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ID1411518700

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    Absetzung der Geschäftsordnungsdebatte von der Tagesordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10941 A Abweichung von den Richtlinien für die Fra- gestunde, für die Aktuelle Stunde sowie der Vereinbarung über die Befragung der Bundes- regierung in der Sitzungswoche ab 11. Sep- tember 2000 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10941 A Tagesordnungspunkt 20: a) – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Dritten Gesetzes zur Än- derung des Bundeserziehungsgeldge- setzes (Drucksachen 14/3553, 14/3808, 14/3809) 10941 B – Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Bundeserziehungs- geldgesetzes (Drucksachen 14/3118, 14/3808, 14/3809) 10941 B b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend – zu dem Antrag der Abgeordneten Christina Schenk, Rosel Neuhäuser, Dr. Gregor Gysi und der Fraktion PDS: Ausbau eines bedarfsgerechten und öffentlich geförderten Betreuungs- und Freizeitangebotes für Kinder bis zu 14 Jahren – zu dem Antrag der Abgeordneten Christina Schenk, Dr. Gregor Gysi und der Fraktion PDS: Vereinbarkeit von Beruf und Kinderbetreuung für Frauen und Männer – zu dem Antrag der Abgeordneten Ina Lenke, Dr. Irmgard Schwaetzer, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion F.D.P.: Erziehungszeit statt Erzie- hungsurlaub (Drucksachen 14/2758, 14/2759, 14/3192, 14/3808) . . . . . . . . . . . . . . . . 10941 C Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10942 A Dr. Maria Böhmer CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 10944 B Irmingard Schewe-Gerigk BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10944 C Irmingard Schewe-Gerigk BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10947 A Ina Lenke F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10949 A Christina Schenk PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10951 A Hildegard Wester SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10952 B Dr. Maria Böhmer CDU/CSU . . . . . . . . . . 10952 C Ilse Falk CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10954 B Christel Hanewinckel SPD . . . . . . . . . . . . 10954 D Ina Lenke F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10955 B Renate Diemers CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 10956 B Tagesordnungspunkt 22: a) Bericht des Rechtsausschusses gemäß § 62 Abs. 2 der Geschäftsordnung zu dem von den Abgeordneten Rainer Funke, Jörg van Essen, weiteren Plenarprotokoll 14/115 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 115. Sitzung Berlin, Freitag, den 7. Juli 2000 I n h a l t : Abgeordneten und der Fraktion F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bürgerlichen Ge- setzbuchs (Wohnrecht hinterbliebener Haushaltsangehöriger) (Drucksachen 14/326, 14/2347, 14/3779) 10959 A b) Bericht des Rechtsausschusses gemäß § 62 Abs. 2 der Geschäftsordnung zu dem von den Abgeordneten Christina Schenk, Sabine Jünger, weiteren Abge- ordneten und der Fraktion PDS einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Übernahme der gemeinsamen Woh- nung nach Todesfall derMieterin/des Mieters oder der Mitmieterin/des Mitmieters (Änderung des Bürgerli- chen Gesetzbuchs) (Drucksachen 14/308, 14/3780) . . . . . 10959 A in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 12: Erste Beratung des von den Abgeordneten Alfred Hartenbach, Hermann Bachmaier, weiteren Abgeordneten und der Fraktion SPD sowie den Abgeordneten Volker Beck (Köln), Marieluise Beck (Bremen), weite- ren Abgeordneten und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften: Lebens-partnerschaf- ten (Lebenspartnerschaftsgesetz) (Drucksache 14/3751) . . . . . . . . . . . . . . . . 10959 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 13: Antrag der Abgeordneten Alfred Harten- bach, Margot von Renesse, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion SPD sowie der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Hans- Christian Ströbele, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Einbeziehung von eingetragenen Lebenspartnerschaften in die Hinter- bliebenenversorgung (Drucksache 14/3792) . . . . . . . . . . . . . . . . 10959 C Margot von Renesse SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 10959 D Norbert Geis CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 10961 B Hildebrecht Braun (Augsburg) F.D.P. . . . . 10963 B Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10964 A Dr. Guido Westerwelle F.D.P. . . . . . . . . . . . . . 10966 A Wolfgang Dehnel CDU/CSU . . . . . . . . . . . 10966 B Norbert Geis CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 10966 C Christina Schenk PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10968 C Dr. Herta Däubler-Gmelin, Bundesministerin BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10969 C Dr. Guido Westerwelle F.D.P. . . . . . . . . . . . . . 10971 C Dr. Herta Däubler-Gmelin, Bundesministerin BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10971 D Ilse Falk CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10972 A Alfred Hartenbach SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 10973 C Hildebrecht Braun (Augsburg) F.D.P. . . . . 10974 B Zusatztagesordnungspunkt 14: Erste Beratung des von den Abgeordneten Alfred Hartenbach, Hermann Bachmaier, weiteren Abgeordneten und der Fraktion SPD sowie den Abgeordneten Volker Beck (Köln), Hans-Christian Ströbele, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Reform des Zi- vilprozesses (Zivilprozessreformgesetz) (Drucksache 14/3750) . . . . . . . . . . . . . . . . 10975 B Joachim Stünker SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10975 C Norbert Geis CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 10977 B Alfred Hartenbach SPD . . . . . . . . . . . . . . . 10977 C Joachim Stünker SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 10978 C Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10981 A Rainer Funke F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10982 D Dr. Evelyn Kenzler PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 10983 D Hermann Bachmaier SPD . . . . . . . . . . . . . . . 10985 B Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10986 A Norbert Röttgen CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 10987 B Joachim Stünker SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 10988 D Helmut Wilhelm (Amberg) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10990 B Dr. Ulrich Goll, Minister (Baden-Württemberg) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10991 A Prof. Dr. Jürgen Meyer (Ulm) SPD . . . . . . 10992 A Dr. Herta Däubler-Gmelin, Bundesministerin BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10993 A Dr. Rupert Scholz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 10996 A Dr. Herta Däubler-Gmelin, Bundesministerin BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10996 B Prof. Dr. Kurt Schelter, Minister (Brandenburg) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10996 D Alfred Hartenbach SPD . . . . . . . . . . . . . . . 10997 C Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Juli 2000II Zusatztagesordnungspunkt 16: Aktuelle Stunde betr. Regelmäßige Kon- takte im Vorfeld von Zeugenverneh- mungen im 1. Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages zwischen Untersuchungsausschussmitgliedern und dem Zeugen Dr. Kohl . . . . . . . . . . . 10998 C Hans-Christian Ströbele BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10998 C Eckart von Klaeden CDU/CSU . . . . . . . . . . . 10999 D Frank Hofmann (Volkach) SPD . . . . . . . . . . . 11001 B Dr. Max Stadler F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11002 C Dr. Evelyn Kenzler PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 11003 D Claudia Roth (Augsburg) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11004 C Dr. Jürgen Gehb CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 11006 A Dr. Rainer Wend SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11007 B Cem Özdemir BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 11008 B Dr. Rupert Scholz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 11009 B Dr. Peter Danckert SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 11010 D Friedhelm Julius Beucher SPD . . . . . . . . . . . 11012 B Tagesordnungspunkt 23: a) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Alfred Hartenbach, Hermann Bachmaier, weiteren Abge- ordneten und der Fraktion SPD sowie den Abgeordneten Volker Beck (Köln), Hans-Christian Ströbele, weiteren Ab- geordneten und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ände- rung des Rechts an Grundstücken in den neuen Ländern (Grundstücks- rechtsänderungsgesetz) (Drucksachen 14/3508, 14/3824) . . . . 11013 C b) Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Michael Luther, Andrea Voßhoff und der Fraktion CDU/CSU: Entschädigungspflicht nach dem Vermögensgesetz bei Ein- ziehung von beweglichen Sachen re- geln (Drucksachen 14/1003, 14/3824) . . . . 11013 D Zusatztagesordnungspunkt 15: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Er- gänzung vermögensrechtlicher und an- derer Vorschriften (Vermögensrechts- ergänzungsgesetz) (Drucksachen 14/1932, 14/3802, 14/3803) 11014 A Tagesordnungspunkt 24: a) – Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämp- fung der Arbeitslosigkeit Schwerbe- hinderter (Drucksachen 14/3372, 14/3799) . . . . 11014 D – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zurBekämpfung der Arbeitslosigkeit Schwerbehin- derter (Drucksachen 14/3645, 14/3799) . . . . 11014 D b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialord- nung zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht der Bun- desregierung über die Beschäftigung Schwerbehinderter im öffentlichen Dienst (Drucksachen 14/2415, 14/3799) . . . . 11014 D Silvia Schmidt (Eisleben) SPD . . . . . . . . . . . 11015 A Claudia Nolte CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 11016 A Katrin Dagmar Göring-Eckardt BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11018 A Dr. Irmgard Schwaetzer F.D.P. . . . . . . . . . . . . 11019 A Dr. Ilja Seifert PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11019 C Karl Hermann Haack (Extertal) SPD . . . . . . . 11020 C Tagesordnungspunkt 25: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union – zu dem Antrag der Abgeordneten Prof. Dr. Jürgen Meyer (Ulm), Joachim Poß, weiterer Abgeordneter und der Fraktion SPD sowie der Abgeordneten Christian Sterzing, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Charta der Grundrechte derEuropäischen Union – zu dem Antrag der Abgeordneten Peter Hintze, Peter Altmaier, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion CDU/CSU: Die Rechte der Bürger stärken – Für eine bürgernahe Charta der Grund- rechte der Europäischen Union Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Juli 2000 III – zu dem Antrag der Abgeordneten Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Dr. Werner Hoyer, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion F.D.P.: Verbind- lichkeit der Europäischen Grund- rechtecharta und Beitritt der Euro- päischen Union zur Europäischen Menschenrechtskonvention – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Klaus Grehn, Uwe Hiksch, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion PDS: Für eine rechtsverbindliche Europäische Grundrechtecharta (Drucksachen 14/3387, 14/3368, 14/3322 14/3513, 14/3800) . . . . . . . . . 11022 B Prof. Dr. Jürgen Meyer (Ulm) SPD . . . . . . . . 11022 C Peter Hintze CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11025 A Peter Altmaier CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 11025 B Claudia Roth (Augsburg) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11027 C Sabine Leutheusser-Schnarrenberger F.D.P. 11028 C Christoph Zöpel, Staatsminister AA . . . . . . . . 11030 A Jürgen Gnauck, Minister (Thüringen) . . . . . . 11030 D Christian Sterzing BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11032 A Tagesordnungspunkt 26: Erste Beratung des von den Abgeordneten Alfred Hartenbach, Erika Simm, weiteren Abgeordneten und der Fraktion SPD sowie den Abgeordneten Volker Beck (Köln), Hans-Christian Ströbele, weiteren Abge- ordneten und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Ent- wurfs eines Fünften Gesetzes zur Ände- rung des Strafvollzugsgesetzes (Drucksache 14/3763) . . . . . . . . . . . . . . . . 11033 C Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11033 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 11035 A Anlage 2 Erklärung der Abgeordneten Ina Lenke (F.D.P.) zur Abstimmung über die Beschluss- empfehlung zu dem Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Bundeserzie- hungsgeldgesetzes (Drucksache 14/3808) (Tagesordnungspunkt 20 a) . . . . . . . . . . . . . . . 11036 A Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Heinz Wiese (CDU/CSU) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Errichtung einer Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ (Drucksachen 14/3206 und 14/3459) (114. Sitzung, Tagesordnungspunkt 7 a) 11036 A Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert (PDS) zur namentlichen Ab- stimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit Schwerbe- hinderter (Tagesordnungspunkt 24 a) . . . . . . 11037 C Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Rede zur Aktuellen Stunde: Regelmäßige Kontakte im Vorfeld von Zeugenvernehmungen im 1. Untersuchungs- ausschuss des Deutschen Bundestages zwischen Untersuchungsausschussmitgliedern und dem Zeugen Dr. Kohl (Zusatztagesord- nungspunkt 16) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11038 C Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Rechts an Grundstücken in den neuen Ländern (Grundstücksrechtsänderungsgesetz) (Tages- ordnungspunkt 23 a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11039 B Hans-Joachim Hacker SPD . . . . . . . . . . . . . . 11039 B Andrea Voßhoff CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 11040 B Hans-Christian Ströbele BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11041 D Rainer Funke F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11042 C Dr. Evelyn Kenzler PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 11043 A Dr. Eckhart Pick, Parl. Staatssekretär BMJ 11043 C Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Er- gänzung vermögensrechtlicher und anderer Vorschriften (Vermögensrechtsergänzungsge- setz) (Zusatztagesordnungspunkt 15) . . . . . . 11044 C Dr. Mathias Schubert SPD . . . . . . . . . . . . . . . 11044 D Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten CDU/CSU 11045 B Dr. Michael Luther CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 11046 B Sylvia Voß BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . 11047 C Rainer Funke F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11048 B Kersten Naumann PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11048 D Rolf Schwanitz, Staatsminister BK . . . . . . . . . 11049 C Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Juli 2000IV Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Rede zu den Anträgen: – Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Die Rechte der Bürger stärken – Für eine bürgernahe Charta der Grundrechte der Eu- ropäischen Union – Verbindlichkeit der Europäischen Grund- rechtecharta und Beitritt der Europäischen Union zur Europäischen Menschenrechts- konvention – Für eine rechtsverbindliche Europäische Grundrechtecharta (Tagesordnungspunkt 25) . . . . . . . . . . . . . 11050 C Dr. Klaus Grehn PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11050 D Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines fünften Gesetzes zur Än- derung des Strafvollzugsgesetzes (Tagesord- nungspunkt 26) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11051 C Joachim Stünker SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11051 C Dr. Wolfgang Götzer CDU/CSU . . . . . . . . . . . 11053 A Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11054 C Rainer Funke F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11055 A Ulla Jelpke PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11055 C Dr. Eckhart Pick, Parl. Staatssekretär BMJ 11056 A Anlage 10 Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11057 A Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Juli 2000 V Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Juli 2000
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    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Juli 2000 Vizepräsidentin Anke Fuchs 11033 (C) (D) (A) (B) 1) Anlage 9 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Juli 2000 11035 (C) (D) (A) (B) Adler, Brigitte SPD 07.07.2000* Baumann, Günter CDU/CSU 07.07.2000 Bierling, Hans-Dirk CDU/CSU 07.07.2000* Dr. Blüm, Norbert CDU/CSU 07.07.2000 Bohl, Friedrich CDU/CSU 07.07.2000 Börnsen (Bönstrup), CDU/CSU 07.07.2000Wolfgang Brunnhuber, Georg CDU/CSU 07.07.2000 Büttner (Ingolstadt), SPD 07.07.2000Hans Bulmahn, Edelgard SPD 07.07.2000 Carstensen (Nordstrand), CDU/CSU 07.07.2000Peter Harry Catenhusen, SPD 07.07.2000Wolf-Michael Flach, Ulrike F.D.P. 07.07.2000 Formanski, Norbert SPD 07.07.2000 Frankenhauser, Herbert CDU/CSU 07.07.2000 Prof. Frick, Gisela F.D.P. 07.07.2000 Friedhoff, Paul K. F.D.P. 07.07.2000 Friedrich (Altenburg), SPD 07.07.2000Peter Gebhardt, Fred PDS 07.07.2000 Girisch, Georg CDU/CSU 07.07.2000 Goldmann, F.D.P. 07.07.2000Hans-Michael Götz, Peter CDU/CSU 07.07.2000 Griese, Kerstin SPD 07.07.2000 Grießhaber, Rita BÜNDNIS 90/ 07.07.2000*DIE GRÜNEN Heyne, Kristin BÜNDNIS 90/ 07.07.2000DIE GRÜNEN Dr. Kahl, Harald CDU/CSU 07.07.2000 Koschyk, Hartmut CDU/CSU 07.07.2000 Dr. Köster-Loßack, BÜNDNIS 90/ 07.07.2000Angelika DIE GRÜNEN Lambrecht, Christine SPD 07.07.2000 Lennartz, Klaus SPD 07.07.2000 Lippmann, Heidi PDS 07.07.2000 Moosbauer, Christoph SPD 07.07.2000* Müller (Berlin), PDS 07.07.2000Manfred Niebel, Dirk F.D.P. 07.07.2000 Oesinghaus, Günter SPD 07.07.2000 Raidel, Hans CDU/CSU 07.07.2000* Rauen, Peter CDU/CSU 07.07.2000 Romer, Franz CDU/CSU 07.07.2000 Scharping, Rudolf SPD 07.07.2000 Schmidbauer, Bernd CDU/CSU 07.07.2000 Schmitz (Baesweiler), CDU/CSU 07.07.2000Hans Peter von Schmude, Michael CDU/CSU 07.07.2000 Schuhmann (Delitzsch), SPD 07.07.2000Richard Schumann, Ilse SPD 07.07.2000 Schur, Gustav-Adolf PDS 07.07.2000 Schwalbe, Clemens CDU/CSU 07.07.2000 Sehn, Marita F.D.P. 07.07.2000 Dr. Solms, Hermann F.D.P. 07.07.2000Otto Sothmann, Bärbel CDU/CSU 07.07.2000 Spranger, Carl-Dieter CDU/CSU 07.07.2000 Steen, Antje-Marie SPD 07.07.2000 Dr. Süssmuth, Rita CDU/CSU 07.07.2000* Thiele, Carl-Ludwig F.D.P. 07.07.2000 Dr. Thomae, Dieter F.D.P. 07.07.2000 Dr. Vollmer, Antje BÜNDNIS 90/ 07.07.2000DIE GRÜNEN Prof. Weisskirchen SPD 07.07.2000*(Wiesloch), Gert Wimmer (Neuss), Willy CDU/CSU 07.07.2000* Wohlleben, Verena SPD 07.07.2000 Zapf, Uta SPD 07.07.2000* * für die Teilnahme an der 9. Jahrestagung der ParlamentarischenVersammlung der OSZE entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Erklärung der Abgeordneten Ina Lenke (F.D.P.) zur Ab- stimmung über die Beschlussempfehlung zu dem Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Ände- rung des Bundeserziehungsgeldgesetzes (Druck- sache 14/3808) (Tagesordnungspunkt 20 a) Die Fraktion der F.D.P. stimmt diesem Entschlie- ßungsantrag zu. Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Heinz Wiese (CDU/CSU) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Errichtung einer Stiftung „Erinnerung, Ver- antwortung und Zukunft“ (Drucksachen 14/3206 und 14/3459) (114. Sitzung, Tagesord- nungspunkt 7 a) 1. Mit dem Gesetz zur Errichtung einer Stiftung „Erin- nerung, Verantwortung und Zukunft“ kommt der Deut- sche Bundestag seiner von der deutschen Geschichte auf- gegebenen Verantwortung nach, eines der furchtbarsten Kapitel unserer jüngsten Vergangenheit – die Entrech- tung, Verschleppung, Misshandlung und Ausbeutung von Sklaven- und Zwangsarbeitern – aufzuarbeiten. Wir bitten die Opfer um Vergebung. Mit diesem Gesetz übernehmen wir erneut und weltweit sichtbar die Verant- wortung für die Geschichte. Damit knüpfen wir an das Entschädigungs- und Versöhnungswerk an, das von Konrad Adenauer begonnen wurde. Insbesondere jene, die – hoch betagt und vielfach gebrechlich – bis heute noch nicht von den umfangreichen Wiedergutmachungs- und Entschädigungsleistungen der Bundesrepublik Deutschland erreicht wurden und als Opfer der Zwangs- arbeit unsäglich gelitten haben, erwarten zu Recht ein Zei- chen der Wiedergutmachung und Versöhnung. 2. Einen Schlussstrich unter das dunkelste Kapitel un- serer Geschichte, die Verbrechen der Nazi-Tyrannei, kann und darf es nicht geben. Von der sich daraus ergebenden besonderen historischen Verantwortung unseres Landes können wir uns weder durch Worte noch durch Geld lö- sen. Aber dies kann nicht bedeuten, dass wir Jahr für Jahr in neue Entschädigungsdebatten eintreten und dadurch zwangsläufig in vielen Ländern der Welt und bei vielen Menschen Hoffnungen erwecken, die nicht erfüllt werden können. Zu Beginn eines neuen Jahrhunderts wollen die Bun- desrepublik Deutschland und deutsche Unternehmen mit der Bundesstiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ die bisherigen umfangreichen Wiedergutma- chungsregelungen ergänzen und ein Zeichen ihrer mora- lischen Verantwortung für diese Geschehnisse setzen. Ab- schließend kann dies nur in finanzieller Hinsicht sein. 3. Weil wir den Blick nach vorne richten müssen, ist der noch zu etablierende Zukunftsfonds von überragen- der Bedeutung. Ausgestattet mit einem Vermögen von 700 Millionen DM muss er jetzt mit Leben erfüllt werden. Insbesondere mit Projekten, von denen vor allem junge Menschen profitieren sollen. Weil der Zukunftsfonds auf Dauer angelegt ist, kann und wird er in den kommenden Jahren für ein friedliches Miteinander der Menschen von besonderer Bedeutung sein. 4. Wer Zukunft gestalten will, darf sie nicht mit dem belasten, was bereits seit langem abgeschlossen ist. Dies gilt insbesondere für die Frage der Reparationen. Spätestens seit dem Abschluss des Zwei-plus-Vier- Vertrages vom 12. September 1990 können derartige For- derungen aus völkerrechtlichen Gründen nicht mehr ge- gen die Bundesrepublik Deutschland geltend gemacht werden. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion bekräftigt, dass sich auch durch dieses Gesetz die Frage der Repara- tionen nicht neu stellt. 5. Die Bundesregierung hat zugesagt, die Stiftung noch in diesem Jahr mit einem Anteil in Höhe von 5 Milliar- den DM auszustatten. Die Stiftungsunternehmen haben für die Unternehmen der deutschen Wirtschaft erklärt, dass sie sich in der Verpflichtung sehen, dass auch der von der Stiftungsinitiative zugesagte Anteil in Höhe von 5 Milliarden DM umgehend gezahlt wird. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion dankt allen Unter- nehmen, die sich bislang bereit erklärt haben, ihren Anteil in das Fondsvermögen einzuzahlen. Dieser Dank gebührt insbesondere den Gründungsunternehmen der Stiftungsi- nitiative der Deutschen Wirtschaft und denjenigen Fir- men, die sich am Stiftungsvermögen beteiligen, obwohl sie erst nach 1945 gegründet wurden und deshalb nie in das nationalsozialistische Unrechtssystem verstrickt wa- ren. Wir sehen es als unbedingt erforderlich an, dass insbe- sondere diejenigen Unternehmen, die oder deren Rechts- vorgänger Sklaven- oder Zwangsarbeiter eingesetzt ha- ben, unverzüglich ihren Beitrag zur Finanzierung leisten. 6. Für uns ist von besonderer Bedeutung, dass mög- lichst rasch mit der Auszahlung der Stiftungsmittel an die jeweiligen Partnerorganisationen und von dort mit der Auszahlung der Leistungen an die heute betagten und vielfach kranken oder gebrechlichen Opfer begonnen werden kann. Voraussetzung hierfür ist neben der not- wendigen Mittelbereitstellung die rechtskräftige Abwei- sung aller vor den US-Gerichten anhängigen Klagen. Wir bitten die Kläger und ihre Rechtsvertreter, dafür Sorge zu tragen, dass möglichst rasch mit der Auszahlung der Stif- tungsmittel an die Opfer begonnen werden kann. Wir gehen dabei davon aus, dass durch dieses Gesetz und die damit verbundenen Abkommen und Erklärungen ein ausreichendes Maß an Rechtssicherheit für deutsche Unternehmen insbesondere in den USA bewirkt wird. 7. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion fordert die Bun- desregierung, das noch zu bildende Kuratorium und den Stiftungsvorstand auf, durch geeignete Maßnahmen si- cherzustellen, dass die Stiftungsmittel die Leistungsbe- rechtigten nach Maßgabe des Gesetzes auch tatsächlich in voller Höhe erreichen. Wir fordern die Bundesregierung Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Juli 200011036 (C) (D) (A) (B) auf, den Deutschen Bundestag jährlich über die Arbeit der Stiftung, die Verteilung der Stiftungsmittel sowie über die Initiativen und Projekte des „Zukunftsfonds“ zu unter- richten. 8. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion sieht es als un- abdingbar an, dass nach diesem Gesetz Leistungsberech- tigte unabhängig von ihrem Wohnsitz sowie unter Berücksichtigung der gesetzlichen Gestaltungsmöglich- keiten die Chance auf gleiche Leistungen erhalten. Wir sind besorgt über eine mögliche Unterfinanzierung des Plafonds für Personenschäden der in diesem Gesetz be- zeichneten sechsten Partnerorganisation (IOM), die jene Opfer zu betreuen hat, die nicht in Ländern wohnen, für die eine andere Partnerorganisation zuständig ist. Ob und inwieweit diese Sorge berechtigt ist, kann aber erst nach dem Eingang der Anträge von allen Opfern abschließend beurteilt werden. 9. Wir bitten die Unternehmen der deutschen Wirt- schaft, die unter dem NS-Regime Sklaven- und Zwangs- arbeiter beschäftigt haben, bzw. ihre Rechtsnachfolger so- wie die Länder und Kommunen, zur geeigneten Umset- zung von § 18 des Gesetzes (Auskunftsersuchen) die notwendigen Auskünfte und Unterlagen zum Nachweis der Leistungsberechtigung der Opfer so rasch wie mög- lich zu erteilen bzw. herauszugeben. Sofern erforderlich, sollten sie die Vernetzung der Archive verbessern, um da- mit den Opfern und Partnerorganisationen den Nachweis der Leistungsberechtigung zu erleichtern. Kopien der an- geforderten und benötigten Unterlagen sollten ebenso wie Angaben über bereits an ehemalige Zwangsarbeiter ge- zahlte Leistungen an die nach diesem Gesetz bezeichne- ten Partnerorganisationen weitergegeben werden. Wir bitten die Bundesregierung, durch zusätzliche or- ganisatorische, finanzielle oder personelle Maßnahmen die Leistungsfähigkeit des Archivs des Internationalen Suchdienstes in Arolsen zu erhöhen, um den einzelnen Opfern und den Partnerorganisationen den Nachweis der Leistungsberechtigung zu erleichtern. 10. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion sieht in der Er- richtung des Zukunftsfonds innerhalb der Stiftung eine besondere Chance, der Verantwortung von Staat, Gesell- schaft und Privatwirtschaft gerecht zu werden. Hierdurch wird auch den kommenden Generationen die Möglichkeit eröffnet, die Erinnerung an das NS-Unrecht weiter wach zu halten und der Ausbreitung von extremistischem und rassistischem Gedankengut sowie von totalitären Syste- men aller Art entgegenzuwirken. Wir sehen es deshalb als notwendig an, Schwerpunkte auf Projekte zu legen, die dem Jugendaustausch, der Ver- söhnung und Völkerverständigung, der Achtung von Menschenrechten und für die Pflege der Beziehungen zu überlebenden Opfern dienen. Dabei ist auch die Arbeit von und mit Zeitzeugen von Bedeutung. Darüber hinaus können in einer Übergangszeit auch Projekte im Interesse der Opfer und ihrer Hinterbliebenen gefördert werden. Die Mittel des Zukunftsfonds sind zusätzliche Auf- wendungen des Bundes und der deutschen Wirtschaft. Sie dürfen keinesfalls Finanzierungsersatz von bisher durch die öffentliche Hand geförderten Maßnahmen sein. Das Kuratorium wird gebeten zu prüfen, inwieweit ein eigener Beirat für die Konzeption des Zukunftsfonds berufen wer- den sollte. 11. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion fordert die Bundesregierung auf, mit denjenigen Staaten, die nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges Deutsche verschleppt und unter unmenschlichen Bedingungen zur Arbeit ge- zwungen haben, oder mit deren Nachfolgestaaten Kontakt aufzunehmen mit dem Ziel, dass auch die noch lebenden deutschen Opfer von diesen Staaten eine – der deutschen Regelung entsprechende – Entschädigung in Form einer humanitären Geste erhalten. 12. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion dankt Bundes- minister a. D. Dr. Otto Graf Lambsdorff für seine her- vorragende Arbeit als Beauftragter der Bundesregierung auf diesem ebenso wichtigen wie sensiblen Gebiet. Sie bittet ihn darum, seine Kenntnisse und Erfahrungen auch weiterhin der zu gründenden Stiftung zur Verfügung zu stellen. Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert (PDS) zur na- mentlichen Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit Schwerbehinderter (Tagesordnungspunkt 24 a) Erstmals legt eine Bundesregierung ein Gesetz zur Bekämpfung der unakzeptabel hohen Arbeitslosigkeit von Schwerbehinderten vor – dies ist schon ein Wert an sich. Es enthält positive Ansätze, ist aber dennoch kein Reformgesetz, das den Erfordernissen entspricht, die sich aus der besonders schwierigen Situation für Menschen mit Behinderungen daraus ergibt, dass sie ihre Existenz aufgrund der Arbeitsmarktsituation nur selten durch ei- gene Erwerbstätigkeit sichern und sich so am Leben der Gesellschaft beteiligen können. Meine Stimmenthaltung zu dem von der Bundesregie- rung vorgelegten Gesetz begründe ich daher wie folgt: Erstens. 37,9 Prozent aller beschäftigungspflichtigen Arbeitgeber beschäftigen gegenwärtig überhaupt keinen einzigen Arbeitnehmer und zahlen stattdessen pro nicht besetzten Arbeitsplatz jeden Monat 200 DM als Aus- gleichsabgabe, die als Betriebsausgabe steuerlich geltend gemacht werden kann. Die nahezu doppelt so hohe Ar- beitslosenrate von Schwerbehinderten steht im Gegensatz zu Geist und Buchstaben des Diskriminierungsverbots von Art. 3 Abs. 3 des Grundgesetzes. Zweitens. Das Gesetz soll dazu beitragen, dieser Aus- grenzung von Menschen mit Behinderungen in einem Kernbereich der Gesellschaft entgegenzuwirken. Dieser Ansatz ist zu begrüßen. Doch in der Umsetzung zeigen sich erhebliche Mängel und Unklarheiten. Bereits die Zielstellung bleibt hinter dem verkündeten Anspruch zurück. Im Text des Gesetzes – Art. 1 – geht es darum, „die Zahl der arbeitslosen Schwerbehinderten“ zum Oktober Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Juli 2000 11037 (C) (D) (A) (B) 2002 um mindestens 25 Prozent zu verringern. In der Be- gründung zum Gesetzentwurf wird dagegen als Ziel for- muliert, „etwa 50 000 arbeitslose Schwerbehinderte kurz- fristig möglichst dauerhaft auf den allgemeinen Arbeitsmarkt einzugliedern“. Wir brauchen mindestens 50 000 voll- wertige Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderungen, aber keine potemkinschen Dörfer. Es ist allgemein be- kannt, dass viele Betroffene über Berufsunfähigkeit und Frühverrentung aus der Arbeitslosenstatistik herausfallen werden. Drittens. Eine Neuordnung des Systems von Beschäf- tigungspflicht und Ausgleichsabgabe ist in der Tag not- wendig. Aber die Absenkung der Beschäftigungspflicht- quote von 6 auf 5 Prozent ist das falsche Signal an die Arbeitgeber – selbst wenn sie nur zeitlich befristet und für den Fall der Nichterreichung der von der Regierung definierten Ziele angewendet werden soll. Jetzt heißt es, 5 Prozent seien eine „realistische“ Quote. Und wenn die Besserung nicht eintritt – denn die Regierung kann ja die Einstellung von Schwerbehinderten nicht erzwingen – heißt es dann, dass eben die 5 Prozent unrealistisch wa- ren? Wird man dann den Arbeitgebern über 4 Prozent „an- bieten“, weil dies dann eben „leider realistischer“ ist als eine Pflichtquote von 6 Prozent? Die Absenkung der Pflichtquote ist auch im öffentli- chen Dienst ein völlig falsches Signal, da somit seine in Teilbereichen vorhandene Vorbildwirkung ohne Not ge- schwächt wird. Denn nur bei den Arbeitgebern des Bun- des wird die Pflichtquote von 6 Prozent übertroffen. In den Behörden der Länder und erst recht in vielen Kom- munen besteht erheblicher Nachholbedarf. Gerade im Be- reich des öffentlichen Dienstes sollte die Pflichtquote eher noch angehoben werden. Eine im Gesetz vorgesehene Staffelung der Aus- gleichsabgabe ist im Ansatz richtig, aber viel zu niedrig in der Ausgestaltung. Sie bleibt eine milde Abgabe und ist auch mit der jetzigen Staffelung keine wirkliche Sanktion für die Arbeitgeber, die sich vor ihrer Pflicht drücken. Da- her hatte die PDS – ausgehend von den in der Anhörung zum Gesetz von Gewerkschaften und Behindertenverbän- den unterbreiteten Forderungen – in einem Änderungsan- trag vorgeschlagen, sie dort einsetzen, wo die Regierung aufhört, nämlich bei mindestens 500 DM, und sie dann mit 750 und 1 000 DM weiter zu staffeln. Aufgrund der im Gesetz vorgesehenen Kleinbetrieberegelung würden die kleinen und mittleren Unternehmen nicht erheblich mehr belastet als bisher. Viertens. Ich begrüße, dass die Regierung in ihrem Ge- setzentwurf erstmals eine langjährige Forderung der Be- hindertenverbände aufgreift und einen Rechtsanspruch auf Arbeitsassistenz festschreibt. Damit könnten neue Möglichkeiten geschaffen werden, eine stärkere Beteili- gung von Behinderten an Erwerbstätigkeit zu sichern. Zu- gleich deuten sich im Gesetzentwurf Einschränkungen an, zum Beispiel wird der Anspruch auf Übernahme von Kos- ten auf die – wörtlich – „notwendige Arbeitsassistenz“ be- zogen. Wer definiert hier für wen, was notwendig ist? Die PDS hatte daher vorgeschlagen, dass die notwendige Ar- beitsassistenz bedarfsdeckend sein sollte. Damit perso- nale Arbeitsassistenz auf einem hohen Niveau greifen kann, wurden in einem Änderungsantrag der PDS konkret fassbare Kriterien vorgeschlagen, die das Wunsch- und Wahlrecht der Betroffenen sichern sollen. Auch dieser Vorschlag fand keine Berücksichtigung. Fünftens. Mit ihrem Gesetz verpassen Koalition und Bundesregierung die Chance zu weitergehenden Reform- schritten. So wurde es versäumt, von dem inzwischen an- tiquierten Behindertenbegriff abzugehen und ein moder- nes Verständnis dieses Begriffs einzuführen. Noch immer werden durch die Grenzziehung „anerkannter Grad der Behinderung von 50 Prozent“ viele Betroffene unterhalb der Schwerbehinderung ausgeschlossen. Versäumt wurde auch eine konsequentere Ausweitung von Mitbestim- mungsrechten, so positiv die vorgesehenen Integrations- vereinbarungen auch sein mögen, sofern sie denn greifen. Integrationsvereinbarungen können ein Fortschritt sein, solange sich Arbeitgeber daran halten. Denn wenn sie es nicht tun, hat dieses Verhalten für sie keine Folgen. Hinzu kommt die Anbindung der betrieblichen Integrationspla- nung an die Existenz von Schwerbehindertenvertretungen oder – falls solche nicht bestehen – von Betriebsräten. Praktisch bedeutet dies, dass es in Ostdeutschland im Be- reich der privaten Wirtschaft nur sehr punktuell zu be- trieblichen Integrationsplanungen kommen wird. Das Gesetz stärkt die Chancengleichheit für Frauen und Männer mit Behinderungen nur unzureichend. Des- halb habe ich mich bei der Abstimmung enthalten. Anlage 5 Zu Protokoll gegeben Rede zurAktuellen Stunde: Regelmäßige Kontakte im Vorfeld von Zeugenvernehmungen im 1. Unter- suchungsausschuss des Deutschen Bundestages zwischen Untersuchungsausschussmitgliedern und dem Zeugen Dr. Kohl (Zusatztagesord- nungspunkt 16) Dr. Wolfgang Bötsch (CDU/CSU): Mit dem gegen- wärtigen Theaterdonner im Untersuchungsausschuss und nun auch im Plenum des Deutschen Bundestags versucht die SPD, von ihrem eigenen Dilemma abzulenken. Unter großem Bohai wird ein Nebenkriegsschauplatz eröffnet, weil man beim eigentlichen Untersuchungsthema nicht vorankommt, weil der so überaus erfolgreichen Regie- rung Kohl eine Käuflichkeit von Regierungsentscheidun- gen nicht nachgewiesen werden kann, weil es sie auch gar nicht gab. Die Empörung der Sozialdemokraten ist umso mehr eine Vorspiegelung falscher Tatsachen, als der Obmann unserer Fraktion im Untersuchungsausschuss niemals ei- nen Zweifel daran gelassen hat, dass er mit Herrn Dr. Kohl in Kontakt steht. Er hat selbstverständlich auch den Obmann der SPD darüber informiert. Zum anderen standen die sozialdemokratischen Mitglieder des Aus- schusses, selbst ständig im Kontakt mit dem Zeugen Dr. Peter Struck und ich möchte nicht wissen, welches Drehbuch hierbei abgesprochen wurde. Überhaupt täuschen die Sozialdemokraten sich und die Öffentlichkeit darüber, was ein Untersuchungsausschuss überhaupt zu leisten vermag. Gewiss sind Untersu- chungsausschüsse im Grundgesetz besonders erwähnt Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Juli 200011038 (C) (D) (A) (B) und mit besonderen Rechten ausgestattet. Gleichwohl bleiben sie Untergliederungen des Deutschen Bundesta- ges und sind – nach wie vor – Mittel der politischen Aus- einandersetzung. Untersuchungsausschüsse haben die Aufgabe, Sach- verhalte im Streit der politischen Parteien aufzuklären. Sie üben dadurch parlamentarische Kontrolle aus. Das Verfahren im Untersuchungsausschuss ist aber ein politi- sches Verfahren, das in der Auseinandersetzung mit den politischen Argumenten der Gegenseite seinen Sinn fin- det. Es wird durch die Interessen der Fraktionen geprägt, bei denen die Mitglieder des Ausschusses als Politiker, nicht aber als Richter auftreten. Deshalb haben die Mit- glieder auch keine richterliche Funktion und keine rich- terliche Unabhängigkeit. Deshalb sind auch die Kontakte meiner Kollegen mit unserem Altbundeskanzler Dr. Kohl nicht zu beanstan- den, zumal sie erwiesenermaßen nicht unlauteren Abspra- chen über Zeugenaussagen gedient haben. Würde man die Maßstäbe der Befangenheit eines Richters an die Mitglieder des Untersuchungsausschusses anlegen, hätte der Vorsitzende des Ausschusses, unser Kollege Neumann, schon nach den ersten Sitzungen sei- nen Hut nehmen müssen. Kein Vorsitzender Richter hätte mit einem so wichtigen Zeugen wie dem Herrn Schreiber im stillen Kämmerlein über dessen Kenntnisse telefonie- ren dürfen, ohne sofort von seinem Amt entbunden wor- den zu sein. Nein, wir sind mit dem Untersuchungsausschuss im Verfahren der politischen Auseinandersetzung, was ge- rade auch die Aktuelle Stunde heute beweist. Es geht um die großen Erfolge von 16 Jahren der Regierung Kohl, welche die Sozialdemokraten kleinreden, ja tilgen wollen. Wer selbst keine Erfolge nachweisen kann, kann sie bei einem anderen nicht ertragen, schon gar nicht beim poli- tischen Gegner. Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Rechts an Grundstücken in den neuen Ländern (Grundstücksrechtsänderungs- gesetz) (Tagesordnungspunkt 23 a) Hans-Joachim Hacker (SPD): Mit dem vorliegen- den Entwurf eines Grundstücksrechtsänderungsgesetzes nimmt der Gesetzgeber heute Klarstellungen vor, die für die Betroffenen von erheblicher Bedeutung sind. Die Re- gelungen stehen in der Kontinuität der Gesetzgebung seit der deutschen Einheit. Die Koalitionsfraktionen beweisen mit diesem Gesetzentwurf, dass sie alles Erforderliche tun, um in den neuen Ländern Rechtsklarheit und Rechts- frieden auf dem Gebiet der Vermögensfragen zu schaffen. Ich kann die Opposition daher nur auffordern, unserem Gesetzentwurf zuzustimmen. Ich kann nur auf einige Aspekte des Gesetzentwurfes eingehen. Ich meine jedoch, dass gerade die von mir an- gesprochenen Themen von außerordentlicher Bedeutung sind. Ausgangspunkt für das Gesetzgebungsverfahren war die Umsetzung des vom Bundesverfassungsgericht erteil- ten Auftrages, für den Zeitraum vom 22. Juli 1992 bis zum 31. Dezember 1994 dem Grundstückseigentümer bei Fremdnutzung einen Nutzungsentgeltanspruch zu ver- schaffen. Diesen Auftrag erfüllen wir mit diesem Gesetz und haben, einer guten Tradition des Deutschen Bundes- tages folgend, nach der Anhörung vom Montag dieser Woche noch einige Präzisierungen vorgenommen, die be- reits in den Ausschusssitzungen ausführlich erörtert wor- den sind. Es geht hierbei zum einen um die Frage, unter welchen Umständen der Grundstückseigentümer auch für die Zeit vom 1. Januar 1995 bis zum 31. März 1995 einen Nutzungsentgeltanspruch erwirbt. Zum anderen geht es darum, welcher Stichtag bei der Bemessung des zugrunde zu legenden Grundstückswertes herangezogen wird. Die Bestimmung des Entgeltes nach dem Bodenwert und dem Restwert eines überlassenen Gebäudes zum 22. Juli 1992 ist sachgerecht und verhindert Streit zwischen den Part- nern. So sehr ich für vereinfachende Regelungen bin, muss doch auch an dieser Stelle nochmals nachdrücklich der PDS-Vorschlag zurückgewiesen werden, der eine Pauschalierung des Entgeltes für alle betroffenen Rechts- verhältnisse vorsah. Dieser Vorschlag ist lebensfremd und vernachlässigt völlig marktwirtschaftliche Überlegungen. Denn wie kann man allen Ernstes den Nutzungsentgelt- anspruch für ein Grundstück in Berlin-Mitte mit dem An- spruch für ein Grundstück in einem strukturschwachen Landkreis in den neuen Ländern vergleichen? Die Regelung zu Artikel 233 § 2 a EGBGB bezüglich des Nutzungsentgeltanspruches ist verbunden worden mit der Klärung weiterer Fragen. Uns kam es darauf an, klar- zustellen, dass die von den Nationalsozialisten verfolgten und enteigneten Gewerkschaften, so wie das Vermögens- gesetz es vorsieht, in ihre früheren Rechte eingesetzt wer- den. Die ausdrückliche Regelung, wonach die gewerk- schaftlichen Nachfolgeorganisationen ihre Ansprüche unmittelbar oder mittelbar auf gewerkschaftliche Immo- bilienverwaltungsgesellschaften abtreten können, führt zu einer Gleichbehandlung mit anderen verfolgten Grup- pen aus der Zeit von 1933 bis 1945. Wer diese Gleichstel- lung will, der muss auch die Kraft aufbringen, den ge- werkschaftlichen Organisationen im Investitionsvorrang- verfahren die Rechte eines Beteiligten einzuräumen. Diese Verfahrensweise, die in der Praxis schon so ge- handhabt wird, muss eine konkrete Rechtsgrundlage be- kommen. Damit es klar ist: Wir schaffen hier keine neuen Restitutionsansprüche, diese ergeben sich bereits aus der geltenden Fassung des § 1 Absatz 6 Vermögensgesetz. Daher ist es für mich völlig unverständlich, dass die Op- position an dieser Stelle blockiert. CDU/CSU, F.D.P. und PDS wollen mit ihren Forderungen die gewerkschaft- lichen Rückerstattungsrechte, die sich im Übrigen aus dem Zwei-plus-Vier-Vertrag ableiten, beschneiden. Völlig abwegig ist es, die Rückerstattungsansprüche der NS-Verfolgten, zu deren Rechtsgrundlagen ich bereits Ausführungen gemacht habe, mit den Restitutionsan- sprüchen der DDR-Geschädigten gleichzusetzen. Unver- ständlich ist für mich, dass sich die PDS dieser Argu- mentation anschließt, tritt sie doch sonst nach ihrem Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Juli 2000 11039 (C) (D) (A) (B) Selbstverständnis als antifaschistische Partei auf, die demzufolge auch die Vermögensinteressen der Naziopfer vertreten müsste. Hier hat wohl wieder ihre taktische Überlegung gesiegt, aktuellen Forderungen von Interes- sengruppen nachzugehen, ohne die rechtlichen Grund- lagen zu berücksichtigen. Eine weitere wichtige rechtliche Klarstellung im Ge- setzentwurf ist darin zu sehen, dass die Frage der Erlan- gung von Gebäudeeigentum durch LPG geregelt wird. Im bisherigen Gesetzestext gab es hier Unebenheiten. Klar ist nun, dass diese Betriebe selbstständiges Eigentum nur an von ihnen errichteten Gebäuden erlangt haben. Mit dieser Regelung greifen wir im Übrigen die damalige Rechts- lage in der DDR auf. Insbesondere nach einem Gespräch mit Herrn Parla- mentarischen Staatssekretär Dr. Thalheim möchte ich auf folgenden Punkt hinweisen: Die Klarstellung zur Begrün- dung von Gebäudeeigentum für LPG kann nicht dazu führen, dass werthaltige bauliche Investitionen und von den LPG bei Rechtsträgerwechsel am Grundstück ge- zahlte Ablösebeträge für den Zeitwert der baulichen In- vestition in der Zukunft bei Veräußerungen der Grund- stücke unberücksichtigt bleiben. Der Rechtsanspruch für die Auskehrung entsprechender Forderungsbeträge ergibt sich meines Erachtens zweifelsfrei aus den allgemeinen Vorschriften der §§ 812 ff. BGB sowie den Regelungen des § 7 Abs. 2 Vermögensgesetz. Dies ist jedenfalls die In- tention, die für mich maßgeblich ist. Dringend notwendig ist auch die im Gesetzentwurf enthaltene Klarstellung im EGBGB bezüglich des Über- gangs volkseigener Forderungen Grundpfandrechte und Verbindlichkeiten auf Kreditinstitute in der neuen Rechts- form. Sie sehen, wir haben einen in sich schlüssigen Gesetz- entwurf vorgelegt. Ich bitte sie um Zustimmung in der zweiten und dritten Lesung. Andrea Voßhoff (CDU/CSU): Mit der vorliegenden Initiative stellen die Regierungsfraktionen heute ein Ge- setz zur Abstimmung, das den ebenso unscheinbaren wie komplizierten Namen „Grundstücksrechtsänderungsge- setz“ trägt. In erster Linie soll es – so die Regierungsfrak- tionen – einen Gesetzgebungsauftrag des Bundesverfas- sungsgerichtes umsetzen. Er sieht deshalb auch vor, dass Grundstückseigentümer in den neuen Ländern einen ge- setzlichen Anspruch auf Zahlung von Nutzungsentgelten durch den jeweiligen zum Besitz des Grundstücks Be- rechtigten auch für den Zeitraum von Juli 1992 bis 31. März 1995 erhalten sollen. Diesen Handlungsauftrag hat man dann genutzt, im Huckepackverfahren gleich noch einige andere Änderun- gen und Ergänzungen im Vermögensgesetz, in der Grund- buchbereinigung und in den Übergangsvorschriften des EGBGB vorzunehmen. In der Begründung heißt es dazu unter anderem – ich zitiere auszugsweise – „Bei der Be- wältigung der mit dem Immobilienrecht der neuen Länder im Zusammenhang stehenden Schwierigkeiten haben sich in der rechtlichen Praxis verschiedene Bedürfnisse für größtenteils technische Änderungen ... herausgebildet“. Soweit so gut und nicht zu beanstanden. Soweit sich der Entwurf also mit diesen Vorgaben be- fasst, haben wir auch schon in der Ausschussberatung un- sere Zustimmung signalisiert und deutlich gemacht, dass wir die rechtstechnischen und durch die Rechtsprechung notwendig gewordenen Klarstellungen mittragen. Eine Einschränkung müssen wir hierbei in Auswertung der An- hörung am Montag allerdings noch machen und darauf habe ich bereits in der Ausschusssitzung hingewiesen. So- wohl bei der rechtstechnischen Umsetzung als auch bei der endgültigen Festlegung der Höhe des mit dieser Ini- tiative neu zu schaffenden gesetzlichen Anspruchs des Grundstückseigentümers auf Zahlung eines Nutzungsent- gelts im Rahmen des sachenrechtlichen Moratoriums für die Zeit von 1992 bis 1994 bzw. 1995 hat die Anhörung überdeutlich gezeigt, dass hier noch rechtstechnische Mängel bestehen. Auch wenn wir den Regelungsansatz über den redu- zierten Erbbauzins als rechtssystematisch richtig ansehen und Sie nach der Anhörung noch Korrekturen vorgenom- men haben, sind diese für uns nicht ausreichend. Zur ab- schließenden Klärung der am Montag deutlich geworde- nen Bedenken zur Frage der Auswirkungen auf bereits ab- geschlossene Bereinigungsfälle, zu Fragen der klaren und vor Fehlinterpretationen geschützten Formulierungen hätten wir uns ein zeitlich solideres Beratungsverfahren gewünscht. Der frühere Bundespräsident Herzog hat ein- mal von einem Ruck gesprochen, der durch die Gesell- schaft gehen soll. Von einem Hauruck hat er nichts gesagt. Meine Damen und Herren von den Regierungsfraktio- nen, an Ihre Art und Weise Gesetze durchzupauken, sind wir ja bereits gewöhnt. Bei dieser so komplexen Materie eine von uns beantragte Anhörung so kurzfristig anzube- raumen und ohne Vorlage der Anhörungsprotokolle be- reits zwei Tage danach abschließend zu beraten, lässt für uns nur den Schluss zu, ein Gesetz durchpauken zu wol- len, komme, was da wolle. Im Interesse der Betroffenen werden wir daher dazu unsere Hand nicht reichen. Ihre Argumentation, der Gesetzgebungsauftrag hätte bereits zum 30. Juni dieses Jahres umgesetzt sein müssen, ändert daran auch nichts. Ich kann dem nur entgegnen: Warum haben wir uns dann nicht früher in diesem Hohen Hause damit beschäftigt? Zu den inhaltlichen Kritikpunkten, weshalb wir dem Entwurf nicht zustimmen, zählt Ihre beabsichtigte Privi- legierung der Gewerkschaften. Der sehr geschätzte Kol- lege Wolfgang von Stetten hat daher dieser Initiative dann auch sehr schnell den wahren Namen gegeben. Er nennt es schlicht ein „Gewerkschaftsvermögensvermehrungs- gesetz“. Ja, meine Damen und Herren, diese Bezeichnung müssen Sie sich angesichts des Inhaltes schon gefallen lassen. Und wenn Sie uns diese verbale Bewertung als op- positionelle Polemik vorwerfen sollten, dann darf ich doch an dieser Stelle an die Anhörung zu diesem Gesetz am vergangenen Montag erinnern. Der nahezu einstim- mige Appell der Sachverständigen in der Anhörung am vergangenen Montag müsste Ihnen doch eigentlich noch im Ohr klingen. Sie begründen Ihre Initiative der politisch gebotenen Gleichstellung der gewerkschaftlichen Nachfolgeorgani- sationen und deren Immobiliengesellschaft BIO mit der Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Juli 200011040 (C) (D) (A) (B) Jewish Claims Conference against Germany GmbH bei der Geltendmachung von Ansprüchen nach dem Vermö- gensgesetz mit dem historischen Ansatz der nationalsozi- alistischen Verfolgung und den daraus resultierenden Re- gelungen im Vermögensgesetz. Weil die BIO nach Ihrer Darstellung ähnlich wie die JCC GmbH ausschließlich zum Zwecke der besseren Durchsetzung von Restituti- onsansprüchen und nicht zu deren Verwertung gegründet worden sei, wollen Sie der BIO die Erleichterungen zu- kommen lassen, die der JCC GmbH vom Gesetzgeber bei der Geltendmachung von abgetretenen Ansprüchen zuge- billigt wurden. Sie sprechen dabei von der Erleichterung der Abwicklung von Ansprüchen. Wovon Sie nicht spre- chen, meine Damen und Herren von der Regierungsfrak- tion, ist, dass die Wirkungen dieser Erleichterungen eine massive Konzentration der Anspruchsdurchsetzung sind, die im Lichte der schwierigen wirtschaftlichen Situation gerade auch der regionalen Wohnungsbaugesellschaften zu einer erheblichen Beeinträchtigung der regionalen In- vestitionstätigkeit führt. Ich denke, die praktischen Erfah- rungen der Vertreter in der Anhörung haben dies über- deutlich gemacht. Sie müssen sich aber auch die Frage gefallen lassen, wieso Sie diesen Freifahrtschein für die gewerkschaftli- che Immobiliengesellschaft nicht auch anderen Restituti- onsberechtigten zukommen lassen wollen. Das mit dieser Regelung in bestimmten – nicht unwahrscheinlichen – Sachverhaltskonstellationen der BIO in konzentrierter Form finanzielle Ansprüche erwachsen, erwähnen Sie nicht. Ist nämlich die BIO künftig Beteiligte am Investiti- onsvorrangsverfahren und erreicht sie es in dieser Funk- tion, dass eine Veräußerung an einen investitionsbereiten Dritten nicht stattfindet, dann kann sie die Mieterlösaus- kehr beanspruchen. Aber auch die Suspendierung von der Beurkundungs- pflicht bei der Übertragung von Ansprüchen auf die BIO ist nicht nachvollziehbar. Sie wissen, dass der Beurkun- dung – als der wichtigsten und strengsten Formvor- schrift – eine außerordentliche Bedeutung zukommt, die im Interesse der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit nicht durch Ausnahmeregelungen durchbrochen werden sollte. Wenn von diesem Grundsatz einmalig für die JCC eine Ausnahme gemacht wurde, dann ist dies ausschließ- lich in der Verbindung mit dem internationalen Pri- vatrecht zu sehen. Dieser Ausnahmegrund kann jedoch für die BIO nicht gelten. In Ihrer Initiative ist weiter vorgesehen, dass zur Rea- lisierung der Ansprüche nach § 3 VermG eine Bündelung der Anteile zulässig sein soll, die für sich gesehen nicht das gesetzlich vorgeschriebene Quorum erreichen würden und deshalb einzeln auch nicht geltend gemacht werden könnten. Zu Recht hat Herr Staatssekretär Dr. Pick darauf hingewiesen, dass diese Bündelung der Anteile, die die 20-Prozent-Hürde überbrückt, in der Gesetzesformulie- rung nicht allein für die Gewerkschaften gilt, sondern auch für alle Rechtsnachfolger. Gleichwohl dürften fak- tisch die Gewerkschaften Hauptbegünstigte dieser Rege- lung sein. Dies lässt sich sicher noch damit begründen, dass die Gewerkschaften eben auch Kleinanteile an den Unter- nehmen hatten, die zwischenzeitlich heute in der Hand der BIO sind. Aber Sie müssen dann auch die Frage be- antworten, wieso Sie mit dieser Initiative die Tür zur Gel- tendmachung der gebündelten Ansprüche mit In-Kraft- Treten dieses Gesetzes auch gleich wieder zumachen wollen, also einen Stichtag einführen wollen? Miss- brauchsverhinderung und die Vermeidung der Gefahr der Zersplitterung von Unternehmen sind sicher berechtigte Gründe. Die Konsequenz dieser Regelung – ich darf das einmal salopp ausdrücken: Tür auf, Gewerkschaften rein, Tür wieder zu – halte ich im Lichte unserer Verfassung für nicht tragbar. Im Übrigen darf ich an dieser Stelle auf die erheblichen verwaltungstechnischen Umsetzungsprobleme hinweisen, die ja auch in der Anhörung sehr deutlich wurden. Die Sta- tements in der Anhörung waren ja nahezu schon Appelle, die Abwicklung der Restitutionsansprüche dadurch nicht noch zusätzlich und auch noch erheblich zu verkompli- zieren. Jede Investitionsbremse, die jetzt noch zusätzlich in das Vermögensgesetz Einzug halten soll, erschwert den Fortgang der Abwicklung vermögensrechtlicher An- sprüche. Dem können wir nicht zustimmen. Lassen Sie mich abschließend noch auf unseren Antrag auf Drucksache 14/1003 eingehen, in dem wir Sie auffor- dern, die Entschädigungspflicht nach dem Vermögensge- setz bei der Einziehung von beweglichen Sachen zu re- geln. An der Drucksachennummer können Sie erkennen, dass dieser Antrag mehr als ein Jahr alt ist. Hin- und her- geschoben wurde die Umsetzung unserer Initiative: erst als Annex im Vermögensrechtsergänzungsgesetz, das heute gleich im Anschluss beraten wird; dann fand sie sich kurzfristig in diesem Artikelgesetz und seit Mittwoch fin- den sich die Entschädigungsregelungen wieder im Ver- mögensrechtsergänzungsgesetz. Dies zeigt beispielhaft Ihren Umgang mit Gesetzesinitiativen. Zu dem Inhalt unserer Initiative wird gleich noch der Kollege von Stetten einige Ausführungen machen. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Das Artikelgesetz bringt Änderungen und Korrek- turen für verschiedene andere Gesetze zur Regelung von Vermögensfragen nach der deutschen Vereinigung in der ehemaligen DDR. Wieder mal folgt der Bundestag damit in einigen Bereichen den Vorgaben des Bundesverfas- sungsgerichts. Das betrifft insbesondere den Artikel 233 § 2 a EGBGB. Bis zum 30. Juni 2000 soll eine Regelung geschaffen werden, die Grundstückseigentümern Nutzungsentgelt auch für die Zeit vom 22. Juli 1992 bis 31. März 1995 zu- gesteht. Bisher war das anders geregelt. Aus gutem Grund, wie der Bundestag bei Erlass des Gesetzes meinte. Das Bundesverfassungsgericht war anderer Meinung und sah darin einen Verstoß gegen das Grundrecht auf Schutz des Eigentums. Selbstverständlich kommen wir der Ent- scheidung des höchsten deutschen Gerichts nach und ge- ben nunmehr den Grundstückseigentümern auch für diese Zeitspanne einen Anspruch auf Nutzungsentgelt, auch wenn es schwerfällt, weil viele Nutzer nun mit erhebli- chen Nachzahlungen rechnen müssen. Aber es führt kein Weg daran vorbei. Die Entscheidung des Gerichts ist für das Parlament bindend. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Juli 2000 11041 (C) (D) (A) (B) Die Höhe dieses Anspruchs richtet sich nach den Re- gelungen des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes zu den Erbbauzinsen. Allerdings muss der Anspruch innerhalb von zwei Jahren geltend gemacht werden. Sonst verjährt er. Damit soll möglichst rasch Rechtssicherheit geschaf- fen werden. Die redlichen Nutzer von Grundstücken sol- len bald wissen, was auf sie zukommt und nicht nach wei- teren Jahren plötzlich mit der hohen Nachzahlung kon- frontiert werden. So weit wird die Opposition zustimmen. Anders ist es mit der Änderung des Vermögensgeset- zes in Art. 1 unseres Grundstücksrechtsänderungsgeset- zes. Hierzu hat auch eine besondere Anhörung stattge- funden. Um die Abwicklung ihrer Ansprüche nach dem Ver- mögensgesetz zu erleichtern, soll die Jewish Claims Conference ihre Rechte auf die gleichnamige GmbH ein- fach schriftlich übertragen können. Das ist noch unstrit- tig. Anders ist es mit der entsprechenden Regelung für die gewerkschaftlichen Nachfolgeorganisationen. Sie sollen ebenso erleichtert ihre Ansprüche auf die BGAG Immobilien Ost übertragen können. Damit tragen wir ei- nem Anliegen der Gewerkschaften Rechnung. Das ist gerechtfertigt. Denn diese gewerkschaftliche GmbH wurde aus-schließlich, wie auch die Jewish Claims Con- ference GmbH, zur besseren Durchsetzung von Restitu- tionsansprüchen gegründet, nicht zu deren Verwertung durch Verkauf an Dritte und damit nicht zur Gewinn- erzielung. Vor allem aber hat die rechtliche Situation, die es zu re- geln gilt, ihren Ursprung in der NS-Zeit. Sie ist insoweit vergleichbar der der Ansprüche, deren Durchsetzung die Jewish Claims Conference zur Aufgabe hat. Diese Be- sonderheit eines Verfolgungstatbestandes rechtfertigt es, die Gewerkschaften in gewissem Maße zu privilegieren gegenüber anderen Unternehmen. Wichtig ist, dass mit der Regelung kein eigener Rechtsanspruch geschaffen wird, sondern nur eine Beteiligungsmöglichkeit am In- vestitutionsvorrangverfahren. Allerdings gibt es hier eine Einschränkung, dass die Beteiligung am Investitutions- vorrangverfahren nur dann gilt, wenn zurzeit des In- Kraft-Tretens des Gesetzes noch keine endgültige Ver- waltungsentscheidung getroffen wurde. Wenn CDU/CSU und F.D.P. hierin eine unzulässige Bevorzugung der Ge- werkschaften sehen wollen und dahinter gar eine Klien- telbedienung zu entdecken glauben, dann kann ich solche Vorwürfe für die Fraktion der Bündnisgrünen nur ent- schieden zurückweisen. Wir haben keinen Grund einer besonderen Klientelbedienung. Und die Argumente, die Regelung auch auf die gewerkschaftliche GmbH auszu- dehnen, überzeugen. Sie sind ein ausreichender Grund, ei- nen Unterschied zur Regelung für andere Unternehmen zu machen. Wenn Unternehmen, für die entsprechende Voraussetzungen gegeben sind, solche Anliegen an uns herantragen, sind wir gern bereit, diese zu prüfen und viel- leicht geeignete Veränderungen zu ergänzen, wenn die Si- tuation wirklich voll vergleichbar ist. Die Regelungen zur Aufteilung der Rechte an Vermö- gen und insbesondere Grundstücken aus der Hinterlas- senschaft der DDR werden immer komplizierter, unver- ständlicher und auch unübersichtlicher. Das heute zu ver- abschiedende Gesetzeswerk ist ein Beispiel dafür. Die Änderungen sind aber unvermeidbar, wenn es gilt, Ent- scheidungen des Verfassungsgerichts nachzukommen. Sie sind auch notwendig, um mehr Gerechtigkeit zu schaffen und die gegensätzlichen Interessen besser auszu- gleichen. Die Regelungen sind für viele Menschen häufig von existenzieller Bedeutung. Es geht zum Beispiel um ge- werkschaftliches Wohnungsvermögen. Von der heute zu verabschiedenden Regelung können mehr als 6 000 Woh- nungen betroffen sein. Auch wenn kaum noch jemand durchblickt: Verab- schieden wir das richtige Gesetz noch heute vor der Som- merpause. Viele in der ehemaligen DDR warten darauf, die einen mehr bangend, die anderen mehr hoffend. Rainer Funke (F.D.P.): Dieser Gesetzentwurf ist wahrlich kein Meisterstück und wimmelt von handwerk- lichen Mängeln. Nicht nur, dass die vom Bundesverfas- sungsgericht vorgeschriebenen Fristen vom 30. Juni die- ses Jahres hinsichtlich der Entgeltlösung nicht eingehal- ten werden können, sondern auch die gleichzeitige Umgestaltung dieser notwendigen gesetzlichen Änderung zu einem Artikelgesetz, in dem Wichtiges und Unwichti- ges, formelles und materielles Recht durcheinander gere- gelt werden, ist nicht gelungen. Ich will im Einzelnen nicht auf die Art. 2 bis 7 einge- hen. Mit diesen Regelungen, insbesondere hinsichtlich des Nutzungsentgeltes, ist, glaube ich, eine tragfähige Lö- sung gefunden worden, auch wenn die betreffenden Ver- bände in der Anhörung zum Teil massive Kritik geäußert haben. Ich will aber auch zum Zustandekommen dieses Artikelgesetzes sagen, dass vor zwei Sitzungswochen die- ser Gesetzentwurf von den Koalitionsfraktionen holter- diepolter eingebracht worden ist. Offensichtlich weil das Bundesjustizministerium nicht in der Lage war, ein Ge- setz rechtzeitig durch Kabinettsbeschluss zu verabschie- den und den Weg ordnungsgemäß über den Bundesrat zu beschreiten. Der Gesetzentwurf sollte schnell durchge- peitscht werden, im Übrigen mit dem inzwischen zurück- genommenen Ansinnen, noch Änderungen zum Vermö- gensrechtsänderungsgesetz vorzunehmen. Auf Interven- tion der Oppositionsparteien hat eine Anhörung stattgefunden, die ergeben hat, dass erhebliche Beden- ken, insbesondere hinsichtlich Art. 1, der gravierenden Bevorzugung der Gewerkschaften, bestehen. Es ist kein sachlicher Grund erkennbar, warum den Ge- werkschaften gegenüber anderen gesellschaftlichen Kräf- ten oder auch Bürgern bessere Rechtspositionen hinsicht- lich des Vermögens, was sie unter der Naziherrschaft ver- loren haben, eingeräumt werden sollen. Dies gilt auch für die Frage des § 313 BGB. Mit anderen Worten: Warum sollen entsprechende grundbuchliche Vorgänge für Ge- werkschaften ohne Inanspruchnahme eines Notars beur- kundet werden? Zu Recht haben wir den Formzwang des § 313 BGB für alle grundbuchlichen Vorgänge vorge- geben. Die Rechtstellung aller gesellschaftlichen Kräfte muss gleich sein und deswegen habe ich erhebliche verfas- sungsrechtliche Bedenken hinsichtlich der Bevorzugung einer gesellschaftlichen Gruppierung. Aber offensichtlich Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Juli 200011042 (C) (D) (A) (B) hat im politischen Leben alles seinen Preis. Die Römer ha- ben dafür das Sprichwort: Manus manum lavat. Dr. Evelyn Kenzler (PDS): Die Art und Weise wie Einzelregelungen offener Vermögensfragen in der letzten Woche vor der Sommerpause durch den Bundestag gejagt werden, halte ich, offen gesagt, für unwürdig. So sollten Gesetzgebungsverfahren im Interesse der Solidität unse- rer Arbeit nicht gehandhabt werden. Ich habe zwei Be- merkungen zu dem Entwurf zu machen. Erstens zu Art. 1. Die Probleme, die mit den vorgese- henen Erleichterungen für die gewerkschaftlichen Nach- folgeorganisationen verbundenen sind, sind aus meiner Sicht nicht einfach. Einerseits verstehe ich, dass die Ge- werkschaften ähnlich behandelt werden wollen wie die Jewish Claims Conference. Die Gewerkschaften wurden vom faschistischen Regime verfolgt und ihr Vermögen wurde enteignet. Andererseits stehen dem berechtigte In- teressen der Wohnungswirtschaft in Ostdeutschland und letzten Endes der Mieter gegenüber. Die Leerstände von Wohnungen wegen ungeklärter Vermögensfragen sind schon jetzt sehr hoch. Durch die neuen Regelungen – so der Verband Sächsischer Wohnungsunternehmen – „be- steht die Gefahr, dass sinnvolle Schritte im Rahmen der Stabilisierung von Investitionen blockiert werden“. Mit der Möglichkeit der Bündelung von Ansprüchen wird – so der Verband – „die Vermögenszuordnung zehn Jahre nach der Wende nochmals erheblich beeinträchtigt“. Zweitens zu Art. 4 Nummer 2. Dort ist die Nachzah- lung von Nutzungsentgelten für die Zeit vom 22. Juli 1992 bis zum 31. März 1995 geregelt. Ich vertrete dazu folgenden Standpunkt: Der Gesetzgeber kann sich natür- lich nicht über die Entscheidung des Bundesverfassungs- gerichts hinwegsetzen. Die vorgeschlagene Lösung, näm- lich die Begrenzung der Entgelte entsprechend den §§ 51, 43 und 45 Sachenrechtsbereinigungsgesetz, ist zwar nicht die schlechteste. Sie ist juristisch machbar. Aber wirt- schaftlich belastet sie vor allem die ostdeutschen Woh- nungsunternehmen ganz empfindlich. Auf der Anhörung des Rechtsausschusses am letzten Montag wurden ent- sprechende Zahlen genannt. Es wäre auch eine andere Lösung möglich gewesen, die der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ebenfalls entsprochen und den Wohnungsunternehmen weniger finanzielle Lasten aufgebürdet hätte; zum Bei- spiel die Festlegung eines angemessenen Pauschalsatzes pro Quadratmeter. Offen bleibt in dem Entwurf, ob eine Beteiligung des Nutzers an den öffentlichen Grundstückslasten in dem fraglichen Zeitraum auf die Höhe des nachzuzahlenden Nutzungsentgelts angerechnet werden kann und ob früher abgeschlossene Verträge zwischen Eigentümer und Nut- zer Vorrang vor den nun zu treffenden gesetzlichen Rege- lungen haben. Die sich aus der Überlappung in der Zeit zwischen dem 1. Januar und dem 31. März 1995 ergeben- den Probleme scheinen nach dem letzten Stand einiger- maßen zufriedenstellend gelöst zu sein. Die PDS-Fraktion wird dem Entwurf ihre Zustimmung aus den angeführten Gründen nicht geben. Dr. Eckhart Pick (Parl. Staatssekretär bei der Bun- desministerin der Justiz): Ich freue mich, dass wir das Grundstücksrechtsänderungsgesetz – nach zum Teil recht kontroversen Debatten in den Ausschüssen – heute in zweiter und dritter Lesung beraten und damit hoffentlich zu einem guten Abschluss bringen können. Das Gesetz enthält eine Reihe von Regelungen, von denen auch die Damen und Herren der Opposition nicht in Abrede stel- len, dass sie sinnvoll, ja notwendig sind und denen Sie dankenswerter Weise in den Ausschüssen Ihre Zustim- mung größtenteils nicht verweigert haben; ich denke da zunächst an die Regelungen über ein schlankeres, kos- tensparenderes, aber zugleich bürgerfreundliches Aufge- botsverfahren für nicht beanspruchte Vermögenswerte im Entschädigungs- und Grundbuchbereinigungsgesetz. Gleiches gilt für die Änderungen in der Grundstücksver- kehrsordnung und dem Parteiengesetz der DDR. Hier sind Zuständigkeitsverlagerungen vorgesehen bzw. wer- den wegen der geplanten Umstrukturierung der Bundes- anstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben ermög- licht. Nicht umstritten waren auch Änderungen des EGBGB, die einerseits den Übergang von Althypotheken und Alt- forderungen auf die Nachfolgeinstitute der DDR-Kredit- institute und andererseits das Entstehen von selbstständi- gem Gebäudeeigentum landwirtschaftlicher Produktions- genossenschaften betreffen. Beide Bestimmungen sind in der vom Rechtsausschuss durchgeführten Anhörung aus- drücklich als notwendig und richtig begrüßt worden. Ich will daher hier darauf nicht weiter eingehen. Von der Opposition heftig kritisiert wurden dagegen ei- nige Änderungen, die das Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen betreffen. Hier scheint es, dass sich die Kollegen insbesondere daran stören, dass Regelungen zu- gunsten der Gewerkschaften aufgenommen wurden. Es geht uns aber nicht darum, dass die Gewerkschaften ge- genüber anderen NS-Verfolgten bevorzugt werden sollen. Es wird vielmehr eine Gleichbehandlung der NS-Verfolg- ten untereinander hergestellt und eine unbillige Rechts- lage bereinigt. Nach geltendem Recht führt die Organisa- tionsstruktur der Gewerkschaften dazu, dass diese nie an Verfahren nach dem Investitionsvorranggesetz beteiligt werden, obwohl in diesen Verfahren ihre Ansprüche auf Restitution ehemals gewerkschaftseigenen Vermögens betroffen sind. Die Gewerkschaften haben nämlich Un- ternehmen gegründet, die abgetretene gewerkschaftliche Ansprüche konzentriert geltend machen. Die Ansprüche bleiben zwar im „Lager“ der Gewerkschaften; die ge- werkschaftlichen Unternehmen haben aber gleichwohl formal kein Beteiligungsrecht. Hier besteht ein Unter- schied zur Conference on Jewish Material Claims against Germany, die Ansprüche für jüdische Verfolgte geltend macht: Ihr ist gesetzlich die Möglichkeit eingeräumt wor- den, eine GmbH zu gründen, auf die sie ihre Ansprüche abtreten kann, ohne dass dadurch das Recht, am Verfah- ren nach dem Investitionsvorranggesetz beteiligt zu wer- den, verloren geht. Es ist aus meiner Sicht kein Grund er- sichtlich, den ebenfalls in der NS-Zeit verfolgten Ge- werkschaften das gleiche Recht nicht einzuräumen. Auch eine weitere Gesetzesänderung betrifft An- sprüche der NS-Verfolgten. Wurden ihnen Unternehmens- anteile verfolgungsbedingt entzogen, so haben sie nach Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Juli 2000 11043 (C) (D) (A) (B) geltendem Recht Anspruch auf Einräumung von Bruch- teilseigentum an den Gegenständen, die früher zu dem Unternehmen gehört hatten. Dies gilt auch dann, wenn ih- nen Anteile am Mutterunternehmen entzogen wurden. Um zu große Eigentumszersplitterungen zu vermeiden, enthielt das geltende Recht eine Grenze. Hatte das Mut- terunternehmen lediglich einen Anteil von bis zu 20 Pro- zent an dem Tochterunternehmen, so besteht der An- spruch auf Einräumung von Bruchteilseigentum nicht. In- zwischen befinden sich aber häufig mehrere Ansprüche, die verschiedene Mutterunternehmen betreffen, in einer Hand. Durch das Grundstücksrechtsänderungsgesetz soll klargestellt werden, dass in diesen Fällen die Anteile der Mutterunternehmen zu addieren sind, da es bei der Kon- zentration auf einen Anspruchsinhaber nicht zu einer Ei- gentumszersplitterung kommen kann. Dies soll aber nur dann gelten, wenn nicht die vermögensrechtlichen An- sprüche durch Abtretungen erlangt werden, die erst nach In-Kaft-Treten dieses Gesetzes, das heißt in Ansehung der Neuregelung, erfolgen. So wird einem möglichen Miss- brauch entgegengewirkt, den es geben könnte, wenn meh- rere Berechtigte sich zunächst zusammenschließen, um das Bruchteilseigentum zu erlangen, und sich anschlie- ßend wieder auseinander setzen. Denn dann käme es ge- nau zu der Eigentumszersplitterung, die gerade verhindert werden soll. Einem Gesetzgebungsauftrag des Bundesverfassungs- gerichts folgend verabschieden wir hier auch eine Rege- lung, mit der ein gesetzlicher Entgeltanspruch für Grund- stückseigentümer eingeführt wird. Bisher mussten sie in- folge des sachenrechtlichen Moratoriums die Nutzung ihres Grundstücks unentgeltlich hinnehmen, sofern sie mit dem Nutzer nicht zu einer Einigung gelangen konn- ten. Das Bundesverfassungsgericht hat einen gesetzlichen Nutzungsentgeltanspruch für den Zeitraum vom 22. Juli 1992 – das ist das In-Kraft-Treten des 2. Vermögens- rechtsänderungsgesetzes – bis zum 31. Dezember 1994 für notwendig erachtet. Die vorgeschlagene Regelung geht über diesen, dem Bundesverfassungsgericht allein zur Entscheidung unterbreiteten Zeitraum insofern hi- naus, als sie den Anspruch des Eigentümers auch auf die Zeit bis zum 31. März 1995 erstreckt. Dies ist kritisiert worden, erscheint mir aber im Lichte der bundesverfas- sungsgerichtlichen Entscheidung notwendig: Für die Zeit ab dem 1. Januar 1995 ist der Nutzungsentgeltanspruch des Eigentümers im Interesse beschleunigter Sachen- rechtsbereinigung bewusst auch von seiner eigenen Ini- tiative in der Sachenrechtsbereinigung abhängig; formal sind ihm die entscheidenden Schritte aber nicht vor Ab- lauf des März 1995 möglich gewesen. Deshalb muss der Eigentümer bis zu diesem Zeitpunkt grundsätzlich in den Genuss des neu geschaffenen Entgeltanspruchs kommen können. Es ist aber auch richtig, die in der Anhörung vor- getragenen Bedenken aufzugreifen: Für diesen weiterge- henden Zeitraum muss ein Nutzungsentgeltanspruch dann versagt werden, wenn der Eigentümer sich einer vom Nut- zer eingeleiteten Sachenrechtsbereinigung verweigert hat. Die Frage, in welcher Höhe ein Nutzungsentgeltan- spruch einzuräumen war, bewegt sich in einem Span- nungsfeld ganz unterschiedlicher Erwartungen und auch wirtschaftlicher Gegebenheiten. Neben dem Interesse der Eigentümer an einer angemessenen Verzinsung des von ihnen zur Verfügung gestellten Grund und Bodens muss die wirtschaftliche Situation der Nutzer berücksichtigt werden. Genossenschaften, Wohnungsbauunternehmen, aber auch der private Nutzer sehen sich unter Umständen erheblichen Nachzahlungen für einen inzwischen weit zurückliegenden Zeitraum ausgesetzt. Insbesondere die Wohnungsunternehmen haben dies in der Anhörung ein- drücklich geschildert. Ich denke, dass mit der Anknüp- fung der Entgelthöhe an den in der Eingangsphase der Sa- chenrechtsbereinigung zu zahlenden Erbbauzins eine ins- gesamt zumutbare und systemgerechte Lösung gefunden wurde. Die vorgeschlagenen, niedrigen Entgeltpauscha- len halte ich nicht für vertretbar, da sie – vom Grund- stückswert abgekoppelt – in wertvolleren Lagen dem Grundstückseigentümer kaum eine marginale Verzinsung seines Bodens ließen. Die gefundene Regelung trägt zu- dem auch dem Interesse der Nutzer am Bestand in der Vergangenheit abgeschlossener Vereinbarungen Rech- nung. Die in den Beratungen erzielten Ergebnisse sind insge- samt ausgewogen und stimmig. Ich bitte deshalb um Ihre Zustimmung zu dem Entwurf. Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung vermögensrechtlicher und anderer Vorschriften (Vermögensrechtser- gänzungsgesetz) (Zusatztagesordnungsunkt 15) Dr. Mathias Schubert (SPD): Das Vermögensrechts- ergänzungsgesetz beinhaltet eine Reihe wichtiger Rege- lungen, die mehr Klarheit und Berechenbarkeit innerhalb des ganzen Problemkreises um Entschädigungen, Natur- schutz und Flächenerwerb bringen werden. Ich gehe auf zwei Themen besonders ein. Auf der ei- nen Seite die Naturschutzflächen: Der Bund stellt hier- für 50 000 Hektar kostenlos zur Verfügung. Weitere 50 000 Hektar können wertgleich bzw. flächengleich mit den Ländern getauscht werden. Dieser Tausch ist deshalb möglich, weil die Länder über mehr als ausreichend ge- eignetes Land verfügen. Allein bei der Übereignung des Preußenwaldes vom Bund auf die Länder handelt es sich um 1 Million Hektar. Wer also behaupten sollte, mit dieser Regelung würde der Bund die Länder übervorteilen, liegt falsch. Ganz im Gegenteil wird der Gesetzentwurf sowohl den Interessen des Naturschutzes als auch denen der Land- und Forst- wirtschaft gerecht. Beide Seiten erhalten damit Klarheit. Der in manchen Fällen jahrelang währende Streit um die Nutzung einzelner Flächen wird beendet werden. Das politische Signal an beide Seiten ist dabei eindeu- tig. Landwirtschaft und Naturschutz haben neben unter- schiedlichen Zielen eben auch gemeinsame, übrigens mehr und mehr gemeinsame. Dies wird mit dem Gesetz- entwurf unterstützt und gefördert. Wer in diesem Zusam- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Juli 200011044 (C) (D) (A) (B) menhang zum Beispiel einwendet, die Antragsfristen für die Naturschutzverbände seien zu kurz, dem muss be- scheinigt werden, dass er keine Ahnung hat vom Engage- ment und von der Professionalität, mit der Naturschutz- verbände arbeiten. Zum anderen gehe ich kurz ein auf die Regelungen zum Flächenerwerb. Hier heißt die entscheidende politi- sche Botschaft: Der Flächenerwerbsstopp wird beendet. Bekanntermaßen hat die EU-Kommission vor etwa zwei Jahren faktisch einen Verkaufsstopp verhängt, weil die Subventionierungsquoten zu hoch waren. Das hat uns da- mals – übrigens im ganzen Hause – im Blick auf die ost- deutsche Landwirtschaft nicht gerade begeistert. Nun wird im Gesetzentwurf für die potenziellen Käufer eine Abschlagsquote auf den Verkehrswert von 35 Prozent festgelegt. Schon schreit die CDU/CSU-Opposition „Ach und weh“, wir würden die ostdeutsche Landwirtschaft platt machen wollen. Ich erinnere Sie nur an Ihre wieder- holten Versuche in der vergangenen Legislaturperiode, die Bodenreform umzukehren, zum Teil gegen den Willen Ihrer eigenen Regierung. Das wäre die ultimative Enteig- nung der ostdeutschen Landwirte gewesen. Wenn Sie hier also politisch ernst genommen werden wollen, dann han- deln Sie nicht nach der Methode: „Was schert mich mein Geschwätz von gestern“, sondern betrachten Sie ganz nüchtern die Situation. Die Verkehrswerte in Ostdeutschland liegen bei 4 000 bis 6 000 DM pro Hektar, im Vergleich in Bayern und Baden- Württemberg bei bis zu 40 000 DM pro Hektar. 6 000 mi- nus 35 Prozent macht circa 4 000 DM pro Hektar, also 10 Prozent vom Südstaatenniveau. Zudem arbeitet die Landwirtschaft im Osten produktiver als im Westen. Das hat auch etwas damit zu tun, dass die Betriebe im Durch- schnitt im Osten fünfeinhalb mal größer sind als im Wes- ten. Wie gut die Landwirtschaft in Ostdeutschland ist, kann jeder aus dem Agrarbericht 1999 herauslesen, zum Beispiel wenn man die Gewinnentwicklung vergleicht: Mecklenburg-Vorpommern plus 26,4 Prozent, Sachsen plus 16,2 Prozent, Niedersachsen plus 0,1 Prozent, Schleswig-Holstein plus 5,2 Prozent usw. Außerdem wer- den die LPG-Nachfolger steuerlich wie verarbeitendes Gewerbe behandelt, ein weiterer Vorteil. Und schließlich: Landwirte können rechnen. Deshalb rechnen die auf die Mark genau vor, dass es für sie in der Regel wirtschaftlich günstiger ist, für 18 Jahre zu pachten statt zu kaufen. Ihre oppositionelle Empörung mag vielleicht für Ihre eigene Ermutigung ganz gut sein, an der Sache selbst geht sie vorbei. Was bleibt, ist Blockade. Und wenn Herr Merz gestern sagte, er werde uns zwingen, dann klingt das nach blanker Ideologie, und die steht in gefährlicher Nähe zur Verantwortungslosigkeit. Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten (CDU/CSU): Die von der Koalition in dieser letzten Sitzungswoche vor der Sommerpause durchzupeitschenden Gesetze – so das Grundstücksrechtsänderungsgesetz und das Vermögens- rechtsänderungsgesetz – sind ein Skandal. Durch Heraus- nahme und Wiedereinfügung in die obigen Gesetze ist ein Paragraphen- bzw. Gesetzessalat vorgelegt worden, um die wahren Hintergründe zu verschleiern. Schon bei der Frage des doppelten Durchgriffs bei ehe- maligem jüdischen Vermögen gab es erhebliche recht- liche und verfassungsrechtliche Bedenken, die aber im Hinblick auf das Schicksal dieser Gemeinschaft zurück- gestellt wurden. Die Gleichstellung von Gewerkschaften ist durch nichts gerechtfertigt, auch wenn die Gewerk- schaften Vermögenswerte erheblicher Art verloren haben. Sie aber mit jüdischen Gemeinschaften, persönlichen Schicksalen von Juden gleichzustellen ist eine Verhöh- nung der Toten. So ist dieses Gesetz ein reines „Gewerk- schaftsvermögensvermehrungsgesetz“ und deswegen ab- zulehnen. Das Vermögensrechtsergänzungsgesetz hat das von der EU-Kommission vorgegebene Verbot von vergünstigten Verkäufen an nicht Systemgeschädigte auf den Kopf ge- stellt. Statt die Berechtigten, insbesondere die Alteigentü- mer zu begünstigen, sind alle Kaufwilligen gleichgestellt und somit erneut die Eigentumsrechte der Alteigentümer mit Füßen getreten. Dabei wurde sogar nicht einmal der Rahmen der von der EU vorgegebenen Verbilligungs- möglichkeit ausgeschöpft, sodass die früheren Eigentü- mer ihren Grund und Boden erheblich über dem Preis zurückkaufen müssen, wie es nach den EU-Richtlinien möglich gewesen wäre. Dass dies alles im Vorfeld einer für Herbst zu erwar- tenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in der letzten Woche vor der Sommerpause durchgepeitscht wird, ist völlig unverständlich, weil das Bundesverfas- sungsgericht zur Enteignungsproblematik 1945–1949 si- cher das eine oder andere zu sagen hat bzw. sogar gege- benenfalls Regelungen vorschreibt. Richtigerweise wurde die Wohnsitzregelung geändert, da die Festlegung eines willkürlichen Datums aufgehoben wurde und eine Diskriminierung anderer Kaufwilliger darstellte. Nicht zu verantworten ist die ersatzlose Streichung des § 9 des Vermögensgesetzes, der Rechte von Enteigneten, insbesondere nach 1949, erneut in unzuträglicher Weise abschneidet, nur weil die Bundesregierung Sorge hat, dass enorme finanzielle Risiken aufgrund des Urteils des Bun- desverwaltungsgerichts vom 17. September 1998 entstän- den. Hier handelt es sich insbesondere um die Bereitstel- lung von Ersatzgrundstücken wegen Ausschlusses der Restitution aufgrund redlichen Erwerbs, aber auch andere Unmöglichkeitstatbestände der Rückgabe. Genau das soll- te mit den Bestimmungen des § 9 des Vermögensgesetzes möglich sein und war vom Gesetzgeber bei der Verab- schiedung so gewollt. Auch die betroffenen Kommunen, die Ersatzgrund- stücke zur Verfügung stellen sollen, sind dadurch nicht in ihren Rechten oder finanziellen Möglichkeiten geschmä- lert, da sie Ersatz zum Verkehrswert aus dem allgemeinen Wiedervereinigungsfonds erhalten. Hier wird in eigen- tumsähnliche Rechte eingegriffen ohne Entschädigungs- regelung und daher ist Art. 14 des Grundgesetzes verletzt. § 9 des Vermögensgesetzes wurde auch aufgenommen, um zu verhindern, dass die Schere zwischen denen, die ihr komplettes Eigentum zurückbekommen und denen, die nur nach dem mageren Entschädigungsgesetz Geldan- sprüche haben, nicht zu groß wird. Im Hinblick auf Art. 3 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Juli 2000 11045 (C) (D) (A) (B) des Grundgesetzes soll sich der Gesetzgeber bemühen, ei- nen möglichst gerechten Ausgleich zu finden bei tatsäch- licher Unmöglichkeit der Restitution. Dies war ein ausgewogener Kompromiss, den das Bundesverwaltungsgericht bestätigt hat. Das vorliegende Gesetz ist ein schwerer Eingriff in die Rechte von durch kommunistische Gewaltherrscher Enteignete. Es ist auch falsch zu behaupten, dass dadurch notwendige Investitio- nen verzögert oder gefährdet werden. Im Gegenteil: Be- rechtigte werden, wenn ihnen die Möglichkeit gegeben ist, ein Ersatzgrundstück zu erhalten, dieses viel zügiger in den Kreislauf von Investitionen zurückbringen als die überforderten Gemeinden. Die Gemeinden werden sehr schnell für diese Ersatzgrundstücke in Geld entschädigt, das sie dringend brauchen. Auch so würden finanzielle Mittel in den Kreislauf von Investitionen hineingepumpt, die dringend notwendig sind im gesamten Gebiet der neuen Länder. Die Strei- chung des § 9 des Vermögensgesetzes ist daher nicht nur verfassungswidrig, sie ist auch rechtlich bedenklich im Hinblick auf den Vertrauensschutz der Bürger und wirt- schaftlich absolut unsinnig. Auf Vorschlag der Union wurde eine Lücke in § 10 Abs. 2 des Vermögensgesetzes geschlossen, indem nun auch für bewegliche Sachen, für die kein Erlös bei der Verwertung erzielt wurde, eine – wenn auch beschei- dene – Entschädigung gewährt wird. Als Bemessungs- grundlage wurde der Wert der Sache zum Zeitpunkt der Entziehung im Verhältnis 2:1 auf Deutsche Mark festge- setzt. Hier hätte die Union lieber keine Verminderung durch die Währungsumstellung gehabt und auch gerne die Höchstbeträge erhöht. Entschieden abzulehnen ist die durch Druck der Grü- nen ins Gesetz gekommene kostenlose Abgabe von 50 000 bzw. 100 000 Hektar land- und forstwirtschaftli- cher Fläche aus den zur Verfügung stehenden zu privati- sierenden Flächen. Dies geht wiederum zulasten von Be- rechtigten, vermutlich insbesondere auch von Alteigen- tümern. Man hätte durchaus warten können, wie viel Flächen und was für Flächen nach dem Ende der Repri- vatisierung übrig geblieben wären, um diese dann gege- benenfalls als Naturschutzgebiete auszuweisen. Man kann sicher auch im unbeschränkten Eigentum des Bundes bestehende Flächen, wie Truppenübungs- plätze oder Ähnliches, verwenden, ohne dass in Rechte von berechtigten Alteigentümern, aber auch Neuerwerbs- berechtigten eingegriffen wird. Das Justizministerium, das selbst noch vor ein paar Wochen vor übereilter Verabschiedung des gesamten Ge- setzes gewarnt und auf die Entscheidung des Bundesver- fassungsgerichts hinwiesen hat, wird seine eigenen Be- denken bestätigt sehen und Recht behalten, dass das von ihm selbst eingebrachte, nun von den Koalitionsfraktio- nen durchgepeitschte Gesetz in vielen Punkten keinen Be- stand haben wird. Dr. Michael Luther (CDU/CSU): Die Art und Weise des Gesetzgebungsverfahrens, welches die rot-grüne Bun- desregierung pflegt, spiegelt sich auch in dem heute in zweiter und dritter Lesung zur Verabschiedung stehenden Vermögensrechtsergänzungsgesetz wider. Erst wird ein Gesetzentwurf der Bundesregierung erstellt, der dem Bundestag zugeleitet und dann in einer Anhörung beraten wird. Dann ist über ein halbes Jahr Schweigen im Walde. Plötzlich einigt man sich am Freitagnachmittag in der Bundesregierung noch auf einen völlig neuen Sachver- halt, nämlich auf eine Regelung über die Herausnahme von 100 000 Hektar aus dem Bodenfonds, der zur Befrie- digung von Entschädigungen nach dem Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz dienen soll, für den Natur- schutz, worüber das Parlament dann offiziell am Diens- tagmorgen informiert wurde. De facto bestand zeitlich keine Möglichkeit, intensiv über diese neu in die Diskus- sion des Parlamentes eingebrachten schwierigen Fragen zu diskutieren. Dann wird das Gesetz durch den Ausschuss gepeitscht, ohne dass die Regierungsfraktionen mit Ausnahme einer einzigen Wortmeldung zu irgendeinem Paragraphen über- haupt irgendeine Wortäußerung von sich gegeben haben. Das ist eine Herabwürdigung des Parlaments. Aber zum Gesetz selbst: Das Gesetz hat drei Teile. Zu Art. 1: Hier soll Paragraph 9 Vermögensgesetz ge- strichen werden. Dieser eröffnete die Möglichkeit, den Berechtigten, der wegen redlichen Erwerbs des Verfü- gungsberechtigten von der Restitution ausgeschlossen ist, auf seinen Antrag hin statt in Geld durch Übereignung ei- nes Ersatzgrundstückes zu entschädigen. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 17. September 1998 entschieden, dass die Gemeinden die Bereitstellung von Ersatzgrundstücken nicht aus Haus- haltsgründen generell verweigern dürfen, denn sie könn- ten vom Bund den vollen Ersatz ihrer Aufwendungen, also den Verkehrswert des Ersatzgrundstückes, verlangen. Die Koalition will diese Vorschrift aufheben. Diese Vorschrift darf aus unserer Sicht nicht gestrichen werden, weil ihre Aufhebung enteignenden Charakter hätte. Das ist in der Anhörung sehr deutlich geworden. Die Koalition greift wieder einmal willkürlich in die Rechte der Bürger ein. Zudem schilt die Bundesregierung das Bundesverwal- tungsgericht, weil sie der Meinung ist, dass die Rechts- auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes an der Ratio des § 9 Vermögensgesetz vorbei gehe. So etwas habe ich noch nicht erlebt. Für die Auslegung der Gesetze, die der Deutsche Bun- destag beschlossen hat, sind die obersten Gerichte zu- ständig. Und deshalb ist die Ratio, die das Bundesverwal- tungsgericht aus dem Gesetz gelesen hat, nicht zu kriti- sieren. Der Hauptgrund ist, dass der Bund in die nun gegebene Entschädigungspflicht nicht eintreten will. Zu Art. 2: Begrüßen möchte ich ausdrücklich, dass die Bundesregierung dem Antrag der CDU/CSU-Bundes- tagsfraktion nachgekommen ist und nun eine Entschädi- gungspflicht nach dem Vermögensgesetz bei der Einzie- hung von beweglichen Sachen regelt. Aus diesem Grunde haben wir auch in der Ausschussberatung dem Art. 2 zu- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Juli 200011046 (C) (D) (A) (B) gestimmt. Das führte jedoch nicht dazu, dass wir dem ge- samten Gesetz zustimmen können. Die weiteren Regelungsgegenstände, Art. 1, 3 und 4, sind schwerwiegender, denn diese verletzen die Interes- sen der Bürger und ganz besonders die der Landwirtschaft in den neuen Bundesländern. Zu Art. 3 und 4: In der Anhörung vom 19. Januar die- sen Jahres wurden sehr kritisch die jetzt vorgeschlagenen Regelungen für das Entschädigungs- und Ausgleichsleis- tungsgesetz und der Flächenerwerbsverordnung bewertet. Die EU-Kommission hat mit ihrer Entscheidung vom 20. Januar 1999 Beihilfetatbestände im bisherigen EALG kritisiert, aber nur dort, wo keine Wiedergutmachungs- pflicht besteht. Dies trifft also nicht die so genannten Alt- eigentümer und trifft auch nicht die so genannten „Wie- dereinrichter ohne Restitutionsanspruch“. Im Zuge einer scheinbaren Gleichbehandlung verlangt nun die Bundes- regierung beim Kauf von landwirtschaftlichen Flächen nach dem Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsge- setz den Verkehrswert abzüglich einer 35-prozentigen Verbilligung. Sie hat dabei vollkommen ignoriert, dass es für Altei- gentümer und für so genannte „Wiedereinrichter ohne Re- stitutionsanspruch“ bei der bestehenden Regelung bleiben könnte, und hat außerdem ignoriert, dass mit der Agenda 2000 auch die Rahmenregeln für die Förderbedingungen in der Europäischen Union geändert worden sind. Jetzt gelten die Fördersätze 40 Prozent und in benachteiligten Gebieten 50 Prozent – bisher 35 Prozent und in benach- teiligten Gebieten 75 Prozent. Also selbst die Beihilfe rechtlich kritischer Fälle könnte eine Kaufpreisverbilli- gung von 40 bis 50 Prozent erhalten. Da Familienbetriebe in den neuen Ländern eine Eigen- tumsquote von nur circa 15 Prozent haben, wäre es gut, wenn diese Bundesregierung sich darum kümmern wür- de, wenn sie Voraussetzungen schaffen würde, dass die Landwirtschaft in den neuen Bundesländern mehr Eigen- tum bekommt. Sie nutzen die Möglichkeiten, die die EU-Kommission zulässt, nicht aus, sondern ich muss unterstellen, dass sie nur deshalb einen Verbilligungssatz von 35 Prozent ak- zeptieren, weil sie damit einen hohen Preis für landwirt- schaftliche Nutzflächen verlangen können. Sie wollen, dass die Landwirtschaft aus den neuen Bundesländern zu- sätzlich Geld an die Bundeskasse abgibt. Das können wir nicht mit tragen. Das Verfahren im Ausschuss selbst und speziell die erst am Dienstag vorliegende Einigung der Bundesregierung zum Thema „100 000 ha für den Naturschutz“ ließen keine qualifizierte Beratung im Ausschuss zu. Das ist ein unmöglicher Vorgang, passt aber zu dem, was SPD und Grüne von Parlamentarismus halten. Aus diesem Grunde haben wir uns als CDU/CSU-Bun- destagsfraktion im federführenden Ausschuss nicht wei- ter dazu geäußert. Im Parlament wäre zumindest ein Ge- spräch mit Experten aus den Ländern und Sachverständi- gen nötig gewesen. Sylvia Voß (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Kernstück des Vermögensrechtsergänzungsgesetzes ist das Aus- gleichsleistungsgesetz. Mit seiner Änderung werden wettbewerbsrechtliche Beanstandungen der EU-Kom- mission an der früheren Verkaufspraxis der Treuhand- nachfolgerin BVVG geheilt. Bei der Erarbeitung dieses Änderungsgesetzes blieb zunächst die Forderung der Fraktion Bündnis 90/Die Grü- nen und der Naturschutzverbände außen vor, die Natur- schutzflächen der neuen Bundesländer von der Privatisie- rung auszunehmen. Kurz vor der Wiedervereinigung wurden, sozusagen in letzter Sekunde und auf Initiative einer Gruppe um Pro- fessor Michael Succow, dem heutigen Träger des alterna- tiven Nobelpreises, wertvolle Naturräume der DDR rechtswirksam unter Schutz gestellt: fünf Nationalparke, sechs Biosphärenreservate und 15 Naturparke „neuer Prä- gung“. Eine – wie sich angesichts des Zustandes von Na- tur und Landschaft in Deutschland zeigt – wertvolle Gabe der Ostdeutschen, die Professor Töpfer völlig zu Recht als „Tafelsilber der deutschen Einheit“ bezeichnete. Es war der größte Erfolg des Naturschutzes in Deutschland in diesem Jahrhundert. Jeder, der diese Ge- biete auch nur ein einziges Mal wirklich erleben konnte, schwärmte von der Schönheit dieser Natur, vom Arten- reichtum und von im Westen längst verloren gegangenen Kostbarkeiten. Welche Bedeutung die Sicherung dieser ökologisch kostbaren Flächen des Ostens hat, mögen Ihnen auch ei- nige wenige Zahlen zeigen: In den letzten 25 Jahren wurde im alten Bundesgebiet Natur in der dreifachen Fläche des Saarlandes zerstört. 40 Prozent der in Deutsch- land heimischen Pflanzen sind ausgestorben, verschollen oder gefährdet. Die Situation ist bei einigen Tiergruppen noch dramatischer. Die Bilanzierung der Gefährdungssi- tuation von Biotopen ergibt, dass in Deutschland über zwei Drittel, 69 Prozent, aller vorkommenden Biotopty- pen als gefährdet eingestuft sind. Wer dies alles wirklich verinnerlicht, kann verstehen, warum unsere Fraktion und die Naturschutzverbände mit so großer Leidenschaft und so großem Engagement da- rum gekämpft haben, diese arten- und biotopreichen Ge- biete langfristig zu sichern und sie damit für uns und für nachkommende Generationen als Lebensgrundlagen zu erhalten. Das war durchaus nicht einfach. Denn in für uns völlig unverständlicher Weise gab die alte Bundesregie- rung diese Flächen zur Privatisierung frei und konterka- rierte damit ihre in Sonntagsreden geäußerte Wertschät- zung des „Tafelsilbers“. Dabei geht es uns nicht darum, die Privatisierung von Naturschutzflächen per se zu verteufeln. Es gibt viele po- sitive Beispiele auf der Welt und auch in unserem Land für sehr engagierten privaten Schutz kostbarer Areale – wozu ich letztlich natürlich auch den Erwerb durch Natur- schutzverbände zähle. Leider kommt es jedoch immer wieder dort zu Konflikten, und zwar dort, wo der Erwerb von Naturschutzflächen mit Nutzungsinteressen zusam- menfällt. Es gibt erschreckende Beispiele dafür, wie Na- turschutzauflagen in zum Teil dreister Weise verletzt wer- den. Das Ordnungsrecht kann hier nur wenig helfen – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Juli 2000 11047 (C) (D) (A) (B) schließlich können wir nicht hinter jeden Baum eine Ord- nungskraft stellen. Deshalb war und ist es unser Ziel, die ökologisch wertvollsten Flächen in Hände zu geben, die sich mit Leidenschaft und hoher Kompetenz der Siche- rung der Naturschutzflächen verpflichtet wissen. Da die Privatisierung trotz wohlfeiler Worte selbst des damaligen Kanzlers, Helmut Kohl, weitergeführt wurde, war es einer der ersten Amtshandlungen der neuen Bun- desregierung unter Gerhard Schröder, einen Privatisie- rungsstopp zu erlassen, um in Ruhe über vernünftige Lö- sungen des Problems verhandeln zu können und zu retten, was noch zu retten war. Wir haben durch hartnäckiges Verhandeln, besonders vonseiten des Umweltministeriums und der Koalitions- fraktionen und mit großer Unterstützung der Natur- schutzverbände erreicht, dass große Teile des „Tafel- silbers der deutschen Einheit“ gesetzlich abgesichert werden. Die betroffenen Bundesländer waren in diese Verhandlungen involviert. Von ihnen wurden jene Flächen vorgeschlagen, welche unter naturschutzfachli- chen Kriterien unbedingt in ihrer ökologischen Qualität zu sichern sind. Dabei stand die konkrete Festlegung der Flächenku- lisse immer unter dem Druck, die EU-rechtliche Auflage zu erfüllen, dass für den neuen Erwerberkreis genügend Flächen in verschiedenen Losgrößen zur Verfügung ge- stellt werden. Vor diesem Hintergrund wurde in einem für uns – ich verhehle es nicht – durchaus schmerzlichen Kompromiss die jetzige Lösung erzielt: Statt der erfor- derlichen 173 000 Hektar können nur 100 000 der Priva- tisierung entzogen werden, wovon die Hälfte kostenlos an die Länder oder gegebenenfalls an Naturschutzverbände übertragen werden. Dabei handelt es sich keinesfalls, wie gerne unbedacht der Vorwurf erhoben wird, um ein Geschenk der Bundes- regierung oder gar von Minister Trittin. Die Bundesländer und Verbände übernehmen eine große Verantwortung für unser nationales Naturerbe, wofür wir sehr dankbar sein sollten. Nicht zuletzt kommen auf sie auch finanzielle Be- lastungen für den Unterhalt der Flächen zu. Diese Seite wird gerne ausgeblendet. Es wird jetzt darauf ankommen, den tatsächlichen Er- werb der zweiten 50 000 Hektar zu ermöglichen, die lei- der nicht kostenlos abgegeben werden können. Wir ap- pellieren daher an Herrn Minister Eichel, die Durch- führungsbestimmungen zu diesem Gesetz so auszugestalten, dass den Ländern und Verbänden ein rea- listischer Zeitraum verbleibt, um die organisatorischen und finanziellen Voraussetzungen für den Erwerb der Flächen zu schaffen. Dass das kurzfristig nicht möglich ist, weiß niemand besser als der Bundesfinanzminister. Sorgen Sie, sehr geehrter Herr Minister Eichel, deshalb bitte dafür, dass das heute zu beschließende Ergebnis, die Sicherung von 100 000 Hektar wertvollster ökologischer Flächen, tatsächlich realisiert wird. Das wäre nicht nur redlich, es wäre auch ein großer Dienst für unsere und kommende Generationen. Rainer Funke (F.D.P.): Der Gesetzentwurf der Bun- desregierung muss abgelehnt werden, wenn es nicht ge- lingt, ihn wenigstens in zwei wesentlichen Punkten zu än- dern, auf die sich der Änderungsantrag meiner Fraktion bezieht. Erstens. Die Ersatzgrundstücksregelung des § 9 Ver- mögensgesetz darf nicht gestrichen werden. Es muss da- bei bleiben, dass derjenige, dessen Grundstück nicht zurückgegeben werden kann, weil es inzwischen einem gutgläubigen Erwerber oder dessen Rechtsnachfolger gehört, einen Rechtsanspruch gegen die Gemeinde auf ein Ersatzgrundstück hat. Das Recht auf ein Ersatzgrundstück ist bereits in der „Gemeinsamen Erklärung vom 15. Juni 1990 zur Rege- lung offener Vermögensfragen“ enthalten. Es wurde mit Artikel 41 im Einigungsvertrag Gesetz und Vermögens- gesetz wiederholt und höchstrichterlich als Rechtsan- spruch bestätigt. Nun will die Koalition dieses Recht entschädigungslos streichen und weicht damit für alle sichtbar und zum ers- ten Mal ab vom Einigungsvertrag und der Gemeinsamen Erklärung. Wenn es so leicht ist, sich über den Einigungs- vertrag und die Gemeinsame Erklärung hinwegzusetzen, dann kann ich diejenigen verstehen, die sich auch hin- sichtlich des so genannten Restitutionsverbotes für Bo- denreformflächen nicht an den Einigungsvertrag und die Vereinbarungen von damals gebunden sehen. Zweitens. Mit dem zweiten Teil unseres Änderungsan- trages wollen wir dafür sorgen, dass die Entscheidung der Europäischen Kommission vom Dezember 1998 endlich richtig umgesetzt wird. Dort wurde entschieden, dass aus beihilferechtlichen Gründen die Preise für Bodenreform- flächen, die der Bund nach dem Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz an Wiedereinrichter abzuge- ben hat, erhöht werden müssen. Diese Forderung bezieht sich ausdrücklich nicht auf die so genannten Alteigentü- mer, für die der verbilligte Rücklauf Teil des Ausgleichs für entschädigungslose Enteignungen ist. Sie dürfen nicht in die Preiserhöhungen einbezogen werden. Es ist un- glaublich, dass der Gesetzentwurf hier nicht differenziert. Wir können die Fehler des Gesetzes noch heilen. Stim- men Sie dem Antrag meiner Fraktion zu. Sie ersparen sich ein Vermittlungsverfahren. Denn ich kann mir nicht vor- stellen, dass der Bundesrat, in dem die neuen Länder ihre Recht aus dem Einigungsvertrag zu wahren haben, einem Gesetz zustimmt, das in eklatanter Weise das Grundgesetz und den Einigungsvertrag verletzt und die Entscheidun- gen der Europäischen Kommission fehlerhaft nachvoll- zieht. Schließlich würde es auch guter parlamentarischer Sitte entsprechen, den Gesetzesbeschluss zurückzustel- len, bis das Bundesverfassungsgericht über die fünf Ver- fassungsbeschwerden gegen das EALG entschieden hat, über die es im April dieses Jahres bereits mündlich ver- handelt hat. Kersten Naumann (PDS): Leif Miller, Leiter der NABU-Bundesvertretung Berlin, schätzt die Konsequenz des von der Bundesregierung vorgelegten Entwurfs des Vermögensrechtsergänzungsgesetzes wie folgt ein: „Da- mit ist die Hälfte des nationalen Naturerbes in den neuen Bundesländern verloren.“ Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Juli 200011048 (C) (D) (A) (B) Mit dem Gesetz sollen 50 000 Hektar ostdeutscher Na- turschutzflächen kostenlos an die Länder oder an Natur- schutzverbände abgegeben werden. Die anderen 50 000 Hek- tar werden ihnen mit Halbjahresfrist zum vollen Verkehrs- wert angeboten. Doch weder die Bundesländer noch die Umweltver- bände können innerhalb so kurzer Zeit das erforderliche Geld aufbringen. Oder hat die Bundesregierung vor, zins- lose Kredite zur Verfügung zu stellen? Letztlich werden damit diese 50 000 Hektar höchstwahrscheinlich privati- siert. Diverse Detailregelungen behindern zusätzlich einen Erwerb im Sinne des Naturschutzes. So müssen beispielsweise vom Erwerber die Vermes- sungs- und andere Verwaltungskosten der Übertragung ge- tragen werden. Die von der BVVG festgelegten Verkaufs- lose sind unteilbar, womit ein effizienter Flächenschutz er- schwert und verteuert wird. Für die PDS ist klar: Naturschutzflächen dürfen nicht privatisiert werden. Deshalb fordern wir mit unserem Ent- schließungsantrag, die Zulässigkeit des Verkaufs von Flächen in Schutzgebieten aufzuheben und eine kosten- lose Übertragung dieser Flächen an Naturschutzverbände sowie Träger öffentlicher Verwaltungen zu ermöglichen. Was in England und Holland hervorragend funktioniert, sollte wohl auch für Deutschland möglich sein. Wenn sich schon wieder Graf Lambsdorff und Prinz zu Salm zu Wort melden und unüberhörbar den Widerstand der Alteigentümer anmelden, sollte das selbst die Bundes- regierung hellhörig machen. Trotz anders lautender Mel- dungen aus Brüssel behaupten sie, dass durch die Heraus- nahme von 100 000 Hektar Bodenreformfläche aus der Privatisierung die EU-Kommission ihre Zustimmung zum Gesetzentwurf rückgängig machen könnte. Wir sind der Auffassung, nicht mehr Alteigentümer oder Neureiche sollen sich – wie mehrfach geschehen – mit dem Tafelsilber der deutschen Einheit schmücken kön- nen, sondern diejenigen sollen es pflegen, für die nachhal- tiger Naturschutz Lebensmaxime ist. Da die Koalition den Antrag der PDS in den Ausschüs- sen abgelehnt hat, sollte sie wenigstens nach Lösungen su- chen, um die Fristen für den Erwerb durch Naturschutz- verbände oder Länder deutlich zu verlängern. Wir wissen, dass dies einige Umweltpolitiker der Grünen und SPD be- antragen wollten, aber von den Finanzpolitikern der Ko- alition daran gehindert wurden. Schon allein daran wird das Vorrangige deutlich: Es geht wieder einmal um das Füllen von Haushaltslöchern auf Kosten der Umwelt. Abschließend möchte ich noch ausdrücklich unterstrei- chen, dass wir den Einwand des Deutschen Bauernverban- des nicht teilen, der behauptet, dass „Umweltverbände ... eine kostengünstige und dauerhafte Bewirtschaftung nicht sicherstellen können“. Ist dem Bauernverband eventuell entgangen, dass auch Landwirte in Umweltverbänden ak- tiv sind? Bei allen Entscheidungen sollte sich auch die Bundes- regierung von dem uralten indianischen Sprichwort leiten lassen: „Wir haben die Erde von unseren Eltern nicht ge- erbt, sondern wir haben sie von unseren Kindern nur ge- liehen.“ Rolf Schwanitz (Staatsminister im Bundeskanzler- amt): Wir ergänzen heute einen zentralen Teil der Rege- lungen, die sich mit den Folgen der Wiedervereinigung be- fassen: Der von Anfang an sehr problematische Bereich der offenen Vermögensfragen wirft weiterhin Fragen auf, mit denen sich der uns heute zur Verabschiedung vorlie- gende Gesetzentwurf befasst: mit der so genannten Er- satzgrundstücksregelung, mit der Entschädigung für be- wegliche Sachen und mit der Privatisierung land- und forstwirtschaftlicher Flächen in den neuen Ländern. Hinter diesen bürokratisch klingenden Stichworten ver- bergen sich Fragen, die für die Betroffenen sehr wichtig, zum Teil sogar existenziell wichtig sind. Nach der bisherigen Rechtslage besteht die Möglich- keit, Alteigentümern, die wegen redlichen Erwerbs von der Restitution ausgeschlossen sind, statt in Geld durch Übereignung eines von den Kommunen zu stellenden Er- satzgrundstücks zu entschädigen. Diese Regelung war in der Praxis leergelaufen, weil die Gemeinden den Ämtern zur Regelung offener Vermögensfragen für diesen Zweck keine Grundstücke zur Verfügung stellten, unter anderem weil sie vom Entschädigungsfonds für die Bereitstellung nur die nach dem Entschädigungsgesetz vorgesehene Ent- schädigung erhielten. Überraschend hat das BVerwG zunächst mit dem Urteil vom 17. September 1998 den Kommunen den vollen Er- satz ihrer Aufwendungen, das heißt den Verkehrswert des Ersatzgrundstücks zugebilligt. Dies geht allerdings an der Ratio des § 9 VermG vorbei. Von Anfang an war die Rege- lung nicht gedacht als Surrogat für die ausgeschlossene Restitution, sondern bezog sich wertmäßig auf die Höhe der Entschädigung. Die Rechtsauffassung des BVerwG wirft neue Gleichbehandlungsprobleme auf und würde zudem den Bund mit unüberblickbaren finanziellen Risi- ken in Milliardenhöhe belasten. Zudem würden die redli- chen Erwerber durch Wiederaufgreifen zahlreicher be- reits abgeschlossener Verfahren erneut verunsichert. Des- wegen haben die neuen Länder sich übereinstimmend schon im Frühjahr 1999 für die Streichung ausgespro- chen. Nach bisheriger Rechtslage erhält ein Alteigentümer den Veräußerungserlös, wenn die Restitution einer be- weglichen Sache nicht mehr möglich ist. Ist kein Erlös erzielt worden, bestand kein Entschädigungsanspruch. Demgegenüber hatte das BVerwG am 19. November 1998 entschieden, dass auch für bewegliche Sachen eine Ent- schädigung zu gewähren und dafür der Gesetzgeber eine Bemessungsgrundlage zu schaffen habe. Der im Entwurf vorgesehene neue § 5 a EntschG trägt dieser Entscheidung in differenzierter Weise Rechnung. Ausgangspunkt ist im- mer der Wert der Sache zum Schädigungszeitpunkt in der DDR. Durch Pauschalierungen wird der Verwaltungsvoll- zug vereinfacht. Erhöhte Nachweispflichten sollen einem Missbrauch entgegenwirken. Die Regelung kommt vor allem den Rehabilitierten zugute. Sie ist insgesamt einge- bunden in das System der Wiedergutmachungsleistungen nach dem EALG. Sie ist bereits im Vorfeld mit den neuen Ländern abgestimmt worden. Änderungsbedarf bezüglich der Privatisierung land- und forstwirtschaftlicher Flächen ergab sich durch eine Entscheidung der Europäischen Kommission vom Januar Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Juli 2000 11049 (C) (D) (A) (B) 1999. Die Kommission stellte darin fest: Die verbilligte Abgabe von Grundstücken an bestimmte Bewerbergrup- pen sei als Beihilfe anzusehen und mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar, weil sie teilweise zu hoch ausgefallen sei. Außerdem schließe die für die Erwerbergruppe der Pächter aufgestellte Erwerbsvoraussetzung der Orts- ansässigkeit zum 3. Oktober 1990 andere EU-Bürger vom Flächenerwerb aus. Sie sei deshalb diskriminierend. Die Bundesregierung war aufgefordert, die unzulässi- gen Beihilfen künftig nicht mehr zu gewähren, die in der Vergangenheit zuviel gewährten Beihilfen zurückzufor- dern und die Diskriminierung zu beseitigen. Der Gesetzentwurf sieht daher neben der Rückforde- rung der zuviel gewährten Beihilfen vor, den vergünstig- ten Kaufpreis einheitlich für alle Bewerbergruppen auf ein EU-konformes Niveau anzuheben. Die kritisierte Er- werbsvoraussetzung der Ortsansässigkeit am 3. Oktober 1990 wird gestrichen. Besonders schwierig gestaltete sich die Ausräumung des Vorwurfs der Diskriminierung bei bereits abgeschlos- senen Kaufverträgen. Es ging darum, die Diskriminierung zu beseitigen, ohne alle betroffenen Verträge rückgängig zu machen. Gemeinsam mit der Europäischen Kommis- sion wurde ein Weg gefunden: Es reicht aus, wenn genü- gend Flächen nachgewiesen werden können, die bisher nicht berücksichtigten, nicht ortsansässigen Bewerbern angeboten werden können. Bei der Verteilung der vorhandenen Flächen auf die verschiedenen Interessenentengruppen waren deren wi- derstrebende Interessen zu berücksichtigen und zum Aus- gleich zu bringen. Betroffen sind hier vor allem – die Rei- henfolge stellt keine Wertung dar – Alteigentümer und Pächter, bei den Pächtern solche, die bereits in der DDR auf diesen Flächen Landwirtschaft betrieben haben, ohne Eigentum erwerben zu können, aber auch solche, die neu landwirtschaftliche Betriebe gegründet haben. Hinzu kamen noch die Interessen des Umweltschutzes: Viele Flächen in den neuen Ländern sind unter Umwelt- schutzgesichtspunkten in besonderem Maße wertvoll und schutzwürdig. Sowohl die Koalitionsvereinbarung als auch der Bundesrat in der Stellungnahme im ersten Durchgang und Sachverständige in der Anhörung vom 19. Januar 2000 problematisieren die Behandlung von Naturschutzflächen im Zuge der Privatisierung. Bei der zu findenden Regelung galt es also, einerseits ausreichend Flächen für den Naturschutz bereitzustellen, andererseits aber bestehende Erwerbspositionen nicht un- zulässig zu beeinträchtigen und der Kommission zudem genügend Flächen nachweisen zu können, die bisher nicht berücksichtigten Bewerbern zur Verfügung stehen. Ein besonderes Anliegen des Finanzministers war es noch, dass die Regelung verkraftbar für die öffentlichen Haus- halte sein muss. Der nunmehr gefundene Kompromiss erfüllt diese Be- dingungen; er wird insbesondere den Vorgaben gerecht, welche die Europäische Kommission an eine Ausräu- mung der Diskriminierung gestellt hat: Für den Natur- schutz werden bis zu 100 000 Hektar zur Verfügung ge- stellt. Bis zu 50 000 Hektar erhalten Länder bzw. Natur- schutzverbände oder -stiftungen unentgeltlich; im Einzelnen sind das 20 000 Hektar Totalreservate, bis zu 20 000 Hektar Forstflächen in bestimmten Schutzkatego- rien sowie bis zu 10 000 Hektar kleine Forstflächen. Wei- tere bis zu 50 000 Hektar können wert- und annähernd flächengleich mit landeseigenen Wirtschaftsflächen ge- tauscht werden; bei landwirtschaftlichen Flächen oder kleinen Waldflächen ist auch ein Kauf zum Verkehrswert möglich. Übrigens sprechen auch die kritischen Anmerkungen, die während des Gesetzgebungsverfahrens von praktisch allen Interessengruppen gemacht wurden, dafür, dass ein ausgewogener Kompromiss gefunden wurde: Wenn keine Seite völlig zufrieden mit dem Ergebnis ist, ist zumindest niemand einseitig bevorzugt worden. Man darf deshalb zu Recht hoffen, dass mit dem Ge- setzentwurf ein Schlussstrich unter ein wichtiges Kapitel der deutschen Wiedervereinigungsgeschichte gezogen wird. Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Rede zu den Anträgen: – Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Die Rechte der Bürger stärken – für eine bürgernahe Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Verbindlichkeit der Europäischen Grund- rechtecharta und Beitritt der Europäischen Union zur europäischen Menschenrechts- konvention – Für eine rechtsverbindliche Europäische Grundrechtecharta (Tagesordnungspunkt 25) Dr. Klaus Grehn (PDS): Es liegen dem Hohen Hause vier Anträge vor, mit denen die Fraktionen des Deutschen Bundestages Einfluss nehmen wollen auf die Ausarbei- tung einer Charta der Grundrechte, die in der Europä- ischen Union gelten sollen. Unser Land hat Verdienste um ein solches Vorhaben, denn vom EU-Gipfel in Köln Ende vergangenen Jahres erging die Aufforderung zur Ausar- beitung eines solchen Regelwerkes an den später berufe- nen Konvent unter der Leitung von Roman Herzog. Wir möchten von dieser Stelle aus dem Alt-Bundespräsiden- ten danken für seine bisherige Arbeit, für die umsichtige und kompetente Leitung des Konvents bei den Beratun- gen, öffentlichen Anhörungen und Fachdiskussionen. Wir verkennen nicht die Schwierigkeiten bei dem Ver- such, überall in der Europäischen Union und für jeder- mann gleichermaßen geltende Grundrechte festzuschrei- ben. Dennoch lassen die Anträge aller Fraktionen ein ho- hes Maß an Übereinstimmung in den Standpunkten erkennen, sieht man einmal davon ab, dass der Antrag der CDU/CSU allzu bescheiden ist und sich gerade der Aner- kennung gleicher sozialer Grundrechte in der Union ver- weigert. Unter anderem wegen dieses entscheidenden Un- terschiedes werden wir diesem Antrag nicht zustimmen. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Juli 200011050 (C) (D) (A) (B) Wir verweisen darauf, dass es jenseits aller juristischen Spitzfindigkeiten auf den politischen Gestaltungswillen der Bundesrepublik Deutschland und all der anderen Mit- gliedsländer und ihrer Regierungen ankommt. Es ist falsch, dass Gesetze und bisherige Praxis den Rahmen vorgeben, in dem etwas Neues sich vollziehen darf. Ge- setze können verändert, neue können beschlossen wer- den, wenn sie das als richtig und notwendig Erkannte ver- hindern. Das ist die alltägliche Praxis in der parlamenta- rischen Demokratie und unser täglich Brot. Und es besteht dringender Handlungsbedarf, die durch die Wirtschafts- und Währungsunion geschaffene Einheit durch einklag- bare Rechte der Bürgerinnen und Bürger zu ergänzen. Denn die Europäische Union muss für ihre Bürgerinnen und Bürger erkennbar werden – damit kann Misstrauen und Desinteresse abgebaut werden, das nicht zuletzt durch die Art und Weise sowie den Inhalt von Entschei- dungen zur Wirtschafts- und Währungsunion gewachsen ist, die über die Köpfe der Menschen hinweg getroffen wurden. Sie müssen nun ihre Rechte verständlich, schrift- lich fixiert und konkret einklagbar gegenüber EU-Institu- tionen in einem Grundrechtekatalog wiederfinden. Denn schon jetzt greifen Entscheidungen der EU stärker in das Alltagsleben ein, als mancher wahrhaben will. Die Bürger Europas wollen keine EU mit einem „Krieg der Stand- orte“, gnadenloser Konkurrenz zwischen Arbeitnehme- rinnen und Arbeitnehmern und europaweitem Sozialab- bau. Soziale Grundrechte und ihre Fixierung entlang der am deutlichsten im PDS-Antrag vorgegebenen Linien sind unverzichtbar. Das Recht auf eine menschenwürdige und einkommenssichernde Erwerbsarbeit, eine soziale Grundsicherung – solange für die Menschen massenhaft keine Arbeitsplätze zur Verfügung stehen – ohne Er- werbsarbeitszwang im Niedriglohnbereich, das Recht auf umfassende Gesundheitsvorsorge und der kostenlose Zu- gang zu Bildung sind notwendig, um aus dem Europa des freien Waren- und Kapitalverkehrs ein soziales Europa zu schaffen. Dazu haben sich im Übrigen alle Fraktionen die- ses Hauses bekannt. Warum wehrt man sich bei der CDU/CSU und F.D.P. gegen die Aufnahme des Rechtes auf Arbeit in die Charta, obwohl es doch selbst in der bayerischen Landesverfassung verankert ist? Nebenbei bemerkt: Bereits 1905 stellte der politisch unverdächtige Schweizer Moralist Hilthy fest, dass das Recht auf Arbeit das ursprünglichste aller Menschenrechte ist. Ein Europa ohne Sozialunion geht an den Bürgern vor- bei. Sie alle kennen den in Umfragen überdeutlich sicht- baren Trend zunehmender Skepsis gegenüber der EU an- gesichts der Gefahren von Sozialdumping, zunehmender Armut und hoher Arbeitslosigkeit. Obwohl soziale Grund- rechte zweifelsfrei ein Standortvorteil für Europa sind, wenden manche sich gegen soziale Grundrechte, weil sie nicht bezahlbar wären und als rein ideelle Zielbestim- mung von Staaten im Grunde ausreichend berücksichtigt wären. Gleichzeitig aber erleben wir, dass die Schere zwi- schen Arm und Reich immer weiter aufgeht und sich re- gionale Ungleichgewichte trotz aller Förderprogramme ausweiten. Dieser Entwicklung müssen wir entgegensteu- ern. Für allzu viele nämlich bedeutet das, dass sie durch ihr Leben am oder unter dem Existenzminimum ihre Grund- und Freiheitsrechte praktisch verlieren. Der Antrag der PDS sieht deshalb vor, dass in Durch- setzung des Sozialstaatsprinzips soziale Grundrechte in der Charta verankert werden und ein politischer Wille der europäischen Regierungen sichtbar wird, der die Grund- lagen schafft, diese Rechte auch durchzusetzen. Wir hof- fen, dass auch mit der zu vermutenden Annahme des An- trages der regierenden Koalition der gegenwärtig zu verzeichnende Trend zur Ausblendung aller wirklichen Fortschritte für die Bürgerinnen und Bürger hinsichtlich ihrer politischen und sozialen Rechte gestoppt wird. Die Bundesregierung muss ihr durch den Deutschen Bundes- tag verliehenes Mandat tatsächlich anwenden, um ihren Einfluss und ihr Gewicht einzusetzen, die groß und hoff- nungsvoll angekündigte Charta der Grundrechte in ihrer Substanz auch gegen den Widerstand anderer Staaten der EU zu retten. Diese Charta darf nicht zu einem bedeu- tungslosen Anhang, zu einer weiteren bloßen Willenser- klärung verkommen. Sie muss Bestandteil des Vertrages von Amsterdam werden und einklagbare politische und soziale Grundrechte auf der europäischen Ebene schaffen. Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Fünften Geset- zes zur Änderung des Strafvollzugsgesetzes (Ta- gesordnungspunkt 26) Joachim Stünker (SPD): Mit dem vorliegenden Ge- setzentwurf unterbreiten die Koalitionsfraktionen einen Vorschlag zur Neugestaltung der Gefangenenentlohnung im Strafvollzugsgesetz. Diese Neuregelung ist dringend erforderlich. In seinem Urteil vom 1. Juli 1998 hat das Bundesverfassungsgericht die bisherige Entlohnungspra- xis für verfassungswidrig erklärt, da sie keine angemes- sene Anerkennung für zugewiesene Arbeit im Strafvoll- zug gewährleistet. Die weitere Anwendung der geltenden Regelung ist daher in dem Urteil bis längstens 31. De- zember 2000 beschränkt worden. Sollte bis dahin keine Neuregelung in Kraft getreten sein, entscheiden künftig die zuständigen Gerichte über die Bemessung des Ar- beitsentgelts. Das Verfassungsgericht hat in seiner Entscheidung be- tont, dass unser Grundgesetz den Gesetzgeber zur Ent- wicklung und Umsetzung eines wirksamen Konzeptes der Resozialisierung im Strafvollzug verpflichtet. Für die Ausgestaltung der Gefangenentlohnung bedeutet dies – ich zitiere –: „Arbeit im Strafvollzug, die dem Gefange- nen als Pflichtarbeit zugewiesen ist, ist nur dann ein wirk- sames Resozialisierungsmittel, wenn die geleistete Arbeit angemessene Anerkennung findet. Diese ... Anerkennung muss geeignet sein, dem Gefangenen den Wert regel- mäßiger Arbeit für ein künftiges eigenverantwortliches und straffreies Leben in Gestalt eines für ihn greifbaren Vorteils vor Augen zu führen.“ Dieses Resozialisierungsgebot, das ja in unserer heuti- gen Gesellschaft leider immer weniger auf Zustimmung zu stoßen scheint, ist eben nicht sozialromantische Spin- nerei, sondern folgt unmittelbar aus Art. 2 Abs. 1 in Ver- bindung mit Art. 1 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 1 GG und hat damit Verfassungsrang. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Juli 2000 11051 (C) (D) (A) (B) Sie alle wissen, die Ausgestaltung des Strafvollzugs und die Situation von Gefangenen ist in unserer Medien- gesellschaft ein schwieriges Thema. Oft wird verkürzt und unsachlich berichtet oder Stimmungsmache betrie- ben. Ich möchte daher an dieser Stelle betonen, wie froh ich darüber bin, dass das Bundesverfassungsgericht im- mer wieder – auch gegen den Zeittrend – die Wertent- scheidungen unserer Verfassung unterstreicht und für ihre Gewährleistung gerade auch im Interesse der Schwachen Sorge trägt. Ich bin der festen Überzeugung, ohne besagte Ent- scheidung des Bundesverfassungsgerichts würden wir hier heute in diesem Hohen Hause nicht über das Reso- zialisierungsgebot und einen Gesetzentwurf zur Erhö- hung der Gefangenenentlohnung diskutieren. Die Befürchtung, dass dieses Thema von interessierter Seite für Desinformationszwecke missbraucht wird, ist leider traurige Realität. So bin ich nach einem Bericht der „Bild“-Zeitung aus meinem Wahlkreis mit der Frage kon- frontiert worden, ob es richtig sei, dass die Bundesregie- rung eine Erhöhung der Bezüge von Strafgefangenen um 40 Prozent plane, wohingegen Tariferhöhungen in ande- ren Bereichen doch nur zwischen 1,5 und 5 Prozent lägen. Einem solchen Umgang mit dem sensiblen Thema sollten wir im Interesse unserer Verfassungsgüter alle gemeinsam entgegentreten. Fakt ist doch, dass die bei In-Kraft-Treten des Straf- vollzugsgesetzes kontinuierlich vorgesehene Steigerung der Gefangenenentlohnung vonseiten des Gesetzgebers eben nicht in die Wege geleitet worden ist. Die in § 200 StVollzG festgeschriebene Höhe der Eckvergütung be- trägt seit 1976 kontinuierlich 5 Prozent der Bezugsgröße des Durchschnittseinkommens aller in der gesetzlichen Rentenversicherung Versicherten. De facto bedeutet das eine Entlohnung von 10 DM für einen sechsstündigen Ar- beitseinsatz. Der Feststellung des Bundesverfassungsge- richts, dass Pflichtarbeit mit solcher Entlohnung kein ge- eignetes Resozialisierungsmittel darstelle, da es an einer angemessenen Anerkennung fehle, die den Gefangenen den Wert regelmäßiger Arbeit in Gestalt eines für ihn greifbaren Vorteils vor Augen führe, kann man sich kaum entziehen. Seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 1998 hat es zwischen Bund und Ländern diverse Versuche gegeben, sich gemeinsam auf eine Neuregelung zu verständigen. Dieses ist jedoch letztendlich im Span- nungsfeld zwischen einer den verfassungsrechtlichen An- forderungen genügenden Ausgestaltung des Strafvollzugs und den sich daraus ergebenden erheblichen finanziellen Folgen für die Bundesländer gescheitert. Ich denke, in diesem Hohen Hause stimmen wir alle darin überein: Es ist unsere Aufgabe als Gesetzgeber, dafür Sorge zu tragen, dass vor Ablauf der Übergangsfrist Ende des Jahres eine Neuregelung zustande kommt. Wir dürfen nicht sehenden Auges eine Rechtszersplitterung hinnehmen, wie sie bei Vergütungsentscheidungen im Er- messen der einzelnen Gerichte droht. Mit unserem heuti- gen Gesetzentwurf legen wir deshalb einen Vorschlag zur Ausgestaltung der Gefangenenentlohnung vor. Im Einzelnen: Der Gesetzentwurf sieht vor, die Höhe der Eckvergütung von 5 Prozent auf 15 Prozent der Be- zugsgröße zu erhöhen. In der Praxis bedeutet dies für voll- beschäftigte Gefangene eine deutliche Erhöhung von der- zeit circa 215 DM monatlich auf circa 660 DM monatlich. Damit wird dem Petitum nach einer angemessenen Ent- lohnung Genüge getan. Der Vorschlag einiger Länder, die Eckvergütung nur auf 7 Prozent der Bezugsgröße zu erhöhen, ist zwar aus Sicht der Finanzsituation der Länder verständlich, verfas- sungsrechtlich aber problematisch. Er wird im Übrigen auch von Justizvollzugspraktikern, wie der Beitrag von Thomas Ullenbruch in der ZRP vom Mai dieses Jahres zeigt, nicht unterstützt. Wichtig ist aber nicht nur die absolute Höhe der künf- tigen Gefangenenentlohnung. Viel entscheidender ist aus meiner Sicht die Möglichkeit der Verwendung, die wir den Gefangenen einräumen. Hier setzt der Gesetzentwurf besondere Maßstäbe. Die Erhöhung der Entlohnung soll insbesondere drei Zwecken dienen: erstens der Wieder- gutmachung gegenüber den Opfern der Straftaten; zwei- tens dem Abbau der oft erheblichen Schuldenlast der Gefangenen während ihrer Inhaftierung; drittens der Möglichkeit zur Ansparung eines deutlich höheren Über- brückungsgeldes. Dieses wird dadurch sichergestellt, dass den Gefange- nen künftig statt eines Anteils von bisher zwei Dritteln nur noch ein Viertel ihrer monatlichen Bezüge im Strafvoll- zug als Hausgeld für Einkaufszwecke zur Verfügung steht. Nominal bedeutet dies aufgrund der Erhöhung der Eckvergütung bei vollbeschäftigten Gefangenen immer noch eine Anhebung um circa 22 DM. Der überwiegende Teil der Erhöhung von über 420 DM steht aber durch diese Ausgestaltung nicht für den Einkauf zur Verfügung, sondern kann für die oben genannten Zwecke eingesetzt werden. Der Entwurf setzt dadurch auch inhaltliche Maßstäbe, indem wir im Einklang mit unseren rechtspolitischen Be- strebungen im Bereich des materiellen Strafrechts und des Strafprozessrechts eine Verbesserung der Stellung von Verbrechensopfern ermöglichen, wie sie von Kriminolo- gen und Strafrechtswissenschaftlern seit mehr als 20 Jah- ren mit Nachdruck gefordert wird. So kann künftig aus den erhöhten Gefangenenbezügen vom Täter verstärkt Wiedergutmachung für die Opfer seiner Straftaten geleis- tet werden. Dadurch kann der Gefangene stärker als bis- her angehalten werden, sich im Strafvollzug mit den Fol- gen seiner Tat sowie dem Opfer und dem diesen entstan- denen Schaden auseinander zusetzen. Weiterhin verstärken wir das Resozialisierungselement im Strafvollzug: Heute sind nach Angaben der Bundesar- beitsgemeinschaft Straffälligenhilfe etwa drei Viertel aller Gefangenen erheblich verschuldet. Es ist unbestritten, dass die Bewältigung dieser Schuldenlast während und nach der Haft eine wesentliche Rolle bei der Wiederein- gliederung von Gefangenen spielt. Durch die Neurege- lung verbessern wir die Möglichkeit zum Schuldenabbau und steigern damit auch die Resozialisierungschancen der Betroffenen. Entsprechende Bedeutung kommt auch der verbesser- ten Möglichkeit zur Ansparung des Überbrückungsgel- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Juli 200011052 (C) (D) (A) (B) des zu. Viele Gefangene benötigen unmittelbar nach der Entlassung, noch bevor staatliche Mittel verfügbar sind, größere Geldbeträge, insbesondere zur Wohnungs- und Arbeitssuche. Die Verfügbarkeit entsprechend hoher Überbrückungsgeldbeträge stärkt die Wiedereingliede- rung und trägt auch dem Gedanken, finanzielle Vorsorge für sich und unterhaltsberechtigte Angehörige zu treffen, Rechnung. Der Gesetzentwurf stellt auch sicher, dass die Vergü- tungserhöhung Gefangenen, die an Maßnahmen der Schul- und Berufsbildung teilnehmen, zugute kommt. Damit stärken wir den Anreiz zur Teilnahme an Bildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen – auch das ein Beitrag zur Stärkung des Resozialisierungsgedankens im Straf- vollzug. Fazit: Mit unserem Gesetzentwurf legen wir dem Bun- destag ein gelungenes Konzept zur verfassungsgerichtlich geforderten Umgestaltung der Gefangenenentlohnung vor, das die Resozialisierung im Strafvollzug nachhaltig unterstützen wird. Ich hoffe, der Entwurf findet breite Zu- stimmung in diesem Hohen Haus. Dr. Wolfgang Götzer (CDU/CSU):Wir beschäftigen uns heute mit dem Gesetzentwurf der Regierungskoali- tion zur Änderung des Strafvollzugsgesetzes, bei dem es um die Neuregelung der Gefangenenentlohnung geht. Es besteht zwingender Handlungsbedarf, weil die der- zeitige Regelung der Gefangenenentlohnung nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes mit dem Resozia- lisierungsgebot unvereinbar ist. Die Regierungskoalition hat sich Zeit gelassen mit der Erarbeitung und Einbrin- gung des Gesetzentwurfes und es gerade noch geschafft, die erste Lesung zum letztmöglichen Zeitpunkt vor der parlamentarischen Sommerpause auf die Tagesordnung zu setzen. Die vom Bundesverfassungsgericht gesetzte Frist für eine verfassungskonforme Neuregelung läuft be- kanntlich am 31. Dezember dieses Jahres aus. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil die Höhe des Arbeitsentgelts als einen Faktor angesehen, von dem abhängt, ob die nach Art. 12 Abs. 3 GG zulässige Pflichtarbeit und die Arbeitszuweisung im Strafvollzug als Mittel der verfassungsrechtlich gebotenen Resoziali- sierung geeignet sind. Arbeit im Strafvollzug, die den Ge- fangenen als Pflichtarbeit zugewiesen wird, sei nur dann ein wirksames Resozialisierungsmittel, wenn die geleis- tete Arbeit eine angemessene Anerkennung finde. Den Gefangenen müsste in einem Mindestmaß bewusst ge- macht werden können, dass Erwerbsarbeit zur Herstel- lung einer Lebensgrundlage sinnvoll ist. Voraussetzung dafür, dass einem Gefangenen die Angemessenheit der Vergütung der Arbeit vor Augen geführt werde, sei jedoch ein transparentes und nachvollziehbares Berechnungs- system. Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht dem Ge- setzgeber bei der Regelung dessen, was angemessen ist, einen weiten Ermessensspielraum eingeräumt, innerhalb dessen die typischen Bedingungen des Strafvollzugs in Rechnung gestellt werden können. Hiermit hat das Bun- desverfassungsgericht ausdrücklich klargestellt, dass die zu gewährende Anerkennung der Pflichtarbeit nicht dem tatsächlichen Wert der von den Gefangenen geleisteten Arbeit entsprechen muss, sondern in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise auch unterhalb dieses Wertes lie- gen kann. Zugleich hat das Bundesverfassungsgericht ausgespro- chen, dass die Anerkennung der geleisteten Arbeit nicht notwendig finanzieller Art sein muss. Anerkennung sei nicht nur ein monetäres Konzept; vielmehr sei die mo- derne Gesellschaft geradezu darauf angewiesen, dass frei- willig geleistete oder auch zugewiesene Arbeit andere als finanzielle Formen der Anerkennung erfahre. Nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes besteht grundsätzlich eine Vielzahl verschiedener Mög- lichkeiten, um Gefangenen, denen eine Arbeit oder eine sonstige Beschäftigung zugewiesen oder zugeteilt worden ist oder die zu einer Hilfstätigkeit verpflichtet worden sind, eine angemessene Anerkennung ihrer regelmäßigen Arbeit zu gewähren, nämlich monetäre Konzepte, nicht monetäre Konzepte oder Kombinationsmöglichkeiten aus beiden. Soweit die Ausgangslage aufgrund der Karlsruher Vor- gabe. Der heute zu beratende Gesetzentwurf der Regierungs- koalition geht über diese Vorgaben des Bundesverfas- sungsgerichts weit hinaus – und ist dennoch kein großer Wurf. Das Bundesjustizministerium hätte sich besser ori- entieren sollen an dem ohne Gegenstimmen beschlosse- nen Vorschlag der Herbstkonferenz der Justizministerin- nen und Justizminister der Länder. Stattdessen will Frau Däubler-Gmelin die Gefangenenentlohnung um ganze 200 Prozent erhöhen. So sieht der Entwurf unter anderem vor, das Arbeitsentgelt von 5 Prozent der Eckvergütung auf 15 Prozent zu verdreifachen. Eine solche Regelung würde nicht nur die Länder- haushalte in kaum zu vertretender Weise belasten, son- dern auch in erheblichem Maße zum Abbau von Arbeits- plätzen führen. Allein den bayerischen Staatshaushalt beispielsweise würde die Verdreifachung der Gefangene- nentlohnung mit Mehrkosten in Höhe von etwa 33,4 Mil- lionen DM belasten. Die Bundesjustizministerin will also die Länder zwin- gen, den Gefangenen weit mehr als das von Verfassungs wegen Gebotene zu bezahlen. Dies ist nicht nur eine ab- solut unnötige Mehrbelastung der Länderhaushalte, son- dern gleichzeitig eine Maßnahme, die sich de facto mit- telfristig nachteilig auf die Arbeitsplatzsituation in den Justizvollzugsanstalten und damit auf die Resozialisie- rungsmöglichkeiten im Vollzug auswirken würde. Eine Erhöhung des Arbeitsentgeltes in dieser Dimen- sion würde insgesamt zu einer so erheblichen Verteuerung der Arbeitsleistung der Gefangenen führen, dass damit die – schon jetzt angesichts der Öffnung der Grenzen schwierige – Konkurrenzsituation der Justizvollzugsan- stalten gegenüber Billiglohnländern weiter verschärft würde. Die Justizvollzugsanstalten wären gezwungen, das erhöhte Arbeitsentgelt wenigstens zu erheblichen Tei- len selbst zu erwirtschaften. Die Folge: Die Gefangenen- arbeit würde sich deutlich verteuern. Für private Unter- nehmen wäre es aber dann kaum mehr interessant, in den Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Juli 2000 11053 (C) (D) (A) (B) JVAs eigene Arbeitsbetriebe zu unterhalten; viele dieser Unternehmerbetriebe würden abwandern. Die Justizvoll- zugsanstalten müssten die erhöhten Arbeitskosten auf die Preise umlegen und könnten deshalb weniger Aufträge einholen. Das Ergebnis wäre eine drastische Zunahme der Arbeitslosigkeit in den Justizvollzugsanstalten. Dies liefe nicht nur dem Anliegen des Bundesverfas- sungsgerichts diametral entgegen, die Bedingungen für eine Resozialisierung der Gefangenen zu verbessern, son- dern würde infolge der Zusammenballung beschäfti- gungsloser Strafgefangener auch zu einer erheblichen Ge- fährdung der Sicherheit und Ordnung in den Justizvoll- zugsanstalten führen. Auch in einem weiteren Punkt geht der Gesetzentwurf über das hinaus, was das Bundesverfassungsgericht ver- langt: Während Karlsruhe seine Vorgaben allein auf das Arbeitsentgelt für die zur Arbeit verpflichteten Strafge- fangenen bezieht, will die Bundesjustizministerin auch die Löhne für die auf freiwilliger Basis Beschäftigten, die Untersuchungsgefangenen und die jugendlichen Gefan- genen, einbeziehen. Außerdem hat das Bundesverfas- sungsgericht, wie bereits erwähnt, in seiner Entscheidung ausdrücklich klargestellt, dass die zu gewährende Aner- kennung der Pflichtarbeit nicht notwendig finanzieller Art sein muss. Der vorgelegte Gesetzentwurf sieht jedoch keine Regelung zur immateriellen Vergütung der Gefan- genenarbeit vor. Die CDU/CSU-Fraktion lehnt deshalb den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf ab und wird in Kürze einen eigenen Gesetzentwurf vorlegen, der sich an dem einmütigen Beschluss der Justizministe- rinnen und Justizminister der Länder vom Herbst 1999 orientiert. Wir wollen die Erhöhung des Arbeitsentgelts für die zur Arbeit verpflichteten Strafgefangenen auf das von Verfassungs wegen erforderliche Maß beschränken. Das heißt konkret: Wir befürworten eine Steigerung der Löhne der Gefangenen in Höhe von 40 Prozent statt 200 Prozent. Für die Länderhaushalte und damit die Steuerzahler be- deutet das, dass sie jährlich um circa 189 Millionen DM weniger belastet werden als nach den Vorstellungen der Bundesjustizministerin. Die weder zweckmäßige noch verfassungsrechtlich gebotene Einbeziehung von Unter- suchungsgefangenen, Gefangenen in freien Beschäfti- gungsverhältnissen und jugendlichen Strafgefangenen lehnen wir ab. Dafür wollen wir den Vorgaben des Bun- desverfassungsgerichtes entsprechend die Möglichkeit von bis zu sechs zusätzlichen Freistellungstagen vorse- hen, die durch Ableistung von Pflichtarbeit angespart werden können. Der Strafgefangene kann diese dann zur Vorverlegung des Entlassungszeitpunktes oder zur Ge- währung von Urlaub aus der Haft nutzen. Dies dürfte nicht nur im Interesse des Gefangenen sein, sondern ent- lastet auch den Steuerzahler. Außerdem bin ich der Meinung, dass wir uns anlässlich dieser Diskussion um die Änderung des Strafvollzugs auch einmal intensiv mit dem Gedanken beschäftigen sollten, in welchem Umfang eine teilweise Privatisierung des Strafvollzugs bei uns möglich und sinnvoll ist. Die Er- fahrungen in Frankreich und England mit teilprivatisier- ten Haftanstalten sind durchweg gut. In Hessen gibt es ja unter der von CDU und F.D.P. geführten Regierung hierzu erste Ansätze. Ich glaube, dass man damit den Staat ent- lasten, Geld sparen und die Resozialisierung verbessern kann. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Mehr als zwanzig Jahre hat es gedauert, bis dem Bundes- verfassungsgericht im Juli 1998 bei der Strafgefangenen- entlohnung der Geduldsfaden gerissen ist. Über zwei Jahrzehnte lang ist eine mit dem Grundgesetz kompatible Entlohnung vor allem am Widerstand der Länder ge- scheitert. Der heutige Gesetzentwurf macht endlich Schluss mit einem verfassungswidrigen und auch menschenunwürdi- gen Zustand in unseren Gefängnissen: Ein Stundenlohn von DM 1,72 stellt keine angemessene Anerkennung der Arbeitsleistung klar. Diese Unterbezahlung – man kann sie auch als Ausbeutung bezeichnen – läuft dem Zweck des Strafvollzuges, die Täter zu resozialisieren, zuwider: Wer die Gefangenen auf ein straffreies Leben in Freiheit vorbereiten will, muss ihnen auch den Sinn einer bezahl- ten Tätigkeit bewusst machen. Wer sie jedoch hinter Git- tern noch zusätzlich desillusioniert, darf sich später über die Folgen nicht wundern: Denn wer im Knast gelernt hat, dass sich Arbeit nicht lohnt, geht später auch in Freiheit lieber klauen. Sinn dieser Lohnerhöhung ist ja nicht, dass dem Ge- fangenen künftig mehr (Haus)-Geld für den Einkauf beim Anstaltskaufmann zur Verfügung steht. Nein, viel wichti- ger ist, dass wir den Gefangenen helfen, ihren Schulden- berg zu tilgen oder ihre Unterhaltsverpflichtungen zu er- füllen. Nach Berechnungen der Bundesarbeitsgemein- schaft für Straffälligenhilfe sind rund drei Viertel aller Gefangenen erheblich verschuldet. Auch viele Opfer von Straftaten gehen deshalb leer aus. Diese Mittel aber dür- fen den Gefangenen nicht vorenthalten werden. Auch das folgt aus dem Resozialisierungsgebot des Grundgesetzes. Wie in den Jahren zuvor protestieren auch jetzt wieder die Länder. Wer jetzt aber die „maßvollen“, weil kosten- sparenden Vorschläge von der Justizministerkonferenz im letzten Herbst begrüßt, sollte sich bitte einmal zurück- erinnern: Der verfassungswidrige Bezugsgrößen-Eckwert von 5 Prozent war bei In-Kraft-Treten des Strafvollzugs- gesetzes 1977 nur als Basiswert für die Anfangszeit des Gesetzes vorgesehen. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollte er eigentlich stufenweise bis 1986 auf 40 Prozent angehoben werden. 7 Prozent sind zu wenig. („tageszei- tung“, 7. Juli 2000) Im Vergleich zum Willen des Gesetzgebers ist also un- ser heutiger Vorschlag durchaus ein maßvoller: Eine Er- höhung des Wertes auf 15 Prozent – also ein Monatslohn von knapp 660 DM – stellt nach Einschätzung von Ex- perten sogar nur die Untergrenze des verfassungsrechtlich Vertretbaren dar. Der frühere Verfassungsrichter Kruis, der selbst an dem Urteil von 1998 mitgewirkt hat, sagt: „Ein zweistelliger Betrag sollte es schon sein.“ Die Eckwerte der Justizminister vom November 1999 halten einer verfassungsrechtlichen Überprüfung nicht Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Juli 200011054 (C) (D) (A) (B) stand. Auch jetzt hat sich der rheinland-pfälzische Justiz- minister Mertin wieder für eine Erhöhung des Bezugs- größenanteils um gerade mal zwei Prozentpunkte ausge- sprochen. So nachvollziehbar angesichts der knappen Länderkassen dieser Vorschlag auch ist: Mit welchen Mit- teln bitte sollen die Gefangenen dann Wiedergutmachung an die Opfer und Unterhalt an ihre ohnehin schon gebeu- telten Familien leisten? Herr Kollege Funke, Sie haben kürzlich den Vorschlag der Koalition als „zu niedrig“ be- zeichnet. In Ordnung. Ich wäre Ihnen aber sehr dankbar, wenn Sie ihre Parteifreunde in den Ländern von dieser Meinung überzeugen könnten. Richtig ist: Karlsruhe hat sich nicht auf eine rein mo- netäre Lösung festgelegt. Und eine solche präsentieren wir Ihnen heute auch nicht. Ich nenne nur die Ausdehnung des Freistellungszeitraumes von 18 auf 24 Tage. Auch Haftzeitverkürzungen („good-time-Konzepte“), wie es die Länder vorschlagen, haben wir geprüft. Aber soll der Entlassungszeitpunkt etwa davon abhängen, ob in der An- stalt zufällig ein Arbeitsplatz zur Verfügung steht oder aber ob ein Gefangener entschuldigt oder unentschuldigt der Pflichtarbeit ferngeblieben ist? Die verfassungsrecht- lichen Bedenken liegen auf der Hand. Und eine weitere Rüge aus Karlsruhe sollten wir uns alle ersparen. Rainer Funke (F.D.P.): Auch das Änderungsgesetz zum Strafvollzugsgesetz zeigt in eklatanter Weise, wie wenig sorgfältig zurzeit Vorgaben des Bundesverfas- sungsgerichts umgesetzt werden. Das Verfassungsgericht hat angeordnet, dass längstens bis zum 31. Dezember 2000 § 200 Strafvollzugsgesetz zu ändern ist. Offensicht- lich weil das Justizministerium noch keine beschlussreife Vorlage für das Bundeskabinett hat fertigen können, ist wie bei anderen Gesetzesvorschlägen, die wir heute bera- ten haben, der Weg über die Fraktionsanträge gewählt worden. Bei einer solch wichtigen Frage, die die Länder massiv, auch finanziell, betrifft, wäre der ordnungs- gemäße Weg über Kabinett und Zuweisung an Bundesrat der einzig richtige gewesen, damit der Bundestag auch unter Berücksichtigung der Bundesratsinteressen hätte beraten können. Durch den jetzt gewählten Weg wird dem Bundestag nur nachträglich die Möglichkeit gegeben, seine Meinung zu äußern; das ist wenig länderfreundlich. Aber auch in der Sache ist der Gesetzesentwurf nicht ausgereift. Tatsächlich wird nur an der Schraube der Ver- gütung gedreht, statt auch sonstige Strafvollzugsfragen mit zu berücksichtigen. Die Arbeit von Strafgefangenen muss nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts angemessen vergütet werden. Ich halte das auch für richtig, weil Anreize zur Arbeit der Resozialisierung des Strafgefangenen dienen. Er wird ausgebildet, hat auch während der Strafhaft eine sinnvolle Beschäftigung und soll mit seinem Entgelt auch dazu beitragen, später nicht der Sozialhilfe zur Last zu fal- len. Ich teile daher nicht die Auffassung der Länder, dass eine Erhöhung des Arbeitsentgeltes einseitig zur Belas- tung der Justizhaushalte wird; vielmehr kann dadurch auch eine Entlastung des Sozialetats eintreten. Dieses gilt nicht nur für die unmittelbare Zeit nach der Haftentlas- sung, sondern auch für die Zeit im Rentenalter, da der Strafgefangene durch angemessene Entlohnung in der Strafhaft bei Arbeitsaufnahme auch Rentenansprüche er- wirbt. Die bisher bekannt gewordenen Einlassungen der Lan- desjustizminister zeigen auch zu Recht, dass eine Insel- lösung, die lediglich die Vergütungsregelung betrifft, we- nig hilfreich ist. Auch die Frage, ob mit dem Arbeitsent- gelt eine Auflage verbunden werden kann und muss, ob der Strafgefangene angerichtete Schäden von dem erwor- benen Arbeitsentgelt zu begleichen hat, sollte berücksich- tigt werden. Mit anderen Worten: Wir Freien Demokraten regen eine umfassendere Regelung an. Es wäre daher bes- ser gewesen, dies nicht unter Zeitdruck machen zu müs- sen, wie es jetzt die Bundesregierung offensichtlich tat. Vielmehr sollten wir jetzt die Zeit nutzen, intensiv die Frage der Entlohnung von Strafgefangenen grundsätzlich im Rechtsausschuss zu beraten. Ulla Jelpke (PDS): SPD und Grüne behaupten im vor- liegenden Gesetzentwurf, sie wollten, ich zitiere, „eine Neuregelung der Gefangenenentlohnung schaffen, die verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist und die den Strafvollzug den Zielen der Schadenswiedergutmachung und der Opferentschädigung näher bringt.“ Ich bestreite das. Außerdem geht es nicht nur um Scha- denswiedergutmachung und Opferentschädigung. Es geht auch um Resozialisierung der Gefangenen. Schon 1977, also vor 23 Jahren, war im damaligen Strafvollzugsgesetz eine Erhöhung der Gefangenenentlohnung bis 1986 auf 40 Prozent vorgesehen. Bei den Beratungen war damals sogar ein Tariflohn oder ein Lohn von 75 Prozent des Ta- rifs überlegt worden. Es ist schlimm, dass 20 Jahre später das Bundesverfas- sungsgericht kommen musste, um mit seinem Urteil vom 1. Juli 1998 wieder etwas Bewegung zu erzwingen. Das Gericht hat ganz richtig die derzeitige Entlohnung der Ge- fangenen als Verstoß gegen das Resozialisierungsgebot und gegen das Grundgesetz kritisiert. Ich finde, das zeigt, wie weit sich die Debatte in letzter Zeit vom Resoziali- sierungsgebot und der Humanisierung des Strafvollzugs weg bewegt hat. Jetzt sollen sich die Gefangenen mit einer Anhebung von 5 Prozent auf 15 Prozent zufrieden geben. Statt durch- schnittlich 200 DM bekommen sie dann vielleicht künftig 600 DM im Monat. Eine solche Anhebung reicht einfach nicht aus. Viele Gefangene sind mittellos, haben aber zugleich beträcht- liche finanzielle Verpflichtungen. Sie sind verpflichtet: zum Schadenausgleich für ihre Taten, zur Leistung von Unterhalt an Familienangehörige und zur Tilgung sonsti- ger Schulden. Etwa drei Viertel aller Gefangenen sind er- heblich verschuldet. Schon 1994 wurde in einer Untersu- chung festgestellt, dass Schulden zwischen 12 000 und 45 000 DM nicht selten sind. Wie soll da mit 600 DM im Monat eine Schadenswie- dergutmachung, ein Opferausgleich und außerdem noch eine Resozialisierung dieser Gefangenen möglich sein? Das geht einfach nicht. Das wissen auch alle. Die CDU/ CSU scheint deshalb das Gebot der Resozialisierung ganz Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Juli 2000 11055 (C) (D) (A) (B) aufgeben zu wollen. Sie will einfach nur noch mehr Ge- fängnisse bauen. Eine solche Abkehr vom Resozialisierungsgebot ma- chen wir nicht mit. Wer Inhumanität im Strafvollzug will, hat uns zum Gegner. Bei meinen Besuchen in den JVAs im Mai in Nord- rhein-Westfalen haben alle Anstaltsleiter die tarifliche Entlohnung verlangt. Der stellvertretende Leiter der Jus- tizvollzugsanstalt in Freiburg hält eine Entlohnung von unter 20 Prozent sogar für verfassungswidrig. Auch im europäischen Vergleich liegt die Bundesrepu- blik bei der Gefangenenentlohnung nur auf Platz neun, also weit hinten. Die PDS hatte deshalb schon 1995 einen Antrag einge- bracht, der die Bezahlung der Gefangenen nach Tariflohn sowie die gesetzliche Einbeziehung der Strafgefangenen in die gesetzliche Renten- und Krankenversicherung for- derte. Ich finde, diese Forderung ist weiter richtig. Die Absicht der Justizminister der Länder, den Eckwert nur auf 7 Prozent anzuheben, ist demgegenüber schlicht und einfach ein Skandal. Ich finde, es ist höchste Zeit, in der Diskussion über den Strafvollzug wieder den Gedanken der Resozialisie- rung und der Humanität – auch gegenüber den Gefange- nen – zu stärken. Der Gesetzentwurf der Regierungspar- teien genügt diesem Anspruch in meinen Augen nicht. Dr. Eckhart Pick (Parl. Staatssekretär bei der Bun- desministerin der Justiz): Der Gesetzentwurf, der heute beraten wird, hat eine lange Vorgeschichte: Mit dem Strafvollzugsgesetz aus dem Jahr 1977 wurde die „Ar- beitsbelohnung“ für Gefangene durch einen Anspruch auf Arbeitsentgelt ersetzt. Gefangene sollten grundsätz- lich freien Arbeitnehmern gleichstehen. Das Arbeitsent- gelt sollte ein Mittel zur Resozialisierung der Gefangenen sein. Es sollte ihnen die Früchte ihrer Arbeit unmittelbar vor Augen führen. Strafgefangene bekommen seither für ihre Pflichtarbeit ein Arbeitsentgelt in Höhe von 5 Prozent des Durch- schnittsentgeltes der Arbeitnehmer, die in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen. Dies sind zur Zeit etwa 220 DM im Monat „bei freier Kost und Logis“. Alle Ver- suche, das Arbeitsentgelt zu erhöhen, sind bisher unter Hinweis auf die zusätzlichen finanziellen Belastungen für die Länder gescheitert. Nimmt man die Zielsetzung des Strafvollzugsgesetzes ernst, muss die Arbeit von Gefangenen eine angemessene Anerkennung finden. Nur so kann auch der gesetzliche Auftrag erfüllt werden, Gefangene dabei zu unterstützen, für Unterhaltsberechtigte zu sorgen und den durch die Straftat verursachten Schaden wiedergutzumachen. Von einem Monatslohn von 220 DM kann ein Gefangener kei- nen Unterhalt leisten, geschweige denn Entschädigung an die Opfer seiner Straftaten leisten. So war es deshalb nicht überraschend, dass das Bun- desverfassungsgericht die derzeitige Regelung über die Gefangenenentlohnung für verfassungswidrig erklärt hat. Sie ist mit dem im Grundgesetz verankerten Resozialisie- rungsgebot nicht vereinbar. Dabei hat das Bundesverfas- sungsgericht die geltend gemachten finanziellen Schwie- rigkeiten der Länder durchaus gesehen und in seine Über- legungen einbezogen. Es hat ausgeführt, dass Arbeit im Strafvollzug, die den Gefangenen als Pflichtarbeit zugewiesen wird, nur dann ein wirksames Resozialisierungsmittel sei, wenn die ge- leistete Arbeit „angemessene“ Anerkennung finde. Die Arbeit müsse geeignet sein, den Gefangenen den Wert re- gelmäßiger Arbeit für ein künftiges eigenverantwortliches und straffreies Leben in Gestalt eines für sie greifbaren Vorteils vor Augen zu führen. Der Gesetzgeber wurde aufgefordert, die Gefangenen- entlohnung bis zum Ende diesen Jahres neu zu regeln. Wir müssen nun tätig werden. Das Berufen auf leere Kassen hilft nicht weiter. Denn: Gelingt es nicht, die Gefangenen- entlohnung bis zum 1. Januar 2001 verfassungsgemäß auszugestalten, werden die Gerichte darüber entscheiden, wie das Arbeitsentgelt zu bemessen ist. Es ist davon aus- zugehen, dass die gerichtliche Festsetzung des Arbeits- entgeltes die Länder stärker belasten wird als die im Ent- wurf vorgeschlagene Neuregelung. Mit dem vorgelegten Gesetzentwurf werden die For- derungen des Bundesverfassungsgerichts durch die Er- höhung des Bezugsgrößenanteils von 5 auf 15 Prozent umgesetzt. Wer meint, dies sei zu großzügig bemessen, dem halte ich entgegen, dass wir eine Regelung brauchen, mit der wir verfassungsrechtlich auf der sicheren Seite sind, eine Regelung also, die die Forderung des Bundes- verfassungsgerichts sicher erfüllt und die konsequent auf das Vollzugsziel der Resozialisierung gerichtet ist. Halbherzige Entscheidungen, die Gefahr laufen, einer sicher zu erwartenden erneuten verfassungsgerichtlichen Überprüfung nicht standzuhalten, werden insbesondere den Ländern schaden. Auch sollten wir die Gefahr ver- meiden, dass das Bundesverfassungsgericht dem Gesetz- geber ein weiteres Mal vorschreibt, was er zu tun hat. Die Erhöhung der Gefangenenentlohnung eröffnet mehr Spielraum für die Opferentschädigung, für Unter- haltszahlungen und für die Schuldenregulierung. Dem Gefangenen selbst steht dagegen für den persönlichen Be- darf monatlich nur ein geringfügig größerer Betrag als bislang zur Verfügung. Damit werden die Gefangenen endlich – wenn auch nur ein kleines Stück weit – lernen können, Verantwortung zu übernehmen. Die Bundesre- gierung unterstützt deshalb diesen Koalitionsentwurf nachdrücklich. Durch die Erhöhung der Gefangenenentlohnung wer- den die Länder ohne Zweifel belastet. Ich möchte aber eindringlich davor warnen, zu glauben, es gäbe billigere Möglichkeiten. Der Gesetzentwurf berücksichtigt die Fi- nanzsituation in den Ländern. Obwohl es wünschenswert wäre, die Gefangenen endlich auch in die Kranken- und Rentenversicherung einzubeziehen, wird dies gerade mit Rücksicht auf die schlechte Haushaltslage der Länder nicht vorgeschlagen. Bei allem Verständnis für die Fi- nanznöte der Länder: Eine Erhöhung der Gefangenenent- lohnung in dem Umfang, wie sie der Koalitionsentwurf vorsieht, muss möglich sein. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Juli 200011056 (C) (D) (A) (B) Anlage 10 Amtliche Mitteilung Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mit- geteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden EU-Vorla- gen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Parla- ment zur Kenntnis genommen oder von einer Beratung abgesehen hat. Finanzausschuss Drucksache 14/3341 Nr. 2.34 Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Drucksache 14/3341 Nr. 2.45 Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung Drucksache 14/2952 Nr. 1.2 Ausschuss für Gesundheit Drucksache 14/3050 Nr. 2.24 Drucksache 14/3428 Nr. 2.3 Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 14/3428 Nr. 2.21 Drucksache 14/3428 Nr. 2.22 Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Drucksache 14/2747 Nr. 2.3 Drucksache 14/2747 Nr. 2.4 Drucksache 14/2747 Nr. 2.5 Drucksache 14/2747 Nr. 2.6 Drucksache 14/2747 Nr. 2.7 Drucksache 14/2747 Nr. 2.8 Drucksache 14/2747 Nr. 2.9 Drucksache 14/2747 Nr. 2.10 Drucksache 14/2747 Nr. 2.11 Drucksache 14/2747 Nr. 2.12 Drucksache 14/2747 Nr. 2.13 Drucksache 14/2747 Nr. 2.14 Drucksache 14/2747 Nr. 2.29 Drucksache 14/2952 Nr. 2.11 Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mit- geteilt, dass der Ausschuss gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu der nachstehenden Vorlage absieht: Auswärtiger Ausschuss – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über die Tätigkeit der West- europäischen Union für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezem- ber 1999 – Drucksachen 14/2657, 14/2947 Nr. 1.2 – – Unterrichtung durch die Delegation der Interparlamentarischen Gruppe der Bundesrepublik Deutschland über die 102. Interparlamentarische Konferenz vom 10. bis 16. Oktober 1999 in Berlin – Drucksachen 14/2856, 14/3048 Nr. 2 – Innenausschuss – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über den Stand der Abwick- lung des Fonds fürWiedergutmachungsleistungen an jüdi- sche Verfolgte – Drucksachen 14/2436, 14/2736 Nr. 1 – Haushaltsausschuss – Unterrichtung durch die Bundesregierung Überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 10 04 Titel 682 04 – Von der EU nicht übernommene Marktordnungsausgaben – bis zur Höhe von 42 780 TDM – Drucksachen 14/3291, 14/3419 Nr. 3 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Außerplanmäßige Verpflichtungsermächtigung bei Kapitel 09 01 Titel 517 01 – Bewirtschaftung der Grundstücke, Ge- bäude und Räume – – Drucksachen 14/3289, 14/3419 Nr. 2 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Einwilligung in eine überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 15 10 Titel 712 11 – Baumaßnahmen von mehr als 2 Milli- onen DM im Einzelfall; Neubau eines Labor- und Verwal- tungsgebäudes für das Bundesinstitut fürArzneimittel und Medizinprodukte – Drucksachen 14/3347, 14/3419 Nr. 4 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Über- und außerplanmäßige Ausgabe im ersten Vierteljahr des Haushaltsjahres 1998 – Drucksachen 13/10856, 14/272 Nr. 78 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Über- und außerplanmäßige Ausgaben im zweiten Viertel- jahr des Haushaltsjahres 1998 – Drucksachen 13/11328, 14/69 Nr. 1.26 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Über- und außerplanmäßige Ausgaben im dritten Viertel- jahr des Haushaltsjahres 1998 – Drucksachen 14/55, 14/69 Nr. 1.32 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Über- und außerplanmäßige Ausgaben im vierten Viertel- jahr des Haushaltsjahres 1998 – Drucksachen 14/455, 14/592 Nr. 1 – Ausschuss fürWirtschaft und Technologie – Unterrichtung durch die Regulierungsbehörde für Tele- kommunikation und Post Tätigkeitsbericht 1998/1999 der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post – Bericht nach § 81 Abs. 1 Te- lekommunikationsgesetz und nach § 47 Abs. 1 Postgesetz und Sondergutachten der Monopolkommission gemäß § 81 Abs. 3 Telekommunikationsgesetz und § 44 Postgesetz – Drucksachen 14/2321, 14/2555 Nr. 1.2 – Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung – Unterrichtung durch die Bundesregierung Zweiter Bericht nach § 70 des Dritten Buches Sozialgesetz- buch i. V. m. § 35 des Bundesausbildungsförderungsgeset- zes zur Überprüfung der Bedarfssätze der Berufsausbil- dungsbeihilfe – Drucksache 14/2424 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Juli 2000 11057 (C) (D) (A) (B) Druck: MuK. Medien-und Kommunikations GmbH, Berlin
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Anke Fuchs


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Jetzt hat die Kollegin
    Claudia Roth, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.

    Claudia Roth (Augsburg) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
    NEN): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kolle-
    gen! In der Tat ist die Grundrechtecharta im Rahmen der
    Diskussion über eine europäische Verfassung sicher ein
    ganz wichtiger Aspekt des verfassunggebenden Prozes-
    ses. Ich habe immer Angst, von „Verfassung“ zu sprechen,


    (Sabine Leutheusser-Schnarrenberger [F.D.P.]: Warum das denn?)


    weil ich weiß, wie unterschiedlich der Begriff „Verfas-
    sung“ in Europa verstanden wird. Deshalb halte ich es für
    besser, vom „verfassunggebenden Prozess“ zu sprechen,
    da sich in diesem Begriff unterschiedliche Traditionen
    vereinen können.

    Über die Notwendigkeit einer Grundrechtecharta be-
    steht in diesem Hause sicher ein großer Konsens. Ich
    denke, es ist unstrittig, dass die Entwicklung der Wirt-
    schaftsgemeinschaft hin zur politischen Union einer
    Flankierung durch einen effektiven Grundrechtsschutz
    bedarf, dass die Europäische Union endlich ein bürger-
    rechtliches Fundament braucht und dass dieser Grund-
    rechtsschutz nicht nur im Bereich der Asyl- und Migrati-
    onspolitik sowie im Bereich der polizeilichen Zusam-
    menarbeit notwendig ist, in dem es große schwarze
    Demokratielöcher gibt, sondern auch in der Gemeinsa-
    men Außen- und Sicherheitspolitik. Ebenso gibt es im Be-
    reich der Sozialunion einen Nachholbedarf an Grund-
    rechten.

    Die Grundrechtecharta stärkt zudem die Idee einer
    Unionsbürgerschaft; denn die Handlungsmöglichkeiten
    der Unionsbürgerinnen und Unionsbürger werden sich er-
    weitern. Wir haben in diesem Zusammenhang immer da-
    rauf bestanden, dass es nicht zu unterschiedlichen Grund-
    rechtsstandards kommen darf, dass es nicht innerhalb der
    Europäischen Union Menschen mit unterschiedlichen
    Rechten geben darf. Deswegen plädiere ich eindringlich
    dafür, die Unterscheidung zwischen Unionsbürgerinnen
    und Unionsbürgern und anderen Bürgern nicht in der
    Charta der Grundrechte, die für alle Menschen gelten soll,
    zu vertiefen.

    Man kann sagen, dass die bisherigen Arbeiten des Kon-
    vents sehr ermutigend waren, wenn es auch noch viele
    Dinge zu kritisieren gibt und noch ein großer Verbesse-
    rungsbedarf besteht. Ich glaube, das Forum des Konvents
    ist ein gutes neues Mittel zur Förderung der europäischen
    Integration. Ich denke auch, dass durch eine erfolgreiche
    Arbeit des Konvents die bisherige alleinige Herrschaft der
    Regierungskonferenzen um etwas sehr Positives ergänzt
    wird.

    Warum kein gemeinsamer Konsens auf dem Tisch
    liegt, haben schon meine Vorredner ausführlich geschil-
    dert. Auch ich bin der Meinung, dass es, wenn es keinen
    Konsens geben konnte, besser ist, dass die unterschiedli-
    chen Positionen dargestellt werden. Ich denke, das ist
    sinnvoller als ein entleerter Kompromiss. So war zumin-
    dest unsere Meinung im Menschenrechtsausschuss, der
    beratend an der Grundrechtecharta mitwirkt.

    Ich möchte ein paar Sätze zu meiner Kritik an den An-
    trägen der anderen Fraktionen sagen. Ich finde viele
    Punkte im Antrag der F.D.P.-Fraktion sehr gut. Aus




    Peter Altmaier

    11027


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    meiner Sicht ist jedoch der Bereich der wirtschaftlichen
    und sozialen Grundrechte bei Ihnen zu stark einge-
    schränkt. Mit dieser eingeschränkten Sichtweise fallen
    Sie, glaube ich, sogar hinter die großen UNO-Pakte und
    die Forderungen der Wiener Menschenrechtskonferenz
    und des Kopenhagen-5-Prozesses zurück.

    Zu dem Antrag derUnion: Ich bin froh, Herr Altmaier
    und Herr Hintze, dass Sie sich eindeutig zu der Notwen-
    digkeit einer Grundrechtecharta bekannt haben. In der
    Union gibt es sicher auch andere Positionen; von daher ist
    das zu begrüßen. In Ihrem Antrag gibt es im Wesentlichen
    drei Punkte, mit denen ich große Probleme habe.
    Zunächst habe ich große Schwierigkeiten damit, dass Sie
    in der Charta die christlich-abendländische Tradition Eu-
    ropas festschreiben wollen.


    (Peter Altmaier [CDU/CSU]: Das europäische Menschenbild!)


    Für mich ist das ein Anachronismus. Wie um alles in der
    Welt wollen Sie zum Beispiel dem Beitrittskandidaten
    Türkei die Möglichkeit geben, sich in einem solchen ge-
    meinsamen europäischen Raum wiederzufinden?


    (Peter Hintze [CDU/CSU]: Das ist eine gute Frage!)


    – Ich weiß. – Ich gehe davon aus, dass damit klar ist, dass
    Sie die Türkei nicht als Teil dieser Europäischen Union
    wahrnehmen wollen; denn sonst würden Sie sich nicht auf
    die christlich-abendländische Tradition beschränken.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der PDS)


    Darüber würde ich gerne eine ausführliche Debatte mit
    Ihnen führen.

    Ferner glaube ich, dass auch bei Ihnen der Grundsatz
    der Unteilbarkeit der Menschenrechte eingeschränkt
    wird. Unteilbarkeit heißt ja, dass politisch-bürgerliche
    Freiheitsrechte in Verbindung mit den sozialen, wirt-
    schaftlichen und kulturellen Rechten zwei Seiten einer
    Medaille sind. Wenn Sie nun aber in Ihrem Antrag schrei-
    ben, dass es in erster Linie um die klassischen Freiheits-
    und Verfahrensrechte geht, dann etablieren Sie eine Hie-
    rarchie, wodurch die Unteilbarkeit in ein Ungleichge-
    wicht gerät. Das ist mein Kritikpunkt.

    Herr Altmaier, Sie haben es natürlich angesprochen:
    Ich bin tatsächlich ganz anderer Auffassung als Sie, was
    das Asylrecht angeht. Angesichts dessen, dass Sie von
    der Notwendigkeit der Kompromissfindung sprechen,
    muss ich unterstellen, dass die Europäische Union ein
    Stück weit dazu dienen soll, das Asylrecht auf niedrigem
    Niveau zu harmonisieren. Seit vielen Jahren wird immer
    wieder versucht, Europa dazu zu benutzen, Unliebsames
    aus dem eigenen Land wegzuharmonisieren. Sie haben
    sich ja nicht einmal bereit erklärt, den Beschluss von
    Tampere zu übernehmen, in dem von einem uneinge-
    schränkten und allumfassenden Bezug auf die Genfer
    Flüchtlingskonvention gesprochen wird, wobei ich die
    Genfer Flüchtlingskonvention in der Tat ganz anders in-
    terpretiere.



Rede von Anke Fuchs
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Frau Kollegin, den-
ken Sie bitte an Ihre Redezeit.

Claudia Roth (Augsburg) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN): Entschuldigen Sie, ich bin etwas langsam, weil ich
allmählich wirklich müde werde.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Anke Fuchs


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Das verstehe ich an-
    gesichts dessen, dass wir beide hier wirklich lange geses-
    sen haben.

    Claudia Roth (Augsburg) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
    NEN): Deswegen möchte ich das Ganze auch nicht wei-
    ter in die Länge ziehen.– Ich wünsche unseren Männern,
    die im Konvent arbeiten, viel Kraft. Sie werden von uns
    noch viele gute Vorschläge bekommen. Herr Altmaier, da
    hoffe ich auch auf Sie. Bei Herrn Meyer bin ich mir sehr
    sicher. Uns wünsche ich ein paar schöne Sommertage. –
    Vielen Dank, Frau Präsidentin.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS sowie des Abg. Peter Altmaier [CDU/CSU])