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ID1410201600

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    Nachträgliche Glückwünsche zum Geburtstag der Abgeordneten Erika Simm und Jochen Borchert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9483 A Wahl der Abgeordneten Edeltraut Töpfer zur Schriftführerin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9483 B Wahl des Abgeordneten Bartholomäus Kalb als Mitglied in den Verwaltungsrat der Deut- schen Ausgleichsbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9483 B Erweiterung der Tagesordnung . . . . . . . . . . . 9483 B Nachträgliche Ausschussüberweisungen . . . . 9483 C Tagesordnungspunkt 3: Eidesleistung des Wehrbeauftragten . . 9484 B Präsident Wolfgang Thierse . . . . . . . . . . . . . 9484 C Dr. Willfried Penner, Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages . . . . . . . . . . . . . . . . . 9484 C Tagesordnungspunkt 4: a) Abgabe einer Regierungserklärung: Deutschland im Aufbruch – Moderne Wirtschaftspolitik für neue Arbeits- plätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9484 C b) Antrag der Abgeordneten Birgit Schnieber-Jastram, Dr. Maria Böhmer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion CDU/CSU: Bessere Erwerbsaussich- ten für ältere Arbeitnehmer durch bessere Qualifizierung (Drucksache 14/2909) ..... . . . . . . . . . . 9484 C c) Antrag der Abgeordneten Gunnar Uldall, Birgit Schnieber-Jastram, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion CDU/CSU: Beschäftigung als Ziel der Wirtschaftspolitik herausstellen (Drucksache 14/2988) . . . . . . . . . . . . . 9484 D Gerhard Schröder, Bundeskanzler . . . . . . . . . 9484 D Friedrich Merz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 9489 A Dr. Peter Struck SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9493 D Jürgen W. Möllemann F.D.P. . . . . . . . . . . . . . 9496 C Kerstin Müller (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9499 D Dr. Gregor Gysi PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9503 D Hans Eichel, Bundesminister BMF . . . . . . . . 9507 B Michael Glos CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 9509 C Dr. Norbert Wieczorek SPD . . . . . . . . . . . . . 9513 A Rainer Brüderle F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9516 A Dr. Ditmar Staffelt SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 9517 B Karl-Josef Laumann CDU/CSU . . . . . . . . . . 9519 A Wolfgang Weiermann SPD . . . . . . . . . . . . 9520 B Sabine Kaspereit SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9520 D Ernst Hinsken CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 9522 B Dr. Christa Luft PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 9523 B Dr. Bernd Protzner CDU/CSU . . . . . . . . . . . 9524 A Ulla Schmidt (Aachen) SPD . . . . . . . . . . . . . 9525 B Dr. Bernd Protzner CDU/CSU . . . . . . . . . 9527 A Tagesordnungspunkt 5: Zweite und dritte Beratung des von den Ab- geordneten Erwin Marschewski, Wolfgang Zeitlmann, weiteren Abgeordneten und der Fraktion CDU/CSU eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Änderung des Plenarprotokoll 14/102 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 102. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2000 I n h a l t : Gesetzes überdas Ausländerzentralregis- ter und zur Einrichtung einerWarndatei (Drucksachen 14/1662;14/2745) . . . . . . . . 9528 B Hartmut Koschyk CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 9528 C Eckhardt Barthel (Berlin) SPD . . . . . . . . . . . 9530 D Dr. Guido Westerwelle F.D.P. . . . . . . . . . . . . 9532 C Marieluise Beck (Bremen) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9534 A Dr. Guido Westerwelle F.D.P. . . . . . . . . . 9534 D Ulla Jelpke PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9535 D Erwin Marschewski CDU/CSU . . . . . . . . . . 9536 D Dr. Guido Westerwelle F.D.P. . . . . . . . . . . . . 9538 A Erwin Marschewski (Recklinghausen) CDU/ CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9538 B Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär BMI 9538 C Tagesordnungspunkt 21: Überweisungen im vereinfachten Ver- fahren a) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu den Übereinkommen vom 19. Dezember 1996 über den Bei- tritt des Königreichs Dänemark, der Republik Finnland und des König- reichs Schweden zum Schengener Durchführungsübereinkommen und zu dem Übereinkommen vom 18. Mai 1999 über die Assoziierung der Re- publik Island und des Königreichs Norwegen (Drucksache 14/3247) . . . . . . . . . . . . . 9540 A b) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Investiti- onszulagengesetzes 1999 (Drucksache 14/3273) . . . . . . . . . . . . . 9540 B c) Erste Beratung des von den Abgeordne- ten Dr. Klaus Grehn, Dr. Ruth Fuchs, weiterer Abgeordneter und der Fraktion PDS eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (Viertes SGB III-Än- derungsgesetz) (Drucksache 14/3044) . . . . . . . . . . . . . 9540 B d) Antrag der Abgeordneten Eva-Maria Bulling-Schröter, Rosel Neuhäuser, weiterer Abgeordneter und der Fraktion PDS: Ressourcenverbrauch der Bun- desrepublik Deutschland statistisch besser abbilden (Drucksache 14/2654) . . . . . . . . . . . . . 9540 C e) Antrag der Abgeordneten Heidemarie Ehlert, Dr. Barbara Höll, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion PDS: Übergangsregelungen bei der Ein- führung des Kapitalgesellschaften- und Co-Richtlinie-Gesetz (Drucksache 14/3078) . . . . . . . . . . . . . 9540 C f) Antrag der Abgeordneten Dr. Evelyn Kenzler, Roland Claus, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion PDS: Zeit- weilige Aussetzung der Möglichkeit zur Erhöhung der Nutzungsentgelte (Drucksache 14/3121) . . . . . . . . . . . . . 9540 D Tagesordnungspunkt 22: Abschließende Beratungen ohne Aus- sprache a) Zweite Beratung und Schlussabstim- mung des von der Bundesregierung ein- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 25. August 1998 zwi- schen der Bundesrepublik Deutsch- land und den Vereinigten Mexikani- schen Staaten überdie Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapital- anlagen (Drucksachen 14/2422;14/3129) . . . . 9541 A b) Zweite Beratung und Schlussabstim- mung des von der Bundesregierung ein- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 5. November 1998 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Antigua und Barbu- da über die Förderung und den gegen- seitigen Schutz von Kapitalanlagen (Drucksachen 14/2423; 14/3130) . . . . 9541 A c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Tech- nologie zu dem Antrag der Abgeordne- ten Wolfgang Börnsen (Bönstrup), Dietrich Austermann, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion CDU/CSU: Wirtschaftlicher Ausgleich und Übergangsregelung für Duty-free (Drucksachen 14/1206, 14/2103) . . . . 9541 B d) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Tech- nologie zu dem Antrag der Abgeordne- ten Gunnar Uldall, Kurt-Dieter Grill, weiterer Abgeordneter und der Fraktion CDU/CSU: Vorlage des Berichts zum Stromeinspeisungsgesetz (Drucksachen 14/2239, 14/2837) . . . . 9541 B Zusatztagesordnungspunkt 5: Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäfts- ordnung: Antrag auf Genehmigung zum Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2000II Vollzug gerichtlicher Durchsuchung- und Beschlagnahmebeschlüsse (Drucksache 14/3338) . . . . . . . . . . . . . . . . 9541 C Zusatztagesordnungspunkt 2: Aktuelle Stunde betr. Haltung der Bun- desregierung zur Erhöhung der Sicher- heit im Internet vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit dem „I LOVE YOU“-Virus Ute Vogt (Pforzheim) SPD . . . . . . . . . . . . . . 9541 D Sylvia Bonitz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 9542 C Grietje Bettin BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 9543 D Hans-Joachim Otto (Frankfurt) F.D.P. . . . . . 9545 A Angela Marquardt PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 9546 A Hubertus Heil SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9547 A Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn) CDU/CSU . 9548 A Matthias Berninger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9549 A Dieter Wiefelspütz SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 9550 C Elmar Müller (Kirchheim) CDU/CSU . . . . . 9551 D Siegmar Mosdorf, Parl. Staatssekretär BMWi 9552 D Alfred Hartenbach SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 9554 D Norbert Geis CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 9555 D Otto Schily, Bundesminister BMI . . . . . . . . . 9556 C Jörg Tauss SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9558 C Tagesordnungspunkt 6: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung von Vor- schriften über die Tätigkeit der Steuer- berater (Drucksachen 14/2667; 14 3282) . . . . . . . 9559 D Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9560 A Dr. Ilja Seifert PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 9561 C Hansgeorg Hauser (Rednitzhembach) CDU/ CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9563 A Christine Scheel BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 9565 B Dr. Ilja Seifert PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 9565 D Gerhard Schüßler F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . 9566 C Heidemarie Ehlert PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 9567 C Lydia Westrich SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9568 B Dr. Ilja Seifert PDS (Erklärung nach § 31 GO) 9570 C Tagesordnungspunkt 7: Antrag der Abgeordneten Norbert Hauser (Bonn), Norbert Röttgen, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion CDU/CSU: Si- cherung der außeruniversitären inter- disziplinären Grundlagenforschung in der Informations- und Kommunikati- onstechnik (Drucksache 14/3097) . . . . . . . . . . . . . . . . 9571 A Norbert Hauser (Bonn) CDU/CSU . . . . . . . . 9571 A Stephan Hilsberg SPD . . . . . . . . . . . . . . . 9572 A Wolf-Michael Catenhusen, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9573 A Norbert Hauser (Bonn) CDU/CSU . . . . . 9573 D Cornelia Pieper F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9575 C Hans-Josef Fell BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 9576 D Maritta Böttcher PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9578 B Jörg Tauss SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9579 B Steffen Kampeter CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 9581 A Tagesordnungspunkt 8: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zu dem Antrag der Abgeordneten Ursula Burchardt, Jörg Tauss, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion SPD sowie der Abgeordneten Hans- Josef Fell, Matthias Berninger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Strategie für eine Nachhaltige Informationstechnik (Drucksachen 14/2390, 14/2814) . . . . . . . 9582 C Ursula Burchardt SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9582 D Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn) CDU/CSU 9585 B Winfried Hermann BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9586 C Cornelia Pieper F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9588 A Angela Marquardt PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 9588 D Jürgen Koppelin F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . 9589 A Jörg Tauss SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9589 D Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) CDU/CSU . 9591 A Tagesordnungspunkt 9: a) Erste Beratung des von den Abgeord- neten Dr. Dieter Thomae, Detlef Parr, weiteren Abgeordneten und der Frakti- on F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Sicherung einer ange- messenen Vergütung psychothera- peutischer Leistungen im Rahmen dergesetzlichen Krankenversicherung (Drucksache 14/3086) . . . . . . . . . . . . . 9592 C Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2000 III b) Antrag der Abgeordneten Dr. Ruth Fuchs, Dr. Ilja Seifert, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion PDS: Exis- tenzsichernde Vergütung der psycho- therapeutischen Versorgung gewähr- leisten (Drucksache 14/2929) ... . . . . . . . . . . . 9593 A Dr. Dieter Thomae F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . 9593 A Helga Kühn-Mengel SPD . . . . . . . . . . . . . . . 9594 B Aribert Wolf CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 9596 D Horst Schmidbauer (Nürnberg) SPD . . . . . . 9600 A Aribert Wolf CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 9600 D Katrin Dagmar Göring-Eckardt BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9601 B Dr. Ruth Fuchs PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9602 D Gudrun Schaich-Walch SPD . . . . . . . . . . . . . 9604 A Aribert Wolf CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 9604 D Gudrun Schaich-Walch SPD . . . . . . . . . . . . . 9605 A Tagesordnungspunkt 10: Antrag der Abgeordneten Ernst Küchler, Dr. Ernst Dieter Rossmann, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion SPD sowie der Abgeordneten Matthias Berninger, Ekin Deligöz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Lebensbegleitendes Lernen für alle – Weiterbildung ausbauen und stärken (Drucksache 14/3127) . . . . . . . . . . . . . . . . 9605 C Ernst Küchler SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9605 D Werner Lensing CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 9608 A Matthias Berninger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9610 A Cornelia Pieper F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9611 C Maritta Böttcher PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9612 D Wolf-Michael Catenhusen, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9613 D Werner Lensing CDU/CSU . . . . . . . . . . . 9614 C Ina Lenke F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9615 C Heinz Wiese (Ehingen) CDU/CSU . . . . . . . . 9616 A Tagesordnungspunkt 11: Antrag der Abgeordneten Dr. Norbert Lammert, Bernd Neumann (Bremen), wei- terer Abgeordneter und der Fraktion CDU/CSU: Hauptstadtkulturförderung (Drucksache 14/3182) . . . . . . . . . . . . . . . . 9617 C Dr. Norbert Lammert CDU/CSU . . . . . . . . . 9617 D Dr. Michael Naumann, Staatsminister BK . . . 9619 C Franziska Eichstädt-Bohlig BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9622 A Dr. Günter Rexrodt F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . 9624 A Dr. Heinrich Fink PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9625 B Eckhardt Barthel (Berlin) SPD . . . . . . . . . . . 9626 B Steffen Kampeter CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 9628 B Dr. Christian Stölzl, Senator (Berlin) . . . . . . . 9630 A Tagesordnungspunkt 12: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- wärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Fraktionen SPD, CDU/CSU, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und F.D.P.: Die Rolle der Interparlamentarischen Union (IPU) im Zeitalter der Globalisierung (Drucksachen 14/1567, 14/2951) . . . . . . . 9631 A Tagesordnungspunkt 13: Antrag der Abgeordneten Dr. Ilja Seifert, Eva-Maria Bulling-Schröter, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion PDS: Bundes- stiftung „Entschädigung für NS-Un- recht“ gründen und Entschädigung von NS-Opfern der Zwangssterilisation und der Euthanasie in die Wege leiten (Drucksache 14/2298) . . . . . . . . . . . . . . . . 9631 C Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9631 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 9633 A Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zur Be- schlussempfehlung: Die Rolle der Interparlamentarischen Union (IPU) im Zeitalter der Globalisierung (Tagesord- nungspunkt 12) Dieter Schloten SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9633 C Dr. Rita Süssmuth CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 9635 C Dr. Angelika Köster-Loßack BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9636 B Ulrich Irmer F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9636 D Petra Bläss PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9637 B Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Bundesstiftung „ Entschädigung Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2000IV für NS-Unrecht“ gründen und Entschädi- gung von NS-Opfern der Zwangssterilisation und der Euthanasie in die Wege leiten (Tages- ordnungspunkt 13) Bernd Reuter SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9638 A Martin Hohmann CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 9638 D Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 9639 D Dr. Max Stadler F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9640 C Dr. Ilja Seifert PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9641 B Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2000 V Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2000
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    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2000 Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms 9631 (C)(A) 1 Anlage 2 2 Anlage 3 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2000 9633 (C) (D) Altmaier, Peter CDU/CSU 11.05.2000 Dr. Blank, CDU/CSU 11.05.2000 Joseph-Theodor Carstensen (Nordstrand), CDU/CSU 11.05.2000 Peter H. Dreßler, Rudolf SPD 11.05.2000 Dr. Dückert, Thea BÜNDNIS 90/ 11.05.2000 DIE GRÜNEN Dr. Eid, Uschi BÜNDNIS 90/ 11.05.2000 DIE GRÜNEN Flach, Ulrike F.D.P. 11.05.2000 Gebhardt, Fred PDS 11.05.2000 Dr. Hornhues, CDU/CSU 11.05.2000 Karl-Heinz Dr. Hoyer, Werner F.D.P. 11.05.2000 Imhof, Barbara SPD 11.05.2000 Dr. Kahl, Harald CDU/CSU 11.05.2000 Klinkert, Ulrich CDU/CSU 11.05.2000 Moosbauer, Christoph SPD 11.05.2000 Müller (Berlin), PDS 11.05.2000 Manfred Neuhäuser, Rosel PDS 11.05.2000 Nickels, Christa BÜNDNIS 90/ 11.05.2000 DIE GRÜNEN Ohl, Eckhard SPD 11.05.2000 Dr. Rüttgers, Jürgen CDU/CSU 11.05.2000 Schmitz (Baesweiler), CDU/CSU 11.05.2000 Hans Peter Dr. Waigel, Theodor CDU/CSU 11.05.2000 Wiesehügel, Klaus SPD 11.05.2000 Wolf (Frankfurt), BÜNDNIS 90/ 11.05.2000 Margareta DIE GRÜNEN Zierer, Benno CDU/CSU 11.05.2000* Dr. Zöpel, Christoph SPD 11.05.2000 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versamm- lung des Europarates entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten (A) (B) Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung: Die Rolle der Interparlamentarischen Union (IPU) im Zeitalter der Globalisierung (Tagesordnungs- punkt 12) Dieter Schloten (SPD):Ich möchte die Gelegenheit nutzen, bei einem Antrag zur Rolle der IPU im Zeitalter der Globalisierung, der in den Gremien des Deutschen Bundestages unstrittig ist, über die soeben in der jordani- schen Hauptstadt Amman beendete 103. Interparlamenta- rische Konferenz zu berichten. Sie hat die Bedeutung der IPU als der einzigen weltweiten, 139 Parlamente umfas- senden Organisation nachhaltig unterstrichen. Wenn mehr als 700 Parlamentarier, 600 weitere Delegierte und Sach- verständige sowie Vertreter zahlreicher internationaler Organisationen zusammentreffen, hat dies Auswirkungen auf die politische, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Gestaltungsmöglichkeit in einer immer schneller zusam- menwachsenden Welt. Zugleich ist die IPU ein Forum in- ternationaler Kontakte. So hat die deutsche Delegation in Amman intensive Gespräche geführt mit Delegationen aus: Äthiopien, Indien, Israel, Jordanien, Libyen, Ma- rokko, Mexiko, Palästina, Tunesien und Uruguay. Die 103. Interparlamentarische Konferenz hat sich mit drei wichtigen Themenbereichen befasst, deren Ergeb- nisse nunmehr weltweit von den Parlamenten den Regie- rungen zugeleitet werden. Die Regierungen sind auf- gefordert, die erforderlichen Maßnahmen umzusetzen. Natürlich ist die Erfüllung einer interparlamentarischen Verpflichtung nicht in allen Ländern gleichgewichtig ge- währleistet. Gleichwohl wird und muss die Botschaft ei- ner im Konsenswege oder mit großer Mehrheit angenom- menen Resolution aufgegriffen und umgesetzt werden. Als Beispiel möchte ich die Frage der palästinensischen Flüchtlinge nennen. Über dieses Thema, auf das ich spä- ter näher eingehen werde, haben wir in Amman tagelang kontrovers diskutiert. Gewiss wird es Gegenstand heftiger Debatten in den Parlamenten der arabischen Staaten und in der Knesset sein. Die Konferenz in Amman befasste sich mit zwei or- dentlichen Tagesordnungspunkten und einem Zusatzta- gesordnungspunkt. „Frieden, Stabilität und umfassende Entwicklung in der Welt zu erreichen mit dem Ziel, engere politische, wirtschaftliche und kulturelle Bindungen zwischen den Völkern“ zu schaffen, hieß der erste Tagesordnungspunkt. Er war weitgehend unumstritten. Schwieriger gestalteten sich die Diskussionen um den zweiten Tagesordnungspunkt: „Dialog zwischen Zivilisa- tionen und Kulturen“. Es war bereits vor einem Jahr in Brüssel gemeinsam von der deutschen und der iranischen Delegation für die Konferenz in Amman vorgeschlagen worden. Hierbei hatte die deutsche Delegation unter Fe- derführung der Kollegin Monika Griefahn gemeinsam mit Frau Professor Süssmuth ausgezeichnete Vorarbeit geleistet, sodass der deutsche Entwurf zur Grundlage für die Diskussion im Redaktionsausschuss wurde. Leider konnte Frau Professor Süssmuth wegen einer Erkrankung nicht an der Konferenz in Amman teilnehmen. Frau Griefahn hat in Kooperation mit unseren britischen Kol- leginnen und Kollegen, die ihren Entwurf zugunsten des deutschen zurückgestellt haben, durch geschicktes Ver- handeln die wesentlichen Ziele unseres Entwurfes erfolg- reich durchsetzen können, nämlich kulturelle Vielfalt, kulturelle Bereicherung und eine weltweite Zivilgesell- schaft. Die einstimmige Beschlussfassung in Ausschuss und Versammlung hat schließlich – trotz vorheriger Ein- wände einiger Staaten – sogar dazu geführt, dass die Kon- ferenz den Vorrang der Achtung der Menschenrechte vor kulturellen Traditionen und Dogmen anerkannt hat. In einem Zusatztagesordnungspunkt befasste sich die Konferenz mit der „Rolle von Parlamenten, das Recht der durch Krieg und Besatzung betroffenen Flüchtlinge und Vertriebenen sowie ihre Repatriierung zu unterstüt- zen sowie die internationale Zusammenarbeit bei Ent- wicklung und Anwendung von Strategien zu vertiefen, die darauf ausgerichtet sind, kriminelle Aktivitäten des Menschenhandels zu bekämpfen“. Dieser Tagesord- nungspunkt war aufgrund der Situation der Flüchtlinge im Nahen Osten, insbesondere in Jordanien selbst, das 1,4 Millionen palästinensische Flüchtlinge beherbergt, der umstrittenste Punkt. Dennoch war die Zusammenarbeit zwischen den Delegierten gekennzeichnet durch Ver- ständnis, gegenseitige Rücksichtnahme und insbesondere Offenheit gegenüber den Argumenten anderer. Ein Kom- promiss musste gefunden werden. In diesem Tagesord- nungspunkt wurde nämlich nicht nur die Berücksichti- gung des Flüchtlingsproblems im Nahen Osten, sondern in allen Teilen der Welt gefordert, zum Beispiel auf dem Balkan, im Kaukasus und in Teilen Afrikas. Für die Zu- stimmung sollte jedoch die gesamte arabische Welt ge- wonnen werden. Nachdem es den arabischen Kollegen gelungen war, im politischen Ausschuss eine etwas ra- dikale Lösungsformulierung durchzusetzen, lautet der Kompromissvorschlag, den ich gemeinsam mit dem Parlamentspräsidenten Jordaniens, der zugleich Konfe- renzpräsident war, gefunden habe, folgendermaßen: Die 103. Interparlamentarische Konferenz bekun- det – ohne die Flüchtlingsprobleme in anderen Tei- len der Welt aus dem Auge zu verlieren – ihre nach- drückliche Unterstützung für alle Bemühungen um einen gerechten, dauerhaften und umfassenden Frie- den im Nahen Osten, einschließlich des Rechts der palästinensischen Flüchtlinge auf Rückkehr im Ein- klang mit der VN Resolution 194, dem in der Kon- ferenz in Madrid festgelegten Grundsatz Land für Frieden, und die Durchführung der Resolutionen des Sicherheitsrates 242, 338 und 425 und des Vertrages von Oslo. In dieser Kompromissformulierung, die nach einigem Zögern zunächst von dem palästinensischen Delegations- leiter und dann auch von sämtlichen arabischen Delega- tionen unterstützt wurde, sehe ich einen Erfolg, sowohl für die Lage der Flüchtlinge als auch für die Ernsthaftig- keit, bei schwierigen Problemstellungen in der IPU eine positive Zusammenarbeit sicherzustellen. Der Wermuts- tropfen war, dass sich die israelische Delegation in diesem Punkte nicht in der Lage sah, einen Schritt nach vorne zu tun. Obwohl ich die israelischen Delegierten ständig über den Gang der Verhandlungen informiert habe, behaupte- ten sie in der Konferenz, sie seien nicht involviert gewe- sen und lehnten von vornherein jeden Kompromiss ab. Andererseits war diese Entwicklung wichtig für die guten deutsch-arabischen Beziehungen. Ich möchte an dieser Stelle ein Wort des Dankes an unseren Botschafter in Am- man, Herrn Dr. Martin Schneller, richten, der die deutsche Delegation während der gesamten Zeit unterstützt hat, so- wie an die anwesenden Mitarbeiter des Auswärtigen Am- tes und des Bundestages für die große Unterstützung, die sie der Delegation und insbesondere mir als ihrem Leiter gewährt haben. Erwähnen möchte ich auch die Breite des Spektrums wichtiger Konferenzbereiche, bei denen die IPU entspre- chend ihrer Zielsetzung nach friedlicher Zusammenarbeit in immer stärkerem Maße tätig wird. Lassen Sie mich bei- spielhaft folgende Problemfelder anführen, die kontinu- ierlich und mit großem Sachverstand und hohem Engage- ment bearbeitet werden: Der Ausschuss für die Menschenrechte von Parlamen- tariern befasst sich mit der Verletzung der Menschen- rechte demokratisch gewählter Kolleginnen und Kolle- gen, deren Schicksal uns nicht gleichgültig sein darf. Un- sere Aufgabe ist es, sowohl bei Besuchen in den betroffenen Ländern als auch als Gastgeber von Parla- mentsdelegationen aus diesen Ländern alles zu tun, um ih- nen die Ausübung ihres Mandats auf den Grundlagen des Rechtsstaates zu ermöglichen. Als Beispiele möchte ich erstens den Präsidentschaftskandidaten der RPG bei den letzten Präsidentschaftswahlen in Guinea, Herrn Alpha Condé, nennen. Er befindet sich seit Oktober letzten Jah- res ohne stichhaltige Begründung im Gefängnis. Ich würde mich freuen, wenn es wegen der guten Kontakte zwischen Deutschland und Frankreich auf Regierungs- ebene gelänge, den französischen Präsidenten dazu zu be- wegen, seinen Einfluss beim Präsidenten Guineas geltend zu machen, um Herrn Condé wieder zur Freiheit zu ver- helfen. Zweitens möchte ich das Beispiel Burma bzw. Myan- mar anführen, wo nach wie vor zwischen 20 und 30 frei gewählte Abgeordnete seit Jahren im Gefängnis sitzen. Mit der Unterstützung von lateinamerikanischen Delega- tionen ist es mir gelungen, am letzten Tag der Konferenz das Thema „Menschenrechtsverletzungen an Parlamenta- riern“ zum Konferenzthema für die nächste IPU Konfe- renz in Jakarta im Oktober dieses Jahres zu machen. Erwähnen möchte ich auch die Gruppe, die sich mit der Gleichstellung der Geschlechter befasst. Sie bemüht sich intensiv und erfolgreich darum, die Rolle der Frau und der Parlamentarierinnen weiter voranzubringen. Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, dass der Deutsche Bundestag diesen Auftrag vorbildlich er- füllt. Die achtköpfige Delegation des Deutschen Bundes- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 20009634 (C) (D) (A) (B) tages bei der Konferenz in Amman bestand aus fünf Frauen und drei Männern. Der Ausschuss für Nahostfragen ist ein weiteres wich- tiges Gremium, und ich freue mich, dass unsere Kollegin Frau Dr. Angelika Köster-Loßack als neues Mitglied in diesen ständigen Ausschuss gewählt wurde. Abschließend möchte ich noch zwei Punkte erwähnen. Sie beinhalten das Verhältnis zwischen der IPU und den Vereinten Nationen sowie die wachsende Bedeutung der Gruppe der Zwölf Plus in der IPU. Zum Ersten. In einer Studie des Generalsekretärs zur Reform der IPU ist der Vorschlag unterbreitet worden, die Zusammenarbeit mit den VN zu verstärken und der IPU die Rolle einer parlamentarischen Dimension der VN zu verleihen. Die bevorstehende Millenniumskonferenz aller Parlamentspräsidenten der Welt in New York vom 30. Au- gust bis 1. September 2000 sowie der jährliche Zusam- mentritt von Parlamentariern aus aller Welt während der Generalversammlung weisen in diese für die IPU so wich- tige Richtung. Wir alle sollten ein hohes Interesse daran haben, den Vereinten Nationen eine parlamentarische Di- mension zur Seite zu stellen, deren Kontrollfähigkeiten neben den VN auch andere internationale Organisationen umfassen. Seattle und Washington, das heißt die Tagun- gen von WTO und IMF, haben deutlich die Notwendig- keit gezeigt, die parlamentarische Dimension auch hier einzubringen. Konkrete Vorschläge werden zurzeit von deutscher Seite sowie von anderen Delegationen erarbei- tet. Wir wollen versuchen, diese Entwürfe in Jakarta zu einem gemeinsamen Vorschlag zu bündeln. Zum Zweiten. Die Bedeutung der vor 25 Jahren durch unseren damaligen Kollegen Dr. Klaus von Dohnanyi, Georg Kliesing und Dr. Uwe Holtz gegründeten geopoli- tischen Gruppe der Zwölf Plus – das sind die Mitglieder des Europarates ohne ehemalige GUS-Staaten sowie Aus- tralien, Kanada, Neuseeland und USA–, deren Vorsitzen- der ich seit 1998 bin, nimmt ständig an Gewicht zu. Diese Gruppe, etwa einer Fraktion vergleichbar, ist der Motor der Demokratisierung in der IPU. Insgesamt gehören die- ser Gruppe nunmehr 43 Mitgliedsländer sowie drei Beob- achter-Delegationen aus dem Europäischen Parlament, der Parlamentarischen Versammlung des Europarates so- wie der Knesset an. Wir unterhalten intensive Beziehun- gen zu den übrigen sechs geopolitischen Gruppen in der IPU. Mit der Gruppe Lateinamerikas haben wir in Amman vereinbart, gemeinsam eine Arbeitsgruppe zur Reform der IPU einzurichten. Auf der Millenniumskonferenz in New York soll die inhaltliche Abstimmung abschließend erfolgen. Ich freue mich in diesem Zusammenhang darüber, dass der Bun- destagspräsident an der Millenniumskonferenz teilneh- men wird. Seine Anwesenheit wird dazu beitragen, die parlamentarische Dimension der VN auf einen weiteren erfolgreichen Weg zu bringen. Die 103. IPU Konferenz in Amman hat gezeigt, dass parlamentarische Diplomatie nicht gegen, sondern in Er- gänzung zur Außenpolitik der Regierungen einen Beitrag zu Frieden und Demokratie in unserer Welt leisten kann, für die wir gemeinsam Verantwortung tragen. Dr. Rita Süssmuth (CDU/CSU): Die IPU hat sich im 20. Jahrhundert von einer kleinen Vereinigung zu einer weltweiten Parlamentarierversammlung ent- wickelt mit Parlamentariern und Parlamentarierin- nen aus 138 Mitgliedstaaten. Sie ist ein parlamentari- sches Forum, das wie kein anderes Demokratie, Rechts- staatlichkeit und Frieden fördert. Dort begegnen sich unterschiedliche politische Systeme und Kulturen, arme und reiche Kontinente. Dort kommen Krieg und Frieden, Flüchtlings- und Armutsprobleme, Weltwirtschaftsord- nung, gerechte Teilhabe an Entwicklung zur Sprache. Auf Initiative der deutschen Delegation, es war damals Dr. Klaus von Dohnanyi, wurde in der IPU die Gruppe der 12 mit Mitgliedern des Europarats gebildet. Die Präsi- dentschaft von Hans Stercken (1985–1988) und sein Wir- ken für die IPU sind unvergessen. Die Parlamentarier der Bundesrepublik Deutschland haben stets einen sehr akti- ven Part in der IPU gespielt, Themenvorschläge für das Plenum sowie Resolutionen eingebracht. Parlamentarier unterschiedlicher politischer Systeme, mit geringerer und voller Demokratieentwicklung disku- tieren zu Themen wie dem Krieg auf dem Balkan, eine neue gerechtere Weltwirtschafts- und Handelsordnung, friedliche Lösung von Konflikten, Dialog der Kulturen. Es ist ein parlamentarisches Forum, das den Austausch gemeinsamer und höchst gegensätzlicher Positionen an- strebt. Ich kenne keine Institution, die in vergleichbarer Weise für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und gewaltlose, fried- liche Konfliktlösungen eintritt. Delegationen der Mit- gliedstaaten zeigen, dass freie Rede, mit Pro und Contra in der Debatte, Einübung und Einhaltung parlamentari- scher Regeln im Plenum und in den Ausschüssen sowie im Umgang miteinander Chancen für die Demokratie sind, die gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kön- nen. Es treffen sich Parlamentarier aus allen Kontinenten, aus unterschiedlichen Kulturen, mit sehr unterschiedli- chen Entwicklungsbedingungen und Entwicklungsni- veaus, Länder und Kulturen, die Partnerschaft und Gleichbehandlung wollen, die um Anerkennung werben und Klage führen über Diskriminierung, Benachteiligung und Ausgrenzung. Regionen mit anhaltenden militäri- schen Auseinandersetzungen und Bürgerkriegen, Flücht- lings- und Armutsproblemen begegnen Parlamentariern aus friedlichen Regionen, armen und reichen. Parlamentarische Aufgaben sind wechselseitiges Ver- stehen und Verständigung, Erörterung der Probleme in Rede und Gegenrede, Achtung der jeweils anderen Kul- turen, auch Verständigung darüber, welche Werte und Normen gelten bzw. gelten sollen. Wollen wir den „Kampf der Kulturen“ vermeiden, soll an die Stelle der Konfrontation ein kooperatives Miteinander treten, dann ist es unabdingbar, kulturelle Gemeinsamkeiten und Un- terschiede in persönlicher Begegnung zu erörtern und auf diese Weise wechselseitige Kenntnis, Achtung und Ver- trauen aufzubauen. Kontroversen haben klärende und annähernde Funktion. Auf der Brüsseler IPU-Tagung 1999 wurde mit großer Heftigkeit die Intervention der NATO im Kosovo disku- tiert, um die massive Verletzung von Menschenrechten Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2000 9635 (C) (D) (A) (B) und den brutalen Einsatz von Gewalt zu beenden. Die IPU ist ein parlamentarisches Forum, das Gelegenheit gibt, politische Entscheidungen zu erklären, sie zu begründen, sich der Kritik argumentativ zu stellen. Dabei ging es in dieser Auseinandersetzung nicht nur um die gegenwärtige und zukünftige Rolle der UNO, sondern auch um die Frage, ob Menschenrechtsfragen nur in bestimmten Tei- len der Welt oder überall in der Welt gleiche Unterstüt- zung erfahren und welche Rolle dabei die UNO in Zu- kunft haben wird. Begegnung und Austausch finden nicht nur im Plenum und in den Ausschüssen, sondern auch in vielen informel- len Kontakten statt. Die werden von den Delegationen auch gesucht, und zwar aus allen Teilen der Welt: aus der lateinamerikanischen, afrikanischen, asiatischen und ara- bischen Welt. Lassen Sie mich abschließend zu einem für die IPU wichtigen Anliegen kommen, nämlich die Zusammenar- beit zwischen IPU und UNO. Die IPU fordert die An- wendung demokratischer Prinzipien auch auf die interna- tionalen Beziehungen sowie weltweit operierende Orga- nisationen wie zum Beispiel die UNO. Ziel ist es, die IPU zur parlamentarischen Dimension der Vereinten Nationen zu machen. Im Sommer dieses Jahres werden die Präsidenten der IPU-Mitgliedsparla- mente bei den Vereinten Nationen zu einer Konferenz zu- sammenkommen, ein wichtiges Zeichen für die parla- mentarische Dimension dieser Organisation. Damit die in der IPU geleistete Arbeit in ihrer politi- schen Wirksamkeit erhöht wird, fordert der Deutsche Bundestag die Bundesregierung auf, die von der IPU ver- abschiedeten Resolutionen nicht nur in der Bundesrepu- blik Deutschland, sondern auch in internationalen Gre- mien und Institutionen zu implementieren, in denen Deutschland Mitglied ist. Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte weltweit zum Erfolg zu bringen, das ist eine begeisternde und lohnende Aufgabe. Dr. Angelika Köster-Loßack (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die 103. Interparlamentarische Konferenz in Amman fällte wichtige Entscheidungen zu drei Themen- schwerpunkten. „Frieden, Stabilität und umfassende Ent- wicklung in der Welt zu erreichen mit dem Ziel, engere politische, wirtschaftliche und kulturelle Bindungen zwi- schen den Völkern zu schaffen“, war ein zielorientiertes Thema. Auf der Ebene weitgehender Abstraktion von konkreten Situationen gab es zu diesem Punkt keine größeren Auseinandersetzungen. Diese entstanden beim zweiten Tagesordnungspunkt über den Dialog zwischen Zivilisationen und Kulturen, den gemeinsam von Deutschland und dem Iran einge- reichten Vorschlag. Es gelang jedoch, bei der Schlussab- stimmung die universelle Gültigkeit der Menschenrechte und ihre Achtung vor jeglicher Relativierung durch kultu- relle Traditionen festzuschreiben. Die Auseinandersetzungen fanden einen schmerzli- chen Höhepunkt bei der Diskussion zum Thema „Rolle von Parlamenten, das Recht der durch Krieg und Besat- zung betroffenen Flüchtlinge und Vertriebenen sowie ihre Repatriierung zu unterstützen sowie die internationale Zusammenarbeit bei Entwicklung und Anwendung von Strategien zu vertiefen, die darauf ausgerichtet sind, kri- minelle Aktivitäten des Menschenhandels zu bekämp- fen.“ Dieser Zusatztagesordnungspunkt wurde zum Objekt der Auseinandersetzung zwischen den am nahöstlichen Friedensprozess beteiligten Vertretern. Ein durch das Re- daktionskomitee verhandelter Kompromissvorschlag, der auch die Zustimmung der israelischen Delegation gefun- den hatte, wurde auf der nächsten Ebene der Beschluss- fassung wieder verworfen. In dieser neuen Fassung war, auf Betreiben insbesondere der palästinensischen Beob- achterdelegation, jeglicher Hinweis auf Flüchtlingssitua- tionen in der Welt gestrichen worden. Dem Einsatz des Kollegen Dieter Schloten ist es zu verdanken, dass in der abschließenden Plenarsitzung ein Kompromissvorschlag verabschiedet werden konnte. Leider hat die israelische Delegation diesen Vorschlag nicht mehr mittragen kön- nen. Wir werden versuchen, dass solche Konfliktsituatio- nen in Zukunft bei den Vorbereitungsverhandlungen ge- klärt werden können. Eine sehr produktive und konsensorientierte Debatte fand unter den Parlamentarierinnen in eigenständigen Sit- zungen statt. Die IPU, insbesondere ihre Frauenpolitike- rinnen, hat sich seit der Verabschiedung der Aktionsplatt- form von Beijing im Jahre 1995 unablässig darum bemüht, diese Forderungen den Parlamenten in aller Welt nahe zu bringen. Zu diesem Zweck wurde eine Dokumentation erstellt, die eine generelle Bestandsaufnahme der Entwicklung weiblicher politischer Partizipation in aller Welt zusam- mengefasst. Untersucht wurde auf der Basis der bei den VN eingegangenen Regierungsberichten die Repräsen- tanz von Frauen in nationalen Parlamenten, politischen Parteien, Regierungen und der IPU selbst. Angesichts der fünf Jahre nach der Weltfrauenkonfe- renz noch immer mächtigen Widerstände gegen die Um- setzung der Forderungen von Beijing wünsche ich der von der IPU geplanten Sitzung bei den Vereinten Nationen in New York den für Frauen in aller Welt so notwendigen Er- folg bei der Überzeugungsarbeit. Ulrich Irmer (F.D.P.): Fragt man den statistischen Durchschnittsbürger, welche Stichworte ihm zum Thema der Globalisierung einfallen, so wird er wahrscheinlich antworten: Internet, Welthandel, Unternehmenszusam- menschlüsse, Auslandsinvestitionen, Standortvorteile und Arbeitsplätze. Der ungehinderte Austausch von Wa- ren, Dienstleistungen und Informationen ist jedoch nur eine Seite der Globalisierung. Ebenso wichtig ist die welt- weite Durchsetzung demokratischer Werte. In den zehn Jahren nach dem Zerfall des Sowjetimpe- riums ist die Globalisierung der Demokratie so weit fort- geschritten, dass nur noch einige wenige bornierte Des- poten vom Schlage des Kim Jong Il oder des Fidel Castro ernsthaft meinen, sie könnten die politische Weltkugel Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 20009636 (C) (D) (A) (B) aufhalten. Aber selbst diese Dinosaurier nehmen für sich in Anspruch, Demokraten zu sein. Demokratie und Men- schenrechte sind heute zur Ordre public der Weltinnenpo- litik geworden. Demokratie ist eine ansteckende Gesund- heit, deren wohltuende Erreger inzwischen ganze Konti- nente dauerhaft infiziert haben. Wer hätte etwa vor nur zehn Jahren zu hoffen gewagt, dass ganz Lateinamerika – von der genannten Ausnahme einmal abgesehen – zu Be- ginn des 21. Jahrhunderts demokratisch regiert werden würde? Noch vor wenigen Jahren wurde unter Politikwissen- schaftlern darüber diskutiert, ob es nicht neokoloniales Gehabe sei, den Entwicklungsländern eurozentrische De- mokratievorstellungen überstülpen zu wollen. Heute ha- ben sich faire und freie Wahlen, Gewaltenteilung und de- mokratische Kontrolle als gesellschaftliche Ordnungs- prinzipien fast überall durchgesetzt. Die Einhaltung demokratischer Spielregeln ist zu einer weltweit aner- kannten Voraussetzung für Entwicklungszusammenarbeit geworden. Pompöse Parlamentsgebäude, deren Oppositi- onsbänke verwaist sind und elektronische Abstimmungs- anlagen ohne Nein-Taste, wie unlängst noch auf Reisen in die so genannte Dritte Welt zu bewundern, sind heute kaum noch zu finden. Dass dies so ist, ist vor allem ein Verdienst einer der äl- testen multilateralen Organisationen, der Interparlamen- tarischen Union, die 1889, lange vor Erfindung des Inter- nets, des Fernsehens, des Radios, ja sogar vor Einführung des Telefons, ihren Kampf für die Globalisierung der De- mokratie begonnen hat. Auch wenn nicht immer alle Mit- gliedsparlamente einer strengen demokratischen Über- prüfung standgehalten haben, hat sich doch der mit der IPU verbreitete Demokratiebazillus als sehr reprodukti- onsfreundlich und widerstandsfähig erwiesen. Heute kämpfen fast 140 Mitgliedsländer zusammen mit anderen multilateralen Organisationen für eine vollständige und unwiderrufliche weltweite Durchsetzung von Demokratie und Menschenrechten. So hat die IPU seit 1966 in über 700 Fällen zugunsten von inhaftierten Volksvertretern in- terveniert. Heute leistet die IPU umfassende Demokrati- sierungshilfe in vielen Entwicklungsländern. 112 Jahre nach ihrer Gründung und zu Beginn des neuen Jahrtausends ist die Vision einer demokratischen Welt so greifbar wie nie zuvor. Doch selbst in einer Welt, in der sich Menschenrechte, Demokratie und Marktwirt- schaft durchgesetzt haben, kurz: in einer liberalen Welt, wird die IPU weiterhin wichtige Aufgaben zu erfüllen ha- ben. Die Tätigkeit der Parlamentarischen Versammlungen des Europarates, der NATO oder der OSZE zeigen, dass in einer immer näher zusammenrückenden Welt ein er- heblicher Koordinierungsbedarf zwischen demokrati- schen Volksvertretungen besteht. Vieles, was zu Zeiten der Nationalstaaten der ausschließlichen Regelungskom- petenz nationaler Parlamente vorbehalten war, bedarf im Zeitalter der Globalisierung multilateraler Abstimmung. Hier liegt eine der großen Herausforderungen der IPU als parlamentarisches Gegenstück zu den Vereinten Natio- nen. Petra Bläss (PDS): Die 103. Konferenz der Interpar- lamentarischen Union vergangene Woche in Amman hat gezeigt, wie wichtig der institutionalisierte internationale Dialog der Parlamentarierinnen und Parlamentarier aus aller Welt ist. Der Globalisierungsprozess stellt gerade hier eine wichtige Herausforderung dar. Denn der Hori- zont nationaler Parlamente reicht längst nicht mehr aus, den vor uns stehenden Problemen gerecht zu werden. Es waren zutiefst existenzielle Fragen, die im Mittel- punkt der Debatte standen: das Erreichen von Frieden, Stabilität und einer umfassenden Entwicklung in der Welt und der Aufbau engerer politischer, wirtschaftlicher und kultureller Beziehungen zwischen den Völkern sowie die Förderung des Dialogs zwischen Zivilisation und Kultu- ren. Die Parlamentarierinnen und Parlamentarier plädier- ten unter anderem für eine Stärkung der multilateralen Konfliktbewältigung von Organisationen wie UNO und OSZE und regten die Bildung weiterer regionaler und lo- kaler Zusammenschlüsse zur Konfliktprävention und zur Friedenssicherung an. Unsere Delegation hat der Debatte um den Dialog und den Austausch zwischen Zivilisatio- nen und Kulturen entscheidende Impulse gegeben. Nein, es gibt keine Alternative zum Dialog zwischen den Zivilisationen. Nur der Dialog führt zum friedlichen Zusammenleben der Völker und zur kulturellen Bereiche- rung der Menschen. Noch immer ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass die universell akzeptierten Menschen- rechte Grundlage jeder dialogfähigen Zivilisation und Kultur sein müssen. Die Toleranz gegenüber kulturellen Unterschieden und die Bereitschaft zum Dialog zwischen Kulturen und Zivilisationen dürfen keinen Vorwand für die Verletzung der Menschenrechte liefern. Da ich unmittelbar im Anschluss an die IPU-Konferenz an der Parlamentspräsidentenkonferenz der parlamentari- schen Versammlungen in Europa teilnahm, möchte ich an dieser Stelle auf eine Parallele der Debatten in Amman und Strasbourg aufmerksam machen, zumal sie unsere Arbeit in den nationalen Parlamenten betrifft: Die internationalen Zusammenhänge und Gremien, zu denen die IPU gehört, haben durch ihr stetes Engagement für Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit einen wichtigen Beitrag zur Demokratisierung geleistet. Nun gilt es aber, Wege zu finden, diesen großen Erfah- rungsschatz und seinen reichen Fundus völkerrechtlicher Bestimmungen durch eine verstärkte Rückkopplung zu den nationalen Parlamenten noch besser nutzbar zu ma- chen. Noch laufen zu viele internationale Initiativen ins Leere, werden zu viele in den nationalen Parlamenten nicht ausreichend wahrgenommen. Hinzu kommt, dass Konventionen unratifiziert bleiben, zum Teil auch wegen der Schwerfälligkeit der Entscheidungsverfahren in den Mitgliedstaaten. Der Ratifizierungsstand von Konventio- nen sollte daher Gegenstand regelmäßiger parlamentari- scher Prüfung und Beratung sein. Wir brauchen einen ge- regelten Informationsfluss zwischen den internationalen Zusammenhängen bzw. Organisationen und den nationa- len Parlamenten. Die Parlamentspräsidentinnen und -präsidenten aus 45 Staaten Europas waren sich einig, dass das Engagement für internationale Fragen und auswärtige Politik in den nationalen Parlamenten mehr gefördert und anerkannt werden muss. Es besteht eine Diskrepanz zwischen der Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2000 9637 (C) (D) (A) (B) Internationalisierung der Probleme einerseits und dem Festhalten an einer Art nationaler Kirchturmpolitik ande- rerseits. Zu einer modernen Politik gehört es schließlich auch, dass einmal erarbeitete internationale Grundsätze sowohl für die nationalen Parlamente als auch für Institu- tionen Geltung erlangen müssen, damit die Universalität der Menschenrechte weltweit gewährleistet wird. Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrages: Bundesstiftung „Entschädigung für NS-Unrecht“ gründen und Entschädigung von NS-Opfern der Zwangssteri- lisation und der Euthanasie in die Wege leiten (Tagesordnungspunkt 13) Bernd Reuter (SPD): 55 Jahre nach Ende des Zwei- ten Weltkrieges, ich erinnere an den 8. Mai, stehen auf der Tagesordnung des Deutschen Bundestages wiederholt Themen, die sich mit den furchtbaren Folgen dieses Krie- ges und eines verbrecherischen Regimes beschäftigen. Die Bundesrepublik Deutschland hat in umfangreicher Weise Entschädigung an die Opfer geleistet. Bis Januar 1999 wurden rund 104 Milliarden Mark an Entschädi- gungen auf der Grundlage von gesetzlichen und außerge- setzlichen Regelungen an Opfer auf der ganzen Welt ge- zahlt, dazu kommen nicht bezifferbare sonstige Leistun- gen in Milliardenhöhe nach Regelungen wie dem Gesetz über die Behandlung der Verfolgten des Nationalsozialis- mus in der Sozialversicherung u. Ä. Es wird eingeschätzt, dass in Zukunft für diese Regelungen ein weiterer Fi- nanzbedarf von 20 Milliarden Mark aufzubringen sein wird. Jährlich werden heute 1,5 Milliarden Mark geleis- tet. Wir müssen aber trotz dieses großen finanziellen Auf- wandes feststellen, dass es eine wirkliche Wiedergutma- chung für massenhafte Vernichtung von Leben, für schwerste gesundheitliche Schäden, für Demütigung und tiefste Verletzung der Menschenwürde nicht geben kann. Deshalb erkläre ich hier für die SPD-Fraktion: Die Re- habilitierung und die Verbesserung der Entschädigung für Opfer nationalsozialistischen Unrechts bleibt fortdau- ernde Verpflichtung. So auch nachzulesen in der Koaliti- onsvereinbarung zwischen SPD und Bündnis 90/Die Grü- nen. Und zu diesem Grundsatz stehen wir. Getragen von allen Fraktionen hat der Bundestag am 14. April 2000 das Gesetz zur Errichtung einer Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ zur Entschädi- gung von NS-Zwangsarbeit und weiterem NS-Unrecht behandelt. Diese Bundesstiftung ist ein ganz wichtiger Schritt zur Verbesserung der Entschädigungsleistungen und eine weitere enorme finanzielle Anstrengung des Bundes in Höhe von 5 Milliarden Mark. Ich möchte an dieser Stelle alle deutschen Unternehmen, die sich bisher der Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft verwei- gern, aufrufen, sich ihrer moralischen Verantwortung be- wusst zu werden und sich finanziell zu beteiligen. Eine abwartende Haltung der Unternehmen ist nicht zu tolerie- ren. Im Rahmen der Bundesstiftung werden vorrangig ehe- malige, noch lebende Zwangsarbeiter entschädigt, vor al- lem in den osteuropäischen Ländern, die bisher keinerlei Wiedergutmachung erfahren haben. Darüber hinaus lässt das Gesetz im Rahmen der finanziellen Ausstattung zu, dass durch die Partnerorganisationen Leistungen für sons- tige Personenschäden gewährt werden können, im Rah- men der finanziellen Mittel. Unter diesem Aspekt ist es besonders misslich, dass bei der Mittelverplanung die für diese Fälle zuständige Partnerorganisation, der so ge- nannte „Rest der Welt“, unterdurchschnittlich ausgestattet wurde. Insofern gilt es die Erfahrungen mit der Bundesstiftung abzuwarten. Wir wissen heute noch nicht, zumindest nicht so genau wie bei den anderen Partnerorganisationen, wie viele Anträge an diese noch zu findende Partnerorganisa- tion eingereicht werden. Wir werden im Herbst über diese Erfahrung verfügen und dann müssen wir neu beraten, auch über die im PDS- Antrag genannten „vergessenen Opfer“. Die aber, und das möchte ich ausdrücklich betonen, keine „vergessenen Op- fer“ sind. Die im Antrag angesprochenen Gruppen hatten und haben die Möglichkeit nach dem Bundesentschädi- gungsgesetz oder dem Allgemeinen Kriegsfolgengesetz und dazu erlassenen Härterichtlinien eine Entschädigung zu beantragen und in vielen Fällen auch erhalten. Euthanasie-Geschädigte und Zwangssterilisierte sind in diese Regelungen voll einbezogen worden. Wir werden auch zu reden haben über weitere Opfergruppen, die nach den vorbenannten Regelungen Anträge stellen konnten, das sind zum Beispiel psychiatrisch Verfolgte, Wehr- dienstverweigerer, Wehrkraftzersetzer, Homosexuelle, Asoziale, alles Gruppen, die der Verfolgung durch das NS-Regime unterlagen. Wir müssen uns dabei bemühen, nicht neue Lücken zu- zulassen und Ungerechtigkeiten vermeiden. In den ver- gangenen Jahren ist viel geleistet worden, aber es muss auf den Prüfstand, ob es der Schwere des Schicksals an- gemessen war und ist oder ob es Härten zu vermeiden gibt. Ich muss nochmals sagen, dass es eine wirkliche Wie- dergutmachung nicht geben kann. Und für sehr viele Op- fer kommt jegliche Entschädigung zu spät. Ich versichere Ihnen aber, dass keiner „vergessen“ wird. Die Bundesrepublik hat, anders als die ehemalige DDR, ihre Verantwortung für begangenes NS-Unrecht wahrgenommen und wird es weiter so handhaben. Aller- dings sehe ich nicht so einen großen Nachholbedarf wie den, der im PDS-Antrag gefordert wird. Aus diesen und den vorgenannten Gründen lehnen wir den Antrag ab. Martin Hohmann (CDU/CSU):Die Fraktion der PDS stellt den Antrag, eine Bundesstiftung „Entschädigung für NS-Unrecht“ zu gründen und die Entschädigung von NS- Opfern der Zwangssterilisation und der „Euthanasie“ in die Wege zu leiten. Es erübrigt sich klarzustellen, dass es keinen Dissens in der Verurteilung dieser schrecklichen Verbrechen gegen die Menschlichkeit gibt. Es erübrigt sich festzustellen, dass den Opfern und Angehörigen und Nachkommen der Opfer unser Mitgefühl gilt. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 20009638 (C) (D) (A) (B) Einerseits will die PDS wieselflink sein, andererseits kommt sie zu spät. Natürlich hat auch die PDS die rot- grüne Koalitionsvereinbarung gelesen. Dort steht in der Tat, dass neben der Bundesstiftung „Entschädigung für NS-Zwangsarbeit“ eine weitere Bundesstiftung „Entschä- digung für NS-Unrecht“ für die „vergessenen Opfer“ ein- gerichtet werden soll. Da nun die Verhandlungen und Ar- beiten für die Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ in ein abschließendes Stadium gekommen sind, will die PDS mit der Einbringung des vorliegenden An- trages demonstrativ zeigen: „Wir sind auf der Höhe der Zeit. Wir sind die Ersten, die das neue Thema auf die Ta- gesordnung bringen.“ So viel zur vergeblichen Schnellig- keit der PDS. Warum kommt die PDS gleichzeitig zu spät? Unser Staat, die Bundesrepublik Deutschland, musste nicht durch eine PDS-Initiative auf die Nöte dieser Op- fergruppen hingewiesen werden. Zu der Zeit unserer Re- gierungsverantwortung wurden für die Zwangssterilisier- ten die Sterilisationsentscheide der entsprechenden NS- Sondergerichte aufgehoben. Auch erhalten sie nach Prüfung ihrer Einkommens- und Vermögenslage Entschä- digungszahlungen. Es sind nicht unerhebliche Zahlungen an die Opfer geleistet worden. 5 000 DM an Zwangssteri- lisierte als einmalige Leistung und eine monatliche Bei- hilfe von zurzeit 120 DM. Härteleistungen nach dem All- gemeinen Kriegsfolgengesetz sind bei wirtschaftlicher Notlage zusätzlich möglich. An die „Euthanasie“-Ge- schädigten, also die Nachkommen von „Euthanasie“-Op- fern, können nach den Richtlinien zum Allgemeinen Kriegsfolgengesetz einmalige Beihilfen in Höhe von 5 000 DM bei entsprechenden Einkommensvoraussetzun- gen gezahlt werden. Keineswegs kann also behauptet werden, unser Gemeinwesen habe diese Opfergruppen vergessen. Das erkennt die PDS in der Antragsbegrün- dung sogar selbst an. Sie schreibt nämlich wörtlich, dass die erbrachten Leistungen „Hilfe“ waren. Was ist denn nun der wahre Grund für diese parlamen- tarische Initiative der PDS? Man wird den Eindruck nicht los, die PDS wolle mit ihren Forderungen nach Erhöhung der finanziellen Leistungen an diese Menschen sich in erster Linie selbst darstellen. Darstellen als Anwalt des Humanen, als Freund und Fürsprecher der Menschen, be- sonders von solchen, die Opfer wurden. Wie aber steht es tatsächlich um den humanen Ansatz der PDS? Ziemlich umfangreich geht die PDS in ihrem Antrag auf die Opfer der so genannten Euthanasie ein; in der na- tionalsozialistischen Terminologie Aktion T 4 genannt. Diese sah die Vernichtung von so genanntem lebensun- werten Leben vor. Diesen Ausdruck haben die National- sozialisten einer kleinen, im Jahre 1920 erschienenen Schrift entnommen. Die Autoren waren der Jurist Carl Binding und der Mediziner Alfred Hoche. Der genaue Ti- tel lautet: Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens, die Unterzeile: Ihr Maß und ihre Form. In sehr nüchterner Art sprechen die Autoren Menschen mit schweren angeborenen Schädigungen die Fähigkeit ab, ein vollwertiges Leben führen zu können. Ihr Vorschlag: Diese Menschen durch einen „guten“ Tod (eu thanatos, aus dem Griechischen) von ihrem Leiden und ihrem Le- ben zu erlösen. Zugleich sollte damit die Gesellschaft die Kosten und die Mühen der Pflege einsparen. Welch eine Hybris, welch ein Verstoß gegen das göttliche Gebot: Du sollst nicht töten. Die Angehörigen und die Kirchen wa- ren es, deren Protest diese Mordaktion stoppte. Wenn nun die PDS die Aktion T 4 als verbrecherisch darstellt, müsste sie konsequenterweise die Abtreibung nach eugenischer Indikation bekämpfen. Davon hat man nie etwas gehört. Im Gegenteil, die PDS hat sich immer für eine völlige Freigabe der Abtreibung ausgesprochen. Und so werde ich einfach den Verdacht nicht los, die PDS nutze diesen Vorgang auch um ihr Weltbild zu stützen und zu propagieren. Hinter den Untaten des NS-Regimes lässt sich die hochbelastete Vergangenheit des Kommunismus trefflich verstecken, dessen Erbe und Ausläufer die PDS zweifellos ist. Dazu diente und dient die „antifaschisti- sche Propaganda“. Und es drängt sich der Gedanke auf, dass es für die Glaubwürdigkeit des antitotalitären Konsenses in unserer Gesellschaft gut gewesen wäre, die SED beziehungsweise PDS nach dem Mauerfall zu verbieten. Die juristischen Voraussetzungen waren jedenfalls gegeben. So aber wer- den sich die demokratischen Parteien in diesem Haus noch so manches Mal mit PDS-Anträgen beschäftigen müssen, die aus einer Gemengelage von vordergründig humanem Anlass und beigepackter Propaganda bestehen. Der Vergleich mit dem „I-love-you“-Virus, das dieser Tage schadensträchtig um die Welt ging, hinkt nur wegen der Begrenztheit seiner Wirkdauer. Meine Damen und Herren, wir von der CDU/CSU- Fraktion sind gegen die PDS-Viren immun. Wir lehnen den PDS-Antrag ab. Volker Beck (Bündnis 90/Die Grünen): Die Regie- rungsfraktionen haben – mittlerweile mit Unterstützung aller Fraktionen dieses Hauses – einen Gesetzentwurf für die Stiftung „Erinnerung, Verantwortung, Zukunft“ auf den Weg gebracht. Wir sind darüber sehr froh, denn damit wird unser wichtigstes Versprechen aus der Koalitions- vereinbarung an die Opferverbände umgesetzt. Soweit es sich um im Inland und Ausland lebende NS-Opfer, na- mentlich die Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, KZ-Häftlinge, Opfer von Menschenversuchen oder Insas- sen der NS-Arbeitserziehungslager, handelt, werden mit dieser Stiftung endlich auch Opfer umfasst, die als „ver- gessene“ oder bislang ausgegrenzte Opfer zu bezeichnen sind. Aber im Inland leben weitere Opfer, die entweder keine oder in den meisten Fällen keine zureichende Ent- schädigung erhalten haben, die sich mit geringfügigen Einmalzahlungen zufrieden geben mussten. Diese Opfer fallen zumeist nicht unter die Regelungen dieser Stiftung. In einzelnen Bereichen hat man ja in Deutschland in den letzten Jahren für bestimmte Betroffenengruppen nachgebessert. Ich nenne hier beispielhaft die Renten in Höhe von monatlich 500 DM, die jüdische Opfer mittler- weile im Rahmen des so genannten Artikel-2-Fonds er- halten können, wenn sie zuvor keine ausreichende Ent- schädigung erhalten haben. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2000 9639 (C) (D) (A) (B) Für andere Opfergruppen gibt es diese Grundrente aber bislang nicht oder allenfalls auf Landesebene In den letz- ten Wahlperioden haben Bündnis 90/Die Grünen und SPD deshalb darauf gedrängt, eine befriedigende bundesweite Lösung zu finden. Und deshalb ist dieses Projekt, eine zweite Bundesstiftung für die „vergessenen Opfer“ vor- zubereiten, auch in die Koalitionsvereinbarung aufge- nommen worden. Wir brauchen hier also keine Nachhilfe der PDS. Wir müssen nun schauen, welche Betroffenen tatsäch- lich unter das Stiftungsgesetz „Erinnerung, Verantwor- tung, Zukunft“ fallen werden und welche nicht. Das wis- sen wir erst nach Verabschiedung des Gesetzes im Bun- destag. Die Regierungsfraktionen haben sich deshalb darauf verständigt, über das zweite Projekt für die „ver- gessenen Opfer“ erst im Herbst in Detailgespräche einzu- treten. Die PDS fordert zudem die Anerkennung der Zwangs- sterilisierten und „Euthanasie“-Geschädigten als rassisch Verfolgte im Sinne des Bundesentschädigungsgesetzes und verbesserte Leistungen für diese. Ich muss zuerst da- rauf verweisen, dass der Begriff, den die PDS für die „Euthanasie“-Geschädigten wählt, sehr problematisch ist. Er schließt nämlich die aus, die das Tötungsprogramm selbst überlebt haben, und konzentriert sich allein auf die Angehörigen. Ansonsten greift die PDS wiederum allein die Forderung auf, die Bündnis 90/Die Grünen schon von jeher vertreten haben, zuletzt sogar mit einem eigenen Ge- setzentwurf zum NS-Aufhebungsgesetz, der das Ziel hatte, die Zwangssterilisierten als NS-Verfolgte anzuer- kennen. Die eigentlich komplizierte Frage ist aber die der Rechtsfolgen. Hier ist interessant, dass die PDS zwar die genannten Betroffenen als rassisch Verfolgte anerkennen will, für sie aber nicht wieder die Antragsfrist nach dem BEG öffnen will. Die Betroffenen sollen nach dem Willen der PDS auch nicht die regulären BEG-Leistungen, etwa für einen Berufsschaden, bekommen, sondern stattdessen eine einmalige Pauschalabfindung. Wenn die Fristen für das BEG aber nicht geöffnet werden, könnten die Betrof- fenen für den Gesundheitsschaden allein die Härteleis- tungen nach dem BEG erhalten. Diese wären aber nicht höher als die Härteleistungen, die die Zwangssterilisierten heute schon aufgrund des allgemeinen Kriegsfolgenge- setzes (AKG) bekommen. Damit wäre also nichts gewon- nen. Wenn man aber umgekehrt die Fristen zum BEG für die Zwangssterilisierten öffnen würde, müsste man das BEG auch für andere Betroffenengruppen öffnen, um keine neuen Ungerechtigkeiten zu schaffen. Das will aber die Mehrzahl der deutschen Verfolgtenverbände nicht und favorisiert – wie wir – eine unbürokratische Bundesstiftung. Und wenn die PDS den Zwangssterili- sierten und „Euthanasie“-Geschädigten eine Zusatzzah- lung von einmalig 10 000 DM zahlen will, wird sie den Militärjustizopfern, Homosexuellen und so genannten Asozialen, die vielleicht auch einen Berufsschaden erlit- ten haben, erklären müssen, warum sie nicht auch eine solche Leistung erhalten sollen. Mit einem Wort: Das Konzept der PDS ist undurchdacht und in sich wider- sprüchlich. Auch können wir nicht dem Anliegen der PDS zustimmen, „ausländische NS-Opfer (...) in gleicher Weise zu entschädigen wie jene, die deutsche Staatsbür- ger sind“. Dies hieße, das Regelwerk, das mit den Global- abkommen im Westen und Osten – und nun ergänzend mit der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung, Zukunft“ – be- schlossen wurde, in eine außerordentlich komplizierte Si- tuation zu bringen. Wir tun deshalb gut daran, unter Gesichtspunkten der Gleichbehandlung aller Opfer Verbesserungen für die „vergessenen Opfer“ im Rahmen unserer Debatte für eine zweite Bundesstiftung aufzugreifen. Wir haben auch nichts dagegen, in einem ersten Schritt schon Verbesse- rungen bei den jetzigen Härteregelungen vorzunehmen, wie dies von den Betroffenenverbänden gewünscht ist. Erstaunlicherweise tauchen diese im Forderungskatalog des PDS-Antrages aber nicht auf. Ich nenne beispielhaft eine Reform bei der Anrechnung des Familieneinkom- mens. Im Übrigen regen wir an, nachdem die Urteile der NS-Erbgesundheitsgerichte gegen die Zwangssterilisier- ten mittlerweile als NS-Unrecht gesetzlich aufgehoben wurden, durch eine Entschließung des Deutschen Bun- destages zu dokumentieren, dass wir als Parlament die „Euthanasie“-Geschädigten und Zwangssterilisierten als Verfolgte anerkennen und ihnen damit auch ihre Würde wiedergeben wollen. Rechtsfolgen im Sinne einer Öff- nung des BEG sind damit nicht zwingend verbunden. Dr. Max Stadler (F.D.P): Mit dem heute in erster Le- sung zu behandelnden Antrag wird die Regierungskoali- tion zu Recht daran erinnert, dass sie in der Koalitions- vereinbarung eine Entschädigungsregelung für die so ge- nannten vergessenen NS-Opfer versprochen hat. Eine Koalitionsvereinbarung geht in ihrer Wirkung weit über das hinaus, was von Parteien beispielsweise in Wahlprogrammen angekündigt wird. Eine Koalitionsver- einbarung ist das Programm, das die Koalitionspartner mit bindender Wirkung vertraglich verabreden. Damit verpflichten sich die Koalitionspartner nicht nur im Ver- hältnis zueinander, sondern sie wecken in der Öffentlich- keit und insbesondere bei den Betroffenen die sichere Er- wartung, das Vereinbarte werde auch realisiert. Diese Hoffnung ist jedoch von SPD und Bündnis 90/ Die Grünen bisher nicht erfüllt worden. Von einer Lösung der Problematik der so genannten vergessenen Opfer war in den letzten 18 Monaten keine Rede mehr. Damit zeigt sich wieder einmal, dass es offenkundig leichter ist, aus der Oppositionsrolle heraus Anträge zu stellen, als in ei- ner Regierung gegebene Versprechen einzuhalten. Denn sowohl von der SPD als auch den Grünen sind in der Ver- gangenheit wiederholt Anträge auf Errichtung von Stif- tungen zur Entschädigung von NS-Unrecht gestellt wor- den. Die Regierungsfraktionen werden aufgrund des vorlie- genden Antrags Auskunft darüber geben müssen, warum sie nun für die „vergessenen Opfer“ nichts tun. Dabei hat die F.D.P.-Fraktion durchaus Verständnis für eine Argu- mentation, die auf die vorrangige Lösung der Zwangsar- beiterproblematik verweist. Das Gesetz zur Errichtung ei- ner Bundesstiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zu- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 20009640 (C) (D) (A) (B) kunft“ ist ja soeben von allen Fraktionen gemeinsam im Bundestag eingebracht worden. Das gemeinsame gesetz- geberische Bemühen muss sich jetzt darauf konzentrie- ren, dieses Stiftungsgesetz noch vor der Sommerpause zu verabschieden, damit eine humanitäre Geste in Form von finanziellen Zuwendungen an die Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen geleistet werden kann. Die Zwangsarbeiter-„Entschädigung“ stellt ohne Zweifel für die öffentliche Hand einen finanziellen Kraft- akt dar. Es ist verständlich, wenn nicht zeitgleich weitere finanzielle Leistungen für andere Opfergruppen beschlos- sen werden können. Dies hätte allerdings SPD und Grü- nen schon bei Abschluss ihrer Koalitionsvereinbarung klar sein müssen. Entscheidend dafür, dass das Thema von der Regie- rungskoalition hinten angestellt wird, ist aber offenkundig ein Dissens zwischen den Regierungsfraktionen. Daher wird die F.D.P. in den Ausschussberatungen genau nach- fragen, ob denn von der neuen Regierungskoalition nun doch wieder die stets vom Bundesfinanzministerium ver- tretene Auffassung übernommen wird, wonach gar keine Notwendigkeit für neue Entschädigungsregelungen be- stehe. Zu vermuten ist, dass diese traditionelle Haltung des Bundesfinanzministeriums weiterhin bei der SPD Sympathie genießt, von den Grünen jedoch abgelehnt wird. Wenn sich dieser Dissens herausstellen sollte, wäre es allerdings nicht verwunderlich, dass sich die Koaliti- onsvereinbarung in diesem Punkt als unerfüllbares Ver- sprechen erweist. Dr. Ilja Seifert (PDS): Erst vor wenigen Wochen hat der Bundestag mit großer Mehrheit beschlossen, die Bun- desstiftung „Entschädigung für NS-Zwangsarbeit“ zu gründen. 55 Jahre mussten vergehen, um die Entschädi- gung der vom Naziregime und seinen Helfern ausgebeu- teten Arbeitssklaven endlich zu regeln. Aber der Skandal dauert fort; denn noch immer versuchen deutsche Unter- nehmen, sich vor einer Beteiligung an der Entschädigung der Zwangsarbeiter vorbeizudrücken. Und noch immer gibt es die so genannten „vergesse- nen“ Opfer, die überwiegend keine oder sehr geringe Ent- schädigungsleistungen erhielten. Homosexuelle, Zwangssterilisierte und „Euthanasie“- Geschädigte, Sinti und Roma, so genannte Asoziale und andere gehören ebenso dazu wie solche, die in den Zeiten des Kalten Krieges von Leistungen des Bundesentschädi- gungsgesetzes gezielt ausgeschlossen wurden. In ihrer Koalitionsvereinbarung hatten SPD und Bünd- nis 90/Die Grünen vorgesehen, eine entsprechende Bun- desstiftung „Entschädigung für NS-Unrecht“ zu gründen und die Entschädigung auf den Weg zu bringen. Da die Regierungsfraktionen bisher keinen Gesetzentwurf vor- gelegt haben, um die Koalitionsvereinbarung in diesem Punkt zu realisieren, hat die PDS Ende 1999 den heute zu behandelnden Antrag eingebracht. Nachdem bald zwei Jahre seit den letzten Bundestags- wahlen vergangen sind und jeden Monat Überlebende des Naziterrors sterben, ist es nicht länger hinnehmbar, dass Opfern eine umfassende moralische und finanzielle Ent- schädigung versagt bleibt. Dabei geht es nicht nur um diese Opfer, sondern auch um die Glaubwürdigkeit so vie- ler Bekenntnisse aus allen Bundestagsparteien, dass Rechtsextremismus und Neonazismus in der Gesellschaft der Bundesrepublik nicht toleriert werden dürfen. Erinnern und nicht vergessen heißt eben auch, den Überlebenden des Naziterrors mit Würde zu begegnen und sie – wie leider in vielen Fällen üblich – nicht in Äm- tern fragwürdigen Bedürftigkeitsprüfungen zu unterwer- fen, um ihnen dann in „Notsituationen“ eine bescheidene finanzielle Hilfe zu gewähren. Exemplarisch für die so genannten „vergessenen“ Op- fer stehen die NS-Opfer der Zwangssterilisation und der „Euthanasie“. Frühzeitig, gleich nach ihrem Machtantritt, erließ die Nazi-Führung das „Gesetz zur Verhütung erb- kranken Nachwuchses“, dessen juristische Begründung auf der nationalsozialistischen Rassendoktrin und -politik beruhte. Es war eines der ersten Massenvernichtungsge- setze der Nazis und Grundlage für die nachfolgenden Mordaktionen zur Vernichtung so genannten „unwerten Lebens“. Unter missbräuchlicher Nutzung des Begriffs Euthana- sie wurden mehr als 200 000 kranke und behinderte Men- schen ermordet – zumeist in systematischen Tötungsak- tionen, für die ab 1939 die „Aktion T 4“ stand. Noch heute wird deutlich, dass Hadamar, Bernburg, Sonnenstein, Grafeneck und Hartheim viele weitere Ortsnamen hinzu- zufügen wären, an denen ebenfalls unentschuldbare „Eu- thanasie“-Verbrechen begangen wurden. Gerade nach den jüngsten Diskussionen in Jena und Stadtroda sage ich un- missverständlich, dass „Euthanasie“-Verbrechen ohne Wenn und Aber als solche benannt werden müssen und nicht verharmlost werden dürfen. Zur rassistisch begründeten Verfolgung gehörten auch die verbrecherischen Zwangssterilisationen, die ab 1933 an etwa 400 000Menschen begangen wurden. In der Bun- desrepublik leben heute noch etwa 20 000 Opfer der NS- Zwangssterilisationen sowie circa 7 000 bis 8 000 „Eut- hanasie“-Geschädigte. Trotz der Härteleistungen und Aufhebung nationalso- zialistischer Unrechtsurteile bleibt festzuhalten: Eine an- gemessene finanzielle Entschädigung und eine klare An- erkennung der Opfer als Verfolgte stehen nach wie vor aus. Die PDS fordert in ihrem Antrag ausdrücklich, die Bundesstiftung „Entschädigung für NS-Unrecht“ für alle so genannten „vergessenen“ Opfer unverzüglich zu grün- den und im Rahmen dieser Stiftung „für eine angemes- sene Entschädigung aller bisher nicht oder nur unzurei- chend berücksichtigten NS-Opfer Sorge zu tragen“. Beispielhaft, aber durchaus auf andere Opfergruppen anwendbar, sind im Antrag der PDS speziell für „Eu- thanasie“-Geschädigte und Zwangssterilisierte Wege der Entschädigung aufgezeigt worden. Dabei geht es um zwei Kernfragen: Erstens. Die be- troffenen Opfer werden als Verfolgte anerkannt, denen ein Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2000 9641 (C) (D) (A) (B) juristischer und moralischer Anspruch auf Entschädigung zusteht. Zweitens. Als Wiedergutmachung erhalten die Opfer eine einmalige Entschädigung von 10 000 DM innerhalb von 12 Monaten nach Verabschiedung des Gesetzes, un- abhängig von bisher gezahlten Beihilfen oder eventuellen früheren Verzichtserklärungen, unabhängig von den Ein- kommens- undVermögensverhältnissen derOpfer undmit geringstmöglichemAntrags- und Verwaltungsaufwand. Wieso können diese relativ einfachen Regelungen für eine sehr begrenzte Anzahl von Opfern des NS-Regimes nicht endlich in entsprechende gesetzliche Regelungen umgesetzt werden? Was hindert die Bundesregierung da- ran, endlich zu ihrem Wort zu stehen? Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 20009642 (C)(A) Druck: MuK. Medien-und Kommunikations GmbH, Berlin
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    Herr Prä-
    sident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein paar
    Zahlen und darauf aufbauend falsche Argumentationsli-
    nien, wie sie sowohl Herr Kollege Merz als auch soeben
    Herr Kollege Gysi verwendet haben, möchte ich hier kurz
    korrigieren.

    Herr Kollege Merz, der Abstand zwischen Deutschland
    und den anderen Ländern wird nicht größer zulasten
    Deutschlands, sondern ständig kleiner. Dass Deutschland
    die zweitletzte Position beim Wirtschaftswachstum in Eu-

    ropa hatte und noch hat, das ist wahr, ist aber seit dem
    Jahre 1995 der Fall. Seit 1995, also in den letzten drei Jah-
    ren Ihrer Regierungszeit, war Deutschland immer an
    zweitletzter Stelle beim Wirtschaftswachstum in der Eu-
    ropäischen Union.


    (Joachim Poß [SPD]: So ist das!)

    Seit Ihrer Regierungszeit entwickeln sich die Arbeits-

    losenzahlen folgendermaßen: Im Jahre 1995 kam es zu
    einem Abbau von 37 000; diese Zahlen sind ja verfügbar.
    1996 kam es zu einem Abbau um 277 000, 1997 um
    287 000 und dann 1998 zu einem Wiederanstieg um
    135 000. 1999 kam es zu einem Anstieg der Zahlen um
    107 000 auf der Basis eines – nicht nur aus unserer, son-
    dern auch aus allgemeiner Sicht – unglücklichen Verlau-
    fes der Kurve – das wissen wir alle –: Es kam nämlich im
    ersten Teil des Jahres zu einem Anstieg und im zweiten
    Teil des Jahres zu einem Rückgang der Arbeitslosenzah-
    len. Das Ergebnis insgesamt war jedoch ein Anstieg.

    Herr Merz, seit Oktober vergangenen Jahres kommt es
    zu einem Anstieg der Beschäftigtenzahlen um 155 000.
    Das sind die offiziellen Zahlen des Statistischen Bundes-
    amtes. Die Legende, die Sie die ganze Zeit zu verbreiten
    versuchen, nämlich dass der Abbau der Arbeitslosigkeit
    ausschließlich etwas mit dem demographischen Wandel
    zu tun habe, also damit, dass viele Ältere ausscheiden und
    wenige Junge nachkommen, ist falsch. Das ist nur die eine
    Hälfte der Wahrheit. Die andere Hälfte der Wahrheit ist,
    dass der Abbau zum anderen Teil auf einen neuen Anstieg
    der Beschäftigung zurückzuführen ist.


    (Widerspruch bei der CDU/CSU)

    Genau das ist der Sachverhalt, den Sie die ganze Zeit zu
    verschleiern versuchen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Sie haben die ganze Zeit beklagt, dass es keine Zahlen
    gebe. Die Zahlen des Statistischen Bundesamtes sind nun
    da. Benutzen Sie sie bitte auch, statt hier falsche Behaup-
    tungen zu verbreiten!

    Deutschland marschiert nach vorne. Ich will mir nicht
    alle Zahlen zu Eigen machen. Es gibt aber weltweit keine
    besseren als die des Internationalen Währungsfonds. Da-
    nach wird bezüglich des Wachstums sowohl im Vergleich
    der Euro-11-Gruppe als auch der 15 EU-Staaten der Ab-
    stand zugunsten Deutschlands immer kleiner. Bereits im
    nächsten Jahr wird Deutschland von allen großen Ländern
    Europas das höchste Wachstum verzeichnen können,
    auch ein höheres als das in den Vereinigten Staaten. So die
    Prognose des Internationalen Währungsfonds, der übri-
    gens ausdrücklich auf unsere Finanz-, Steuer- und Wirt-
    schaftspolitik hinweist und sagt: Die sind auf dem richti-
    gen Weg. Sie können den jetzigen Chef, Herrn Köhler –
    Sie kennen ihn noch aus gemeinsamer Zeit –, dazu befra-
    gen. Also, Herr Merz, verbreiten Sie nicht diese Unwahr-
    heiten!

    Nun komme ich auf die Steuerpolitik zu sprechen,
    weil auch dazu immer eine falsche Behauptung aufge-
    stellt wird. Wir brauchen uns nicht von Ihnen sagen zu las-
    sen, wir bräuchten Mut. Wir brauchten Mut, um den Weg




    Dr. Gregor Gysi

    9507


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    aus der Schuldenfalle zu gehen. Dabei haben Sie uns im
    vergangenen Herbst nicht unterstützt. Stattdessen haben
    Sie uns Knüppel zwischen die Beine geworfen.


    (Beifall bei der SPD)

    Deswegen stelle ich Ihnen, Herr Merz, angesichts der

    Verhandlungen, die uns bevorstehen und die wir führen
    werden, eine Frage zuallererst: Sind Sie bereit, eine Steu-
    erpolitik zu machen, die den Weg aus der Schuldenfalle
    nicht beeinträchtigt? Wir werden nämlich keine Steuer-
    senkung vornehmen, die uns wieder zu einer Erhöhung
    der Neuverschuldung führt. Da ist für diese Bundes-
    regierung die Grenze der Kompromissfähigkeit erreicht.
    Damit wir uns richtig verstehen. Im Jahr 2006 soll der
    Haushalt ausgeglichen sein. Das wäre das erste Mal seit
    Jahrzehnten. Von diesem Weg weichen wir nicht ab. Ent-
    lang dieser Leitplanke werden die anderen Politiken ge-
    macht. Darauf hätte ich von Ihnen sehr gerne eine Ant-
    wort.


    (Beifall bei der SPD)

    Übrigens: Täten wir etwas anderes, würden wir von

    ganz Europa gescholten. Denn wer den Euro hat, der muss
    sich auch auf eine konzertierte Wirtschafts- und Finanz-
    politik in Europa einlassen. Das heißt, wir werden die
    Wachstumsgewinne für eine schnellere Konsolidierung
    einsetzen. Das ist die gemeinsame Verabredung aller
    15 Finanzminister des Ecofin-Rates.

    In diesem Zusammenhang möchte ich auf das Thema
    Körperschaften und Personengesellschaften bzw. große
    Unternehmen und Mittelständler zu sprechen kommen.
    Es ist schon spannend, dass CDU/CSU und PDS hier in
    dieselbe – übrigens falsche – Richtung argumentieren.
    Die Wahrheit ist ganz einfach: Aufgrund unserer Steuer-
    politik, des Steuerentlastungsgesetzes und der Steuerre-
    form 2000, müssen die Kapitalgesellschaften sogar noch
    eine Kleinigkeit draufzahlen. Das können sie auch; das
    sage ich in aller Ruhe.

    Sie haben ja im vorigen Frühjahr etwas gesagt, was Sie
    heute nicht mehr wahrhaben wollen, nämlich dass das
    Steuerentlastungsgesetz ein Gesetz zur Vertreibung der
    Konzerne aus unserem Land sei. Das haben Sie hier ge-
    sagt, Herr Merz.


    (Friedrich Merz [CDU/CSU]: Ja, natürlich! Das ist ja auch so!)


    Richtig ist: Die Energieversorgungsunternehmen haben
    draufzahlen müssen. Aber ich sage Ihnen: Wer 72 Milli-
    arden DM auf der hohen Kante liegen hat, der kann auch
    16,7 Milliarden DM an Steuern zahlen. Damit habe ich
    kein Problem.


    (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


    Auch die Versicherungswirtschaft hat mehr zahlen müs-
    sen. Aber auch sie kann das.


    (Klaus Lennartz [SPD]: Richtig!)

    Richtig ist, dass jetzt alle Unternehmen entlastet wer-

    den. Dies läuft aber für die großen Gesellschaften, die

    Körperschaften, im Ergebnis auf plus/minus Null hinaus.
    Das heißt, die 20 Milliarden DM an Entlastung in der
    Wirtschaft kommen ausschließlich bei den kleinen und
    mittleren Unternehmen an. Daher ist es völlig falsch, zu
    behaupten, sie würden schlechter behandelt als die Kör-
    perschaften.

    Die Körperschaften zahlen definitiv 38 Prozent,
    25 Prozent Körperschaftsteuer und im Schnitt 13 Prozent
    Gewerbesteuer, egal ob der Gewinn niedrig oder hoch ist.
    Und hier setzt in der öffentlichen Debatte die Falschmün-
    zerei an, mit der immer darauf spekuliert wird, dass die
    Menschen vom Steuerrecht nicht so recht Ahnung haben:
    Die Personengesellschaften nämlich zahlen Einkommen-
    steuer; das ist ein völlig anderes System. Darin gibt es im
    unteren Bereich zunächst einmal einen schönen Freibe-
    trag, den wir ständig heraufsetzen, im Jahr 2005 europa-
    weit auf das höchste Niveau. Das ist zugunsten der Be-
    zieher kleinerer Einkommen, also auch der kleinen Un-
    ternehmen. Ab der ersten Mark oberhalb des Freibetrages
    sind Steuern in Höhe von 15 Prozent zu zahlen; einen
    derart niedrigen Satz hat es in Deutschland noch nie ge-
    geben. Und jede Mark ab 98 000 DM wird dann mit
    45 Prozent versteuert.

    Was heißt das? Das heißt, dass ein Einzelunterneh-
    mer – der Bundeskanzler hat die Zahlen vorhin schon ge-
    nannt –, der einen zu versteuernden Gewinn – Freibeträge
    werden hinterher berücksichtigt – von 100 000 DM hat –
    für ihn gilt der Spitzensteuersatz von 45 Prozent in der
    Tat –, eine Belastung seines Gewinns in Höhe von 27 Pro-
    zent hat. Ich wiederhole: Die Körperschaft zahlt 38 Pro-
    zent. Der Punkt, an dem eine Personengesellschaft und
    ein Einzelunternehmer 38 Prozent zu zahlen haben, das
    heißt, dass sie dort sind, wo sich die steuerliche Belastung
    der Körperschaft immer befindet, wird bei einem unver-
    heirateten Einzelunternehmer bei einem zu versteuernden
    Gewinn von 200 000 DM und bei einem verheirateten
    Einzelunternehmer bei einem zu versteuernden Gewinn
    von 400 000 DM erreicht.


    (Klaus Lennartz [SPD]: So ist es! So sind die Zahlen!)


    Oberhalb dieser Grenze, also dort, wo eine Personen-
    gesellschaft oder ein Einzelunternehmer mehr zahlen
    müssten als eine Körperschaft, nämlich bei Un-
    verheirateten oberhalb von 200 000 DM Gewinn und bei
    Verheirateten oberhalb von 400 000 DM Gewinn, liegen
    in ganz Deutschland noch – der Bundeskanzler hat die
    Zahl schon genannt – 5 Prozent der Personengesellschaf-
    ten.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Hans Michelbach [CDU/CSU]: Die Gewerbesteuer vergessen Sie dabei!)


    Die Behauptung, die Sie hier aufstellen, dass nämlich Per-
    sonengesellschaften schlechter als Kapitalgesellschaften
    behandelt würden, ist zu 95 Prozent unwahr, und sie
    könnte zu 5 Prozent wahr sein. Das ist eine schlechte
    Trefferquote für einen Finanzpolitiker, Herr Merz.




    Bundesminister Hans Eichel
    9508


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)



    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Diese 5 Prozent müssen es aber auch nicht zahlen; sie
    können optieren. Dann unterliegen sie demselben Satz,
    nämlich 38 Prozent.

    Es können übrigens auch die Freiberufler optieren und
    haben dann auch maximal jene 38 Prozent, wenn sie in
    solche Gewinnkategorien hineinkommen.

    Folgendes ist klar: Wenn Sie um den Spitzensteuer-
    satz noch weiter streiten wollen – bitte schön, das müssen
    wir machen; irgendwo wird man sich treffen müssen –,
    dann werden Sie auch sagen müssen, wie Sie es bezahlen
    wollen.


    (Joachim Poß [SPD]: Richtig!)

    Deswegen bin ich dafür, dass wir gemeinsam eine Dis-
    kussion führen, aber dort, wo sie verbindlich wird, Herr
    Kollege Merz, nämlich zwischen Bundestag und Bundes-
    rat, auch gemeinsam mit den Ländern, auch mit jenen
    Ländern, die CDU-Finanzminister haben. Ich werde keine
    Namen nennen. Ich sage Ihnen aber, dass CDU-Kollegen
    schon bei mir gewesen sind, die gesagt haben, dass sie es
    eigentlich nicht bezahlen können. Dann muss ich mir die
    großsprecherischen Bemerkungen aus München und an-
    derswo anhören,


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Peter Rauen [CDU/CSU]: Nennen Sie einmal Namen, wer bei Ihnen war!)


    die besagen, dass man eine Steuerreform machen wolle,
    die einen zusätzlichen Einnahmeausfall von 70 Milliar-
    den DM bewirken würde.

    Deswegen sage ich Ihnen: Ich bin für jedes Gespräch
    offen, aber verbindlich muss es sein. Sie sollten nicht ein-
    fach nur Ihre Wünsche äußern, sondern sollten auch sa-
    gen, wie Sie es bezahlen wollen, und ferner sagen, wie die
    Länder es bezahlen wollen.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Hans Michelbach [CDU/CSU]: Und sagen, wer bei Ihnen war!)


    Herr Stoiber hat nicht im Traum daran gedacht, von
    seinen vielen Privatisierungserlösen dem Bund auch nur
    einen Pfennig abzugeben. Er hat nicht einmal daran ge-
    dacht, das in die Deckungsquotenberechnung aufzuneh-
    men. Jetzt, wo ich bei meinem überschuldeten Bundes-
    haushalt endlich ein bisschen Geld in die Kasse kriege,
    hält der sofort die Hand auf. Nein, meine Damen und Her-
    ren, so geht das wirklich nicht.


    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Ich will noch eine letzte Bemerkung über einen Sach-
    verhalt machen, der die Handwerker freut und über den
    Sie, Herr Rauen, die Handwerker informieren sollten.


    (Zuruf von der SPD: Das sagt der ihnen nicht!)


    Sie wissen wie ich, wie ungerecht es die Handwerker-
    schaft immer empfunden hat, dass sie höher besteuert
    wird als die Freiberufler.Das ergibt sich daraus, dass die
    Handwerkerschaft Gewerbesteuer zahlen muss und die
    Freiberufler das nicht brauchen. Nun hat es viele Leute
    gegeben, die gesagt haben: Die Freiberufler sollen eben-
    falls zahlen. Das ist nicht meine Position. Vielmehr haben
    wir mit dieser Ungerechtigkeit, dass der Handwerker
    höher besteuert wird als der Freiberufler, mit unserer
    Steuerreform endlich Schluss gemacht. Denn wir beseiti-
    gen die Gewerbesteuer als Kostenfaktor und damit ist der
    Handwerker endlich dem Freiberufler gleichgestellt und
    alle profitieren von der kräftigen Absenkung der Einkom-
    mensteuer. Von daher ergeben sich die 20 Milliarden DM
    Entlastung für den Mittelstand. So etwas haben Sie noch
    nie zuwege gebracht.


    (Anhaltender Beifall bei der SPD – und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)




Rede von Dr. Hermann Otto Solms
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Als nächs-
ter Redner hat der Kollege Michael Glos das Wort.


(Klaus Lennartz [SPD]: Lächeln! – Sehen Sie, das klappt doch! – Joachim Poß [SPD]: Herrn Glos tränen jetzt noch die Augen!)



  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Michael Glos


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine
    sehr verehrten Damen und Herren! Das Thema hat ei-
    gentlich gelautet: Regierungserklärung des Bundeskanz-
    lers, „Deutschland im Aufbruch – Moderne Wirtschafts-
    politik für neue Arbeitsplätze“. Erstens haben wir keine
    Regierungserklärung erlebt, sondern, wie Sie, Herr Bun-
    deskanzler, vorhin selbst gesagt haben, eine spontan
    gehaltene Rede.


    (Klaus Lennartz [SPD]: Aber gut!)

    Das ersetzt in Zukunft eine Erklärung der ganzen Bun-
    desregierung.

    Wir haben noch ein paar weitere Highlights erlebt. Mir
    ist dabei der Titel eines Buches von Graham Greene ein-
    gefallen: „Stunde der Komödianten“. Das war die eigent-
    liche Überschrift dessen, was heute hier geboten worden
    ist.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Das, was Herr Eichel gerade geboten hat, war eine sehr

    etatistische Betrachtung.

    (Bundesminister Hans Eichel: Aber leider eine richtige!)

    1987 – damals war Gerhard Stoltenberg Finanzminister;
    viele hier erinnern sich; Sie, Herr Kollege Wieczorek, ha-
    ben damals sehr sachkundig mitgewirkt – gab es eine
    Steuerreform, bei der wir in der Relation sehr viel höhere
    Volumina der Steuersenkungen bewegt haben, als das
    heute der Fall ist. Das Ergebnis war Wachstum. Das Er-
    gebnis war, dass unser Land im Zeitraum bis 1990 3 Mil-
    lionen zusätzliche Arbeitsplätze bekommen hat.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die etatistische Betrachtung, die Sie hier anstellen,

    zeigt, dass Sie von moderner Wirtschaftspolitik – im




    Bundesminister Hans Eichel

    9509


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    (B)


    Gegensatz zu Ihren Ankündigungen – überhaupt nichts
    verstehen. Ich sage Ihnen voraus: Die von Ihnen vorge-
    legte Steuerreform ist im Grunde ein bürokratischer Wust,
    der das Steuersystem verkomplizieren und weitere Ar-
    beitnehmer, insbesondere die qualifizierten, aus dem
    Land treiben wird.


    (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Leider wahr!)


    Es gibt bei uns im Land nach wie vor keine Spur von
    Wachstumsdynamik, im Gegensatz zu den USA, die im
    ersten Quartal 2000 eine Wachstumsquote von – auf das
    Jahr gerechnet – 5,4 Prozent hatten und die eine Arbeitslo-
    senquote von unter 4 Prozent haben. Das bedeutet, die
    Wachstumsbeschleunigung in Deutschland ist nicht selbst
    erarbeitet worden. Vielmehr werden wir durch Einflüsse
    von außen sozusagen mitgeschleift: den US-Boom, auf
    den ich verwiesen habe, die Euro-Schwäche, über die Sie
    etwas hätten sagen müssen, Herr Bundesfinanzminister –
    ich komme noch dazu –, oder das Ende der internationalen
    Finanzkrisen, das uns letztendlich ebenfalls begünstigt.

    Es grenzt schon an Verhöhnung der Menschen, wenn
    man so kleine Fortschritte – die sich zudem aus der de-
    mographischen Entwicklung heraus ergeben: Mehr Leute
    scheiden aus dem Arbeitsleben aus als eintreten – als gro-
    ßen Erfolg feiert. Herr Lafontaine hat am Beginn der Le-
    gislaturperiode zu Recht gesagt: Wenn wir bis 2002 nicht
    auf 3 Millionen Arbeitslose herunterkommen, dann ist
    diese Bundesregierung gescheitert. Daran werden Sie sich
    messen lassen müssen.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Durch den zu erwartenden Einnahmesegen aus der

    Versteigerung von Funklizenzen und aus der Privatisie-
    rung von Post und Telekom werden Sie, Herr Minister
    Eichel, sozusagen zum Hans im Glück. Sie ernten glück-
    lich, was andere gesät haben


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Lachen bei der SPD)


    und was von Ihnen bekämpft worden ist. Es waren Theo
    Waigel und Wolfgang Bötsch an führender Stelle, die da-
    mals die Postreform und die Privatisierungspolitik durch-
    gesetzt haben. Zwei SPD-geführte Bundesländer haben
    sich bis zuletzt verweigert: Das eine war das von Ihnen,
    Herr Bundesfinanzminister, geführte Hessen und das an-
    dere war das vom Bundeskanzler geführte Niedersachsen.
    Die beiden haben sich bis zuletzt verweigert.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sie sollten einmal den Mut haben, das einzugestehen und
    sich zu entschuldigen, auch bei den Wählerinnen und
    Wählern, die damals bei den Monopolbetrieben gearbeitet
    haben und von Ihnen genasführt worden sind.


    (Zuruf von der CDU/CSU: Da lacht er!)

    Ich bekenne mich zur Privatisierung, zur Deregulierung
    und zur Liberalisierung. Wir wissen, dass daran kein Weg
    vorbeiführt.

    Man macht eine Politik der PR-Gags. Ein weiterer
    PR-Gag war die Green Card. Das sollte ein Symbol für

    „Deutschland im Aufbruch“ sein. So wie die Holzmann-
    Nummer eine Beruhigungspille für die Gewerkschaften,
    insbesondere für die Baugewerkschaft war, so soll jetzt
    eine Beruhigungspille für die Informationstechnologie-
    wirtschaft kommen. Dabei ist der Name Green Card völ-
    lig unzutreffend. In den USA ist damit eine dauerhafte
    Arbeitserlaubnis verbunden, keine Beschränkung auf fünf
    Jahre, wie sie die Bundesregierung plant.
    Dass eine vorübergehende Anwerbung ausländischer
    Spezialisten auch ohne größere Schwierigkeiten möglich
    wäre, zeigt sich in Bayern, wo diese Dinge mit einer leis-
    tungsfähigeren Verwaltung reibungsloser funktionieren.
    Wenn Herr Riester seine Arbeitsverwaltungen anweisen
    würde, bei der Ausstellung von Bescheinigungen großzü-
    giger und rascher zu entscheiden, könnte man sehr viel
    bewirken. Stattdessen ist der Arbeitsminister auf diesem
    Gebiet ein Arbeitsverweigerer. Er tut nämlich nichts.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Die Bundesregierung macht Fehler, um sie anschlie-

    ßend mit großem Buhei wieder zu beseitigen. Das ist so
    ähnlich, wie wenn man auf das kurze Gedächtnis setzt und
    zunächst einen Brand legt, dann mit großem Tatütata als
    Feuerwehr ankommt und so tut, als hätte man das Feuer
    gelöscht, obwohl es, nachdem die Feuerwehr weggefah-
    ren ist, weiterglimmt.

    Ich will das gerne belegen: Mit dem verkündeten Aus-
    stieg aus der Kernenergie geht Kompetenz in einem wei-
    teren wichtigen Hochtechnologiesektor verloren. Mit
    dem Verzicht auf den Bau der Transrapidstrecke Ham-
    burg–Berlin wird die führende Stellung Deutschlands bei
    der Magnetschwebebahntechnik unterminiert. Mit der
    Plünderung des Verteidigungshaushaltes – das ist zu rasch
    und zu schnell – gehen wichtige Arbeitsplätze und For-
    schungskapazitäten in der wehrtechnischen Industrie, die
    eine Hochtechnologieindustrie ist, verloren. Mit der ver-
    hinderten Zulassung beispielsweise von Gen-Mais wird
    die grüne Gentechnologie außer Landes getrieben. Die
    Fachkompetenz, die dann letztendlich mit der Green Card
    in etlichen Jahren wieder ins Land geholt werden muss,
    wird jetzt aus diesem Land vertrieben.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Unser Land braucht deswegen keine PR-Gags, sondern

    eine stetige Politik. Es braucht vor allen Dingen eine
    umfassende Bildungsreform. Dazu hat Kollege
    Möllemann vorhin Richtiges gesagt. Wir müssen die Zu-
    kunftsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Deutschland bei
    uns im Land sichern. Wir müssen vor allem schauen, dass
    sich der Studienstandort Deutschland wieder grundlegend
    verbessert. Unsere Universitäten müssen wieder Anzie-
    hungspunkt für die besten Köpfe der Welt werden. Wenn
    diese Menschen bei uns studiert haben und unsere Spra-
    che beherrschen und unsere Lebensgewohnheiten ken-
    nen, sind das weiterhin auch die allerbesten Spezialisten
    für die deutsche Wirtschaft. Diese Leute müssen wir im
    Land behalten. So machen das in erster Linie die Verei-
    nigten Staaten von Amerika.

    Die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes beginnt nicht
    in der Fabrikhalle und auch nicht in der Universität, son-
    dern im Klassenzimmer. Deswegen hat Kollege Rüttgers




    Michael Glos
    9510


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    (A)



    (B)


    schon Recht, wenn er die Bildungspolitik in Nordrhein-
    Westfalen aufspießt. Wir brauchen ein Schulsystem, das
    Leistung fordert und Leistung fördert, anstatt wie in den
    SPD-regierten Ländern am leistungsfeindlichen Gesamt-
    schulsystem festzuhalten.


    (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Ditmar Staffelt [SPD]: Reden Sie mal mit Frau Laurien darüber!)


    – Ich weiß nicht, was Frau Laurien darüber gesagt hat,
    Herr Kollege. Sie scheinen es sehr gut zu wissen, weil Sie
    so laut rufen. Vielleicht sagen Sie es anschließend. Ich
    weiß aber zum Beispiel, was man bei Tests bei der Bun-
    deswehr festgestellt hat: Die Rekruten aus den unionsre-
    gierten Ländern schneiden in Rechtschreibung und Rech-
    nen besser ab als die Wehrpflichtigen aus den SPD-re-
    gierten Ländern.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Lachen bei der SPD)


    Da natürlich die Menschen in Bayern nicht von Hause aus
    gescheiter sind


    (Horst Kubatschka [SPD]: Sie sind das beste Beispiel!)


    als die in Nordrhein-Westfalen, muss es doch am Schul-
    system und an der Erziehung liegen, wenn wir diese Er-
    gebnisse feststellen.


    (Beifall bei der CDU/CSU – Joachim Poß [SPD]: Machen Sie so weiter, das wird die Menschen in NRW freuen!)


    Die jungen Menschen sind nicht unterschiedlich begabt,
    sie sind nur unterschiedlich gefordert und gefördert und
    das liegt an der SPD-Bildungspolitik.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Es wurde schon mehrfach gesagt, dass Bundeskanzler

    Schröder 1998 in seiner Eigenschaft als Ministerpräsident
    von Niedersachsen Studiengänge an der Universität Hil-
    desheim aufgelöst hat. Es muss aber immer wieder gesagt
    werden – insbesondere dann, wenn Wahlentscheidungen
    anstehen –, dass die SPD-Politik gerade in der Bildung
    immer sehr kurzfristig und kurzsichtig ist und dass man
    versucht, die gemachten Sünden mit Werbegags wieder
    wettzumachen. Statt in Zukunftstechnologien zu investie-
    ren, hat man zum Beispiel in Niedersachsen das Geld zum
    Kauf eines Stahlwerks genommen, als ob das eine wich-
    tige Sache für den Staat wäre. Aber dies hat damals dem
    Wahlgewinn genutzt. Alles das, was dem Land längerfris-
    tig nutzt, lässt man außer Acht und kauft sich immer wie-
    der mit billigen PR-Gags die Stimmen der Leute. Wer eine
    solche Politik macht, der braucht sich nicht zu wundern,
    wenn er später Green Cards für Eliten aus dem Ausland
    braucht, von denen er glaubt, diese könne er so willkür-
    lich wie andere Importwaren kaufen.

    Allerdings – das ist interessant – ist die Bereitschaft der
    Leute, nach Deutschland zu kommen, sehr gering. Es gibt
    keine Invasion aus Indien.


    (Joachim Poß [SPD]: Sie sind ein typisches Zwergschulprodukt!)


    – Herr Poß, passen Sie doch einmal auf.


    (Joachim Poß [SPD]: Sie haben die Gesamtschule nicht mitgekriegt, aber die Zwergschule war wohl gut für Sie!)


    Wenn Sie auf diese Art anfangen wollen, lasse ich bei Ih-
    nen zwischendurch das Wort „Schul-“ weg und dann sind
    wir bei persönlichen Dingen, die wir miteinander austra-
    gen, aber das will ich nicht. Lieber Herr Poß, ich wollte
    mit Ihnen über die Währung reden.

    Die Leute, die da kommen sollen, wollen gar nicht für
    Euro, sondern in erster Linie für Dollar arbeiten. Das
    muss doch auch einen Grund haben. Ich war sehr ge-
    spannt, was der Herr Finanzminister heute zu dieser
    Währungsschwäche unserer Gemeinschaftswährung
    Euro sagt. Es ist nicht so, dass wir als Euro-Gegner da-
    stehen wollen.


    (Joachim Poß [SPD]: Der Bundeskanzler hat dazu hinreichend Stellung genommen!)


    Im Gegenteil, ich bin für den Euro eingetreten.

    (Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: So ist es!)


    Es war mein Parteivorsitzender Theo Waigel, der die
    Hauptarbeit des Durchsetzens und die Lasten getragen
    hat. Wir hätten heute mit einer D-Mark, die von einer rot-
    grünen Regierung getragen worden wäre, noch mehr Ver-
    werfungen. Aber wir als das wirtschaftlich stärkste Land
    in Europa müssen dafür sorgen, dass das Wort „Stabilität“
    wieder buchstabiert wird,


    (Eduard Oswald [CDU/CSU]: Das ist der Punkt!)


    dass wir vor allen Dingen durch unser Wirtschaftswachs-
    tum wieder der Motor der wirtschaftlichen Entwicklung
    werden.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


    Es gibt den traurigen Negativrekord von 88 Cent ge-
    genüber dem Dollar. Gestern hat sich der Kurs wieder ein
    bisschen verbessert. Im Vergleich zur Einführung des
    Euro vor 17 Monaten hat sich in der Spitze eine Abwer-
    tung von 25 Prozent ergeben. Diese Zahl macht uns natür-
    lich Sorge. Die Auswirkungen spürt man noch nicht so-
    fort, aber dies wird spätestens in einem Vierteljahr auf die
    Importpreise durchschlagen. Es wird bei uns eine Inflati-
    onsspirale und dann eine Lohn-Preis-Spirale mit verhee-
    renden Wirkungen in Gang setzen, wenn es nicht gelingt,
    diese Talfahrt zu stoppen.

    Gewonnen hat der Euro lediglich gegenüber der türki-
    schen Lira. Dies ist die einzige Währung, gegenüber
    der der Euro in den letzten 17 Monaten, seit Herr
    Lafontaine und Sie Finanzminister sind, gewonnen hat.
    Die türkische Lira ist anscheinend noch schwächer. Die-
    ser Umstand empfiehlt die Türkei neben anderen ideolo-
    gischen Gründen offensichtlich auch für einen raschen
    EU-Beitritt.

    Herr Eichel – ich nehme Sie jetzt stellvertretend, weil
    der Herr Bundeskanzler nicht da ist –, berührt es Sie ei-
    gentlich gar nicht, wenn die Überschriften in uns nicht un-
    bedingt nahe stehenden Zeitungen lauten: „Der Euro hat




    Michael Glos

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    (B)


    seinen guten Ruf verloren“, „Der Euro wird langsam zum
    Sozialfall!“ oder „Der Euro auf dem Weg zu einer Lach-
    nummer“? Bei einer solchen Debatte wie der heutigen
    geht man ganz einfach kalt darüber hinweg und kommt
    stattdessen mit allen möglichen Kinkerlitzchen. Glauben
    Sie wirklich, dass die anhaltenden Kursverluste die Dänen
    dazu bewegen werden, bei der anschließenden Volksab-
    stimmung dafür zu votieren, in die Euro-Zone einzutre-
    ten? Wie wollen Sie die Briten dazu bringen, sich auf den
    Euro zuzubewegen, was für die europäische Integration
    unverzichtbar ist, wenn Sie den Kurs einfach so schleifen
    lassen?

    Ich sage es noch einmal: Ich fordere keine künstlichen
    Interventionen auf dem Devisenmarkt, sondern ich for-
    dere, dass in Europa eine Politik betrieben wird – auch
    eine Stabilitäts- und Wachstumspolitik –, die das Ver-
    trauen der Märkte in die europäische Gemeinschafts-
    währung zurückgewinnt.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


    Jetzt frage ich Sie, Herr Bundesfinanzminister, wobei
    es mir noch lieber wäre, der Herr Bundeskanzler würde
    die Frage beantworten: Ich sehe mit großer Sorge die Um-
    frageergebnisse hinsichtlich des Vertrauens in die europä-
    ische Gemeinschaftswährung. Sind Sie eigentlich nicht in
    Sorge, dass die Menschen in Deutschland das Vertrauen
    in den Euro verlieren, noch bevor sie ihn fühlbar greifen
    können, also noch bevor sie die Scheine und Münzen erst-
    mals in der Hand haben? Das kümmert Sie offensichtlich
    überhaupt nicht. Das kümmert offensichtlich auch den
    Bundeskanzler überhaupt nicht; er hat nämlich heute auch
    kein Wort dazu gesagt.


    (Bundesminister Hans Eichel: Doch, hat er!)

    Duisenberg hat dazu gesagt: Über kurz oder lang höhlt ein
    Währungsverlust nach außen auch den Binnenwert einer
    Währung aus. Damit hat der Mann leider Recht. Wir wol-
    len, dass es in Deutschland weiterhin ehrliches Geld für
    ehrliche Arbeit gibt. Diese unabdingbare Grundlage für
    unser Gemeinwesen wird gefährdet, wenn man die Dinge
    einfach treiben lässt und wegschaut.


    (Beifall bei der CDU/CSU und des Abg. Rainer Brüderle [F.D.P.])


    Ich sage es noch einmal: Der Euro ist die richtige
    Antwort auf die Herausforderungen und Probleme des
    21. Jahrhunderts, aber nur ein stabiler Euro. Wir müssen
    deutlich machen, dass wir nicht einen billigen Motor zur
    Ankurbelung des Exports suchen, so wie es in den Reden
    des Herrn Bundeskanzlers und bei Ihnen angeklungen ist,
    sondern langfristig wollen, dass der Gegenwert für deut-
    sche und europäische Arbeit im internationalen Maßstab
    gerecht vergütet wird.

    Die Terms of Trade haben sich in den letzten Monaten
    ganz bedeutend verschlechtert. Das bedeutet zwar, dass
    möglicherweise zum Beispiel Daimler-Benz oder Sie-
    mens – oder wer immer hier produziert – mehr Euro für
    sein Produkt einnimmt, aber der Arbeitnehmer, der dort
    arbeitet, bekommt, wenn ich den Dollar als Leitwährung
    der Welt zugrunde lege und es dann herunterrechne, letzt-

    endlich 25 Prozent weniger konvertiblen Gegenwert für
    seine Arbeit und seine Leistung.


    (Lachen bei der SPD – Bundesminister Hans Eichel: Das ist ja abenteuerlich!)


    Wenn das anhalten würde, dann bedeutete es letztendlich
    im Klartext genau dies. Dass es nicht so weit kommt, kön-
    nen wir nur dadurch verhindern, dass bei uns endlich wie-
    der Wachstums- und Stabilitätspolitik gemacht wird.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren, das bedeu-

    tet: Wir haben die Verpflichtung zu einer stabilitätsorien-
    tierten Geldpolitik, zu soliden Staatsfinanzen, zu einer
    konsequenten Reformpolitik für mehr Flexibilität am Ar-
    beitsmarkt, für sichere Renten und für ein leistungsför-
    derndes Steuersystem, nicht für etatistische Betrachtungs-
    weisen.

    Theo Waigel hatte zusammen mit Hans Tietmeyer das
    Vertrauen der Märkte. Immerhin war ein Waigel-Euro
    noch 1,18 Dollar wert; ein Eichel-Euro ist vorgestern an
    den Devisenbörsen für 89 Cent verramscht worden.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Das war die Reaktion der Märkte und das Urteil der
    Märkte ist unbestechlich. Wenn das die so genannte mo-
    derne Wirtschaftspolitik ist, von der Sie, Herr Bundes-
    kanzler, reden, dann gute Nacht.


    (Zuruf von der SPD: Das ist sie nicht!)

    Dann können wir uns dafür nur ganz herzlich bedanken.

    Wirtschaftliche Reformen wurden zurückgenommen,
    der Stabilitätspakt wurde infrage gestellt, Reformen im
    Bereich der Unternehmensbesteuerung, der Rente und der
    Krankenversicherung wurden entweder zurückgenom-
    men oder verschleppt. Die notwendige Lockerung des
    starren Tarifrechts ist ausgeblieben. In der Gesundheits-
    politik werden die Menschen immer mehr verunsichert;
    letztes Beispiel dafür war der Vorschlag einer Koppelung
    der Arzthonorare an den Heilerfolg. Herr Bundeskanzler,
    wenn man Ihr Gehalt an den Kurs des Euro koppeln
    würde, dann würden Sie noch stärker als die Ärzte plötz-
    lich merken, wie ernst solche Maßnahmen gemeint sein
    könnten.


    (Lachen bei der SPD)

    Fünf Ökosteuer-Stufen und eine Steuererhöhungsde-

    batte um Mehrwertsteuer und Erbschaftsteuer verunsi-
    chern die Märkte weiterhin.

    Meine sehr verehrten Damen und Herren, Beschwich-
    tigungen und Gesundbeten helfen nicht. Wir brauchen
    endlich eine wirkliche Reformpolitik.Wir brauchen auch
    den Verzicht auf weitere Steuererhöhungen und wir brau-
    chen vor allem Signale dafür, dass wir uns der internatio-
    nalen Entwicklung anschließen und sogar versuchen, wie-
    der der Motor dieser Wachstumsentwicklung in Europa zu
    werden, wie das die Bundesrepublik Deutschland in der
    Vergangenheit gewesen ist.




    Michael Glos
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    (C)



    (D)



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    (B)