Rede:
ID1410201100

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 8
    1. Ich: 1
    2. erteile: 1
    3. das: 1
    4. Wortdem: 1
    5. Kollegen: 1
    6. Gregor: 1
    7. Gysi,: 1
    8. PDS-Fraktion.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Nachträgliche Glückwünsche zum Geburtstag der Abgeordneten Erika Simm und Jochen Borchert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9483 A Wahl der Abgeordneten Edeltraut Töpfer zur Schriftführerin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9483 B Wahl des Abgeordneten Bartholomäus Kalb als Mitglied in den Verwaltungsrat der Deut- schen Ausgleichsbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9483 B Erweiterung der Tagesordnung . . . . . . . . . . . 9483 B Nachträgliche Ausschussüberweisungen . . . . 9483 C Tagesordnungspunkt 3: Eidesleistung des Wehrbeauftragten . . 9484 B Präsident Wolfgang Thierse . . . . . . . . . . . . . 9484 C Dr. Willfried Penner, Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages . . . . . . . . . . . . . . . . . 9484 C Tagesordnungspunkt 4: a) Abgabe einer Regierungserklärung: Deutschland im Aufbruch – Moderne Wirtschaftspolitik für neue Arbeits- plätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9484 C b) Antrag der Abgeordneten Birgit Schnieber-Jastram, Dr. Maria Böhmer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion CDU/CSU: Bessere Erwerbsaussich- ten für ältere Arbeitnehmer durch bessere Qualifizierung (Drucksache 14/2909) ..... . . . . . . . . . . 9484 C c) Antrag der Abgeordneten Gunnar Uldall, Birgit Schnieber-Jastram, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion CDU/CSU: Beschäftigung als Ziel der Wirtschaftspolitik herausstellen (Drucksache 14/2988) . . . . . . . . . . . . . 9484 D Gerhard Schröder, Bundeskanzler . . . . . . . . . 9484 D Friedrich Merz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 9489 A Dr. Peter Struck SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9493 D Jürgen W. Möllemann F.D.P. . . . . . . . . . . . . . 9496 C Kerstin Müller (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9499 D Dr. Gregor Gysi PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9503 D Hans Eichel, Bundesminister BMF . . . . . . . . 9507 B Michael Glos CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 9509 C Dr. Norbert Wieczorek SPD . . . . . . . . . . . . . 9513 A Rainer Brüderle F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9516 A Dr. Ditmar Staffelt SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 9517 B Karl-Josef Laumann CDU/CSU . . . . . . . . . . 9519 A Wolfgang Weiermann SPD . . . . . . . . . . . . 9520 B Sabine Kaspereit SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9520 D Ernst Hinsken CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 9522 B Dr. Christa Luft PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 9523 B Dr. Bernd Protzner CDU/CSU . . . . . . . . . . . 9524 A Ulla Schmidt (Aachen) SPD . . . . . . . . . . . . . 9525 B Dr. Bernd Protzner CDU/CSU . . . . . . . . . 9527 A Tagesordnungspunkt 5: Zweite und dritte Beratung des von den Ab- geordneten Erwin Marschewski, Wolfgang Zeitlmann, weiteren Abgeordneten und der Fraktion CDU/CSU eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Änderung des Plenarprotokoll 14/102 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 102. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2000 I n h a l t : Gesetzes überdas Ausländerzentralregis- ter und zur Einrichtung einerWarndatei (Drucksachen 14/1662;14/2745) . . . . . . . . 9528 B Hartmut Koschyk CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 9528 C Eckhardt Barthel (Berlin) SPD . . . . . . . . . . . 9530 D Dr. Guido Westerwelle F.D.P. . . . . . . . . . . . . 9532 C Marieluise Beck (Bremen) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9534 A Dr. Guido Westerwelle F.D.P. . . . . . . . . . 9534 D Ulla Jelpke PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9535 D Erwin Marschewski CDU/CSU . . . . . . . . . . 9536 D Dr. Guido Westerwelle F.D.P. . . . . . . . . . . . . 9538 A Erwin Marschewski (Recklinghausen) CDU/ CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9538 B Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär BMI 9538 C Tagesordnungspunkt 21: Überweisungen im vereinfachten Ver- fahren a) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu den Übereinkommen vom 19. Dezember 1996 über den Bei- tritt des Königreichs Dänemark, der Republik Finnland und des König- reichs Schweden zum Schengener Durchführungsübereinkommen und zu dem Übereinkommen vom 18. Mai 1999 über die Assoziierung der Re- publik Island und des Königreichs Norwegen (Drucksache 14/3247) . . . . . . . . . . . . . 9540 A b) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Investiti- onszulagengesetzes 1999 (Drucksache 14/3273) . . . . . . . . . . . . . 9540 B c) Erste Beratung des von den Abgeordne- ten Dr. Klaus Grehn, Dr. Ruth Fuchs, weiterer Abgeordneter und der Fraktion PDS eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (Viertes SGB III-Än- derungsgesetz) (Drucksache 14/3044) . . . . . . . . . . . . . 9540 B d) Antrag der Abgeordneten Eva-Maria Bulling-Schröter, Rosel Neuhäuser, weiterer Abgeordneter und der Fraktion PDS: Ressourcenverbrauch der Bun- desrepublik Deutschland statistisch besser abbilden (Drucksache 14/2654) . . . . . . . . . . . . . 9540 C e) Antrag der Abgeordneten Heidemarie Ehlert, Dr. Barbara Höll, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion PDS: Übergangsregelungen bei der Ein- führung des Kapitalgesellschaften- und Co-Richtlinie-Gesetz (Drucksache 14/3078) . . . . . . . . . . . . . 9540 C f) Antrag der Abgeordneten Dr. Evelyn Kenzler, Roland Claus, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion PDS: Zeit- weilige Aussetzung der Möglichkeit zur Erhöhung der Nutzungsentgelte (Drucksache 14/3121) . . . . . . . . . . . . . 9540 D Tagesordnungspunkt 22: Abschließende Beratungen ohne Aus- sprache a) Zweite Beratung und Schlussabstim- mung des von der Bundesregierung ein- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 25. August 1998 zwi- schen der Bundesrepublik Deutsch- land und den Vereinigten Mexikani- schen Staaten überdie Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapital- anlagen (Drucksachen 14/2422;14/3129) . . . . 9541 A b) Zweite Beratung und Schlussabstim- mung des von der Bundesregierung ein- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 5. November 1998 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Antigua und Barbu- da über die Förderung und den gegen- seitigen Schutz von Kapitalanlagen (Drucksachen 14/2423; 14/3130) . . . . 9541 A c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Tech- nologie zu dem Antrag der Abgeordne- ten Wolfgang Börnsen (Bönstrup), Dietrich Austermann, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion CDU/CSU: Wirtschaftlicher Ausgleich und Übergangsregelung für Duty-free (Drucksachen 14/1206, 14/2103) . . . . 9541 B d) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Tech- nologie zu dem Antrag der Abgeordne- ten Gunnar Uldall, Kurt-Dieter Grill, weiterer Abgeordneter und der Fraktion CDU/CSU: Vorlage des Berichts zum Stromeinspeisungsgesetz (Drucksachen 14/2239, 14/2837) . . . . 9541 B Zusatztagesordnungspunkt 5: Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäfts- ordnung: Antrag auf Genehmigung zum Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2000II Vollzug gerichtlicher Durchsuchung- und Beschlagnahmebeschlüsse (Drucksache 14/3338) . . . . . . . . . . . . . . . . 9541 C Zusatztagesordnungspunkt 2: Aktuelle Stunde betr. Haltung der Bun- desregierung zur Erhöhung der Sicher- heit im Internet vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit dem „I LOVE YOU“-Virus Ute Vogt (Pforzheim) SPD . . . . . . . . . . . . . . 9541 D Sylvia Bonitz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 9542 C Grietje Bettin BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 9543 D Hans-Joachim Otto (Frankfurt) F.D.P. . . . . . 9545 A Angela Marquardt PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 9546 A Hubertus Heil SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9547 A Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn) CDU/CSU . 9548 A Matthias Berninger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9549 A Dieter Wiefelspütz SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 9550 C Elmar Müller (Kirchheim) CDU/CSU . . . . . 9551 D Siegmar Mosdorf, Parl. Staatssekretär BMWi 9552 D Alfred Hartenbach SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 9554 D Norbert Geis CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 9555 D Otto Schily, Bundesminister BMI . . . . . . . . . 9556 C Jörg Tauss SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9558 C Tagesordnungspunkt 6: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung von Vor- schriften über die Tätigkeit der Steuer- berater (Drucksachen 14/2667; 14 3282) . . . . . . . 9559 D Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9560 A Dr. Ilja Seifert PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 9561 C Hansgeorg Hauser (Rednitzhembach) CDU/ CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9563 A Christine Scheel BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 9565 B Dr. Ilja Seifert PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 9565 D Gerhard Schüßler F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . 9566 C Heidemarie Ehlert PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 9567 C Lydia Westrich SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9568 B Dr. Ilja Seifert PDS (Erklärung nach § 31 GO) 9570 C Tagesordnungspunkt 7: Antrag der Abgeordneten Norbert Hauser (Bonn), Norbert Röttgen, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion CDU/CSU: Si- cherung der außeruniversitären inter- disziplinären Grundlagenforschung in der Informations- und Kommunikati- onstechnik (Drucksache 14/3097) . . . . . . . . . . . . . . . . 9571 A Norbert Hauser (Bonn) CDU/CSU . . . . . . . . 9571 A Stephan Hilsberg SPD . . . . . . . . . . . . . . . 9572 A Wolf-Michael Catenhusen, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9573 A Norbert Hauser (Bonn) CDU/CSU . . . . . 9573 D Cornelia Pieper F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9575 C Hans-Josef Fell BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 9576 D Maritta Böttcher PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9578 B Jörg Tauss SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9579 B Steffen Kampeter CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 9581 A Tagesordnungspunkt 8: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zu dem Antrag der Abgeordneten Ursula Burchardt, Jörg Tauss, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion SPD sowie der Abgeordneten Hans- Josef Fell, Matthias Berninger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Strategie für eine Nachhaltige Informationstechnik (Drucksachen 14/2390, 14/2814) . . . . . . . 9582 C Ursula Burchardt SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9582 D Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn) CDU/CSU 9585 B Winfried Hermann BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9586 C Cornelia Pieper F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9588 A Angela Marquardt PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 9588 D Jürgen Koppelin F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . 9589 A Jörg Tauss SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9589 D Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) CDU/CSU . 9591 A Tagesordnungspunkt 9: a) Erste Beratung des von den Abgeord- neten Dr. Dieter Thomae, Detlef Parr, weiteren Abgeordneten und der Frakti- on F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Sicherung einer ange- messenen Vergütung psychothera- peutischer Leistungen im Rahmen dergesetzlichen Krankenversicherung (Drucksache 14/3086) . . . . . . . . . . . . . 9592 C Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2000 III b) Antrag der Abgeordneten Dr. Ruth Fuchs, Dr. Ilja Seifert, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion PDS: Exis- tenzsichernde Vergütung der psycho- therapeutischen Versorgung gewähr- leisten (Drucksache 14/2929) ... . . . . . . . . . . . 9593 A Dr. Dieter Thomae F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . 9593 A Helga Kühn-Mengel SPD . . . . . . . . . . . . . . . 9594 B Aribert Wolf CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 9596 D Horst Schmidbauer (Nürnberg) SPD . . . . . . 9600 A Aribert Wolf CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 9600 D Katrin Dagmar Göring-Eckardt BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9601 B Dr. Ruth Fuchs PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9602 D Gudrun Schaich-Walch SPD . . . . . . . . . . . . . 9604 A Aribert Wolf CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 9604 D Gudrun Schaich-Walch SPD . . . . . . . . . . . . . 9605 A Tagesordnungspunkt 10: Antrag der Abgeordneten Ernst Küchler, Dr. Ernst Dieter Rossmann, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion SPD sowie der Abgeordneten Matthias Berninger, Ekin Deligöz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Lebensbegleitendes Lernen für alle – Weiterbildung ausbauen und stärken (Drucksache 14/3127) . . . . . . . . . . . . . . . . 9605 C Ernst Küchler SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9605 D Werner Lensing CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 9608 A Matthias Berninger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9610 A Cornelia Pieper F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9611 C Maritta Böttcher PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9612 D Wolf-Michael Catenhusen, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9613 D Werner Lensing CDU/CSU . . . . . . . . . . . 9614 C Ina Lenke F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9615 C Heinz Wiese (Ehingen) CDU/CSU . . . . . . . . 9616 A Tagesordnungspunkt 11: Antrag der Abgeordneten Dr. Norbert Lammert, Bernd Neumann (Bremen), wei- terer Abgeordneter und der Fraktion CDU/CSU: Hauptstadtkulturförderung (Drucksache 14/3182) . . . . . . . . . . . . . . . . 9617 C Dr. Norbert Lammert CDU/CSU . . . . . . . . . 9617 D Dr. Michael Naumann, Staatsminister BK . . . 9619 C Franziska Eichstädt-Bohlig BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9622 A Dr. Günter Rexrodt F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . 9624 A Dr. Heinrich Fink PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9625 B Eckhardt Barthel (Berlin) SPD . . . . . . . . . . . 9626 B Steffen Kampeter CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 9628 B Dr. Christian Stölzl, Senator (Berlin) . . . . . . . 9630 A Tagesordnungspunkt 12: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- wärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Fraktionen SPD, CDU/CSU, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und F.D.P.: Die Rolle der Interparlamentarischen Union (IPU) im Zeitalter der Globalisierung (Drucksachen 14/1567, 14/2951) . . . . . . . 9631 A Tagesordnungspunkt 13: Antrag der Abgeordneten Dr. Ilja Seifert, Eva-Maria Bulling-Schröter, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion PDS: Bundes- stiftung „Entschädigung für NS-Un- recht“ gründen und Entschädigung von NS-Opfern der Zwangssterilisation und der Euthanasie in die Wege leiten (Drucksache 14/2298) . . . . . . . . . . . . . . . . 9631 C Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9631 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 9633 A Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zur Be- schlussempfehlung: Die Rolle der Interparlamentarischen Union (IPU) im Zeitalter der Globalisierung (Tagesord- nungspunkt 12) Dieter Schloten SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9633 C Dr. Rita Süssmuth CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 9635 C Dr. Angelika Köster-Loßack BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9636 B Ulrich Irmer F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9636 D Petra Bläss PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9637 B Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Bundesstiftung „ Entschädigung Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2000IV für NS-Unrecht“ gründen und Entschädi- gung von NS-Opfern der Zwangssterilisation und der Euthanasie in die Wege leiten (Tages- ordnungspunkt 13) Bernd Reuter SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9638 A Martin Hohmann CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 9638 D Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 9639 D Dr. Max Stadler F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9640 C Dr. Ilja Seifert PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9641 B Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2000 V Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2000
  • folderAnlagen
    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2000 Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms 9631 (C)(A) 1 Anlage 2 2 Anlage 3 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2000 9633 (C) (D) Altmaier, Peter CDU/CSU 11.05.2000 Dr. Blank, CDU/CSU 11.05.2000 Joseph-Theodor Carstensen (Nordstrand), CDU/CSU 11.05.2000 Peter H. Dreßler, Rudolf SPD 11.05.2000 Dr. Dückert, Thea BÜNDNIS 90/ 11.05.2000 DIE GRÜNEN Dr. Eid, Uschi BÜNDNIS 90/ 11.05.2000 DIE GRÜNEN Flach, Ulrike F.D.P. 11.05.2000 Gebhardt, Fred PDS 11.05.2000 Dr. Hornhues, CDU/CSU 11.05.2000 Karl-Heinz Dr. Hoyer, Werner F.D.P. 11.05.2000 Imhof, Barbara SPD 11.05.2000 Dr. Kahl, Harald CDU/CSU 11.05.2000 Klinkert, Ulrich CDU/CSU 11.05.2000 Moosbauer, Christoph SPD 11.05.2000 Müller (Berlin), PDS 11.05.2000 Manfred Neuhäuser, Rosel PDS 11.05.2000 Nickels, Christa BÜNDNIS 90/ 11.05.2000 DIE GRÜNEN Ohl, Eckhard SPD 11.05.2000 Dr. Rüttgers, Jürgen CDU/CSU 11.05.2000 Schmitz (Baesweiler), CDU/CSU 11.05.2000 Hans Peter Dr. Waigel, Theodor CDU/CSU 11.05.2000 Wiesehügel, Klaus SPD 11.05.2000 Wolf (Frankfurt), BÜNDNIS 90/ 11.05.2000 Margareta DIE GRÜNEN Zierer, Benno CDU/CSU 11.05.2000* Dr. Zöpel, Christoph SPD 11.05.2000 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versamm- lung des Europarates entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten (A) (B) Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung: Die Rolle der Interparlamentarischen Union (IPU) im Zeitalter der Globalisierung (Tagesordnungs- punkt 12) Dieter Schloten (SPD):Ich möchte die Gelegenheit nutzen, bei einem Antrag zur Rolle der IPU im Zeitalter der Globalisierung, der in den Gremien des Deutschen Bundestages unstrittig ist, über die soeben in der jordani- schen Hauptstadt Amman beendete 103. Interparlamenta- rische Konferenz zu berichten. Sie hat die Bedeutung der IPU als der einzigen weltweiten, 139 Parlamente umfas- senden Organisation nachhaltig unterstrichen. Wenn mehr als 700 Parlamentarier, 600 weitere Delegierte und Sach- verständige sowie Vertreter zahlreicher internationaler Organisationen zusammentreffen, hat dies Auswirkungen auf die politische, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Gestaltungsmöglichkeit in einer immer schneller zusam- menwachsenden Welt. Zugleich ist die IPU ein Forum in- ternationaler Kontakte. So hat die deutsche Delegation in Amman intensive Gespräche geführt mit Delegationen aus: Äthiopien, Indien, Israel, Jordanien, Libyen, Ma- rokko, Mexiko, Palästina, Tunesien und Uruguay. Die 103. Interparlamentarische Konferenz hat sich mit drei wichtigen Themenbereichen befasst, deren Ergeb- nisse nunmehr weltweit von den Parlamenten den Regie- rungen zugeleitet werden. Die Regierungen sind auf- gefordert, die erforderlichen Maßnahmen umzusetzen. Natürlich ist die Erfüllung einer interparlamentarischen Verpflichtung nicht in allen Ländern gleichgewichtig ge- währleistet. Gleichwohl wird und muss die Botschaft ei- ner im Konsenswege oder mit großer Mehrheit angenom- menen Resolution aufgegriffen und umgesetzt werden. Als Beispiel möchte ich die Frage der palästinensischen Flüchtlinge nennen. Über dieses Thema, auf das ich spä- ter näher eingehen werde, haben wir in Amman tagelang kontrovers diskutiert. Gewiss wird es Gegenstand heftiger Debatten in den Parlamenten der arabischen Staaten und in der Knesset sein. Die Konferenz in Amman befasste sich mit zwei or- dentlichen Tagesordnungspunkten und einem Zusatzta- gesordnungspunkt. „Frieden, Stabilität und umfassende Entwicklung in der Welt zu erreichen mit dem Ziel, engere politische, wirtschaftliche und kulturelle Bindungen zwischen den Völkern“ zu schaffen, hieß der erste Tagesordnungspunkt. Er war weitgehend unumstritten. Schwieriger gestalteten sich die Diskussionen um den zweiten Tagesordnungspunkt: „Dialog zwischen Zivilisa- tionen und Kulturen“. Es war bereits vor einem Jahr in Brüssel gemeinsam von der deutschen und der iranischen Delegation für die Konferenz in Amman vorgeschlagen worden. Hierbei hatte die deutsche Delegation unter Fe- derführung der Kollegin Monika Griefahn gemeinsam mit Frau Professor Süssmuth ausgezeichnete Vorarbeit geleistet, sodass der deutsche Entwurf zur Grundlage für die Diskussion im Redaktionsausschuss wurde. Leider konnte Frau Professor Süssmuth wegen einer Erkrankung nicht an der Konferenz in Amman teilnehmen. Frau Griefahn hat in Kooperation mit unseren britischen Kol- leginnen und Kollegen, die ihren Entwurf zugunsten des deutschen zurückgestellt haben, durch geschicktes Ver- handeln die wesentlichen Ziele unseres Entwurfes erfolg- reich durchsetzen können, nämlich kulturelle Vielfalt, kulturelle Bereicherung und eine weltweite Zivilgesell- schaft. Die einstimmige Beschlussfassung in Ausschuss und Versammlung hat schließlich – trotz vorheriger Ein- wände einiger Staaten – sogar dazu geführt, dass die Kon- ferenz den Vorrang der Achtung der Menschenrechte vor kulturellen Traditionen und Dogmen anerkannt hat. In einem Zusatztagesordnungspunkt befasste sich die Konferenz mit der „Rolle von Parlamenten, das Recht der durch Krieg und Besatzung betroffenen Flüchtlinge und Vertriebenen sowie ihre Repatriierung zu unterstüt- zen sowie die internationale Zusammenarbeit bei Ent- wicklung und Anwendung von Strategien zu vertiefen, die darauf ausgerichtet sind, kriminelle Aktivitäten des Menschenhandels zu bekämpfen“. Dieser Tagesord- nungspunkt war aufgrund der Situation der Flüchtlinge im Nahen Osten, insbesondere in Jordanien selbst, das 1,4 Millionen palästinensische Flüchtlinge beherbergt, der umstrittenste Punkt. Dennoch war die Zusammenarbeit zwischen den Delegierten gekennzeichnet durch Ver- ständnis, gegenseitige Rücksichtnahme und insbesondere Offenheit gegenüber den Argumenten anderer. Ein Kom- promiss musste gefunden werden. In diesem Tagesord- nungspunkt wurde nämlich nicht nur die Berücksichti- gung des Flüchtlingsproblems im Nahen Osten, sondern in allen Teilen der Welt gefordert, zum Beispiel auf dem Balkan, im Kaukasus und in Teilen Afrikas. Für die Zu- stimmung sollte jedoch die gesamte arabische Welt ge- wonnen werden. Nachdem es den arabischen Kollegen gelungen war, im politischen Ausschuss eine etwas ra- dikale Lösungsformulierung durchzusetzen, lautet der Kompromissvorschlag, den ich gemeinsam mit dem Parlamentspräsidenten Jordaniens, der zugleich Konfe- renzpräsident war, gefunden habe, folgendermaßen: Die 103. Interparlamentarische Konferenz bekun- det – ohne die Flüchtlingsprobleme in anderen Tei- len der Welt aus dem Auge zu verlieren – ihre nach- drückliche Unterstützung für alle Bemühungen um einen gerechten, dauerhaften und umfassenden Frie- den im Nahen Osten, einschließlich des Rechts der palästinensischen Flüchtlinge auf Rückkehr im Ein- klang mit der VN Resolution 194, dem in der Kon- ferenz in Madrid festgelegten Grundsatz Land für Frieden, und die Durchführung der Resolutionen des Sicherheitsrates 242, 338 und 425 und des Vertrages von Oslo. In dieser Kompromissformulierung, die nach einigem Zögern zunächst von dem palästinensischen Delegations- leiter und dann auch von sämtlichen arabischen Delega- tionen unterstützt wurde, sehe ich einen Erfolg, sowohl für die Lage der Flüchtlinge als auch für die Ernsthaftig- keit, bei schwierigen Problemstellungen in der IPU eine positive Zusammenarbeit sicherzustellen. Der Wermuts- tropfen war, dass sich die israelische Delegation in diesem Punkte nicht in der Lage sah, einen Schritt nach vorne zu tun. Obwohl ich die israelischen Delegierten ständig über den Gang der Verhandlungen informiert habe, behaupte- ten sie in der Konferenz, sie seien nicht involviert gewe- sen und lehnten von vornherein jeden Kompromiss ab. Andererseits war diese Entwicklung wichtig für die guten deutsch-arabischen Beziehungen. Ich möchte an dieser Stelle ein Wort des Dankes an unseren Botschafter in Am- man, Herrn Dr. Martin Schneller, richten, der die deutsche Delegation während der gesamten Zeit unterstützt hat, so- wie an die anwesenden Mitarbeiter des Auswärtigen Am- tes und des Bundestages für die große Unterstützung, die sie der Delegation und insbesondere mir als ihrem Leiter gewährt haben. Erwähnen möchte ich auch die Breite des Spektrums wichtiger Konferenzbereiche, bei denen die IPU entspre- chend ihrer Zielsetzung nach friedlicher Zusammenarbeit in immer stärkerem Maße tätig wird. Lassen Sie mich bei- spielhaft folgende Problemfelder anführen, die kontinu- ierlich und mit großem Sachverstand und hohem Engage- ment bearbeitet werden: Der Ausschuss für die Menschenrechte von Parlamen- tariern befasst sich mit der Verletzung der Menschen- rechte demokratisch gewählter Kolleginnen und Kolle- gen, deren Schicksal uns nicht gleichgültig sein darf. Un- sere Aufgabe ist es, sowohl bei Besuchen in den betroffenen Ländern als auch als Gastgeber von Parla- mentsdelegationen aus diesen Ländern alles zu tun, um ih- nen die Ausübung ihres Mandats auf den Grundlagen des Rechtsstaates zu ermöglichen. Als Beispiele möchte ich erstens den Präsidentschaftskandidaten der RPG bei den letzten Präsidentschaftswahlen in Guinea, Herrn Alpha Condé, nennen. Er befindet sich seit Oktober letzten Jah- res ohne stichhaltige Begründung im Gefängnis. Ich würde mich freuen, wenn es wegen der guten Kontakte zwischen Deutschland und Frankreich auf Regierungs- ebene gelänge, den französischen Präsidenten dazu zu be- wegen, seinen Einfluss beim Präsidenten Guineas geltend zu machen, um Herrn Condé wieder zur Freiheit zu ver- helfen. Zweitens möchte ich das Beispiel Burma bzw. Myan- mar anführen, wo nach wie vor zwischen 20 und 30 frei gewählte Abgeordnete seit Jahren im Gefängnis sitzen. Mit der Unterstützung von lateinamerikanischen Delega- tionen ist es mir gelungen, am letzten Tag der Konferenz das Thema „Menschenrechtsverletzungen an Parlamenta- riern“ zum Konferenzthema für die nächste IPU Konfe- renz in Jakarta im Oktober dieses Jahres zu machen. Erwähnen möchte ich auch die Gruppe, die sich mit der Gleichstellung der Geschlechter befasst. Sie bemüht sich intensiv und erfolgreich darum, die Rolle der Frau und der Parlamentarierinnen weiter voranzubringen. Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, dass der Deutsche Bundestag diesen Auftrag vorbildlich er- füllt. Die achtköpfige Delegation des Deutschen Bundes- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 20009634 (C) (D) (A) (B) tages bei der Konferenz in Amman bestand aus fünf Frauen und drei Männern. Der Ausschuss für Nahostfragen ist ein weiteres wich- tiges Gremium, und ich freue mich, dass unsere Kollegin Frau Dr. Angelika Köster-Loßack als neues Mitglied in diesen ständigen Ausschuss gewählt wurde. Abschließend möchte ich noch zwei Punkte erwähnen. Sie beinhalten das Verhältnis zwischen der IPU und den Vereinten Nationen sowie die wachsende Bedeutung der Gruppe der Zwölf Plus in der IPU. Zum Ersten. In einer Studie des Generalsekretärs zur Reform der IPU ist der Vorschlag unterbreitet worden, die Zusammenarbeit mit den VN zu verstärken und der IPU die Rolle einer parlamentarischen Dimension der VN zu verleihen. Die bevorstehende Millenniumskonferenz aller Parlamentspräsidenten der Welt in New York vom 30. Au- gust bis 1. September 2000 sowie der jährliche Zusam- mentritt von Parlamentariern aus aller Welt während der Generalversammlung weisen in diese für die IPU so wich- tige Richtung. Wir alle sollten ein hohes Interesse daran haben, den Vereinten Nationen eine parlamentarische Di- mension zur Seite zu stellen, deren Kontrollfähigkeiten neben den VN auch andere internationale Organisationen umfassen. Seattle und Washington, das heißt die Tagun- gen von WTO und IMF, haben deutlich die Notwendig- keit gezeigt, die parlamentarische Dimension auch hier einzubringen. Konkrete Vorschläge werden zurzeit von deutscher Seite sowie von anderen Delegationen erarbei- tet. Wir wollen versuchen, diese Entwürfe in Jakarta zu einem gemeinsamen Vorschlag zu bündeln. Zum Zweiten. Die Bedeutung der vor 25 Jahren durch unseren damaligen Kollegen Dr. Klaus von Dohnanyi, Georg Kliesing und Dr. Uwe Holtz gegründeten geopoli- tischen Gruppe der Zwölf Plus – das sind die Mitglieder des Europarates ohne ehemalige GUS-Staaten sowie Aus- tralien, Kanada, Neuseeland und USA–, deren Vorsitzen- der ich seit 1998 bin, nimmt ständig an Gewicht zu. Diese Gruppe, etwa einer Fraktion vergleichbar, ist der Motor der Demokratisierung in der IPU. Insgesamt gehören die- ser Gruppe nunmehr 43 Mitgliedsländer sowie drei Beob- achter-Delegationen aus dem Europäischen Parlament, der Parlamentarischen Versammlung des Europarates so- wie der Knesset an. Wir unterhalten intensive Beziehun- gen zu den übrigen sechs geopolitischen Gruppen in der IPU. Mit der Gruppe Lateinamerikas haben wir in Amman vereinbart, gemeinsam eine Arbeitsgruppe zur Reform der IPU einzurichten. Auf der Millenniumskonferenz in New York soll die inhaltliche Abstimmung abschließend erfolgen. Ich freue mich in diesem Zusammenhang darüber, dass der Bun- destagspräsident an der Millenniumskonferenz teilneh- men wird. Seine Anwesenheit wird dazu beitragen, die parlamentarische Dimension der VN auf einen weiteren erfolgreichen Weg zu bringen. Die 103. IPU Konferenz in Amman hat gezeigt, dass parlamentarische Diplomatie nicht gegen, sondern in Er- gänzung zur Außenpolitik der Regierungen einen Beitrag zu Frieden und Demokratie in unserer Welt leisten kann, für die wir gemeinsam Verantwortung tragen. Dr. Rita Süssmuth (CDU/CSU): Die IPU hat sich im 20. Jahrhundert von einer kleinen Vereinigung zu einer weltweiten Parlamentarierversammlung ent- wickelt mit Parlamentariern und Parlamentarierin- nen aus 138 Mitgliedstaaten. Sie ist ein parlamentari- sches Forum, das wie kein anderes Demokratie, Rechts- staatlichkeit und Frieden fördert. Dort begegnen sich unterschiedliche politische Systeme und Kulturen, arme und reiche Kontinente. Dort kommen Krieg und Frieden, Flüchtlings- und Armutsprobleme, Weltwirtschaftsord- nung, gerechte Teilhabe an Entwicklung zur Sprache. Auf Initiative der deutschen Delegation, es war damals Dr. Klaus von Dohnanyi, wurde in der IPU die Gruppe der 12 mit Mitgliedern des Europarats gebildet. Die Präsi- dentschaft von Hans Stercken (1985–1988) und sein Wir- ken für die IPU sind unvergessen. Die Parlamentarier der Bundesrepublik Deutschland haben stets einen sehr akti- ven Part in der IPU gespielt, Themenvorschläge für das Plenum sowie Resolutionen eingebracht. Parlamentarier unterschiedlicher politischer Systeme, mit geringerer und voller Demokratieentwicklung disku- tieren zu Themen wie dem Krieg auf dem Balkan, eine neue gerechtere Weltwirtschafts- und Handelsordnung, friedliche Lösung von Konflikten, Dialog der Kulturen. Es ist ein parlamentarisches Forum, das den Austausch gemeinsamer und höchst gegensätzlicher Positionen an- strebt. Ich kenne keine Institution, die in vergleichbarer Weise für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und gewaltlose, fried- liche Konfliktlösungen eintritt. Delegationen der Mit- gliedstaaten zeigen, dass freie Rede, mit Pro und Contra in der Debatte, Einübung und Einhaltung parlamentari- scher Regeln im Plenum und in den Ausschüssen sowie im Umgang miteinander Chancen für die Demokratie sind, die gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kön- nen. Es treffen sich Parlamentarier aus allen Kontinenten, aus unterschiedlichen Kulturen, mit sehr unterschiedli- chen Entwicklungsbedingungen und Entwicklungsni- veaus, Länder und Kulturen, die Partnerschaft und Gleichbehandlung wollen, die um Anerkennung werben und Klage führen über Diskriminierung, Benachteiligung und Ausgrenzung. Regionen mit anhaltenden militäri- schen Auseinandersetzungen und Bürgerkriegen, Flücht- lings- und Armutsproblemen begegnen Parlamentariern aus friedlichen Regionen, armen und reichen. Parlamentarische Aufgaben sind wechselseitiges Ver- stehen und Verständigung, Erörterung der Probleme in Rede und Gegenrede, Achtung der jeweils anderen Kul- turen, auch Verständigung darüber, welche Werte und Normen gelten bzw. gelten sollen. Wollen wir den „Kampf der Kulturen“ vermeiden, soll an die Stelle der Konfrontation ein kooperatives Miteinander treten, dann ist es unabdingbar, kulturelle Gemeinsamkeiten und Un- terschiede in persönlicher Begegnung zu erörtern und auf diese Weise wechselseitige Kenntnis, Achtung und Ver- trauen aufzubauen. Kontroversen haben klärende und annähernde Funktion. Auf der Brüsseler IPU-Tagung 1999 wurde mit großer Heftigkeit die Intervention der NATO im Kosovo disku- tiert, um die massive Verletzung von Menschenrechten Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2000 9635 (C) (D) (A) (B) und den brutalen Einsatz von Gewalt zu beenden. Die IPU ist ein parlamentarisches Forum, das Gelegenheit gibt, politische Entscheidungen zu erklären, sie zu begründen, sich der Kritik argumentativ zu stellen. Dabei ging es in dieser Auseinandersetzung nicht nur um die gegenwärtige und zukünftige Rolle der UNO, sondern auch um die Frage, ob Menschenrechtsfragen nur in bestimmten Tei- len der Welt oder überall in der Welt gleiche Unterstüt- zung erfahren und welche Rolle dabei die UNO in Zu- kunft haben wird. Begegnung und Austausch finden nicht nur im Plenum und in den Ausschüssen, sondern auch in vielen informel- len Kontakten statt. Die werden von den Delegationen auch gesucht, und zwar aus allen Teilen der Welt: aus der lateinamerikanischen, afrikanischen, asiatischen und ara- bischen Welt. Lassen Sie mich abschließend zu einem für die IPU wichtigen Anliegen kommen, nämlich die Zusammenar- beit zwischen IPU und UNO. Die IPU fordert die An- wendung demokratischer Prinzipien auch auf die interna- tionalen Beziehungen sowie weltweit operierende Orga- nisationen wie zum Beispiel die UNO. Ziel ist es, die IPU zur parlamentarischen Dimension der Vereinten Nationen zu machen. Im Sommer dieses Jahres werden die Präsidenten der IPU-Mitgliedsparla- mente bei den Vereinten Nationen zu einer Konferenz zu- sammenkommen, ein wichtiges Zeichen für die parla- mentarische Dimension dieser Organisation. Damit die in der IPU geleistete Arbeit in ihrer politi- schen Wirksamkeit erhöht wird, fordert der Deutsche Bundestag die Bundesregierung auf, die von der IPU ver- abschiedeten Resolutionen nicht nur in der Bundesrepu- blik Deutschland, sondern auch in internationalen Gre- mien und Institutionen zu implementieren, in denen Deutschland Mitglied ist. Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte weltweit zum Erfolg zu bringen, das ist eine begeisternde und lohnende Aufgabe. Dr. Angelika Köster-Loßack (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die 103. Interparlamentarische Konferenz in Amman fällte wichtige Entscheidungen zu drei Themen- schwerpunkten. „Frieden, Stabilität und umfassende Ent- wicklung in der Welt zu erreichen mit dem Ziel, engere politische, wirtschaftliche und kulturelle Bindungen zwi- schen den Völkern zu schaffen“, war ein zielorientiertes Thema. Auf der Ebene weitgehender Abstraktion von konkreten Situationen gab es zu diesem Punkt keine größeren Auseinandersetzungen. Diese entstanden beim zweiten Tagesordnungspunkt über den Dialog zwischen Zivilisationen und Kulturen, den gemeinsam von Deutschland und dem Iran einge- reichten Vorschlag. Es gelang jedoch, bei der Schlussab- stimmung die universelle Gültigkeit der Menschenrechte und ihre Achtung vor jeglicher Relativierung durch kultu- relle Traditionen festzuschreiben. Die Auseinandersetzungen fanden einen schmerzli- chen Höhepunkt bei der Diskussion zum Thema „Rolle von Parlamenten, das Recht der durch Krieg und Besat- zung betroffenen Flüchtlinge und Vertriebenen sowie ihre Repatriierung zu unterstützen sowie die internationale Zusammenarbeit bei Entwicklung und Anwendung von Strategien zu vertiefen, die darauf ausgerichtet sind, kri- minelle Aktivitäten des Menschenhandels zu bekämp- fen.“ Dieser Zusatztagesordnungspunkt wurde zum Objekt der Auseinandersetzung zwischen den am nahöstlichen Friedensprozess beteiligten Vertretern. Ein durch das Re- daktionskomitee verhandelter Kompromissvorschlag, der auch die Zustimmung der israelischen Delegation gefun- den hatte, wurde auf der nächsten Ebene der Beschluss- fassung wieder verworfen. In dieser neuen Fassung war, auf Betreiben insbesondere der palästinensischen Beob- achterdelegation, jeglicher Hinweis auf Flüchtlingssitua- tionen in der Welt gestrichen worden. Dem Einsatz des Kollegen Dieter Schloten ist es zu verdanken, dass in der abschließenden Plenarsitzung ein Kompromissvorschlag verabschiedet werden konnte. Leider hat die israelische Delegation diesen Vorschlag nicht mehr mittragen kön- nen. Wir werden versuchen, dass solche Konfliktsituatio- nen in Zukunft bei den Vorbereitungsverhandlungen ge- klärt werden können. Eine sehr produktive und konsensorientierte Debatte fand unter den Parlamentarierinnen in eigenständigen Sit- zungen statt. Die IPU, insbesondere ihre Frauenpolitike- rinnen, hat sich seit der Verabschiedung der Aktionsplatt- form von Beijing im Jahre 1995 unablässig darum bemüht, diese Forderungen den Parlamenten in aller Welt nahe zu bringen. Zu diesem Zweck wurde eine Dokumentation erstellt, die eine generelle Bestandsaufnahme der Entwicklung weiblicher politischer Partizipation in aller Welt zusam- mengefasst. Untersucht wurde auf der Basis der bei den VN eingegangenen Regierungsberichten die Repräsen- tanz von Frauen in nationalen Parlamenten, politischen Parteien, Regierungen und der IPU selbst. Angesichts der fünf Jahre nach der Weltfrauenkonfe- renz noch immer mächtigen Widerstände gegen die Um- setzung der Forderungen von Beijing wünsche ich der von der IPU geplanten Sitzung bei den Vereinten Nationen in New York den für Frauen in aller Welt so notwendigen Er- folg bei der Überzeugungsarbeit. Ulrich Irmer (F.D.P.): Fragt man den statistischen Durchschnittsbürger, welche Stichworte ihm zum Thema der Globalisierung einfallen, so wird er wahrscheinlich antworten: Internet, Welthandel, Unternehmenszusam- menschlüsse, Auslandsinvestitionen, Standortvorteile und Arbeitsplätze. Der ungehinderte Austausch von Wa- ren, Dienstleistungen und Informationen ist jedoch nur eine Seite der Globalisierung. Ebenso wichtig ist die welt- weite Durchsetzung demokratischer Werte. In den zehn Jahren nach dem Zerfall des Sowjetimpe- riums ist die Globalisierung der Demokratie so weit fort- geschritten, dass nur noch einige wenige bornierte Des- poten vom Schlage des Kim Jong Il oder des Fidel Castro ernsthaft meinen, sie könnten die politische Weltkugel Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 20009636 (C) (D) (A) (B) aufhalten. Aber selbst diese Dinosaurier nehmen für sich in Anspruch, Demokraten zu sein. Demokratie und Men- schenrechte sind heute zur Ordre public der Weltinnenpo- litik geworden. Demokratie ist eine ansteckende Gesund- heit, deren wohltuende Erreger inzwischen ganze Konti- nente dauerhaft infiziert haben. Wer hätte etwa vor nur zehn Jahren zu hoffen gewagt, dass ganz Lateinamerika – von der genannten Ausnahme einmal abgesehen – zu Be- ginn des 21. Jahrhunderts demokratisch regiert werden würde? Noch vor wenigen Jahren wurde unter Politikwissen- schaftlern darüber diskutiert, ob es nicht neokoloniales Gehabe sei, den Entwicklungsländern eurozentrische De- mokratievorstellungen überstülpen zu wollen. Heute ha- ben sich faire und freie Wahlen, Gewaltenteilung und de- mokratische Kontrolle als gesellschaftliche Ordnungs- prinzipien fast überall durchgesetzt. Die Einhaltung demokratischer Spielregeln ist zu einer weltweit aner- kannten Voraussetzung für Entwicklungszusammenarbeit geworden. Pompöse Parlamentsgebäude, deren Oppositi- onsbänke verwaist sind und elektronische Abstimmungs- anlagen ohne Nein-Taste, wie unlängst noch auf Reisen in die so genannte Dritte Welt zu bewundern, sind heute kaum noch zu finden. Dass dies so ist, ist vor allem ein Verdienst einer der äl- testen multilateralen Organisationen, der Interparlamen- tarischen Union, die 1889, lange vor Erfindung des Inter- nets, des Fernsehens, des Radios, ja sogar vor Einführung des Telefons, ihren Kampf für die Globalisierung der De- mokratie begonnen hat. Auch wenn nicht immer alle Mit- gliedsparlamente einer strengen demokratischen Über- prüfung standgehalten haben, hat sich doch der mit der IPU verbreitete Demokratiebazillus als sehr reprodukti- onsfreundlich und widerstandsfähig erwiesen. Heute kämpfen fast 140 Mitgliedsländer zusammen mit anderen multilateralen Organisationen für eine vollständige und unwiderrufliche weltweite Durchsetzung von Demokratie und Menschenrechten. So hat die IPU seit 1966 in über 700 Fällen zugunsten von inhaftierten Volksvertretern in- terveniert. Heute leistet die IPU umfassende Demokrati- sierungshilfe in vielen Entwicklungsländern. 112 Jahre nach ihrer Gründung und zu Beginn des neuen Jahrtausends ist die Vision einer demokratischen Welt so greifbar wie nie zuvor. Doch selbst in einer Welt, in der sich Menschenrechte, Demokratie und Marktwirt- schaft durchgesetzt haben, kurz: in einer liberalen Welt, wird die IPU weiterhin wichtige Aufgaben zu erfüllen ha- ben. Die Tätigkeit der Parlamentarischen Versammlungen des Europarates, der NATO oder der OSZE zeigen, dass in einer immer näher zusammenrückenden Welt ein er- heblicher Koordinierungsbedarf zwischen demokrati- schen Volksvertretungen besteht. Vieles, was zu Zeiten der Nationalstaaten der ausschließlichen Regelungskom- petenz nationaler Parlamente vorbehalten war, bedarf im Zeitalter der Globalisierung multilateraler Abstimmung. Hier liegt eine der großen Herausforderungen der IPU als parlamentarisches Gegenstück zu den Vereinten Natio- nen. Petra Bläss (PDS): Die 103. Konferenz der Interpar- lamentarischen Union vergangene Woche in Amman hat gezeigt, wie wichtig der institutionalisierte internationale Dialog der Parlamentarierinnen und Parlamentarier aus aller Welt ist. Der Globalisierungsprozess stellt gerade hier eine wichtige Herausforderung dar. Denn der Hori- zont nationaler Parlamente reicht längst nicht mehr aus, den vor uns stehenden Problemen gerecht zu werden. Es waren zutiefst existenzielle Fragen, die im Mittel- punkt der Debatte standen: das Erreichen von Frieden, Stabilität und einer umfassenden Entwicklung in der Welt und der Aufbau engerer politischer, wirtschaftlicher und kultureller Beziehungen zwischen den Völkern sowie die Förderung des Dialogs zwischen Zivilisation und Kultu- ren. Die Parlamentarierinnen und Parlamentarier plädier- ten unter anderem für eine Stärkung der multilateralen Konfliktbewältigung von Organisationen wie UNO und OSZE und regten die Bildung weiterer regionaler und lo- kaler Zusammenschlüsse zur Konfliktprävention und zur Friedenssicherung an. Unsere Delegation hat der Debatte um den Dialog und den Austausch zwischen Zivilisatio- nen und Kulturen entscheidende Impulse gegeben. Nein, es gibt keine Alternative zum Dialog zwischen den Zivilisationen. Nur der Dialog führt zum friedlichen Zusammenleben der Völker und zur kulturellen Bereiche- rung der Menschen. Noch immer ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass die universell akzeptierten Menschen- rechte Grundlage jeder dialogfähigen Zivilisation und Kultur sein müssen. Die Toleranz gegenüber kulturellen Unterschieden und die Bereitschaft zum Dialog zwischen Kulturen und Zivilisationen dürfen keinen Vorwand für die Verletzung der Menschenrechte liefern. Da ich unmittelbar im Anschluss an die IPU-Konferenz an der Parlamentspräsidentenkonferenz der parlamentari- schen Versammlungen in Europa teilnahm, möchte ich an dieser Stelle auf eine Parallele der Debatten in Amman und Strasbourg aufmerksam machen, zumal sie unsere Arbeit in den nationalen Parlamenten betrifft: Die internationalen Zusammenhänge und Gremien, zu denen die IPU gehört, haben durch ihr stetes Engagement für Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit einen wichtigen Beitrag zur Demokratisierung geleistet. Nun gilt es aber, Wege zu finden, diesen großen Erfah- rungsschatz und seinen reichen Fundus völkerrechtlicher Bestimmungen durch eine verstärkte Rückkopplung zu den nationalen Parlamenten noch besser nutzbar zu ma- chen. Noch laufen zu viele internationale Initiativen ins Leere, werden zu viele in den nationalen Parlamenten nicht ausreichend wahrgenommen. Hinzu kommt, dass Konventionen unratifiziert bleiben, zum Teil auch wegen der Schwerfälligkeit der Entscheidungsverfahren in den Mitgliedstaaten. Der Ratifizierungsstand von Konventio- nen sollte daher Gegenstand regelmäßiger parlamentari- scher Prüfung und Beratung sein. Wir brauchen einen ge- regelten Informationsfluss zwischen den internationalen Zusammenhängen bzw. Organisationen und den nationa- len Parlamenten. Die Parlamentspräsidentinnen und -präsidenten aus 45 Staaten Europas waren sich einig, dass das Engagement für internationale Fragen und auswärtige Politik in den nationalen Parlamenten mehr gefördert und anerkannt werden muss. Es besteht eine Diskrepanz zwischen der Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2000 9637 (C) (D) (A) (B) Internationalisierung der Probleme einerseits und dem Festhalten an einer Art nationaler Kirchturmpolitik ande- rerseits. Zu einer modernen Politik gehört es schließlich auch, dass einmal erarbeitete internationale Grundsätze sowohl für die nationalen Parlamente als auch für Institu- tionen Geltung erlangen müssen, damit die Universalität der Menschenrechte weltweit gewährleistet wird. Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrages: Bundesstiftung „Entschädigung für NS-Unrecht“ gründen und Entschädigung von NS-Opfern der Zwangssteri- lisation und der Euthanasie in die Wege leiten (Tagesordnungspunkt 13) Bernd Reuter (SPD): 55 Jahre nach Ende des Zwei- ten Weltkrieges, ich erinnere an den 8. Mai, stehen auf der Tagesordnung des Deutschen Bundestages wiederholt Themen, die sich mit den furchtbaren Folgen dieses Krie- ges und eines verbrecherischen Regimes beschäftigen. Die Bundesrepublik Deutschland hat in umfangreicher Weise Entschädigung an die Opfer geleistet. Bis Januar 1999 wurden rund 104 Milliarden Mark an Entschädi- gungen auf der Grundlage von gesetzlichen und außerge- setzlichen Regelungen an Opfer auf der ganzen Welt ge- zahlt, dazu kommen nicht bezifferbare sonstige Leistun- gen in Milliardenhöhe nach Regelungen wie dem Gesetz über die Behandlung der Verfolgten des Nationalsozialis- mus in der Sozialversicherung u. Ä. Es wird eingeschätzt, dass in Zukunft für diese Regelungen ein weiterer Fi- nanzbedarf von 20 Milliarden Mark aufzubringen sein wird. Jährlich werden heute 1,5 Milliarden Mark geleis- tet. Wir müssen aber trotz dieses großen finanziellen Auf- wandes feststellen, dass es eine wirkliche Wiedergutma- chung für massenhafte Vernichtung von Leben, für schwerste gesundheitliche Schäden, für Demütigung und tiefste Verletzung der Menschenwürde nicht geben kann. Deshalb erkläre ich hier für die SPD-Fraktion: Die Re- habilitierung und die Verbesserung der Entschädigung für Opfer nationalsozialistischen Unrechts bleibt fortdau- ernde Verpflichtung. So auch nachzulesen in der Koaliti- onsvereinbarung zwischen SPD und Bündnis 90/Die Grü- nen. Und zu diesem Grundsatz stehen wir. Getragen von allen Fraktionen hat der Bundestag am 14. April 2000 das Gesetz zur Errichtung einer Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ zur Entschädi- gung von NS-Zwangsarbeit und weiterem NS-Unrecht behandelt. Diese Bundesstiftung ist ein ganz wichtiger Schritt zur Verbesserung der Entschädigungsleistungen und eine weitere enorme finanzielle Anstrengung des Bundes in Höhe von 5 Milliarden Mark. Ich möchte an dieser Stelle alle deutschen Unternehmen, die sich bisher der Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft verwei- gern, aufrufen, sich ihrer moralischen Verantwortung be- wusst zu werden und sich finanziell zu beteiligen. Eine abwartende Haltung der Unternehmen ist nicht zu tolerie- ren. Im Rahmen der Bundesstiftung werden vorrangig ehe- malige, noch lebende Zwangsarbeiter entschädigt, vor al- lem in den osteuropäischen Ländern, die bisher keinerlei Wiedergutmachung erfahren haben. Darüber hinaus lässt das Gesetz im Rahmen der finanziellen Ausstattung zu, dass durch die Partnerorganisationen Leistungen für sons- tige Personenschäden gewährt werden können, im Rah- men der finanziellen Mittel. Unter diesem Aspekt ist es besonders misslich, dass bei der Mittelverplanung die für diese Fälle zuständige Partnerorganisation, der so ge- nannte „Rest der Welt“, unterdurchschnittlich ausgestattet wurde. Insofern gilt es die Erfahrungen mit der Bundesstiftung abzuwarten. Wir wissen heute noch nicht, zumindest nicht so genau wie bei den anderen Partnerorganisationen, wie viele Anträge an diese noch zu findende Partnerorganisa- tion eingereicht werden. Wir werden im Herbst über diese Erfahrung verfügen und dann müssen wir neu beraten, auch über die im PDS- Antrag genannten „vergessenen Opfer“. Die aber, und das möchte ich ausdrücklich betonen, keine „vergessenen Op- fer“ sind. Die im Antrag angesprochenen Gruppen hatten und haben die Möglichkeit nach dem Bundesentschädi- gungsgesetz oder dem Allgemeinen Kriegsfolgengesetz und dazu erlassenen Härterichtlinien eine Entschädigung zu beantragen und in vielen Fällen auch erhalten. Euthanasie-Geschädigte und Zwangssterilisierte sind in diese Regelungen voll einbezogen worden. Wir werden auch zu reden haben über weitere Opfergruppen, die nach den vorbenannten Regelungen Anträge stellen konnten, das sind zum Beispiel psychiatrisch Verfolgte, Wehr- dienstverweigerer, Wehrkraftzersetzer, Homosexuelle, Asoziale, alles Gruppen, die der Verfolgung durch das NS-Regime unterlagen. Wir müssen uns dabei bemühen, nicht neue Lücken zu- zulassen und Ungerechtigkeiten vermeiden. In den ver- gangenen Jahren ist viel geleistet worden, aber es muss auf den Prüfstand, ob es der Schwere des Schicksals an- gemessen war und ist oder ob es Härten zu vermeiden gibt. Ich muss nochmals sagen, dass es eine wirkliche Wie- dergutmachung nicht geben kann. Und für sehr viele Op- fer kommt jegliche Entschädigung zu spät. Ich versichere Ihnen aber, dass keiner „vergessen“ wird. Die Bundesrepublik hat, anders als die ehemalige DDR, ihre Verantwortung für begangenes NS-Unrecht wahrgenommen und wird es weiter so handhaben. Aller- dings sehe ich nicht so einen großen Nachholbedarf wie den, der im PDS-Antrag gefordert wird. Aus diesen und den vorgenannten Gründen lehnen wir den Antrag ab. Martin Hohmann (CDU/CSU):Die Fraktion der PDS stellt den Antrag, eine Bundesstiftung „Entschädigung für NS-Unrecht“ zu gründen und die Entschädigung von NS- Opfern der Zwangssterilisation und der „Euthanasie“ in die Wege zu leiten. Es erübrigt sich klarzustellen, dass es keinen Dissens in der Verurteilung dieser schrecklichen Verbrechen gegen die Menschlichkeit gibt. Es erübrigt sich festzustellen, dass den Opfern und Angehörigen und Nachkommen der Opfer unser Mitgefühl gilt. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 20009638 (C) (D) (A) (B) Einerseits will die PDS wieselflink sein, andererseits kommt sie zu spät. Natürlich hat auch die PDS die rot- grüne Koalitionsvereinbarung gelesen. Dort steht in der Tat, dass neben der Bundesstiftung „Entschädigung für NS-Zwangsarbeit“ eine weitere Bundesstiftung „Entschä- digung für NS-Unrecht“ für die „vergessenen Opfer“ ein- gerichtet werden soll. Da nun die Verhandlungen und Ar- beiten für die Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ in ein abschließendes Stadium gekommen sind, will die PDS mit der Einbringung des vorliegenden An- trages demonstrativ zeigen: „Wir sind auf der Höhe der Zeit. Wir sind die Ersten, die das neue Thema auf die Ta- gesordnung bringen.“ So viel zur vergeblichen Schnellig- keit der PDS. Warum kommt die PDS gleichzeitig zu spät? Unser Staat, die Bundesrepublik Deutschland, musste nicht durch eine PDS-Initiative auf die Nöte dieser Op- fergruppen hingewiesen werden. Zu der Zeit unserer Re- gierungsverantwortung wurden für die Zwangssterilisier- ten die Sterilisationsentscheide der entsprechenden NS- Sondergerichte aufgehoben. Auch erhalten sie nach Prüfung ihrer Einkommens- und Vermögenslage Entschä- digungszahlungen. Es sind nicht unerhebliche Zahlungen an die Opfer geleistet worden. 5 000 DM an Zwangssteri- lisierte als einmalige Leistung und eine monatliche Bei- hilfe von zurzeit 120 DM. Härteleistungen nach dem All- gemeinen Kriegsfolgengesetz sind bei wirtschaftlicher Notlage zusätzlich möglich. An die „Euthanasie“-Ge- schädigten, also die Nachkommen von „Euthanasie“-Op- fern, können nach den Richtlinien zum Allgemeinen Kriegsfolgengesetz einmalige Beihilfen in Höhe von 5 000 DM bei entsprechenden Einkommensvoraussetzun- gen gezahlt werden. Keineswegs kann also behauptet werden, unser Gemeinwesen habe diese Opfergruppen vergessen. Das erkennt die PDS in der Antragsbegrün- dung sogar selbst an. Sie schreibt nämlich wörtlich, dass die erbrachten Leistungen „Hilfe“ waren. Was ist denn nun der wahre Grund für diese parlamen- tarische Initiative der PDS? Man wird den Eindruck nicht los, die PDS wolle mit ihren Forderungen nach Erhöhung der finanziellen Leistungen an diese Menschen sich in erster Linie selbst darstellen. Darstellen als Anwalt des Humanen, als Freund und Fürsprecher der Menschen, be- sonders von solchen, die Opfer wurden. Wie aber steht es tatsächlich um den humanen Ansatz der PDS? Ziemlich umfangreich geht die PDS in ihrem Antrag auf die Opfer der so genannten Euthanasie ein; in der na- tionalsozialistischen Terminologie Aktion T 4 genannt. Diese sah die Vernichtung von so genanntem lebensun- werten Leben vor. Diesen Ausdruck haben die National- sozialisten einer kleinen, im Jahre 1920 erschienenen Schrift entnommen. Die Autoren waren der Jurist Carl Binding und der Mediziner Alfred Hoche. Der genaue Ti- tel lautet: Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens, die Unterzeile: Ihr Maß und ihre Form. In sehr nüchterner Art sprechen die Autoren Menschen mit schweren angeborenen Schädigungen die Fähigkeit ab, ein vollwertiges Leben führen zu können. Ihr Vorschlag: Diese Menschen durch einen „guten“ Tod (eu thanatos, aus dem Griechischen) von ihrem Leiden und ihrem Le- ben zu erlösen. Zugleich sollte damit die Gesellschaft die Kosten und die Mühen der Pflege einsparen. Welch eine Hybris, welch ein Verstoß gegen das göttliche Gebot: Du sollst nicht töten. Die Angehörigen und die Kirchen wa- ren es, deren Protest diese Mordaktion stoppte. Wenn nun die PDS die Aktion T 4 als verbrecherisch darstellt, müsste sie konsequenterweise die Abtreibung nach eugenischer Indikation bekämpfen. Davon hat man nie etwas gehört. Im Gegenteil, die PDS hat sich immer für eine völlige Freigabe der Abtreibung ausgesprochen. Und so werde ich einfach den Verdacht nicht los, die PDS nutze diesen Vorgang auch um ihr Weltbild zu stützen und zu propagieren. Hinter den Untaten des NS-Regimes lässt sich die hochbelastete Vergangenheit des Kommunismus trefflich verstecken, dessen Erbe und Ausläufer die PDS zweifellos ist. Dazu diente und dient die „antifaschisti- sche Propaganda“. Und es drängt sich der Gedanke auf, dass es für die Glaubwürdigkeit des antitotalitären Konsenses in unserer Gesellschaft gut gewesen wäre, die SED beziehungsweise PDS nach dem Mauerfall zu verbieten. Die juristischen Voraussetzungen waren jedenfalls gegeben. So aber wer- den sich die demokratischen Parteien in diesem Haus noch so manches Mal mit PDS-Anträgen beschäftigen müssen, die aus einer Gemengelage von vordergründig humanem Anlass und beigepackter Propaganda bestehen. Der Vergleich mit dem „I-love-you“-Virus, das dieser Tage schadensträchtig um die Welt ging, hinkt nur wegen der Begrenztheit seiner Wirkdauer. Meine Damen und Herren, wir von der CDU/CSU- Fraktion sind gegen die PDS-Viren immun. Wir lehnen den PDS-Antrag ab. Volker Beck (Bündnis 90/Die Grünen): Die Regie- rungsfraktionen haben – mittlerweile mit Unterstützung aller Fraktionen dieses Hauses – einen Gesetzentwurf für die Stiftung „Erinnerung, Verantwortung, Zukunft“ auf den Weg gebracht. Wir sind darüber sehr froh, denn damit wird unser wichtigstes Versprechen aus der Koalitions- vereinbarung an die Opferverbände umgesetzt. Soweit es sich um im Inland und Ausland lebende NS-Opfer, na- mentlich die Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, KZ-Häftlinge, Opfer von Menschenversuchen oder Insas- sen der NS-Arbeitserziehungslager, handelt, werden mit dieser Stiftung endlich auch Opfer umfasst, die als „ver- gessene“ oder bislang ausgegrenzte Opfer zu bezeichnen sind. Aber im Inland leben weitere Opfer, die entweder keine oder in den meisten Fällen keine zureichende Ent- schädigung erhalten haben, die sich mit geringfügigen Einmalzahlungen zufrieden geben mussten. Diese Opfer fallen zumeist nicht unter die Regelungen dieser Stiftung. In einzelnen Bereichen hat man ja in Deutschland in den letzten Jahren für bestimmte Betroffenengruppen nachgebessert. Ich nenne hier beispielhaft die Renten in Höhe von monatlich 500 DM, die jüdische Opfer mittler- weile im Rahmen des so genannten Artikel-2-Fonds er- halten können, wenn sie zuvor keine ausreichende Ent- schädigung erhalten haben. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2000 9639 (C) (D) (A) (B) Für andere Opfergruppen gibt es diese Grundrente aber bislang nicht oder allenfalls auf Landesebene In den letz- ten Wahlperioden haben Bündnis 90/Die Grünen und SPD deshalb darauf gedrängt, eine befriedigende bundesweite Lösung zu finden. Und deshalb ist dieses Projekt, eine zweite Bundesstiftung für die „vergessenen Opfer“ vor- zubereiten, auch in die Koalitionsvereinbarung aufge- nommen worden. Wir brauchen hier also keine Nachhilfe der PDS. Wir müssen nun schauen, welche Betroffenen tatsäch- lich unter das Stiftungsgesetz „Erinnerung, Verantwor- tung, Zukunft“ fallen werden und welche nicht. Das wis- sen wir erst nach Verabschiedung des Gesetzes im Bun- destag. Die Regierungsfraktionen haben sich deshalb darauf verständigt, über das zweite Projekt für die „ver- gessenen Opfer“ erst im Herbst in Detailgespräche einzu- treten. Die PDS fordert zudem die Anerkennung der Zwangs- sterilisierten und „Euthanasie“-Geschädigten als rassisch Verfolgte im Sinne des Bundesentschädigungsgesetzes und verbesserte Leistungen für diese. Ich muss zuerst da- rauf verweisen, dass der Begriff, den die PDS für die „Euthanasie“-Geschädigten wählt, sehr problematisch ist. Er schließt nämlich die aus, die das Tötungsprogramm selbst überlebt haben, und konzentriert sich allein auf die Angehörigen. Ansonsten greift die PDS wiederum allein die Forderung auf, die Bündnis 90/Die Grünen schon von jeher vertreten haben, zuletzt sogar mit einem eigenen Ge- setzentwurf zum NS-Aufhebungsgesetz, der das Ziel hatte, die Zwangssterilisierten als NS-Verfolgte anzuer- kennen. Die eigentlich komplizierte Frage ist aber die der Rechtsfolgen. Hier ist interessant, dass die PDS zwar die genannten Betroffenen als rassisch Verfolgte anerkennen will, für sie aber nicht wieder die Antragsfrist nach dem BEG öffnen will. Die Betroffenen sollen nach dem Willen der PDS auch nicht die regulären BEG-Leistungen, etwa für einen Berufsschaden, bekommen, sondern stattdessen eine einmalige Pauschalabfindung. Wenn die Fristen für das BEG aber nicht geöffnet werden, könnten die Betrof- fenen für den Gesundheitsschaden allein die Härteleis- tungen nach dem BEG erhalten. Diese wären aber nicht höher als die Härteleistungen, die die Zwangssterilisierten heute schon aufgrund des allgemeinen Kriegsfolgenge- setzes (AKG) bekommen. Damit wäre also nichts gewon- nen. Wenn man aber umgekehrt die Fristen zum BEG für die Zwangssterilisierten öffnen würde, müsste man das BEG auch für andere Betroffenengruppen öffnen, um keine neuen Ungerechtigkeiten zu schaffen. Das will aber die Mehrzahl der deutschen Verfolgtenverbände nicht und favorisiert – wie wir – eine unbürokratische Bundesstiftung. Und wenn die PDS den Zwangssterili- sierten und „Euthanasie“-Geschädigten eine Zusatzzah- lung von einmalig 10 000 DM zahlen will, wird sie den Militärjustizopfern, Homosexuellen und so genannten Asozialen, die vielleicht auch einen Berufsschaden erlit- ten haben, erklären müssen, warum sie nicht auch eine solche Leistung erhalten sollen. Mit einem Wort: Das Konzept der PDS ist undurchdacht und in sich wider- sprüchlich. Auch können wir nicht dem Anliegen der PDS zustimmen, „ausländische NS-Opfer (...) in gleicher Weise zu entschädigen wie jene, die deutsche Staatsbür- ger sind“. Dies hieße, das Regelwerk, das mit den Global- abkommen im Westen und Osten – und nun ergänzend mit der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung, Zukunft“ – be- schlossen wurde, in eine außerordentlich komplizierte Si- tuation zu bringen. Wir tun deshalb gut daran, unter Gesichtspunkten der Gleichbehandlung aller Opfer Verbesserungen für die „vergessenen Opfer“ im Rahmen unserer Debatte für eine zweite Bundesstiftung aufzugreifen. Wir haben auch nichts dagegen, in einem ersten Schritt schon Verbesse- rungen bei den jetzigen Härteregelungen vorzunehmen, wie dies von den Betroffenenverbänden gewünscht ist. Erstaunlicherweise tauchen diese im Forderungskatalog des PDS-Antrages aber nicht auf. Ich nenne beispielhaft eine Reform bei der Anrechnung des Familieneinkom- mens. Im Übrigen regen wir an, nachdem die Urteile der NS-Erbgesundheitsgerichte gegen die Zwangssterilisier- ten mittlerweile als NS-Unrecht gesetzlich aufgehoben wurden, durch eine Entschließung des Deutschen Bun- destages zu dokumentieren, dass wir als Parlament die „Euthanasie“-Geschädigten und Zwangssterilisierten als Verfolgte anerkennen und ihnen damit auch ihre Würde wiedergeben wollen. Rechtsfolgen im Sinne einer Öff- nung des BEG sind damit nicht zwingend verbunden. Dr. Max Stadler (F.D.P): Mit dem heute in erster Le- sung zu behandelnden Antrag wird die Regierungskoali- tion zu Recht daran erinnert, dass sie in der Koalitions- vereinbarung eine Entschädigungsregelung für die so ge- nannten vergessenen NS-Opfer versprochen hat. Eine Koalitionsvereinbarung geht in ihrer Wirkung weit über das hinaus, was von Parteien beispielsweise in Wahlprogrammen angekündigt wird. Eine Koalitionsver- einbarung ist das Programm, das die Koalitionspartner mit bindender Wirkung vertraglich verabreden. Damit verpflichten sich die Koalitionspartner nicht nur im Ver- hältnis zueinander, sondern sie wecken in der Öffentlich- keit und insbesondere bei den Betroffenen die sichere Er- wartung, das Vereinbarte werde auch realisiert. Diese Hoffnung ist jedoch von SPD und Bündnis 90/ Die Grünen bisher nicht erfüllt worden. Von einer Lösung der Problematik der so genannten vergessenen Opfer war in den letzten 18 Monaten keine Rede mehr. Damit zeigt sich wieder einmal, dass es offenkundig leichter ist, aus der Oppositionsrolle heraus Anträge zu stellen, als in ei- ner Regierung gegebene Versprechen einzuhalten. Denn sowohl von der SPD als auch den Grünen sind in der Ver- gangenheit wiederholt Anträge auf Errichtung von Stif- tungen zur Entschädigung von NS-Unrecht gestellt wor- den. Die Regierungsfraktionen werden aufgrund des vorlie- genden Antrags Auskunft darüber geben müssen, warum sie nun für die „vergessenen Opfer“ nichts tun. Dabei hat die F.D.P.-Fraktion durchaus Verständnis für eine Argu- mentation, die auf die vorrangige Lösung der Zwangsar- beiterproblematik verweist. Das Gesetz zur Errichtung ei- ner Bundesstiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zu- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 20009640 (C) (D) (A) (B) kunft“ ist ja soeben von allen Fraktionen gemeinsam im Bundestag eingebracht worden. Das gemeinsame gesetz- geberische Bemühen muss sich jetzt darauf konzentrie- ren, dieses Stiftungsgesetz noch vor der Sommerpause zu verabschieden, damit eine humanitäre Geste in Form von finanziellen Zuwendungen an die Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen geleistet werden kann. Die Zwangsarbeiter-„Entschädigung“ stellt ohne Zweifel für die öffentliche Hand einen finanziellen Kraft- akt dar. Es ist verständlich, wenn nicht zeitgleich weitere finanzielle Leistungen für andere Opfergruppen beschlos- sen werden können. Dies hätte allerdings SPD und Grü- nen schon bei Abschluss ihrer Koalitionsvereinbarung klar sein müssen. Entscheidend dafür, dass das Thema von der Regie- rungskoalition hinten angestellt wird, ist aber offenkundig ein Dissens zwischen den Regierungsfraktionen. Daher wird die F.D.P. in den Ausschussberatungen genau nach- fragen, ob denn von der neuen Regierungskoalition nun doch wieder die stets vom Bundesfinanzministerium ver- tretene Auffassung übernommen wird, wonach gar keine Notwendigkeit für neue Entschädigungsregelungen be- stehe. Zu vermuten ist, dass diese traditionelle Haltung des Bundesfinanzministeriums weiterhin bei der SPD Sympathie genießt, von den Grünen jedoch abgelehnt wird. Wenn sich dieser Dissens herausstellen sollte, wäre es allerdings nicht verwunderlich, dass sich die Koaliti- onsvereinbarung in diesem Punkt als unerfüllbares Ver- sprechen erweist. Dr. Ilja Seifert (PDS): Erst vor wenigen Wochen hat der Bundestag mit großer Mehrheit beschlossen, die Bun- desstiftung „Entschädigung für NS-Zwangsarbeit“ zu gründen. 55 Jahre mussten vergehen, um die Entschädi- gung der vom Naziregime und seinen Helfern ausgebeu- teten Arbeitssklaven endlich zu regeln. Aber der Skandal dauert fort; denn noch immer versuchen deutsche Unter- nehmen, sich vor einer Beteiligung an der Entschädigung der Zwangsarbeiter vorbeizudrücken. Und noch immer gibt es die so genannten „vergesse- nen“ Opfer, die überwiegend keine oder sehr geringe Ent- schädigungsleistungen erhielten. Homosexuelle, Zwangssterilisierte und „Euthanasie“- Geschädigte, Sinti und Roma, so genannte Asoziale und andere gehören ebenso dazu wie solche, die in den Zeiten des Kalten Krieges von Leistungen des Bundesentschädi- gungsgesetzes gezielt ausgeschlossen wurden. In ihrer Koalitionsvereinbarung hatten SPD und Bünd- nis 90/Die Grünen vorgesehen, eine entsprechende Bun- desstiftung „Entschädigung für NS-Unrecht“ zu gründen und die Entschädigung auf den Weg zu bringen. Da die Regierungsfraktionen bisher keinen Gesetzentwurf vor- gelegt haben, um die Koalitionsvereinbarung in diesem Punkt zu realisieren, hat die PDS Ende 1999 den heute zu behandelnden Antrag eingebracht. Nachdem bald zwei Jahre seit den letzten Bundestags- wahlen vergangen sind und jeden Monat Überlebende des Naziterrors sterben, ist es nicht länger hinnehmbar, dass Opfern eine umfassende moralische und finanzielle Ent- schädigung versagt bleibt. Dabei geht es nicht nur um diese Opfer, sondern auch um die Glaubwürdigkeit so vie- ler Bekenntnisse aus allen Bundestagsparteien, dass Rechtsextremismus und Neonazismus in der Gesellschaft der Bundesrepublik nicht toleriert werden dürfen. Erinnern und nicht vergessen heißt eben auch, den Überlebenden des Naziterrors mit Würde zu begegnen und sie – wie leider in vielen Fällen üblich – nicht in Äm- tern fragwürdigen Bedürftigkeitsprüfungen zu unterwer- fen, um ihnen dann in „Notsituationen“ eine bescheidene finanzielle Hilfe zu gewähren. Exemplarisch für die so genannten „vergessenen“ Op- fer stehen die NS-Opfer der Zwangssterilisation und der „Euthanasie“. Frühzeitig, gleich nach ihrem Machtantritt, erließ die Nazi-Führung das „Gesetz zur Verhütung erb- kranken Nachwuchses“, dessen juristische Begründung auf der nationalsozialistischen Rassendoktrin und -politik beruhte. Es war eines der ersten Massenvernichtungsge- setze der Nazis und Grundlage für die nachfolgenden Mordaktionen zur Vernichtung so genannten „unwerten Lebens“. Unter missbräuchlicher Nutzung des Begriffs Euthana- sie wurden mehr als 200 000 kranke und behinderte Men- schen ermordet – zumeist in systematischen Tötungsak- tionen, für die ab 1939 die „Aktion T 4“ stand. Noch heute wird deutlich, dass Hadamar, Bernburg, Sonnenstein, Grafeneck und Hartheim viele weitere Ortsnamen hinzu- zufügen wären, an denen ebenfalls unentschuldbare „Eu- thanasie“-Verbrechen begangen wurden. Gerade nach den jüngsten Diskussionen in Jena und Stadtroda sage ich un- missverständlich, dass „Euthanasie“-Verbrechen ohne Wenn und Aber als solche benannt werden müssen und nicht verharmlost werden dürfen. Zur rassistisch begründeten Verfolgung gehörten auch die verbrecherischen Zwangssterilisationen, die ab 1933 an etwa 400 000Menschen begangen wurden. In der Bun- desrepublik leben heute noch etwa 20 000 Opfer der NS- Zwangssterilisationen sowie circa 7 000 bis 8 000 „Eut- hanasie“-Geschädigte. Trotz der Härteleistungen und Aufhebung nationalso- zialistischer Unrechtsurteile bleibt festzuhalten: Eine an- gemessene finanzielle Entschädigung und eine klare An- erkennung der Opfer als Verfolgte stehen nach wie vor aus. Die PDS fordert in ihrem Antrag ausdrücklich, die Bundesstiftung „Entschädigung für NS-Unrecht“ für alle so genannten „vergessenen“ Opfer unverzüglich zu grün- den und im Rahmen dieser Stiftung „für eine angemes- sene Entschädigung aller bisher nicht oder nur unzurei- chend berücksichtigten NS-Opfer Sorge zu tragen“. Beispielhaft, aber durchaus auf andere Opfergruppen anwendbar, sind im Antrag der PDS speziell für „Eu- thanasie“-Geschädigte und Zwangssterilisierte Wege der Entschädigung aufgezeigt worden. Dabei geht es um zwei Kernfragen: Erstens. Die be- troffenen Opfer werden als Verfolgte anerkannt, denen ein Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2000 9641 (C) (D) (A) (B) juristischer und moralischer Anspruch auf Entschädigung zusteht. Zweitens. Als Wiedergutmachung erhalten die Opfer eine einmalige Entschädigung von 10 000 DM innerhalb von 12 Monaten nach Verabschiedung des Gesetzes, un- abhängig von bisher gezahlten Beihilfen oder eventuellen früheren Verzichtserklärungen, unabhängig von den Ein- kommens- undVermögensverhältnissen derOpfer undmit geringstmöglichemAntrags- und Verwaltungsaufwand. Wieso können diese relativ einfachen Regelungen für eine sehr begrenzte Anzahl von Opfern des NS-Regimes nicht endlich in entsprechende gesetzliche Regelungen umgesetzt werden? Was hindert die Bundesregierung da- ran, endlich zu ihrem Wort zu stehen? Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 20009642 (C)(A) Druck: MuK. Medien-und Kommunikations GmbH, Berlin
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. h.c. Wolfgang Thierse


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Nun erteile ich der
    Kollegin Kerstin Müller, Bündnis 90/Die Grünen, das
    Wort.

    Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
    NEN): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr
    Merz und vor allen Dingen Sie, Herr Möllemann, man
    sollte das Fell des Bären erst verteilen, wenn er erlegt ist.
    Ich bin sehr gespannt darauf, wie der Muttertag, also der
    14. Mai, ausgehen wird. Ich glaube, dass er nicht in Ihrem
    Sinne ausgehen wird.

    Wenn man Sie über das eigentliche Thema der Debatte
    reden hört, dann drängt sich mir der Eindruck auf: Sie är-
    gern sich, dass wir unser Land endlich aus dem Schla-
    massel herausholen, den Sie in den 16 Jahren Ihrer Re-
    gierungszeit angerichtet haben.




    Jürgen W. Möllemann

    9499


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)



    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Sie können augenscheinlich kaum ertragen, dass wir er-
    folgreich die Probleme lösen, an deren Lösung Sie jahre-
    lang immer wieder gescheitert sind. Das muss man hier
    festhalten.

    Festhalten muss man auch: Die Wirtschaftsdaten sind
    hervorragend. Der deutsche Außenhandel verzeichnet
    zweistellige Zuwachsraten. Die fünf führenden deutschen
    Wirtschaftsinstitute schreiben in ihrem Frühjahrsgutach-
    ten:

    Seit Herbst hat die konjunkturelle Erholung auch den
    Arbeitsmarkt erfasst. Die Zahl der Erwerbstätigen
    hat sich seither deutlich erhöht und die Arbeitslosig-
    keit ist beträchtlich zurückgegangen.

    Meine Damen und Herren von der Opposition, nehmen
    Sie doch endlich zur Kenntnis: Erstmals seit 1996 liegt die
    Zahl der Arbeitslosen im April dieses Jahres unter
    vier Millionen. Das sind knapp eine halbe Million Men-
    schen weniger als im letzten April Ihrer Regierungszeit
    1998.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Das bedeutet eine halbe Million weniger Menschen mit
    der Sorge um ihre berufliche Zukunft, eine halbe Million
    weniger Männer und Frauen mit der zweifelnden Frage,
    wo denn wohl ihr Platz in der Gesellschaft sein solle. Das
    bedeutet auch hunderttausende weniger Ehe- und Lebens-
    partner und Kinder, die unter der Belastung der Arbeitslo-
    sigkeit leiden müssen. So sieht die Wirklichkeit aus, und
    zwar nach nur 19 Monaten, nachdem SPD und Bünd-
    nis 90/Die Grünen die Regierung gebildet haben. Nach
    meiner Meinung sind diese Daten kein Grund zum Jam-
    mern. Für uns ist diese Entwicklung eine Herausforde-
    rung, den eingeschlagenen Kurs konsequent und Schritt
    für Schritt fortzusetzen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Natürlich kann man angesichts der aktuellen Arbeits-
    losenzahlen keine Entwarnung geben. Das werde ich auch
    nicht tun. Auch wir betrachten die Entwicklung des Ar-
    beitsmarktes gerade in den fünf neuen Ländern mit
    Sorge. Für uns heißt das, dass wir unsere Anstrengungen
    in den ostdeutschen Bundesländern noch viel mehr ver-
    stärken müssen. Aber es ist einfach falsch, wenn Sie, Herr
    Merz, behaupten, der wirtschaftliche Aufschwung gehe
    am Osten vorbei. Sie wissen: Auch im Osten werden neue
    Arbeitsplätze geschaffen. Nur, diese Entwicklung wird
    noch immer von den notwendigen Anpassungen im öf-
    fentlichen Dienst und besonders von der Situation in der
    Baubranche überlagert, sodass der dortige Arbeitsmarkt
    insgesamt stagniert.

    Herr Merz, es ist auch sachlich falsch, wenn Sie hier
    mit einer Vielzahl von Rechenkunststücken beweisen
    wollen, der Rückgang der Arbeitslosigkeit sei rein demo-
    graphisch bedingt.

    Erstens. Die Zahl der Erwerbstätigen in Deutschland
    steigt, und zwar in den letzten Monaten kräftig und ste-
    tig. Die Bundesanstalt für Arbeit erwartet für dieses Jahr
    eine bundesweite Zunahme der Zahl der Erwerbstätigen
    um durchschnittlich 160 000. Sie können uns das vor-
    rechnen, solange Sie wollen; denn fest steht: Das Ent-
    stehen zusätzlicher Arbeitsplätze hat wirklich nichts,
    aber auch gar nichts mit der demographischen Entwick-
    lung in diesem Land zu tun.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Zweitens. Die Zahl der Erwerbstätigen steigt, obwohl
    aktuell durch die Verstetigung der Arbeitsmarktpolitik im
    Endeffekt deutlich weniger Menschen im zweiten Ar-
    beitsmarkt beschäftigt sind. Das zeigt: Der erste, nicht
    staatlich gestützte Arbeitsmarkt, auf den es schließlich an-
    kommt, boomt. Auch das hat mit der demographischen
    Entwicklung so viel – oder besser gesagt: so wenig – zu
    tun wie der Abgeordnete Kohl mit der Aufklärung des
    Spendenskandals.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Drittens. Herr Merz – auch das Argument möchte ich
    hier anführen –, nehmen Sie zur Kenntnis: Im Frühjahr
    2000 sind trotz der demographischen Entwicklung kaum
    weniger Menschen auf dem deutschen Arbeitsmarkt als
    vor einem Jahr, unter anderem deshalb, weil endlich auch
    mehr Frauen erwerbstätig sind oder sein wollen. Auch
    deshalb stimmt Ihre Rechnung hinten und vorne nicht.

    Ich finde es lächerlich, wenn Sie den Menschen weis-
    machen wollen, die hervorragenden Wirtschafts- und Ar-
    beitsmarktdaten gebe es nicht wegen, sondern trotz der
    Politik der Koalition. Sie, Herr Merz, sollten wirklich bei
    der Wahrheit bleiben, genauso wie Ihr Vorredner,
    Herr Möllemann. Die CDU/CSU-F.D.P.-Regierung unter
    Helmut Kohl hat zwar jahrelang darauf hingewiesen, die
    Steuerlast, die Abgabenlast und die Lohnnebenkosten
    seien zu hoch. Sie wollten die Arbeitslosigkeit senken.
    Aber was haben Sie tatsächlich erreicht? Sie haben das
    glatte Gegenteil von dem erreicht, was Sie wollten: Die
    Abgabenlast wurde nicht gesenkt; vielmehr ist sie perma-
    nent gestiegen. Noch im April 1998 haben Sie zum Bei-
    spiel die Mehrwertsteuer erhöht, um den Rentenbeitrag
    bei 20,3 Prozent zu stabilisieren. Sie haben sie nicht er-
    höht, um ihn zu senken, wie wir das jetzt aufgrund der
    Mehreinnahmen aus der ökologisch-sozialen Steuerre-
    form tun. Daran war bei Ihnen überhaupt nicht zu denken.
    Außerdem haben Sie 1998 eine Rekordarbeitslosigkeit
    von 4,3 Millionen und einen Schuldenberg von 1,5 Bil-
    lionen DM hinterlassen. Das ist Ihre Bilanz.

    Verschonen Sie uns deshalb mit Ihren Rezepten. Sie
    heilen nicht und sie sind völlig kontraproduktiv. Wir ha-
    ben seit dem Regierungsantritt Schritt für Schritt soziale
    und ökologische Reformen entschlossen umgesetzt. Un-
    sere Politik ist maßgeblich für den wirtschaftlichen Auf-
    schwung und für den Abbau der Arbeitslosigkeit verant-
    wortlich.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)





    Kerstin Müller
    9500


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    Wir werden diesen Kurs fortsetzen. Sie haben mit Ihren
    unsozialen Entscheidungen und mit Ihrer Kampfansage
    gegen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer damals
    das erste Bündnis für Arbeit mutwillig zerstört. Wir dage-
    gen haben die Voraussetzungen für einen neuen Anlauf
    geschaffen. Erste Ergebnisse liegen auf dem Tisch.

    Als ersten Schritt haben wir das äußerst erfolgrei-
    che JUMP-Programm aufgelegt, das bis heute für
    250 000 junge Menschen Perspektiven bei Ausbildung
    und Beschäftigung geschaffen hat. Das Resultat ist, dass
    die Jugendarbeitslosigkeit um rund 10 Prozent zurückge-
    gangen ist. Das ist erst einmal ein schöner Erfolg des
    Bündnisses für Arbeit.

    Zweitens. In diesem Frühjahr kommt ein wesentlicher
    Erfolg hinzu: Die diesjährigen Tarifabschlüsse stärken
    die wirtschaftliche Entwicklung massiv und sie stellen zu-
    sätzliche Beschäftigung in den Mittelpunkt. Auch das hat
    sehr viel mit der Politik dieser Regierung zu tun; denn
    Voraussetzungen waren zum Beispiel die ersten Schritte
    der Steuerreform im vergangenen Jahr, die deutliche Ent-
    lastung von kleinen und mittleren Einkommen und die
    massive Entlastung gerade von Familien mit Kindern –
    600 DM mehr Kindergeld pro Kind und pro Jahr; das be-
    deutet für Familien mit zwei Kindern und einem Durch-
    schnittsjahreseinkommen von 60 000DM 3 000 DM mehr
    in der Haushaltskasse. Hinzu kommt die Senkung der
    Rentenbeiträge von 20,3 Prozent um einen Prozentpunkt
    auf 19,3 Prozent durch die Einnahmen aus der ökolo-
    gisch-sozialen Steuerreform.

    Das heißt insgesamt, dass die Menschen nach jahre-
    langen Nettolohnverlusten unter der alten Regierung
    heute netto endlich mehr in der Tasche haben. Dafür hat
    diese Bundesregierung nicht nur gesorgt, weil es sozial
    geboten war, sondern auch, um die Voraussetzungen für
    die beschäftigungsorientierten Tarifabschlüsse in diesem
    Jahr zu schaffen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Genau das ist einer der entscheidenden Unterschiede
    zu Ihren Steuervorschlägen, meine Damen und Herren
    von der CDU; denn Sie wollten weder damals noch wol-
    len Sie heute die Bezieher kleiner Einkommen entlasten,
    wie wir es gemacht haben, sondern vor allen Dingen die
    Besserverdienenden. Das finden die Menschen nicht ge-
    recht und sie haben verdammt Recht damit.

    Mit der großen Steuerreform, die wir in der nächsten
    Woche in diesem Hause verabschieden werden, werden
    wir diesen Kurs fortsetzen: schrittweise Erhöhung des
    steuerfreien Existenzminimums bis 2005 auf 15 000 DM,
    Senkung der Steuersätze, oben wie unten, auf 45 Prozent
    bzw. 15 Prozent. Das entspricht in weiten Teilen auch dem
    Steuerkonzept meiner Fraktion – das sage ich durchaus
    mit Stolz –, das wir in der letzten Legislaturperiode in die-
    sem Hause vorgelegt haben. Dieses Konzept setzt diese
    Regierung jetzt um.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Wir entlasten damit bis zum Ende des Jahres 2005 eine
    Durchschnittsfamilie um rund 4 000 DM jährlich und wir
    entlasten auch die Unternehmen, gerade die kleinen und
    mittelständischen. Dazu möchte ich an dieser Stelle Fol-
    gendes sagen: Sie reisen durch das Land und erzählen, wir
    würden den Mittelstand belasten. – Das ist einfach nicht
    wahr; das ist schlichtweg vordergründiges Geschrei.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Im Gegensatz zu Ihnen ist der Mittelstand bei uns in
    guten Händen.


    (Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Das ist eine kühne Behauptung!)


    – Moment. – Für die heutige Schieflage sind Sie verant-
    wortlich. Sie haben dafür gesorgt, dass die Konzerne im-
    mer weniger Steuerlast getragen haben. Das ging auf die
    Knochen der kleinen und mittelständischen Unterneh-
    men. Wir haben das geändert. Allein mit dem ersten
    Schritt im vergangenen Jahr haben wir für den Mittelstand
    eine Entlastung von 6 Milliarden DM herbeigeführt. Wir
    ziehen zusätzlich die eigentlich erst für 2002 geplante
    nächste Stufe unserer Steuerreform um ein Jahr vor. Zu-
    sammen mit unserer Unternehmensteuerreform wird das
    bis 2005 eine zusätzliche Entlastung für den Mittelstand
    von jährlich rund 14 Milliarden DM schaffen. Das ist ein
    Erfolg. Diese Entlastung des Mittelstands ist genau das
    Gegenteil von dem, was Sie jahrelang gemacht haben.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Deshalb kann ich Sie nur auffordern: Wenn Sie schon
    nicht auf uns hören, dann hören Sie wenigstens auf die
    warnenden Worte aus der Wirtschaft! Geben Sie Ihre Boy-
    kottpläne im Bundesrat auf! Geben Sie den Weg frei; denn
    die Steuerpolitik der rot-grünen Bundesregierung ist so-
    zial gerecht und sie ist wirtschaftlich erfolgreich. Wenn
    Sie diese Steuerreform blockieren, sind Sie die Bremser
    gegen den weiteren Aufschwung, dann machen Sie Poli-
    tik gegen die Arbeitslosen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Die zweite, ganz wesentliche Ursache für die hervor-
    ragende wirtschaftliche Entwicklung ist unsere Politik ei-
    ner konsequenten Haushaltskonsolidierung. Wir haben
    mit dem Zukunftsprogramm 2000 endlich Schluss ge-
    macht mit dem Wirtschaften auf Kosten zukünftiger
    Generationen. Das ist eine Politik, die meine Fraktion
    schon in der vergangenen Legislaturperiode immer
    wieder gefordert hat. Wie oft hat Ihnen mein Kollege
    Oswald Metzger Ihre unseriöse Finanzpolitik um die Oh-
    ren gehauen, wie oft hat er Sie aufgefordert, mit Ihren Ta-
    schenspielertricks oder mit der Goldfingeraktion – ich er-
    innere mich gut – endlich aufzuhören, leider ohne Erfolg.

    1,5 Billionen DM Schulden hat Ihre Regierung den
    Menschen in unserem Land hinterlassen. Das ist eine
    15 mit elf Nullen. Das ist, glaube ich, eine Summe, die
    sich kaum einer im Lande vorstellen kann. Das bedeutet
    82 Milliarden DM Zinsen Jahr für Jahr, das heißt
    1 000 DM pro Person pro Jahr, vom Kind bis zum Greis.




    Kerstin Müller

    9501


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    Das heißt, von jeder Steuermark, die die Menschen zah-
    len, geben wir allein 25 Pfennig für die Finanzierung der
    Zinsen aus. Da ist noch kein Pfennig von der Schuld ge-
    tilgt.

    Ich weiß, Herr Merz, dass Sie das nicht hören wollen,
    aber die Verantwortlichen in der CDU haben eben offen-
    sichtlich nicht nur schwarze Koffer über die Grenzen ge-
    schmuggelt, um schwarzes Geld in schwarzen Parteikas-
    sen zu deponieren, sie haben auch jedes Jahr immer neue
    schwarze Löcher in Theo Waigels Haushalt produziert.
    Deshalb haben wir Ihre Steuerexperimente damals abge-
    lehnt, weil sie noch größere Haushaltslöcher gerissen hät-
    ten, weil Sie damals wie heute Steuerpolitik auf Pump ma-
    chen wollten. Das haben wir beendet und diesen Kurs
    werden wir auch fortsetzen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Wir stehen für Generationengerechtigkeit. Wir haben
    uns immer für eine nachhaltige Politik eingesetzt, gerade
    auch meine Fraktion, und das eben nicht nur in der Um-
    weltpolitik, sondern auch in der Haushalts- und Finanz-
    politik. Deshalb werden wir diesen Haushalt Schritt für
    Schritt konsolidieren und die Verschuldung abbauen.

    Das ist nicht zuletzt – das will ich auch noch einmal sa-
    gen – eine Frage sozialer Gerechtigkeit; denn horrende
    Zinszahlungen bedeuten im Grunde systematische Um-
    verteilung von unten nach oben.

    Deshalb wundert es mich auch nicht, Herr Möllemann,
    wenn Sie jetzt vorschlagen – heute haben Sie es nicht ge-
    macht, aber wir sind uns ja des Öfteren in Nordrhein-
    Westfalen begegnet –,


    (Jürgen W. Möllemann [F.D.P.]: Nur einmal! Das war genug!)


    das Geld, das wir möglicherweise aus der Versteigerung
    der neuen Handy-Frequenzen bekommen, sofort wieder
    zu verfrühstücken. Es wundert mich nicht, wie nachlässig
    Sie mit dieser Frage umgehen, wie unverschämt fahrläs-
    sig Sie Geld ausgeben, das überhaupt noch nicht da ist.


    (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Auf diese Tour haben Sie schließlich den Schulden-
    berg, den wir heute haben – 82 Milliarden DM Zinsen pro
    Jahr –, mit verursacht; für ihn ist maßgeblich auch die
    F.D.P. mitverantwortlich. Und Sie wollen jetzt weiter das
    Geld verfrühstücken, statt es zum Sparen zu verwenden.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Ich sage Ihnen für meine Fraktion sehr deutlich: Wir
    sind der Meinung, zusätzliche Einnahmen sollen und
    müssen zur Tilgung der Schulden verwendet werden –
    diesbezüglich hat der Finanzminister in uns verlässliche
    Bündnispartner –, denn nur so werden wir Handlungs-
    spielräume für wichtige Investitionen in Bildung, Ausbil-
    dung, Forschung und Wissenschaft und für die soziale und
    ökologische Erneuerung zurückgewinnen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Die fünf führenden deutschen Wirtschaftsinstitute ha-
    ben diese Politik sehr positiv kommentiert. Sie begrüßen
    gerade an dieser Stelle nachdrücklich den Kurs der rot-
    grünen Bundesregierung. Sämtliche Fachleute haben ihre
    Erwartungen an die wirtschaftliche Entwicklung deutlich
    nach oben korrigiert. Das Bruttoinlandsprodukt wird in
    diesem und im nächsten Jahr um 2,8 Prozent steigen, dop-
    pelt so stark wie noch im vergangenen Jahr. Die Arbeits-
    losigkeit wird weiter abgebaut und sinkt im kommenden
    Jahr auf durchschnittlich 3,5 Millionen. Das sind rund
    20 Prozent weniger als im letzten Jahr der Kohl-Regie-
    rung.

    Ich finde, liebe Kolleginnen und Kollegen, da brau-
    chen wir uns wirklich nicht zu verstecken, schon gar nicht
    vor denen, die das letzte Regierungsschiff so grandios
    versenkt haben. Deshalb, meine Damen und Herren,
    freuen wir uns zunächst einmal über diesen Erfolg, der
    auch etwas mit unserer Politik zu tun hat.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Ehe Sie sich hier weiter als Schlechtmacher und Mies-
    macher betätigen,


    (Jürgen W. Möllemann [F.D.P.]: Oh, wie furchtbar!)


    möchte ich Ihnen einen Kommentar von Roger de Weck
    aus der „Zeit“ der vorletzten Woche vorhalten. Er kom-
    mentiert Ihre Politik folgendermaßen:

    Die Schlechtmacher ... hassen es, wenn wir uns
    freuen. Jedes Mittel ist ihnen recht, zum Beispiel der
    schiefe Vergleich. Lieber reden sie von der Stärke des
    Dollar als vom gewaltigen, emporschnellenden,
    hoch gefährlichen Defizit in der Zahlungsbilanz der
    Vereinigten Staaten. Viel lieber heben sie die Euro-
    Schwäche hervor als die europäischen und deutschen
    Erfolge im Export, um die Amerika froh wäre.

    Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieser Mann hat
    Recht.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Michael Glos [CDU/CSU]: Jetzt werden sich die Devisenmärkte nach dieser Rede bewegen!)


    Die relative Schwäche des Euro ist nämlich keine Bedro-
    hung für die wirtschaftliche Entwicklung, weder in Eu-
    ropa noch in Deutschland.


    (Michael Glos [CDU/CSU]: Die rot-grüne Bundesregierung ist eine Bedrohung!)


    Sie stärkt derzeit die Exportkraft des Euro-Raumes. Da-
    von profitiert gerade die deutsche Wirtschaft ganz beson-
    ders.

    Es gibt auch keine Besorgnis erregenden Inflationsra-
    ten. Und im Vergleich zu anderen europäischen Währun-
    gen ist der Euro stabil. Wenn man sich die Wirtschaftsda-
    ten des gesamten Euro-Raumes ansieht, kann man mit ein
    wenig Selbstbewusstsein nur zu dem Schluss kommen:
    Der Euro ist derzeit unterbewertet. Er wird auch gegen-




    Kerstin Müller
    9502


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    über dem Dollar wieder stärker werden, und zwar dann,
    wenn weltweit noch deutlicher wird, welche wirtschaftli-
    che Kraft und auch welches Innovationspotenzial die
    europäischen Gesellschaften in den kommenden Jahren
    entwickeln werden.

    Die ökologische Erneuerung unserer Gesellschaft ist
    bei dieser Frage von entscheidender Bedeutung. Von ihrer
    Umsetzung hängt der Schutz unserer Lebensgrundlagen
    entscheidend ab, aber verbunden damit ist eben auch die
    Entwicklung von neuen zukunftsfähigen Branchen und
    Arbeitsplätzen. Deshalb möchte ich an dieser Stelle auch
    daran noch einmal erinnern: Bei der Entwicklung mo-
    derner, erneuerbarer Energien lag Deutschland vor an-
    derthalb Jahren, vor der Übernahme der Regierung durch
    uns, noch unter „ferner liefen“. Der letzte Hersteller von
    Solaranlagen war gerade in die USA ausgewandert, weil
    er hier keine Entwicklungspotenziale gesehen hat. Jetzt
    sieht das anders aus. Das 100 000-Dächer-Programm der
    rot-grünen Regierung ist ein absoluter Renner.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Die rot-grüne Regierung hat durch ihre Maßnahmen –
    das Markteinführungsprogramm, das es noch zusätzlich
    gibt, und das Gesetz zur Förderung der erneuerbaren En-
    ergien, das seit dem 1. April dieses Jahres in Kraft
    ist – nach nur 18Monaten in Deutschland mit die weltweit
    besten Voraussetzungen für den Ausbau erneuerbarer
    Energien erreicht. Das ist ein wirklicher Beitrag zum
    Klimaschutz. Dadurch werden auch neue zukunftsfähige
    Arbeitsplätze in der Bundesrepublik geschaffen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Schon heute arbeiten in Deutschland fast genauso viele
    Menschen im Bereich der erneuerbaren Energien wie in
    der Atomindustrie. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen,
    weist den Weg in die Zukunft und nicht der von der
    Bayerischen Staatskanzlei angekündigte Veitstanz gegen
    den Atomausstieg. Auf diese Weise wird kein einziger zu-
    kunftsfähiger Arbeitsplatz geschaffen werden.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Michael Glos [CDU/CSU]: Das ist ja ein rhetorisches Veitstänzchen!)


    Innovation und Zukunftsfähigkeit sind für Sie, meine
    Damen und Herren von der CDU, Fremdwörter. Das ha-
    ben Sie meines Erachtens gerade in den letzten Wochen
    mit der unsäglichen Diskussion um die Green Card noch
    einmal bewiesen. Diese dumpfe „Kinder statt Inder“-
    Kampagne Ihres Spitzenkandidaten Rüttgers ist das Ge-
    genteil von zukunftsweisender Modernisierung. Diese ist
    einfach nur peinlich und verantwortungslos, weil Sie da-
    mit Wahlkampf auf dem Rücken der hier lebenden Aus-
    länderinnen und Ausländer machen. Wir jedenfalls wer-
    den so etwas nicht mitmachen. Ich glaube, dass auch die
    Menschen diese Kampagne am 14. Mai zu „würdigen“
    wissen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Meine Damen und Herren, die Wirtschaft boomt, die
    Arbeitslosigkeit geht kräftig zurück.


    (Lachen bei der CDU/CSU – Jürgen W. Möllemann [F.D.P.]: Wie gucken Sie eigentlich?)


    Die Aussichten sind ausgezeichnet. Wie titelte der „Stern“
    in der vergangenen Woche? „Jetzt kommen die fetten
    Jahre“.


    (Michael Glos [CDU/CSU]: Sie haben doch abgenommen!)


    Ich glaube aber, dass wir jetzt nicht in Selbstzufrieden-
    heit versinken dürfen, sondern wir müssen diese Chance
    für weitere dringend notwendige soziale und ökologische
    Reformen nutzen. Gerade eine echte Reform unserer so-
    zialen Sicherungssysteme, vor allem der gesetzlichen
    Altersvorsorge, wird für eine nachhaltige Wirtschaftsent-
    wicklung entscheidend sein. Wir wollen und müssen die
    gesetzliche Rente dauerhaft sichern. Wir brauchen lang-
    fristig stabile Beiträge. Nur so werden wir das Vertrauen
    besonders der jungen Generation in die gesetzliche Ren-
    tenversicherung zurückgewinnen. Gerade deshalb, meine
    Damen und Herren von der Opposition, fordere ich Sie
    auf, wenn am Sonntag die Wahl in Nordrhein-Westfalen
    gelaufen ist, endlich Ihre parteipolitischen Interessen
    zurückzustellen. Wir müssen jetzt die Chance des Ren-
    tengipfels nutzen, bei dem alle Fraktionen an einem Tisch
    sitzen, für eine durchgreifende Strukturreform, die end-
    lich wieder Generationengerechtigkeit schafft. Das sind
    wir unseren Kindern und Enkeln schuldig. Dafür wird
    sich meine Fraktion sehr stark einsetzen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Die rot-grüne Koalition hat eine sehr gute Arbeit ge-
    leistet. Wir haben begonnen, unsere Gesellschaft sozial
    und ökologisch zu erneuern. Die Erfolge sind offensicht-
    lich. Wir werden diesen Kurs konsequent weiterverfol-
    gen. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition,
    Sie können diesen Weg mitgehen oder Sie können sich
    weiterhin als Miesmacher betätigen. Ich rate Ihnen aber
    eines: Versuchen Sie nicht, uns aufzuhalten! Denn das
    würden Ihnen die Menschen zu Recht sehr übel nehmen.

    Danke schön.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)




Rede von Dr. h.c. Wolfgang Thierse
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Ich erteile das Wort
dem Kollegen Gregor Gysi, PDS-Fraktion.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: ()
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Herr Präsident! Liebe Kol-
    leginnen und Kollegen! Kollege Möllemann, ich habe im
    Handbuch nachgeschlagen. Es stimmt wirklich: Sie sind
    seit 28 Jahren im Bundestag. Auf der einen Seite bewun-
    dere ich das. Auf der anderen Seite frage ich mich aber, ob
    man nach 28 Jahren ohne inneren Schaden aus dem Bun-
    destag herauskommt.


    (Beifall bei der PDS – Heiterkeit bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)





    Kerstin Müller

    9503


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    Ich will Ihnen noch sagen: Sollten Sie wirklich aus-
    scheiden – aus welchen Gründen auch immer –, wünsche
    ich Ihnen persönlich alles Gute, politisch natürlich nicht.
    Aber ich wünsche Ihnen immerhin Einsichten. Das ist ja
    auch etwas. Ansonsten warten wir das Ergebnis getrost
    ab.


    (Beifall bei der PDS)

    Ich habe mich sehr gewundert, als Sie gesagt haben, Sie
    würden sich hier zum 14.Mai nicht äußern. Das haben Sie
    außer in Ihrer gesamten Rede überhaupt nicht getan.


    (Heiterkeit bei der PDS)

    Da sich alle anderen zum 14. Mai geäußert haben, will

    ich zur Klarheit eines sagen: Wenn es dem Kollegen
    Struck vor allem darum geht, dass sich im Bundesrat
    nichts verändert, obwohl er doch sonst immer für Verän-
    derungen ist, dann möchte ich aber, dass sich wenigstens
    eines verändert: Die Landesregierung von NRW soll end-
    lich von links und sozial unter Druck geraten. Das klappt
    am besten, wenn es eine PDS-Fraktion im Landtag gibt.


    (Beifall bei der PDS Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    – Die Chance besteht ja. Sie sollten nicht so lachen. Viel-
    leicht wundern Sie sich noch. Wer zuletzt lacht, lacht be-
    kanntlich am besten. – Damit habe ich dieses Thema ab-
    gearbeitet.

    Mir ist aufgefallen, wie die Vokabeln bestehen bleiben.
    Von der alten Bundesregierung kannte ich das Miesma-
    cher-Vokabular gegen SPD, Grüne und andere hier im
    Hause genauso, wie es jetzt gebraucht wird.

    Ich wundere mich noch über einen anderen Punkt:
    Wenn es einen Konjunkturaufschwung gibt, habe ich
    noch keine Bundesregierung erlebt, die nicht sagt, dass
    diese Konjunktur das Ergebnis ihrer hervorragenden Rah-
    menpolitik der letzten Monate und Jahre sei. Wenn es eine
    Rezession gibt, habe ich ebenfalls noch keine Bundesre-
    gierung erlebt, die dann nicht erklärt, dass dies mit objek-
    tiven ökonomischen Prozessen zu tun habe, dass im Übri-
    gen die tieferen Ursachen in Asien und in den USA und
    nicht in Bonn oder Berlin lägen. Wenn man solche Erfolge
    für sich in Anspruch nimmt, muss man auch bei der ent-
    gegengesetzten Entwicklung damit leben, dass die Bürge-
    rinnen und Bürger davon ausgehen, dass man für die
    schlechte Entwicklung genauso verantwortlich ist. Des-
    halb wäre es schon richtiger, man würde differenzieren.


    (Beifall bei der PDS)

    Nicht nur die CDU/CSU-Fraktion sagt, der Auf-

    schwung sei nicht hausgemacht. In der „taz“ vom
    28.April sagt die alternative Wirtschaftswissenschaftlerin
    Beate Willms, dass weder am Aufschwung noch am mög-
    lichen Abbau der Arbeitslosigkeit Rot-Grün bisher einen
    nennenswerten Anteil hat. Sie begründet diese Meinung.


    (Bundeskanzler Gerhard Schröder: Wer ist Frau Willms?)


    – Das werde ich Ihnen erklären. Die „taz“ ist mehr eine
    Zeitung der Grünen und weniger eine Zeitung von uns.
    Zumindest die Grünen sollten auf diese Meinung hören.

    Es gibt drei Faktoren. Der erste Faktor – den kann man
    nicht wegdiskutieren –: Wir haben es tatsächlich mit einer
    demographischen Verschiebung zu tun. Das heißt, gebur-
    tenstarke Jahrgänge verlassen den Arbeitsmarkt, gehen in
    Rente und geburtenschwache Jahrgänge kommen auf den
    Arbeitsmarkt. Das hat zunächst einmal auf die Statistik
    positive Auswirkungen.

    Der zweite Faktor – es ist wahr, was Sie sagen –: Die
    Konjunktur ist angekurbelt. Das hängt auch mit der
    Schwäche des Euro zusammen, die eine positive Seite
    hat. Das heißt, Exporte werden erleichtert, was der
    Exportwirtschaft hilft. Ich finde es albern, diese Tatsache
    zu leugnen.

    Ich sage aber gleichzeitig, dass diese Entwicklung
    mehrere Negativseiten hat. Die erste Negativseite ist, dass
    die Unternehmen, die auf Importe aus dem Dollar-Be-
    reich angewiesen sind, jetzt sehr viel mehr bezahlen müs-
    sen. In diesem Bereich sind Arbeitsplätze gefährdet.

    Zweitens hat es psychologisch eine negative Auswir-
    kung, weil nämlich das Vertrauen in den Euro abnimmt
    bei den Bürgerinnen und Bürgern, auch im Ausland
    außerhalb der Euro-Zone.

    Nun sagen Sie ja selber: Der Euro wird auch im Außen-
    verhältnis wieder an Stärke gewinnen; Kerstin Müller sagt
    das auch. Bloß, dann müssen Sie dazusagen: Was wird
    denn dann aus der Exportwirtschaft? Das, was Sie jetzt
    positiv bewertet haben, passiert doch dann negativ. Dann
    werden nämlich die Exporte wieder abnehmen.


    ( V o r s i t z : Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms)


    Aber das Dramatischste – worauf Sie leider überhaupt
    nicht eingegangen sind, Herr Bundeskanzler – ist der
    Osten. Im Osten hat ja die Arbeitslosigkeit nicht nur nicht
    abgenommen, sie hat zugenommen. Sie hat auch in die-
    sem Monat wieder um 8 000 zugenommen. Das heißt, die
    ganze Wirkung bleibt derzeit auf die alten Bundesländer
    beschränkt, es gibt keine Wirkung auf die neuen. Ich sehe
    überhaupt kein Konzept der Bundesregierung, wie man
    dort die Wirtschaft ankurbeln will.

    Wir haben die Investitionspauschale für Kommunen
    vorgeschlagen, damit die wieder in der Lage sind, eigene
    Wirtschaftskreisläufe in Gang zu setzen.


    (Beifall bei der PDS)

    Dazu gehört aber auch die Stärkung der Kaufkraft in Ost-
    deutschland. Deshalb bitte ich Sie noch einmal: Legen Sie
    einen Fahrplan zur Angleichung der Löhne und Gehälter
    auch im öffentlichen Dienst vor, wenigstens in welchen
    Schritten und in welchen Fristen das erfolgen soll. Das ist
    im zehnten Jahr der deutschen Einheit politisch notwen-
    dig, das ist moralisch notwendig,


    (Beifall bei der PDS)

    aber es ist auch ökonomisch sinnvoll. Denn ohne Ankur-
    belung der Kaufkraft werden wir die Wirtschaft in den
    neuen Bundesländern nicht ankurbeln. Da verstehe ich
    Ihren Bundesinnenminister überhaupt nicht, der es nun
    auf ein Schiedsverfahren und vielleicht sogar auf Streiks
    ankommen lassen will, anstatt hier so schnell wie möglich




    Dr. Gregor Gysi
    9504


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    eine Verständigung herbeizuführen für den gesamten öf-
    fentlichen Dienst und speziell auch für den in den neuen
    Bundesländern.


    (Beifall bei der PDS)

    Lassen Sie mich noch etwas sagen zu der Frage, ob

    denn das alles genügt. Sie selbst haben betont, entschei-
    dend sei – und da sind Sie auf die Kaufkraft eingegan-
    gen –, dass die Einkommen netto im Vergleich zu brutto
    wieder zugenommen hätten, gerade bei Löhnen und
    Gehältern. Ich weiß nicht, Herr Bundeskanzler, ob das so
    stimmt. Wenn aber diese Kaufkraftthese neben der Ange-
    botsthese im ausgewogenen Verhältnis zueinander stim-
    mig gemacht werden soll, dann müssen wir schon ein paar
    Dinge ändern.

    Es ist doch real so, dass durch den Ausfall der Netto-
    lohnanpassung bei Renten, bei Arbeitslosengeld, bei Ar-
    beitslosenhilfe und damit indirekt auch bei Sozialhilfe die
    Kaufkraft geschwächt wurde. Und Sie kriegen es nicht
    weg. Diese Reformen gingen zulasten der sozial
    Schwächsten in unserer Gesellschaft. Man kann es dre-
    hen und wenden, wie man will: Unter der Kohl-Regierung
    gab es immerhin jedes Jahr die Nettolohnanpassung,
    wenn auch bei schwachen Nettolohnsteigerungen. Erst-
    malig unter einer sozialdemokratisch geführten Bundes-
    regierung fällt sie jetzt zwei Jahre lang aus. Das trifft die
    völlig Falschen.

    Die haben auch nichts davon, dass Sie den Eingangs-
    steuersatz bei der Einkommensteuer senken; denn die
    zahlen gar keine Einkommensteuer. Außerdem müssen
    sie die Ökosteuer bezahlen. Das heißt, sie machen netto
    richtig Miese. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer,
    die etwas davon haben, dass der Eingangssteuersatz ge-
    senkt wird, verlieren das fast alles wieder durch die Öko-
    steuer, die eben im Unterschied zur Meinung von Frau
    Müller nicht einmal ökologisch ist, aber ganz bestimmt
    nicht sozial.


    (Beifall bei der PDS – Sabine Kaspereit [SPD]: Das ist falsch!)


    Ich will mich damit heute auch gar nicht länger ausei-