Rede:
ID1410200800

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 8
    1. Ich: 1
    2. erteile: 1
    3. das: 1
    4. Wortdem: 1
    5. Kollegen: 1
    6. Jürgen: 1
    7. Möllemann,: 1
    8. F.D.P.-Fraktion.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Nachträgliche Glückwünsche zum Geburtstag der Abgeordneten Erika Simm und Jochen Borchert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9483 A Wahl der Abgeordneten Edeltraut Töpfer zur Schriftführerin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9483 B Wahl des Abgeordneten Bartholomäus Kalb als Mitglied in den Verwaltungsrat der Deut- schen Ausgleichsbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9483 B Erweiterung der Tagesordnung . . . . . . . . . . . 9483 B Nachträgliche Ausschussüberweisungen . . . . 9483 C Tagesordnungspunkt 3: Eidesleistung des Wehrbeauftragten . . 9484 B Präsident Wolfgang Thierse . . . . . . . . . . . . . 9484 C Dr. Willfried Penner, Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages . . . . . . . . . . . . . . . . . 9484 C Tagesordnungspunkt 4: a) Abgabe einer Regierungserklärung: Deutschland im Aufbruch – Moderne Wirtschaftspolitik für neue Arbeits- plätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9484 C b) Antrag der Abgeordneten Birgit Schnieber-Jastram, Dr. Maria Böhmer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion CDU/CSU: Bessere Erwerbsaussich- ten für ältere Arbeitnehmer durch bessere Qualifizierung (Drucksache 14/2909) ..... . . . . . . . . . . 9484 C c) Antrag der Abgeordneten Gunnar Uldall, Birgit Schnieber-Jastram, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion CDU/CSU: Beschäftigung als Ziel der Wirtschaftspolitik herausstellen (Drucksache 14/2988) . . . . . . . . . . . . . 9484 D Gerhard Schröder, Bundeskanzler . . . . . . . . . 9484 D Friedrich Merz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 9489 A Dr. Peter Struck SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9493 D Jürgen W. Möllemann F.D.P. . . . . . . . . . . . . . 9496 C Kerstin Müller (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9499 D Dr. Gregor Gysi PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9503 D Hans Eichel, Bundesminister BMF . . . . . . . . 9507 B Michael Glos CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 9509 C Dr. Norbert Wieczorek SPD . . . . . . . . . . . . . 9513 A Rainer Brüderle F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9516 A Dr. Ditmar Staffelt SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 9517 B Karl-Josef Laumann CDU/CSU . . . . . . . . . . 9519 A Wolfgang Weiermann SPD . . . . . . . . . . . . 9520 B Sabine Kaspereit SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9520 D Ernst Hinsken CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 9522 B Dr. Christa Luft PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 9523 B Dr. Bernd Protzner CDU/CSU . . . . . . . . . . . 9524 A Ulla Schmidt (Aachen) SPD . . . . . . . . . . . . . 9525 B Dr. Bernd Protzner CDU/CSU . . . . . . . . . 9527 A Tagesordnungspunkt 5: Zweite und dritte Beratung des von den Ab- geordneten Erwin Marschewski, Wolfgang Zeitlmann, weiteren Abgeordneten und der Fraktion CDU/CSU eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Änderung des Plenarprotokoll 14/102 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 102. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2000 I n h a l t : Gesetzes überdas Ausländerzentralregis- ter und zur Einrichtung einerWarndatei (Drucksachen 14/1662;14/2745) . . . . . . . . 9528 B Hartmut Koschyk CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 9528 C Eckhardt Barthel (Berlin) SPD . . . . . . . . . . . 9530 D Dr. Guido Westerwelle F.D.P. . . . . . . . . . . . . 9532 C Marieluise Beck (Bremen) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9534 A Dr. Guido Westerwelle F.D.P. . . . . . . . . . 9534 D Ulla Jelpke PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9535 D Erwin Marschewski CDU/CSU . . . . . . . . . . 9536 D Dr. Guido Westerwelle F.D.P. . . . . . . . . . . . . 9538 A Erwin Marschewski (Recklinghausen) CDU/ CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9538 B Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär BMI 9538 C Tagesordnungspunkt 21: Überweisungen im vereinfachten Ver- fahren a) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu den Übereinkommen vom 19. Dezember 1996 über den Bei- tritt des Königreichs Dänemark, der Republik Finnland und des König- reichs Schweden zum Schengener Durchführungsübereinkommen und zu dem Übereinkommen vom 18. Mai 1999 über die Assoziierung der Re- publik Island und des Königreichs Norwegen (Drucksache 14/3247) . . . . . . . . . . . . . 9540 A b) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Investiti- onszulagengesetzes 1999 (Drucksache 14/3273) . . . . . . . . . . . . . 9540 B c) Erste Beratung des von den Abgeordne- ten Dr. Klaus Grehn, Dr. Ruth Fuchs, weiterer Abgeordneter und der Fraktion PDS eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (Viertes SGB III-Än- derungsgesetz) (Drucksache 14/3044) . . . . . . . . . . . . . 9540 B d) Antrag der Abgeordneten Eva-Maria Bulling-Schröter, Rosel Neuhäuser, weiterer Abgeordneter und der Fraktion PDS: Ressourcenverbrauch der Bun- desrepublik Deutschland statistisch besser abbilden (Drucksache 14/2654) . . . . . . . . . . . . . 9540 C e) Antrag der Abgeordneten Heidemarie Ehlert, Dr. Barbara Höll, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion PDS: Übergangsregelungen bei der Ein- führung des Kapitalgesellschaften- und Co-Richtlinie-Gesetz (Drucksache 14/3078) . . . . . . . . . . . . . 9540 C f) Antrag der Abgeordneten Dr. Evelyn Kenzler, Roland Claus, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion PDS: Zeit- weilige Aussetzung der Möglichkeit zur Erhöhung der Nutzungsentgelte (Drucksache 14/3121) . . . . . . . . . . . . . 9540 D Tagesordnungspunkt 22: Abschließende Beratungen ohne Aus- sprache a) Zweite Beratung und Schlussabstim- mung des von der Bundesregierung ein- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 25. August 1998 zwi- schen der Bundesrepublik Deutsch- land und den Vereinigten Mexikani- schen Staaten überdie Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapital- anlagen (Drucksachen 14/2422;14/3129) . . . . 9541 A b) Zweite Beratung und Schlussabstim- mung des von der Bundesregierung ein- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 5. November 1998 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Antigua und Barbu- da über die Förderung und den gegen- seitigen Schutz von Kapitalanlagen (Drucksachen 14/2423; 14/3130) . . . . 9541 A c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Tech- nologie zu dem Antrag der Abgeordne- ten Wolfgang Börnsen (Bönstrup), Dietrich Austermann, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion CDU/CSU: Wirtschaftlicher Ausgleich und Übergangsregelung für Duty-free (Drucksachen 14/1206, 14/2103) . . . . 9541 B d) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Tech- nologie zu dem Antrag der Abgeordne- ten Gunnar Uldall, Kurt-Dieter Grill, weiterer Abgeordneter und der Fraktion CDU/CSU: Vorlage des Berichts zum Stromeinspeisungsgesetz (Drucksachen 14/2239, 14/2837) . . . . 9541 B Zusatztagesordnungspunkt 5: Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäfts- ordnung: Antrag auf Genehmigung zum Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2000II Vollzug gerichtlicher Durchsuchung- und Beschlagnahmebeschlüsse (Drucksache 14/3338) . . . . . . . . . . . . . . . . 9541 C Zusatztagesordnungspunkt 2: Aktuelle Stunde betr. Haltung der Bun- desregierung zur Erhöhung der Sicher- heit im Internet vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit dem „I LOVE YOU“-Virus Ute Vogt (Pforzheim) SPD . . . . . . . . . . . . . . 9541 D Sylvia Bonitz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 9542 C Grietje Bettin BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 9543 D Hans-Joachim Otto (Frankfurt) F.D.P. . . . . . 9545 A Angela Marquardt PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 9546 A Hubertus Heil SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9547 A Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn) CDU/CSU . 9548 A Matthias Berninger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9549 A Dieter Wiefelspütz SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 9550 C Elmar Müller (Kirchheim) CDU/CSU . . . . . 9551 D Siegmar Mosdorf, Parl. Staatssekretär BMWi 9552 D Alfred Hartenbach SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 9554 D Norbert Geis CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 9555 D Otto Schily, Bundesminister BMI . . . . . . . . . 9556 C Jörg Tauss SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9558 C Tagesordnungspunkt 6: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung von Vor- schriften über die Tätigkeit der Steuer- berater (Drucksachen 14/2667; 14 3282) . . . . . . . 9559 D Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9560 A Dr. Ilja Seifert PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 9561 C Hansgeorg Hauser (Rednitzhembach) CDU/ CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9563 A Christine Scheel BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 9565 B Dr. Ilja Seifert PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 9565 D Gerhard Schüßler F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . 9566 C Heidemarie Ehlert PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 9567 C Lydia Westrich SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9568 B Dr. Ilja Seifert PDS (Erklärung nach § 31 GO) 9570 C Tagesordnungspunkt 7: Antrag der Abgeordneten Norbert Hauser (Bonn), Norbert Röttgen, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion CDU/CSU: Si- cherung der außeruniversitären inter- disziplinären Grundlagenforschung in der Informations- und Kommunikati- onstechnik (Drucksache 14/3097) . . . . . . . . . . . . . . . . 9571 A Norbert Hauser (Bonn) CDU/CSU . . . . . . . . 9571 A Stephan Hilsberg SPD . . . . . . . . . . . . . . . 9572 A Wolf-Michael Catenhusen, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9573 A Norbert Hauser (Bonn) CDU/CSU . . . . . 9573 D Cornelia Pieper F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9575 C Hans-Josef Fell BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 9576 D Maritta Böttcher PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9578 B Jörg Tauss SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9579 B Steffen Kampeter CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 9581 A Tagesordnungspunkt 8: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zu dem Antrag der Abgeordneten Ursula Burchardt, Jörg Tauss, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion SPD sowie der Abgeordneten Hans- Josef Fell, Matthias Berninger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Strategie für eine Nachhaltige Informationstechnik (Drucksachen 14/2390, 14/2814) . . . . . . . 9582 C Ursula Burchardt SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9582 D Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn) CDU/CSU 9585 B Winfried Hermann BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9586 C Cornelia Pieper F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9588 A Angela Marquardt PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 9588 D Jürgen Koppelin F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . 9589 A Jörg Tauss SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9589 D Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) CDU/CSU . 9591 A Tagesordnungspunkt 9: a) Erste Beratung des von den Abgeord- neten Dr. Dieter Thomae, Detlef Parr, weiteren Abgeordneten und der Frakti- on F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Sicherung einer ange- messenen Vergütung psychothera- peutischer Leistungen im Rahmen dergesetzlichen Krankenversicherung (Drucksache 14/3086) . . . . . . . . . . . . . 9592 C Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2000 III b) Antrag der Abgeordneten Dr. Ruth Fuchs, Dr. Ilja Seifert, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion PDS: Exis- tenzsichernde Vergütung der psycho- therapeutischen Versorgung gewähr- leisten (Drucksache 14/2929) ... . . . . . . . . . . . 9593 A Dr. Dieter Thomae F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . 9593 A Helga Kühn-Mengel SPD . . . . . . . . . . . . . . . 9594 B Aribert Wolf CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 9596 D Horst Schmidbauer (Nürnberg) SPD . . . . . . 9600 A Aribert Wolf CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 9600 D Katrin Dagmar Göring-Eckardt BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9601 B Dr. Ruth Fuchs PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9602 D Gudrun Schaich-Walch SPD . . . . . . . . . . . . . 9604 A Aribert Wolf CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 9604 D Gudrun Schaich-Walch SPD . . . . . . . . . . . . . 9605 A Tagesordnungspunkt 10: Antrag der Abgeordneten Ernst Küchler, Dr. Ernst Dieter Rossmann, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion SPD sowie der Abgeordneten Matthias Berninger, Ekin Deligöz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Lebensbegleitendes Lernen für alle – Weiterbildung ausbauen und stärken (Drucksache 14/3127) . . . . . . . . . . . . . . . . 9605 C Ernst Küchler SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9605 D Werner Lensing CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 9608 A Matthias Berninger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9610 A Cornelia Pieper F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9611 C Maritta Böttcher PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9612 D Wolf-Michael Catenhusen, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9613 D Werner Lensing CDU/CSU . . . . . . . . . . . 9614 C Ina Lenke F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9615 C Heinz Wiese (Ehingen) CDU/CSU . . . . . . . . 9616 A Tagesordnungspunkt 11: Antrag der Abgeordneten Dr. Norbert Lammert, Bernd Neumann (Bremen), wei- terer Abgeordneter und der Fraktion CDU/CSU: Hauptstadtkulturförderung (Drucksache 14/3182) . . . . . . . . . . . . . . . . 9617 C Dr. Norbert Lammert CDU/CSU . . . . . . . . . 9617 D Dr. Michael Naumann, Staatsminister BK . . . 9619 C Franziska Eichstädt-Bohlig BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9622 A Dr. Günter Rexrodt F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . 9624 A Dr. Heinrich Fink PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9625 B Eckhardt Barthel (Berlin) SPD . . . . . . . . . . . 9626 B Steffen Kampeter CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 9628 B Dr. Christian Stölzl, Senator (Berlin) . . . . . . . 9630 A Tagesordnungspunkt 12: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- wärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Fraktionen SPD, CDU/CSU, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und F.D.P.: Die Rolle der Interparlamentarischen Union (IPU) im Zeitalter der Globalisierung (Drucksachen 14/1567, 14/2951) . . . . . . . 9631 A Tagesordnungspunkt 13: Antrag der Abgeordneten Dr. Ilja Seifert, Eva-Maria Bulling-Schröter, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion PDS: Bundes- stiftung „Entschädigung für NS-Un- recht“ gründen und Entschädigung von NS-Opfern der Zwangssterilisation und der Euthanasie in die Wege leiten (Drucksache 14/2298) . . . . . . . . . . . . . . . . 9631 C Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9631 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 9633 A Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zur Be- schlussempfehlung: Die Rolle der Interparlamentarischen Union (IPU) im Zeitalter der Globalisierung (Tagesord- nungspunkt 12) Dieter Schloten SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9633 C Dr. Rita Süssmuth CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 9635 C Dr. Angelika Köster-Loßack BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9636 B Ulrich Irmer F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9636 D Petra Bläss PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9637 B Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Bundesstiftung „ Entschädigung Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2000IV für NS-Unrecht“ gründen und Entschädi- gung von NS-Opfern der Zwangssterilisation und der Euthanasie in die Wege leiten (Tages- ordnungspunkt 13) Bernd Reuter SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9638 A Martin Hohmann CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 9638 D Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 9639 D Dr. Max Stadler F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9640 C Dr. Ilja Seifert PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9641 B Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2000 V Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2000
  • folderAnlagen
    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2000 Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms 9631 (C)(A) 1 Anlage 2 2 Anlage 3 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2000 9633 (C) (D) Altmaier, Peter CDU/CSU 11.05.2000 Dr. Blank, CDU/CSU 11.05.2000 Joseph-Theodor Carstensen (Nordstrand), CDU/CSU 11.05.2000 Peter H. Dreßler, Rudolf SPD 11.05.2000 Dr. Dückert, Thea BÜNDNIS 90/ 11.05.2000 DIE GRÜNEN Dr. Eid, Uschi BÜNDNIS 90/ 11.05.2000 DIE GRÜNEN Flach, Ulrike F.D.P. 11.05.2000 Gebhardt, Fred PDS 11.05.2000 Dr. Hornhues, CDU/CSU 11.05.2000 Karl-Heinz Dr. Hoyer, Werner F.D.P. 11.05.2000 Imhof, Barbara SPD 11.05.2000 Dr. Kahl, Harald CDU/CSU 11.05.2000 Klinkert, Ulrich CDU/CSU 11.05.2000 Moosbauer, Christoph SPD 11.05.2000 Müller (Berlin), PDS 11.05.2000 Manfred Neuhäuser, Rosel PDS 11.05.2000 Nickels, Christa BÜNDNIS 90/ 11.05.2000 DIE GRÜNEN Ohl, Eckhard SPD 11.05.2000 Dr. Rüttgers, Jürgen CDU/CSU 11.05.2000 Schmitz (Baesweiler), CDU/CSU 11.05.2000 Hans Peter Dr. Waigel, Theodor CDU/CSU 11.05.2000 Wiesehügel, Klaus SPD 11.05.2000 Wolf (Frankfurt), BÜNDNIS 90/ 11.05.2000 Margareta DIE GRÜNEN Zierer, Benno CDU/CSU 11.05.2000* Dr. Zöpel, Christoph SPD 11.05.2000 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versamm- lung des Europarates entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten (A) (B) Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung: Die Rolle der Interparlamentarischen Union (IPU) im Zeitalter der Globalisierung (Tagesordnungs- punkt 12) Dieter Schloten (SPD):Ich möchte die Gelegenheit nutzen, bei einem Antrag zur Rolle der IPU im Zeitalter der Globalisierung, der in den Gremien des Deutschen Bundestages unstrittig ist, über die soeben in der jordani- schen Hauptstadt Amman beendete 103. Interparlamenta- rische Konferenz zu berichten. Sie hat die Bedeutung der IPU als der einzigen weltweiten, 139 Parlamente umfas- senden Organisation nachhaltig unterstrichen. Wenn mehr als 700 Parlamentarier, 600 weitere Delegierte und Sach- verständige sowie Vertreter zahlreicher internationaler Organisationen zusammentreffen, hat dies Auswirkungen auf die politische, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Gestaltungsmöglichkeit in einer immer schneller zusam- menwachsenden Welt. Zugleich ist die IPU ein Forum in- ternationaler Kontakte. So hat die deutsche Delegation in Amman intensive Gespräche geführt mit Delegationen aus: Äthiopien, Indien, Israel, Jordanien, Libyen, Ma- rokko, Mexiko, Palästina, Tunesien und Uruguay. Die 103. Interparlamentarische Konferenz hat sich mit drei wichtigen Themenbereichen befasst, deren Ergeb- nisse nunmehr weltweit von den Parlamenten den Regie- rungen zugeleitet werden. Die Regierungen sind auf- gefordert, die erforderlichen Maßnahmen umzusetzen. Natürlich ist die Erfüllung einer interparlamentarischen Verpflichtung nicht in allen Ländern gleichgewichtig ge- währleistet. Gleichwohl wird und muss die Botschaft ei- ner im Konsenswege oder mit großer Mehrheit angenom- menen Resolution aufgegriffen und umgesetzt werden. Als Beispiel möchte ich die Frage der palästinensischen Flüchtlinge nennen. Über dieses Thema, auf das ich spä- ter näher eingehen werde, haben wir in Amman tagelang kontrovers diskutiert. Gewiss wird es Gegenstand heftiger Debatten in den Parlamenten der arabischen Staaten und in der Knesset sein. Die Konferenz in Amman befasste sich mit zwei or- dentlichen Tagesordnungspunkten und einem Zusatzta- gesordnungspunkt. „Frieden, Stabilität und umfassende Entwicklung in der Welt zu erreichen mit dem Ziel, engere politische, wirtschaftliche und kulturelle Bindungen zwischen den Völkern“ zu schaffen, hieß der erste Tagesordnungspunkt. Er war weitgehend unumstritten. Schwieriger gestalteten sich die Diskussionen um den zweiten Tagesordnungspunkt: „Dialog zwischen Zivilisa- tionen und Kulturen“. Es war bereits vor einem Jahr in Brüssel gemeinsam von der deutschen und der iranischen Delegation für die Konferenz in Amman vorgeschlagen worden. Hierbei hatte die deutsche Delegation unter Fe- derführung der Kollegin Monika Griefahn gemeinsam mit Frau Professor Süssmuth ausgezeichnete Vorarbeit geleistet, sodass der deutsche Entwurf zur Grundlage für die Diskussion im Redaktionsausschuss wurde. Leider konnte Frau Professor Süssmuth wegen einer Erkrankung nicht an der Konferenz in Amman teilnehmen. Frau Griefahn hat in Kooperation mit unseren britischen Kol- leginnen und Kollegen, die ihren Entwurf zugunsten des deutschen zurückgestellt haben, durch geschicktes Ver- handeln die wesentlichen Ziele unseres Entwurfes erfolg- reich durchsetzen können, nämlich kulturelle Vielfalt, kulturelle Bereicherung und eine weltweite Zivilgesell- schaft. Die einstimmige Beschlussfassung in Ausschuss und Versammlung hat schließlich – trotz vorheriger Ein- wände einiger Staaten – sogar dazu geführt, dass die Kon- ferenz den Vorrang der Achtung der Menschenrechte vor kulturellen Traditionen und Dogmen anerkannt hat. In einem Zusatztagesordnungspunkt befasste sich die Konferenz mit der „Rolle von Parlamenten, das Recht der durch Krieg und Besatzung betroffenen Flüchtlinge und Vertriebenen sowie ihre Repatriierung zu unterstüt- zen sowie die internationale Zusammenarbeit bei Ent- wicklung und Anwendung von Strategien zu vertiefen, die darauf ausgerichtet sind, kriminelle Aktivitäten des Menschenhandels zu bekämpfen“. Dieser Tagesord- nungspunkt war aufgrund der Situation der Flüchtlinge im Nahen Osten, insbesondere in Jordanien selbst, das 1,4 Millionen palästinensische Flüchtlinge beherbergt, der umstrittenste Punkt. Dennoch war die Zusammenarbeit zwischen den Delegierten gekennzeichnet durch Ver- ständnis, gegenseitige Rücksichtnahme und insbesondere Offenheit gegenüber den Argumenten anderer. Ein Kom- promiss musste gefunden werden. In diesem Tagesord- nungspunkt wurde nämlich nicht nur die Berücksichti- gung des Flüchtlingsproblems im Nahen Osten, sondern in allen Teilen der Welt gefordert, zum Beispiel auf dem Balkan, im Kaukasus und in Teilen Afrikas. Für die Zu- stimmung sollte jedoch die gesamte arabische Welt ge- wonnen werden. Nachdem es den arabischen Kollegen gelungen war, im politischen Ausschuss eine etwas ra- dikale Lösungsformulierung durchzusetzen, lautet der Kompromissvorschlag, den ich gemeinsam mit dem Parlamentspräsidenten Jordaniens, der zugleich Konfe- renzpräsident war, gefunden habe, folgendermaßen: Die 103. Interparlamentarische Konferenz bekun- det – ohne die Flüchtlingsprobleme in anderen Tei- len der Welt aus dem Auge zu verlieren – ihre nach- drückliche Unterstützung für alle Bemühungen um einen gerechten, dauerhaften und umfassenden Frie- den im Nahen Osten, einschließlich des Rechts der palästinensischen Flüchtlinge auf Rückkehr im Ein- klang mit der VN Resolution 194, dem in der Kon- ferenz in Madrid festgelegten Grundsatz Land für Frieden, und die Durchführung der Resolutionen des Sicherheitsrates 242, 338 und 425 und des Vertrages von Oslo. In dieser Kompromissformulierung, die nach einigem Zögern zunächst von dem palästinensischen Delegations- leiter und dann auch von sämtlichen arabischen Delega- tionen unterstützt wurde, sehe ich einen Erfolg, sowohl für die Lage der Flüchtlinge als auch für die Ernsthaftig- keit, bei schwierigen Problemstellungen in der IPU eine positive Zusammenarbeit sicherzustellen. Der Wermuts- tropfen war, dass sich die israelische Delegation in diesem Punkte nicht in der Lage sah, einen Schritt nach vorne zu tun. Obwohl ich die israelischen Delegierten ständig über den Gang der Verhandlungen informiert habe, behaupte- ten sie in der Konferenz, sie seien nicht involviert gewe- sen und lehnten von vornherein jeden Kompromiss ab. Andererseits war diese Entwicklung wichtig für die guten deutsch-arabischen Beziehungen. Ich möchte an dieser Stelle ein Wort des Dankes an unseren Botschafter in Am- man, Herrn Dr. Martin Schneller, richten, der die deutsche Delegation während der gesamten Zeit unterstützt hat, so- wie an die anwesenden Mitarbeiter des Auswärtigen Am- tes und des Bundestages für die große Unterstützung, die sie der Delegation und insbesondere mir als ihrem Leiter gewährt haben. Erwähnen möchte ich auch die Breite des Spektrums wichtiger Konferenzbereiche, bei denen die IPU entspre- chend ihrer Zielsetzung nach friedlicher Zusammenarbeit in immer stärkerem Maße tätig wird. Lassen Sie mich bei- spielhaft folgende Problemfelder anführen, die kontinu- ierlich und mit großem Sachverstand und hohem Engage- ment bearbeitet werden: Der Ausschuss für die Menschenrechte von Parlamen- tariern befasst sich mit der Verletzung der Menschen- rechte demokratisch gewählter Kolleginnen und Kolle- gen, deren Schicksal uns nicht gleichgültig sein darf. Un- sere Aufgabe ist es, sowohl bei Besuchen in den betroffenen Ländern als auch als Gastgeber von Parla- mentsdelegationen aus diesen Ländern alles zu tun, um ih- nen die Ausübung ihres Mandats auf den Grundlagen des Rechtsstaates zu ermöglichen. Als Beispiele möchte ich erstens den Präsidentschaftskandidaten der RPG bei den letzten Präsidentschaftswahlen in Guinea, Herrn Alpha Condé, nennen. Er befindet sich seit Oktober letzten Jah- res ohne stichhaltige Begründung im Gefängnis. Ich würde mich freuen, wenn es wegen der guten Kontakte zwischen Deutschland und Frankreich auf Regierungs- ebene gelänge, den französischen Präsidenten dazu zu be- wegen, seinen Einfluss beim Präsidenten Guineas geltend zu machen, um Herrn Condé wieder zur Freiheit zu ver- helfen. Zweitens möchte ich das Beispiel Burma bzw. Myan- mar anführen, wo nach wie vor zwischen 20 und 30 frei gewählte Abgeordnete seit Jahren im Gefängnis sitzen. Mit der Unterstützung von lateinamerikanischen Delega- tionen ist es mir gelungen, am letzten Tag der Konferenz das Thema „Menschenrechtsverletzungen an Parlamenta- riern“ zum Konferenzthema für die nächste IPU Konfe- renz in Jakarta im Oktober dieses Jahres zu machen. Erwähnen möchte ich auch die Gruppe, die sich mit der Gleichstellung der Geschlechter befasst. Sie bemüht sich intensiv und erfolgreich darum, die Rolle der Frau und der Parlamentarierinnen weiter voranzubringen. Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, dass der Deutsche Bundestag diesen Auftrag vorbildlich er- füllt. Die achtköpfige Delegation des Deutschen Bundes- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 20009634 (C) (D) (A) (B) tages bei der Konferenz in Amman bestand aus fünf Frauen und drei Männern. Der Ausschuss für Nahostfragen ist ein weiteres wich- tiges Gremium, und ich freue mich, dass unsere Kollegin Frau Dr. Angelika Köster-Loßack als neues Mitglied in diesen ständigen Ausschuss gewählt wurde. Abschließend möchte ich noch zwei Punkte erwähnen. Sie beinhalten das Verhältnis zwischen der IPU und den Vereinten Nationen sowie die wachsende Bedeutung der Gruppe der Zwölf Plus in der IPU. Zum Ersten. In einer Studie des Generalsekretärs zur Reform der IPU ist der Vorschlag unterbreitet worden, die Zusammenarbeit mit den VN zu verstärken und der IPU die Rolle einer parlamentarischen Dimension der VN zu verleihen. Die bevorstehende Millenniumskonferenz aller Parlamentspräsidenten der Welt in New York vom 30. Au- gust bis 1. September 2000 sowie der jährliche Zusam- mentritt von Parlamentariern aus aller Welt während der Generalversammlung weisen in diese für die IPU so wich- tige Richtung. Wir alle sollten ein hohes Interesse daran haben, den Vereinten Nationen eine parlamentarische Di- mension zur Seite zu stellen, deren Kontrollfähigkeiten neben den VN auch andere internationale Organisationen umfassen. Seattle und Washington, das heißt die Tagun- gen von WTO und IMF, haben deutlich die Notwendig- keit gezeigt, die parlamentarische Dimension auch hier einzubringen. Konkrete Vorschläge werden zurzeit von deutscher Seite sowie von anderen Delegationen erarbei- tet. Wir wollen versuchen, diese Entwürfe in Jakarta zu einem gemeinsamen Vorschlag zu bündeln. Zum Zweiten. Die Bedeutung der vor 25 Jahren durch unseren damaligen Kollegen Dr. Klaus von Dohnanyi, Georg Kliesing und Dr. Uwe Holtz gegründeten geopoli- tischen Gruppe der Zwölf Plus – das sind die Mitglieder des Europarates ohne ehemalige GUS-Staaten sowie Aus- tralien, Kanada, Neuseeland und USA–, deren Vorsitzen- der ich seit 1998 bin, nimmt ständig an Gewicht zu. Diese Gruppe, etwa einer Fraktion vergleichbar, ist der Motor der Demokratisierung in der IPU. Insgesamt gehören die- ser Gruppe nunmehr 43 Mitgliedsländer sowie drei Beob- achter-Delegationen aus dem Europäischen Parlament, der Parlamentarischen Versammlung des Europarates so- wie der Knesset an. Wir unterhalten intensive Beziehun- gen zu den übrigen sechs geopolitischen Gruppen in der IPU. Mit der Gruppe Lateinamerikas haben wir in Amman vereinbart, gemeinsam eine Arbeitsgruppe zur Reform der IPU einzurichten. Auf der Millenniumskonferenz in New York soll die inhaltliche Abstimmung abschließend erfolgen. Ich freue mich in diesem Zusammenhang darüber, dass der Bun- destagspräsident an der Millenniumskonferenz teilneh- men wird. Seine Anwesenheit wird dazu beitragen, die parlamentarische Dimension der VN auf einen weiteren erfolgreichen Weg zu bringen. Die 103. IPU Konferenz in Amman hat gezeigt, dass parlamentarische Diplomatie nicht gegen, sondern in Er- gänzung zur Außenpolitik der Regierungen einen Beitrag zu Frieden und Demokratie in unserer Welt leisten kann, für die wir gemeinsam Verantwortung tragen. Dr. Rita Süssmuth (CDU/CSU): Die IPU hat sich im 20. Jahrhundert von einer kleinen Vereinigung zu einer weltweiten Parlamentarierversammlung ent- wickelt mit Parlamentariern und Parlamentarierin- nen aus 138 Mitgliedstaaten. Sie ist ein parlamentari- sches Forum, das wie kein anderes Demokratie, Rechts- staatlichkeit und Frieden fördert. Dort begegnen sich unterschiedliche politische Systeme und Kulturen, arme und reiche Kontinente. Dort kommen Krieg und Frieden, Flüchtlings- und Armutsprobleme, Weltwirtschaftsord- nung, gerechte Teilhabe an Entwicklung zur Sprache. Auf Initiative der deutschen Delegation, es war damals Dr. Klaus von Dohnanyi, wurde in der IPU die Gruppe der 12 mit Mitgliedern des Europarats gebildet. Die Präsi- dentschaft von Hans Stercken (1985–1988) und sein Wir- ken für die IPU sind unvergessen. Die Parlamentarier der Bundesrepublik Deutschland haben stets einen sehr akti- ven Part in der IPU gespielt, Themenvorschläge für das Plenum sowie Resolutionen eingebracht. Parlamentarier unterschiedlicher politischer Systeme, mit geringerer und voller Demokratieentwicklung disku- tieren zu Themen wie dem Krieg auf dem Balkan, eine neue gerechtere Weltwirtschafts- und Handelsordnung, friedliche Lösung von Konflikten, Dialog der Kulturen. Es ist ein parlamentarisches Forum, das den Austausch gemeinsamer und höchst gegensätzlicher Positionen an- strebt. Ich kenne keine Institution, die in vergleichbarer Weise für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und gewaltlose, fried- liche Konfliktlösungen eintritt. Delegationen der Mit- gliedstaaten zeigen, dass freie Rede, mit Pro und Contra in der Debatte, Einübung und Einhaltung parlamentari- scher Regeln im Plenum und in den Ausschüssen sowie im Umgang miteinander Chancen für die Demokratie sind, die gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kön- nen. Es treffen sich Parlamentarier aus allen Kontinenten, aus unterschiedlichen Kulturen, mit sehr unterschiedli- chen Entwicklungsbedingungen und Entwicklungsni- veaus, Länder und Kulturen, die Partnerschaft und Gleichbehandlung wollen, die um Anerkennung werben und Klage führen über Diskriminierung, Benachteiligung und Ausgrenzung. Regionen mit anhaltenden militäri- schen Auseinandersetzungen und Bürgerkriegen, Flücht- lings- und Armutsproblemen begegnen Parlamentariern aus friedlichen Regionen, armen und reichen. Parlamentarische Aufgaben sind wechselseitiges Ver- stehen und Verständigung, Erörterung der Probleme in Rede und Gegenrede, Achtung der jeweils anderen Kul- turen, auch Verständigung darüber, welche Werte und Normen gelten bzw. gelten sollen. Wollen wir den „Kampf der Kulturen“ vermeiden, soll an die Stelle der Konfrontation ein kooperatives Miteinander treten, dann ist es unabdingbar, kulturelle Gemeinsamkeiten und Un- terschiede in persönlicher Begegnung zu erörtern und auf diese Weise wechselseitige Kenntnis, Achtung und Ver- trauen aufzubauen. Kontroversen haben klärende und annähernde Funktion. Auf der Brüsseler IPU-Tagung 1999 wurde mit großer Heftigkeit die Intervention der NATO im Kosovo disku- tiert, um die massive Verletzung von Menschenrechten Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2000 9635 (C) (D) (A) (B) und den brutalen Einsatz von Gewalt zu beenden. Die IPU ist ein parlamentarisches Forum, das Gelegenheit gibt, politische Entscheidungen zu erklären, sie zu begründen, sich der Kritik argumentativ zu stellen. Dabei ging es in dieser Auseinandersetzung nicht nur um die gegenwärtige und zukünftige Rolle der UNO, sondern auch um die Frage, ob Menschenrechtsfragen nur in bestimmten Tei- len der Welt oder überall in der Welt gleiche Unterstüt- zung erfahren und welche Rolle dabei die UNO in Zu- kunft haben wird. Begegnung und Austausch finden nicht nur im Plenum und in den Ausschüssen, sondern auch in vielen informel- len Kontakten statt. Die werden von den Delegationen auch gesucht, und zwar aus allen Teilen der Welt: aus der lateinamerikanischen, afrikanischen, asiatischen und ara- bischen Welt. Lassen Sie mich abschließend zu einem für die IPU wichtigen Anliegen kommen, nämlich die Zusammenar- beit zwischen IPU und UNO. Die IPU fordert die An- wendung demokratischer Prinzipien auch auf die interna- tionalen Beziehungen sowie weltweit operierende Orga- nisationen wie zum Beispiel die UNO. Ziel ist es, die IPU zur parlamentarischen Dimension der Vereinten Nationen zu machen. Im Sommer dieses Jahres werden die Präsidenten der IPU-Mitgliedsparla- mente bei den Vereinten Nationen zu einer Konferenz zu- sammenkommen, ein wichtiges Zeichen für die parla- mentarische Dimension dieser Organisation. Damit die in der IPU geleistete Arbeit in ihrer politi- schen Wirksamkeit erhöht wird, fordert der Deutsche Bundestag die Bundesregierung auf, die von der IPU ver- abschiedeten Resolutionen nicht nur in der Bundesrepu- blik Deutschland, sondern auch in internationalen Gre- mien und Institutionen zu implementieren, in denen Deutschland Mitglied ist. Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte weltweit zum Erfolg zu bringen, das ist eine begeisternde und lohnende Aufgabe. Dr. Angelika Köster-Loßack (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die 103. Interparlamentarische Konferenz in Amman fällte wichtige Entscheidungen zu drei Themen- schwerpunkten. „Frieden, Stabilität und umfassende Ent- wicklung in der Welt zu erreichen mit dem Ziel, engere politische, wirtschaftliche und kulturelle Bindungen zwi- schen den Völkern zu schaffen“, war ein zielorientiertes Thema. Auf der Ebene weitgehender Abstraktion von konkreten Situationen gab es zu diesem Punkt keine größeren Auseinandersetzungen. Diese entstanden beim zweiten Tagesordnungspunkt über den Dialog zwischen Zivilisationen und Kulturen, den gemeinsam von Deutschland und dem Iran einge- reichten Vorschlag. Es gelang jedoch, bei der Schlussab- stimmung die universelle Gültigkeit der Menschenrechte und ihre Achtung vor jeglicher Relativierung durch kultu- relle Traditionen festzuschreiben. Die Auseinandersetzungen fanden einen schmerzli- chen Höhepunkt bei der Diskussion zum Thema „Rolle von Parlamenten, das Recht der durch Krieg und Besat- zung betroffenen Flüchtlinge und Vertriebenen sowie ihre Repatriierung zu unterstützen sowie die internationale Zusammenarbeit bei Entwicklung und Anwendung von Strategien zu vertiefen, die darauf ausgerichtet sind, kri- minelle Aktivitäten des Menschenhandels zu bekämp- fen.“ Dieser Zusatztagesordnungspunkt wurde zum Objekt der Auseinandersetzung zwischen den am nahöstlichen Friedensprozess beteiligten Vertretern. Ein durch das Re- daktionskomitee verhandelter Kompromissvorschlag, der auch die Zustimmung der israelischen Delegation gefun- den hatte, wurde auf der nächsten Ebene der Beschluss- fassung wieder verworfen. In dieser neuen Fassung war, auf Betreiben insbesondere der palästinensischen Beob- achterdelegation, jeglicher Hinweis auf Flüchtlingssitua- tionen in der Welt gestrichen worden. Dem Einsatz des Kollegen Dieter Schloten ist es zu verdanken, dass in der abschließenden Plenarsitzung ein Kompromissvorschlag verabschiedet werden konnte. Leider hat die israelische Delegation diesen Vorschlag nicht mehr mittragen kön- nen. Wir werden versuchen, dass solche Konfliktsituatio- nen in Zukunft bei den Vorbereitungsverhandlungen ge- klärt werden können. Eine sehr produktive und konsensorientierte Debatte fand unter den Parlamentarierinnen in eigenständigen Sit- zungen statt. Die IPU, insbesondere ihre Frauenpolitike- rinnen, hat sich seit der Verabschiedung der Aktionsplatt- form von Beijing im Jahre 1995 unablässig darum bemüht, diese Forderungen den Parlamenten in aller Welt nahe zu bringen. Zu diesem Zweck wurde eine Dokumentation erstellt, die eine generelle Bestandsaufnahme der Entwicklung weiblicher politischer Partizipation in aller Welt zusam- mengefasst. Untersucht wurde auf der Basis der bei den VN eingegangenen Regierungsberichten die Repräsen- tanz von Frauen in nationalen Parlamenten, politischen Parteien, Regierungen und der IPU selbst. Angesichts der fünf Jahre nach der Weltfrauenkonfe- renz noch immer mächtigen Widerstände gegen die Um- setzung der Forderungen von Beijing wünsche ich der von der IPU geplanten Sitzung bei den Vereinten Nationen in New York den für Frauen in aller Welt so notwendigen Er- folg bei der Überzeugungsarbeit. Ulrich Irmer (F.D.P.): Fragt man den statistischen Durchschnittsbürger, welche Stichworte ihm zum Thema der Globalisierung einfallen, so wird er wahrscheinlich antworten: Internet, Welthandel, Unternehmenszusam- menschlüsse, Auslandsinvestitionen, Standortvorteile und Arbeitsplätze. Der ungehinderte Austausch von Wa- ren, Dienstleistungen und Informationen ist jedoch nur eine Seite der Globalisierung. Ebenso wichtig ist die welt- weite Durchsetzung demokratischer Werte. In den zehn Jahren nach dem Zerfall des Sowjetimpe- riums ist die Globalisierung der Demokratie so weit fort- geschritten, dass nur noch einige wenige bornierte Des- poten vom Schlage des Kim Jong Il oder des Fidel Castro ernsthaft meinen, sie könnten die politische Weltkugel Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 20009636 (C) (D) (A) (B) aufhalten. Aber selbst diese Dinosaurier nehmen für sich in Anspruch, Demokraten zu sein. Demokratie und Men- schenrechte sind heute zur Ordre public der Weltinnenpo- litik geworden. Demokratie ist eine ansteckende Gesund- heit, deren wohltuende Erreger inzwischen ganze Konti- nente dauerhaft infiziert haben. Wer hätte etwa vor nur zehn Jahren zu hoffen gewagt, dass ganz Lateinamerika – von der genannten Ausnahme einmal abgesehen – zu Be- ginn des 21. Jahrhunderts demokratisch regiert werden würde? Noch vor wenigen Jahren wurde unter Politikwissen- schaftlern darüber diskutiert, ob es nicht neokoloniales Gehabe sei, den Entwicklungsländern eurozentrische De- mokratievorstellungen überstülpen zu wollen. Heute ha- ben sich faire und freie Wahlen, Gewaltenteilung und de- mokratische Kontrolle als gesellschaftliche Ordnungs- prinzipien fast überall durchgesetzt. Die Einhaltung demokratischer Spielregeln ist zu einer weltweit aner- kannten Voraussetzung für Entwicklungszusammenarbeit geworden. Pompöse Parlamentsgebäude, deren Oppositi- onsbänke verwaist sind und elektronische Abstimmungs- anlagen ohne Nein-Taste, wie unlängst noch auf Reisen in die so genannte Dritte Welt zu bewundern, sind heute kaum noch zu finden. Dass dies so ist, ist vor allem ein Verdienst einer der äl- testen multilateralen Organisationen, der Interparlamen- tarischen Union, die 1889, lange vor Erfindung des Inter- nets, des Fernsehens, des Radios, ja sogar vor Einführung des Telefons, ihren Kampf für die Globalisierung der De- mokratie begonnen hat. Auch wenn nicht immer alle Mit- gliedsparlamente einer strengen demokratischen Über- prüfung standgehalten haben, hat sich doch der mit der IPU verbreitete Demokratiebazillus als sehr reprodukti- onsfreundlich und widerstandsfähig erwiesen. Heute kämpfen fast 140 Mitgliedsländer zusammen mit anderen multilateralen Organisationen für eine vollständige und unwiderrufliche weltweite Durchsetzung von Demokratie und Menschenrechten. So hat die IPU seit 1966 in über 700 Fällen zugunsten von inhaftierten Volksvertretern in- terveniert. Heute leistet die IPU umfassende Demokrati- sierungshilfe in vielen Entwicklungsländern. 112 Jahre nach ihrer Gründung und zu Beginn des neuen Jahrtausends ist die Vision einer demokratischen Welt so greifbar wie nie zuvor. Doch selbst in einer Welt, in der sich Menschenrechte, Demokratie und Marktwirt- schaft durchgesetzt haben, kurz: in einer liberalen Welt, wird die IPU weiterhin wichtige Aufgaben zu erfüllen ha- ben. Die Tätigkeit der Parlamentarischen Versammlungen des Europarates, der NATO oder der OSZE zeigen, dass in einer immer näher zusammenrückenden Welt ein er- heblicher Koordinierungsbedarf zwischen demokrati- schen Volksvertretungen besteht. Vieles, was zu Zeiten der Nationalstaaten der ausschließlichen Regelungskom- petenz nationaler Parlamente vorbehalten war, bedarf im Zeitalter der Globalisierung multilateraler Abstimmung. Hier liegt eine der großen Herausforderungen der IPU als parlamentarisches Gegenstück zu den Vereinten Natio- nen. Petra Bläss (PDS): Die 103. Konferenz der Interpar- lamentarischen Union vergangene Woche in Amman hat gezeigt, wie wichtig der institutionalisierte internationale Dialog der Parlamentarierinnen und Parlamentarier aus aller Welt ist. Der Globalisierungsprozess stellt gerade hier eine wichtige Herausforderung dar. Denn der Hori- zont nationaler Parlamente reicht längst nicht mehr aus, den vor uns stehenden Problemen gerecht zu werden. Es waren zutiefst existenzielle Fragen, die im Mittel- punkt der Debatte standen: das Erreichen von Frieden, Stabilität und einer umfassenden Entwicklung in der Welt und der Aufbau engerer politischer, wirtschaftlicher und kultureller Beziehungen zwischen den Völkern sowie die Förderung des Dialogs zwischen Zivilisation und Kultu- ren. Die Parlamentarierinnen und Parlamentarier plädier- ten unter anderem für eine Stärkung der multilateralen Konfliktbewältigung von Organisationen wie UNO und OSZE und regten die Bildung weiterer regionaler und lo- kaler Zusammenschlüsse zur Konfliktprävention und zur Friedenssicherung an. Unsere Delegation hat der Debatte um den Dialog und den Austausch zwischen Zivilisatio- nen und Kulturen entscheidende Impulse gegeben. Nein, es gibt keine Alternative zum Dialog zwischen den Zivilisationen. Nur der Dialog führt zum friedlichen Zusammenleben der Völker und zur kulturellen Bereiche- rung der Menschen. Noch immer ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass die universell akzeptierten Menschen- rechte Grundlage jeder dialogfähigen Zivilisation und Kultur sein müssen. Die Toleranz gegenüber kulturellen Unterschieden und die Bereitschaft zum Dialog zwischen Kulturen und Zivilisationen dürfen keinen Vorwand für die Verletzung der Menschenrechte liefern. Da ich unmittelbar im Anschluss an die IPU-Konferenz an der Parlamentspräsidentenkonferenz der parlamentari- schen Versammlungen in Europa teilnahm, möchte ich an dieser Stelle auf eine Parallele der Debatten in Amman und Strasbourg aufmerksam machen, zumal sie unsere Arbeit in den nationalen Parlamenten betrifft: Die internationalen Zusammenhänge und Gremien, zu denen die IPU gehört, haben durch ihr stetes Engagement für Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit einen wichtigen Beitrag zur Demokratisierung geleistet. Nun gilt es aber, Wege zu finden, diesen großen Erfah- rungsschatz und seinen reichen Fundus völkerrechtlicher Bestimmungen durch eine verstärkte Rückkopplung zu den nationalen Parlamenten noch besser nutzbar zu ma- chen. Noch laufen zu viele internationale Initiativen ins Leere, werden zu viele in den nationalen Parlamenten nicht ausreichend wahrgenommen. Hinzu kommt, dass Konventionen unratifiziert bleiben, zum Teil auch wegen der Schwerfälligkeit der Entscheidungsverfahren in den Mitgliedstaaten. Der Ratifizierungsstand von Konventio- nen sollte daher Gegenstand regelmäßiger parlamentari- scher Prüfung und Beratung sein. Wir brauchen einen ge- regelten Informationsfluss zwischen den internationalen Zusammenhängen bzw. Organisationen und den nationa- len Parlamenten. Die Parlamentspräsidentinnen und -präsidenten aus 45 Staaten Europas waren sich einig, dass das Engagement für internationale Fragen und auswärtige Politik in den nationalen Parlamenten mehr gefördert und anerkannt werden muss. Es besteht eine Diskrepanz zwischen der Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2000 9637 (C) (D) (A) (B) Internationalisierung der Probleme einerseits und dem Festhalten an einer Art nationaler Kirchturmpolitik ande- rerseits. Zu einer modernen Politik gehört es schließlich auch, dass einmal erarbeitete internationale Grundsätze sowohl für die nationalen Parlamente als auch für Institu- tionen Geltung erlangen müssen, damit die Universalität der Menschenrechte weltweit gewährleistet wird. Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrages: Bundesstiftung „Entschädigung für NS-Unrecht“ gründen und Entschädigung von NS-Opfern der Zwangssteri- lisation und der Euthanasie in die Wege leiten (Tagesordnungspunkt 13) Bernd Reuter (SPD): 55 Jahre nach Ende des Zwei- ten Weltkrieges, ich erinnere an den 8. Mai, stehen auf der Tagesordnung des Deutschen Bundestages wiederholt Themen, die sich mit den furchtbaren Folgen dieses Krie- ges und eines verbrecherischen Regimes beschäftigen. Die Bundesrepublik Deutschland hat in umfangreicher Weise Entschädigung an die Opfer geleistet. Bis Januar 1999 wurden rund 104 Milliarden Mark an Entschädi- gungen auf der Grundlage von gesetzlichen und außerge- setzlichen Regelungen an Opfer auf der ganzen Welt ge- zahlt, dazu kommen nicht bezifferbare sonstige Leistun- gen in Milliardenhöhe nach Regelungen wie dem Gesetz über die Behandlung der Verfolgten des Nationalsozialis- mus in der Sozialversicherung u. Ä. Es wird eingeschätzt, dass in Zukunft für diese Regelungen ein weiterer Fi- nanzbedarf von 20 Milliarden Mark aufzubringen sein wird. Jährlich werden heute 1,5 Milliarden Mark geleis- tet. Wir müssen aber trotz dieses großen finanziellen Auf- wandes feststellen, dass es eine wirkliche Wiedergutma- chung für massenhafte Vernichtung von Leben, für schwerste gesundheitliche Schäden, für Demütigung und tiefste Verletzung der Menschenwürde nicht geben kann. Deshalb erkläre ich hier für die SPD-Fraktion: Die Re- habilitierung und die Verbesserung der Entschädigung für Opfer nationalsozialistischen Unrechts bleibt fortdau- ernde Verpflichtung. So auch nachzulesen in der Koaliti- onsvereinbarung zwischen SPD und Bündnis 90/Die Grü- nen. Und zu diesem Grundsatz stehen wir. Getragen von allen Fraktionen hat der Bundestag am 14. April 2000 das Gesetz zur Errichtung einer Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ zur Entschädi- gung von NS-Zwangsarbeit und weiterem NS-Unrecht behandelt. Diese Bundesstiftung ist ein ganz wichtiger Schritt zur Verbesserung der Entschädigungsleistungen und eine weitere enorme finanzielle Anstrengung des Bundes in Höhe von 5 Milliarden Mark. Ich möchte an dieser Stelle alle deutschen Unternehmen, die sich bisher der Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft verwei- gern, aufrufen, sich ihrer moralischen Verantwortung be- wusst zu werden und sich finanziell zu beteiligen. Eine abwartende Haltung der Unternehmen ist nicht zu tolerie- ren. Im Rahmen der Bundesstiftung werden vorrangig ehe- malige, noch lebende Zwangsarbeiter entschädigt, vor al- lem in den osteuropäischen Ländern, die bisher keinerlei Wiedergutmachung erfahren haben. Darüber hinaus lässt das Gesetz im Rahmen der finanziellen Ausstattung zu, dass durch die Partnerorganisationen Leistungen für sons- tige Personenschäden gewährt werden können, im Rah- men der finanziellen Mittel. Unter diesem Aspekt ist es besonders misslich, dass bei der Mittelverplanung die für diese Fälle zuständige Partnerorganisation, der so ge- nannte „Rest der Welt“, unterdurchschnittlich ausgestattet wurde. Insofern gilt es die Erfahrungen mit der Bundesstiftung abzuwarten. Wir wissen heute noch nicht, zumindest nicht so genau wie bei den anderen Partnerorganisationen, wie viele Anträge an diese noch zu findende Partnerorganisa- tion eingereicht werden. Wir werden im Herbst über diese Erfahrung verfügen und dann müssen wir neu beraten, auch über die im PDS- Antrag genannten „vergessenen Opfer“. Die aber, und das möchte ich ausdrücklich betonen, keine „vergessenen Op- fer“ sind. Die im Antrag angesprochenen Gruppen hatten und haben die Möglichkeit nach dem Bundesentschädi- gungsgesetz oder dem Allgemeinen Kriegsfolgengesetz und dazu erlassenen Härterichtlinien eine Entschädigung zu beantragen und in vielen Fällen auch erhalten. Euthanasie-Geschädigte und Zwangssterilisierte sind in diese Regelungen voll einbezogen worden. Wir werden auch zu reden haben über weitere Opfergruppen, die nach den vorbenannten Regelungen Anträge stellen konnten, das sind zum Beispiel psychiatrisch Verfolgte, Wehr- dienstverweigerer, Wehrkraftzersetzer, Homosexuelle, Asoziale, alles Gruppen, die der Verfolgung durch das NS-Regime unterlagen. Wir müssen uns dabei bemühen, nicht neue Lücken zu- zulassen und Ungerechtigkeiten vermeiden. In den ver- gangenen Jahren ist viel geleistet worden, aber es muss auf den Prüfstand, ob es der Schwere des Schicksals an- gemessen war und ist oder ob es Härten zu vermeiden gibt. Ich muss nochmals sagen, dass es eine wirkliche Wie- dergutmachung nicht geben kann. Und für sehr viele Op- fer kommt jegliche Entschädigung zu spät. Ich versichere Ihnen aber, dass keiner „vergessen“ wird. Die Bundesrepublik hat, anders als die ehemalige DDR, ihre Verantwortung für begangenes NS-Unrecht wahrgenommen und wird es weiter so handhaben. Aller- dings sehe ich nicht so einen großen Nachholbedarf wie den, der im PDS-Antrag gefordert wird. Aus diesen und den vorgenannten Gründen lehnen wir den Antrag ab. Martin Hohmann (CDU/CSU):Die Fraktion der PDS stellt den Antrag, eine Bundesstiftung „Entschädigung für NS-Unrecht“ zu gründen und die Entschädigung von NS- Opfern der Zwangssterilisation und der „Euthanasie“ in die Wege zu leiten. Es erübrigt sich klarzustellen, dass es keinen Dissens in der Verurteilung dieser schrecklichen Verbrechen gegen die Menschlichkeit gibt. Es erübrigt sich festzustellen, dass den Opfern und Angehörigen und Nachkommen der Opfer unser Mitgefühl gilt. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 20009638 (C) (D) (A) (B) Einerseits will die PDS wieselflink sein, andererseits kommt sie zu spät. Natürlich hat auch die PDS die rot- grüne Koalitionsvereinbarung gelesen. Dort steht in der Tat, dass neben der Bundesstiftung „Entschädigung für NS-Zwangsarbeit“ eine weitere Bundesstiftung „Entschä- digung für NS-Unrecht“ für die „vergessenen Opfer“ ein- gerichtet werden soll. Da nun die Verhandlungen und Ar- beiten für die Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ in ein abschließendes Stadium gekommen sind, will die PDS mit der Einbringung des vorliegenden An- trages demonstrativ zeigen: „Wir sind auf der Höhe der Zeit. Wir sind die Ersten, die das neue Thema auf die Ta- gesordnung bringen.“ So viel zur vergeblichen Schnellig- keit der PDS. Warum kommt die PDS gleichzeitig zu spät? Unser Staat, die Bundesrepublik Deutschland, musste nicht durch eine PDS-Initiative auf die Nöte dieser Op- fergruppen hingewiesen werden. Zu der Zeit unserer Re- gierungsverantwortung wurden für die Zwangssterilisier- ten die Sterilisationsentscheide der entsprechenden NS- Sondergerichte aufgehoben. Auch erhalten sie nach Prüfung ihrer Einkommens- und Vermögenslage Entschä- digungszahlungen. Es sind nicht unerhebliche Zahlungen an die Opfer geleistet worden. 5 000 DM an Zwangssteri- lisierte als einmalige Leistung und eine monatliche Bei- hilfe von zurzeit 120 DM. Härteleistungen nach dem All- gemeinen Kriegsfolgengesetz sind bei wirtschaftlicher Notlage zusätzlich möglich. An die „Euthanasie“-Ge- schädigten, also die Nachkommen von „Euthanasie“-Op- fern, können nach den Richtlinien zum Allgemeinen Kriegsfolgengesetz einmalige Beihilfen in Höhe von 5 000 DM bei entsprechenden Einkommensvoraussetzun- gen gezahlt werden. Keineswegs kann also behauptet werden, unser Gemeinwesen habe diese Opfergruppen vergessen. Das erkennt die PDS in der Antragsbegrün- dung sogar selbst an. Sie schreibt nämlich wörtlich, dass die erbrachten Leistungen „Hilfe“ waren. Was ist denn nun der wahre Grund für diese parlamen- tarische Initiative der PDS? Man wird den Eindruck nicht los, die PDS wolle mit ihren Forderungen nach Erhöhung der finanziellen Leistungen an diese Menschen sich in erster Linie selbst darstellen. Darstellen als Anwalt des Humanen, als Freund und Fürsprecher der Menschen, be- sonders von solchen, die Opfer wurden. Wie aber steht es tatsächlich um den humanen Ansatz der PDS? Ziemlich umfangreich geht die PDS in ihrem Antrag auf die Opfer der so genannten Euthanasie ein; in der na- tionalsozialistischen Terminologie Aktion T 4 genannt. Diese sah die Vernichtung von so genanntem lebensun- werten Leben vor. Diesen Ausdruck haben die National- sozialisten einer kleinen, im Jahre 1920 erschienenen Schrift entnommen. Die Autoren waren der Jurist Carl Binding und der Mediziner Alfred Hoche. Der genaue Ti- tel lautet: Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens, die Unterzeile: Ihr Maß und ihre Form. In sehr nüchterner Art sprechen die Autoren Menschen mit schweren angeborenen Schädigungen die Fähigkeit ab, ein vollwertiges Leben führen zu können. Ihr Vorschlag: Diese Menschen durch einen „guten“ Tod (eu thanatos, aus dem Griechischen) von ihrem Leiden und ihrem Le- ben zu erlösen. Zugleich sollte damit die Gesellschaft die Kosten und die Mühen der Pflege einsparen. Welch eine Hybris, welch ein Verstoß gegen das göttliche Gebot: Du sollst nicht töten. Die Angehörigen und die Kirchen wa- ren es, deren Protest diese Mordaktion stoppte. Wenn nun die PDS die Aktion T 4 als verbrecherisch darstellt, müsste sie konsequenterweise die Abtreibung nach eugenischer Indikation bekämpfen. Davon hat man nie etwas gehört. Im Gegenteil, die PDS hat sich immer für eine völlige Freigabe der Abtreibung ausgesprochen. Und so werde ich einfach den Verdacht nicht los, die PDS nutze diesen Vorgang auch um ihr Weltbild zu stützen und zu propagieren. Hinter den Untaten des NS-Regimes lässt sich die hochbelastete Vergangenheit des Kommunismus trefflich verstecken, dessen Erbe und Ausläufer die PDS zweifellos ist. Dazu diente und dient die „antifaschisti- sche Propaganda“. Und es drängt sich der Gedanke auf, dass es für die Glaubwürdigkeit des antitotalitären Konsenses in unserer Gesellschaft gut gewesen wäre, die SED beziehungsweise PDS nach dem Mauerfall zu verbieten. Die juristischen Voraussetzungen waren jedenfalls gegeben. So aber wer- den sich die demokratischen Parteien in diesem Haus noch so manches Mal mit PDS-Anträgen beschäftigen müssen, die aus einer Gemengelage von vordergründig humanem Anlass und beigepackter Propaganda bestehen. Der Vergleich mit dem „I-love-you“-Virus, das dieser Tage schadensträchtig um die Welt ging, hinkt nur wegen der Begrenztheit seiner Wirkdauer. Meine Damen und Herren, wir von der CDU/CSU- Fraktion sind gegen die PDS-Viren immun. Wir lehnen den PDS-Antrag ab. Volker Beck (Bündnis 90/Die Grünen): Die Regie- rungsfraktionen haben – mittlerweile mit Unterstützung aller Fraktionen dieses Hauses – einen Gesetzentwurf für die Stiftung „Erinnerung, Verantwortung, Zukunft“ auf den Weg gebracht. Wir sind darüber sehr froh, denn damit wird unser wichtigstes Versprechen aus der Koalitions- vereinbarung an die Opferverbände umgesetzt. Soweit es sich um im Inland und Ausland lebende NS-Opfer, na- mentlich die Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, KZ-Häftlinge, Opfer von Menschenversuchen oder Insas- sen der NS-Arbeitserziehungslager, handelt, werden mit dieser Stiftung endlich auch Opfer umfasst, die als „ver- gessene“ oder bislang ausgegrenzte Opfer zu bezeichnen sind. Aber im Inland leben weitere Opfer, die entweder keine oder in den meisten Fällen keine zureichende Ent- schädigung erhalten haben, die sich mit geringfügigen Einmalzahlungen zufrieden geben mussten. Diese Opfer fallen zumeist nicht unter die Regelungen dieser Stiftung. In einzelnen Bereichen hat man ja in Deutschland in den letzten Jahren für bestimmte Betroffenengruppen nachgebessert. Ich nenne hier beispielhaft die Renten in Höhe von monatlich 500 DM, die jüdische Opfer mittler- weile im Rahmen des so genannten Artikel-2-Fonds er- halten können, wenn sie zuvor keine ausreichende Ent- schädigung erhalten haben. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2000 9639 (C) (D) (A) (B) Für andere Opfergruppen gibt es diese Grundrente aber bislang nicht oder allenfalls auf Landesebene In den letz- ten Wahlperioden haben Bündnis 90/Die Grünen und SPD deshalb darauf gedrängt, eine befriedigende bundesweite Lösung zu finden. Und deshalb ist dieses Projekt, eine zweite Bundesstiftung für die „vergessenen Opfer“ vor- zubereiten, auch in die Koalitionsvereinbarung aufge- nommen worden. Wir brauchen hier also keine Nachhilfe der PDS. Wir müssen nun schauen, welche Betroffenen tatsäch- lich unter das Stiftungsgesetz „Erinnerung, Verantwor- tung, Zukunft“ fallen werden und welche nicht. Das wis- sen wir erst nach Verabschiedung des Gesetzes im Bun- destag. Die Regierungsfraktionen haben sich deshalb darauf verständigt, über das zweite Projekt für die „ver- gessenen Opfer“ erst im Herbst in Detailgespräche einzu- treten. Die PDS fordert zudem die Anerkennung der Zwangs- sterilisierten und „Euthanasie“-Geschädigten als rassisch Verfolgte im Sinne des Bundesentschädigungsgesetzes und verbesserte Leistungen für diese. Ich muss zuerst da- rauf verweisen, dass der Begriff, den die PDS für die „Euthanasie“-Geschädigten wählt, sehr problematisch ist. Er schließt nämlich die aus, die das Tötungsprogramm selbst überlebt haben, und konzentriert sich allein auf die Angehörigen. Ansonsten greift die PDS wiederum allein die Forderung auf, die Bündnis 90/Die Grünen schon von jeher vertreten haben, zuletzt sogar mit einem eigenen Ge- setzentwurf zum NS-Aufhebungsgesetz, der das Ziel hatte, die Zwangssterilisierten als NS-Verfolgte anzuer- kennen. Die eigentlich komplizierte Frage ist aber die der Rechtsfolgen. Hier ist interessant, dass die PDS zwar die genannten Betroffenen als rassisch Verfolgte anerkennen will, für sie aber nicht wieder die Antragsfrist nach dem BEG öffnen will. Die Betroffenen sollen nach dem Willen der PDS auch nicht die regulären BEG-Leistungen, etwa für einen Berufsschaden, bekommen, sondern stattdessen eine einmalige Pauschalabfindung. Wenn die Fristen für das BEG aber nicht geöffnet werden, könnten die Betrof- fenen für den Gesundheitsschaden allein die Härteleis- tungen nach dem BEG erhalten. Diese wären aber nicht höher als die Härteleistungen, die die Zwangssterilisierten heute schon aufgrund des allgemeinen Kriegsfolgenge- setzes (AKG) bekommen. Damit wäre also nichts gewon- nen. Wenn man aber umgekehrt die Fristen zum BEG für die Zwangssterilisierten öffnen würde, müsste man das BEG auch für andere Betroffenengruppen öffnen, um keine neuen Ungerechtigkeiten zu schaffen. Das will aber die Mehrzahl der deutschen Verfolgtenverbände nicht und favorisiert – wie wir – eine unbürokratische Bundesstiftung. Und wenn die PDS den Zwangssterili- sierten und „Euthanasie“-Geschädigten eine Zusatzzah- lung von einmalig 10 000 DM zahlen will, wird sie den Militärjustizopfern, Homosexuellen und so genannten Asozialen, die vielleicht auch einen Berufsschaden erlit- ten haben, erklären müssen, warum sie nicht auch eine solche Leistung erhalten sollen. Mit einem Wort: Das Konzept der PDS ist undurchdacht und in sich wider- sprüchlich. Auch können wir nicht dem Anliegen der PDS zustimmen, „ausländische NS-Opfer (...) in gleicher Weise zu entschädigen wie jene, die deutsche Staatsbür- ger sind“. Dies hieße, das Regelwerk, das mit den Global- abkommen im Westen und Osten – und nun ergänzend mit der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung, Zukunft“ – be- schlossen wurde, in eine außerordentlich komplizierte Si- tuation zu bringen. Wir tun deshalb gut daran, unter Gesichtspunkten der Gleichbehandlung aller Opfer Verbesserungen für die „vergessenen Opfer“ im Rahmen unserer Debatte für eine zweite Bundesstiftung aufzugreifen. Wir haben auch nichts dagegen, in einem ersten Schritt schon Verbesse- rungen bei den jetzigen Härteregelungen vorzunehmen, wie dies von den Betroffenenverbänden gewünscht ist. Erstaunlicherweise tauchen diese im Forderungskatalog des PDS-Antrages aber nicht auf. Ich nenne beispielhaft eine Reform bei der Anrechnung des Familieneinkom- mens. Im Übrigen regen wir an, nachdem die Urteile der NS-Erbgesundheitsgerichte gegen die Zwangssterilisier- ten mittlerweile als NS-Unrecht gesetzlich aufgehoben wurden, durch eine Entschließung des Deutschen Bun- destages zu dokumentieren, dass wir als Parlament die „Euthanasie“-Geschädigten und Zwangssterilisierten als Verfolgte anerkennen und ihnen damit auch ihre Würde wiedergeben wollen. Rechtsfolgen im Sinne einer Öff- nung des BEG sind damit nicht zwingend verbunden. Dr. Max Stadler (F.D.P): Mit dem heute in erster Le- sung zu behandelnden Antrag wird die Regierungskoali- tion zu Recht daran erinnert, dass sie in der Koalitions- vereinbarung eine Entschädigungsregelung für die so ge- nannten vergessenen NS-Opfer versprochen hat. Eine Koalitionsvereinbarung geht in ihrer Wirkung weit über das hinaus, was von Parteien beispielsweise in Wahlprogrammen angekündigt wird. Eine Koalitionsver- einbarung ist das Programm, das die Koalitionspartner mit bindender Wirkung vertraglich verabreden. Damit verpflichten sich die Koalitionspartner nicht nur im Ver- hältnis zueinander, sondern sie wecken in der Öffentlich- keit und insbesondere bei den Betroffenen die sichere Er- wartung, das Vereinbarte werde auch realisiert. Diese Hoffnung ist jedoch von SPD und Bündnis 90/ Die Grünen bisher nicht erfüllt worden. Von einer Lösung der Problematik der so genannten vergessenen Opfer war in den letzten 18 Monaten keine Rede mehr. Damit zeigt sich wieder einmal, dass es offenkundig leichter ist, aus der Oppositionsrolle heraus Anträge zu stellen, als in ei- ner Regierung gegebene Versprechen einzuhalten. Denn sowohl von der SPD als auch den Grünen sind in der Ver- gangenheit wiederholt Anträge auf Errichtung von Stif- tungen zur Entschädigung von NS-Unrecht gestellt wor- den. Die Regierungsfraktionen werden aufgrund des vorlie- genden Antrags Auskunft darüber geben müssen, warum sie nun für die „vergessenen Opfer“ nichts tun. Dabei hat die F.D.P.-Fraktion durchaus Verständnis für eine Argu- mentation, die auf die vorrangige Lösung der Zwangsar- beiterproblematik verweist. Das Gesetz zur Errichtung ei- ner Bundesstiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zu- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 20009640 (C) (D) (A) (B) kunft“ ist ja soeben von allen Fraktionen gemeinsam im Bundestag eingebracht worden. Das gemeinsame gesetz- geberische Bemühen muss sich jetzt darauf konzentrie- ren, dieses Stiftungsgesetz noch vor der Sommerpause zu verabschieden, damit eine humanitäre Geste in Form von finanziellen Zuwendungen an die Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen geleistet werden kann. Die Zwangsarbeiter-„Entschädigung“ stellt ohne Zweifel für die öffentliche Hand einen finanziellen Kraft- akt dar. Es ist verständlich, wenn nicht zeitgleich weitere finanzielle Leistungen für andere Opfergruppen beschlos- sen werden können. Dies hätte allerdings SPD und Grü- nen schon bei Abschluss ihrer Koalitionsvereinbarung klar sein müssen. Entscheidend dafür, dass das Thema von der Regie- rungskoalition hinten angestellt wird, ist aber offenkundig ein Dissens zwischen den Regierungsfraktionen. Daher wird die F.D.P. in den Ausschussberatungen genau nach- fragen, ob denn von der neuen Regierungskoalition nun doch wieder die stets vom Bundesfinanzministerium ver- tretene Auffassung übernommen wird, wonach gar keine Notwendigkeit für neue Entschädigungsregelungen be- stehe. Zu vermuten ist, dass diese traditionelle Haltung des Bundesfinanzministeriums weiterhin bei der SPD Sympathie genießt, von den Grünen jedoch abgelehnt wird. Wenn sich dieser Dissens herausstellen sollte, wäre es allerdings nicht verwunderlich, dass sich die Koaliti- onsvereinbarung in diesem Punkt als unerfüllbares Ver- sprechen erweist. Dr. Ilja Seifert (PDS): Erst vor wenigen Wochen hat der Bundestag mit großer Mehrheit beschlossen, die Bun- desstiftung „Entschädigung für NS-Zwangsarbeit“ zu gründen. 55 Jahre mussten vergehen, um die Entschädi- gung der vom Naziregime und seinen Helfern ausgebeu- teten Arbeitssklaven endlich zu regeln. Aber der Skandal dauert fort; denn noch immer versuchen deutsche Unter- nehmen, sich vor einer Beteiligung an der Entschädigung der Zwangsarbeiter vorbeizudrücken. Und noch immer gibt es die so genannten „vergesse- nen“ Opfer, die überwiegend keine oder sehr geringe Ent- schädigungsleistungen erhielten. Homosexuelle, Zwangssterilisierte und „Euthanasie“- Geschädigte, Sinti und Roma, so genannte Asoziale und andere gehören ebenso dazu wie solche, die in den Zeiten des Kalten Krieges von Leistungen des Bundesentschädi- gungsgesetzes gezielt ausgeschlossen wurden. In ihrer Koalitionsvereinbarung hatten SPD und Bünd- nis 90/Die Grünen vorgesehen, eine entsprechende Bun- desstiftung „Entschädigung für NS-Unrecht“ zu gründen und die Entschädigung auf den Weg zu bringen. Da die Regierungsfraktionen bisher keinen Gesetzentwurf vor- gelegt haben, um die Koalitionsvereinbarung in diesem Punkt zu realisieren, hat die PDS Ende 1999 den heute zu behandelnden Antrag eingebracht. Nachdem bald zwei Jahre seit den letzten Bundestags- wahlen vergangen sind und jeden Monat Überlebende des Naziterrors sterben, ist es nicht länger hinnehmbar, dass Opfern eine umfassende moralische und finanzielle Ent- schädigung versagt bleibt. Dabei geht es nicht nur um diese Opfer, sondern auch um die Glaubwürdigkeit so vie- ler Bekenntnisse aus allen Bundestagsparteien, dass Rechtsextremismus und Neonazismus in der Gesellschaft der Bundesrepublik nicht toleriert werden dürfen. Erinnern und nicht vergessen heißt eben auch, den Überlebenden des Naziterrors mit Würde zu begegnen und sie – wie leider in vielen Fällen üblich – nicht in Äm- tern fragwürdigen Bedürftigkeitsprüfungen zu unterwer- fen, um ihnen dann in „Notsituationen“ eine bescheidene finanzielle Hilfe zu gewähren. Exemplarisch für die so genannten „vergessenen“ Op- fer stehen die NS-Opfer der Zwangssterilisation und der „Euthanasie“. Frühzeitig, gleich nach ihrem Machtantritt, erließ die Nazi-Führung das „Gesetz zur Verhütung erb- kranken Nachwuchses“, dessen juristische Begründung auf der nationalsozialistischen Rassendoktrin und -politik beruhte. Es war eines der ersten Massenvernichtungsge- setze der Nazis und Grundlage für die nachfolgenden Mordaktionen zur Vernichtung so genannten „unwerten Lebens“. Unter missbräuchlicher Nutzung des Begriffs Euthana- sie wurden mehr als 200 000 kranke und behinderte Men- schen ermordet – zumeist in systematischen Tötungsak- tionen, für die ab 1939 die „Aktion T 4“ stand. Noch heute wird deutlich, dass Hadamar, Bernburg, Sonnenstein, Grafeneck und Hartheim viele weitere Ortsnamen hinzu- zufügen wären, an denen ebenfalls unentschuldbare „Eu- thanasie“-Verbrechen begangen wurden. Gerade nach den jüngsten Diskussionen in Jena und Stadtroda sage ich un- missverständlich, dass „Euthanasie“-Verbrechen ohne Wenn und Aber als solche benannt werden müssen und nicht verharmlost werden dürfen. Zur rassistisch begründeten Verfolgung gehörten auch die verbrecherischen Zwangssterilisationen, die ab 1933 an etwa 400 000Menschen begangen wurden. In der Bun- desrepublik leben heute noch etwa 20 000 Opfer der NS- Zwangssterilisationen sowie circa 7 000 bis 8 000 „Eut- hanasie“-Geschädigte. Trotz der Härteleistungen und Aufhebung nationalso- zialistischer Unrechtsurteile bleibt festzuhalten: Eine an- gemessene finanzielle Entschädigung und eine klare An- erkennung der Opfer als Verfolgte stehen nach wie vor aus. Die PDS fordert in ihrem Antrag ausdrücklich, die Bundesstiftung „Entschädigung für NS-Unrecht“ für alle so genannten „vergessenen“ Opfer unverzüglich zu grün- den und im Rahmen dieser Stiftung „für eine angemes- sene Entschädigung aller bisher nicht oder nur unzurei- chend berücksichtigten NS-Opfer Sorge zu tragen“. Beispielhaft, aber durchaus auf andere Opfergruppen anwendbar, sind im Antrag der PDS speziell für „Eu- thanasie“-Geschädigte und Zwangssterilisierte Wege der Entschädigung aufgezeigt worden. Dabei geht es um zwei Kernfragen: Erstens. Die be- troffenen Opfer werden als Verfolgte anerkannt, denen ein Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2000 9641 (C) (D) (A) (B) juristischer und moralischer Anspruch auf Entschädigung zusteht. Zweitens. Als Wiedergutmachung erhalten die Opfer eine einmalige Entschädigung von 10 000 DM innerhalb von 12 Monaten nach Verabschiedung des Gesetzes, un- abhängig von bisher gezahlten Beihilfen oder eventuellen früheren Verzichtserklärungen, unabhängig von den Ein- kommens- undVermögensverhältnissen derOpfer undmit geringstmöglichemAntrags- und Verwaltungsaufwand. Wieso können diese relativ einfachen Regelungen für eine sehr begrenzte Anzahl von Opfern des NS-Regimes nicht endlich in entsprechende gesetzliche Regelungen umgesetzt werden? Was hindert die Bundesregierung da- ran, endlich zu ihrem Wort zu stehen? Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 20009642 (C)(A) Druck: MuK. Medien-und Kommunikations GmbH, Berlin
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Peter Struck


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr
    verehrtenDamen undHerren! Ich hattemir eigentlich vor-
    genommen, mir während Ihrer Rede, Herr Kollege Merz,
    viele Stichworte aufzuschreiben, um die Alternativen




    Friedrich Merz

    9493


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    kennen zu lernen, die Sie als Opposition anlässlich der
    Bewertung der wirtschaftlichen Lage unseres Landes vor-
    schlagen. Sie sehen, dass ich ohne jeden Zettel ans Red-
    nerpult gekommen bin. Das ist das Ergebnis Ihrer Rede.
    Sie haben nämlich keine Alternativen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Wir diskutieren über die wirtschaftliche Lage in unse-
    rem Land. Der Bundeskanzler hat, belegt mit vielen Zah-
    len, eine Analyse vorgelegt, die nach meiner Auffassung
    die Realität in unserem Lande widerspiegelt. Sie als Füh-
    rer der größten Oppositionsfraktion haben diese Analyse
    bezweifelt. Ich möchte Ihnen sagen, Herr Kollege, dass
    Ihre Kritik und Ihre Zweifel von fast niemandem in die-
    sem Lande geteilt werden. Herr Henkel, der BDI insge-
    samt und auch andere bestätigen, dass wir auf dem richti-
    gen Wege sind, dass der Aufschwung erfolgt, dass sich
    unser Land in einer sehr guten Position befindet. Sie ste-
    hen mit Ihrer Kritik völlig allein da.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit, Herr
    Jagoda, hat davon gesprochen, dass wir sieben goldenen
    Jahren entgegenblicken. Ich wäre etwas vorsichtig mit
    solchen Formulierungen; die Tendenz aber ist absolut
    richtig. Ihre Reaktion darauf war, dass Sie Herrn Jagoda
    kritisiert haben, er stünde dem Bundeskanzler zu nahe. Er
    steht dem Bundeskanzler nicht nahe, sondern sagt nur das,
    was er aufgrund seiner Kenntnisse als Präsident der Bun-
    desanstalt für Arbeit prognostiziert. Deshalb liegen Sie
    mit Ihrer Bewertung der Arbeitslosenzahlen völlig falsch.

    Ich gestehe auch den vielen Zuhörern und Zuschauern
    insbesondere in den neuen Ländern gerne zu, dass wir
    über die Entwicklung in den neuen Ländern noch nicht so
    glücklich sind wie über die in den westlichen, alten Bun-
    desländern. Aber ich will diesen Bürgerinnen und Bür-
    gern sagen, dass der Weg, den wir eingeschlagen haben,
    der richtige ist: Wir fördern die Schaffung von Ausbil-
    dungsplätzen in den neuen Ländern. Wir fördern Inves-
    titionen in den neuen Bereichen, im Maschinenbau, in
    den neuen Technologien. Wir werden auch dort, wenn
    auch etwas langsamer als im Westen, die Erfolge haben,
    die wir uns für unser ganzes Land wünschen. Diese Zu-
    sage geben wir den Menschen in den neuen Ländern.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Wenn Sie gestatten, dass ein dienstälterer Fraktions-
    vorsitzender Ihnen einige Ratschläge gibt, wie man sich
    im Plenum verhält: Sie haben etwas unsouverän auf die
    Tatsache reagiert, dass der Bundeskanzler nicht jede Se-
    kunde uneingeschränkt zugehört hat.


    (Friedrich Merz [CDU/CSU]: Das muss auch nicht sein!)


    – In der Tat. Wenn der Inhalt es nicht erfordert, kann man
    sich auch einmal anderen Dingen zuwenden.


    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD)


    Herr Kollege Merz, Sie haben sich auf einem Terrain
    bewegt, das Ihnen aus Ihrer früheren Arbeit vertraut ist,
    nämlich auf dem Feld der Steuerpolitik. Auch mir ist die-
    ses Thema vertraut. Auch ich habe mich damit beschäf-
    tigt, bevor ich diese Funktion übernommen habe. Deshalb
    will ich mit Ihnen gern in eine Debatte darüber eintreten,
    wenngleich wir heute in einer Woche darüber noch inten-
    siver diskutieren werden.

    Sie haben zunächst die hohe Abgabenlast in unserem
    Lande angeprangert und haben dann gesagt: Das war ja
    noch nie so schlimm wie unter eurer Regierung. Das ist
    nun nicht ganz korrekt, um es einmal vornehm und
    zurückhaltend auszudrücken. Nehmen wir einmal unsere
    Steuerreform, deren erste Stufe schon in diesem Jahr in
    Kraft getreten ist. Aus der gesamten Palette der damit zu-
    sammenhängenden Maßnahmen möchte ich auch den
    Zuhörern einige Zahlen nennen:

    Als Sie – zu Recht – aus der Regierung abgewählt wor-
    den sind, betrug das steuerfreie Existenzminimum
    12 500 DM. Wenn wir die letzte Stufe im Jahre 2005 ab-
    geschlossen haben werden, wird das steuerfreie Existenz-
    minimum 15 000 DM betragen. Dabei handelt es sich um
    den Betrag, für den kein Mensch Steuern bezahlen muss.
    Als Sie abgewählt worden sind, betrug der Eingangs-
    steuersatz 25,9 Prozent; wenn wir im Jahre 2005 die
    letzte Stufe der Steuerreform in Kraft gesetzt haben wer-
    den, wird er 15 Prozent betragen, über 10 Prozentpunkte
    weniger – ein Erfolg, von dem jeder Steuerzahler profi-
    tieren wird, auch wir.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Als Sie abgewählt worden sind, betrug der Körper-
    schaftsteuersatz 45 Prozent; wenn wir


    (Michael Glos [CDU/CSU]: Wenn Sie abgewählt sind!)


    unsere Steuerreform durchgesetzt haben werden, wird er
    25 Prozent betragen – eine Erleichterung für die Unter-
    nehmen in Deutschland.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Als Sie abgewählt worden sind, betrug der Spitzensteu-
    ersatz 53 Prozent; im Jahre 2005 wird er 45 Prozent be-
    tragen –


    (Dr. Uwe Küster [SPD]: Sehr gut!)

    nicht nur ein Erfolg für diejenigen, die oben sind, sondern
    für alle Steuerzahler, weil sich das für alle positiv auswir-
    ken wird. Die Vorschläge von Eichel und der Bundesre-
    gierung sind genau der richtige Weg, auf dem man die
    Steuerlast für alle Bürger in unserem Land deutlich mil-
    dern kann. Sie haben das noch nie geschafft, solange Sie
    regiert haben.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Sie haben auch noch etwas zu dem Thema Vermitt-
    lungsverfahren oder zu dem Thema Bund/Länder gesagt.




    Dr. Peter Struck
    9494


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    Das war übrigens – wenn ich dann doch Ihnen gegenüber
    ein bisschen fair sein will –


    (Jürgen W. Möllemann [F.D.P.]: Ein bisschen?)


    der einzige Punkt, wo Sie etwas Konkretes vorgeschlagen
    haben – im Gegensatz zu dem, wie wir es machen. Sie ha-
    ben gesagt, die einmaligen Einnahmen, die sich aus der
    Versteigerung der Lizenzen ergeben, sollen in den
    Erblastentilgungsfonds gehen. Man kann über alles reden.
    Wenn man es vorher nur klargestellt hat und Sie sagen:
    „Das dürft ihr nicht für dauerhafte Steuersenkungen ver-
    wenden“, dann begrüße ich diesen Erkenntnisprozess in
    Ihrer Fraktion. Man hat dazu ja auch andere Stimmen
    gehört. Diese Klarstellung ist schon einmal sehr gut.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Uwe Küster [SPD]: Richtig! Da war doch noch was!)


    Es ist übrigens ein bisschen leichtfertig, wenn man in
    Deutschland anfängt – begonnen hat das in der Opposi-
    tion –, darüber zu reden, welches Geld man alles wofür
    ausgeben könnte – Geld, das man noch gar nicht hat.
    Diese Politik haben Kohl und Waigel lange Jahre ge-
    macht. Das wollen wir nicht. Davor steht Hans Eichel.

    Herr Kollege Merz, Sie spielen ja auch in Ihrer Partei
    eine Rolle; die Parteivorsitzende der CDU ist leider nicht
    mehr da. Wie ist denn ein Beschluss des CDU-Parteitages
    zu bewerten, der nämlich zu der Frage der Einnahmen aus
    der Versteigerung der Lizenzen beschlossen hat: Diese
    Einnahmen sind für dauerhafte Infrastrukturmaßnahmen
    im Bereich des Verkehrs usw. zu verwenden? Diesen Be-
    schluss haben Sie jetzt sozusagen einkassiert;


    (Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Quatsch!)

    das begrüße ich. Man kann in der Tat nicht so verfahren,
    wie Sie das auf dem Parteitag vorgeschlagen haben.

    Wir reden immer von der Staatsverschuldung; das
    sind 1 500Milliarden DM beim Bund allein. Ich habe nun
    auch bei vielen Veranstaltungen gemerkt: Das ist eine
    Größenordnung – 1 500 Milliarden, 1,5 Billionen –, unter
    der sich die Menschen so recht nichts vorstellen können.
    So viel Geld hat eigentlich noch nie jemand auf einem
    Haufen gesehen. Ich will das deshalb anders formulieren:
    Die Verschuldung, die Sie uns hinterlassen haben, 82Mil-
    liarden DM Zinsen dafür im Bundeshaushalt, bedeutet:
    Jede Minute gibt der Bundesfinanzminister 156 000 DM
    für Zinsen aus; alle drei Minuten entspricht das dem Ge-
    genwert eines Einfamilienhauses. Das müssen wir herun-
    terfahren; das müssen wir stoppen; das müssen wir än-
    dern. Deshalb geht das Geld in die Verringerung der
    Staatsverschuldung und nirgendwo anders hin.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Wir werden entscheiden müssen, was wir mit dem
    Geld, das wir dann im Hinblick auf den Schuldendienst
    einsparen, machen. Ich bin ganz entschieden der Mei-
    nung, die auch Hans Eichel geäußert hat, dass wir jetzt
    überhaupt nicht darüber reden sollten, wo das dann ver-
    wendet werden wird. Wir kennen die Größenordnung ja

    auch noch gar nicht. Die Versteigerung der Lizenzen hat
    noch nicht stattgefunden. Deshalb rate ich zur Vorsicht.
    Die SPD-Bundestagsfraktion stimmt der Linie der Bun-
    desregierung in diesem Punkte eindeutig zu.

    Sie, Herr Merz, haben auch noch über Rente und über
    Gesundheit gesprochen. Nun zum Thema Rente.Wir ha-
    ben – das wissen Sie; Ihr Amtsvorgänger, Herr Kollege
    Schäuble, war für Ihre Fraktion beteiligt, und
    Michael Glos muss ja auch aus Proporzgründen immer
    mit dabei sein, wenn so etwas stattfindet –


    (Michael Glos [CDU/CSU]: Haben Sie heute einen großzügigen Tag?)


    die Einrichtung einer Arbeitsgruppe von Koalition und
    Opposition verabredet. Die F.D.P. war auch mit dabei.

    Nun hat man mir über die Arbeitsgruppensitzungen,
    die unter Leitung des Arbeitsministers Walter Riester
    stattgefunden haben, berichtet: Im Grunde war nur Sta-
    gnation zu verzeichnen. Sie – nicht wir – haben auf den
    kommenden Sonntag, den 14.Mai, gestarrt und daraus die
    große politische Linie abgeleitet: Wir dürfen uns über-
    haupt nicht auf irgendwelche Kompromisse einlassen, wir
    müssen Rentenwahlkampf in Nordrhein-Westfalen ma-
    chen.

    Nur, das Ergebnis ist: Über Rente redet in Nordrhein-
    Westfalen inzwischen niemand, weil die Menschen er-
    kannt haben, dass die Maßnahmen, die wir im letzten Jahr
    durchgesetzt haben, die richtigen Maßnahmen gewesen
    sind, um die Zukunft der kommenden Generationen zu si-
    chern.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Lachen bei der CDU/CSU)


    Daraus können Sie überhaupt keinen Speck mehr schnei-
    den.

    Ich mache Ihnen jetzt ein Angebot, Herr Kollege Merz,
    stellvertretend für die größte Regierungsfraktion. Nach
    dem kommenden Sonntag, dem 14. Mai, wird sich
    manches beruhigen. Sie werden die Wahl verloren haben.
    Dann wird die Aufgeregtheit vorbei sein und wir kommen
    auch hier in Berlin wieder zur inhaltlichen Arbeit zurück.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Herr Kollege Merz, wir werden dann unter der Leitung
    von Walter Riester intensiv darüber reden: Schaffen wir
    gemeinsam eine Lösung, die bis zum Jahr 2030 trägt – Er-
    werbsunfähigkeitsrente, Berufsunfähigkeitsrente, zusätz-
    liche private Vorsorge, soziale Grundsicherung, Minde-
    strente, Alterssicherung der Frauen, Witwenrente usw.?
    Darüber wollen wir reden. Das Angebot gilt nach wie vor,
    weil es für unser Land politisch wichtig wäre, dass man
    sich einigt, zumindest die andere große Volkspartei mit
    dieser Koalition.


    (Friedrich Merz [CDU/CSU]: Was ist daran neu?)


    – Daran ist gar nichts neu. Nur, ich beklage, dass nichts
    passiert ist, und zwar deshalb, weil Sie glaubten, damit
    Wahlkampf machen zu können.




    Dr. Peter Struck

    9495


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)



    (Friedrich Merz [CDU/CSU]: Was haben Sie denn für Vorschläge?)


    Lassen Sie uns doch nach dem 14. Mai vernünftig da-
    rüber reden. Wir halten das Angebot nach wie vor auf-
    recht.

    Gleichzeitig sage ich aber klipp und klar: Wenn wir uns
    in diesen nächsten Wochen nicht einigen können, dann
    wird die Koalition ihre Mehrheit im Bundestag dazu be-
    nutzen, das Rentenreformrecht so durchzusetzen, wie
    wir es für richtig halten. Diese Verantwortung haben wir.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Zum Thema Gesundheitsreform. Es ist wahr: Wir ha-
    ben Vorstellungen für eine Neuordnung im Gesundheits-
    bereich vorgelegt, diese, wie man weiß, auch im Deut-
    schen Bundestag durchgesetzt und sind damit in den Bun-
    desrat gegangen. Das, was Andrea Fischer, was wir
    vorgelegt haben, ist nur zum Teil verwirklicht worden,
    weil Sie – entgegen Ihren Äußerungen – in einem Bereich,
    in dem wir Ihre Zustimmung brauchten, blockiert haben.
    Das heißt, Sie haben im Bereich der Gesundheitspolitik
    Mitverantwortung dort, wo wir Schwierigkeiten haben.
    Das ist so und das können Sie auch nicht wegreden.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Andrea Fischer hat angeboten, darüber ein Gespräch
    zu führen. Das ist ja auch vernünftig. Die Antwort Ihrer
    neuen Parteivorsitzenden war: „Machen wir nicht!“


    (Friedrich Merz [CDU/CSU]: Sie sind doch an der Regierung!)


    Dann stellen Sie sich hier nicht hin und sagen, Sie würden
    nie blockieren. Natürlich wollen Sie blockieren. Das war
    doch die Antwort von Frau Merkel in diesem Zusammen-
    hang.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Ich weiß ja nicht: Hat Frau Merkel nun etwas zu sagen
    oder haben Sie etwas zu sagen?


    (Michael Glos [CDU/CSU]: Sie jedenfalls haben nichts zu sagen!)


    Wenn Sie bereit sind, mit uns über die Korrektur der
    Maßnahmen, die Sie uns nicht ermöglicht haben, zu re-
    den, wird dies geschehen.


    (Friedrich Merz [CDU/CSU]: Machen Sie mal Vorschläge, konkret!)


    – Die Ministerin wird auf Sie zukommen. Wir kommen
    auf Sie zu. Aber wenn Frau Merkel sagt „Ich rede gar
    nicht mit Ihnen!“, dann behaupten Sie nicht, Sie würden
    nicht blockieren. Natürlich blockieren Sie.

    Zu einem letzten Punkt, den ich ansprechen möchte. Es
    geht auch am kommenden Sonntag in Nordrhein-West-
    falen um die Frage: Wird die Politik der Bundesregierung,
    die Politik der Koalition hier in Berlin von dem großen
    und mächtigen Bundesland Nordrhein-Westfalen mitge-

    tragen oder nicht? Ich appelliere deshalb von hier aus an
    die Bürgerinnen und Bürger in diesem Bundesland,


    (Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Das wird die sehr beeindrucken!)


    nicht nur die landespolitischen Fragen zu berücksichti-
    gen. Was meine Partei angeht, habe ich gar keine Sorge.
    Jeder weiß, dass viele Bürgerinnen und Bürger in Nord-
    rhein-Westfalen Clement für viel geeigneter halten als sei-
    nen Gegenkandidaten von der CDU, übrigens zu Recht.


    (Beifall bei der SPD)

    Ich appelliere auch deshalb, weil wir die Unterstützung

    des Landes Nordrhein-Westfalen im Bundesrat bei vielen
    Maßnahmen brauchen, wenn es um Steuerpolitik und
    viele andere Dinge geht. Berücksichtigen Sie bitte auch
    die Erfolge, die wir in der Bundespolitik erreicht haben.
    Wir sind auf einem sehr guten Weg. Die Opposition hat
    keine Alternative. Deshalb werden wir diesen Weg, so wie
    er dargestellt worden ist, unbeirrt fortsetzen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)




Rede von Dr. h.c. Wolfgang Thierse
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Ich erteile das Wort
dem Kollegen Jürgen Möllemann, F.D.P.-Fraktion.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Jürgen W. Möllemann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (F.D.P.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident!
    Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Herr
    Bundeskanzler, wer würde sich nicht mit Ihnen darüber
    freuen, dass wir jetzt 156 000 Arbeitslose weniger haben
    als vor einem Jahr? Wir sind uns aber ebenso darin einig,
    dass dies die Dramatik von 3,986 Millionen Arbeitslosen
    und deren Angehörigen, also das Los von mehr als 10Mil-
    lionen Mitbürgern, nicht ändert.

    Ich habe Zweifel, ob die Zahl, die Sie hier vortra-
    gen konnten, den anspruchsvollen Titel „Moderne Wirt-
    schaftspolitik für neue Arbeitsplätze“ schon rechtfertigt.
    Im Hinblick auf das, was Sie angekündigt haben, hatte ich
    größere Erwartungen und bin über das, was jetzt eintritt,
    enttäuscht.


    (Beifall bei der F.D.P. sowie des Abg. Friedrich Merz [CDU/CSU])


    Die Prognosen, von denen Sie, Herr Bundeskanzler,
    sprachen, sagen nämlich auch, dass unser Wachstum nur
    2,8 Prozent betragen wird, während sich das der
    EU-Mitgliedstaaten im Schnitt auf 3,2 Prozent – wir sind
    da hinten dran – und das der Vereinigten Staaten von Ame-
    rika auf 4,4 Prozent beläuft. Sie haben vorhin davon ge-
    sprochen, Ihr Ziel sei es, dazu beizutragen – und nicht zu
    bewirken, denn das können Sie alleine nicht, das kann die
    Politik überhaupt nicht –, dass die Arbeitslosenzahl auf
    3,5 Millionen gesenkt werden soll. Das klingt schon be-
    merkenswert zurückhaltender als die Ankündigung zu
    Beginn der Legislaturperiode, als manchmal Prognosen
    bis hin zur Halbierung abgegeben wurden.


    (Dr. Peter Struck [SPD]: Kohl!)

    Genauso wurde im Bereich der Bildungsausgaben eine
    Verdoppelung angekündigt, während jetzt nur graduelle




    Dr. Peter Struck
    9496


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    Veränderungen auf dem Wege sind. Vielleicht ist das ein
    neuer Realismus.

    Ich habe bei einigen der Beiträge, die ich gehört habe,
    irgendwie das Gefühl gehabt, dass diese gar nicht an un-
    ser Gremium gerichtet waren, sondern sich nur auf den
    Muttertag, den kommenden Sonntag, bezogen haben. Von
    all denen, die hier geredet haben und noch reden werden,
    bin ich der Einzige, der in direkter Funktion damit be-
    schäftigt ist.


    (Friedrich Merz [CDU/CSU]: Als Mutter!)

    Deswegen nehme ich mir auch das Recht, dazu nichts zu
    sagen.


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Mutter Möllemann!)


    – Nein, nicht zum Muttertag, sondern zum Wahltag, Herr
    Merz.

    Ich möchte gerne zu dem Thema, das auf der Tages-
    ordnung steht, sprechen, nämlich wie wir durch eine ver-
    nünftige Politik dazu beitragen können, dass schneller als
    bislang absehbar mehr Arbeitslose in Arbeit kommen. Wir
    wissen doch – und dazu haben wir auch selbst beigetra-
    gen –, dass es in Wahrheit nicht nur 3,9 Millionen Ar-
    beitslose sind, sondern dass die Zahl der Menschen im er-
    werbsfähigen Alter, die keinen bezahlten Job haben, bei
    ehrlicher Rechnung unter Hinzunahme all derer, die in
    ABM oder im Vorruhestand sind, eher die 5-Millionen-
    Grenze überschreitet.


    (Zuruf von der SPD: Das hättest du vor drei Jahren sagen sollen!)


    – Es hat doch gar keinen Zweck, bei einer Bestandsauf-
    nahme so zu tun, als sei nur eine Seite des Hauses am Zu-
    standekommen von Problemen beteiligt gewesen. Das
    will ich ja gar nicht behaupten.

    Ich finde, dass das Thema dieser Aussprache ange-
    sichts seiner Dimension mehr als eine parteipolitische
    Profilierung in einem Wahlkampf verlangt. Betreiben wir
    diese parteipolitische Profilierung in der Frage der Ar-
    beitslosigkeit ohnehin nicht schon viel zu lange? Wissen
    die Vernünftigen in unseren Parteien in Wahrheit nicht
    längst, was eigentlich getan werden müsste, und ist der
    Konsens in diesem Hause nicht eigentlich viel größer, als
    wir in solchen Debatten einräumen wollen?

    Wir wissen doch alle genau, dass Politik und Staat
    Arbeitsplätze in Wahrheit nur im öffentlichen Dienst
    schaffen können. Gleichzeitig wissen wir, dass genau der
    kleiner werden muss, weil die öffentlichen Haushalte ein-
    geschränkt und sogar öffentliche Leistungen privatisiert
    werden müssen. Wieso hören wir dann nicht einfach auf,
    so zu tun, als könne die Politik die Arbeitsplätze schaffen?

    Wir können den Weg von alten und neuen Unterneh-
    men hin zu neuen Jobs für deutlich mehr Erwerbstätig-
    keit frei machen. Wir alle wissen, dass wir die politischen,
    staatlichen und halbstaatlichen Hindernisse, dass wir die
    staatlichen und halbstaatlichen Privilegien für starke Lob-
    bys wegräumen müssen, die alle zusammen schuld daran

    sind, dass in Deutschland viel zu wenige neue Arbeits-
    plätze entstehen.


    (Beifall bei der F.D.P.)

    Wir alle wissen, dass wir den Weg für viele neue Jobs,

    und zwar für sehr gut bezahlte, gut bezahlte und weniger
    gut bezahlte Jobs, freiräumen müssen. Das amerikanische
    „Ruhrgebiet“ hatte vor 15 Jahren Arbeitslosenquoten in
    Höhe von 20 bis 25 Prozent. Heute liegt die Arbeitslosen-
    quote in Ohio unter 4 Prozent und damit noch unter dem
    US-Durchschnitt. Gut bezahlte Arbeitsplätze im Bereich
    der Informationstechnik prägen heute diesen Teil des
    amerikanischen mittleren Westens, nicht zuletzt dadurch,
    dass dort deutsche Firmen jene Bedingungen vorfanden,
    die wir ihnen hier vorenthalten. Damit exportieren wir
    Arbeitsplätze, die wir hier dringend brauchen.

    Warum das so ist, Herr Bundeskanzler, steht übrigens
    im Schröder-Blair-Papier. Ich zitiere:

    Die Ansicht, dass der Staat schädliches Marktversa-
    gen korrigieren müsse, führte allzu oft zur überpro-
    portionalen Ausweitung von Verwaltung und Büro-
    kratie im Rahmen sozialdemokratischer Politik.

    Weiter heißt es:
    Der Weg zur sozialen Gerechtigkeit war mit immer
    höheren öffentlichen Ausgaben gepflastert, ohne
    Rücksicht auf Ergebnisse oder die Wirkung der ho-
    hen Steuerlast auf Wettbewerbsfähigkeit, Beschäfti-
    gung oder private Ausgaben.

    Einfacher gesagt heißt das doch: Unsere Langzeitar-
    beitslosigkeit ist zum größeren Teil politisch hausge-
    macht. Mich interessiert inzwischen der Streit darüber,
    wer das eigentlich mehr oder weniger verschuldet hat,
    nicht mehr sehr. Ich will auch nicht mit Ihnen darüber
    streiten, ob der Rückgang der Arbeitslosenzahlen mehr
    auf Vorruhestand und andere statistische Kunstgriffe als
    auf neue Arbeitsplätze zurückzuführen ist.

    Ich finde, wir sollten stattdessen das Nötige tun. Wir
    sollten die Hindernisse für das Entstehen vieler guter
    neuer Jobs beseitigen. Ich möchte Ihnen in acht Punkten
    darlegen, was aus Sicht der F.D.P. konkret zu tun ist. Herr
    Kollege Struck, jetzt können Sie den Zettel nehmen und
    mitschreiben, jetzt lohnt es sich.


    (Beifall bei der F.D.P. – Dr. Peter Struck [SPD]: Mal sehen!)


    Erstens. Wir müssen Teilzeitbeschäftigung leichter
    machen: angefangen bei den 630-Mark-Jobs – hier ist ein
    Fehler passiert, das werden Ihnen alle Beteiligten und Be-
    toffenen immer wieder sagen – bis hin zu flexiblen Ar-
    beitszeiten und Beschäftigungsverhältnissen. Es ist nicht
    einzusehen, warum jemand nicht morgens die Zeitung
    austragen, tagsüber seinem Hauptjob nachgehen und
    abends – wenn er denn will – als Übungsleiter im Sport-
    verein Jugendlichen den Spaß am Turnen oder am Fußball
    vermitteln kann. Das muss die freie Entscheidung jedes
    Einzelnen sein und bleiben. Hier soll die Politik ihre Be-
    hinderungsmaßnahmen einstellen.


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)





    Jürgen W. Möllemann

    9497


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    Zweitens. Wir müssen dafür sorgen, dass die Men-
    schen zu ihren Arbeitsplätzen vernünftig hinkommen:
    schnell, sicher und preisgünstig, mit öffentlichen Ver-
    kehrsmitteln, aber eben auch mit dem Auto. Das heißt:
    Wir müssen neue Straßen bauen, damit die Menschen
    nicht länger Tausende von Stunden sinnlos im Stau stehen
    und Milliarden Mark nutzlos verschwendet werden. Die
    Autofahrer haben noch nie so viel an Steuern pro Liter
    Sprit bezahlt und noch nie wurde davon so wenig für den
    Ausbau der Verkehrswege ausgegeben.

    Ich weiß von Ihnen, Herr Bundeskanzler, von dem Mi-
    nisterpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen und
    von seinem Verkehrsminister, dass Sie das genauso sehen.
    Aber Sie dürfen die Konsequenz nicht ziehen, weil Ihr
    Koalitionspartner das als Betonpolitik diskreditiert. Des-
    wegen verplempern Abertausende von Menschen so viel
    Zeit im Stau. Deswegen wird die Umwelt so belastet.


    (Beifall bei der F.D.P.)

    Deswegen wollen manche Menschen auch keinen weite-
    ren Weg zu ihrem Arbeitsplatz gehen, weil sie dabei zu
    viel Zeit verlieren.

    Drittens. Wir müssen den Irrsinn ständig steigender
    Benzinpreise, die durch die Ökosteuer immer weiter in
    die Höhe getrieben werden, stoppen.


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Meine Damen und Herren, das hat auch mit diesem
    Thema zu tun.
    Wenn junge Menschen, Auszubildende, Lehrlinge, Stu-
    denten, wenn Menschen mit einem kleineren Einkom-
    men, die in der Fläche wohnen, weite Wege mit dem Auto
    zurücklegen müssen, dann ist das für sie ein massives
    Mobilitätshemmnis, dann suchen sie Arbeitsplätze, die
    etwas weiter entfernt sind, eben nicht mehr, nehmen sie
    nicht mehr an, weil es zu teuer wird, weil es für sie nicht
    lohnt.

    Deswegen: Stellen Sie doch diesen Unsinn mit ständig
    steigenden Ökosteuern ein. Das hindert die Mobilität, und
    das beschädigt das Interesse an mehr Beschäftigung.


    (Beifall bei der F.D.P.)

    Wir brauchen intelligente neue Verkehrssysteme wie

    den Transrapid, den Cargolifter, die Telematik, wir brau-
    chen den Wettbewerb auf der Schiene.


    (Wolfgang Gerhardt [F.D.P.]: Richtig!)

    Warum suchen wir hier nicht ein Modell, das genauso wie
    in der Telekommunikation durch das Brechen des Mono-
    pols beim Telefon zur Jobmaschine geworden ist? Warum
    machen wir nicht auch den Verkehr auf den Schienen zu
    einer Jobmaschine – eine Gesellschaft, die das Schienen-
    netz betreibt, aber konkurrierende Unternehmen, die
    Transportleistungen für Personen und Güter anbieten?


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Da entstehen Jobs und da entsteht Qualität. Da sinken die
    Preise. Ich glaube, das wäre ein vernünftiger Beitrag.

    Viertens. Wir brauchen Erleichterung von Unterneh-
    mensgründungen.Wer mit Gründern von jungen Unter-
    nehmen spricht, bekommt von ihnen immer das gleiche
    Klagelied zu hören, und zwar ganz unabhängig davon, wo
    sie parteipolitisch stehen. Wir müssen sie von den büro-
    kratischen Staatslasten befreien, Vorschriften reduzieren
    und Lohnnebenkosten senken. Auch das steht übrigens im
    Schröder-Blair-Papier. Der erste Schritt wäre: Weg mit
    dem Gesetz gegen Scheinselbstständigkeit!


    (Beifall bei der F.D.P.)

    Auch Firmen wie Microsoft in den USAoder Pixelpark

    in Berlin haben unter nach deutschen Normen irregulären
    Bedingungen angefangen. Nach unseren Bedingungen
    hätten sie gar nicht anfangen können. Die Internetgenera-
    tion mit Gründermentalität sollten wir durch Deregulie-
    rung und Entbürokratisierung zur Selbstständigkeit er-
    muntern, statt sie mit merkwürdigen Regelungen wie den
    Scheinselbstständigkeitsbestimmungen zu hemmen.

    Fünftens. Leistung muss sich stärker als nach dem bis-
    her geltenden Besteuerungssystem lohnen. Darüber wird
    heute und nächste Woche allemal hier gesprochen.

    Der Blick in die private Haushaltskasse ist deswegen
    für viele Beschäftigte so ärgerlich, weil sie bei steigenden
    Einkommen trotzdem immer weniger übrig behalten. Da
    meine ich nun, dass die Intonierung, die Sie, Herr Bundes-
    kanzler, vorgenommen haben, nicht in Ordnung war, als
    Sie den Eindruck erweckten, dass es, wenn wir voneinan-
    der abweichende Vorstellungen haben – etwa bei der
    Frage, wie wir Kapitalgesellschaften und Personengesell-
    schaften besteuern –, etwas mit Blockadehaltung auf un-
    serer Seite zu tun habe.

    Wenn beim Thema Steuerpolitik ein Name für das Wort
    „Blockadepolitik“ steht, sehr geehrter Herr Bundeskanz-
    ler, dann ist es der Ihres Freundes und Troikamitgliedes
    Oskar Lafontaine.


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Der hat nun wirklich in einer Weise blockiert, dass dieser
    Begriff gerechtfertigt ist.

    Wir sagen, dass das Konzept, wie es jetzt vorliegt und
    nächste Woche gelesen werden wird, den Eigentümer, den
    Unternehmer weiterhin zu stark diskreditiert. Sie ver-
    nachlässigen mit dieser Bestimmung die Mittelstandskul-
    tur der Personengesellschaften. Sie verrechnen bürokra-
    tisch die Gewerbesteuer, statt sie abzuschaffen. Das ist al-
    les Komplikation statt Vereinfachung. Die Spreizung der
    Steuersätze ist zu groß, die Dauer der Realisierung zu
    lang.

    Deswegen: Wenn wir im mittelständischen Bereich
    Bewegung schaffen wollen, müsste hierüber Einverneh-
    men im Bundesrat erzielt werden können.

    Sechstens. Wir müssen die Berufsausbildung von Ju-
    gendlichen fördern, indem wir Bürokratielasten von den
    Betrieben nehmen. Herr Bundeskanzler, Sie haben vorhin
    auf das Programm der Bundesregierung abgehoben und
    unsere Kritik zurückgewiesen. Sie war nicht dagegen ge-
    richtet, dass man in staatlichen oder halbstaatlichen Aus-




    Jürgen W. Möllemann
    9498


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    bildungseinrichtungen für solche jungen Menschen, die in
    Betrieben noch keinen Job finden, Ersatzlösungen schafft.
    Sie war darauf gerichtet, dass Sie den Eindruck erweckt
    haben, als könnten das Ersatzlösungen sein. Das sind al-
    les zeitlich befristete Interimslösungen. Anschließend ste-
    hen dieselben jungen Leute wieder vor den Arbeitsäm-
    tern.

    Was wir machen müssen, ist, den kleinen und mittleren
    Betrieben die Luft zu geben, dass sie diese jungen Men-
    schen einstellen und beschäftigen,


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    und das etwa durch den Punkt, den ich gerade angespro-
    chen habe, durch eine bessere Steuerpolitik.

    Ich möchte ein Bemerkung zu dem machen, was Herr
    Merz und Herr Struck zum Thema Gesundheitspolitik
    gesagt haben.
    In dem Bereich des Gesundheitswesens arbeiten ungefähr
    zweieinhalb Millionen Menschen. Diese Zahl könnte
    deutlich gesteigert werden. Gesundheit und Fitness be-
    kommen aus Sicht der Menschen rund um den Globus
    eine immer größere Priorität. Die Bundesregierung macht
    aber das genaue Gegenteil von dem, was fällig wäre:
    Durch ein immer dichteres Netz von Reglementierungen
    und insbesondere durch das unselige System der so ge-
    nannten Budgetierung lähmen Sie die Entwicklung im
    Gesundheitswesen. Sie treffen nicht nur die in Gesund-
    heitsberufen Tätigen – Ärzte, Zahnärzte – und diejenigen,
    die in den pflegenden Berufen tätig sind, die sich bei die-
    ser staatlichen Zuteilung von Einkommen entwürdigend
    behandelt fühlen, Sie beeinträchtigen auch die Möglich-
    keiten und Rechte der Patienten. In den vielen Jahren, die
    ich dem Parlament angehöre, habe ich die unterschied-
    lichsten Gesundheitsminister und -ministerinnen kennen
    gelernt. Aber eine Gesundheitsministerin wie Frau
    Fischer, die es schafft, restlos alle gegen sich aufzubrin-
    gen, habe ich in diesem Parlament noch nicht erlebt. Das,
    was betrieben wird, ist Konfusion schier. Deswegen sollte
    man das Reformkonzept, von dem bisher die Rede ist, ein-
    stampfen und ein vernünftiges Konzept vorlegen, das die-
    sen Namen verdient.


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Der letzte Punkt, den ich ansprechen möchte, bezieht
    sich auf die Bildungspolitik. Hier hat die Bundesregie-
    rung große Ankündigungen gemacht. Einige Schritte sind
    getan worden. Ich glaube aber, wir kommen heute zu dem
    Ergebnis – übrigens im Blick auf Bund und Länder –, dass
    unser Bildungssystem in Bund und Ländern mit graduel-
    len Unterschieden, aber doch prinzipiell, dem internatio-
    nalen Wettbewerb derzeit nicht standhalten kann. Unser
    Schulsystem und unser Hochschulsystem bekommen bei
    allen nationalen und internationalen Vergleichsstudien
    bemerkenswert schlechte Noten. Das ist gefährlich. Des-
    wegen werden unsere Absolventen, die in zu langer Zeit
    zu schlecht ausgebildet werden – sie benötigen ein Jahr
    mehr bis zum Abitur als in allen anderen Ländern, sie stu-
    dieren zwei Jahre länger und haben trotzdem schlechtere
    Abschlüsse –, auf dem immer internationaler werdenden

    Arbeitsmarkt in immer größere Schwierigkeiten kom-
    men.

    Es ist sicher richtig, wenn im Blick auf die zu erwar-
    tenden deutlichen Mehreinnahmen des Bundes aufgrund
    der Privatisierung und der Rechtevergabe der wesentliche
    Schwerpunkt bei der Schuldentilgung liegt. Aber, meine
    Damen und Herren, mein fester Eindruck ist: Es bräuchte
    eine gemeinschaftliche Anstrengung von Bund und Län-
    dern, eine Kraftanstrengung, um Deutschland zurück an
    die Spitze von Bildung, Wissenschaft und Forschung zu
    bringen, sonst verlieren wir unsere Wettbewerbsfähigkeit.


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Meine Damen und Herren, ich spreche heute zum letz-
    ten Mal als Abgeordneter im Deutschen Bundestag. Da-
    her möchte ich mich von Ihnen verabschieden und Ihnen
    für gute und böse Worte danken. Ich war gerne hier. Nun
    gehe ich nach Düsseldorf in den Landtag und die Landes-
    regierung.


    (Heiterkeit und Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU – Lachen bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS – Klaus Lennartz [SPD]: Darüber entscheidet der Wähler!)


    – Die uneingeschränkte Freude über diese Absicht macht
    mir den Abschied ein bisschen leichter. – Dass ich des-
    wegen – und weil mich der Kollege Struck gebeten hat,
    ihn dort nicht allein zu lassen –


    (Dr. Uwe Küster [SPD]: Er ist ganz gewiss nicht allein!)


    von dieser Stelle aus für den doppelten Einzug in Parla-
    ment und Regierung des grössten Bundeslandes um die
    Stimmen der Wähler dieses Landes bitte, werden Sie mir
    nach 28 Jahren Parlamentstätigkeit hoffentlich durchge-
    hen lassen. Deswegen: Auf Wiedersehen, liebe Kollegin-
    nen und Kollegen! Auf Wiedersehen im Bundesrat, meine
    Damen und Herren von der Bundesregierung!


    (Heiterkeit und Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)