, weiter konstruktiv zusammenzuarbeiten. Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 12. September 200011182 (C) (D) (A) (B) Druck: MuK. Medien-und Kommunikations GmbH, Berlin
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Hans Georg Wagner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Ich kann gar nicht be-
    streiten, dass die Äußerungen von Herrn Schröder immer
    bedenkenswert sind. Alles, was er sagt, muss aufmerksam
    verfolgt werden. Das ist auch in diesem Fall ganz selbst-
    verständlich.


    (Lachen bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Im Gegensatz dazu haben Sie ja Pech: Man kann Ihre
    Worte nicht nachvollziehen. Sie müssen ja immer über-
    legen, was gerade gesagt worden ist.

    Meine Damen und Herren, noch ein paar Sätze zum
    BAföG.Was wir hier tun, wird von Ihnen gar nicht genug




    Hans Georg Wagner

    11089


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    gewürdigt. Ich kann ja verstehen, dass Sie als Opposition
    das nicht wollen. Sie haben es in den 16 Jahren, in denen
    Sie an der Regierung waren, geschafft, die ehemals von
    der sozialliberalen Koalition – auch mithilfe der F.D.P.,
    Herr Kollege Rexrodt – erreichte hohe Quote von Studie-
    renden, die aus einkommensschwächeren Familien ka-
    men – was dazu führte, dass nicht nur Professorenkinder,
    sondern auch Arbeiterkinder die Chance hatten, Professo-
    ren zu werden und nicht mehr Arbeiter bleiben mussten –,
    drastisch zu senken. Jetzt sind wir auf dem Weg, das wie-
    der zugunsten der einkommensschwachen Familien um-
    zudrehen. Die Kinder der einkommensschwachen Fami-
    lien sind ja nicht dümmer als die Kinder der Familien, die
    Geld haben. Deshalb muss das geändert werden und das
    machen wir. Wenn Sie wollen, können Sie da beim Haus-
    halt 2001 auch mitmachen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Günter Rexrodt [F.D.P.]: Jetzt kommt die Elendsnummer!)


    Vorhin ist die Quote angesprochen worden, die Art. 115
    des Grundgesetzes uns vorgibt, nämlich die Forderung,
    dass die Nettokreditaufnahme die Investitionen nicht
    überschreiten darf. Das Wort Nettokreditaufnahme ist
    heute zu Recht schon als Ausweitung der Schulden be-
    zeichnet worden. Wir reden darüber, als sei dies ein schö-
    ner Ausdruck, der eigentlich nichts sagt, aber jede
    Ausweitung der Nettokreditaufnahme bedeutet mehr
    Schulden. Deshalb, Herr Kollege Austermann, steigen die
    Schulden ja auch an. Wir senken nur die Nettokreditauf-
    nahme auf Null im Jahre 2006 ab. Sie haben sie immer nur
    ansteigen lassen. Deshalb ist da ein Unterschied zwischen
    Ihnen und uns.

    Unterstellt, die Nettokreditaufnahme bliebe bei
    46,1 Milliarden DM – Herr Kollege Metzger hat gesagt,
    die Koalition wolle unter 45 Milliarden DM gehen –, be-
    trüge der prozentuale Unterschied zwischen den Investi-
    tionen und der Nettokreditaufnahme 25 Prozent. Das
    heißt, die Investitionen wären um 25 Prozent höher als die
    Nettokreditaufnahme. Im Jahre 2002 wären es – bei Kon-
    tinuität in der mittelfristigen Finanzplanung – 23 Prozent,
    im Jahre 2003 wären es bei ständiger Rückführung der
    Nettokreditaufnahme, also neuer Schulden, 42 Prozent
    und im Jahr 2004 bei einer geplanten Nettokreditauf-
    nahme von noch 20 Milliarden DM sogar 62 Prozent.

    Ich erinnere an einen Haushalt der Vorgängerregie-
    rung, nämlich den Haushalt 1996, der schlichtweg verfas-
    sungswidrig war. Sie haben es damals geschafft, dass die
    Nettokreditaufnahme deutlich höher war als die In-
    vestitionsausgaben. Wir haben das massiv umgedreht. Ich
    finde, das ist eine erfolgreiche Bilanz in der Steuerpolitik,
    eine Politik, die auf Solidität aufgebaut ist und in die Zu-
    kunft hineinreicht.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Der Minister hat Recht gehabt: Die Schulden in Höhe

    von 1,4 Billionen DM, also 1 400 Milliarden DM, die
    nach der Tilgung mithilfe der UMTS-Erlöse übrig blei-
    ben, sind doch Ihre Schulden. Da können Sie reden, was
    Sie wollen. Sie haben mit den Schulden die Kinder und
    Enkelkinder belastet, die diese Schulden abbauen müs-
    sen. Wir versuchen, den Kindern und Enkelkindern zu

    helfen, indem wir die Schulden schrittweise abbauen.
    Herr Kollege Austermann, Sie sollten doch nicht so tun,
    als wäre das alles nichts. Sie nehmen die Schulden, die Sie
    Deutschland eingebrockt haben, einfach nicht zur Kennt-
    nis. Sie müssen sich daran gewöhnen: Sie waren die
    Schuldenmacher der Nation und Sie bleiben es auch.


    (Beifall bei der SPD)

    Herr Kollege Rexrodt – er ist im Augenblick nicht da,

    aber Herr Kollege Gerhardt hat ihn ja ersetzt –, ich habe
    es schon gesagt: Wir werden das diskutieren.


    (Dr. Wolfgang Gerhardt [F.D.P.]: Er kommt gleich wieder!)


    – Bei der F.D.P. ist ein ständiger Wechsel, zumindest in
    der Diskussion.


    (Heiterkeit auf der Regierungsbank)

    Ich mache es dem Kollegen Rexrodt nicht zum Vorwurf,
    dass er nicht da ist.

    Kreditanstalt für Wiederaufbau und Deutsche Aus-
    gleichsbank sind Themenbereiche, über die man reden
    muss. Ich finde, die Lösung, die die Bundesregierung ein-
    vernehmlich gefunden hat, ist in Ordnung. Deshalb sollte
    man in diesem Sinne fortfahren.

    Der Haushalt des Jahres 2001 ist eine konsequente
    Fortsetzung der finanziellen Solidität und Haushaltskon-
    solidierung dieser Koalition. Die jetzige Politik – das
    können Sie sehen, wie Sie wollen – hebt sich wohltuend
    von dem ab, was früher war. Deshalb bin ich auch sicher,
    dass die Bevölkerung das wahrnimmt. Auf die aktuellen
    Umfrageergebnisse gebe ich überhaupt nichts, denn das
    kann sich morgen wieder ändern. Ich weiß aber eines ganz
    genau: Solidität und Normalität im Haushaltsgebaren
    werden von der Bevölkerung anerkannt.


    (Beifall bei der SPD – Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Dann müssten wir ja noch an der Regierung sein!)


    – Bei 1 400 Milliarden DM Schulden müssten Sie, Herr
    Kollege, eigentlich republikflüchtig werden, sich einen
    Wohnwagen kaufen und außerhalb des Landes gehen, an-
    statt hier immer noch die Regierung zu stellen.


    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

    Dass wir auf dem besten Wege sind, belegt nicht nur

    unser Optimismus und das, was die Regierung sagt. Das
    Weltwirtschaftsforum in Genf, WEF, hat vor kurzem eine
    Studie veröffentlicht, nämlich die internationale Wettbe-
    werbsstudie 2000. Diese ist am 7. September in der „Süd-
    deutschen Zeitung“ veröffentlicht worden. Nach dieser
    Studie belegt der Wirtschaftsstandort Deutschland hin-
    sichtlich seiner Attraktivität Platz drei, hinter Finnland
    und den USA.

    Damit konnte sich der „Standort D“
    – so wird Deutschland in der Studie genannt –

    innerhalb eines Jahres um drei Plätze verbessern.
    Innerhalb eines Jahres! Vor einem Jahr waren nicht mehr
    Sie, sondern wir an der Regierung.


    (Beifall bei der SPD)





    Hans Georg Wagner
    11090


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    Wir freuen uns über diese Feststellung der Studie.
    Deutschland belegt bezüglich des Internets Platz fünf. Wir
    sind überall an der Spitze oder zumindest auf dem Weg
    zur Spitze. Eichel hat also Recht gehabt, als er sagte: Wir
    sind auf dem Weg zur Spitze.
    Spitze sind wir beispielsweise schon in diesem Jahr bei


    (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Bei den Steuereinnahmen!)


    – nein! – im Bereich der Biotechnologie. Ihr Zwischenruf
    macht deutlich, dass Sie davon offenbar keine Ahnung ha-
    ben. Deutschland ist in Europa der neue Spitzenreiter im
    Bereich der Biotechnologie, heißt es im Zweiten Biotech-
    nologiereport, den die Stuttgarter Unternehmensberatung
    Ernst & Young vorgestellt hat. Das heißt also im Klartext:
    Wir sind auf dem richtigen Wege – dort wollen wir auch
    hin –, ein modernes Deutschland mit soliden Finanzen zu
    schaffen und dafür zu sorgen, dass Deutschland auch eine
    Zukunft in Europa hat.

    Ich möchte auf die Erdölkonzerne zurückkommen. Sie
    sollten nicht jeder veröffentlichten populistischen Forde-
    rung nachgehen. Wir sehen die Probleme des Kfz-Gewer-
    bes. Auch in unseren Wahlkreisen fahren die Leute Auto.


    (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Nicht mehr lange!)


    Sie gehen nicht nur zu Fuß oder fahren nur Fahrrad. Trotz-
    dem dürfen wir nicht einknicken, wenn die Konzerne
    plötzlich beginnen, Preise zu erheben, die durch nichts
    gerechtfertigt sind. Höhere Preise können bestenfalls
    durch die Feststellung gerechtfertigt werden, dass die
    Erdölressourcen endlich sind und dass mit diesen Res-
    sourcen nicht so umgegangen werden kann wie bisher.
    Wir sollten darauf vertrauen, dass die Bundesregierung
    ihre Politik fortsetzt. Auch diesmal kämpft Rot-Grün –
    leider Gottes – alleine für die Millionen und gegen die
    Millionäre. Sie machen es genau umgekehrt.

    Vielen Dank.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)




Rede von Dr. Hermann Otto Solms
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Als
nächster Redner hat das Wort der Kollege Peter Rauen
von der CDU/CSU-Fraktion.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Peter Rauen


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine
    sehr verehrten Damen und Herren! Ich finde es gut, dass
    wir hier in aller Ruhe und ohne große Aufgeregtheiten
    über den Haushalt 2001 diskutieren, wenn ich von dem
    Ausfall von Herrn Poß einmal absehe. Dazu hat der Kol-
    lege Rexrodt bereits das Nötige gesagt.

    Herr Finanzminister Eichel, Sie haben in einer zen-
    tralen Aussage Ihrer Rede festgestellt, dass wir aus der
    Schuldenfalle raus müssten. Da haben Sie die Union voll
    und ganz auf Ihrer Seite, auch aus guter Tradition: Sie
    wissen selbst – Finanzpolitik steht in der Kontinuität der
    Regierungen –, dass es auch der damaligen CDU/CSU-
    F.D.P.-Regierung von 1983 bis 1990 gelungen ist, die Net-

    toneuverschuldung in Höhe von etwa 50 Milliarden DM
    1983 auf fast 14 Milliarden DM 1989 zurückzuführen.
    Ohne deutsche Einheit hätten wir es damals auch ge-
    schafft, die Nettoneuverschuldung auf Null zurückzu-
    führen. Das gehört einfach zur historischen Wahrheit. Wir
    sollten auch nicht verschweigen, dass ein Teil unserer
    Schulden mit dem Sonderfall der Geschichte zu tun hat,
    nämlich dass wir wieder ein Land sind und in einem Land
    leben können. Das muss man sehr deutlich sagen.

    Sie haben uns auch auf Ihrer Seite, wenn Sie – zu
    Recht – fordern: Die Sondereinnahmen aus der Versteige-
    rung der UMTS-Lizenzen sollen zur Schuldentilgung
    verwandt werden. Sie haben uns auch auf Ihrer Seite,
    wenn die durch die Schuldentilgung gesparten Zinsaus-
    gaben für Investitionen genutzt werden. Auch Kollege
    Austermann hat nichts anderes gesagt. Diese finanzpoli-
    tische Ausrichtung findet unsere ausdrückliche Zustim-
    mung.

    Sie haben von konjunkturbedingten Mehreinnahmen
    gesprochen. Ich fürchte, wir müssen allmählich von in-
    flationsbedingten Mehreinnahmen sprechen, Herr Fi-
    nanzminister. Sie wissen selbst so gut wie ich und alle
    anderen hier: Die Steuerschätzer gingen noch im Mai
    dieses Jahres, also vor gerade einmal vier Monaten, da-
    von aus, dass die Inflationsrate bei 0,7 Prozent liegen
    würde. 0,7 Prozent, so die Schätzung vor vier Monaten!
    Die Inflationsrate wird wahrscheinlich am Ende die-
    ses Jahres über 1 Prozent höher sein. Bereits die Höhe
    der Isteinnahmen bis zum 30. Juni 2000 macht deutlich,
    dass rund 9 Milliarden DM von den zu erwartenden
    rund 18 Milliarden DM an Steuermehreinnahmen am
    Ende dieses Jahres inflationsbedingte Steuermehreinnah-
    men sind; denn eine um 1 Prozent höhere Inflationsrate
    bringt den Gebietskörperschaften etwa 9 bis 10 Milliar-
    den DM an Steuermehreinnahmen ein. Wenn ich diese
    Basis sehe, dann wissen Sie sehr genau, dass die Steuer-
    schätzung vom Mai Makulatur ist. Auf der Basis des Jah-
    res 2000, die sich ja fortsetzt, werden wir – unterstellt, die
    realen Wachstumsgrößen bleiben so wie bei der Steuer-
    schätzung angenommen – im Jahr 2003/04 30 bis 40Mil-
    liarden DM mehr Steuereinnahmen gegenüber den An-
    nahmen vom Mai dieses Jahres haben.

    Ich will auf einen anderen Punkt zu sprechen kommen,
    der mir viel mehr Sorgen bereitet. Es handelt sich um die
    Bemerkung unseres Kanzlers vor kurzem in New York,
    dass er die Schwäche des Euro sehr gelassen sehe. Mich
    erschreckt das. Gut, jeder Mensch wird durch seinen Um-
    gang geprägt. Wenn er das aus der Sicht der exportieren-
    den Wirtschaft sieht – als ehemaliges Mitglied im Auf-
    sichtsrat von VW– dann mag er Recht haben. Das ist aber
    nur die eine Seite der Medaille. Die andere Seite ist, dass
    wir natürlich Inflation importieren.

    Wenn wir heute über die Ökosteuer reden, die uns be-
    schwert, dann ist es ja wahr: Der Ökosteueranteil, die sie-
    ben Pfennig inklusive Mehrwertsteuer, ist der eine Ge-
    sichtspunkt. Wir haben aber zwei weitere Elemente:
    Das ist zum einen die Erhöhung der Rohölpreise, rund
    7 Pfennig pro Liter bei einem Anstieg von 25 auf
    32 Dollar pro Barrel, und das andere Argument bezieht
    sich auf die Schwäche unserer Währung: Bei einer




    Hans Georg Wagner

    11091


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    Entwicklung des Wertes des Dollars von 1,85 auf
    2,22 DM von heute zahlen wir 7 Pfennig mehr, weil Öl in
    Dollar fakturiert wird.

    Jetzt möchte ich von den makroökonomischen Zahlen
    wegkommen und betrachte den Zusammenhang einmal
    mikroökonomisch. Dann bin ich bei der Argumentation
    des Herrn Wagner. Er redet von den kleinen Leuten. Das
    mache ich auch. Wer in diesen Monaten seinen Heizöltank
    füllt und 4 000 Liter tankt, bezahlt 50 Pfennig pro Liter
    mehr als vor einem Jahr. Damit sind 2 000 DM weg, Herr
    Finanzminister. Die Beträge, die Sie aufgrund der Entlas-
    tung durch die Steuerreform genannt haben, hat man also
    bereits im August oder September 2000 ausgegeben. Der
    Betreffende hat davon nichts. Wenn er auch noch ein Auto
    benötigt, um zur Arbeit zu fahren, und eine Strecke von
    20 Kilometern zurücklegen muss, dann fährt er 800 Kilo-
    meter im Monat. Bei einem Verbrauch von 10 Litern pro
    100 Kilometer benötigt er 80 Liter. Für einen Liter Ben-
    zin bezahlt er 60 Pfennig mehr als im letzten Jahr. Er zahlt
    also rund 50 DM im Monat mehr als vor einem Jahr. Auch
    der Kollege Metzger, der jetzt nicht anwesend ist, kann
    ihm nicht erzählen, dass er bei der Rentenversicherung
    eine Erleichterung von 20 DM hat. Er hat einfach eine
    Mehrbelastung!


    (Zuruf von der SPD)

    – Rechnen Sie bitte nach! Herr Metzger hat eben das Bei-
    spiel gebracht, dass man bei einem Bruttogehalt von
    5 000 DM 1 Prozent Erleichterung bei den Rentenver-
    sicherungsbeiträgen hat. Das ist nicht ganz richtig. Es
    sind nur 0,8 Prozent, 0,4 Prozent beim Arbeitnehmer. Das
    sind bei 5 000 DM genau 20 DM. Demjenigen, der die
    Mehrkosten hat, weil er mit dem Auto zur Arbeit fährt,
    können Sie nicht erzählen, dass er eine tolle Entlastung
    hat. Im Kern hat er nur Mehrbelastungen.


    (Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf von der SPD: Aber nicht durch die Steuer!)


    Es wird wirklich Zeit, dass wir mit den Märchen auf-
    hören. Ich habe mich über den Kollegen Klimmt, den ich
    persönlich sehr mag, weil wir seit vielen Jahren durch den
    Fußball verbunden sind, maßlos geärgert, als er am Sonn-
    tag bei „Christiansen“ wieder verkauft hat, dass die Öko-
    steuererhöhung zu einer Beitragssenkung führen wird.


    (Dr. Wolfgang Gerhardt [F.D.P.]: Ja, das wird immer wieder gern erzählt!)


    Wir haben fünf Erhöhungen von je 6 Pfennig plus Mehr-
    wertsteuer, das sind jeweils 7 Pfennig. Im Jahre 2003 wer-
    den Sie aus diesen Mineralölsteuererhöhungen 37 Milli-
    arden DM einschließlich Mehrwertsteuer einnehmen. Wir
    haben bei den 630-DM-Jobs eine Umwälzung von der
    Steuer zu den Rentenversicherungsbeiträgen. Zum ande-
    ren haben wir eine Anpassung der Renten an die Inflati-
    onsrate, nicht an die Nettolohnentwicklung. Das sind rund
    9Milliarden DM. Hier werden also insgesamt fast 48Mil-
    liarden DM bewegt, das heißt, den Leuten aus der Tasche
    gezogen, umstrukturiert oder ihnen nicht gegeben. Aus-
    weislich der Zahlen Ihres Kollegen Riester – ich empfehle
    Ihnen, sie sich anzuschauen – wird der Rentenversiche-
    rungsbeitrag im Jahr 2003, am Ende der dritten Stufe, um

    lediglich 1,2 Prozentpunkte niedriger liegen als im Jahr
    1998. 1,2 Prozentpunkte entsprechen 19 Milliarden DM.
    Das heißt, Sie bewegen das Zweieinhalbfache dessen,
    was Sie an Rentenversicherungsbeiträgen senken.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Es ist einfach notwendig, dass man dies wirklich dar-

    legt, denn ich habe schon die Befürchtung, dass wir uns
    mit der importierten Inflation eine ganze Menge Pro-
    bleme einhandeln, die wir noch nicht gelöst haben. Herr
    Finanzminister, Sie werden sich damit beschäftigen müs-
    sen, dass wir darüber reden, wie diese inflationsbedingten
    Mehreinnahmen bei den Steuern den Menschen viel
    schneller zurückgegeben werden müssen, als es bei der
    ganzen jetzigen Steuerreform geplant ist.

    Es ist gerade einmal neun Wochen her, dass Sie macht-
    politisch einen Erfolg hatten. Über die Methode, wie das
    im Bundesrat gelaufen ist, wie mit einem Verfassungs-
    organ umgegangen worden ist, will ich jetzt gar nicht re-
    den. Ich fürchte nur, die Freude von Ihnen und vom Bun-
    deskanzler über diesen machtpolitischen Erfolg wird
    relativ schnell verfliegen. Manche Wirtschaftsverbände,
    die die Verabschiedung noch erleichtert begrüßt hatten,
    weil sie meinten, der Spatz in der Hand sei ihnen lieber als
    die Taube auf dem Dach, merken allmählich, dass das
    Ganze wirklich nur ein Spatz ist und dass sie die Taube
    noch bis 2005 im Käfig betrachten müssen; denn in Wahr-
    heit entlasten Sie erst dann die Arbeitnehmer und die Un-
    ternehmer.

    Das, was wir immer gesagt haben, beginnt allmählich
    zur allgemeinen Einsicht zu werden: Die Steuerentlas-
    tung durch das Steuerreformgesetz ist sozial und wirt-
    schaftspolitisch unausgewogen: Sie bevorzugt die großen
    Kapitalgesellschaften zulasten des Mittelstandes und der
    Arbeitnehmer; die einseitige Bevorzugung des thesaurier-
    ten Gewinns ist wirtschaftspolitisch verfehlt und führt zu
    neuen steuerrechtlichen Verwerfungen. Sie ist nicht nach-
    haltig, weil durch das Vorziehen der oberen Proportional-
    zone bereits ein immer größerer Teil von Durchschnitts-
    verdienern den Spitzensteuersatz zahlen muss. Sie kommt
    zu spät, weil der größte Teil der Tarifsenkungen für die
    Einkommensteuerzahler erst am Sankt-Nimmerleins-Tag
    im Jahr 2005 kommt, und zwar bei all den anderen Belas-
    tungen, die die Menschen, wie eben geschildert, ganz ele-
    mentar und ganz zeitnah belasten.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich möchte einen anderen Punkt ansprechen, bei dem

    ich Gefahren für unsere Konjunktur und für unsere
    Unternehmenskultur sehe. Kernstück der von Ihnen
    durchgepeitschten Reform ist eine Neuregelung der
    Unternehmensbesteuerung, von der alle Sachkenner sa-
    gen – ich wiederhole mich –, dass sie eine Reform
    zugunsten der Kapitalgesellschaften ist. Für die Kapital-
    gesellschaften sinkt die Belastung des einbehaltenen Ge-
    winns um 13 Prozentpunkte, Herr Poß. Für die Personen-
    gesellschaften sinkt die Grenzbelastung um lediglich drei
    Prozentpunkte. Selbst wenn man die Gewerbeertrag-
    steueranrechnung einkalkuliert, bleibt auf lange Sicht eine
    große Spreizung zwischen der Durchschnittsbesteuerung




    Peter Rauen
    11092


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    der Kapitalgesellschaften und der Personengesellschaf-
    ten.


    (Hans Eichel, Bundesminister: Das ist ganz falsch!)


    – Herr Eichel, Sie haben doch gewusst, warum Sie
    zunächst das Optionsmodell wollten: Sie wollten die Per-
    sonengesellschaften mit den Kapitalgesellschaften in
    etwa gleichstellen. Weil das Ganze ohnehin eine Krücke
    war, haben Sie den Plan fallen lassen, aber mit dem Er-
    gebnis, dass die Personengesellschaften bis 2004 zu-
    nächst enorm mehr belastet werden. Das ist im Vermitt-
    lungsausschuss unbestritten so gesagt worden.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich komme zu einem anderen Punkt. Ein weiterer Ge-

    burtsfehler der Reform ist die Privilegierung des einbe-
    haltenen Gewinns. Dafür gibt es keine sachliche, sondern
    nur eine politisch-ideologische Rechtfertigung, und zwar
    den auf Lafontaine zurückgehenden, aber vom Bundes-
    kanzler und von Ihnen ausdrücklich übernommenen
    Wunsch, nur die Unternehmen, nicht aber die Unterneh-
    mer zu entlasten.

    Daraus ergeben sich einige Verwerfungen, über die wir
    sprechen müssen. In der Folge dieser Umstellung ist zum
    Beispiel die Mindestbeteiligung, die früher einmal bei
    25 Prozent lag, auf 1 Prozent reduziert worden. Ich sage
    Ihnen voraus: Das ist ein Anschlag auf Neugründungen
    von Firmen, ein Anschlag auf die Notwendigkeit, dass
    sich viele neue Firmen mithilfe anderer entsprechend
    strukturieren.


    (Beifall bei der CDU/CSU – Jörg-Otto Spiller [SPD]: Deswegen gibt es auch so viele Neugründungen!)


    – Moment mal: Es hat sich eine Kultur herausgebildet,
    die ganz gut angelaufen ist, nämlich die Kultur der
    Business Angels. Es handelt sich um Persönlichkeiten, die
    mit ihrer Erfahrung jungen Unternehmern nicht nur mate-
    riell, sondern auch ideell helfen. Ich frage mich nur,
    warum diese Menschen in Zukunft noch Geld dort hi-
    neinstecken sollten. Am Anfang können sie kein Geld he-
    rausholen, weil die Firmen erst einmal wachsen müssen.
    Sie können nur Beteiligungen bekommen, die sie aber,
    wenn sie über der Beteiligungsgrenze liegen, hoch ver-
    steuern müssen. Sie werden doch dann lieber gleich Ak-
    tien von großen Kapitalgesellschaften kaufen, wodurch
    sie unter der Grenze für wesentliche Beteiligungen, also
    1 Prozent, bleiben und die Kapitalerträge nach einem Jahr
    steuerfrei kassieren können. Über dieses Problem müssen
    wir in der Tat nachdenken, weil hierdurch die Kultur, den
    Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen, in hohem Grade
    gefährdet wird.

    Als Folge des Halbeinkünfteverfahrens haben Sie,
    meine Damen und Herren, Veräußerungsgewinne für Ka-
    pitalgesellschaften von der Körperschaftsteuer befreit.
    Demgegenüber wurden die Möglichkeiten zur steuerneu-
    tralen Umstrukturierung von Personengesellschaften be-
    reits 1999 massiv beschnitten. Ich habe dazu bei der
    dritten Lesung gesagt, dass es richtig ist, die Veräu-
    ßerungsgewinne bei Kapitalgesellschaften steuerfrei zu

    stellen, damit Umstrukturierungen möglich sind, Kon-
    zernteile an andere verkauft werden und Unternehmen
    effektiver arbeiten können, also die „Deutschland AG“
    aufgelöst wird. Wenn das aber, Herr Eichel, für Kapital-
    gesellschaften zutrifft, dann trifft das natürlich auch für
    Personengesellschaften zu. Auch diese müssen in einer
    Zeit umstrukturieren, wo sich Wissen alle fünf Jahre ver-
    doppelt und Schnelligkeit darüber entscheidet, wer seinen
    Weg gehen kann.

    Ich nenne Ihnen als Beispiel einen Sachverhalt, den
    Lafontaine kassiert hat, was Sie nicht zurücknehmen wol-
    len. Es handelt sich um die Realteilung, die wir bei Per-
    sonengesellschaften kannten. Ich will es einmal einfach
    ausdrücken: Wenn zwei Personengesellschafter auseinan-
    der gehen und das, was sie real im Betrieb haben, teilen
    wollen, konnten sie bisher die stillen Reserven mitneh-
    men. Diese müssen neuerdings aufgedeckt und versteuert
    werden. Lassen Sie sich das doch noch einmal durch den
    Kopf gehen, ansonsten wirkt sich das verheerend auf die
    notwendigen Umstrukturierungen bei Personengesell-
    schaften aus.

    Ich nenne noch einen zweiten Fall, der auch mit Um-
    strukturierungen zu tun hat: Für Erlöse aus Anteilsver-
    äußerungen, die wiederum zur Umstrukturierung einer
    Firma stattfinden, brauchen wir weiterhin die Möglich-
    keit, sie einer Reinvestitionsrücklage zufließen zu lassen,
    die zu 100 Prozent steuerfrei gestellt wird, wenn sie in die
    Umstrukturierung der Firma fließt. Diese Möglichkeit
    wurde durch die Änderung von § 6b des Einkommen-
    steuergesetzes völlig kassiert. Das hat aus meiner Sicht
    ebenfalls ziemlich verheerende Folgen für die notwendi-
    gen Umstrukturierungen bei Personengesellschaften.

    Ich komme zu einem weiteren Punkt, den ich noch ein-
    mal sehr ausdrücklich anspreche, weil er mir als einem am
    Herzen liegt, der seit 34 Jahren selbstständig ist und im-
    mer darauf bedacht war, dass es den Leuten, die bei ihm
    arbeiten, auch gut geht. Die Entlastung für die Arbeit-
    nehmer ist völlig unzureichend. Ich sage es hier zum wie-
    derholten Male. Trotz der Absenkung des Spitzensteuer-
    satzes auf 42 Prozent verläuft der Tarif relativ steil,
    wodurch der Durchschnittsfacharbeiter in den Spitzen-
    steuersatz hereinkommt und – das ist ein Faktum – im
    Jahre 2005 prozentual genau so viel Steuern zahlt wie im
    Jahre 2000.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Das hat mit dem langen Zeithorizont zu tun und damit,
    dass die kalte Progression – das Zusammenwirken von In-
    flation und Progression – diesen Mehrlohn bei den Ar-
    beitnehmern auffrisst. Es wird auf Dauer nicht gelingen,
    so die Binnenkonjunktur wirklich anzuheizen und auf
    dem Arbeitsmarkt Entscheidendes zu erreichen. Damit
    wird das Reformziel, die Voraussetzungen für Wachstum
    und Beschäftigung dauerhaft zu verbessern, zwangsläufig
    verfehlt.

    Wie die Erfahrungen mit durchgreifenden Steuerrefor-
    men in anderen Ländern zeigen, sind die von ihnen aus-
    gehenden Wachstums- und Beschäftigungsimpulse dann
    am stärksten, wenn die Steuersenkungen von einer zu-
    rückhaltenden Lohn- und Tarifpolitik begleitet werden.
    Ein solcher Effekt ist aber nur von einer fühlbaren, ein-




    Peter Rauen

    11093


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    schneidenden Senkung der Steuerlast zu erwarten, damit
    die Tarifpartner auch Spielräume haben und nicht 70 Pro-
    zent einer Lohnerhöhung in Form von Steuern und Abga-
    ben wieder abgeführt werden müssen. Das ist insbeson-
    dere bei einer zeitlich lang gestreckten Reform der Fall,
    bei der sich der Entlastungseffekt der einen Stufe verzehrt
    hat, bevor die nächste Stufe erreicht ist.

    Zur Mehrwertsteuer möchte ich jetzt keine Ausführun-
    gen machen. – Eines in Ihrem Haushalt, Herr Eichel, ge-
    fällt mir überhaupt nicht. Überlegen Sie einmal: Obwohl
    die Steuereinnahmen von 1995 bis 1997 sogar nominal
    zurückgegangen sind – das hat auch mit den Sonderab-
    schreibungen für Wohnungsbau, Bürobauten und derglei-
    chen mehr im Rahmen der deutschen Einheit zu tun –, lag
    die Investitionsquote von 1992 bis 1997 im Schnitt bei
    13,6 Prozent. Sie senken diese Investitionsquote jetzt auf
    11,4 Prozent. Ich kann nur hundertprozentig den Kollegen
    Austermann unterstützen, der für unsere Fraktion massiv
    fordert, dass die Investitionen deutlich ausgeweitet wer-
    den.


    (Beifall bei der CDU/CSU – Hans Georg Wagner [SPD]: Das wird!)


    Ich will das an einem Beispiel deutlich machen.
    Schade, dass der Kollege Metzger weg ist. Ich respektiere
    ja, wenn er sagt, man müsse mehr auf die Schiene um-
    steigen. Ich bin sehr dafür. Aber wir müssen eines wissen:
    Wenn ich 10 Prozent des Verkehrs von der Straße auf die
    Schiene bringen will, dann muss ich den Schienenver-
    kehr verdoppeln. Wenn Sie sich die Zugverdichtungen
    anschauen, merken Sie, dass es ohne Schienenneu-
    baustrecken nicht geht. Ich möchte dann sehen, wie bei
    den Grünen das Geschrei losgeht, wenn wir diese Neu-
    baustrecken schaffen müssen.


    (Zurufe von der CDU/CSU: Richtig!)

    Aber unabhängig davon haben wir überhaupt keine Al-

    ternative dazu, auch im Straßenbau massiv weiterzu-
    kommen.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Gerade in den neuen Bundesländern muss viel geschehen,
    aber zum Beispiel auch noch in der Eifel, wo ich her-
    komme. Dort sind für eine prosperierende Wirtschaft auch
    Straßenbauten dringend notwendig. Karl Diller weiß ganz
    genau, wovon ich rede.

    Aber Sie führen die Investitionen für den Straßenbau
    im Bundesverkehrswegeplan nominal zurück. Das kann
    einfach nicht gut gehen. Wir kassieren die Autofahrer ab
    und lassen sie gleichzeitig im Stau stehen. Das kann nicht
    aufgehen, Herr Eichel!


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Ich möchte Sie noch auf eine Besonderheit aufmerk-

    sam machen, die mit den Konzessionsmodellen zu tun
    hat. Ich habe in Ihrem Haushaltsentwurf Rückzahlungen
    gesehen, die der Bund aufgrund der umgesetzten Konzes-
    sionsmodelle leistet und die im Prinzip Projekte betreffen,
    die bereits gebaut sind. Aber im Haushaltsentwurf stehen
    diese Mittel so, als würden sie gerade erst investiert. Das

    summiert sich bald auf 1 Milliarde DM. Herr Klimmt
    weiß das ganz genau.


    (Hans Eichel, Bundesminister: Das ist so, weil Sie unterfinanziert hatten! Deshalb müssen wir jetzt nachlegen!)


    – Nein, wir mussten damals bei der deutschen Wiederver-
    einigung Zeit einkaufen und haben gesagt: Es ist rechtens,
    dass man privates Kapital in den Bau von wichtigen Stra-
    ßenverkehrsmaßnahmen steckt. Das war 1990 eine völlig
    richtige Entscheidung.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Aber dass jetzt die Rückzahlungen wie Investitionen be-
    handelt werden, ist mit Blick darauf, dass ein wichtiger
    Konjunkturträger, die Bauwirtschaft, nach wie vor am
    Stock geht, nicht zu respektieren.

    Ich kann abschließend nur eines sagen: Herr Eichel,
    schaffen Sie die dritte, vierte und fünfte Stufe der Öko-
    steuer ab!


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Ziehen Sie die Steuerentlastungsschritte bei der Einkom-
    mensteuer deutlich vor, und zwar im Einklang mit den
    Bundesländern. Sie können das bezahlen, weil wir durch
    die Inflationsrate wesentlich höhere Steuereinnahmen ha-
    ben. Beseitigen Sie die Nachteile, die Personengesell-
    schaften bei Umstrukturierungsmaßnahmen im Vergleich
    zu Kapitalgesellschaften nach wie vor haben. Denken Sie
    nicht zuletzt daran, eine Unternehmensgründungskultur
    nicht durch eine Mindestbeteiligungsregelung kaputtzu-
    machen, die es nicht mehr ratsam erscheinen lässt, jungen
    Unternehmen sein Kapital zu geben.

    Schönen Dank.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Jürgen Koppelin [F.D.P.])