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    Nachträgliche Glückwünsche zum Geburtstag der Abgeordneten Erika Simm und Jochen Borchert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9483 A Wahl der Abgeordneten Edeltraut Töpfer zur Schriftführerin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9483 B Wahl des Abgeordneten Bartholomäus Kalb als Mitglied in den Verwaltungsrat der Deut- schen Ausgleichsbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9483 B Erweiterung der Tagesordnung . . . . . . . . . . . 9483 B Nachträgliche Ausschussüberweisungen . . . . 9483 C Tagesordnungspunkt 3: Eidesleistung des Wehrbeauftragten . . 9484 B Präsident Wolfgang Thierse . . . . . . . . . . . . . 9484 C Dr. Willfried Penner, Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages . . . . . . . . . . . . . . . . . 9484 C Tagesordnungspunkt 4: a) Abgabe einer Regierungserklärung: Deutschland im Aufbruch – Moderne Wirtschaftspolitik für neue Arbeits- plätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9484 C b) Antrag der Abgeordneten Birgit Schnieber-Jastram, Dr. Maria Böhmer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion CDU/CSU: Bessere Erwerbsaussich- ten für ältere Arbeitnehmer durch bessere Qualifizierung (Drucksache 14/2909) ..... . . . . . . . . . . 9484 C c) Antrag der Abgeordneten Gunnar Uldall, Birgit Schnieber-Jastram, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion CDU/CSU: Beschäftigung als Ziel der Wirtschaftspolitik herausstellen (Drucksache 14/2988) . . . . . . . . . . . . . 9484 D Gerhard Schröder, Bundeskanzler . . . . . . . . . 9484 D Friedrich Merz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 9489 A Dr. Peter Struck SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9493 D Jürgen W. Möllemann F.D.P. . . . . . . . . . . . . . 9496 C Kerstin Müller (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9499 D Dr. Gregor Gysi PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9503 D Hans Eichel, Bundesminister BMF . . . . . . . . 9507 B Michael Glos CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 9509 C Dr. Norbert Wieczorek SPD . . . . . . . . . . . . . 9513 A Rainer Brüderle F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9516 A Dr. Ditmar Staffelt SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 9517 B Karl-Josef Laumann CDU/CSU . . . . . . . . . . 9519 A Wolfgang Weiermann SPD . . . . . . . . . . . . 9520 B Sabine Kaspereit SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9520 D Ernst Hinsken CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 9522 B Dr. Christa Luft PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 9523 B Dr. Bernd Protzner CDU/CSU . . . . . . . . . . . 9524 A Ulla Schmidt (Aachen) SPD . . . . . . . . . . . . . 9525 B Dr. Bernd Protzner CDU/CSU . . . . . . . . . 9527 A Tagesordnungspunkt 5: Zweite und dritte Beratung des von den Ab- geordneten Erwin Marschewski, Wolfgang Zeitlmann, weiteren Abgeordneten und der Fraktion CDU/CSU eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Änderung des Plenarprotokoll 14/102 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 102. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2000 I n h a l t : Gesetzes überdas Ausländerzentralregis- ter und zur Einrichtung einerWarndatei (Drucksachen 14/1662;14/2745) . . . . . . . . 9528 B Hartmut Koschyk CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 9528 C Eckhardt Barthel (Berlin) SPD . . . . . . . . . . . 9530 D Dr. Guido Westerwelle F.D.P. . . . . . . . . . . . . 9532 C Marieluise Beck (Bremen) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9534 A Dr. Guido Westerwelle F.D.P. . . . . . . . . . 9534 D Ulla Jelpke PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9535 D Erwin Marschewski CDU/CSU . . . . . . . . . . 9536 D Dr. Guido Westerwelle F.D.P. . . . . . . . . . . . . 9538 A Erwin Marschewski (Recklinghausen) CDU/ CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9538 B Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär BMI 9538 C Tagesordnungspunkt 21: Überweisungen im vereinfachten Ver- fahren a) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu den Übereinkommen vom 19. Dezember 1996 über den Bei- tritt des Königreichs Dänemark, der Republik Finnland und des König- reichs Schweden zum Schengener Durchführungsübereinkommen und zu dem Übereinkommen vom 18. Mai 1999 über die Assoziierung der Re- publik Island und des Königreichs Norwegen (Drucksache 14/3247) . . . . . . . . . . . . . 9540 A b) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Investiti- onszulagengesetzes 1999 (Drucksache 14/3273) . . . . . . . . . . . . . 9540 B c) Erste Beratung des von den Abgeordne- ten Dr. Klaus Grehn, Dr. Ruth Fuchs, weiterer Abgeordneter und der Fraktion PDS eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (Viertes SGB III-Än- derungsgesetz) (Drucksache 14/3044) . . . . . . . . . . . . . 9540 B d) Antrag der Abgeordneten Eva-Maria Bulling-Schröter, Rosel Neuhäuser, weiterer Abgeordneter und der Fraktion PDS: Ressourcenverbrauch der Bun- desrepublik Deutschland statistisch besser abbilden (Drucksache 14/2654) . . . . . . . . . . . . . 9540 C e) Antrag der Abgeordneten Heidemarie Ehlert, Dr. Barbara Höll, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion PDS: Übergangsregelungen bei der Ein- führung des Kapitalgesellschaften- und Co-Richtlinie-Gesetz (Drucksache 14/3078) . . . . . . . . . . . . . 9540 C f) Antrag der Abgeordneten Dr. Evelyn Kenzler, Roland Claus, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion PDS: Zeit- weilige Aussetzung der Möglichkeit zur Erhöhung der Nutzungsentgelte (Drucksache 14/3121) . . . . . . . . . . . . . 9540 D Tagesordnungspunkt 22: Abschließende Beratungen ohne Aus- sprache a) Zweite Beratung und Schlussabstim- mung des von der Bundesregierung ein- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 25. August 1998 zwi- schen der Bundesrepublik Deutsch- land und den Vereinigten Mexikani- schen Staaten überdie Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapital- anlagen (Drucksachen 14/2422;14/3129) . . . . 9541 A b) Zweite Beratung und Schlussabstim- mung des von der Bundesregierung ein- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 5. November 1998 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Antigua und Barbu- da über die Förderung und den gegen- seitigen Schutz von Kapitalanlagen (Drucksachen 14/2423; 14/3130) . . . . 9541 A c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Tech- nologie zu dem Antrag der Abgeordne- ten Wolfgang Börnsen (Bönstrup), Dietrich Austermann, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion CDU/CSU: Wirtschaftlicher Ausgleich und Übergangsregelung für Duty-free (Drucksachen 14/1206, 14/2103) . . . . 9541 B d) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Tech- nologie zu dem Antrag der Abgeordne- ten Gunnar Uldall, Kurt-Dieter Grill, weiterer Abgeordneter und der Fraktion CDU/CSU: Vorlage des Berichts zum Stromeinspeisungsgesetz (Drucksachen 14/2239, 14/2837) . . . . 9541 B Zusatztagesordnungspunkt 5: Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäfts- ordnung: Antrag auf Genehmigung zum Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2000II Vollzug gerichtlicher Durchsuchung- und Beschlagnahmebeschlüsse (Drucksache 14/3338) . . . . . . . . . . . . . . . . 9541 C Zusatztagesordnungspunkt 2: Aktuelle Stunde betr. Haltung der Bun- desregierung zur Erhöhung der Sicher- heit im Internet vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit dem „I LOVE YOU“-Virus Ute Vogt (Pforzheim) SPD . . . . . . . . . . . . . . 9541 D Sylvia Bonitz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 9542 C Grietje Bettin BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 9543 D Hans-Joachim Otto (Frankfurt) F.D.P. . . . . . 9545 A Angela Marquardt PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 9546 A Hubertus Heil SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9547 A Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn) CDU/CSU . 9548 A Matthias Berninger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9549 A Dieter Wiefelspütz SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 9550 C Elmar Müller (Kirchheim) CDU/CSU . . . . . 9551 D Siegmar Mosdorf, Parl. Staatssekretär BMWi 9552 D Alfred Hartenbach SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 9554 D Norbert Geis CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 9555 D Otto Schily, Bundesminister BMI . . . . . . . . . 9556 C Jörg Tauss SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9558 C Tagesordnungspunkt 6: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung von Vor- schriften über die Tätigkeit der Steuer- berater (Drucksachen 14/2667; 14 3282) . . . . . . . 9559 D Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9560 A Dr. Ilja Seifert PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 9561 C Hansgeorg Hauser (Rednitzhembach) CDU/ CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9563 A Christine Scheel BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 9565 B Dr. Ilja Seifert PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 9565 D Gerhard Schüßler F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . 9566 C Heidemarie Ehlert PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 9567 C Lydia Westrich SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9568 B Dr. Ilja Seifert PDS (Erklärung nach § 31 GO) 9570 C Tagesordnungspunkt 7: Antrag der Abgeordneten Norbert Hauser (Bonn), Norbert Röttgen, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion CDU/CSU: Si- cherung der außeruniversitären inter- disziplinären Grundlagenforschung in der Informations- und Kommunikati- onstechnik (Drucksache 14/3097) . . . . . . . . . . . . . . . . 9571 A Norbert Hauser (Bonn) CDU/CSU . . . . . . . . 9571 A Stephan Hilsberg SPD . . . . . . . . . . . . . . . 9572 A Wolf-Michael Catenhusen, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9573 A Norbert Hauser (Bonn) CDU/CSU . . . . . 9573 D Cornelia Pieper F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9575 C Hans-Josef Fell BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 9576 D Maritta Böttcher PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9578 B Jörg Tauss SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9579 B Steffen Kampeter CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 9581 A Tagesordnungspunkt 8: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zu dem Antrag der Abgeordneten Ursula Burchardt, Jörg Tauss, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion SPD sowie der Abgeordneten Hans- Josef Fell, Matthias Berninger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Strategie für eine Nachhaltige Informationstechnik (Drucksachen 14/2390, 14/2814) . . . . . . . 9582 C Ursula Burchardt SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9582 D Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn) CDU/CSU 9585 B Winfried Hermann BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9586 C Cornelia Pieper F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9588 A Angela Marquardt PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 9588 D Jürgen Koppelin F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . 9589 A Jörg Tauss SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9589 D Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) CDU/CSU . 9591 A Tagesordnungspunkt 9: a) Erste Beratung des von den Abgeord- neten Dr. Dieter Thomae, Detlef Parr, weiteren Abgeordneten und der Frakti- on F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Sicherung einer ange- messenen Vergütung psychothera- peutischer Leistungen im Rahmen dergesetzlichen Krankenversicherung (Drucksache 14/3086) . . . . . . . . . . . . . 9592 C Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2000 III b) Antrag der Abgeordneten Dr. Ruth Fuchs, Dr. Ilja Seifert, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion PDS: Exis- tenzsichernde Vergütung der psycho- therapeutischen Versorgung gewähr- leisten (Drucksache 14/2929) ... . . . . . . . . . . . 9593 A Dr. Dieter Thomae F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . 9593 A Helga Kühn-Mengel SPD . . . . . . . . . . . . . . . 9594 B Aribert Wolf CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 9596 D Horst Schmidbauer (Nürnberg) SPD . . . . . . 9600 A Aribert Wolf CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 9600 D Katrin Dagmar Göring-Eckardt BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9601 B Dr. Ruth Fuchs PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9602 D Gudrun Schaich-Walch SPD . . . . . . . . . . . . . 9604 A Aribert Wolf CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 9604 D Gudrun Schaich-Walch SPD . . . . . . . . . . . . . 9605 A Tagesordnungspunkt 10: Antrag der Abgeordneten Ernst Küchler, Dr. Ernst Dieter Rossmann, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion SPD sowie der Abgeordneten Matthias Berninger, Ekin Deligöz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Lebensbegleitendes Lernen für alle – Weiterbildung ausbauen und stärken (Drucksache 14/3127) . . . . . . . . . . . . . . . . 9605 C Ernst Küchler SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9605 D Werner Lensing CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 9608 A Matthias Berninger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9610 A Cornelia Pieper F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9611 C Maritta Böttcher PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9612 D Wolf-Michael Catenhusen, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9613 D Werner Lensing CDU/CSU . . . . . . . . . . . 9614 C Ina Lenke F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9615 C Heinz Wiese (Ehingen) CDU/CSU . . . . . . . . 9616 A Tagesordnungspunkt 11: Antrag der Abgeordneten Dr. Norbert Lammert, Bernd Neumann (Bremen), wei- terer Abgeordneter und der Fraktion CDU/CSU: Hauptstadtkulturförderung (Drucksache 14/3182) . . . . . . . . . . . . . . . . 9617 C Dr. Norbert Lammert CDU/CSU . . . . . . . . . 9617 D Dr. Michael Naumann, Staatsminister BK . . . 9619 C Franziska Eichstädt-Bohlig BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9622 A Dr. Günter Rexrodt F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . 9624 A Dr. Heinrich Fink PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9625 B Eckhardt Barthel (Berlin) SPD . . . . . . . . . . . 9626 B Steffen Kampeter CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 9628 B Dr. Christian Stölzl, Senator (Berlin) . . . . . . . 9630 A Tagesordnungspunkt 12: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- wärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Fraktionen SPD, CDU/CSU, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und F.D.P.: Die Rolle der Interparlamentarischen Union (IPU) im Zeitalter der Globalisierung (Drucksachen 14/1567, 14/2951) . . . . . . . 9631 A Tagesordnungspunkt 13: Antrag der Abgeordneten Dr. Ilja Seifert, Eva-Maria Bulling-Schröter, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion PDS: Bundes- stiftung „Entschädigung für NS-Un- recht“ gründen und Entschädigung von NS-Opfern der Zwangssterilisation und der Euthanasie in die Wege leiten (Drucksache 14/2298) . . . . . . . . . . . . . . . . 9631 C Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9631 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 9633 A Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zur Be- schlussempfehlung: Die Rolle der Interparlamentarischen Union (IPU) im Zeitalter der Globalisierung (Tagesord- nungspunkt 12) Dieter Schloten SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9633 C Dr. Rita Süssmuth CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 9635 C Dr. Angelika Köster-Loßack BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9636 B Ulrich Irmer F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9636 D Petra Bläss PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9637 B Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Bundesstiftung „ Entschädigung Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2000IV für NS-Unrecht“ gründen und Entschädi- gung von NS-Opfern der Zwangssterilisation und der Euthanasie in die Wege leiten (Tages- ordnungspunkt 13) Bernd Reuter SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9638 A Martin Hohmann CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 9638 D Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 9639 D Dr. Max Stadler F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9640 C Dr. Ilja Seifert PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9641 B Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2000 V Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2000
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    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2000 Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms 9631 (C)(A) 1 Anlage 2 2 Anlage 3 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2000 9633 (C) (D) Altmaier, Peter CDU/CSU 11.05.2000 Dr. Blank, CDU/CSU 11.05.2000 Joseph-Theodor Carstensen (Nordstrand), CDU/CSU 11.05.2000 Peter H. Dreßler, Rudolf SPD 11.05.2000 Dr. Dückert, Thea BÜNDNIS 90/ 11.05.2000 DIE GRÜNEN Dr. Eid, Uschi BÜNDNIS 90/ 11.05.2000 DIE GRÜNEN Flach, Ulrike F.D.P. 11.05.2000 Gebhardt, Fred PDS 11.05.2000 Dr. Hornhues, CDU/CSU 11.05.2000 Karl-Heinz Dr. Hoyer, Werner F.D.P. 11.05.2000 Imhof, Barbara SPD 11.05.2000 Dr. Kahl, Harald CDU/CSU 11.05.2000 Klinkert, Ulrich CDU/CSU 11.05.2000 Moosbauer, Christoph SPD 11.05.2000 Müller (Berlin), PDS 11.05.2000 Manfred Neuhäuser, Rosel PDS 11.05.2000 Nickels, Christa BÜNDNIS 90/ 11.05.2000 DIE GRÜNEN Ohl, Eckhard SPD 11.05.2000 Dr. Rüttgers, Jürgen CDU/CSU 11.05.2000 Schmitz (Baesweiler), CDU/CSU 11.05.2000 Hans Peter Dr. Waigel, Theodor CDU/CSU 11.05.2000 Wiesehügel, Klaus SPD 11.05.2000 Wolf (Frankfurt), BÜNDNIS 90/ 11.05.2000 Margareta DIE GRÜNEN Zierer, Benno CDU/CSU 11.05.2000* Dr. Zöpel, Christoph SPD 11.05.2000 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versamm- lung des Europarates entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten (A) (B) Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung: Die Rolle der Interparlamentarischen Union (IPU) im Zeitalter der Globalisierung (Tagesordnungs- punkt 12) Dieter Schloten (SPD):Ich möchte die Gelegenheit nutzen, bei einem Antrag zur Rolle der IPU im Zeitalter der Globalisierung, der in den Gremien des Deutschen Bundestages unstrittig ist, über die soeben in der jordani- schen Hauptstadt Amman beendete 103. Interparlamenta- rische Konferenz zu berichten. Sie hat die Bedeutung der IPU als der einzigen weltweiten, 139 Parlamente umfas- senden Organisation nachhaltig unterstrichen. Wenn mehr als 700 Parlamentarier, 600 weitere Delegierte und Sach- verständige sowie Vertreter zahlreicher internationaler Organisationen zusammentreffen, hat dies Auswirkungen auf die politische, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Gestaltungsmöglichkeit in einer immer schneller zusam- menwachsenden Welt. Zugleich ist die IPU ein Forum in- ternationaler Kontakte. So hat die deutsche Delegation in Amman intensive Gespräche geführt mit Delegationen aus: Äthiopien, Indien, Israel, Jordanien, Libyen, Ma- rokko, Mexiko, Palästina, Tunesien und Uruguay. Die 103. Interparlamentarische Konferenz hat sich mit drei wichtigen Themenbereichen befasst, deren Ergeb- nisse nunmehr weltweit von den Parlamenten den Regie- rungen zugeleitet werden. Die Regierungen sind auf- gefordert, die erforderlichen Maßnahmen umzusetzen. Natürlich ist die Erfüllung einer interparlamentarischen Verpflichtung nicht in allen Ländern gleichgewichtig ge- währleistet. Gleichwohl wird und muss die Botschaft ei- ner im Konsenswege oder mit großer Mehrheit angenom- menen Resolution aufgegriffen und umgesetzt werden. Als Beispiel möchte ich die Frage der palästinensischen Flüchtlinge nennen. Über dieses Thema, auf das ich spä- ter näher eingehen werde, haben wir in Amman tagelang kontrovers diskutiert. Gewiss wird es Gegenstand heftiger Debatten in den Parlamenten der arabischen Staaten und in der Knesset sein. Die Konferenz in Amman befasste sich mit zwei or- dentlichen Tagesordnungspunkten und einem Zusatzta- gesordnungspunkt. „Frieden, Stabilität und umfassende Entwicklung in der Welt zu erreichen mit dem Ziel, engere politische, wirtschaftliche und kulturelle Bindungen zwischen den Völkern“ zu schaffen, hieß der erste Tagesordnungspunkt. Er war weitgehend unumstritten. Schwieriger gestalteten sich die Diskussionen um den zweiten Tagesordnungspunkt: „Dialog zwischen Zivilisa- tionen und Kulturen“. Es war bereits vor einem Jahr in Brüssel gemeinsam von der deutschen und der iranischen Delegation für die Konferenz in Amman vorgeschlagen worden. Hierbei hatte die deutsche Delegation unter Fe- derführung der Kollegin Monika Griefahn gemeinsam mit Frau Professor Süssmuth ausgezeichnete Vorarbeit geleistet, sodass der deutsche Entwurf zur Grundlage für die Diskussion im Redaktionsausschuss wurde. Leider konnte Frau Professor Süssmuth wegen einer Erkrankung nicht an der Konferenz in Amman teilnehmen. Frau Griefahn hat in Kooperation mit unseren britischen Kol- leginnen und Kollegen, die ihren Entwurf zugunsten des deutschen zurückgestellt haben, durch geschicktes Ver- handeln die wesentlichen Ziele unseres Entwurfes erfolg- reich durchsetzen können, nämlich kulturelle Vielfalt, kulturelle Bereicherung und eine weltweite Zivilgesell- schaft. Die einstimmige Beschlussfassung in Ausschuss und Versammlung hat schließlich – trotz vorheriger Ein- wände einiger Staaten – sogar dazu geführt, dass die Kon- ferenz den Vorrang der Achtung der Menschenrechte vor kulturellen Traditionen und Dogmen anerkannt hat. In einem Zusatztagesordnungspunkt befasste sich die Konferenz mit der „Rolle von Parlamenten, das Recht der durch Krieg und Besatzung betroffenen Flüchtlinge und Vertriebenen sowie ihre Repatriierung zu unterstüt- zen sowie die internationale Zusammenarbeit bei Ent- wicklung und Anwendung von Strategien zu vertiefen, die darauf ausgerichtet sind, kriminelle Aktivitäten des Menschenhandels zu bekämpfen“. Dieser Tagesord- nungspunkt war aufgrund der Situation der Flüchtlinge im Nahen Osten, insbesondere in Jordanien selbst, das 1,4 Millionen palästinensische Flüchtlinge beherbergt, der umstrittenste Punkt. Dennoch war die Zusammenarbeit zwischen den Delegierten gekennzeichnet durch Ver- ständnis, gegenseitige Rücksichtnahme und insbesondere Offenheit gegenüber den Argumenten anderer. Ein Kom- promiss musste gefunden werden. In diesem Tagesord- nungspunkt wurde nämlich nicht nur die Berücksichti- gung des Flüchtlingsproblems im Nahen Osten, sondern in allen Teilen der Welt gefordert, zum Beispiel auf dem Balkan, im Kaukasus und in Teilen Afrikas. Für die Zu- stimmung sollte jedoch die gesamte arabische Welt ge- wonnen werden. Nachdem es den arabischen Kollegen gelungen war, im politischen Ausschuss eine etwas ra- dikale Lösungsformulierung durchzusetzen, lautet der Kompromissvorschlag, den ich gemeinsam mit dem Parlamentspräsidenten Jordaniens, der zugleich Konfe- renzpräsident war, gefunden habe, folgendermaßen: Die 103. Interparlamentarische Konferenz bekun- det – ohne die Flüchtlingsprobleme in anderen Tei- len der Welt aus dem Auge zu verlieren – ihre nach- drückliche Unterstützung für alle Bemühungen um einen gerechten, dauerhaften und umfassenden Frie- den im Nahen Osten, einschließlich des Rechts der palästinensischen Flüchtlinge auf Rückkehr im Ein- klang mit der VN Resolution 194, dem in der Kon- ferenz in Madrid festgelegten Grundsatz Land für Frieden, und die Durchführung der Resolutionen des Sicherheitsrates 242, 338 und 425 und des Vertrages von Oslo. In dieser Kompromissformulierung, die nach einigem Zögern zunächst von dem palästinensischen Delegations- leiter und dann auch von sämtlichen arabischen Delega- tionen unterstützt wurde, sehe ich einen Erfolg, sowohl für die Lage der Flüchtlinge als auch für die Ernsthaftig- keit, bei schwierigen Problemstellungen in der IPU eine positive Zusammenarbeit sicherzustellen. Der Wermuts- tropfen war, dass sich die israelische Delegation in diesem Punkte nicht in der Lage sah, einen Schritt nach vorne zu tun. Obwohl ich die israelischen Delegierten ständig über den Gang der Verhandlungen informiert habe, behaupte- ten sie in der Konferenz, sie seien nicht involviert gewe- sen und lehnten von vornherein jeden Kompromiss ab. Andererseits war diese Entwicklung wichtig für die guten deutsch-arabischen Beziehungen. Ich möchte an dieser Stelle ein Wort des Dankes an unseren Botschafter in Am- man, Herrn Dr. Martin Schneller, richten, der die deutsche Delegation während der gesamten Zeit unterstützt hat, so- wie an die anwesenden Mitarbeiter des Auswärtigen Am- tes und des Bundestages für die große Unterstützung, die sie der Delegation und insbesondere mir als ihrem Leiter gewährt haben. Erwähnen möchte ich auch die Breite des Spektrums wichtiger Konferenzbereiche, bei denen die IPU entspre- chend ihrer Zielsetzung nach friedlicher Zusammenarbeit in immer stärkerem Maße tätig wird. Lassen Sie mich bei- spielhaft folgende Problemfelder anführen, die kontinu- ierlich und mit großem Sachverstand und hohem Engage- ment bearbeitet werden: Der Ausschuss für die Menschenrechte von Parlamen- tariern befasst sich mit der Verletzung der Menschen- rechte demokratisch gewählter Kolleginnen und Kolle- gen, deren Schicksal uns nicht gleichgültig sein darf. Un- sere Aufgabe ist es, sowohl bei Besuchen in den betroffenen Ländern als auch als Gastgeber von Parla- mentsdelegationen aus diesen Ländern alles zu tun, um ih- nen die Ausübung ihres Mandats auf den Grundlagen des Rechtsstaates zu ermöglichen. Als Beispiele möchte ich erstens den Präsidentschaftskandidaten der RPG bei den letzten Präsidentschaftswahlen in Guinea, Herrn Alpha Condé, nennen. Er befindet sich seit Oktober letzten Jah- res ohne stichhaltige Begründung im Gefängnis. Ich würde mich freuen, wenn es wegen der guten Kontakte zwischen Deutschland und Frankreich auf Regierungs- ebene gelänge, den französischen Präsidenten dazu zu be- wegen, seinen Einfluss beim Präsidenten Guineas geltend zu machen, um Herrn Condé wieder zur Freiheit zu ver- helfen. Zweitens möchte ich das Beispiel Burma bzw. Myan- mar anführen, wo nach wie vor zwischen 20 und 30 frei gewählte Abgeordnete seit Jahren im Gefängnis sitzen. Mit der Unterstützung von lateinamerikanischen Delega- tionen ist es mir gelungen, am letzten Tag der Konferenz das Thema „Menschenrechtsverletzungen an Parlamenta- riern“ zum Konferenzthema für die nächste IPU Konfe- renz in Jakarta im Oktober dieses Jahres zu machen. Erwähnen möchte ich auch die Gruppe, die sich mit der Gleichstellung der Geschlechter befasst. Sie bemüht sich intensiv und erfolgreich darum, die Rolle der Frau und der Parlamentarierinnen weiter voranzubringen. Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, dass der Deutsche Bundestag diesen Auftrag vorbildlich er- füllt. Die achtköpfige Delegation des Deutschen Bundes- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 20009634 (C) (D) (A) (B) tages bei der Konferenz in Amman bestand aus fünf Frauen und drei Männern. Der Ausschuss für Nahostfragen ist ein weiteres wich- tiges Gremium, und ich freue mich, dass unsere Kollegin Frau Dr. Angelika Köster-Loßack als neues Mitglied in diesen ständigen Ausschuss gewählt wurde. Abschließend möchte ich noch zwei Punkte erwähnen. Sie beinhalten das Verhältnis zwischen der IPU und den Vereinten Nationen sowie die wachsende Bedeutung der Gruppe der Zwölf Plus in der IPU. Zum Ersten. In einer Studie des Generalsekretärs zur Reform der IPU ist der Vorschlag unterbreitet worden, die Zusammenarbeit mit den VN zu verstärken und der IPU die Rolle einer parlamentarischen Dimension der VN zu verleihen. Die bevorstehende Millenniumskonferenz aller Parlamentspräsidenten der Welt in New York vom 30. Au- gust bis 1. September 2000 sowie der jährliche Zusam- mentritt von Parlamentariern aus aller Welt während der Generalversammlung weisen in diese für die IPU so wich- tige Richtung. Wir alle sollten ein hohes Interesse daran haben, den Vereinten Nationen eine parlamentarische Di- mension zur Seite zu stellen, deren Kontrollfähigkeiten neben den VN auch andere internationale Organisationen umfassen. Seattle und Washington, das heißt die Tagun- gen von WTO und IMF, haben deutlich die Notwendig- keit gezeigt, die parlamentarische Dimension auch hier einzubringen. Konkrete Vorschläge werden zurzeit von deutscher Seite sowie von anderen Delegationen erarbei- tet. Wir wollen versuchen, diese Entwürfe in Jakarta zu einem gemeinsamen Vorschlag zu bündeln. Zum Zweiten. Die Bedeutung der vor 25 Jahren durch unseren damaligen Kollegen Dr. Klaus von Dohnanyi, Georg Kliesing und Dr. Uwe Holtz gegründeten geopoli- tischen Gruppe der Zwölf Plus – das sind die Mitglieder des Europarates ohne ehemalige GUS-Staaten sowie Aus- tralien, Kanada, Neuseeland und USA–, deren Vorsitzen- der ich seit 1998 bin, nimmt ständig an Gewicht zu. Diese Gruppe, etwa einer Fraktion vergleichbar, ist der Motor der Demokratisierung in der IPU. Insgesamt gehören die- ser Gruppe nunmehr 43 Mitgliedsländer sowie drei Beob- achter-Delegationen aus dem Europäischen Parlament, der Parlamentarischen Versammlung des Europarates so- wie der Knesset an. Wir unterhalten intensive Beziehun- gen zu den übrigen sechs geopolitischen Gruppen in der IPU. Mit der Gruppe Lateinamerikas haben wir in Amman vereinbart, gemeinsam eine Arbeitsgruppe zur Reform der IPU einzurichten. Auf der Millenniumskonferenz in New York soll die inhaltliche Abstimmung abschließend erfolgen. Ich freue mich in diesem Zusammenhang darüber, dass der Bun- destagspräsident an der Millenniumskonferenz teilneh- men wird. Seine Anwesenheit wird dazu beitragen, die parlamentarische Dimension der VN auf einen weiteren erfolgreichen Weg zu bringen. Die 103. IPU Konferenz in Amman hat gezeigt, dass parlamentarische Diplomatie nicht gegen, sondern in Er- gänzung zur Außenpolitik der Regierungen einen Beitrag zu Frieden und Demokratie in unserer Welt leisten kann, für die wir gemeinsam Verantwortung tragen. Dr. Rita Süssmuth (CDU/CSU): Die IPU hat sich im 20. Jahrhundert von einer kleinen Vereinigung zu einer weltweiten Parlamentarierversammlung ent- wickelt mit Parlamentariern und Parlamentarierin- nen aus 138 Mitgliedstaaten. Sie ist ein parlamentari- sches Forum, das wie kein anderes Demokratie, Rechts- staatlichkeit und Frieden fördert. Dort begegnen sich unterschiedliche politische Systeme und Kulturen, arme und reiche Kontinente. Dort kommen Krieg und Frieden, Flüchtlings- und Armutsprobleme, Weltwirtschaftsord- nung, gerechte Teilhabe an Entwicklung zur Sprache. Auf Initiative der deutschen Delegation, es war damals Dr. Klaus von Dohnanyi, wurde in der IPU die Gruppe der 12 mit Mitgliedern des Europarats gebildet. Die Präsi- dentschaft von Hans Stercken (1985–1988) und sein Wir- ken für die IPU sind unvergessen. Die Parlamentarier der Bundesrepublik Deutschland haben stets einen sehr akti- ven Part in der IPU gespielt, Themenvorschläge für das Plenum sowie Resolutionen eingebracht. Parlamentarier unterschiedlicher politischer Systeme, mit geringerer und voller Demokratieentwicklung disku- tieren zu Themen wie dem Krieg auf dem Balkan, eine neue gerechtere Weltwirtschafts- und Handelsordnung, friedliche Lösung von Konflikten, Dialog der Kulturen. Es ist ein parlamentarisches Forum, das den Austausch gemeinsamer und höchst gegensätzlicher Positionen an- strebt. Ich kenne keine Institution, die in vergleichbarer Weise für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und gewaltlose, fried- liche Konfliktlösungen eintritt. Delegationen der Mit- gliedstaaten zeigen, dass freie Rede, mit Pro und Contra in der Debatte, Einübung und Einhaltung parlamentari- scher Regeln im Plenum und in den Ausschüssen sowie im Umgang miteinander Chancen für die Demokratie sind, die gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kön- nen. Es treffen sich Parlamentarier aus allen Kontinenten, aus unterschiedlichen Kulturen, mit sehr unterschiedli- chen Entwicklungsbedingungen und Entwicklungsni- veaus, Länder und Kulturen, die Partnerschaft und Gleichbehandlung wollen, die um Anerkennung werben und Klage führen über Diskriminierung, Benachteiligung und Ausgrenzung. Regionen mit anhaltenden militäri- schen Auseinandersetzungen und Bürgerkriegen, Flücht- lings- und Armutsproblemen begegnen Parlamentariern aus friedlichen Regionen, armen und reichen. Parlamentarische Aufgaben sind wechselseitiges Ver- stehen und Verständigung, Erörterung der Probleme in Rede und Gegenrede, Achtung der jeweils anderen Kul- turen, auch Verständigung darüber, welche Werte und Normen gelten bzw. gelten sollen. Wollen wir den „Kampf der Kulturen“ vermeiden, soll an die Stelle der Konfrontation ein kooperatives Miteinander treten, dann ist es unabdingbar, kulturelle Gemeinsamkeiten und Un- terschiede in persönlicher Begegnung zu erörtern und auf diese Weise wechselseitige Kenntnis, Achtung und Ver- trauen aufzubauen. Kontroversen haben klärende und annähernde Funktion. Auf der Brüsseler IPU-Tagung 1999 wurde mit großer Heftigkeit die Intervention der NATO im Kosovo disku- tiert, um die massive Verletzung von Menschenrechten Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2000 9635 (C) (D) (A) (B) und den brutalen Einsatz von Gewalt zu beenden. Die IPU ist ein parlamentarisches Forum, das Gelegenheit gibt, politische Entscheidungen zu erklären, sie zu begründen, sich der Kritik argumentativ zu stellen. Dabei ging es in dieser Auseinandersetzung nicht nur um die gegenwärtige und zukünftige Rolle der UNO, sondern auch um die Frage, ob Menschenrechtsfragen nur in bestimmten Tei- len der Welt oder überall in der Welt gleiche Unterstüt- zung erfahren und welche Rolle dabei die UNO in Zu- kunft haben wird. Begegnung und Austausch finden nicht nur im Plenum und in den Ausschüssen, sondern auch in vielen informel- len Kontakten statt. Die werden von den Delegationen auch gesucht, und zwar aus allen Teilen der Welt: aus der lateinamerikanischen, afrikanischen, asiatischen und ara- bischen Welt. Lassen Sie mich abschließend zu einem für die IPU wichtigen Anliegen kommen, nämlich die Zusammenar- beit zwischen IPU und UNO. Die IPU fordert die An- wendung demokratischer Prinzipien auch auf die interna- tionalen Beziehungen sowie weltweit operierende Orga- nisationen wie zum Beispiel die UNO. Ziel ist es, die IPU zur parlamentarischen Dimension der Vereinten Nationen zu machen. Im Sommer dieses Jahres werden die Präsidenten der IPU-Mitgliedsparla- mente bei den Vereinten Nationen zu einer Konferenz zu- sammenkommen, ein wichtiges Zeichen für die parla- mentarische Dimension dieser Organisation. Damit die in der IPU geleistete Arbeit in ihrer politi- schen Wirksamkeit erhöht wird, fordert der Deutsche Bundestag die Bundesregierung auf, die von der IPU ver- abschiedeten Resolutionen nicht nur in der Bundesrepu- blik Deutschland, sondern auch in internationalen Gre- mien und Institutionen zu implementieren, in denen Deutschland Mitglied ist. Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte weltweit zum Erfolg zu bringen, das ist eine begeisternde und lohnende Aufgabe. Dr. Angelika Köster-Loßack (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die 103. Interparlamentarische Konferenz in Amman fällte wichtige Entscheidungen zu drei Themen- schwerpunkten. „Frieden, Stabilität und umfassende Ent- wicklung in der Welt zu erreichen mit dem Ziel, engere politische, wirtschaftliche und kulturelle Bindungen zwi- schen den Völkern zu schaffen“, war ein zielorientiertes Thema. Auf der Ebene weitgehender Abstraktion von konkreten Situationen gab es zu diesem Punkt keine größeren Auseinandersetzungen. Diese entstanden beim zweiten Tagesordnungspunkt über den Dialog zwischen Zivilisationen und Kulturen, den gemeinsam von Deutschland und dem Iran einge- reichten Vorschlag. Es gelang jedoch, bei der Schlussab- stimmung die universelle Gültigkeit der Menschenrechte und ihre Achtung vor jeglicher Relativierung durch kultu- relle Traditionen festzuschreiben. Die Auseinandersetzungen fanden einen schmerzli- chen Höhepunkt bei der Diskussion zum Thema „Rolle von Parlamenten, das Recht der durch Krieg und Besat- zung betroffenen Flüchtlinge und Vertriebenen sowie ihre Repatriierung zu unterstützen sowie die internationale Zusammenarbeit bei Entwicklung und Anwendung von Strategien zu vertiefen, die darauf ausgerichtet sind, kri- minelle Aktivitäten des Menschenhandels zu bekämp- fen.“ Dieser Zusatztagesordnungspunkt wurde zum Objekt der Auseinandersetzung zwischen den am nahöstlichen Friedensprozess beteiligten Vertretern. Ein durch das Re- daktionskomitee verhandelter Kompromissvorschlag, der auch die Zustimmung der israelischen Delegation gefun- den hatte, wurde auf der nächsten Ebene der Beschluss- fassung wieder verworfen. In dieser neuen Fassung war, auf Betreiben insbesondere der palästinensischen Beob- achterdelegation, jeglicher Hinweis auf Flüchtlingssitua- tionen in der Welt gestrichen worden. Dem Einsatz des Kollegen Dieter Schloten ist es zu verdanken, dass in der abschließenden Plenarsitzung ein Kompromissvorschlag verabschiedet werden konnte. Leider hat die israelische Delegation diesen Vorschlag nicht mehr mittragen kön- nen. Wir werden versuchen, dass solche Konfliktsituatio- nen in Zukunft bei den Vorbereitungsverhandlungen ge- klärt werden können. Eine sehr produktive und konsensorientierte Debatte fand unter den Parlamentarierinnen in eigenständigen Sit- zungen statt. Die IPU, insbesondere ihre Frauenpolitike- rinnen, hat sich seit der Verabschiedung der Aktionsplatt- form von Beijing im Jahre 1995 unablässig darum bemüht, diese Forderungen den Parlamenten in aller Welt nahe zu bringen. Zu diesem Zweck wurde eine Dokumentation erstellt, die eine generelle Bestandsaufnahme der Entwicklung weiblicher politischer Partizipation in aller Welt zusam- mengefasst. Untersucht wurde auf der Basis der bei den VN eingegangenen Regierungsberichten die Repräsen- tanz von Frauen in nationalen Parlamenten, politischen Parteien, Regierungen und der IPU selbst. Angesichts der fünf Jahre nach der Weltfrauenkonfe- renz noch immer mächtigen Widerstände gegen die Um- setzung der Forderungen von Beijing wünsche ich der von der IPU geplanten Sitzung bei den Vereinten Nationen in New York den für Frauen in aller Welt so notwendigen Er- folg bei der Überzeugungsarbeit. Ulrich Irmer (F.D.P.): Fragt man den statistischen Durchschnittsbürger, welche Stichworte ihm zum Thema der Globalisierung einfallen, so wird er wahrscheinlich antworten: Internet, Welthandel, Unternehmenszusam- menschlüsse, Auslandsinvestitionen, Standortvorteile und Arbeitsplätze. Der ungehinderte Austausch von Wa- ren, Dienstleistungen und Informationen ist jedoch nur eine Seite der Globalisierung. Ebenso wichtig ist die welt- weite Durchsetzung demokratischer Werte. In den zehn Jahren nach dem Zerfall des Sowjetimpe- riums ist die Globalisierung der Demokratie so weit fort- geschritten, dass nur noch einige wenige bornierte Des- poten vom Schlage des Kim Jong Il oder des Fidel Castro ernsthaft meinen, sie könnten die politische Weltkugel Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 20009636 (C) (D) (A) (B) aufhalten. Aber selbst diese Dinosaurier nehmen für sich in Anspruch, Demokraten zu sein. Demokratie und Men- schenrechte sind heute zur Ordre public der Weltinnenpo- litik geworden. Demokratie ist eine ansteckende Gesund- heit, deren wohltuende Erreger inzwischen ganze Konti- nente dauerhaft infiziert haben. Wer hätte etwa vor nur zehn Jahren zu hoffen gewagt, dass ganz Lateinamerika – von der genannten Ausnahme einmal abgesehen – zu Be- ginn des 21. Jahrhunderts demokratisch regiert werden würde? Noch vor wenigen Jahren wurde unter Politikwissen- schaftlern darüber diskutiert, ob es nicht neokoloniales Gehabe sei, den Entwicklungsländern eurozentrische De- mokratievorstellungen überstülpen zu wollen. Heute ha- ben sich faire und freie Wahlen, Gewaltenteilung und de- mokratische Kontrolle als gesellschaftliche Ordnungs- prinzipien fast überall durchgesetzt. Die Einhaltung demokratischer Spielregeln ist zu einer weltweit aner- kannten Voraussetzung für Entwicklungszusammenarbeit geworden. Pompöse Parlamentsgebäude, deren Oppositi- onsbänke verwaist sind und elektronische Abstimmungs- anlagen ohne Nein-Taste, wie unlängst noch auf Reisen in die so genannte Dritte Welt zu bewundern, sind heute kaum noch zu finden. Dass dies so ist, ist vor allem ein Verdienst einer der äl- testen multilateralen Organisationen, der Interparlamen- tarischen Union, die 1889, lange vor Erfindung des Inter- nets, des Fernsehens, des Radios, ja sogar vor Einführung des Telefons, ihren Kampf für die Globalisierung der De- mokratie begonnen hat. Auch wenn nicht immer alle Mit- gliedsparlamente einer strengen demokratischen Über- prüfung standgehalten haben, hat sich doch der mit der IPU verbreitete Demokratiebazillus als sehr reprodukti- onsfreundlich und widerstandsfähig erwiesen. Heute kämpfen fast 140 Mitgliedsländer zusammen mit anderen multilateralen Organisationen für eine vollständige und unwiderrufliche weltweite Durchsetzung von Demokratie und Menschenrechten. So hat die IPU seit 1966 in über 700 Fällen zugunsten von inhaftierten Volksvertretern in- terveniert. Heute leistet die IPU umfassende Demokrati- sierungshilfe in vielen Entwicklungsländern. 112 Jahre nach ihrer Gründung und zu Beginn des neuen Jahrtausends ist die Vision einer demokratischen Welt so greifbar wie nie zuvor. Doch selbst in einer Welt, in der sich Menschenrechte, Demokratie und Marktwirt- schaft durchgesetzt haben, kurz: in einer liberalen Welt, wird die IPU weiterhin wichtige Aufgaben zu erfüllen ha- ben. Die Tätigkeit der Parlamentarischen Versammlungen des Europarates, der NATO oder der OSZE zeigen, dass in einer immer näher zusammenrückenden Welt ein er- heblicher Koordinierungsbedarf zwischen demokrati- schen Volksvertretungen besteht. Vieles, was zu Zeiten der Nationalstaaten der ausschließlichen Regelungskom- petenz nationaler Parlamente vorbehalten war, bedarf im Zeitalter der Globalisierung multilateraler Abstimmung. Hier liegt eine der großen Herausforderungen der IPU als parlamentarisches Gegenstück zu den Vereinten Natio- nen. Petra Bläss (PDS): Die 103. Konferenz der Interpar- lamentarischen Union vergangene Woche in Amman hat gezeigt, wie wichtig der institutionalisierte internationale Dialog der Parlamentarierinnen und Parlamentarier aus aller Welt ist. Der Globalisierungsprozess stellt gerade hier eine wichtige Herausforderung dar. Denn der Hori- zont nationaler Parlamente reicht längst nicht mehr aus, den vor uns stehenden Problemen gerecht zu werden. Es waren zutiefst existenzielle Fragen, die im Mittel- punkt der Debatte standen: das Erreichen von Frieden, Stabilität und einer umfassenden Entwicklung in der Welt und der Aufbau engerer politischer, wirtschaftlicher und kultureller Beziehungen zwischen den Völkern sowie die Förderung des Dialogs zwischen Zivilisation und Kultu- ren. Die Parlamentarierinnen und Parlamentarier plädier- ten unter anderem für eine Stärkung der multilateralen Konfliktbewältigung von Organisationen wie UNO und OSZE und regten die Bildung weiterer regionaler und lo- kaler Zusammenschlüsse zur Konfliktprävention und zur Friedenssicherung an. Unsere Delegation hat der Debatte um den Dialog und den Austausch zwischen Zivilisatio- nen und Kulturen entscheidende Impulse gegeben. Nein, es gibt keine Alternative zum Dialog zwischen den Zivilisationen. Nur der Dialog führt zum friedlichen Zusammenleben der Völker und zur kulturellen Bereiche- rung der Menschen. Noch immer ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass die universell akzeptierten Menschen- rechte Grundlage jeder dialogfähigen Zivilisation und Kultur sein müssen. Die Toleranz gegenüber kulturellen Unterschieden und die Bereitschaft zum Dialog zwischen Kulturen und Zivilisationen dürfen keinen Vorwand für die Verletzung der Menschenrechte liefern. Da ich unmittelbar im Anschluss an die IPU-Konferenz an der Parlamentspräsidentenkonferenz der parlamentari- schen Versammlungen in Europa teilnahm, möchte ich an dieser Stelle auf eine Parallele der Debatten in Amman und Strasbourg aufmerksam machen, zumal sie unsere Arbeit in den nationalen Parlamenten betrifft: Die internationalen Zusammenhänge und Gremien, zu denen die IPU gehört, haben durch ihr stetes Engagement für Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit einen wichtigen Beitrag zur Demokratisierung geleistet. Nun gilt es aber, Wege zu finden, diesen großen Erfah- rungsschatz und seinen reichen Fundus völkerrechtlicher Bestimmungen durch eine verstärkte Rückkopplung zu den nationalen Parlamenten noch besser nutzbar zu ma- chen. Noch laufen zu viele internationale Initiativen ins Leere, werden zu viele in den nationalen Parlamenten nicht ausreichend wahrgenommen. Hinzu kommt, dass Konventionen unratifiziert bleiben, zum Teil auch wegen der Schwerfälligkeit der Entscheidungsverfahren in den Mitgliedstaaten. Der Ratifizierungsstand von Konventio- nen sollte daher Gegenstand regelmäßiger parlamentari- scher Prüfung und Beratung sein. Wir brauchen einen ge- regelten Informationsfluss zwischen den internationalen Zusammenhängen bzw. Organisationen und den nationa- len Parlamenten. Die Parlamentspräsidentinnen und -präsidenten aus 45 Staaten Europas waren sich einig, dass das Engagement für internationale Fragen und auswärtige Politik in den nationalen Parlamenten mehr gefördert und anerkannt werden muss. Es besteht eine Diskrepanz zwischen der Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2000 9637 (C) (D) (A) (B) Internationalisierung der Probleme einerseits und dem Festhalten an einer Art nationaler Kirchturmpolitik ande- rerseits. Zu einer modernen Politik gehört es schließlich auch, dass einmal erarbeitete internationale Grundsätze sowohl für die nationalen Parlamente als auch für Institu- tionen Geltung erlangen müssen, damit die Universalität der Menschenrechte weltweit gewährleistet wird. Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrages: Bundesstiftung „Entschädigung für NS-Unrecht“ gründen und Entschädigung von NS-Opfern der Zwangssteri- lisation und der Euthanasie in die Wege leiten (Tagesordnungspunkt 13) Bernd Reuter (SPD): 55 Jahre nach Ende des Zwei- ten Weltkrieges, ich erinnere an den 8. Mai, stehen auf der Tagesordnung des Deutschen Bundestages wiederholt Themen, die sich mit den furchtbaren Folgen dieses Krie- ges und eines verbrecherischen Regimes beschäftigen. Die Bundesrepublik Deutschland hat in umfangreicher Weise Entschädigung an die Opfer geleistet. Bis Januar 1999 wurden rund 104 Milliarden Mark an Entschädi- gungen auf der Grundlage von gesetzlichen und außerge- setzlichen Regelungen an Opfer auf der ganzen Welt ge- zahlt, dazu kommen nicht bezifferbare sonstige Leistun- gen in Milliardenhöhe nach Regelungen wie dem Gesetz über die Behandlung der Verfolgten des Nationalsozialis- mus in der Sozialversicherung u. Ä. Es wird eingeschätzt, dass in Zukunft für diese Regelungen ein weiterer Fi- nanzbedarf von 20 Milliarden Mark aufzubringen sein wird. Jährlich werden heute 1,5 Milliarden Mark geleis- tet. Wir müssen aber trotz dieses großen finanziellen Auf- wandes feststellen, dass es eine wirkliche Wiedergutma- chung für massenhafte Vernichtung von Leben, für schwerste gesundheitliche Schäden, für Demütigung und tiefste Verletzung der Menschenwürde nicht geben kann. Deshalb erkläre ich hier für die SPD-Fraktion: Die Re- habilitierung und die Verbesserung der Entschädigung für Opfer nationalsozialistischen Unrechts bleibt fortdau- ernde Verpflichtung. So auch nachzulesen in der Koaliti- onsvereinbarung zwischen SPD und Bündnis 90/Die Grü- nen. Und zu diesem Grundsatz stehen wir. Getragen von allen Fraktionen hat der Bundestag am 14. April 2000 das Gesetz zur Errichtung einer Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ zur Entschädi- gung von NS-Zwangsarbeit und weiterem NS-Unrecht behandelt. Diese Bundesstiftung ist ein ganz wichtiger Schritt zur Verbesserung der Entschädigungsleistungen und eine weitere enorme finanzielle Anstrengung des Bundes in Höhe von 5 Milliarden Mark. Ich möchte an dieser Stelle alle deutschen Unternehmen, die sich bisher der Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft verwei- gern, aufrufen, sich ihrer moralischen Verantwortung be- wusst zu werden und sich finanziell zu beteiligen. Eine abwartende Haltung der Unternehmen ist nicht zu tolerie- ren. Im Rahmen der Bundesstiftung werden vorrangig ehe- malige, noch lebende Zwangsarbeiter entschädigt, vor al- lem in den osteuropäischen Ländern, die bisher keinerlei Wiedergutmachung erfahren haben. Darüber hinaus lässt das Gesetz im Rahmen der finanziellen Ausstattung zu, dass durch die Partnerorganisationen Leistungen für sons- tige Personenschäden gewährt werden können, im Rah- men der finanziellen Mittel. Unter diesem Aspekt ist es besonders misslich, dass bei der Mittelverplanung die für diese Fälle zuständige Partnerorganisation, der so ge- nannte „Rest der Welt“, unterdurchschnittlich ausgestattet wurde. Insofern gilt es die Erfahrungen mit der Bundesstiftung abzuwarten. Wir wissen heute noch nicht, zumindest nicht so genau wie bei den anderen Partnerorganisationen, wie viele Anträge an diese noch zu findende Partnerorganisa- tion eingereicht werden. Wir werden im Herbst über diese Erfahrung verfügen und dann müssen wir neu beraten, auch über die im PDS- Antrag genannten „vergessenen Opfer“. Die aber, und das möchte ich ausdrücklich betonen, keine „vergessenen Op- fer“ sind. Die im Antrag angesprochenen Gruppen hatten und haben die Möglichkeit nach dem Bundesentschädi- gungsgesetz oder dem Allgemeinen Kriegsfolgengesetz und dazu erlassenen Härterichtlinien eine Entschädigung zu beantragen und in vielen Fällen auch erhalten. Euthanasie-Geschädigte und Zwangssterilisierte sind in diese Regelungen voll einbezogen worden. Wir werden auch zu reden haben über weitere Opfergruppen, die nach den vorbenannten Regelungen Anträge stellen konnten, das sind zum Beispiel psychiatrisch Verfolgte, Wehr- dienstverweigerer, Wehrkraftzersetzer, Homosexuelle, Asoziale, alles Gruppen, die der Verfolgung durch das NS-Regime unterlagen. Wir müssen uns dabei bemühen, nicht neue Lücken zu- zulassen und Ungerechtigkeiten vermeiden. In den ver- gangenen Jahren ist viel geleistet worden, aber es muss auf den Prüfstand, ob es der Schwere des Schicksals an- gemessen war und ist oder ob es Härten zu vermeiden gibt. Ich muss nochmals sagen, dass es eine wirkliche Wie- dergutmachung nicht geben kann. Und für sehr viele Op- fer kommt jegliche Entschädigung zu spät. Ich versichere Ihnen aber, dass keiner „vergessen“ wird. Die Bundesrepublik hat, anders als die ehemalige DDR, ihre Verantwortung für begangenes NS-Unrecht wahrgenommen und wird es weiter so handhaben. Aller- dings sehe ich nicht so einen großen Nachholbedarf wie den, der im PDS-Antrag gefordert wird. Aus diesen und den vorgenannten Gründen lehnen wir den Antrag ab. Martin Hohmann (CDU/CSU):Die Fraktion der PDS stellt den Antrag, eine Bundesstiftung „Entschädigung für NS-Unrecht“ zu gründen und die Entschädigung von NS- Opfern der Zwangssterilisation und der „Euthanasie“ in die Wege zu leiten. Es erübrigt sich klarzustellen, dass es keinen Dissens in der Verurteilung dieser schrecklichen Verbrechen gegen die Menschlichkeit gibt. Es erübrigt sich festzustellen, dass den Opfern und Angehörigen und Nachkommen der Opfer unser Mitgefühl gilt. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 20009638 (C) (D) (A) (B) Einerseits will die PDS wieselflink sein, andererseits kommt sie zu spät. Natürlich hat auch die PDS die rot- grüne Koalitionsvereinbarung gelesen. Dort steht in der Tat, dass neben der Bundesstiftung „Entschädigung für NS-Zwangsarbeit“ eine weitere Bundesstiftung „Entschä- digung für NS-Unrecht“ für die „vergessenen Opfer“ ein- gerichtet werden soll. Da nun die Verhandlungen und Ar- beiten für die Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ in ein abschließendes Stadium gekommen sind, will die PDS mit der Einbringung des vorliegenden An- trages demonstrativ zeigen: „Wir sind auf der Höhe der Zeit. Wir sind die Ersten, die das neue Thema auf die Ta- gesordnung bringen.“ So viel zur vergeblichen Schnellig- keit der PDS. Warum kommt die PDS gleichzeitig zu spät? Unser Staat, die Bundesrepublik Deutschland, musste nicht durch eine PDS-Initiative auf die Nöte dieser Op- fergruppen hingewiesen werden. Zu der Zeit unserer Re- gierungsverantwortung wurden für die Zwangssterilisier- ten die Sterilisationsentscheide der entsprechenden NS- Sondergerichte aufgehoben. Auch erhalten sie nach Prüfung ihrer Einkommens- und Vermögenslage Entschä- digungszahlungen. Es sind nicht unerhebliche Zahlungen an die Opfer geleistet worden. 5 000 DM an Zwangssteri- lisierte als einmalige Leistung und eine monatliche Bei- hilfe von zurzeit 120 DM. Härteleistungen nach dem All- gemeinen Kriegsfolgengesetz sind bei wirtschaftlicher Notlage zusätzlich möglich. An die „Euthanasie“-Ge- schädigten, also die Nachkommen von „Euthanasie“-Op- fern, können nach den Richtlinien zum Allgemeinen Kriegsfolgengesetz einmalige Beihilfen in Höhe von 5 000 DM bei entsprechenden Einkommensvoraussetzun- gen gezahlt werden. Keineswegs kann also behauptet werden, unser Gemeinwesen habe diese Opfergruppen vergessen. Das erkennt die PDS in der Antragsbegrün- dung sogar selbst an. Sie schreibt nämlich wörtlich, dass die erbrachten Leistungen „Hilfe“ waren. Was ist denn nun der wahre Grund für diese parlamen- tarische Initiative der PDS? Man wird den Eindruck nicht los, die PDS wolle mit ihren Forderungen nach Erhöhung der finanziellen Leistungen an diese Menschen sich in erster Linie selbst darstellen. Darstellen als Anwalt des Humanen, als Freund und Fürsprecher der Menschen, be- sonders von solchen, die Opfer wurden. Wie aber steht es tatsächlich um den humanen Ansatz der PDS? Ziemlich umfangreich geht die PDS in ihrem Antrag auf die Opfer der so genannten Euthanasie ein; in der na- tionalsozialistischen Terminologie Aktion T 4 genannt. Diese sah die Vernichtung von so genanntem lebensun- werten Leben vor. Diesen Ausdruck haben die National- sozialisten einer kleinen, im Jahre 1920 erschienenen Schrift entnommen. Die Autoren waren der Jurist Carl Binding und der Mediziner Alfred Hoche. Der genaue Ti- tel lautet: Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens, die Unterzeile: Ihr Maß und ihre Form. In sehr nüchterner Art sprechen die Autoren Menschen mit schweren angeborenen Schädigungen die Fähigkeit ab, ein vollwertiges Leben führen zu können. Ihr Vorschlag: Diese Menschen durch einen „guten“ Tod (eu thanatos, aus dem Griechischen) von ihrem Leiden und ihrem Le- ben zu erlösen. Zugleich sollte damit die Gesellschaft die Kosten und die Mühen der Pflege einsparen. Welch eine Hybris, welch ein Verstoß gegen das göttliche Gebot: Du sollst nicht töten. Die Angehörigen und die Kirchen wa- ren es, deren Protest diese Mordaktion stoppte. Wenn nun die PDS die Aktion T 4 als verbrecherisch darstellt, müsste sie konsequenterweise die Abtreibung nach eugenischer Indikation bekämpfen. Davon hat man nie etwas gehört. Im Gegenteil, die PDS hat sich immer für eine völlige Freigabe der Abtreibung ausgesprochen. Und so werde ich einfach den Verdacht nicht los, die PDS nutze diesen Vorgang auch um ihr Weltbild zu stützen und zu propagieren. Hinter den Untaten des NS-Regimes lässt sich die hochbelastete Vergangenheit des Kommunismus trefflich verstecken, dessen Erbe und Ausläufer die PDS zweifellos ist. Dazu diente und dient die „antifaschisti- sche Propaganda“. Und es drängt sich der Gedanke auf, dass es für die Glaubwürdigkeit des antitotalitären Konsenses in unserer Gesellschaft gut gewesen wäre, die SED beziehungsweise PDS nach dem Mauerfall zu verbieten. Die juristischen Voraussetzungen waren jedenfalls gegeben. So aber wer- den sich die demokratischen Parteien in diesem Haus noch so manches Mal mit PDS-Anträgen beschäftigen müssen, die aus einer Gemengelage von vordergründig humanem Anlass und beigepackter Propaganda bestehen. Der Vergleich mit dem „I-love-you“-Virus, das dieser Tage schadensträchtig um die Welt ging, hinkt nur wegen der Begrenztheit seiner Wirkdauer. Meine Damen und Herren, wir von der CDU/CSU- Fraktion sind gegen die PDS-Viren immun. Wir lehnen den PDS-Antrag ab. Volker Beck (Bündnis 90/Die Grünen): Die Regie- rungsfraktionen haben – mittlerweile mit Unterstützung aller Fraktionen dieses Hauses – einen Gesetzentwurf für die Stiftung „Erinnerung, Verantwortung, Zukunft“ auf den Weg gebracht. Wir sind darüber sehr froh, denn damit wird unser wichtigstes Versprechen aus der Koalitions- vereinbarung an die Opferverbände umgesetzt. Soweit es sich um im Inland und Ausland lebende NS-Opfer, na- mentlich die Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, KZ-Häftlinge, Opfer von Menschenversuchen oder Insas- sen der NS-Arbeitserziehungslager, handelt, werden mit dieser Stiftung endlich auch Opfer umfasst, die als „ver- gessene“ oder bislang ausgegrenzte Opfer zu bezeichnen sind. Aber im Inland leben weitere Opfer, die entweder keine oder in den meisten Fällen keine zureichende Ent- schädigung erhalten haben, die sich mit geringfügigen Einmalzahlungen zufrieden geben mussten. Diese Opfer fallen zumeist nicht unter die Regelungen dieser Stiftung. In einzelnen Bereichen hat man ja in Deutschland in den letzten Jahren für bestimmte Betroffenengruppen nachgebessert. Ich nenne hier beispielhaft die Renten in Höhe von monatlich 500 DM, die jüdische Opfer mittler- weile im Rahmen des so genannten Artikel-2-Fonds er- halten können, wenn sie zuvor keine ausreichende Ent- schädigung erhalten haben. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2000 9639 (C) (D) (A) (B) Für andere Opfergruppen gibt es diese Grundrente aber bislang nicht oder allenfalls auf Landesebene In den letz- ten Wahlperioden haben Bündnis 90/Die Grünen und SPD deshalb darauf gedrängt, eine befriedigende bundesweite Lösung zu finden. Und deshalb ist dieses Projekt, eine zweite Bundesstiftung für die „vergessenen Opfer“ vor- zubereiten, auch in die Koalitionsvereinbarung aufge- nommen worden. Wir brauchen hier also keine Nachhilfe der PDS. Wir müssen nun schauen, welche Betroffenen tatsäch- lich unter das Stiftungsgesetz „Erinnerung, Verantwor- tung, Zukunft“ fallen werden und welche nicht. Das wis- sen wir erst nach Verabschiedung des Gesetzes im Bun- destag. Die Regierungsfraktionen haben sich deshalb darauf verständigt, über das zweite Projekt für die „ver- gessenen Opfer“ erst im Herbst in Detailgespräche einzu- treten. Die PDS fordert zudem die Anerkennung der Zwangs- sterilisierten und „Euthanasie“-Geschädigten als rassisch Verfolgte im Sinne des Bundesentschädigungsgesetzes und verbesserte Leistungen für diese. Ich muss zuerst da- rauf verweisen, dass der Begriff, den die PDS für die „Euthanasie“-Geschädigten wählt, sehr problematisch ist. Er schließt nämlich die aus, die das Tötungsprogramm selbst überlebt haben, und konzentriert sich allein auf die Angehörigen. Ansonsten greift die PDS wiederum allein die Forderung auf, die Bündnis 90/Die Grünen schon von jeher vertreten haben, zuletzt sogar mit einem eigenen Ge- setzentwurf zum NS-Aufhebungsgesetz, der das Ziel hatte, die Zwangssterilisierten als NS-Verfolgte anzuer- kennen. Die eigentlich komplizierte Frage ist aber die der Rechtsfolgen. Hier ist interessant, dass die PDS zwar die genannten Betroffenen als rassisch Verfolgte anerkennen will, für sie aber nicht wieder die Antragsfrist nach dem BEG öffnen will. Die Betroffenen sollen nach dem Willen der PDS auch nicht die regulären BEG-Leistungen, etwa für einen Berufsschaden, bekommen, sondern stattdessen eine einmalige Pauschalabfindung. Wenn die Fristen für das BEG aber nicht geöffnet werden, könnten die Betrof- fenen für den Gesundheitsschaden allein die Härteleis- tungen nach dem BEG erhalten. Diese wären aber nicht höher als die Härteleistungen, die die Zwangssterilisierten heute schon aufgrund des allgemeinen Kriegsfolgenge- setzes (AKG) bekommen. Damit wäre also nichts gewon- nen. Wenn man aber umgekehrt die Fristen zum BEG für die Zwangssterilisierten öffnen würde, müsste man das BEG auch für andere Betroffenengruppen öffnen, um keine neuen Ungerechtigkeiten zu schaffen. Das will aber die Mehrzahl der deutschen Verfolgtenverbände nicht und favorisiert – wie wir – eine unbürokratische Bundesstiftung. Und wenn die PDS den Zwangssterili- sierten und „Euthanasie“-Geschädigten eine Zusatzzah- lung von einmalig 10 000 DM zahlen will, wird sie den Militärjustizopfern, Homosexuellen und so genannten Asozialen, die vielleicht auch einen Berufsschaden erlit- ten haben, erklären müssen, warum sie nicht auch eine solche Leistung erhalten sollen. Mit einem Wort: Das Konzept der PDS ist undurchdacht und in sich wider- sprüchlich. Auch können wir nicht dem Anliegen der PDS zustimmen, „ausländische NS-Opfer (...) in gleicher Weise zu entschädigen wie jene, die deutsche Staatsbür- ger sind“. Dies hieße, das Regelwerk, das mit den Global- abkommen im Westen und Osten – und nun ergänzend mit der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung, Zukunft“ – be- schlossen wurde, in eine außerordentlich komplizierte Si- tuation zu bringen. Wir tun deshalb gut daran, unter Gesichtspunkten der Gleichbehandlung aller Opfer Verbesserungen für die „vergessenen Opfer“ im Rahmen unserer Debatte für eine zweite Bundesstiftung aufzugreifen. Wir haben auch nichts dagegen, in einem ersten Schritt schon Verbesse- rungen bei den jetzigen Härteregelungen vorzunehmen, wie dies von den Betroffenenverbänden gewünscht ist. Erstaunlicherweise tauchen diese im Forderungskatalog des PDS-Antrages aber nicht auf. Ich nenne beispielhaft eine Reform bei der Anrechnung des Familieneinkom- mens. Im Übrigen regen wir an, nachdem die Urteile der NS-Erbgesundheitsgerichte gegen die Zwangssterilisier- ten mittlerweile als NS-Unrecht gesetzlich aufgehoben wurden, durch eine Entschließung des Deutschen Bun- destages zu dokumentieren, dass wir als Parlament die „Euthanasie“-Geschädigten und Zwangssterilisierten als Verfolgte anerkennen und ihnen damit auch ihre Würde wiedergeben wollen. Rechtsfolgen im Sinne einer Öff- nung des BEG sind damit nicht zwingend verbunden. Dr. Max Stadler (F.D.P): Mit dem heute in erster Le- sung zu behandelnden Antrag wird die Regierungskoali- tion zu Recht daran erinnert, dass sie in der Koalitions- vereinbarung eine Entschädigungsregelung für die so ge- nannten vergessenen NS-Opfer versprochen hat. Eine Koalitionsvereinbarung geht in ihrer Wirkung weit über das hinaus, was von Parteien beispielsweise in Wahlprogrammen angekündigt wird. Eine Koalitionsver- einbarung ist das Programm, das die Koalitionspartner mit bindender Wirkung vertraglich verabreden. Damit verpflichten sich die Koalitionspartner nicht nur im Ver- hältnis zueinander, sondern sie wecken in der Öffentlich- keit und insbesondere bei den Betroffenen die sichere Er- wartung, das Vereinbarte werde auch realisiert. Diese Hoffnung ist jedoch von SPD und Bündnis 90/ Die Grünen bisher nicht erfüllt worden. Von einer Lösung der Problematik der so genannten vergessenen Opfer war in den letzten 18 Monaten keine Rede mehr. Damit zeigt sich wieder einmal, dass es offenkundig leichter ist, aus der Oppositionsrolle heraus Anträge zu stellen, als in ei- ner Regierung gegebene Versprechen einzuhalten. Denn sowohl von der SPD als auch den Grünen sind in der Ver- gangenheit wiederholt Anträge auf Errichtung von Stif- tungen zur Entschädigung von NS-Unrecht gestellt wor- den. Die Regierungsfraktionen werden aufgrund des vorlie- genden Antrags Auskunft darüber geben müssen, warum sie nun für die „vergessenen Opfer“ nichts tun. Dabei hat die F.D.P.-Fraktion durchaus Verständnis für eine Argu- mentation, die auf die vorrangige Lösung der Zwangsar- beiterproblematik verweist. Das Gesetz zur Errichtung ei- ner Bundesstiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zu- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 20009640 (C) (D) (A) (B) kunft“ ist ja soeben von allen Fraktionen gemeinsam im Bundestag eingebracht worden. Das gemeinsame gesetz- geberische Bemühen muss sich jetzt darauf konzentrie- ren, dieses Stiftungsgesetz noch vor der Sommerpause zu verabschieden, damit eine humanitäre Geste in Form von finanziellen Zuwendungen an die Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen geleistet werden kann. Die Zwangsarbeiter-„Entschädigung“ stellt ohne Zweifel für die öffentliche Hand einen finanziellen Kraft- akt dar. Es ist verständlich, wenn nicht zeitgleich weitere finanzielle Leistungen für andere Opfergruppen beschlos- sen werden können. Dies hätte allerdings SPD und Grü- nen schon bei Abschluss ihrer Koalitionsvereinbarung klar sein müssen. Entscheidend dafür, dass das Thema von der Regie- rungskoalition hinten angestellt wird, ist aber offenkundig ein Dissens zwischen den Regierungsfraktionen. Daher wird die F.D.P. in den Ausschussberatungen genau nach- fragen, ob denn von der neuen Regierungskoalition nun doch wieder die stets vom Bundesfinanzministerium ver- tretene Auffassung übernommen wird, wonach gar keine Notwendigkeit für neue Entschädigungsregelungen be- stehe. Zu vermuten ist, dass diese traditionelle Haltung des Bundesfinanzministeriums weiterhin bei der SPD Sympathie genießt, von den Grünen jedoch abgelehnt wird. Wenn sich dieser Dissens herausstellen sollte, wäre es allerdings nicht verwunderlich, dass sich die Koaliti- onsvereinbarung in diesem Punkt als unerfüllbares Ver- sprechen erweist. Dr. Ilja Seifert (PDS): Erst vor wenigen Wochen hat der Bundestag mit großer Mehrheit beschlossen, die Bun- desstiftung „Entschädigung für NS-Zwangsarbeit“ zu gründen. 55 Jahre mussten vergehen, um die Entschädi- gung der vom Naziregime und seinen Helfern ausgebeu- teten Arbeitssklaven endlich zu regeln. Aber der Skandal dauert fort; denn noch immer versuchen deutsche Unter- nehmen, sich vor einer Beteiligung an der Entschädigung der Zwangsarbeiter vorbeizudrücken. Und noch immer gibt es die so genannten „vergesse- nen“ Opfer, die überwiegend keine oder sehr geringe Ent- schädigungsleistungen erhielten. Homosexuelle, Zwangssterilisierte und „Euthanasie“- Geschädigte, Sinti und Roma, so genannte Asoziale und andere gehören ebenso dazu wie solche, die in den Zeiten des Kalten Krieges von Leistungen des Bundesentschädi- gungsgesetzes gezielt ausgeschlossen wurden. In ihrer Koalitionsvereinbarung hatten SPD und Bünd- nis 90/Die Grünen vorgesehen, eine entsprechende Bun- desstiftung „Entschädigung für NS-Unrecht“ zu gründen und die Entschädigung auf den Weg zu bringen. Da die Regierungsfraktionen bisher keinen Gesetzentwurf vor- gelegt haben, um die Koalitionsvereinbarung in diesem Punkt zu realisieren, hat die PDS Ende 1999 den heute zu behandelnden Antrag eingebracht. Nachdem bald zwei Jahre seit den letzten Bundestags- wahlen vergangen sind und jeden Monat Überlebende des Naziterrors sterben, ist es nicht länger hinnehmbar, dass Opfern eine umfassende moralische und finanzielle Ent- schädigung versagt bleibt. Dabei geht es nicht nur um diese Opfer, sondern auch um die Glaubwürdigkeit so vie- ler Bekenntnisse aus allen Bundestagsparteien, dass Rechtsextremismus und Neonazismus in der Gesellschaft der Bundesrepublik nicht toleriert werden dürfen. Erinnern und nicht vergessen heißt eben auch, den Überlebenden des Naziterrors mit Würde zu begegnen und sie – wie leider in vielen Fällen üblich – nicht in Äm- tern fragwürdigen Bedürftigkeitsprüfungen zu unterwer- fen, um ihnen dann in „Notsituationen“ eine bescheidene finanzielle Hilfe zu gewähren. Exemplarisch für die so genannten „vergessenen“ Op- fer stehen die NS-Opfer der Zwangssterilisation und der „Euthanasie“. Frühzeitig, gleich nach ihrem Machtantritt, erließ die Nazi-Führung das „Gesetz zur Verhütung erb- kranken Nachwuchses“, dessen juristische Begründung auf der nationalsozialistischen Rassendoktrin und -politik beruhte. Es war eines der ersten Massenvernichtungsge- setze der Nazis und Grundlage für die nachfolgenden Mordaktionen zur Vernichtung so genannten „unwerten Lebens“. Unter missbräuchlicher Nutzung des Begriffs Euthana- sie wurden mehr als 200 000 kranke und behinderte Men- schen ermordet – zumeist in systematischen Tötungsak- tionen, für die ab 1939 die „Aktion T 4“ stand. Noch heute wird deutlich, dass Hadamar, Bernburg, Sonnenstein, Grafeneck und Hartheim viele weitere Ortsnamen hinzu- zufügen wären, an denen ebenfalls unentschuldbare „Eu- thanasie“-Verbrechen begangen wurden. Gerade nach den jüngsten Diskussionen in Jena und Stadtroda sage ich un- missverständlich, dass „Euthanasie“-Verbrechen ohne Wenn und Aber als solche benannt werden müssen und nicht verharmlost werden dürfen. Zur rassistisch begründeten Verfolgung gehörten auch die verbrecherischen Zwangssterilisationen, die ab 1933 an etwa 400 000Menschen begangen wurden. In der Bun- desrepublik leben heute noch etwa 20 000 Opfer der NS- Zwangssterilisationen sowie circa 7 000 bis 8 000 „Eut- hanasie“-Geschädigte. Trotz der Härteleistungen und Aufhebung nationalso- zialistischer Unrechtsurteile bleibt festzuhalten: Eine an- gemessene finanzielle Entschädigung und eine klare An- erkennung der Opfer als Verfolgte stehen nach wie vor aus. Die PDS fordert in ihrem Antrag ausdrücklich, die Bundesstiftung „Entschädigung für NS-Unrecht“ für alle so genannten „vergessenen“ Opfer unverzüglich zu grün- den und im Rahmen dieser Stiftung „für eine angemes- sene Entschädigung aller bisher nicht oder nur unzurei- chend berücksichtigten NS-Opfer Sorge zu tragen“. Beispielhaft, aber durchaus auf andere Opfergruppen anwendbar, sind im Antrag der PDS speziell für „Eu- thanasie“-Geschädigte und Zwangssterilisierte Wege der Entschädigung aufgezeigt worden. Dabei geht es um zwei Kernfragen: Erstens. Die be- troffenen Opfer werden als Verfolgte anerkannt, denen ein Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 2000 9641 (C) (D) (A) (B) juristischer und moralischer Anspruch auf Entschädigung zusteht. Zweitens. Als Wiedergutmachung erhalten die Opfer eine einmalige Entschädigung von 10 000 DM innerhalb von 12 Monaten nach Verabschiedung des Gesetzes, un- abhängig von bisher gezahlten Beihilfen oder eventuellen früheren Verzichtserklärungen, unabhängig von den Ein- kommens- undVermögensverhältnissen derOpfer undmit geringstmöglichemAntrags- und Verwaltungsaufwand. Wieso können diese relativ einfachen Regelungen für eine sehr begrenzte Anzahl von Opfern des NS-Regimes nicht endlich in entsprechende gesetzliche Regelungen umgesetzt werden? Was hindert die Bundesregierung da- ran, endlich zu ihrem Wort zu stehen? Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Mai 20009642 (C)(A) Druck: MuK. Medien-und Kommunikations GmbH, Berlin
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Gerhard Schröder


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident!
    Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zweifel sind
    nicht mehr erlaubt: Es gibt in Deutschland einen kräftigen
    Wirtschaftsaufschwung, und zwar einen Aufschwung, der




    Präsident Wolfgang Thierse
    9484


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    alle Branchen erfasst hat, den Export gleichermaßen wie
    den Binnenmarkt. Das weisen die Wachstumszahlen aus,
    die wir zu erwarten haben. Alle Institute rechnen mit ei-
    nem wirtschaftlichen Wachstum für dieses Jahr in Höhe
    von 2,8 Prozent sowie mit einem ebenso hohen im nächs-
    ten Jahr. Die Europäische Kommission und der Interna-
    tionale Währungsfonds halten sogar ein darüber hinaus-
    reichendes Wachstum für möglich. Fazit: Wir haben in
    diesem Land die Chance, die erste Dekade des neuen Jahr-
    hunderts zu einer Dekade der wirtschaftlichen Vernunft
    und des sozialen Ausgleichs zu machen. Wir werden diese
    Chance nutzen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Aber es sind nicht nur kühle Zahlen über wirtschaftli-
    ches Wachstum, die beeindrucken – übrigens nicht nur in
    Deutschland, sondern auch international. Wir können
    vielmehr mit großer Freude feststellen, dass das Wachs-
    tum, dass der Aufschwung inzwischen auch den Arbeits-
    markt erreicht hat. Das weisen die Zahlen ebenso klar aus.
    Die Arbeitslosenzahlen sind im April dieses Jahres ge-
    genüber dem April des Vorjahres um exakt 156 000
    zurückgegangen. Wir sind unter der 4-Millionen-Grenze.
    Wir haben alle Chancen – so die wirtschaftswissenschaft-
    lichen Institute, so andere Institutionen, die sich mit die-
    sen Fragen befassen –, am Ende dieser Legislaturperiode
    weniger als 3,5 Millionen Arbeitslose zu haben. Ich halte
    das für den zentralen Erfolg der deutschen Politik.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Der Opposition, die gelegentlich daran erinnert, dass
    das mit der Politik in diesem Land nichts zu tun habe, sei
    übrigens gesagt


    (Friedrich Merz [CDU/CSU]: Das ist wohl wahr!)


    – das ist sehr interessant –, dass während der ganzen 90er-
    Jahre, dass während der ganzen Zeit, in der Sie regierten,
    die Zahl der Arbeitslosen deutlich über 4 Millionen lag
    und während nicht unerheblicher Teile der 90er-Jahre so-
    gar an die 5-Millionen-Grenze herankam.


    (Dr. Peter Struck [SPD]: Sehr richtig!)

    Jetzt sind wir bei unter 4 Millionen. Wir werden diesen
    Weg konsequent und entschlossen weitergehen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Für mich besonders erfreulich ist der Rückgang der
    Jugendarbeitslosigkeit. Wir hatten 1999 im Vergleich zu
    1998 über das Jahr hinweg einen Rückgang der Jugend-
    arbeitslosigkeit um mehr als 9 Prozent. Wir haben für
    April dieses Jahres, verglichen mit dem Monat März, ei-
    nen Rückgang der Arbeitslosenquote bei Jugendlichen
    um 1,8 Prozent. Wir haben die Jugendarbeitslosigkeit,
    verglichen mit dem Rückgang der allgemeinen Arbeitslo-
    sigkeit, um mehr als das Doppelte verringern können. Das
    ist ein zentraler Erfolg der Politik unserer Regierung, der
    Politik der rot-grünen Koalition.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Ich erinnere mich noch ganz gut an die Debatte über
    das Sofortprogramm der Bundesregierung hier in diesem
    Hohen Hause, in der uns quasi vorgeworfen worden ist,
    dass wir auch mit staatlichen Maßnahmen dafür sorgen
    wollen und werden, dass die Jugendarbeitslosigkeit in
    Deutschland zurückgeht. Was für ein Vorwurf meine Da-
    men und Herren! Wir haben es geschafft, den Jugendli-
    chen endlich wieder eine Perspektive zu geben. Das ist
    nicht nur Arbeitsmarktpolitik, das ist Gesellschaftspolitik
    par excellence.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Wir werden diesen Weg konsequent weitergehen; denn
    wir wissen, dass in vielen wichtigen Bereichen, vor allen
    Dingen im Osten unseres Landes, noch zu wenig betrieb-
    liche Ausbildungsplätze zur Verfügung stehen. Dies ist
    übrigens nicht deshalb so, weil die meisten Unternehmen
    dort in puncto Ausbildung Drückeberger wären, sondern
    vor allen Dingen deshalb, weil es dort weniger Betriebe
    gibt. Im Vergleich zum westdeutschen Durchschnitt gibt
    es etwa im Mittelstand deutlich weniger Betriebe als bei
    uns. Hierin liegt einer der zentralen Gründe, warum wir
    bei der Bereitstellung von betrieblichen Ausbildungs-
    plätzen im Osten des Landes noch mehr Probleme haben
    als im Westen des Landes; denn im Westen haben wir in
    gemeinsamer Anstrengung des Bündnisses für Arbeit in
    weiten Bereichen bereits eine ausgeglichene Situation
    zwischen dem Angebot an Ausbildungsplätzen und der
    Nachfrage nach solchen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Wir müssen deshalb insbesondere im Osten unseres
    Landes, in den neuen Bundesländern, mit den bisher rea-
    lisierten Programmen weitermachen, um den Jugendli-
    chen auch dort so weit wie möglich eine Perspektive im
    eigenen Land, in der eigenen Region zu geben. Das ist
    Kern unserer Anstrengungen, und wir werden nicht nach-
    lassen, auf diesem Weg fortzufahren.

    Meine Damen und Herren, das, was ich eben über wirt-
    schaftliches Wachstum und den Arbeitsmarkt gesagt habe,
    vollzieht sich in einer fast inflationsfreien Situation.


    (Michael Glos [CDU/CSU]: Warten wir es ab!)


    Übrigens: All diejenigen, die seinerzeit befürchtet haben,
    die dramatisch gestiegenen Rohölpreise und die
    Schwäche des Außenwerts – ich betone: des Außen-
    werts – des Euro würden zu massiven Inflationsschüben
    im Inneren der Bundesrepublik führen, haben sich
    getäuscht.


    (Beifall bei der SPD)

    Im April dieses Jahres war eine Inflationsrate von 1,5
    Prozent – ich unterstreiche: 1,5 Prozent – zu verzeichnen,
    während sie im März noch bei exakt 1,9 Prozent lag. Sie
    sehen also: Die Befürchtungen, die übrigens gelegentlich
    insbesondere von denen ausgesprochen worden sind, die




    Bundeskanzler Gerhard Schröder

    9485


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    die Frage des Euro noch als eine Frage von Leben und Tod
    in Europa bezeichnet haben, sind irreal.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Ich will dazu gleich ein paar Bemerkungen machen.

    Die positiven Wachstumsraten und die Tatsache, dass wir
    über Inflation im Euroland Gott sei Dank nicht zu reden
    brauchen, macht die Kraft der europäischen Volkswirt-
    schaften, jener Volkswirtschaften, die den Euro-Raum bil-
    den, deutlich. Diese Kraft der Volkswirtschaften und die
    Wachstumserwartungen, die wir nicht nur in Deutschland,
    sondern die wir im Euroland insgesamt haben, machen die
    Stärke der europäischen Währung aus. Deshalb ist es
    keine Gesundbeterei, wenn man darauf hinweist, sondern
    ökonomische Einsicht, und sie ist richtig. Es ist auch ver-
    nünftig, darauf hinzuweisen und keine Angstmacherei mit
    diesem Tatbestand zu betreiben.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Im Übrigen – auch das gehört zu den ja doch verfüg-
    baren Einsichtsmöglichkeiten – habe ich mir einmal die
    Exportquote von Bayern geben lassen.


    (Heiterkeit bei der SPD)

    Das ist eine ganz interessante Zahl, weil man von einem
    dort amtierenden Ministerpräsidenten ja gelegentlich
    Sprüche hört, die so klingen, als hätten seine Partei und
    sein früherer Parteivorsitzender mit der Einführung des
    Euro nichts, aber auch nicht das Geringste zu tun.


    (Ruprecht Polenz [CDU/CSU]: Nennen Sie doch mal die Exportquote von Nordrhein-Westfalen!)


    Das hat er ja auch nicht, oder? – Ich habe es immer anders
    verstanden.

    Die Exportquote in Bayern beträgt ungefähr 37 Pro-
    zent.


    (Michael Glos [CDU/CSU]: Das ist doch gut, oder?)


    Es fehlt euch noch ein bisschen, um auf 38 Prozent zu
    kommen. Sie ist übrigens fast exakt so hoch wie die in den
    meisten anderen Bundesländern und fast genauso hoch
    wie die von Niedersachsen.


    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

    Das hat natürlich mit dem Auto zu tun; das ist ja keine
    Frage.


    (Michael Glos [CDU/CSU]: Mit BMW!)

    – Nein, nicht BMWmeine ich jetzt, sondern Volkswagen,
    Herr Glos.


    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD – Michael Glos [CDU/CSU]: Auf diese Idee bin ich nicht gekommen!)


    Rund 30 Prozent aller deutschen Industriearbeitsplätze
    hängen vom Export ab. Aber es ist die Auffassung all der-
    jenigen, die wirklich Wirtschaft praktizieren, dass wir uns
    trotz der Schwäche des Euro, und zwar ausschließlich in
    der Parität zum Dollar, deswegen keine großen Sorgen

    machen müssen, weil die Stärke der Währung unbezwei-
    felbar da ist. Ferner brauchen wir angesichts der Siche-
    rung der Arbeitsplätze im Export nicht unbedingt zu wei-
    nen, wenn es der deutschen Exportwirtschaft zulasten an-
    derer besser geht. Denn wir hatten schon einmal andere
    Zeiten: Als die DM-Dollar-Parität bei 1,35 DM und dar-
    unter lag, hatten wir Grund, über den Außenwert zu wei-
    nen, weil wir enorme Schwierigkeiten beim Export hat-
    ten. Mir kommt es darauf an, allen Menschen in diesem
    Land zu sagen: Die Stärke einer Währung bemisst sich
    nach der Kraft der dahinter stehenden Volkswirtschaften.
    Der Außenwert dieser Währung wird sich dieser Kraft an-
    gleichen. Davon bin ich fest überzeugt. Bis dahin lasst uns
    ein bisschen Freude daran haben, dass es unserer Export-
    wirtschaft so gut geht, meine Damen und Herren!


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Ich stelle mir gelegentlich vor, welche Reden in diesem
    Haus gehalten würden, wenn die Machtverhältnisse um-
    gekehrt wären. Mit Zahlen, die nur ein Zehntel der jetzi-
    gen betragen würden, würden Sie einen Tanz um das gol-
    dene Kalb aufführen; davon bin ich fest überzeugt.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)


    Als die Wachstumserwartungen für 1998 und 1999
    nicht so glanzvoll waren, wie wir sie gerne gehabt hätten,
    hat die Opposition gesagt, dass das natürlich an der Re-
    gierung liegt. Jetzt habe ich eine Stellungnahme – ich
    glaube, von Frau Merkel – gelesen, in der steht, jetzt, wo
    die Wachstumsraten nach oben gehen, liegt es natürlich
    nicht an der Regierung. Das überrascht mich.


    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Trotz der Regierung!)


    Frau Merkel, das ist Politik nach dem Motto: Wenn in
    Deutschland die Sonne lacht, hat es die CDU gemacht.
    Gibt es winters Eis und Schnee, war es die böse SPD.


    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS – Michael Glos [CDU/CSU]: Die Stunde der Komödianten!)


    So kann man es doch nicht machen.
    Meine Damen und Herren, die Tatsache, dass wir eine

    Situation in Deutschland haben, die im Vergleich zu dem,
    was wir im letzten Jahrzehnt der früheren Regierung er-
    lebt haben, glanzvoll ist, hat etwas mit den Ansätzen zu
    tun, die wir gemacht haben und die zum Teil bereits in das
    Gesetzblatt Eingang gefunden haben. Das hat zum Bei-
    spiel mit der Steuerreform zu tun, die der Bundesfinanz-
    minister auf den Weg gebracht hat und die zu großen Tei-
    len bereits durchgesetzt ist und weiter durchgesetzt wer-
    den wird. Das hat mit der Tatsache zu tun, dass wir uns
    nicht auf einen fruchtlosen Streit eingelassen haben, wel-
    ches der richtige Weg in der Wirtschafts- und Finanzpoli-
    tik sei: Angebots- oder Nachfrageorientierung. Diese Si-
    tuation gäbe es, wenn wir nicht beides gemacht hätten, in
    Deutschland nicht.




    Bundeskanzler Gerhard Schröder
    9486


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    Wir haben mit den ersten Maßnahmen, mit dem Steu-
    erentlastungsgesetz, angesichts damaliger konjunktureller
    Schwäche auf dem Binnenmarkt massiv für zugeführte
    Kaufkraft bei den durchschnittlich Verdienenden in die-
    sem Land gesorgt. Es hat nicht nur soziale Gründe, dass
    wir Entlastungen in großem Umfang gemacht haben.
    Nein, es entsprang auch der ökonomischen Einsicht, dass
    es sinnvoll ist, die Nachfrage zu mobilisieren, da kon-
    junkturelle Erwartungen auf dem Binnenmarkt noch nicht
    so realisiert werden konnten, wie wir es uns wünschten.
    Deshalb ging es uns immer um wirtschaftliche Vernunft
    und sozialen Ausgleich, wenn wir dafür gesorgt haben,
    dass die breiten Schichten der arbeitenden Bevölkerung in
    diesem Land von dem, was sie brutto verdienen, netto
    mehr übrig haben. Das ist der Kern unserer Politik.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Das war auch der Grund, warum wir das Kindergeld
    kräftig erhöht haben, während Sie nur herumgeredet ha-
    ben. Wir haben das Kindergeld in mehreren Schritten um
    50 DM pro Kind erhöht. Es sind die größten Sprünge, die
    beim Kindergeld in der Geschichte der Bundesrepublik
    gemacht worden sind. Das war wirtschaftlich vernünftig
    und sozial gerecht.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Das wird jetzt weitergehen. Wir befassen uns nun mit
    der Angebotsseite. Die Beschlüsse des Finanzausschusses
    sind gefasst. In der nächsten Woche wird, soweit ich es
    mitbekommen habe, die Mehrheit im Deutschen Bundes-
    tag dafür sorgen, dass das eichelsche Unternehmenssteu-
    erkonzept Gesetz werden wird.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Es ist auch nötig, dass es Gesetz wird; denn damit
    nehmen wir die von uns beabsichtigte Stärkung der An-
    gebotsseite vor. Das soll den Unternehmen in Deutsch-
    land bessere Möglichkeiten geben. Sie sehen ja, dass das
    greift. Wenn ich „bessere Möglichkeiten für Unterneh-
    men“ sage, meine ich schlicht, dass wir jene Gewinne, die
    in Deutschland gemacht werden und die bei uns in
    Arbeitsplätze investiert werden, steuerlich besser stellen
    wollen als jene Gewinne, die nach Luxemburg oder
    Liechtenstein transferiert werden. Ich weiß gar nicht, was
    daran falsch sein soll.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Das ist der Kern des eichelschen Konzepts. Das wird
    durchgesetzt.

    Wir werden mit dem Pfusch jährlicher Steuergesetze
    aufhören, weil diese zu völliger Unkalkulierbarkeit bei
    den Investoren, aber auch bei den Verbrauchern geführt
    haben. Das ist der Grund, warum Hans Eichel eine Kon-
    zeption vorgelegt hat, die bis zum Jahr 2005 tragen wird.
    Wir brauchen die Kalkulierbarkeit für Investoren.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Kern dessen, worum es uns geht, ist, eine im interna-
    tionalen und auch im europäischen Wettbewerb ver-
    gleichbare Unternehmensbesteuerung zu schaffen. Diese
    wird durchgesetzt. Wir, das heißt, die staatliche Ebene,
    werden uns mit einem Körperschaftsteuersatz von
    25 Prozent begnügen. Wir räumen den Personengesell-
    schaften – soweit sie es wollen – eine Optionsmöglichkeit
    ein, ohne Körperschaften werden zu müssen.

    All denjenigen, die fragen: Was macht Ihr denn bei der
    Einkommensteuer?, möchte ich ein paar nüchterne Zah-
    len entgegenhalten, mit denen sich zum Beispiel bewei-
    sen lässt, dass durch eine weitere Senkung des Spitzen-
    steuersatzes, die immer wieder gefordert wird, alle mög-
    lichen Gruppen entlastet werden, aber jedenfalls nicht die
    hart arbeitenden Mittelständler in diesem Land.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)


    Nach den Zahlen, die mir vorliegen, haben 78 Prozent de-
    rer, die über gewerbliche Einkommen verfügen, also die
    klassischen Mittelständler, ein zu versteuerndes Einkom-
    men – ich betone: ein zu versteuerndes Einkommen; Sie
    müssen natürlich die Freibeträge einrechnen; ansonsten
    ist es arg wenig – von unter 100 000 DM. Diesen Men-
    schen, also 78 Prozent derer, auf die Sie sich immer beru-
    fen, helfen Sie doch nicht mit der Reduzierung des Spit-
    zensteuersatzes. Die Einkommen dieser Menschen sind
    doch gar nicht so hoch, dass sie auch nur in die Nähe des
    Spitzensteuersatzes kommen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Auf den Weg, den Hans Eichel beschritten hat – Ein-
    gangssteuersatz senken, bei der Progression etwas tun und
    bei der Gewerbesteueranrechnung in doppelter Weise
    hilfreich sein –, sind die meisten Mittelständler angewie-
    sen. Sie machen dagegen Politik für vielleicht 5 Prozent
    des Mittelstandes, aber nicht für mehr. Darüber müssen
    Sie sich im Klaren sein.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)


    Die Politik, die wir machen, für die der Bundesfinanzmi-
    nister steht und für die er sich übrigens große Zustimmung
    bei den Deutschen erworben hat, und zwar völlig zu
    Recht, wird unbeirrt Schritt für Schritt fortgesetzt werden.

    Ich kann an die Adresse der Mehrheit im Bundesrat, an
    die unionsgeführten Länder, nur warnend sagen: Derje-
    nige, der alle nasenlang ankündigt: „Wenn Ihr nicht deut-
    lich mit dem Spitzensteuersatz runtergeht, dann werden
    wir die eichelsche Steuerreform blockieren“, der blockiert
    den Aufschwung, der blockiert den Abbau der Arbeitslo-
    sigkeit und der blockiert die Chancen für die jungen Leute
    in unserem Land. Das werden wir Ihnen jeden Tag deut-
    lich machen. Dann werden wir sehen, was passiert.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der CDU/CSU – Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Hetzer! Hetzer!)





    Bundeskanzler Gerhard Schröder

    9487


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    Das dritte Element, mit dem wir die Rahmenbedingun-
    gen verbessert haben, ist das Bündnis für Arbeit. Ich
    habe die Häme, besonders Ihre, Herr Brüderle, noch im
    Ohr, mit der Sie sich über dieses Bündnis geäußert haben.
    Sie hatten wohl die Hoffnung, dass das Bündnis platzen
    würde. Aber solche Hoffnungen sind Hoffnungen gegen
    die Menschen in unserem Land. Das müssen Sie sich klar-
    machen. Sie mögen parteipolitisch motiviert sein. Aber
    sie haben mit den Interessen der Menschen in diesem
    Land nicht das Geringste zu tun.


    (Beifall bei der SPD)

    Als wir dann, weil wir vernünftige Gesprächspartner

    gefunden hatten, eine Tarifrunde in den wichtigsten Bran-
    chen dieses Landes, die den Aufschwung und den Abbau
    der Arbeitslosigkeit unterstützt, zustande gebracht haben,
    hätten Sie wenigstens einmal sagen können: Das haben
    Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände unter der Stab-
    führung der Bundesregierung gut gemacht. Aber diese
    Größe hatten Sie nicht.


    (Beifall bei der SPD)

    Sie sollten sie sich erwerben, wenn Sie wieder etwas zu
    sagen haben wollen.

    Im Bündnis für Arbeit haben wir nicht nur einen Aus-
    bildungskonsens hergestellt;


    (Michael Glos [CDU/CSU]: Schöne Tarifautonomie!)


    vielmehr haben wir durch Diskussionen dafür gesorgt,
    dass von den gesellschaftlichen Kräften – es geht um Be-
    reiche, in denen die Bundesregierung eben nicht autonom
    handeln kann – jener Kurs, für den diese Bundesregierung
    und diese Koalitionsmehrheit stehen, offensiv unterstützt
    worden ist. Das ist eine Leistung, die man nicht klein
    schreiben sollte; denn sie ist in diesem Land leider nicht
    selbstverständlich; sie musste erarbeitet werden.

    Wir werden im Bündnis für Arbeit in den nächsten Mo-
    naten an den Punkten Ausbildung und – vor allen Din-
    gen – Weiterbildung weiterarbeiten. Hinzu kommt eine –
    Gott sei Dank – wachsende Volkswirtschaft. Die Arbeit
    daran wird diesmal hoffentlich mit Unterstützung des
    ganzen Hauses getan. Aber die Frage, die wir noch nicht
    beantwortet haben, lautet: Welche gesellschaftlichen
    Gruppen profitieren von dieser wachsenden Volkswirt-
    schaft? Wir müssen im Bündnis für Arbeit und später dann
    auch hier nicht nur darüber reden, sondern auch Rahmen-
    bedingungen dafür schaffen, dass breite Schichten der ar-
    beitenden Bevölkerung am Wachsen des Kapitalstocks
    unserer Volkswirtschaft gerecht beteiligt werden. Das ist
    unsere große Aufgabe.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Ich denke, damit ist der wirtschafts- und finanzpoliti-
    sche Dreiklang unserer Politik deutlich geworden. Das
    erste Element besteht in einer wachstums- und beschäfti-
    gungsorientierten Steuerpolitik und in einer ebensolchen
    Abgabenpolitik. Ich möchte einmal daran erinnern, dass
    beispielsweise die Beiträge zur Rentenversicherung nach
    jahrelangem Anstieg gesunken sind, seit wir regieren. Das
    ist für die Betriebe, zumal für die lohnintensiven, außer-

    ordentlich viel wert. Das sollte man einmal zur Kenntnis
    nehmen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Runtersubventioniert!)


    Man sollte auch zur Kenntnis nehmen, dass der Ver-
    such der Konsensbildung über das Bündnis für Arbeit –
    das zweite Element dieser Politik – richtig und wichtig ist.
    Dasselbe gilt für das dritte Element dieser Politik – ich
    nehme an, der Bundesfinanzminister wird sich in der De-
    batte noch dazu äußern –, nämlich die Konsolidierung
    des Haushalts.Dies gilt angesichts der Tatsache, dass Sie
    uns 1,5 Billionen DM Schulden hinterlassen haben, für
    die wir jedes Jahr 82 Milliarden DM Zinsen zahlen müs-
    sen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Diese Politik ist übrigens nicht nur im nationalen Maß-
    stab außerordentlich wichtig; vielmehr trägt die eichel-
    sche Konsolidierungspolitik dazu bei, dass die Europä-
    ische Zentralbank, die ja in eigener Verantwortung han-
    delt, ein für uns so wichtiges, weil wachstumsfreund-
    liches Zinsniveau aufrechterhalten kann. Ich gehe davon
    aus, dass das auch in Zukunft gelingt. Aber die unabding-
    bare Voraussetzung dafür, dass das gelingt, ist die Konso-
    lidierungspolitik des Bundesfinanzministers. Deswegen
    unterstreiche ich auch hier: All denjenigen, die bereits
    jetzt darüber reden, dass man vielleicht zu erzielende Ein-
    nahmen – woraus auch immer – zur weiteren Absenkung
    des Spitzensteuersatzes nutzen könnte, sage ich: Größe-
    ren Unsinn kann man wirtschaftspolitisch nun wirklich
    nicht anrichten.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)


    Diese Einnahmen gehören – ich erinnere an die Größe-
    nordnung unserer Schulden – in die Schuldentilgung.
    Wenn das geschehen ist, kann man darüber reden – das
    wäre eine vernünftige Diskussion –, ob diejenigen
    Zinsaufwendungen, die dann nicht mehr nötig sind, für
    zukunftsgerichtete Investitionen verfügbar gemacht wer-
    den können. Nur so herum geht es. Wir können nicht be-
    reits verteilen, was wir noch gar nicht in der Tasche ha-
    ben.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Ich mache deutlich: Der Weg, den wir gegangen sind,
    ein Weg wirtschaftlicher Vernunft und sozialer Gerech-
    tigkeit, führt zu sichtbaren Erfolgen, was das wirtschaftli-
    che Wachstum angeht, er führt zu sichtbaren Erfolgen,
    was den Arbeitsmarkt angeht. Deswegen werden wir die-
    sen Weg weitergehen, meine Damen und Herren, fest und
    entschlossen. Sie können und Sie sollten ihn kritisch be-
    gleiten, aber auf keinen Fall sollten Sie ihn blockieren,
    wenn Sie wirklich an Deutschlands Interessen und nicht
    nur an Parteipolitik denken.


    (Anhaltender Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)





    Bundeskanzler Gerhard Schröder
    9488


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)




Rede von Dr. h.c. Wolfgang Thierse
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Ich erteile nun dem
Kollegen Friedrich Merz, Vorsitzender der CDU/CSU-
Fraktion, das Wort.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Friedrich Merz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine
    Damen und Herren! In der Tagesordnung für die heutige
    Sitzung des Deutschen Bundestages steht „Abgabe einer
    Erklärung der Bundesregierung“. Streckenweise habe ich
    gedacht, es sei eher eine Kasperade, die hier abgehalten
    wird.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. – Lachen bei der SPD)


    Der Titel dieser Regierungserklärung, meine Damen
    und Herren, lautet: „Deutschland im Aufbruch – Moderne
    Wirtschaftspolitik für neue Arbeitsplätze“. Dieser Titel al-
    lein täuscht über die wahre Lage der Volkswirtschaft
    und des Arbeitsmarktes der Bundesrepublik Deutsch-
    land hinweg. Deutschland ist nicht im Aufbruch, es gibt
    auch keine moderne Wirtschaftspolitik und, Herr Bundes-
    kanzler, wir sind von neuen Arbeitsplätzen in Deutschland
    nun wirklich weit entfernt.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Sie berufen sich immer wieder und auch heute Morgen

    auf den Rückgang der Arbeitslosigkeit. Herr Bundes-
    kanzler, der Rückgang der Arbeitslosigkeit in der Bun-
    desrepublik Deutschland – Sie wissen das – ist im We-
    sentlichen statistisch begründet. Er ist im Wesentlichen
    eingetreten und er wird sich fortsetzen, selbst wenn Sie
    sich mit Ihrer ganzen Regierung entschließen sollten, bis
    zum Ende dieser Legislaturperiode in die Toscana zu rei-
    sen,


    (Peter Hintze [CDU/CSU]: Das wäre das Beste!)


    allein aus Gründen, die im Bevölkerungsaufbau, in der so
    genannten demographischen Entwicklung der Bevölke-
    rung der Bundesrepublik Deutschland liegen.


    (Widerspruch bei der SPD)

    Es scheiden nämlich sehr viel mehr ältere Beschäftigte
    aus dem Arbeitsmarkt aus, als jüngere Beschäftigte in den
    Arbeitsmarkt nachwachsen. Ihre ganze Hoffnung, Herr
    Bundeskanzler, richtet sich darauf, dass ältere Arbeitslose
    zu Rentnern werden, und nicht darauf, dass jüngere Ar-
    beitslose zu Beschäftigten werden. Das ist die Wahrheit.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Sie haben ganz offensichtlich aus erkennbaren Gründen

    darauf verzichtet, einen europäischen Vergleich über die
    Entwicklung auf den Arbeitsmärkten anzustellen. Herr
    Bundeskanzler, die Entwicklung des Arbeitsmarktes in der
    Bundesrepublik Deutschland ist im Jahre 1999 praktisch
    zum Stillstand gekommen. Es hat in Deutschland keine
    neuen Beschäftigten, keine zusätzlichen Arbeitsplätze ge-
    geben. Wir haben bei den Beschäftigten gerade einmal ein
    Wachstum von 0,2 Prozent gehabt. Das sind im Jahres-
    durchschnitt etwa 30 000 zusätzliche Beschäftigte. Hätten
    wir den europäischen Durchschnitt – nur den europäischen

    Durchschnitt! – im Zuwachs von Beschäftigung erreicht, –
    nicht bei der Statistik der Arbeitslosigkeit – der bei knapp
    2 Prozent lag, dann hätte es in der Bundesrepublik
    Deutschland rund 500 000 Beschäftigte mehr geben müs-
    sen. Davon ist dieses Land weiter entfernt denn je zuvor.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Sie haben nicht nur auf den europäischen Vergleich

    verzichtet, sondern Sie haben mit ziemlich leichter Hand
    auch die Lage in den neuen Bundesländern als ein
    Randthema darzustellen versucht. In Wahrheit ist die
    Lage in den neuen Bundesländern besonders trostlos,
    Herr Bundeskanzler. Die Arbeitslosigkeit dort ist im Ver-
    gleich mit dem Vorjahr um über 50 000 gestiegen.

    Es hat einen Abbau von Arbeitsplätzen, einen Rück-
    gang der Beschäftigtenzahl um 50 000 gegeben. Die
    wissenschaftlichen Forschungsinstitute sagen für das
    Jahr 2000, also für das laufende Jahr, einen weiteren
    Rückgang der Beschäftigtenzahl in den neuen Bundes-
    ländern um noch einmal 75 000 voraus. Die Menschen in
    den neuen Bundesländern müssen schon den Titel dieser
    Regierungserklärung als blanken Zynismus empfinden,
    meine Damen und Herren.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Herr Bundeskanzler, Sie haben auf einen weiteren eu-

    ropäischen Vergleich bewusst und aus guten Gründen ver-
    zichtet. Sie haben die Wachstumsraten in Deutschland
    angesprochen. Es ist wahr: Das wirtschaftliche Wachstum
    in der Bundesrepublik Deutschland wird in diesem Jahr
    und vermutlich auch im nächsten Jahr kräftig steigen.
    Aber im Gegensatz zu früheren Jahren ist die Bundesre-
    publik Deutschland nicht die Lokomotive in der Europä-
    ischen Union, sondern sie ist im europäischen Vergleich
    das Schlusslicht.


    (Bundesminister Hans Eichel: Es ist unglaublich!)


    Es reicht eben nicht aus zu sagen, wie gut die Lage in
    Deutschland ist, sondern es kommt immer darauf an, wie
    gut sie im Vergleich zu den europäischen und außereu-
    ropäischen Wettbewerbern ist.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Ich sage Ihnen hier ganz konkret: Wir haben dieses wirt-
    schaftliche Wachstum in Deutschland doch nicht wegen
    dieser Bundesregierung und wegen ihrer Politik, sondern
    wir haben es trotz dieser Bundesregierung.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. – Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das Highlight der Rede!)


    Die Bundesrepublik Deutschland fällt beim wirtschaft-
    lichen Wachstum im internationalen Vergleich weiter
    zurück. Während die europäischen Länder im Durch-
    schnitt ein wirtschaftliches Wachstum von zum Teil deut-
    lich über 3 Prozent erreichen, bleibt die Bundesrepublik
    Deutschland in diesem Jahr mit 2,7 Prozent erneut deut-
    lich unter dem europäischen Durchschnitt. Herr Bun-
    deskanzler, Deutschland und auch ganz Europa fallen






    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    gegenüber den Vereinigten Staaten von Amerika bezüg-
    lich des wirtschaftlichen Wachstums auch im laufen-
    den Jahr 2000 wiederum zurück. Es kommt also nicht auf
    die absoluten Zahlen an, sondern im Wettbewerb kommt
    es auf die relativen Zahlen im Vergleich zu anderen Indus-
    trienationen an. Es kommt darauf an, ob Deutschland mit-
    hält oder ob Deutschland zurückfällt.

    Im Wachstum wie bei der Beschäftigung fällt Deutsch-
    land gegenüber dem europäischen Durchschnitt und
    gegenüber der amerikanischen Volkswirtschaft weiter
    zurück. Darin, Herr Bundeskanzler, liegt ein wesentlicher
    Grund für die Außenwertschwäche des Euro. Amerika
    wächst, Europa wächst nicht genug mit und Deutschland
    ist mit Italien Schlusslicht in der Europäischen Union.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Nun will ich ausdrücklich unterstreichen und Ihnen in

    dem zustimmen, was Sie zur gegenwärtigen Lage des
    Euro gesagt haben. Der Euro ist nach innen hin weitge-
    hend stabil. Erste erkennbare Inflationspotenziale sind
    von der Europäischen Zentralbank mit einer, wie ich
    meine, klugen Zinspolitik unter Kontrolle gebracht wor-
    den. Die eigentliche Sorge, die wir haben müssen, betrifft
    den Außenwert des Euro. Dass Sie nun in Ihrer Rede, in
    Ihrer so genannten Regierungserklärung, Herr Bundes-
    kanzler,


    (Widerspruch bei der SPD)

    an die Adresse des früheren Bundesfinanzministers Kritik
    richten, veranlasst mich doch, darauf hinzuweisen und zu
    fragen: Wer hat denn bei der Einführung des Euro von
    einer kränkelnden Frühgeburt gesprochen. Wir oder Sie,
    Herr Bundeskanzler?


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Wer hat denn die Voraussetzungen für die Einführung des
    Euro kritisiert? Der Euro ist ein Erfolg, aber ob er im Ver-
    hältnis zum amerikanischen Dollar und zur amerikani-
    schen Volkswirtschaft auch ein Erfolg bleibt, ob Europa
    mithält oder weiter zurückfällt, das hängt entscheidend
    von der Wirtschaftspolitik innerhalb der Europäischen
    Union ab und das wiederum hängt entscheidend von
    der Wirtschaftspolitik innerhalb der Bundesrepublik
    Deutschland als dem Land, das ein Drittel der Wirt-
    schaftskraft des Euro-Gebietes stellt, ab.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


    Woran liegt es, dass das wirtschaftliche Wachstum in
    der Bundesrepublik Deutschland nicht mit dem durch-
    schnittlichen europäischen Wachstum und auch nicht mit
    dem Wachstum vieler anderer europäischer Länder mit-
    hält? – Ich weiß nicht, ob ich mit meiner Rede die Unter-
    haltungen auf der Regierungsbank störe.


    (Heiterkeit bei der CDU/CSU – Zurufe von der SPD)


    Herr Bundeskanzler, wir haben Ihnen zugehört, als Sie
    Ihre Regierungserklärung abgegeben haben. Dass von der
    linken Seite des Hauses gestört wird, bin ich gewohnt und
    stört mich persönlich nicht. Aber dass auf der Regie-
    rungsbank die Mitglieder der Bundesregierung so tun, als

    ob die Debatte im Plenum nicht stattfindet, und dass Sie
    sich ständig miteinander unterhalten, ist nicht in Ordnung.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. – Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Oh!)


    Herr Bundeskanzler, Sie können noch so darüber lachen:
    Wir haben Ihnen beim Vortragen Ihrer Argumente zu-
    gehört. Ich finde, es gehört zum Stil des Parlamentes, dass
    auch die Mitglieder der Bundesregierung auf der Regie-
    rungsbank zuhören, wenn ein Redner der Opposition
    spricht.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. – Zurufe von der SPD)


    Woran liegt es, dass wir in der Bundesrepublik
    Deutschland eine solche Wachstumsschwäche haben?
    Das Wachstum in Deutschland wird überwiegend vom
    Export getragen. Im Inland gibt es eine deutliche Schwäche
    bei der Nachfrage. Diese Nachfrageschwäche im Inland,
    Herr Bundeskanzler, hat im Wesentlichen damit zu tun,
    dass in der Verantwortung dieser Bundesregierung im
    Laufe des Jahres 1999 die Steuer- und Abgabenbelastung
    auf einen neuen Höchststand gestiegen ist. Alle Behaup-
    tungen, die Sie in den letzten Tagen und Wochen aufge-
    stellt haben, nämlich dass Sie im Jahre 1999 die Abgaben-
    und Steuerbelastung in Deutschland gesenkt haben, sind
    nachweislich falsch. Die Abgabenbelastung in der Bun-
    desrepublik Deutschland hat im Jahre 1999 einen histori-
    schen Höchststand erreicht. Sie haben Steuereinnahmen
    erzielt, die einen Höchststand der Steuerquote bewirken.


    (Dr. Uwe Küster [SPD]: Glaube keiner Statistik, die du nicht selber gefälscht hast!)


    Im Vergleich zum Jahr 1998 haben Bund, Länder und
    Gemeinden durch Ihre Steuerpolitik über 90 Milliar-
    den DM mehr Steuern erhoben. Wenn Sie in diesem Zu-
    sammenhang die Behauptung aufstellen, dass die Sozial-
    versicherungsbeiträge, insbesondere der Rentenversiche-
    rungsbeitrag, gesunken seien, dann sagen Sie doch bitte
    auch dazu, dass der Rentenversicherungsbeitrag nur des-
    halb gesunken ist, weil Sie ihn mithilfe der Ökosteuer he-
    runtersubventioniert haben.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Es hat sich in Wahrheit nichts an der Steuer- und Abga-
    benbelastung geändert. Sie ist weiter gestiegen und nicht
    gesunken.

    Seit Sie an der Regierung sind, Herr Bundeskanzler,
    verlieren Sie praktisch kein Wort darüber, wie Ihre Vor-
    stellung hinsichtlich der langfristigen Entwicklung der
    Staatsquote ist. Die Staatsquote bringt zum Ausdruck,
    was der Staat durch Steuern und Abgaben von der er-
    brachten Wirtschaftsleistung dieses Landes für sich bean-
    sprucht. Die Staatsquote ist im Jahre 1999 nicht gesunken,
    sondern sie ist wieder auf knapp 49 Prozent gestiegen,
    und dies zu einem Zeitpunkt, wo der Herr Bundeswirt-
    schaftsminister in einer Broschüre – sie darf sich nicht
    mehr „Jahreswirtschaftsbericht“ nennen, weil er dafür
    nicht mehr zuständig ist; sie nennt sich jetzt „Wirtschafts-
    bericht ´ 99“ – zum Ausdruck bringt, dass nach seiner Auf-




    Friedrich Merz
    9490


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    fassung die Staatsquote „auf 40 Prozent zurückgeführt
    werden“ muss.


    (Peter Hintze [CDU/CSU]: Da hat er Recht!)

    Wie wollen Sie es eigentlich bei steigender Steuer- und

    Abgabenbelastung erreichen, die Staatsquote in der Bun-
    desrepublik Deutschland auf 40 Prozent abzusenken?
    Wenn Sie diese Politik der weiteren Steuer- und Ab-
    gabenerhöhungen fortsetzen, wird die Staatsquote nicht
    sinken, Herr Bundeswirtschaftsminister, sondern sie
    wird – entgegen dem, was Sie richtigerweise in Ihrem
    Wirtschaftsbericht zum Ausdruck bringen – weiter stei-
    gen. Eine Staatsquote von knapp 50 Prozent lässt für eine
    Volkswirtschaft wie die der Bundesrepublik Deutschland
    eben nicht genug Freiraum für Investitionen und für mehr
    Beschäftigung. So werden Sie Ihr Ziel nicht erreichen,
    Herr Bundeskanzler.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


    Dies sind nicht die Horrorszenarien einer verrückt ge-
    wordenen Opposition.


    (Dr. Norbert Wieczorek [SPD]: Die Bezeichnung ist richtig!)


    – Das ist wie beim pawlowschen Reflex: Ihnen braucht
    man nur Stichworte zu sagen, dann reagieren Sie schon.


    (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Uwe Küster [SPD]: Was wahr ist, muss die Wahrheit bleiben!)


    Ich will Ihnen bei dieser Gelegenheit einmal das Sze-
    nario wiedergeben, das der so genannte Managerkreis
    der Friedrich-Ebert-Stiftung vor wenigen Tagen für den
    Fall zu Papier gebracht hat, dass Ihre Steuerpolitik und
    Ihre Politik bezüglich der sozialen Sicherungssysteme bis
    zum Jahre 2030 fortgesetzt wird. Das ist ein Zeitraum, in
    dem der Herr Bundesaußenminister nicht denkt, wie er
    gerade zu erkennen gibt.


    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    Aber das ist ein Zeitraum, der gerade einmal eine Gene-
    ration umfasst. Ich spreche also über diejenigen, die heute
    20 Jahre alt sind und im Jahre 2030 50 Jahre alt sein wer-
    den.

    Meine Damen und Herren, in diesem Zeitraum, so sagt
    der Managerkreis der Friedrich-Ebert-Stiftung – nicht ir-
    gendwelche Turbokapitalisten, sondern diejenigen, die
    Sie zur Beratung Ihrer Wirtschaftspolitik in eine der SPD
    nahe stehende Stiftung berufen haben –, wird sich der
    Rentenversicherungsbeitrag von heute 19,3 Prozent bei
    ungebremster Entwicklung auf 28 Prozent erhöhen, der
    Pflegeversicherungsbeitrag von 1,7 Prozent auf 3,5 Pro-
    zent mehr als verdoppeln, der Krankenversicherungsbei-
    trag von heute 13,6 Prozent im Durchschnitt auf 17,5 Pro-
    zent erhöhen. Alles in allem führt dies zu einer Steigerung
    der Staatsquote von heute knapp 50 Prozent auf im Jahr
    2030 sage und schreibe 65 Prozent. Das schrieb Ihnen der
    Managerkreis der Friedrich-Ebert-Stiftung vor wenigen
    Tagen ins Stammbuch unter der Voraussetzung, dass Sie
    das fortsetzen, was Sie mit der höchsten Steuer- und Ab-

    gabenbelastung, die dieses Land je gekannt hat, im Jahre
    1998 begonnen und im Jahre 1999 fortgesetzt haben.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Nun will ich mich nicht auf die Beschreibung und Kri-

    tik der Lage allein beschränken. Die Opposition wird völ-
    lig zu Recht – weniger von der Regierung, aber mehr von
    der Bevölkerung – gefragt: Was ist denn zu tun? Ich will
    mich auf drei Punkte konzentrieren.

    Einen Punkt haben Sie selbst bereits angesprochen,
    Herr Bundeskanzler, das ist die Steuerreform. Ich weiß
    nicht, wie Sie darauf kommen, die Vermutung zu äußern,
    dass die Opposition irgendetwas blockiert. Von Blockade
    ist bei uns – ich nehme das für alle unionsgeführten
    Bundesländer mit in Anspruch – bei niemandem Rede. Im
    Gegenteil, ich habe mir in den letzten Tagen sogar schon
    öffentlich den Vorwurf machen lassen müssen, ich sei Ih-
    nen mit dem, was ich an der einen oder anderen Stelle ge-
    sagt habe, zu weit entgegengekommen.


    (Lachen bei der SPD – Dr. Uwe Küster [SPD]: Wir nehmen Sie glatt in Schutz!)


    Damit das aber klar ist: Herr Bundeskanzler, wir lassen
    uns von niemandem in diesem Land, auch nicht von Ih-
    nen, drohen und lassen uns von niemandem Warnungen
    aussprechen, wenn wir andere politische Überzeugungen
    haben und andere politische Antworten auf das geben,
    was jetzt in der Steuerpolitik notwendig ist.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


    Wenn bis jetzt in Deutschland jemand blockiert und ab-
    gelehnt hat, in der Steuerpolitik zu vernünftigen Ergeb-
    nissen zu kommen, dann sind es nicht nur die SPD-ge-
    führten Bundesländer vor vier Jahren gewesen, sondern
    dann ist es auch diese Bundesregierung gewesen, die bis
    zum heutigen Tag das Angebot der Opposition, im Ge-
    setzgebungsverfahren des Deutschen Bundestages jetzt
    zu Verbesserungen bei Ihrer Steuerpolitik zu kommen, ab-
    gelehnt hat. Sie haben jeden Dialog verweigert.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


    Aber ich mache Ihnen noch einmal das Angebot: Sie
    haben darauf abgestellt, dass am Donnerstag der nächsten
    Woche in zweiter und dritter Lesung entschieden werden
    soll. Wir haben bis dahin noch eine Woche Zeit. Wir kön-
    nen uns in dieser einen Woche sehr nüchtern und sach-
    lich – wir sind zu Kompromissen über Sätze, über Zeit-
    pläne und über vieles andere bereit – darauf verständigen,
    dass wir einen Grundsatz in der Steuerpolitik für die Zu-
    kunft aufrechterhalten, und das ist der Grundsatz der
    Gleichmäßigkeit der Besteuerung aller Einkunftsarten.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)


    Wenn Sie diesen Grundsatz bereit sind zu akzeptieren,
    Herr Bundeskanzler, akzeptieren wir auch Kompromisse
    mit Ihnen, die Rücksicht auf die öffentlichen Haushalte
    nehmen.




    Friedrich Merz

    9491


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    Ich will, weil Sie es angesprochen haben, es ausdrück-
    lich an dieser Stelle noch einmal sagen: Auch wir denken
    nicht im Traum daran, zur Finanzierung einer Steuerre-
    form, die notwendig ist und für die es in den öffentlichen
    Haushalten Spielräume gibt – es sind begrenzte Spiel-
    räume, aber sie gibt es –, Vorschläge zu machen, Einmal-
    einnahmen des Staates zur Finanzierung dauerhafter
    Steuersenkungen heranzuziehen. Wir machen diesen Vor-
    schlag ausdrücklich nicht. Ich mache mir zu Eigen, was
    der frühere Kollege und heutige Finanzminister des Saar-
    landes, Peter Jacoby, gestern vorgeschlagen hat: Die
    Einmaleinnahmen, die Sie, Herr Bundesfinanzminister,
    erzielen werden und wollen – vielleicht geben Sie auch
    Auskunft darüber, welche Potenziale Sie da erwarten,
    übrigens Potenziale aus Privatisierungen, die Sie in der
    Zeit, in der Sie hessischer Ministerpräsident waren, im-
    mer abgelehnt haben;


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


    Sie haben immer abgelehnt, dass privatisiert wird und
    dass in diesem Bereich auch Privatwirtschaft möglich
    wird; aber Schwamm drüber, es geht nicht um die Ver-
    gangenheit, sondern um die Zukunft – , sollen dem Erblas-
    tentilgungsfonds zugeführt werden, damit auch die Schul-
    den und die Zinslast der Länder gesenkt werden.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Lachen bei der SPD)


    Ich sage Ihnen noch einmal: Das sind schöne Formu-
    lierungen, die Sie im Zusammenhang mit den 1,5 Billio-
    nen DM Schulden verwendet haben. Aber dabei unter-
    schlagen Sie regelmäßig – das gehört natürlich zu Ihrer
    politischen Strategie –, dass in diesen 1,5 Billionen DM
    Schulden 500 Milliarden DM enthalten sind, die nicht die
    Schulden von Helmut Kohl, sondern die Schulden von
    Erich Honecker sind.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Aber wir machen ganz konkrete Vorschläge.

    Es gibt Spielräume für eine Steuerreform, die auf Wirt-
    schaftswachstum und Beschäftigung ausgerichtet ist.
    Diese Steuerreform muss den Mittelstand genauso entlas-
    ten wie die großen Unternehmen in der Bundesrepublik
    Deutschland.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


    Was mir auffällt: Sie reden in der Steuerpolitik und
    auch sonst viel von der so genannten „new economy“.
    Spüren Sie eigentlich nicht, dass das, was Sie in der Steu-
    erpolitik hinsichtlich der Entlastungswirkung vorschla-
    gen, ganz überwiegend nicht auf die „new economy“,
    sondern auf die „old economy“ abstellt?


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Sie entlasten die großen Konzerngesellschaften, die über-
    wiegend zur „old economy“ gehören, und Sie missachten
    die wirtschaftlichen Interessen und die Leistungsfähigkeit
    gerade derjenigen, die als junge Unternehmen, als Einzel-
    kaufleute jetzt tätig werden wollen und die auch Arbeits-
    plätze schaffen.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ein großer Schmarren ist das!)


    Wir werden ja in der nächsten Woche noch Gelegenheit
    haben, das hier ausführlich miteinander zu debattieren.
    Ich hätte mir nur gewünscht, da Sie so ausführlich über
    die Steuerpolitik gesprochen haben, Herr Bundeskanzler,
    dass Sie hier wenigstens eine Klarstellung vorgenommen
    hätten. Es ist in den letzten Wochen, wohl gegen die Pla-
    nung der Bundesregierung, mehrfach öffentlich gewor-
    den, dass es sehr weit ausgereifte Pläne zur Erhöhung der
    Erbschaftsteuer gibt. Warum, Herr Bundeskanzler, ha-
    ben Sie Ihre Regierungserklärung nicht genutzt, um klar-
    zustellen, dass es mit der Bundesregierung eine Erhöhung
    der Erbschaftsteuer nicht gibt? Sie hätten doch die Gele-
    genheit dazu gehabt. Ich will Ihnen sagen, warum Sie es
    nicht getan haben: Weil es einen Parteitagsbeschluss der
    Sozialdemokraten vom Dezember des Jahres 1998 gibt
    und Sie die Linken in Ihren eigenen Reihen beruhigen
    müssen. Da Sie erkannt haben, dass Vermögensteuern und
    Vermögensabgaben nicht mehr erhoben werden können,
    haben Sie jetzt Pläne in der Schublade, die Erbschaft-
    steuer zu erhöhen.

    Ich sage Ihnen: Wer Arbeitsplätze und Ausbildungs-
    plätze in Deutschland schaffen will, darf nicht mittelstän-
    dische Betriebe mit noch höherer Erbschaftsteuer belas-
    ten. Es wäre gut gewesen, wenn Sie das heute Morgen ge-
    sagt hätten.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Damit wir uns alle nicht täuschen: Selbst eine gut ge-

    lungene Steuerreform – ich hoffe, dass es dazu kommt –
    wird die Steuer- und Abgabenbelastung in Deutschland
    nicht so weit senken, wie es eigentlich notwendig wäre.
    Deswegen stehen wir vor grundlegenden Reformen der
    sozialen Sicherungssysteme, insbesondere der Renten-
    versicherung und der gesetzlichen Krankenversicherung.
    Ich will das jetzt nicht im Detail ausführen. Aber ich will
    zwei grundsätzliche Bemerkungen machen.

    Erstens. Beide Reformen, die der Rentenversicherung
    wie die der gesetzlichen Krankenversicherung, müssen
    bis in das Jahr 2030 reichen. Sie werden uns, wenn es um
    schwierige politische Entscheidungen geht, nur dann mit
    in der Verantwortung finden, wenn Sie den Mut besitzen,
    auch jetzt die Probleme mit zu lösen, die es ab dem Jahr
    2015 im Hinblick auf die schon einmal beschriebene
    demographische Entwicklung in der Bundesrepublik
    Deutschland geben wird. Wenn Sie kürzer springen wol-
    len, wenn Sie kurzatmigere Politik machen wollen, dann
    werden Sie die Unterstützung der Opposition im Deut-
    schen Bundestag dafür nicht finden.

    Zweitens. Wir erwarten von Ihnen, Herr Bundesar-
    beitsminister und Frau Gesundheitsministerin, dass Sie
    Vorschläge machen, wie die Rentenreform bis zum Jahr
    2030 ausfallen soll, und dass Sie Vorschläge machen, wie
    die Reform der gesetzlichen Krankenversicherung bis
    zum Jahr 2030 aussehen soll.

    Frau Fischer, Sie haben im letzten Jahr unser Angebot,
    gemeinsam diese Entscheidungen zu treffen, das wir im
    Zuge des entsprechenden Vermittlungsverfahrens ge-




    Friedrich Merz
    9492


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    macht haben, abgelehnt. Sie hatten zu Beginn des Ver-
    mittlungsverfahrens einen bereits ausformulierten Ge-
    setzentwurf in der Tasche, der der Zustimmung des Bun-
    desrates nicht bedurfte. Damals sind Sie mit dem Kopf
    durch die Wand marschiert. Jetzt ist der Karren in den
    Dreck gefahren. Wir sind – damit das klar ist – nicht be-
    reit, Ihnen dabei zu helfen, ihn wieder herauszuholen,
    ohne dass Sie vorher Vorschläge machen, wie das Ge-
    sundheitssystem in der Bundesrepublik Deutschland
    langfristig aussehen soll.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. – Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Quatsch!)


    Meine Damen und Herren, zum letzten Thema: Auch
    hierzu haben Sie, Herr Bundeskanzler, praktisch nichts
    gesagt. Das entscheidende Problem auf unserem Arbeits-
    markt und im Rahmen der Beschäftigungskrise in der
    Bundesrepublik Deutschland ist die Lage der so genann-
    ten Langzeitarbeitslosen. Rund 40 Prozent der Arbeits-
    losen in der Bundesrepublik Deutschland sind länger als
    ein Jahr arbeitslos und haben keine abgeschlossene Be-
    rufsausbildung.

    Welche Angebote machen Sie eigentlich den Langzeit-
    arbeitslosen in der Bundesrepublik Deutschland für eine
    langfristige Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt?
    Welche Anreize werden für jemanden, der gering qualifi-
    ziert ist, geschaffen, sich vielleicht auch für eine etwas
    geringfügiger bezahlte Beschäftigung wieder in den Ar-
    beitsmarkt zu integrieren?

    Die einzige Antwort, die die Bundesregierung bis zum
    heutigen Tage darauf gegeben hat, ist die Sozialversiche-
    rungspflicht der so genannten geringfügigen Beschäfti-
    gungsverhältnisse mit dem Ergebnis, dass 100 000 sozial-
    versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse mehr
    entstanden sind und 700 000 geringfügige Beschäfti-
    gungsverhältnisse ersatzlos weggefallen sind. Das war
    Ihre Antwort, die Sie bis jetzt gegeben haben. Aber Sie
    brauchen für das Problem der Langzeitarbeitslosigkeit
    bessere Antworten.

    Herr Bundesarbeitsminister, ich frage Sie: Wo sind Ihre
    Vorschläge? Wir haben angeboten, mit Ihnen zusammen
    diesen schwierigen Weg zu beschreiten. Wo sind Ihre An-
    gebote zur Verzahnung der Arbeitslosenhilfe und der So-
    zialhilfe? Sie selbst haben diesen Vorschlag gemacht. Wir
    haben ihn aufgegriffen und haben Ihnen gesagt: Wir sind
    bereit, diesen sehr schwierigen Weg – auch auf der Ebene
    der Kommunen – mitzugehen. Anderthalb Jahre sind Sie
    an der Regierung. Sie haben keinen Vorschlag dazu ge-
    macht, die Verzahnung dieser beiden großen und zum Teil
    widersprüchlichen sozialen Sicherungssysteme auf den
    Weg zu bringen.

    Ich habe eine ganz konkrete Frage, die dieses Jahr ent-
    schieden werden muss: Herr Bundeskanzler, was ge-
    schieht mit dem Beschäftigungsförderungsgesetz?Wird
    es eine Anschlussregelung geben? Das Beschäftigungs-
    förderungsgesetz läuft am 31. Dezember 2000 aus. Nach
    übereinstimmender Überzeugung aller Beteiligten wurde
    mit dem Beschäftigungsförderungsgesetz und dessen
    Möglichkeiten der befristeten Beschäftigung dafür ge-

    sorgt, dass gerade in den Problembereichen der Langzeit-
    arbeitslosen eine Vielzahl von Menschen wenigstens auf
    Zeit wieder eine reguläre Beschäftigung finden konnte.
    Warum geben Sie auf die Frage, ob das Beschäftigungs-
    förderungsgesetz fortgesetzt werden soll oder nicht, keine
    Antwort?


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Dr. Irmgard Schwaetzer [F.D.P.] – Michael Glos [CDU/CSU]: Gute Frage!)


    Die Bundesrepublik Deutschland ist von einer wirklich
    modernen Wirtschaftspolitik und der Schaffung von
    neuen, dauerhaften Arbeitsplätzen leider weiter entfernt
    als fast alle anderen europäischen Mitgliedstaaten. Wir
    brauchen in Deutschland zu Beginn des 21. Jahrhunderts
    nicht nur wohlfeile Regierungserklärungen, sondern eine
    wirkliche Agenda für die Modernisierung einer im Kern
    gesunden und leistungsfähigen Volkswirtschaft.

    Meine Vermutung ist, dass Sie, Herr Bundeskanzler,
    den Zeitpunkt, zu dem Sie eine solche wirkliche Moder-
    nisierung unseres Arbeitsmarktes, unseres Steuersystems
    und unseres sozialen Sicherungssystems so auf den Weg
    bringen können, dass in Deutschland im vergleichbaren
    Maßstab dauerhaft neue Arbeitsplätze entstehen, während
    Ihrer Regierungstätigkeit schon jetzt verpasst haben.


    (Lachen des Abg. Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


    Denn so grundlegende Reformen, bei denen viele Besitz-
    stände in Frage gestellt werden müssen,


    (Kerstin Müller [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 16 Jahre! Es ist unfassbar!)


    die Mut erfordern und es nötig machen, etwas gegen die
    Widerstände in den eigenen Reihen durchzutragen, Herr
    Bundeskanzler, haben Sie in Wahrheit bis heute nicht an-
    gepackt.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    In Beliebigkeit und schönen Medienbildern – das gebe

    ich zu – sind Sie uns überlegen.

    (Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt kommt er auf Schäuble!)


    Aber zu einer langfristigen Ausrichtung Ihrer Politik, die
    über den nächsten Wahltermin hinausreicht, also nicht nur
    Legislaturperioden erfasst, und im Sinne der Generatio-
    nengerechtigkeit angelegt ist, fehlt Ihnen, Herr Bundes-
    kanzler, der Mut.


    (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU – Beifall bei der F.D.P.)