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ID1411601100

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Nachruf auf die Abgeordnete Ilse Schumann 11059 A Nachruf auf den Alterspräsidenten des Deut- schen Bundestages Fred Gebhardt . . . . . . . . 11059 B Eintritt der Abgeordneten Pia Maier und Ulrich Kelber in den Deutschen Bundestag . 11059 C Nachträgliche Glückwünsche zum Geburtstag der Abgeordneten Dr. Norbert Blüm, Wolfgang Weiermann, Dr. Peter Danckert, Dr. Manfred Lischewski und Rudolf Bindig 11059 D Absetzung des Tagesordnungspunktes: Erste Beratung des Gesetzentwurfes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes . . . . . . . . . . . . . 11059 D Tagesordnungspunkt 1 a) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bun- deshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2001 (Haushaltsgesetz 2001) (Drucksache 14/4000) . . . . . . . . . . . . . 11059 D b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Finanzplan des Bundes 2000 bis 2004 (Drucksache 14/4001) . . . . . . . . . . . . . 11060 A Hans Eichel, Bundesminister BMF . . . . . . . . 11060 A Dietrich Austermann CDU/CSU . . . . . . . . . . 11068 A Joachim Poß SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11072 D Dr. Günter Rexrodt F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . 11076 D Oswald Metzger BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11081 B Dr. Barbara Höll PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11085 A Hans Georg Wagner SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 11086 D Ernst Hinsken CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 11088 A Jürgen Koppelin F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . 11089 D Peter Rauen CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 11091 B Antje Hermenau BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11094 D Jürgen Koppelin F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . 11096 C Dr. Uwe-Jens Rössel PDS . . . . . . . . . . . . . . . 11097 B Jörg-Otto Spiller SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11098 D Bartholomäus Kalb CDU/CSU . . . . . . . . . . . 11101 D Hans-Eberhard Urbaniak SPD . . . . . . . . . . . . 11103 D Bartholomäus Kalb CDU/CSU . . . . . . . . . 11104 D Susanne Jaffke CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 11105 C Einzelplan 05 Auswärtiges Amt Joseph Fischer, Bundesminister AA . . . . . . . . 11107 B Karl Lamers CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 11111 A Gernot Erler SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11113 C Dr. Werner Hoyer F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . 11116 A Wolfgang Gehrcke PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 11118 A Gert Weisskirchen (Wiesloch) SPD . . . . . . . . 11119 A Peter Hintze CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 11121 A Gernot Erler SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11122 B Dr. Helmut Lippelt BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11124 B Dr. Helmut Haussmann F.D.P. . . . . . . . . . . . . 11126 B Uwe Hiksch PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11127 B Dr. Christoph Zöpel, Staatsminister AA . . . . 11128 B Plenarprotokoll 14/116 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 116. Sitzung Berlin, Dienstag, den 12. September 2000 I n h a l t : Ulrich Irmer F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11128 D Peter Hintze CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 11130 C Dr. Christoph Zöpel, Staatsminister AA . . . . 11130 D Christian Schmidt (Fürth) CDU/CSU . . . . . . 11131 A Günter Gloser SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11133 A Einzelplan 17 Bundesministerium für Familie, Senio- ren, Frauen und Jugend Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11135 A Dr. Ilja Seifert PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11138 C Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11139 A Dr. Maria Böhmer CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 11139 B Irmingard Schewe-Gerigk BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11141 D Ina Lenke F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11143 D Petra Bläss PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11145 D Hildegard Wester SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11147 A Ina Lenke F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11148 D Maria Eichhorn CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 11149 B Christian Simmert BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11151 B Dr. Ilja Seifert PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11152 B Klaus Haupt F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11153 C Christel Hanewinckel SPD . . . . . . . . . . . . . . . 11154 C Manfred Kolbe CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 11156 C Einzelplan 15 Bundesministerium für Gesundheit Andrea Fischer, Bundesministerin BMG . . . . 11159 A Wolfgang Lohmann (Lüdenscheid) CDU/CSU 11161 B Eckhart Lewering SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11163 D Dr. Ilja Seifert PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11165 A Dr. Dieter Thomae F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . 11165 C Dr. Ruth Fuchs PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11166 D Dr. Martin Pfaff SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11167 D Aribert Wolf CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 11171 C Klaus Kirschner SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 11172 A Monika Knoche BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11174 A Aribert Wolf CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 11175 A Ulf Fink CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11175 D Dr. Ilja Seifert PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11177 B Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11178 C Berichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11178 A Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 11179 A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Peter Letzgus (CDU/CSU) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Errich- tung einer Stiftung „Erinnerung, Verantwor- tung und Zukunft“ (114. Sitzung, Tagesord- nungspunkt 7 a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11179 C Anlage 3 Neudruck einer zu Protokoll gegebenen Rede zur Beratung des Antrags: Vererblichkeit von Bodenreformeigentum (105. Sitzung) . . . . . . 11179 D Anlage 4 Technisch bedingter Neudruck eines Rede- beitrages (115. Sitzung) . . . . . . . . . . . . . . . . . 11180 C Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 12. September 2000II Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 12. September 2000
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    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 12. September 2000 Dr. Ilja Seifert 11178 (C) (D) (A) (B) Berichtigung 114. Sitzung, Seite IV; Rednerliste zu Zusatztagesordnungspunkt 7, statt „Dr. Heinrich Fink (PDS)“ ist „Ulf Fink (CDU/CSU)“ zu lesen. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 12. September 2000 11179 (C) (D) (A) (B) Altmaier, Peter CDU/CSU 12.09.2000 Behrendt, Wolfgang SPD 12.09.2000* Brudlewsky, Monika CDU/CSU 12.09.2000 Bühler (Bruchsal), CDU/CSU 12.09.2000* Klaus Dr. Eid, Uschi BÜNDNIS 90/ 12.09.2000 DIE GRÜNEN Elser, Marga SPD 12.09.2000 Frick, Gisela F.D.P. 12.09.2000 Hauer, Nina SPD 12.09.2000 Heyne, Kristin BÜNDNIS 90/ 12.09.2000 DIE GRÜNEN Hörster, Joachim CDU/CSU 12.09.2000 Hoffmann (Chemnitz), SPD 12.09.2000 Jelena Dr. Hornhues, CDU/CSU 12.09.2000* Karl-Heinz Marquardt, Angela PDS 12.09.2000 Dr. Meyer (Ulm), SPD 12.09.2000 Jürgen Dr. Protzner, Bernd CDU/CSU 12.09.2000 Rauber, Helmut CDU/CSU 12.09.2000 Rupprecht, Marlene SPD 12.09.2000 Scheffler, Siegfried SPD 12.09.2000 Dr. Vollmer, Antje BÜNDNIS 90/ 12.09.2000 DIE GRÜNEN Zapf, Uta SPD 12.09.2000 * für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Peter Letzgus (CDU/CSU) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Errichtung einer Stiftung „Erinnerung, Ver- antwortung und Zukunft“ (Drucksachen 14/3206 und 14/3459) (114. Sitzung, Tagesordnungspunkt 7 a) Die NS-Herrschaft hat vielen Menschen großes Leid zugefügt. Zwangsarbeiter wurden deportiert, inhaftiert und ausgebeutet. Deutsche Unternehmen, die an diesem Unrecht betei- ligt waren, tragen eine hohe Verantwortung. Ihre Bereitschaft zur finanziellen Wiedergutmachung begrüße ich. Da in den Verhandlungen jedoch keine optimale Rechtssicherheit erzielt werden konnte, gehe ich davon aus, dass weitere Forderungen an Deutschland und deut- sche Unternehmen gestellt werden. Der Zwangsarbeiter- fonds wird kein finanzieller Schlussstrich werden. Ich bin nicht damit einverstanden, dass einige Opfer- gruppen, an die bisher bereits Entschädigungsleistungen gezahlt wurden, gegenüber anderen Opfergruppen privi- legiert werden, obwohl Letztere einem gleich schweren Schicksal ausgesetzt waren. Die Diskussion um Zwangsarbeit hat auch viele Deut- sche, die ähnliche Schicksale zu erdulden hatten (darunter auch meine Mutter), in ihrem Gerechtigkeitssinn getrof- fen. Lösungen zur Wiedergutmachung für diese Menschen sind weder in der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ noch an anderer Stelle vorgesehen. Ich stimme dem Gesetzentwurf nicht zu. Anlage 3 Neudruck einer zu Protokoll gegebenen Rede zurBeratung des Antrags: Vererblichkeit von Bo- denreformeigentum (105. Sitzung, Seite 9916 D) Steffi Lemke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Wir ha- ben den Antrag der PDS-Fraktion zum Thema „Ver- erblichkeit von Bodenreformeigentum“, Drucksache 14/1063, bereits vor einem Jahr, am 24. Juni 1999, an die- ser Stelle behandelt. Gegenstand der heutigen Debatte ist die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Angele- genheiten der neuen Länder vom 16. Dezember 1999 zu dieser Thematik. Die mit dem Zweiten Vermögensrechtsänderungs- gesetz 1992 in das EGBGB eingefügten Regelungen des Art. 233, §§ 11 bis 16 waren und sind die notwendigen Konsequenzen aus unregelmäßiger Rechtsanwendung in der ehemaligen DDR. Die Quelle der Ungerechtigkeit müssen Sie dort verorten, werte Kolleginnen und Kollegen von der PDS, und für diesen Zustand tragen Sie ein Stück Mitverantwortung. Der Bundesgesetzgeber hat sich 1992 aus gutem Grund für die so genannte Nachzeichnungsregelung entschieden. Nur so konnte eine Gleichbehandlung aller Erben von Bo- denreformland erreicht werden. Es ging dabei nicht nur darum, eine formale Rege- lungslücke zu schließen; es ging vielmehr darum, eine Gleichbehandlung zu erreichen, und zwar zwischen den- jenigen Neubauern-Erben, die bereits zu DDR-Zeiten ihr Bodenreformgrundstück verloren hatten, weil die zustän- digen Behörden die Besitzwechselvorschriften konse- quent angewandt haben, und denjenigen Personen, bei denen die Behörden aufgrund der praktischen Bedeu- tungslosigkeit des Privateigentums an Grund und Boden eine konsequente Löschung im Grundbuch vernachlässigt haben. Es geht also im Kern um die Frage: Welche Lösung hat der bundesdeutsche Gesetzgeber, welche Lösung hat die- ses Parlament gewählt, um ein inkonsistentes und will- kürliches Handeln der DDR-Behörden im Nachhinein unter Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes zu korrigieren? Unter diesen Vorbedingungen war die Nachzeich- nungsregelung der einzig gangbare Weg. Man kann die Nachzeichnungsregelung mit der einfachen Formel ver- anschaulichen: Kein Neubauern-Erbe soll dadurch be- nachteiligt sein, dass die DDR-Behörden die Besitzwech- selvorschriften konsequent umgesetzt haben, bzw. umgekehrt: Kein Neubauer-Erbe soll dadurch einen Vor- teil gewinnen, dass die DDR-Behörden die Besitzwech- selvorschriften nachlässig angewendet haben. Es ging hier also darum, den durch die Willkür der DDR-Behörden entstandenen Zustand nach dem Gleichbehandlungs- grundsatz aufzulösen. Dies war nur über die Nachzeich- nungsregelung möglich, mit der das Kriterium der Zutei- lungsfähigkeit in das bundesdeutsche Recht eingefügt wurde. Der Bundesgerichtshof hat in seinen Urteilen vom De- zember 1998 zwar anerkannt, dass eine grundsätzliche Vererbbarkeit von Bodenreformland in der DDR gegeben war – aber er ist nicht so weit gegangen, daraus einen Än- derungsbedarf beim geltenden Recht abzuleiten. Vielmehr gilt nach wie vor die Definition der Zuteilungsfähigkeit, die der BGH mit seinem Urteil vom 18. Juli 1997 gegeben hat. Danach ist zuteilungsfähig im Wesentlichen nur der- jenige Erbe, der am 15. März 1990 in der Landwirtschaft tätig war. Inzwischen sind zehn Jahre vergangen, und die Länder haben mit unterschiedlichem Nachdruck die Überprüfung der Grundbücher betrieben, um das Eigentum an Boden- reformgrundstücken zu klären. Das Land Mecklenburg- Vorpommern, in dem auch die meisten Bodenreform- grundstücke liegen, ist hierin am weitesten fortgeschritten: 97 Prozent der Fälle sind bislang überprüft worden. In 7 Prozent der Fälle wurde ein Anspruch des Landes als so genannter „Besserberechtigter“ an einem Bodenreform- grundstück festgestellt, weil kein zuteilungsfähiger Erbe vorhanden war. In 0,1 Prozent der Fälle hat das Land auf- grund persönlicher Härten der Betroffenen auf seine An- sprüche verzichtet. Ich bin der Auffassung, dass sich an diesen Zahlen zeigt, dass in der überwiegenden Zahl der Fälle die An- wendung der bestehenden Gesetze zu Klarheit und einer abschließenden Regelung der Eigentumsfragen geführt hat. Damit ist zehn Jahre nach der deutschen Einheit die rechtmäßige Zuordnung der Bodenreformgrundstücke weitestgehend abgeschlossen. Ich glaube, dass wir zehn Jahre nach der deutschen Ein- heit auf einem guten Weg sind, dieses schwierige Kapitel des Einigungsprozesses abzuschließen. Klar ist aber auch – und das möchte ich der Ehrlichkeit halber sagen –, dass vollständige Gerechtigkeit auf diesem Gebiet nicht zu er- reichen ist. Anlage 4 Technisch bedingter Neudruck eines Redebei- trages (115. Sitzung, Seite 11022 C) Dr. Jürgen Meyer (Ulm) (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich die Debatte über die europäische Grundrechte-Charta mit zwei Vorbemerkungen beginnen. In der letzten Sitzung des Konvents in Brüssel hat das Präsidium mitgeteilt, dass Roman Herzog den Vorsitz des Konvents demnächst wieder übernehmen wird. (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der F.D.P.) Wir alle wissen, dass er wegen der schweren Erkrankung seiner Frau den Vorsitz im Konvent niedergelegt hatte. Die Rückkehr von Roman Herzog ist vom Konvent und, wie ich sehe, auch von Ihnen sehr positiv aufgenommen worden. Roman Herzog gelingt es, mit seiner Kompetenz und seinem Ansehen, auch widerstreitende Gruppen im Konvent zusammenzuführen und das Projekt der Grund- rechte-Charta zum Erfolg zu führen. Meine zweite Vorbemerkung gilt der Rede von Präsi- dent Chirac, die er im Deutschen Bundestag gehalten hat. Ich fand es sehr erfreulich, dass Präsident Chirac deutlich gemacht hat, dass es auch bei der Grundrechte-Charta da- rum geht, mehr Demokratie in Europa zu wagen. Dies spiegelt sich bereits in der Zusammensetzung des Kon- vents wider, denn drei Viertel der Mitglieder dieses Gre- miums sind Parlamentarier. Es ist ein Signal für mehr De- mokratie, wenn eine Weichenstellung in Richtung einer Konkretisierung der Werteordnung in Europa durch ein solches Gremium vorgenommen wird. Deshalb sollten wir alle dazu beitragen, das Projekt zum Erfolg zu führen. Weil wir in früheren Debatten und auch in der Debatte im Mai in diesem Hause ein hohes Maß an Konsens fest- gestellt hatten, habe ich seinerzeit vorgeschlagen, nach- dem die Anträge der Koalitionsfraktionen einerseits und der Oppositionsfraktionen andererseits vorgelegt worden waren, diese zu einer gemeinsamen Entschließung zu- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 12. September 200011180 (C) (D) (A) (B) sammenzufassen. Die fast zweimonatigen Bemühungen nach der letzten Debatte schienen erfolgreich zu sein. Lei- der ist es heute doch nicht möglich, eine gemeinsame Ent- schließung zu verabschieden. Bevor ich dazu eine Bemerkung mache, möchte ich aber feststellen, dass alle Fraktionen in diesem Parlament in zahlreichen Punkten inhaltlich übereinstimmen. Wir sind uns darin einig, dass die Arbeiten des Konvents zur Erarbeitung der Grundrechte-Charta weiter unterstützt werden. Wir sind uns einig darin, dass die Bedeutung der Grundrechte-Charta auch in der deutschen Öffentlichkeit erkannt und gewürdigt und darüber eine breite gesell- schaftliche Debatte geführt werden sollte. Gemeinsam fordern wir die Bundesregierung auf, für den Beitritt der Europäischen Union zur Europäischen Menschenrechtskonvention einzutreten. Wir sind uns ei- nig darin, dass der Konvent fortschrittliche und für die eu- ropäische Integration zentrale Grundrechte formulieren sollte, wozu insbesondere ein Diskriminierungsverbot, ein aktives Gleichstellungsgebot sowie kulturelle Grundrech- te gehören. Wir sind uns auch einig darin, dass die Auf- nahme von wirtschaftlichen und sozialen Rechten unter Berücksichtigung der europäischen Sozialcharta und der Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Ar- beitnehmer in die Charta unterstützt werden sollte. Und: Ich denke, wir sind uns einig darüber, dass sich die Bun- desregierung im Europäischen Rat für die Rechtsverbind- lichkeit der Grundrechte-Charta mit individueller Kla- gemöglichkeit einsetzen sollte. Nun werden manche mit Recht fragen: Warum legen die Fraktionen des Deutschen Bundestages angesichts ei- ner derart weitreichenden inhaltlichen Übereinstimmung nicht eine gemeinsame Entschließung vor? Dabei kann es natürlich nicht darum gehen, so etwas wie einen „Ein- heitsbrei“ herzustellen oder abstrakte Formulierungen zu Papier zu bringen, die letztlich wenig aussagen. Die Sub- stanz dessen, was uns verbindet, ist so groß, dass die Fra- ge, warum es nicht zu einer gemeinsamen Entschließung gekommen ist, nur schwer beantwortet werden kann. Die uns Anfang dieser Woche von der CDU/CSU-Frak- tion mitgeteilte Ablehnung kam für viele von uns völlig überraschend. Ich habe natürlich versucht, rational nach- zuvollziehen, worauf sich diese Ablehnung gründet, und festzustellen, ob sie vielleicht nur ein Mittel ist, Profil auf einem ungeeigneten Feld der Auseinandersetzung zu ge- winnen. Vonseiten der CDU/CSU wurde – es hat ja keinen Sinn, darum herumzureden – bezüglich des Grundrechts auf Asyl auf angeblich unüberbrückbare Meinungs- unterschiede hingewiesen. Dies verwundert uns, da wir uns ursprünglich auch mit der CDU/CSU darauf verstän- digt hatten, uns dem Bekenntnis des Europäischen Rates von Tampere, dem künftigen europäischen Asylrecht die Genfer Flüchtlingskonvention uneingeschränkt und all- umfassend zugrunde zu legen, anzuschließen. Ich bin der Auffassung, dass die auf nationaler Ebene sicherlich notwendige Auseinandersetzung um das von der CDU/CSU-Fraktion lediglich gewünschte institutio- nelle Asylrecht und das von uns weiterhin für richtig er- achtete einklagbare individuelle Grundrecht auf Asyl auch geführt werden muss. Aber heute geht es um die Beratun- gen des Konvents in Brüssel. Ich finde, man sollte die Aus- einandersetzung, die auf nationaler Ebene zu führen ist, vor allem dann nicht nach Brüssel verlagern, wenn man sie auf nationaler Ebene nicht gewinnen kann; denn für eine Grundgesetzänderung gibt es keine Mehrheit. Außerdem werden wir in die Grundrechte-Charta auf- nehmen, dass das Niveau weiter gehender nationaler Grundrechte durch die Charta nicht abgesenkt werden darf. Diese Forderung wurde von Delegierten verschiede- ner Länder erhoben. Die Finnen sind zum Beispiel in Sorge, dass das Niveau ihrer hochmodernen Verfassung durch die Grundrechte-Charta gesenkt werden könnte. Dies darf nicht geschehen. Deshalb sind wir der Auffas- sung – mit den eben skizzierten Folgen für das deutsche Asylrecht –, dass durch die Grundrechte-Charta der hohe Grund-rechtsstandard der nationalen Verfassungen in kei- nem Fall gesenkt werden darf. Darauf haben wir uns be- reits verständigt. Warum also streiten wir im Zusammen- hang mit der Charta dann über diesen Punkt? Ein weiteres Thema, mit dem wir uns in den nächsten zwei Wochen im Konvent sehr intensiv beschäftigen wer- den, sind die sozialen Grundrechte. Wir hatten uns ei- gentlich darauf verständigt, klarzustellen: Es ist an der Zeit, die immer wieder beschworene Unteilbarkeit und Universalität der Menschenrechte auch dadurch zu doku- mentieren, dass – dem Auftrag von Köln entsprechend – die wirtschaftlichen und sozialen Grundrechte Eingang in die Charta finden. Warum streiten wir also darüber? Im Konvent besteht Einigkeit, dass durch die Grundrechte- Charta die Kompetenzen der EU-Organe nicht erweitert werden dürfen. Ich bin der Auffassung, wir sollten gemeinsam überle- gen, ob die bevorstehende Debatte im Konvent in Brüssel nicht auch von uns unterstützt werden sollte. Es ist offen- sichtlich, dass es Streit über die sozialen Grundrechte gibt. Wer wollte das in Abrede stellen? Es ist auch offensicht- lich, dass einige Länder großen Wert darauf legen, eine Vielzahl sozialer Grundrechte zu formulieren. Wir sind da- gegen der Auffassung – ich habe das eben als gemeinsa- me Auffassung dargestellt –, dass man nur Grundrechte formulieren sollte, die auch einklagbar sind. Deshalb wer- be ich um Unterstützung für den Versuch – den ich ge- meinsam mit dem Delegierten der französischen Regie- rung, Herrn Braibant, unternommen habe –, in dieser Frage einen Mittelweg zu finden. Roman Herzog hat, als die Debatten im Konvent sehr streitig ausgetragen wurden, die Mitglieder des Konvents ausdrücklich aufgefordert, einen solchen Mittelweg zu suchen. Dieser sollte auf drei Säulen beruhen. In die Präambel der Charta und in die Überschrift des Kapitels über die so- zialen Grundrechte sollte – als erste Säule – der Grundsatz der Solidarität festgeschrieben werden. Als zweite Säule sollten in acht Artikeln, gruppiert um die Elemente Arbeit, Gesundheit, Bildung und soziale Sicherheit, die Respek- tierung und der Schutz sozialer Grundrechte in die Charta aufgenommen werden. In der dritten Säule sollte deutlich gemacht werden: Es wird auch künftig Konventionen mit neuen – auch sozialen – Grundrechten geben. Diese sind, wenn alle Mitgliedstaaten zugestimmt haben, Grundlage der Auslegung und Anwendung der Charta. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 12. September 2000 11181 (C) (D) (A) (B) Um deutlich zu machen, dass wir uns eigentlich ver- ständigen könnten, will ich einmal die drei Sätze vorlesen, die Herr Braibant und ich in Bezug auf das Recht auf Ar- beit vorgeschlagen haben. Ich wüsste gerne, ob irgendje- mand in diesem Raum ist, der der folgenden Formulierung nicht zustimmen kann: Jeder hat das Recht zu arbeiten und das Recht auf Schutz seines Arbeitsplatzes. Insbesondere hat jeder das Recht, seinen Beruf frei zu wählen und auszu- üben, sowie das Recht auf freien Zugang zu unent- geltlicher Arbeitsvermittlung. Jeder hat Anspruch auf Schutz vor ungerechtfertigter oder missbräuchlicher Entlassung. Wer kann gegen ein so formuliertes soziales Grundrecht auf Arbeit sein? (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Ich habe gehört, dass die Debatte in der CDU/CSU- Fraktion letztlich deshalb zur Ablehnung einer gemeinsa- men Entschließung geführt hat, weil man sich über die Aufnahme eines kleinen Satzes nicht einig geworden ist. Wir haben im Entwurf der gemeinsamen Entschließung folgenden Satz vorgesehen: Die Charta soll klarstellen, dass gleichgeschlechtli- che Paare nicht benachteiligt werden dürfen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Was haben Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU-Fraktion, gegen diesen Satz? Mir ist schon klar, dass ich eigentlich diejenigen Ihrer Kollegen anspre- chen müsste, die nicht da sind. (Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Herr Altmaier wird das gleich in vernichtender Deut- lichkeit klarmachen!) Bezogen auf den von Ihnen kritisierten Satz darf ich Ih- nen in Erinnerung rufen, was Sie vor kurzem auf Ihrem Parteitag in Essen zu diesem Thema beschlossen haben und auch von Ihrer Vorsitzenden, Frau Merkel, sehr un- terstützt worden ist. Ich zitiere aus Ihrem Parteitagsbe- schluss: Wir respektieren die Entscheidung von Menschen, die in anderen Formen der Partnerschaft ihren Le- bensentwurf zu verwirklichen suchen. (Peter Hintze [CDU/CSU]: So ist es!) Wir anerkennen, dass auch in solchen Beziehungen Werte gelebt werden können, die für unsere Gesell- schaft grundlegend sind. Dies gilt für nicht eheliche Partnerschaften zwischen Frauen und Männern; dies gilt auch für gleichgeschlechtliche Partnerschaften. Wir werben für Toleranz und wenden uns gegen jede Form von Diskriminierung. (Beifall im ganzen Hause) Verehrte Kolleginnen und Kollegen, genau dies hatten wir für unsere gemeinsame Entschließung vorgesehen. (Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Schreiben Sie das in die Charta und wir stimmen zu!) Mir ist klar, dass Sie in Ihrer Fraktion dafür gekämpft haben, sich aber letztlich gegenüber Ihren CSU-Kollegen nicht durchsetzen konnten. Ich bitte Sie dringend, dieses Problem zu lösen und nicht zuzulassen, dass das, was Frau Merkel zu diesem Thema gesagt und durchgesetzt hat, von Herrn Stoiber wieder aus dem Gefecht gezogen wird. (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Wir stehen ja gar nicht im Gefecht! Nicht so martialisch!) Ich habe sehr genau beobachtet, dass Sie in unserer letz- ten Debatte am 18. Mai irritiert reagierten, als der CSU- Kollege Dr. Müller als ausdrückliche Bedingung für die Ratifizierung der Charta bezeichnete: Wir wollen keine Kompetenzausweitung, sondern er- warten Kompetenzbeschränkungen. Wie kann man so etwas von der Grundrechte-Charta, die sich mit der Kompetenzfrage bekanntlich nicht zu befas- sen hat, überhaupt erwarten? Kommen Sie zu einer ver- nünftigen Einigung mit den CSU-Kollegen in Ihrer Frak- tion! Wenn das geschehen ist, dann legen wir – das ist meine Überzeugung – wieder gemeinsame Entschließun- gen vor. Die Grundlage dafür ist breit genug. Lassen Sie uns gemeinsam feststellen: Es geht bei der Grundrechte-Charta um die Identität der Europäer, die ih- re Werteordnung, an die sie gebunden sind, deutlich ma- chen sollten. Genauso wichtig ist: Es geht um die Kon- trolle von Machtausübung durch die EU-Organe in Brüssel. (Sabine Leutheusser-Schnarrenberger [F.D.P.]: Das ist der Kern!) Dass wir dafür gemeinsam eintreten, sollte künftig wieder deutlicher werden, als es heute durch Mehrheitsentschei- dungen über einen Antrag der Koalition deutlich werden kann. Überlegen Sie bitte, ob Taktik nicht Übertaktieren bedeutet, wenn man die Taktik über die Sache stellt. Ich werde mich jedenfalls durch die Abstimmungen, die heute leider nicht im Konsens erfolgen werden, nicht davon abhalten lassen, auch mit den Europapolitikern der Oppositionsfraktionen, die für eine gemeinsame Ent- schließung gekämpft haben und denen es in erster Linie um die Sache und nicht um parteitaktischen Vorteil geht, weiter konstruktiv zusammenzuarbeiten. Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 12. September 200011182 (C) (D) (A) (B) Druck: MuK. Medien-und Kommunikations GmbH, Berlin
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    Rede von Oswald Metzger


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn diese
    Woche die größte Oppositionsfraktion eine Kampagne
    unter dem Motto „Ökosteuer k.o.“ startet, dann muss ich
    sagen: Dem Kollegen Austermann und zum Teil auch dem
    Kollegen Rexrodt gehen die Argumente aus. Die Argu-
    mente der Opposition gehen angesichts der soliden Fi-
    nanzpolitik k.o.


    (Zuruf von der CDU/CSU: Oh!)

    Das ist die Wahrheit.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Herr Kollege Rexrodt, ich fange mit Ihnen an. Mit
    vollen Hosen ist gut stinken. Wer als Partei 30 Jahre in der
    Regierung war – der Finanzminister hat daran erinnert, in
    den 70er-Jahren mit den Sozialdemokraten und in den
    90er-Jahren mit der CDU; beides waren Phasen, in denen

    die Verschuldung in diesem Land in Bezug auf die wirt-
    schaftliche Leistungskraft am stärksten explodierte –, hat
    keinen Grund, von solider Finanzpolitik und auch davon
    zu reden, dass die Finanzpolitik nur durch die Wieder-
    vereinigung bestimmt wurde.

    Dieses Land hat auf Kosten zukünftiger Generationen
    gelebt. Diesen Schuh müssen sich alle Parteien anziehen.
    Deshalb ist es richtig, wenn jetzt eine Idee aus der ökolo-
    gischen Bewegung – nämlich die Idee der Nachhaltig-
    keit, die besagt, dass man auf diesem Planeten so lebt,
    dass unsere Kinder und Enkel Luft zum Atmen haben –
    auf die Finanzpolitik des Staates und auf die Reform der
    Systeme der sozialen Sicherung übertragen wird. Dazu
    gehören Schlagworte wie Generationengerechtigkeit,
    Nachhaltigkeit in der Finanzpolitik, Abbau der Staats-
    schulden, ausgeglichene Haushalte und Gestaltungsspiel-
    räume für die Jungen in diesem Land, die in der Zukunft
    die Generation bilden, die gestaltet.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Dieses Grundprinzip aus der Ökologie möchte ich jetzt
    herunterbrechen auf Argumente, die Sie, Kollege Rexrodt
    und Kollege Austermann, in die Debatte eingeführt
    haben. Sie sagen, es seien Windfall Profits, wenn jetzt
    100Milliarden DM aus der Frequenz-Versteigerung ein-
    genommen werden, weil die Sozialdemokratie die
    Privatisierung der Telekom und der Post schließlich
    bekämpft habe. Das stimmt.


    (Jürgen Koppelin [F.D.P.]: Ihr auch!)

    Aber Sie vergessen, dass diese Privatisierung den öf-

    fentlichen Haushalten auch Lasten zuschiebt, die wir alle
    die nächsten 45 Jahre tragen müssen.


    (Dr. Konstanze Wegner [SPD]: 820 Milliarden DM!)


    – Kollegin Wegner, das ist richtig. – Wir müssen 820 Mil-
    liarden DM Lasten aufgrund der Pensionen an frühere
    Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Postunternehmen
    zahlen. Wenn Sie diese Lasten versicherungsmathema-
    tisch korrekt auf Barwert abzinsen, dann errechnet sich
    eine Last von 200 Milliarden DM. Wenn Sie ehrlich sind,
    müssen Sie zugeben, dass diese Last spürbar ist.


    (Dr. Günter Rexrodt [F.D.P.]: Das weiß ich! Die verteilen sich aber, lieber Herr Metzger!)


    – Die Lasten verteilen sich. Aber die Barwertmethode
    zeigt uns, dass diese Lasten in Zukunft bestehen und dass
    normale Steuermittel fällig sind, wenn das Eigentum des
    Bundes durch Privatisierungen für Pensionszahlungen so-
    zusagen verbraucht ist.

    Allein zwischen 2000 und 2004 steigen die Ausgaben
    für die Postunterstützungskassen um etwa 2,5 Milliar-
    den DM auf rund 11 Milliarden DM. Angesichts dieser
    Zahlen wäre ich an Ihrer Stelle mit der Aussage höllisch
    vorsichtig: Ihr habt die Privatisierung bekämpft und jetzt
    macht Ihr Windfall Profits. – Wir sorgen für das einzig
    Richtige, nämlich dass diese Sondereinnahmen in die Til-
    gung fließen und somit nicht vervespert werden, damit
    wir künftig Mittel haben, um diese Last abzufedern. So
    sehen die Fakten aus.




    Dr. Günter Rexrodt

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    (B)


    Kollege Austermann, Sie erklären zum wiederholten
    Male – durch Wiederholung wird es aber nicht wahr –,
    dass die Ausgaben des Bundes zwischen 1998 und 2002
    in Wirklichkeit massiv gestiegen seien. Was Sie unter-
    schlagen, ist, dass Sie mit Ihrer Finanzpolitik Schatten-
    haushalte wie zum Beispiel für Postunterstützungskassen
    unterhalten haben. Ich war bei den entsprechenden Ver-
    handlungen dabei. Die Postunterstützungskassen mit ei-
    nem Volumen von rund 10 Milliarden DM waren bis zu
    unserem ersten Etat außerhalb des Bundeshaushaltes an-
    gesiedelt, was bereinigt werden musste. Sie unterschlagen
    ferner Kosten für Kindererziehungszeiten in Höhe von
    über 23 Milliarden DM, die es zu Ihrer Zeit noch nicht in
    Form eines Bundeszuschusses an die Rentenkasse gab.
    Das sind Ausgaben, die wir etatisieren mussten.

    Was Sie auch vergessen, ist, dass wir die Einnahmen
    aus der von Ihnen kritisierten Ökosteuer als Bundeszu-
    schuss an die Rentenversicherung verwenden. Das
    führt dazu, dass die Beiträge anstatt bei annähernd 21 Pro-
    zent heute bei 19,3 Prozent liegen. Das ist die Wahrheit;
    sie tut weh. Man muss sie zur Kenntnis nehmen und kann
    nicht einfach nur grölen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Genauso ist es, wenn die Ausgaben nach verschiede-
    nen Fachbereichen bereinigt werden. Das möchte ich
    heute nicht tun, weil es mir mehr um die Generallinie
    geht.

    Nur wir in der Koalition haben eine Spardebatte ge-
    führt. Die Opposition war ja abgetaucht, weil Kochs
    Schatten verhinderte, dass sich die zwischen Merz,
    Merkel und Austermann bestehenden unterschiedlichen
    Meinungen über die Verwendung der UMTS-Erlöse öf-
    fentlich niederschlagen konnten. Eine entsprechende Dis-
    kussion gab es nur zwischen den Haushaltspolitikern der
    Koalition bzw. zwischen ihren beiden Fraktionen. Wir
    Haushaltspolitiker haben natürlich die Aufgabe, darauf
    hinzuweisen, dass es, wenn man konsolidiert, nötig ist, zu
    bestimmten Forderungen Nein zu sagen. Wir sagen aber
    nicht nur Nein; wir wollen nicht nur sparen, sondern auch
    Spielräume mobilisieren, damit investiert werden kann.

    Ihre Hauptangriffsfläche, Kollege Austermann, und die
    des Kollegen Rexrodt war festzustellen, dass die Investi-
    tionen im Vergleich zu den Ausgaben des Bundes relativ
    gesehen sinken.


    (Dr. Günter Rexrodt [F.D.P.]: Absolut!)

    Dazu kann ich Folgendes festhalten: Nachdem wir wis-
    sen, wie hoch die UMTS-Erlöse sein werden, werden wir
    anlässlich der Haushaltsberatungen im zuständigen Aus-
    schuss in den nächsten Monaten und spätestens in der
    Bereinigungssitzung dafür Sorge tragen, dass die Investi-
    tionsausgaben im Vergleich zum Regierungsentwurf um
    annähernd 4 Milliarden DM erhöht werden. Sie werden
    dann feststellen: Die Investitionen werden höher liegen
    als im laufenden Jahr. Wir werden den Haushalt in seinen
    Eckpunkten, also beim Ausgabevolumen, so wie im Ent-
    wurf der Regierung vorgesehen, bestehen lassen. Wir
    werden die Ausgaben nicht steigern. Dadurch verbessert

    sich also relativ gesehen die Situation bei den Investitio-
    nen.


    (Dr. Günter Rexrodt [F.D.P.]: Das werden wir einmal sehen, mein Lieber!)


    Wir werden nur in den Bereichen Investitionen etatisie-
    ren, die im nächsten Jahr nach Menschenmöglichkeit
    auch tatsächlich abfließen. Es kommt also nicht zu
    Scheinbuchungen, sondern zu Investitionen in die Zu-
    kunftsbereiche unserer Volkswirtschaft.

    Die ganze Welt regt sich doch zurzeit über höhere
    Energiekosten auf. Natürlich muss angesichts des beste-
    henden Massenverkehrs das öffentliche Verkehrssystem
    in Deutschland attraktiver bzw. pünktlicher werden. Dass
    der Schwerpunkt der Koalition auf der Bahn liegt, ist ab-
    solut in Ordnung. Angesichts dessen, dass in den letzten
    Jahren die Zahl der Langsamfahrstrecken von 200 auf
    1 000 explodiert ist und sich Fahrgäste aufregen, dass die
    Fahrpläne nicht eingehalten werden, ist es nötig, diese
    Defizite der Bahn zu beseitigen. Dafür werden wir die ent-
    sprechenden Mittel zur Verfügung stellen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Sie sagten, dass, wenn man seine Heizkostenrechnung
    anschaut, vor allem im Altbaubestand dieser Republik die
    Wärmedämmung extrem zu wünschen übrig lässt. – Das
    ist richtig; das merken ja auch wir. – Unter der Regierung
    Kohl – das war 1990 – hatten Sie sich verpflichtet, bis
    2005 eine Minderung des CO2-Ausstoßes um 25 Pro-zent zu erreichen. Kanzler Schröder hat sich verpflichtet,
    an diesem Ziel festzuhalten. Angesichts all dieser Punkte
    müssen wir für die Menschen, die mit Altbauten zu tun ha-
    ben, das heißt für Vermieter, Hauseigentümer und Mieter,
    etwas tun, indem der Staat in diesem Bereich den Klima-
    schutz ernst nimmt und über entsprechende Anreize, über
    die Staatsbank KfW, Einsparmaßnahmen im Energie-
    bereich finanziert.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Das ist absolut richtig, ist eine Zukunftsinvestition und
    verhindert, dass die Menschen, vor allem sozial schwä-
    chere Schichten, durch hohe Energiepreise stranguliert
    werden. Das ist ein Angebot an die Bevölkerung. Auch
    das sollte man zur Kenntnis nehmen.

    Im Bildungs- und Forschungsbereich ist es ähnlich.
    Natürlich werden wir die aus Zinsersparnissen entstehen-
    den Spielräume nutzen, indem wir in diesem Bereich die
    Mittel erhöhen. Zu Ihrem platten Zahlenvergleich, Herr
    Kollege Rexrodt, den Sie in Bezug auf die Jahre 1998 und
    2001 angestellt haben: Sie sollten sich den Aufwuchs im
    Bildungs- und Forschungsbereich auch in Relation zu den
    anderen Ressorts ansehen.


    (Dr. Günter Rexrodt [F.D.P.]: Das interessiert die Leute in der Hochschule gar nicht!)


    – Seien Sie ganz friedlich. Wir erhöhen die Mittel für den
    Hochschulbereich im nächsten Jahr um 200 bzw. 300Mil-
    lionen DM. Dies ist ein schlechtes Beispiel, das Sie hier




    Oswald Metzger
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    angeführt haben, denn in diesem Bereich wird wirklich er-
    höht. Auch beim BAföG wird erhöht. Der Finanzminister
    hat die entsprechenden Zahlen genannt. Ich wäre sehr
    vorsichtig. Denn wenn wir in medias res gehen, werden
    Sie sofort merken, dass es zu vielen plausibel klingenden
    Einwänden von Ihnen Gegenargumente gibt, angesichts
    der Sie nicht so gut aussehen wie in einer oberflächlich
    geführten, polemischen Debatte.

    Die Grundauseinandersetzung in der Finanzpolitik
    in unserer Gesellschaft muss man auf ein ordnungspoli-
    tisches Fundament stellen; das wissen Sie. Wenn wir wol-
    len, dass die – dies sage ich bewusst – durch die poli-
    tischen Parteien dieser Republik seit Jahrzehnten verur-
    sachte Verschuldung auf Bundes-, Landes- und selbst auf
    kommunaler Ebene ein Ende hat, muss man ein Konzept
    verfolgen, das lautet: Rückführung der Verschuldung
    über die Ausgabenseite; das tun wir. Man muss zudem
    Steuern senken; das tun wir. Zu Ihrem Leidwesen haben
    wir vor der Sommerpause eine der größten Steuerrefor-
    men der Geschichte beschlossen und auch durchgesetzt,
    die auch den Mittelstand entlastet, Kollege Rexrodt.


    (Dr. Günter Rexrodt [F.D.P.]: Relativ zu den Großen!)


    Sie unterschlagen das komplett. Lassen Sie das die Steu-
    erberater durchrechnen. Die entscheidende Entlastung ist
    der faktische Verzicht auf die Gewerbeertragsteuer. Das
    werden die Unternehmen im nächsten Jahr merken.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Es ist zwar richtig, dass der Grenzsteuersatz erst im

    Jahre 2005 auf 42 Prozent sinkt. Das stimmt, aber die Ge-
    werbeertragsteuerverrechnung greift schon im nächsten
    Jahr, und das ist faktisch die Entlastung der mittelstän-
    dischen Unternehmen. Das können Sie nachrechnen.

    Wir haben Steuerentlastungen durchgesetzt. Das ist ein
    Teil der Konsolidierungsrendite, wir führen die Schulden
    des Staates stetig und verlässlich zurück und lassen die
    Bevölkerung an der Konsolidierung partizipieren, indem
    wir die Steuern senken.

    Wir setzen darüber hinaus eine neue Konzeption im
    Bereich der Systeme der sozialen Sicherung um. Die Ren-
    tenreform, über die derzeit debattiert wird, hat doch
    über alle parteipolitischen Auseinandersetzungen hinweg
    einen entscheidenden konsensualen Ansatz: Wir müssen
    uns ein Stück weit von der reinen Umlagefinanzierung
    verabschieden, weil wir sonst der Alterspyramide unserer
    Gesellschaft nicht vernünftig begegnen können und die
    Kinder und Enkel zu den Verlierern des Umlagesystems
    machen, die, wenn sie selbst ins Alter gekommen sind,
    von geringen Rentenansprüchen leben müssen, während
    sie in ihrer aktiven Zeit hohe Steuern und Abgaben für die
    alte Generation bezahlen mussten. Deshalb ist der Ein-
    stieg in die private Vorsorge absolut richtig.

    Wenn wir diese Reform in den nächsten Monaten
    durchsetzen, und zwar möglichst im Konsens mit der ge-
    samten Gesellschaft – das wurde heute schon angespro-
    chen –, dann ist ein weiterer ordnungspolitisch wichtiger
    Schritt auf dem Weg zur nachhaltigen Konsolidierung der
    Staatsfinanzen und zur Reform der Systeme der sozialen

    Sicherung getan worden. Das nennt man Generationen-
    gerechtigkeit.

    Betrachten wir nun den Bereich der ökologischen Mo-
    dernisierung der Volkswirtschaft, von dem schon die
    Rede war. Dazu gehört als Mosaiksteinchen die Effizi-
    enzsteigerung im Energiesektor, und das weiß jeder von
    uns. Ich komme jetzt zu der vordergründigen Attacke der
    Opposition, die von der Gesellschaft als Resonanzkörper
    verstärkt wird. Wenn ich in den Zeitungen lese, was man-
    che Journalisten darüber schreiben, dann muss ich den
    Kopf schütteln und zweifle, ob diese Journalisten über-
    haupt noch wissen, was in diesem Land gespielt wird.

    Die Koalition hat zwölf Pfennig Ökosteuer und darauf
    zwei Pfennig Mehrwertsteuer erhoben. Dieses Geld floss
    bis auf 200 Millionen DM, die für die Förderung regene-
    rativer Energien ausgegeben wurden, komplett in die Sen-
    kung des Rentenversicherungsbeitrags. Das heißt nichts
    anderes, als dass der Durchschnittsarbeitnehmer mit ei-
    nem Vollarbeitsplatz in der gewerblichen Wirtschaft in
    Deutschland, der brutto rund 5 000 DM monatlich ver-
    dient, seit dem Ende Ihrer Regierungszeit einen halben
    Prozentpunkt weniger Rentenversicherungsbeitrag be-
    zahlt und damit 25 DM mehr netto im Monat hat. Das ist
    die Gegenrechnung.

    Wenn Sie, die Union oder die F.D.P., den Menschen
    verkaufen wollen, wir sollten die Ökosteuer aussetzen,
    dann müssen Sie ihnen auch sagen, dass sie dann 25 DM
    netto im Monat weniger in der Tasche haben werden, weil
    der Rentenversicherungsbeitrag auf 20,3 Prozent respek-
    tive eher auf 21 Prozent steigen wird.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Das ist doch Unsinn!)


    – Kollege Hinsken, diese einfache Wahrheit stimmt. Sie
    als Selbstständiger sollten wissen, dass gerade der perso-
    nalintensive Mittelstand von der Senkung der Arbeitskos-
    ten profitiert hat, weil der Arbeitgeber pro Arbeitnehmer
    ebenfalls einen halben Prozentpunkt weniger zahlen
    musste.


    (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Die sinken doch gar nicht!)


    – Die Sozialversicherungsbeiträge sinken und sie werden
    weiter sinken.


    (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: 41,5 Prozent!)


    Wenn Sie dem Finanzminister heute aufmerksam zu-
    gehört haben, wird Ihnen klar geworden sein, dass wir,
    wenn es die Konjunktursituation zulässt – aus heutiger
    Sicht lässt sie es zu und meine Fraktion hat dazu gestern
    einen Beschluss gefasst –, im Jahre 2002 bei der Arbeits-
    losenversicherung die Chance haben werden, den Bei-
    tragssatz zu senken und das in der Koalitionsvereinbarung
    angestrebte Ziel, in dieser Legislaturperiode mit den So-
    zialversicherungsbeiträgen unter 40 Prozent zu kommen,
    erreichen. Sie werden sich noch wundern.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)





    Oswald Metzger

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    (D)



    (A)



    (B)


    Wir verfolgen das Ziel der Senkung von Steuern und Ab-
    gaben. Das ist ordnungspolitisch vernünftig.

    Ich habe versucht, die Zusammenhänge bei der Ökolo-
    gisierung der Volkswirtschaft von einer anderen Seite her
    zu erläutern.
    Was mich aber am meisten ärgert, ist Folgendes: Die Uni-
    onsfraktion hat ein Rentenkonzept – Ihre Experten auf der
    Fachebene sind Horst Seehofer von der CSU- und
    Andreas Storm von der CDU-Fraktion, also Kollegen, die
    ich schätze –,


    (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Mit Recht!)


    bei dem die Einnahmen aus der Ökosteuer quasi ver-
    einnahmt werden. Wenn Sie diese unterschlagen würden,
    müssten Sie sofort eine Mehrwertsteuererhöhung um 1
    bis 1,5 Prozentpunkte in die Debatte bringen. Dann
    sind Sie bei dem, was in Ihrer Koalitionszeit, näm-
    lich 1998, beschlossen wurde: Mehrwertsteuererhöhung
    am 1. April 1998 um 1 Prozent, damit damals der Ren-
    tenversicherungsbeitrag nicht auf 21 Prozent anstieg.

    Da frage ich jetzt Sie hier und auch die Öffentlichkeit:
    Ist es Ihnen lieber, eine Mehrwertsteuer, eine Verbrauch-
    steuer, als Umfinanzierungsinstrument zu bezahlen oder
    eine Steuer, auf die ich über den Verbrauch – beim Auto
    über den Gasfuß, bei meiner Wohnung über entsprechen-
    des Heizen – Einfluss nehmen kann?


    (Walter Hirche [F.D.P.]: Eine falsche Alternative!)


    Diese Alternative haben Sie. Oder wollen Sie diese un-
    glaubwürdige Strategie mitmachen, dass man die Öko-
    steuer zum Sündenfall der gesamten Gesellschaft erklärt?

    Wenn Sie sich die solide Grundstruktur unserer Politik
    noch einmal ansehen – Senkung der Steuern und Abgaben
    als Konsolidierungsrendite aus Rückführung der Staats-
    verschuldung, also überwiegend auf der Ausgabenseite,
    und Reform der Systeme der sozialen Sicherung sowie
    Senkung bei der Arbeitslosenversicherung, wenn die
    Konjunktur es zulässt –, stellen Sie fest: Dies ist eine
    stringente Strategie, von der Sie immer geredet haben, die
    Sie aber während Ihrer letzten vier Regierungsjahre über-
    haupt nicht praktizieren konnten. Dies ist für mich der
    Punkt, an dem Sie unredlich werden.

    Es wird plötzlich behauptet, diese Koalition, dieser Fi-
    nanzminister würde Privatisierungserlöse für den lau-
    fenden Haushalt verwenden.


    (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Jawohl, 21 Milliarden DM!)


    Wir haben in diesem Jahr praktisch keine Privatisierungs-
    erlöse mehr in den öffentlichen Haushalt eingestellt. Im
    nächsten Jahr, im Jahre 2001, haben wir 8 Milliarden DM
    in den öffentlichen Haushalt eingestellt. Wenn Sie lesen,
    was in der letzten Woche in der SPD-Fraktion und bei uns
    Grünen beschlossen wurde, werden Sie feststellen: Steu-
    erbedingte Mehreinnahmen werden auch dazu herange-
    zogen, die Privatisierungseinnahmen durch reguläre Ein-
    nahmen zu ersetzen. Privatisierungserlöse – das ist
    erklärtes Ziel dieser Koalition – werden künftig in die Til-
    gung fließen.

    Im Herbst werden wir ein Haushaltsgesetz mit einer
    Regelung bekommen, in der genau diese Ermächtigung
    für den Finanzminister enthalten ist. Dies ist die gleiche
    Ermächtigungsnorm, die jetzt auch für die UMTS-Zins-
    erlöse gilt, die dazu führt, dass wir keinen Nachtrags-
    haushalt brauchen. Es ist absurd: Ein Nachtragshaushalt
    wäre ja nur für Sie, die Union, ein willkommener Anlass,
    um Ihre Ausgabenprogramme auszubreiten und das Geld
    nicht für die Schuldentilgung, sondern als Volksbe-
    glückungsinstrument zu verwenden. Dies kann man einer
    unredlichen und unseriösen Opposition ja durchgehen
    lassen, aber einer soliden, seriösen Regierungskoalition
    mitnichten.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Wenn ich über das, was wir heute gehört haben, Bilanz
    ziehe – morgen wird die Auseinandersetzung hoffentlich
    qualitativ ein bisschen ansprechender, weniger polemisch
    und weniger aus der unteren Schublade geführt –,


    (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: So schlecht warst du auch nicht!)


    stelle ich fest: Wir werden den Bundeshaushalt von den
    Eckpunkten her so halten, wie ihn die Bundesregierung
    eingebracht hat. Aber, Kollege Austermann, der Haus-
    haltsausschuss wird diesen Etat natürlich verändern, weil
    das Budgetrecht das vornehmste Recht des Parlaments ist.
    Wir werden die Investitionen um die Spielräume erhöhen,
    die Zinsersparnisse auf der Aufgabenseite möglich ma-
    chen. Wir werden gleichzeitig die Nettoneuverschuldung
    auf unter 45 Milliarden DM reduzieren. Dies ist erklärtes
    Ziel beider Bundestagsfraktionen der Regierungskoali-
    tion. Mit diesem Kurs können wir die öffentliche Ausei-
    nandersetzung in den nächsten Wochen gut überstehen
    und auch vor Bürgerinnen und Bürgern in aufgeheizter
    Atmosphäre bestehen, wenn Ölpreise, Heizölpreise, Ben-
    zinpreise steigen. Dies sind Segmente, in denen diese Ko-
    alitionen für die von ihr verantwortete Erhöhung eine Ent-
    lastung für die Bevölkerung nachweisen kann.


    (Walter Hirche [F.D.P.]: Es bleibt eine Preistreiberei fürs flache Land und für Rentner!)


    Hier werden wir bestehen. Es wird Ihnen nicht gelingen,
    die Performance dieser Regierung mit einer Debatte, die
    heute in der „Süddeutschen Zeitung“ in einem Leitkom-
    mentar als „Krampfdebatte“ bezeichnet wurde, zu unter-
    laufen. Ich wünsche Ihnen dabei viel Vergnügen.

    Sie werden sehen: Ihre Fraktion, Kollege Merz, die
    früher einen intellektuell redlichen Fraktionsvorsitzenden
    hatte, der von diesem Pult aus erklärt hat, dass Energie ein
    knappes Gut sei, das deshalb teurer werden müsse, und
    Arbeit ein Überflussgut, das deshalb billiger werden
    müsse, wird mit dieser populistischen Kampagne auflau-
    fen.

    Vielen Dank.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)





    Oswald Metzger
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    (C)



    (D)



    (A)



    (B)




Rede von Dr. Hermann Otto Solms
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Als
nächste Rednerin hat die Kollegin Dr. Barbara Höll von
der PDS-Fraktion das Wort.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Barbara Höll


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (PDS)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)

    Herr Präsident! Meine Da-
    men und Herren! Die Regierung hat ihren Haushaltsent-
    wurf für das Jahr 2001 in erster Linie mit dem Konsoli-
    dierungskurs begründet. Nun muss man ja konstatieren,
    dass die Politik des Schuldenabbaus zum Teil Resonanz
    in der Bevölkerung findet. Auch die PDS hat entgegen
    allen Vorurteilen nichts gegen eine sparsame Haushalts-
    politik und gegen den Abbau von Staatsschulden einzu-
    wenden.

    Ich kann Ihnen versichern: Eine Vielzahl demokrati-
    scher Sozialistinnen und Sozialisten agiert in kommunal-
    politischer und landespolitischer Verantwortung genauso.
    Wir unterscheiden uns jedoch in einem Punkt wesentlich.
    Für uns mutiert die sparsame Haushaltspolitik nicht zum
    alleinigen Selbstzweck von Politik.


    (Beifall bei der PDS)

    Es kann nicht darum gehen, den Schuldenabbau um

    jeden Preis zu erreichen. Sicher kann man nur das ausge-
    ben, was man hat, und nicht zweifach oder dreifach, pri-
    vat und als Staat. Wenn man aber an der falschen Stelle
    spart, muss man es später doppelt, dreifach, vierfach
    draufzahlen. Auf diesem Weg befinden Sie sich.


    (Beifall bei der PDS)

    In der Politik sollte es doch darum gehen, zu diskutie-

    ren, wie man tatsächlich effektiv wirtschaften kann, wo
    man einsparen kann, aber auch darüber zu diskutieren, wo
    die drängendsten Probleme unseres Gemeinwesens liegen
    und wie wir unsere Steuergroschen dort tatsächlich Mark
    für Mark sinnvoll einsetzen.

    Herr Eichels Vergleich mit dem schuldenfreien Erbe
    hinkt sehr. Ich möchte kein hoch verschuldetes Haus er-
    ben. Ich möchte aber auch kein Haus erben, welches ma-
    rode ist. Gleichzeitig wünsche ich keine Situation, in der
    meine Mithausbewohner vielleicht eine so schlechte Aus-
    bildung mit auf den Weg bekommen haben, dass sie nicht
    einmal mehr in der Lage sind, das Haus richtig instand zu
    halten.


    (Beifall bei der PDS)

    Wenn wir uns diesen Aufgaben und Problemen heute

    nicht stellen, beschneiden wir die Zukunftschancen unse-
    rer Kinder und Enkel genauso.


    (Zuruf von der SPD: Ach Gott!)

    Ist nicht hier ein grundsätzliches Umdenken erforderlich?
    Stimmt die enge haushaltspolitische Sicht denn noch, dass
    die Ausgaben für Kinderbetreuung, Jugend, Sport, Bil-
    dung einfach als konsumtive Ausgaben diskreditiert wer-
    den?


    (Zuruf von der SPD: Quatsch!)

    Oder sind nicht genau diese Ausgaben höchst profitable
    Anlagen in unsere gemeinsame Zukunft?

    Wenn Sie in Ihrem Haushaltsentwurf vorschlagen, zum
    Beispiel die Bundeszuschüsse für die Bundesanstalt für
    Arbeit zu streichen, so ist das nichts anderes als der Ein-
    stieg in den Abschied von einer aktiven Arbeitsmarkt-
    politik.


    (Beifall bei der PDS – Widerspruch bei der SPD)


    Politikerinnen und Politiker, die sich in ihrem Handeln
    nur noch von den so genannten objektiven Haushalts-
    zwängen leiten lassen, machen sich tendenziell überflüs-
    sig, weil sie überhaupt keinen Gestaltungsanspruch mehr
    haben.


    (Beifall bei der PDS – Dr. Konstanze Wegner [SPD]: Es wird 44,5 Milliarden an aktiver Arbeitsmarktpolitik geben!)


    Herr Eichel, aber auch Herr Metzger hat noch einmal
    betont, dass diese straffe Haushaltsdisziplin alternativlos
    von einer nachhaltigen Entlastung aller Steuerzahler und
    Unternehmen begleitet werden muss. Schaut man sich
    aber die Inhalte dieser beiden Stränge genauer an, so wird
    offensichtlich, wie sozial ungerecht Sie agieren. Die
    Haushaltssanierung lief – Stichwort: Haushaltssanie-
    rungsgesetz – eindeutig auf Kosten von Rentnerinnen und
    Rentnern, auf Kosten zukünftiger Rentenansprüche von
    Arbeitslosen, auf Kosten von sozial schwachen Men-
    schen.

    Diese Menschen sind zusätzlich betroffen von den
    Einsparungen, die an die anderen Ebenen der öffentlichen
    Hand, an die Länder, an die Kommunen, weiter gereicht
    werden. Die Schließung von Bibliotheken stört einen Mil-
    lionär überhaupt nicht, sehr wohl aber einen Studenten,
    weil er sich nicht einfach jedes Buch von dem nicht vor-
    handenen BAföG kaufen kann.


    (Beifall bei der PDS)

    Das heißt, hier haben wir bereits eine doppelte Belas-

    tung. Sie haben eine Steuerbelastung eingeführt, die Öko-
    steuer. Sie haben uns erst verkündet, es gebe als Aus-
    gleich die Senkung der Rentenbeiträge. Nun frage ich
    Sie: Wo haben Rentner und Rentnerinnen den Ausgleich
    für die Ökosteuer? Weder durch die Senkung der Renten-
    beiträge noch – wie Herr Eichel ja heute verkündet hat –
    durch die Senkung im Einkommensteuerbereich. Hier
    funktioniert Ihre Argumentation doch nicht!

    Sie können reden, wie Sie wollen: Die Ökosteuerbelas-
    tung wird ohne jeglichen Ausgleich sozial völlig unge-
    recht an Millionen von Menschen in diesem Land weiter
    gereicht,


    (Beifall bei der PDS)

    die keine Möglichkeiten haben, bei ihrem Energie-
    verbrauch zu sparen oder sich vielleicht ein sparsameres
    Auto zu kaufen.


    (Detlef von Larcher [SPD]: Sagt die PDS auch, „Weg mit der Ökosteuer“?)


    Wir waren deshalb von Anfang an für eine Verteuerung
    des Umweltverbrauchs, aber auf eine andere Art und
    Weise. Das wissen Sie. Wir können nicht einfach den Um-






    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    weltverbrauch verteuern, ohne Alternativen anzubieten.
    Dazu müssen wir jetzt handeln.

    Herr Eichel hatte übrigens vorhin nicht Recht, als er
    sagte, die Regierung habe mit der Erhöhung der Rohöl-
    preise nichts zu tun. Wenn ich nicht ganz falsch liege, ha-
    ben Sie immerhin mächtig viel mit den Mehreinnahmen
    bei der Mehrwertsteuer zu tun. Denn wenn der Preis
    steigt, steigen die Einnahmen bei der Mehrwertsteuer.
    Natürlich erhöht sich auch auf diesem Wege Ihr Steuer-
    aufkommen.


    (Detlev von Larcher [SPD]: Das ist eine Milchmädchenrechnung! Betrachten Sie das mal gesamtwirtschaftlich!)


    Sie haben keine Alternativen angeboten. Sie haben
    das nicht verwirklicht, was Sie noch in der letzten Legis-
    laturperiode gefordert haben: die Umwandlung der Kilo-
    meterpauschale in eine verkehrsmittelunabhängige Ent-
    fernungspauschale. Machen Sie das jetzt endlich und
    erhöhen Sie sie von 70 Pfennig auf 1 DM, sodass tatsäch-
    lich Alternativen geboten werden, aber auch Autofahrer
    und Autofahrerinnen eine unmittelbare Hilfe erhalten.


    (Beifall bei der PDS)

    Ihre Arbeitsplätze hängen oftmals von diesem Verkehrs-
    mittel ab, da andererseits auch Strecken der Bahn ge-
    schlossen werden und die Bahn oft unpünktlich und sehr
    teuer ist.

    Betrachten wir dann noch Ihre scheinbar unabweisbare
    Politik der Steuersenkungen. Herr Eichel hat vorhin die
    Fachverkäuferin locker mit 40 000 DM Bruttojahresver-
    dienst angesetzt. Das stimmt nicht ganz; der Durchschnitt
    bei den Fachverkäufern ist 35 000 DM pro Jahr. Ein allein
    stehender Arbeitnehmer mit einem Jahresbruttolohn von
    20 000 DM wird im nächsten Jahr um immerhin 99 DM
    entlastet. 100 DM haben oder nicht haben – das sind
    schon fast 200 DM.


    (Zurufe von der SPD: Oh!)

    Der allein stehende Arbeitnehmer ohne Kinder mit ei-
    nem Jahresbruttoeinkommen von 140 000 DM wird um
    2 187 DM entlastet. Das ist doch schon ein beträchtlicher
    Unterschied.

    Zusammenfassend kann man feststellen, dass Arbeit-
    nehmer im nächsten Jahr 10 Milliarden DM Lohnsteuer
    weniger abführen müssen. Das entspricht einer Steuerent-
    lastung von 3 Prozent – gut. Bei Kapitalgesellschaften be-
    trägt die steuerliche Entlastung allerdings 40 Prozent. Die
    Überschrift „Über Großverdiener ergießt sich Eichels
    Füllhorn“ stammt nicht von mir, sondern aus der – wie
    man sagt – bürgerlichen Presse. Sie haben mit Ihrem
    Steuergesetz einen massiven Rückzug insbesondere der
    Großverdiener und Großunternehmen aus der Finanzie-
    rung des Gemeinwesens verankert. Dies geht wiederum
    zulasten von sozial Schwächeren, die auf das öffentliche
    Schulsystem angewiesen sind. Dies geht aber auch zulas-
    ten von kleinen und mittelständischen Unternehmen, die
    sich nicht mit sehr viel Geld die Absolventen der
    Hochschulen einkaufen können oder sie vorfinanziert auf
    private Unis schicken können. Das ist eine sozial zutiefst
    ungerechte Politik.

    Sie können keine solide, zukunftsorientierte Haus-
    haltspolitik machen, wenn Sie nicht sinnvoll sparen. Erst
    einmal müsste man gegen Verschwendungen ordentlich
    vorgehen. Wir müssten zum Beispiel darauf hinwirken,
    dass die Zahl der Betriebsprüfer massiv erhöht wird, dass
    Finanzämter ordentlich ausgestattet werden und nicht
    wie in Berlin-Charlottenburg bei der Zusammenlegung
    zweier Finanzämter das zweite Faxgerät gestrichen wird,
    sodass sie fast nicht mehr arbeitsfähig sind, dass das, was
    die Landesrechnungshöfe und der Bundesrechnungshof
    anmahnen, tatsächlich verwirklicht wird. Wir müssen uns
    hier auch über eine sozial gerechte Einnahmengestaltung
    unterhalten.

    Ein letztes Wort, da ich die einzige Frau bin, die in der
    ersten Runde spricht, und Frauen meistens mit Kindern
    verbunden werden:


    (Hans Georg Wagner [SPD]: Ohne Männer gibt es keine Kinder!)


    Herr Eichel hat ja Recht, dass die schwarz-gelbe Koalition
    sehr wenig für Kinder getan hat. Aber das, was wir jetzt
    verwirklicht haben, war zum großen Teil nicht freiwillig,
    sondern Auflage des Bundesverfassungsgerichtes. So,
    wie es umgesetzt wurde, ist es wieder sozial ungerecht,
    weil die Großverdiener eine Steuerersparnis von 423 DM
    pro Monat haben und die normale Arbeitnehmerin ein er-
    höhtes Kindergeld von jetzt 270 DM bekommt. Das ist
    nicht das, was wir von der PDS uns vorstellen. Unsere
    Vorschläge hören Sie in der nächsten Rede.


    (Beifall bei der PDS)