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    Plenarprotokoll 14/95 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 95. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 23. März 2000 I n h a l t : Bestimmung des Abgeordneten Dr. Norbert Wieczorek als ordentliches Mitglied im Ver- mittlungsausschuss ......................................... 8733 A Bestimmung des Abgeordneten Helmut Rauber als ordentliches Mitglied im Gemein- samen Ausschuss ............................................ 8733 B Entsendung des Abgeordneten Hans Jochen Henke in den Bundesschuldenausschuss ....... 8733 B Wahl des Abgeordneten Joachim Hörster als stellvertretendes Mitglied in die Parlamentari- sche Versammlung des Europarates ............... 8733 B Erweiterung der Tagesordnung ....................... 8733 B Absetzung des Tagesordnungspunktes 7 a – c 8734 A Nachträgliche Ausschussüberweisungen ........ 8734 B Tagesordnungspunkt 4: Große Anfrage der Abgeordneten Kurt- Dieter Grill, Gunnar Uldall, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion CDU/CSU: Energiepolitik für das 21. Jahrhun- dert – Energiekonzept der Bundesregie- rung für den Ausstieg aus der Kern- energie (Drucksachen 14/676, 14/2656) ... 8734 D Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach) CDU/CSU ....................................................... 8734 D Dr. Werner Müller, Bundesminister BMWi ... 8737 D Steffen Kampeter CDU/CSU .......................... 8740 B Dr. Werner Müller, Bundesminister BMWi ... 8740 C Walter Hirche F.D.P. ...................................... 8741 A Michaele Hustedt BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN ................................................................ 8743 A Eva Bulling-Schröter PDS ............................... 8744 D Rolf Hempelmann SPD ................................... 8746 C Kurt-Dieter Grill CDU/CSU ............................ 8748 C Jürgen Trittin, Bundesminister BMU .............. 8750 C Birgit Homburger F.D.P. ................................. 8752 C Dr. Axel Berg SPD .......................................... 8753 C Dagmar Wöhrl CDU/CSU ............................... 8755 A Christoph Matschie SPD ................................. 8756 D Dr. Peter Ramsauer CDU/CSU ................... 8758 C Ulrich Klinkert CDU/CSU .............................. 8759 B Dr. Hermann Scheer SPD ................................ 8760 D Tagesordnungspunkt 3: Abgabe einer Erklärung der Bundesregie- rung zur 11. Vertragsstaatenkonferenz zum Washingtoner Artenschutzüber- einkommen ............................................... 8762 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 2: Antrag der Abgeordneten Anke Hartnagel, Ulrike Mehl, weiterer Abgeordneter und der Fraktion SPD sowie der Abgeordneten Steffi Lemke, Sylvia Voß, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Schutz der Wale dauer- haft sicherstellen (Drucksache 14/2985) ................................ 8762 C in Verbindung mit II Deutscher Bundestag - 14. Wahlperiode - 95. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 23. März 2000 Zusatztagesordnungspunkt 3: Antrag der Abgeordneten Marga Elser, Ulrike Mehl, weiterer Abgeordneter und der Fraktion SPD sowie der Abgeordneten Sylvia Voß, Gila Altmann, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Verbot des Elfen- beinhandels wieder herstellen (Drucksache 14/2986) ............................... 8762 B Jürgen Trittin, Bundesminister BMU .............. 8762 C Cajus Caesar CDU/CSU ................................. 8765 B Anke Hartnagel SPD ....................................... 8767 D Ulrike Flach F.D.P. ......................................... 8769 D Sylvia Voß BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ...... 8771 D Eva Bulling-Schröter PDS .............................. 8773 D Marga Elser SPD ............................................. 8775 A Georg Girisch CDU/CSU ................................ 8776 D Steffi Lemke BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ... 8778 C Reinhold Hemker SPD .................................... 8780 B Tagesordnungspunkt 22: Überweisungen im vereinfachten Verfahren a) Erste Beratung des von den Abgeord- neten Rolf Kutzmutz, Heidemarie Ehlert, Dr. Christa Luft und der Frak- tion PDS eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Umsatz- steuergesetzes (Drucksache 14/2386 [neu]) ................. 8782 B b) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Rotterdamer Über- einkommen über das Verfahren der vorherigen Zustimmung nach In- kenntnissetzung für bestimmte ge- fährliche Chemikalien sowie Pflan- zenschutz- und Schädlingsbekämp- fungsmittel im internationalen Han- del vom 10. September 1998 (Drucksache 14/2919) .......................... 8782 C c) Antrag der Präsidentin des Bundes- rechnungshofes: Rechnung des Bun- desrechnungshofes für das Haus- haltsjahr 1999 – Einzelplan 20 – (Drucksache 14/2868) .......................... 8782 C Tagesordnungspunkt 14: Antrag der Fraktionen SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Überprüfungs- konferenz zum Nichtverbreitungsver- trag zum Erfolg führen (Drucksache 14/2908) ............................... 8782 C Zusatztagesordnungspunkt 4: Weitere Überweisung im vereinfachten Verfahren (Ergänzung zu TOP 22) Antrag der Abgeordneten Karl Lamers, Peter Weiß (Emmendingen), weiterer Ab- geordneter und der Fraktion CDU/CSU: Den Stabilitätspakt Südosteuropa mit Leben erfüllen (Drucksache 14/2768 [neu]) ...................... 8782 D Tagesordnungspunkt 23: Abschließende Beratungen ohne Aus- sprache a) Zweite Beratung und Schlussabstim- mung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Übereinkommen vom 4. August 1995 zur Durchführung der Bestimmungen des Seerechts- übereinkommens der Vereinten Na- tionen vom 10. Dezember 1982 über die Erhaltung und Bewirtschaftung von gebietsübergreifenden Fisch- beständen und Beständen weit wan- dernder Fische (Drucksachen 14/2421, 14/2815) ......... 8783 A b) – Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stabilisierung des Mitglie- derkreises von Bundesknapp- schaft und See-Krankenkasse (Drucksachen 14/2764, 14/2997) ... 8783 B – Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion CDU/CSU einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stabilisierung des Mitglie- derkreises von Bundesknapp- schaft und See-Krankenkasse (Drucksachen 14/2904, 14/2997) ... 8783 B c) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Änderung des Pass- und Personalausweisrechts (Drucksachen 14/2726, 14/2888, 14/2993) ............................................... 8783 C d) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union zu dem Ent- schließungsantrag der Fraktion PDS zu der Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung zu den Ergebnis- sen der Sondertagung des Europäi- schen Rates in Tampere am 15./16. Oktober 1999 (Drucksachen 14/1854, 14/2702) ......... 8783 D Deutscher Bundestag - 14. Wahlperiode - 95. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 23. März 2000 III e) – i) Beschlussempfehlungen des Petitions- ausschusses Sammelübersichten 135, 136, 137, 138, 139 zu Petitionen (Drucksachen 14/2923, 14/2924, 14/2925, 14/2926, 14/2927) ................ 8784 A Zusatztagesordnungspunkt 5: Aktuelle Stunde: Haltung der Bundesre- gierung zur Fusion von Deutscher Bank und Dresdner Bank und zu den öffent- lichen Diskussionen über die Folgen dieser Fusion ............................................ 8784 C Ursula Lötzer PDS .......................................... 8784 C Klaus Lennartz SPD ....................................... 8785 C Friedhelm Ost CDU/CSU ............................... 8786 D Margareta Wolf (Frankfurt) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN ................................................ 8787 D Rainer Brüderle F.D.P. ................................... 8789 A Siegmar Mosdorf, Parl. Staatssekretär BMWi ............................................................. 8790 A Hans Michelbach CDU/CSU .......................... 8791 D Matthias Berninger BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN ................................................................ 8793 A Dr. Christa Luft PDS ...................................... 8794 B Dr. Rainer Wend SPD .................................... 8795 B Thomas Strobl CDU/CSU .............................. 8796 C Hubertus Heil SPD ......................................... 8797 D Gunnar Uldall CDU/CSU ............................... 8799 B Christian Lange (Backnang) SPD ................... 8800 C Tagesordnungspunkt 5: Unterrichtung durch die Bundesregierung: Tourismuspolitischer Bericht der Bun- desregierung (Drucksache 14/2473) ........ 8801 D Siegmar Mosdorf, Parl. Staatssekretär BMWi ............................................................. 8802 A Klaus Holetschek CDU/CSU ...................... 8802 D Birgit Roth (Speyer) SPD ........................... 8803 B Klaus Holetschek CDU/CSU ...................... 8803 C Klaus Brähmig CDU/CSU .......................... 8804 B Klaus Brähmig CDU/CSU .............................. 8805 A Sylvia Voß BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ..... 8806 D Ernst Burgbacher F.D.P. ................................. 8809 A Siegmar Mosdorf SPD ................................. 8810 A Rosel Neuhäuser PDS ..................................... 8811 A Brunhilde Irber SPD ........................................ 8812 B Klaus Brähmig CDU/CSU .......................... 8813 D Anita Schäfer CDU/CSU ................................. 8814 D Birgit Roth (Speyer) SPD ................................ 8816 B Ilse Aigner CDU/CSU ..................................... 8817 B Brunhilde Irber SPD .................................... 8818 A Tagesordnungspunkt 11: Große Anfrage der Abgeordneten Klaus Riegert, Friedrich Bohl, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion CDU/CSU: Do- ping im Spitzensport und Fitnessbe- reich (Drucksachen 14/1032, 14/1867) ..... 8818 D Klaus Riegert CDU/CSU ................................. 8819 A Dagmar Freitag SPD ....................................... 8820 C Dr. Klaus Kinkel F.D.P. .................................. 8822 B Winfried Hermann BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN ................................................................. 8823 C Gustav-Adolf Schur PDS ................................ 8825 A Otto Schily, Bundesminister BMI ................... 8825 D Norbert Barthle CDU/CSU .............................. 8827 C Tagesordnungspunkt 8: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Festlegung eines vorläufigen Wohnortes für Spätaussied- ler (Drucksachen 14/2675; 14/2956) ......... 8829 A Jochen Welt SPD ............................................. 8829 A Hartmut Koschyk CDU/CSU .......................... 8830 D Marieluise Beck (Bremen) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ........................................................ 8832 D Dr. Max Stadler F.D.P. .................................... 8833 D Günter Graf (Friesoythe) SPD ......................... 8835 A Dr. Heinrich Fink PDS .................................... 8836 D Tagesordnungspunkt 9 Antrag der Abgeordneten Hildebrecht Braun (Augsburg), Günther Nolting, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion F.D.P.: Bekämpfung jeder Art von Dis- kriminierung in der Bundeswehr (Drucksache 14/1870) ................................ 8838 A Hildebrecht Braun (Augsburg) F.D.P. ............. 8838 B IV Deutscher Bundestag - 14. Wahlperiode - 95. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 23. März 2000 Johannes Kahrs SPD ....................................... 8839 B Werner Siemann CDU/CSU ........................... 8841 B Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ........................................................ 8843 B Rudolf Scharping, Bundesminister BMVg ..... 8844 B Günther Friedrich Nolting F.D.P. ................ 8845 B Christina Schenk PDS ..................................... 8846 A Rudolf Scharping SPD .................................... 8847 B Christina Schenk PDS ..................................... 8847 C Tagesordnungspunkt 10: – Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Norbert Geis, Ronald Pofalla, weiteren Abgeordne- ten und der Fraktion CDU/CSU einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches – Graffiti-Bekämpfungsgesetz (Drucksachen 14/546, 14/2941) ........... 8847 C – Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Jörg van Essen, Rainer Funke, weiteren Abgeordneten und der Fraktion F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum verbes- serten Schutz des Eigentums (Drucksachen 14/569, 14/2941) ........... 8847 D – Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines ... Strafrechtsänderungsgeset- zes – Graffiti-Bekämpfungsgesetz (Drucksachen 14/872, 14/2941) ........... 8847 D Dr. Wolfgang Götzer CDU/CSU .................... 8848 A Hermann Bachmaier SPD ............................... 8849 C Norbert Geis CDU/CSU .............................. 8851 C Rainer Funke F.D.P. ........................................ 8852 A Jörg Tauss SPD ........................................... 8853 A Hans-Christian Ströbele BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ........................................................ 8853 C Sabine Jünger PDS .......................................... 8855 A Dr. Eckhart Pick, Parl. Staatssekretär BMJ ..... 8855 D Ronald Pofalla CDU/CSU ............................... 8857 A Alfred Hartenbach SPD ................................... 8858 D Tagesordnungspunkt 6: a) Erste Beratung des von den Abgeord- neten Dr.-Ing. Dietmar Kansy, Dirk Fischer (Hamburg), weiteren Abge- ordneten und der Fraktion CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Wohnungs- bindungsgesetzes und des Altschul- denhilfe-Gesetzes (Drucksache 14/2763) ......................... 8860 B b) Antrag der Abgeordneten Christine Ostrowski, Heidemarie Ehlert, weiterer Abgeordneter und der Fraktion PDS: Aufhebung der Privatisierungs- pflicht im Altschuldenhilfegesetz und der Sanktionen bei Nichterfül- lung (Drucksache 14/2804) ................. 8860 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 6: Erste Beratung des von den Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Alt- schuldenhilfe-Gesetzes (Zweites Alt- schuldenhilfe-Änderungsgesetz) (Drucksache 14/2983) ............................... 8860 C Dr.-Ing. Dietmar Kansy CDU/CSU ................ 8860 C Dr. Christine Lucyga SPD .............................. 8862 C Dr. Karlheinz Guttmacher F.D.P. ................... 8864 B Franziska Eichstädt-Bohlig BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN ................................................ 8865 C Heidemarie Ehlert PDS ................................... 8867 A Dr. Peter Danckert SPD .................................. 8868 A Norbert Otto (Erfurt) CDU/CSU ..................... 8869 B Achim Großmann, Parl. Staatssekretär BMVBW ......................................................... 8870 D Tagesordnungspunkt 12: Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes über die Hilfe für durch Anti-D- Immunprophylaxe mit dem Hepatitis- C-Virus infizierte Personen (Anti-D- Hilfegesetz) (Drucksache 14/2958) .......... 8872 C Horst Schmidbauer (Nürnberg) SPD .............. 8872 D Dr. Harald Kahl CDU/CSU ............................ 8874 C Christa Nickels BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN ................................................................ 8876 A Dr. Dieter Thomae F.D.P. ............................... 8877 C Dr. Ruth Fuchs PDS ........................................ 8877 D Tagesordnungspunkt 13: Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses Deutscher Bundestag - 14. Wahlperiode - 95. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 23. März 2000 V – zu dem Antrag der Fraktion PDS Aufhebung der Sanktionen gegen die Bundesrepublik Jugoslawien – zu dem Antrag der Fraktion PDS Schiffbarmachung der Donau und Wiederaufbau der zerstörten Do- naubrücken – zu dem Antrag der Fraktion PDS Aufhebung des Ölembargos gegen Jugoslawien (Drucksachen 14/2387, 14/2388, 14/2573, 14/2996) .................................................... 8878 D Wolfgang Gehrcke PDS ................................. 8879 A Tagesordnungspunkt 15: Antrag der Abgeordneten Hermann Gröhe, Monika Brudlewsky, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion CDU /CSU: Menschenrechte in der Volksrepublik China (Drucksache 14/2694) .................... 8880 C Hermann Gröhe CDU/CSU ............................ 8880 C Petra Ernstberger SPD .................................... 8881 D Claudia Roth (Augsburg) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ....................................................... 8883 C Dr. Hans-Peter Uhl CDU/CSU ....................... 8884 C Dr. Ludger Volmer, Staatsminister AA .......... 8885 C Nächste Sitzung .............................................. 8886 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten ........... 8887 A Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts zu den Anträgen der Fraktion PDS – Aufhebung der Sanktionen gegen die Bundesrepublik Jugoslawien – Schiffbarmachung der Donau und Wie- deraufbau der zerstörten Donaubrücken – Aufhebung des Ölembargos gegen Jugo- slawien (Tagesordnungspunkt 13) Uta Zapf SPD .................................................. 8888 A Dr. Andreas Schockenhoff CDU/CSU ............. 8889 A Walter Hirche F.D.P. ...................................... 8889 D Dr. Ludger Volmer, Staatsminister AA ............ 8890 C Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung des Antrags: Menschenrechte in der Volksrepu- blik China (Tagesordnungspunkt 15) Sabine Leutheusser-Schnarrenberger F.D.P. .. 8891 D Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 95. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 23. März 2000 8733 (A) (B) (C) (D) 95. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 23. März 2000 Beginn: 9.00 Uhr
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    Staatsminister Dr. Ludger Volmer Deutscher Bundestag - 14. Wahlperiode - 95. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 23. März 2000 8887 (C) (D) (A) (B) Andres, Gerd SPD 23.03.2000 Dr. Bötsch, Wolfgang CDU/CSU 23.03.2000 Bohl, Friedrich CDU/CSU 23.03.2000 Dr. Brecht, Eberhard SPD 23.03.2000 Brinkmann (Detmold), SPD 23.03.2000 Rainer Bühler (Bruchsal), CDU/CSU 23.03.2000* Klaus Büttner (Ingolstadt), SPD 23.03.2000 Hans Caspers-Merk, Marion SPD 23.03.2000 Dautzenberg, Leo CDU/CSU 23.03.2000 Fischer (Frankfurt), BÜNDNIS 90/ 23.03.2000 Joseph DIE GRÜNEN Frick, Gisela F.D.P. 23.03.2000 Friedhoff, Paul K. F.D.P. 23.03.2000 Friedrich (Altenburg), SPD 23.03.2000 Peter Gebhardt, Fred PDS 23.03.2000 Goldmann, F.D.P. 23.03.2000 Hans-Michael Göllner, Uwe SPD 23.03.2000 Dr. Gysi, Gregor PDS 23.03.2000 Hinsken, Ernst CDU/CSU 23.03.2000 Hollerith, Josef CDU/CSU 23.03.2000 Dr. Hoyer, Werner F.D.P. 23.03.2000 Ibrügger, Lothar SPD 23.03.2000 Irmer, Ulrich F.D.P. 23.03.2000* Jelpke, Ulla PDS 23.03.2000 Dr. Jens, Uwe SPD 23.03.2000 Dr. Lammert, Norbert CDU/CSU 23.03.2000 Lengsfeld, Vera CDU/CSU 23.03.2000 Michels, Meinolf CDU/CSU 23.03.2000 Müller (Kiel), BÜNDNIS 90/ 23.03.2000 Klaus Wolfgang DIE GRÜNEN Ohl, Eckhard SPD 23.03.2000 Ostrowski, Christine PDS 23.03.2000 Polenz, Ruprecht CDU/CSU 23.03.2000 Poß, Joachim SPD 23.03.2000 Probst, Simone BÜNDNIS 90/ 23.03.2000 DIE GRÜNEN Raidel, Hans CDU/CSU 23.03.2000 Reiche, Katherina CDU/CSU 23.03.2000 Roth (Heringen), SPD 23.03.2000 Michael Dr. Rüttgers, Jürgen CDU/CSU 23.03.2000 Dr. Schäfer, Hansjörg SPD 23.03.2000 Schlauch, Rezzo BÜNDNIS 90/ 23.03.2000 DIE GRÜNEN Schmidt (Aachen), Ulla SPD 23.03.2000 Schmitz (Baesweiler), CDU/CSU 23.03.2000 Hans Peter Schröder, Gerhard SPD 23.03.2000 Dr. Staffelt, Ditmar SPD 23.03.2000 Türk, Jürgen F.D.P. 23.03.2000 Vaatz, Arnold CDU/CSU 23.03.2000 Wimmer (Neuss), Willy CDU/CSU 23.03.2000 Wolff (Zielitz), Waltraud SPD 23.03.2000 Dr. Zöpel, Christoph SPD 23.03.2000 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versamm- lung des Europarates Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und desBerichts zu den Anträgen der Fraktion PDS – Aufhebung der Sanktionen gegen die Bundes-republik Jugoslawien, – Schiffbarmachung der Donau und Wiederauf-bau der zerstörten Donaubrücken, – Aufhebung des Ölembargos gegen Jugoslawien (Tagesordnungspunkt 13) entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Uta Zapf (SPD): Ich bedauere, dass wir heute in die- sen knappen 30 Minuten zu später Stunde ein wichtiges Thema, nämlich unsere Politik gegenüber der Bundesre- publik Jugoslawien, beraten – und das, anstatt im ange- messenen Gesamtkontext unserer zukünftigen Südosteu- ropapolitik und des Stabilitätspaktes nur anhand von drei PDS-Anträgen, deren politischer Grundsatz – nämlich vollständige Aufhebung der Sanktionen, gleichberechtig- te Einbeziehung der Bundesrepublik Jugoslawien in das Aufbauprogramm – an der Sache vorbeigeht. Nach zehn Jahren Erfahrung mit dem Regime Milose- vic, nach all der nationalistischen Hetze gegen andere Ethnien in dem multiethnischen Bundesstaat Jugoslawi- en, nach systematischer Vertreibung und Mord an der ei- genen Bevölkerung kann man wohl kaum einen „Partner“ Milosevic akzeptieren, der keine Ansätze zur Demokrati- sierung zulässt. Damit verschenken und entwerten Sie ein wichtiges und zentrales Thema, nämlich die Frage: Wie muss eine Politik gegenüber Jugoslawien aussehen, die dieses für dauerhafte Stabilität auf dem Balkan zentrale Land in die Völkergemeinschaft zurückführt? Wie können wir dazu beitragen, dass in der Bundesre- publik Jugoslawien ein demokratischer Wandel stattfin- det? Wie können wir erreichen, dass die Bevölkerung nicht länger ausbaden muss, was ein verbrecherisches Re- gime ihr eingebrockt hat? Wie müssen unsere Sanktionen aussehen, sodass sie die herrschende Klasse und Milose- vic treffen, aber nicht den kleinen Mann und die kleine Frau auf der Straße? Wie können wir den Kommunen und Regionen in der Bundesrepublik Jugoslawien helfen, die sich gegen Milosevic gestellt haben, die den Weg der De- mokratisierung gehen wollen und die deshalb jetzt be- sonders von der Rache von Milosevic bedroht sind? Wie können wir Montenegro in seiner krisenhaften Situation stabilisieren? Wie können wir die serbische Opposition stärken? Die PDS stellt diese Fragen nicht einmal. Die heutige Debatte ist auch deshalb vergeudet, weil wir uns mit diesen Fragen auseinander setzen werden, wenn wir am 5. April in einer großen Debatte über den Sta- bilitätspakt reden. Dazu liegen ja bereits zwei Anträge der Koalition und einer der F.D.P. vor. Die CDU hat einen ei- genen Antrag angekündigt und es besteht die berechtigte Hoffnung, dass es uns gelingt, einen breiten überfraktio- nellen Konsens in dieser Frage zu finden. Natürlich müssen wir uns Gedanken über das Sankti- onsregime machen. Dies gilt generell und nicht nur im Fal- le der Sanktionen gegen Jugoslawien. Die UNO hat eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die diese Frage auch anhand der Erfahrungen mit Sanktionen im Irak prüfen soll. Wel- che Sanktionen sind wirkungsvoll, um das erwünschte Ziel zu erreichen? Welche Sanktionen sind kontrapro- duktiv, weil sie diktatorische, verbrecherische Regime nicht schwächen, sondern zu Solidarisierungseffekten mit ihnen führen? Welche Sanktionen treffen das Regime, welche ausschließlich die Bevölkerung? Sanktionen müssen zielgerichtet sein. Wenn sie ihren Zweck nicht erfüllen, muss man das Sanktionsregime än- dern. Die EU hat bereits reagiert und ihr Sanktionssystem geändert. Die EU-Außenminister haben zum Beispiel das Flugverbot gegen Jugoslawien zunächst für sechs Mona- te aufgehoben. Ziel ist es, den Druck auf die Nomenkla- tura zu erhöhen, was durch Restriktionen bei der Visa- vergabe erreicht werden kann. Für die Bevölkerung be- deutet dies eine Erleichterung. Gleichzeitig werden Maßnahmen erarbeitet, um die Finanzsanktionen zu ver- schärfen, was wiederum das Regime trifft. So soll das In- vestitionsverbot verschärft werden. Entscheidungen sind in Kürze zu erwarten. In der Bundesrepublik Deutschland besteht durchaus Konsens, auch über eine Aufhebung des Ölembargos nachzudenken. Die USAund andere europäische Länder, zum Beispiel die Niederlande und England, haben etwas mehr Bedenken. Auch die Opposition in Serbien wünscht aus guten Gründen eine Aufhebung dieses Embargos. Gerade die Opposition kann durchaus ihren Teil dazu beitragen, indem sie ihre Einigung vorantreibt, gemeinsam auf Wahlen hinarbeitet und gemeinsame Listen erstellt. Das Problem ist doch gerade die Uneinigkeit in allen Punkten außer der Gegnerschaft gegen Milosevic. Eine ei- nige serbische Opposition, die gemeinsam deutlich macht, dass nur eine Wende zur Demokratie und ein Ab- schwören von Nationalismus und Gewalt die Rückkehr Serbiens in die Völkerfamilie möglich macht, fehlt bis- lang. Die Unterstützung der serbischen Opposition auf ihrem Weg in die Demokratie ist deshalb wichtig. Nur ein sich demokratisierendes Serbien kann in die europäische Strukturen integriert werden. Ohne Serbiens Integration wird es keine dauerhafte Stabilität auf dem Balkan geben. Hier liegen auch unsere ureigensten Interessen. Wir müssen auch Montenegro helfen. Montenegro, das sich im Kosovo-Konflikt gegen die Kriegs- und Vertrei- bungspolitik Milosevics gestellt hat, steht vor dem öko- nomischen Ruin und droht ein nächster Konfliktherd zu werden. Ich begrüße die Initiative der Bundesregierung, Montenegro 40 Millionen DM Kreditgarantie zuzusagen, um das Schlimmste zu verhüten. Doch es tut mehr Hilfe Not und ich hoffe, dass die EU-Kommission bald zu Ent- scheidungen zugunsten von Kreditzusagen der Europäi- schen Investitionsbank kommt. „Kredit für Demokratie“ – so wie wir schon „Öl für Demokratie“ geliefert haben. Ein Städtepartnerschaftsprogramm ist recht erfolgreich angelaufen – hier liegen Chancen vielfältiger Art, um den Menschen in Jugoslawien zu helfen und um sie nicht völ- lig der Willkür des herrschenden Regimes auszuliefern. Eine Chance zur Demokratisierung und zur Unterstüt- zung einer demokratischen Opposition wird der Schutz von freien Medien sein. Darüber sollten wir uns Gedan- ken machen. Milosevic schließt eine freie Fernseh- und Radiostation nach der anderen, die freie Presse wird ver- folgt und drangsaliert. Wie können wir die freien Medien unterstützen, freie und faire Informationen sicherstellen? Wie nutzen wir unser Medium, die Deutsche Welle, um serbische Journalisten zu stützen und zu schützen? Hier ist Geld gut angelegt in Demokratie. Deutscher Bundestag - 14. Wahlperiode - 95. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 23. März 20008888 (C) (D) (A) (B) Die Schiffbarmachung der Donau und der Wiederauf- bau der Brücken sind zweifellos ein wichtiges Vorhaben. Darüber besteht Konsens. Zurzeit suchen die EU und die Anliegerstaaten nach den Modalitäten. Milosevic macht seine Zustimmung jedoch von Bedingungen abhängig: Zahlung von Reparationen, Aufhebung aller Sanktionen und Wiederaufbau aller Brücken. Das ist undiskutabel. Die Wiederschiffbarmachung der Donau hängt davon ab, dass die Pontonbrücke bei Novi Sad ersetzt wird. Die Bundesregierung hat hierfür bereits Geld bereitgestellt. Die Donaukommission, an der auch Serbien teilnimmt, ist sich einig. Die Schwierigkeit ist, dass die serbische Re- gierung hier die Zuständigkeit hat, die jetzt allerdings von Novi Sad beansprucht wird. Diese Frage wird hoffentlich bald gelöst. Im Übrigen ist die Donau-Räumung Be- standteil der Quick-Start-Projekte im Stabilitätspakt. Die PDS hat richtige Themen angesprochen in ihren Anträgen. Aber leider hat sie wichtige Fragen erst gar nicht gestellt. Deshalb kommt sie auch zu falschen Antworten. Wir lehnen die Anträge ab. Dr. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU): Das The- ma der Aufhebung von Sanktionen gegen die Bundesre- publik Jugoslawien verdient eine differenziertere Be- handlung, als die Anträge hier wiedergeben. Die Auffas- sung der PDS, Embargos seien kein geeignetes Mittel gegen totalitäre Regimes, halten wir grundsätzlich nicht für falsch. Im Gegenteil: Mit Handelssanktionen politische Veränderungen herbeizuführen, funktioniert in fast allen praktischen Beispielen nicht. Darüber hätten wir diffe- renziert diskutieren können. Umso mehr bedauern wir, dass die PDS keine Anre- gung zu einer differenzierten Betrachtung gegeben hat. Mit der Forderung, die Sanktionen gegen die Bundesre- publik Jugoslawien generell aufzuheben, wird sie der Kri- se nicht gerecht. Wir, die CDU/CSU, sind sehr wohl dafür, Sanktionen, unter denen die Bevölkerung leidet, aufzu- heben. Das Flugverbot wurde bereits suspendiert. Wir un- terstützen auch eine Suspendierung des Ölembargos, die bisher am Widerstand der USA und Großbritanniens ge- scheitert ist. Aber es gibt eben auch Maßnahmen, die ausschließlich die totalitären Machthaber treffen, die wir deshalb nicht aufheben wollen: Visa-Sperrlisten für die bekannten Kriegsverbrecher, die Sperrung von Auslandskonten der international gesuchten Kriegsverbrecher, das Waffen- embargo gegen die Bundesrepublik Jugoslawien, um nur einige Beispiele zu nennen. Die Forderung nach einer ge- nerellen Aufhebung aller Sanktionen ist völlig undiffe- renziert und wird unserer Verantwortung für den Südosten unseres Kontinents in keiner Weise gerecht. Deshalb leh- nen wir den Antrag ab. Der Antrag „Schiffbarmachung der Donau und Wie- deraufbau der zerstörten Donaubrücken“ ist im Grunde be- reits erledigt. Darin fordert die PDS von der Bundesre- gierung, sich für eine zügige Räumung des jugoslawischen Donauabschnitts von kriegsbedingten Trümmern und den entsprechenden Wiederaufbau der Brücken einzusetzen. Das ist richtig und sinnvoll. Nur hat die EU mit Beschluss vom 15. November sich bereits dafür ausgesprochen, ei- nen Beitrag zur Räumung der Donau zu leisten. Sie hat die Donaukommission beauftragt, dafür entsprechende Vor- schläge auszuarbeiten. Der Antrag der PDS ist deklama- torisch, er bezieht sich nicht auf die aktuelle Situation in Jugoslawien. Hingegen war es Belgrad, das noch im Sommer letzten Jahres Bedingungen an die von der PDS geforderten Maß- nahmen der EU knüpfte. Das Regime in Belgrad war nur bereit, Hilfe zum Wiederaufbau der Infrastruktur und hu- manitäre Hilfen zu akzeptieren, wenn alle Sanktionen auf- gehoben werden. Diese undifferenzierte und gegen die Rechte der Bevölkerung gerichtete Haltung macht sich der Antragsteller leider zu Eigen. Deshalb lehnen wir auch diesen Antrag ab. Wir wollen darüber reden, welche Sanktionen der Be- völkerung schaden. Dort können wir auch Einigung er- zielen. Sanktionen, die das totalitäre Regime treffen, müs- sen nicht nur rechtlich aufrechterhalten, sondern auch fak- tisch durchgesetzt werden. Und dann haben wir noch den Antrag „Aufhebung des Ölembargos gegen Jugoslawien“. Das Gleiche fordert die CDU/CSU in ihrem eigenen Antrag zum Stabilitätspakt. Aber in der Begründung zeigt sich die PDS leider einmal mehr als konsensunfähig. Sie bezeichnet das Programm „Öl für Demokratie“ als Erpressung und behauptet, es werde das Gegenteil der beabsichtigten Wirkung erzielen. Diese Beurteilung tragen wir nicht mit. Im Gegenteil: Ju- goslawien muss klare Signale bekommen, dass Schritte zur Demokratisierung und zur Beachtung des internatio- nalen Rechts honoriert, die Missachtung von Recht und Demokratie aber sanktioniert werden. Schade, dass die PDS nicht zu einer Differenzierung be- reit ist. In dieser Form lehnen wir alle drei Anträge ab. Walter Hirche (F.D.P.):Die alarmierenden Meldungen über zunehmende Spannungen in der Region wären auch unabhängig von dem Jahrestag der NATO-Intervention Anlass genug, sich mit dem Kosovo zu befassen. Doch bei allen aktuellen Problemen sollten wir angesichts des Jah- restages nicht vergessen, dass die beiden Hauptziele des NATO-Engagements erreicht wurden: Mord, Vergewalti- gung und Vertreibung wurden gestoppt. Die vertriebenen Kosovaren konnten in ihre Heimat zurückkehren. Die Al- ternative wäre gewesen, der Vertreibung und Vernich- tung einer ganzen Volksgruppe tatenlos zuzusehen. Die NATO-Intervention war ein notwendiges Übel und sie war erfolg-reich. Die NATO und die Europäische Union haben ihre Handlungsfähigkeit unter Beweis gestellt. Hu- manitäre Interventionen der demokratischen Staatenge- meinschaft gegen massive Menschenrechtsverletzungen stellen spätestens seit dem Kosovo-Konflikt keine völ- kerrechtswidrigen Einmischungen in innere Angelegen- heiten mehr dar. Der Wiederaufbau der Zivilgesellschaft hat begonnen und in den letzten Monaten bereits derarti- ge Fortschritte gebracht, dass der UNHCR-Sonderbeauf- tragte McNamara allen kosovarischen Flüchtlingen emp- fohlen hat, in den Kosovo zurückzukehren. Zwar konnte die NATO den Frieden in der Region wie- derherstellen, seine Sicherung bleibt jedoch eine enorme Herausforderung. Acht Monate nach dem Einmarsch der Deutscher Bundestag - 14. Wahlperiode - 95. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 23. März 2000 8889 (C) (D) (A) (B) KFOR-Truppen ist die Lage im Kosovo nach wie vor an- gespannt. Die Gewalt von Kriminellen sowie von serbi- schen und albanischen Extremisten schafft ein allgemei- nes Klima der Unsicherheit. Weder die KFOR-Truppen noch die UNMIK-Polizei sind in der Lage, umfassende Stabilität zu gewährleisten. Die so genannte ethnische Gewalt ist weiterhin an der Tagesordnung. Der albani- schen Hetze auf die im Kosovo verbliebenen Serben steht die Mobilisierung serbischer Nationalisten in Mitrovica gegenüber, die zur endgültigen Vertreibung der Albaner aus dem Nord-Kosovo angetreten sind. Unterdessen nutzt Milosevic nach bewährter Methode jede sich ihm bieten- de Chance, die ethnischen Spannungen weiter zu schüren und die Nachbarprovinz Montenegro unter massiven Druck zu setzen. Nach innen nutzt er die Schwäche der serbischen Opposition, um seine Machtbasis zu festigen. Kritische Medien werden brutal verfolgt. Es herrscht in Belgrad wieder ein Klima der Einschüchterung. Vor diesem Hintergrund wäre es geradezu absurd, dem Antrag der PDS zu folgen und eine Aufhebung der Sank- tionen gegen Jugoslawien zu fordern. Dies ist auch die Auffassung der von den Sanktionen selbst betroffenen Nachbarstaaten Jugoslawiens, die sich am vergangenen Freitag einstimmig für die Fortsetzung der Sanktionen und damit für die Aufrechterhaltung des Drucks auf Belgrad ausgesprochen haben. Die Sanktionen aus angeblich hu- manitären Erwägungen aufzuheben und damit Milosevic Unrechtsregime zu verharmlosen, kommt nicht von un- gefähr von der PDS. In der DDR ging es ja auch immer nur um das Wohl des Volkes. Schon der Schulterschluss, den Herr Gysi mit Milosevic durch seinen Besuch in Bel- grad während des Krieges suchte, hat dies deutlich ge- macht. Die Erfahrung hat gezeigt, dass Milosevic nur auf Druck reagiert. Jedes Einlenken ist für ihn ein Signal der Schwäche, das er sofort zur Verschärfung seiner Men- schen verachtenden Politik nutzt. Die F.D.P.-Bundestags- fraktion unterstützt die Politik der Europäischen Union, die darauf abzielt, die Sanktionen gegen Jugoslawien so zu gestalten, dass in erster Linie die Belgrader Führung und nicht die Zivilbevölkerung getroffen wird. Dies be- deutet auch die Fortführung der Zusammenarbeit mit ein- zelnen serbischen Staaten und Regionen, die teilweise Aufhebung von Sanktionen gegenüber Montenegro sowie den Wiederaufbau der zerstörten Donaubrücken im Rah- men des Stabilitätspaktes und es bedeutet die Unterstüt- zung der demokratischen Opposition in Serbien. Die Besorgnis erregenden Entwicklungen der letzten Wochen zeigen: Die Region um den Kosovo ist nach wie vor ein Pulverfass. Sie zeigen auch, dass sich die interna- tionale Gemeinschaft dort noch langfristig wird engagie- ren müssen. Jeder, der die Entwicklung in Bosnien beob- achtet hat, weiß, dass ein internationales Engagement im Kosovo dauerhaft sein muss und eine militärische Präsenz von KFOR unabdingbar für die Eindämmung von Extre- mismus ist. Um einen erneuten Ausbruch von Gewalt und um neue Flüchtlingsströme zu verhindern, muss jetzt dringend gehandelt werden. Hierzu gehört nicht nur die von Frankreich und Italien dankenswerterweise angekün- digte dringend notwendige Aufstockung der KFOR-Trup- pen. Hierzu gehört vor allem die Entsendung der für die öffentliche Ordnung notwendigen Polizeikontingente so- wie die zügige Umsetzung des Balkanstabilitätspaktes. Die Bundesregierung muss gegenüber ihren europäi- schen Partnern mit Nachdruck die Einhaltung der über- nommenen Verpflichtungen einfordern. Dabei geht es nicht nur um finanzielle Mittel. Das heillose Kompetenz- wirrwarr zwischen den verschiedenen an der Durch- führung des Stabilitätspaktes beteiligten Institutionen muss endlich aufhören. Die Bundesregierung hat ihren eu- ropäischen Partnern einen Koordinator für den Stabilitäts- pakt aufgedrängt. Sie muss deshalb auch dafür sorgen, dass er endlich anfängt zu koordinieren. Das Ziel einer friedlichen, multi-ethnischen Zukunft in der Region kann nur durch sichtbare Fortschritte beim Wiederaufbau, ver- trauensbildende Maßnahmen, durch regionale Zusam- menarbeit und durch die Annäherung an die Europäische Union erreicht werden. Dr. Ludger Volmer, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Erstens. Zwar besteht Einigkeit in einem zentralen Punkt: nämlich dass der demokratische Wandel in Serbi- en die Schlüsselfrage zur Lösung zahlreicher Probleme in Südosteuropa ist. Wir wollen daher alles tun, was das Re- gime Milosevic weiter isoliert und die demokratischen Kräfte in Serbien stärkt. Das Herbeiführen eines demokratischen Wandels in der BRJ erfordert allerdings einen differenzierten Einsatz unserer verschiedenen Instrumente: Unterstützung der de- mokratischen Kräfte, Demokratisierungshilfen, Unter- stützung für die unabhängigen Medien, Aufbau einer Zi- vilgesellschaft, Stärkung der frei gewählten Städte und Kommunen durch gezielte Städteprojektpartnerschaften mit deutschen Städten. Die von der EU beschlossenen Sanktionsmaßnahmen sind dabei nur ein, wenn auch ein wichtiges Element in diesem Instrumentarium. Wir beur- teilen sie danach, ob sie geeignet sind, die Isolierung des Regimes in Belgrad zu erhöhen, anstatt die serbische Be- völkerung zu treffen. Deshalb verfolgen wir auch hier einen differenzierten Ansatz: Verschärfung der Sanktionen, die gezielt das Re- gime treffen – Visasperrliste, Finanzsanktionen –, Sus- pendierung/Aufhebung der Sanktionen, die vorrangig die serbische Bevölkerung treffen – Flugverbot, Ölembargo. In diesem Sinne hat der Allgemeine Rat am 14. Febru- ar eine sechsmonatige Suspendierung des Flugverbots bei gleichzeitiger Ausweitung der Visasperrliste beschlossen. Dieser Beschluss nahm ausdrücklich Bezug auf die ent- sprechenden Forderungen der demokratischen Kräfte in Serbien und auf die gemeinsame Erklärung der Oppositi- onsgruppen vom 10. Januar. Damit sollte ein klares Si- gnal an die serbische Bevölkerung gegeben werden, dass die Unterstützung Milosevics eine Sackgasse ist und nur eine Unterstützung der demokratischen Kräfte Hoffnung auf eine wirtschaftliche Zukunft verspricht. Am 20. März hat der Allgemeine Rat eine Verordnung zur Umsetzung der Suspendierung des Flugverbots be- schlossen. Die Umsetzung der Verschärfung der Fi- nanzsanktionen soll noch vor Ende März erfolgen. Eine Aufhebung der von der EU beschlossenen Sanktionen gegen die BRJ kann nur durch einen entsprechenden Deutscher Bundestag - 14. Wahlperiode - 95. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 23. März 20008890 (C) (D) (A) (B) EU-Beschluss erfolgen. Die Bundesregierung stimmt sich daher in dieser Frage eng mit ihren europäischen Partnern ab und ist sich mit ihnen einig, dass die Aufhebung sämt- licher Sanktionen mit Ausnahme des Waffenembargos zum jetzigen Zeitpunkt das falsche politische Signal wä- re. Es müsste von der serbischen Bevölkerung so ver- standen werden, dass die EU in Bezug auf ihr Verhältnis zum Regime Milosevic zur Normalität übergeht. Zweitens. Dem Antrag zur Aufhebung des Ölembargos gegen die Bundesrepublik Jugoslawien kann die Bundes- regierung zwar im Tenor, nicht aber in der Begründung zu- stimmen. Die enge Abstimmung mit unseren Partnern in der EU bezieht sich natürlich auch auf die Frage des Ölembargos. Allerdings gibt es hierzu noch keine einheitliche Haltung der EU. Während Frankreich, Italien, Griechenland und Österreich mit uns für eine sofortige Aufhebung des Ölembargos eintreten, sind Großbritannien – auf Linie der USA – und etwas weniger dogmatisch Niederlande und Schweden gegen eine Aufhebung zum jetzigen Zeitpunkt. Die Befürworter einer Aufhebung sehen, dass das Regi- me vom Ölembargo profitiert, da Milosevic den Schwarz- handel kontrolliert, während die Gegner einer Aufhebung befürchten, dass das Regime eine Aufhebung propagan- distisch ausschlachten würde. Die Bundesregierung hat daher einen Kompromiss- vorschlag gemacht, mit dem Ziel, die Bedenken der Part- ner zu überwinden und möglichst bald eine einheitliche Haltung der EU auch in dieser Frage zu erreichen: Sus- pendierung des Ölembargos für 6 Monate, sobald serbi- sche Opposition sich auf eine gemeinsame politische Plattform, eine gemeinsame Kandidatenliste für Kom- munalwahlen und eine gemeinsame Strategie für Wahlen einigt. Die von uns geforderten Kriterien sind der serbischen Opposition bekannt. Mit der Verabschiedung einer politi- schen Plattform am 3. März haben die serbischen Oppo- sitionsgruppierungen einen entsprechenden wichtigen Schritt in Richtung mehr Gemeinsamkeit getan. Die Bundesregierung wird das Ziel einer Aufhebung oder Suspendierung des Ölembargos weiter aktiv inner- halb der EU vertreten und durchzusetzen versuchen. Drittens. Dem Antrag zur Schiffbarmachung der Donau und Wiederaufbau der zerstörten Donaubrücken kann die Bundesregierung nicht zustimmen. Die Bundesregierung hält die Freiräumung der Fahr- rinne der Donau für eine verkehrspolitische Frage von ho- her Bedeutung. Sie ist allerdings mit schwierigen außen- politischen Fragen verknüpft. Der Bundesregierung sind die negativen Auswirkungen der Blockade der Donau bei Novi Sad voll bewusst. Sie beeinträchtigt den Handel und belastet die Binnenschiff- fahrt. Sie trifft besonders hart die Reformstaaten Südost- europas und beeinflusst negativ deren wirtschaftliche Entwicklung. Die Bundesregierung hat daher von Anbeginn die Bemühungen der Donaukommission unterstützt, die da- rauf gerichtet waren, die Fahrrinne zu räumen. Der von der Donaukommission veranlassten Expertenkommission, die Ende Juli 1999 nach Novi Sad reiste, um sich von der Blockade ein Bild zu verschaffen, gehörte auch ein deut- scher Ingenieur an, dessen Mitarbeit erheblich zum Erfolg der Mission beigetragen hat. Die Frage der Schiffbarmachung der Donau wurde von den Außenministern der EU in den letzten Monaten bereits verschiedentlich erörtert. Der Rat hat zuletzt am 20. März erneut die Dringlichkeit der Schiffbarkeit der Donau her- vorgehoben. Die Mitgliedstaaten der Donaukommission haben am 25. Januar einen diesbezüglichen Projektantrag verab- schiedet und der EU-Kommission zugeleitet. Er veran- schlagt die Kosten für die Räumung auf 24 Millionen Eu- ro. Grundsätzlich besteht seitens der EU die Neigung, den Antrag großzügig zu bescheiden und sich mit circa 85 Prozent an den Kosten zu beteiligen. Die endgültige Entscheidung über den Antrag hängt jedoch von der Klärung einer Reihe von Fragen durch die Donaukom- mission ab, unter anderem der Frage des Projektmanage- ments und der anzuwendenden rechtlichen Vorschriften der BRJ. Eine von der Donaukommission eingesetzte Ex- pertengruppe hat inzwischen bereits mit Vorarbeiten für die Räumung der Fahrrinne begonnen. Ein Wiederaufbau der zerstörten Donaubrücken aber ist mit dem bestehenden EU-Sanktionsregime unvereinbar. Die Bundesregierung ist sich mit ihren europäischen Part- nern einig, dass ein Wiederaufbau der zerstörten Donau- brücken nicht in Betracht kommt, solange Milosevic an der Macht ist. Die Bundesregierung ist dennoch bereit, sich im Rahmen einer Kofinanzierung aus humanitären Erwägungen für eine Behelfsbrücke in Novi Sad zu en- gagieren. Die Wiederherstellung der Schiffbarkeit der Donau ist ohne Beseitigung der derzeitigen Pontonbrücke in Novi Sad und Ersatz durch eine Behelfsbrücke nicht möglich. Wir prüfen derzeit Möglichkeiten, das Projekt im Rah- men der Szeged-Prozesses des Stabilitätspaktes, das heißt unter dem Dach einer Städteprojektpartnerschaft Dortmund-Novi Sad, gegebenenfalls zusammen mit wei- teren europäischen Partnerstädten Novi Sads zu realisie- ren. Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Rede zurBeratung des Antrags: Menschenrechte in der Volksrepublik China (Tagesordnungspunkt 15) Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (F.D.P.): Die Durchsetzung und Beachtung der Menschenrechte sollten zum Dreh- und Angelpunkt der Politik der Re- gierung Schröder werden. Jedenfalls war das das Ver- sprechen, das SPD und Bündnis 90/Die Grünen ihren An- hängern und der deutschen Öffentlichkeit gegeben haben. Dass diese vollmundigen Ankündigungen von der Wirk- lichkeit deutscher Regierungspolitik schnell eingeholt wurden, mag dem Mangel an Regierungserfahrung der rot-grünen Führungsriege zuzuschreiben sein. Dass aber Deutscher Bundestag - 14. Wahlperiode - 95. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 23. März 2000 8891 (C) (D) (A) (B) das rot-grüne Menschenrechtspathos von der politischen Realität nicht nur eingeholt, sondern längst überholt und überrollt wurde, ja, die menschenrechtliche Konditio- nierung deutscher Politik geradezu flachgewalzt zu wer- den droht, kann auch bei gutem Willen nicht mehr mit Unerfahrenheit entschuldigt, sondern nur noch mit Op- portunismus und Prinzipienlosigkeit erklärt werden. Wie so vieles andere, so ist auch die Regierungspolitik gegenüber der Volksrepublik China in den mittlerweile eklatanten Widerspruch zwischen dem großsprecheri- schen Anspruch und der nüchternen und ernüchternden Wirklichkeit deutscher Außenpolitik geraten. Wie kaum ein anderes Land von geopolitischer Be- deutung steht die Volksrepublik China für exzessive Ver- letzungen der Grund- und Menschenrechte: Gefangenen- lager, staatliche Umerziehung, Morde und Folter im Straf- vollzug, die Menschenwürde verachtende Bestrafungen und öffentliche Hinrichtungen, gewaltsame Unter- drückung der Meinungs- und Bekenntnisfreiheit, Unter- drückung ethnischer Minderheiten, das sind nur einige der Vorwürfe, denen die Regierung der Volksrepublik China schon seit Jahren ausgesetzt ist. Damit konfrontiert und unter dem Druck einer dro- henden, von Europa und den USAgemeinsam getragenen Resolution der VN-Menschenrechtskommission, hatte die Regierung der Volksrepublik China 1995 erstmals ih- re Bereitschaft erklärt, in einen Menschenrechtsdialog einzutreten, soll heißen, nicht länger auf der Ausklamme- rung von Menschenrechtsfragen aus seinen bilateralen Beziehungen zu anderen Staaten zu bestehen. Positives geschah nicht. Im Gegenteil, Berichten in- ternationaler Menschenrechtsorganisationen und vor al- lem der VN-Hochkommissarin für Menschenrechte zu- folge hat sich die Menschenrechtssituation in der Volks- republik China tendenziell sogar verschlechtert. Der Entwurf einer gegen diese Situation gerichteten Re- solution der Vereinigten Staaten, die diesmal bemerkens- werterweise ohne die Unterstützung durch die Staaten der Europäischen Union in die gerade begonnene Sitzungspe- riode der VN-Menschenrechtskommission eingebracht wird, weist mit Recht darauf hin, dass die Volksrepublik China den zugestandenen Menschenrechtsdialog lediglich zur Verfestigung des verurteilungswürdigen menschen- rechtlichen Status quo zu instrumentalisieren sucht. Die- sen dreisten Versuch kann die internationale Staatenge- meinschaft, kann auch die Bundesregierung nicht kom- mentar- und tatenlos hinnehmen. Gerade deshalb wäre es jetzt so wichtig, dass vor allem die Staaten von weltpolitischer Bedeutung, wozu auch die in der Europäischen Union verbundenen Staaten, einzeln und gemeinsam, gehören, ihr ganzes politisches, aber auch wirtschaftliches Gewicht zugunsten der Menschen- rechte in China einbringen. Stattdessen und ganz im Widerspruch zu ihrer voll- mundigen Menschenrechtsrhetorik übt sich die Bundes- regierung seit ihrem Regierungsantritt im Schweigen und in Bücklingsposen. Der Gang ins chinesische Canossa, zu dem der deutsche Bundeskanzler durch die allzu tiefe Verstrickung vor al- lem seiner Minister für Verteidigung und Äußeres in den völkerrechtlich zwielichtigen, menschenrechtspolitisch schädlichen und im Ergebnis desaströsen Jugoslawien- krieg gezwungen war, ist eines der plastischen Indizien für die Unfähigkeit der Bundesregierung, gegenüber der Volksrepublik China eine wirkungsvolle Menschen- rechtspolitik ins Werk zu setzten. Deutscher Bundestag - 14. Wahlperiode - 95. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 23. März 20008892 (C) (D) (A) (B) Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin 53003 Bonn, Telefon: 02 28/3 82 08 40, Telefax: 02 28/3 82 08 44 20
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Jochen Welt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Meine lieben
    Kolleginnen und Kollegen! Die Bundesregierung ist sich
    ihrer Verantwortung für die deutsche Minderheit in Ost-
    europa und insbesondere in den Nachfolgestaaten der
    ehemaligen Sowjetunion bewusst. Russlanddeutsche ha-
    ben am längsten unter Vertreibung und Verfolgung so-
    wie den Folgen des Zweiten Weltkrieges gelitten. Für
    die konkrete Politik heißt das, dass für all diejenigen
    Mitglieder der deutschen Minderheit, die die gesetzli-
    chen Voraussetzungen erfüllen, die Möglichkeit besteht,
    nach Deutschland zuzuwandern.

    Nur zwei Prämissen müssen in diesem Zusammen-
    hang klar sein: Erstens. Der Zuzug muss sozialverträg-
    lich organisiert sein. Zweitens. Für diejenigen, die ge-
    kommen sind, muss die Integration die absolute Priorität
    haben. Es genügt also nicht, zu sagen: „Das Tor ist offen
    und jeder kann kommen“, wenn danach die Menschen
    allein gelassen werden. Für uns ist wichtig, dass diejeni-
    gen, die gekommen sind, und dass diejenigen, die kom-
    men, die Möglichkeit haben, sich hier einzubringen,
    teilzuhaben, gute Nachbarn zu sein und hier auch gute
    Nachbarn zu finden.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Ein wichtiger Teil der sozialverträglichen Zuwande-
    rung ist eine zahlenmäßige Begrenzung. Wir haben die
    Quote von ehemals 200 000 auf 100 000 Personen ab-
    gesenkt, sie also der erkennbaren Entwicklung ange-
    passt. Wir haben somit Planungssicherheit für die Be-
    troffenen, für die Gemeinden und Aufnahmeein-
    richtungen sowie für die Sozialorganisationen und die
    Finanzpolitik geschaffen.

    Sozial verträgliche Zuwanderung bedeutet aber auch
    eine gleichmäßige Verteilung der Spätaussiedler und der
    damit zweifelsohne verbundenen Aufgabenverteilung
    zwischen Bund, Ländern und Gemeinden.

    Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir werden nicht
    zulassen, dass Gemeinden, wie in der Vergangenheit,
    mit einem Spätaussiedleranteil von bis zu 40 Prozent fi-
    nanziell, vor allen Dingen aber auch sozial überfordert
    sind. Das bereits in der letzten Legislaturperiode ge-
    meinsam verabschiedete Wohnortzuweisungsgesetz hat
    in diesem Zusammenhang sicherlich eine wertvolle Hil-
    fe geleistet. Dieses Gesetz ist allerdings bis zum 15. Juli
    dieses Jahres befristet.

    Die Eingliederung ist trotz der zurückgegangenen
    Zuzugszahlen wesentlich schwieriger geworden. Die
    Gründe liegen sicherlich auf der Hand: die schwierige
    wirtschaftliche und arbeitsmarktpolitische Lage in den
    vergangenen Jahren. Sie liegen aber auch darin, dass die
    Gruppe derjenigen, die seit Mitte der 90er-Jahre ge-
    kommen sind, wesentlich schwierigere Voraussetzungen
    mit sich bringen. Es handelt sich verstärkt um gemischt-
    nationale Familien, bei denen die deutschen Sprach-
    kenntnisse mehr und mehr gegen null tendieren. Aber
    die schwierigere Situation, verehrte Kolleginnen und
    Kollegen, resultiert auch zweifelsohne aus einer – vor-
    sichtig formuliert – sehr zurückhaltenden Integra-
    tionspolitik der Vorgängerregierung. Deshalb müssen
    wir das Wohnortzuweisungsgesetz, das sich vom Ansatz
    bewährt hat, verlängern und in einigen wesentlichen
    Punkten weiter entwickeln.

    Wir wollen, dass jeder Spätaussiedler mit seiner Fa-
    milie drei Jahre an seinen zugewiesenen Wohnort ge-
    bunden ist und auch dort seine Integrationsleistung und
    auch dort seine Unterhaltsleistung erhält. Eine Befris-
    tung des Gesetzes bis zum Jahre 2009, wie durch den
    Innenausschuss beschlossen, wird von mir durchaus be-
    fürwortet. Es geht in erster Linie darum, denke ich, die
    notwendigen Instrumentarien für die kommenden Jahre
    zu haben. Dies ist damit sehr wohl gewährleistet.

    Wir haben in den vergangenen Monaten zu der Mög-
    lichkeit der Verlängerung unzählige Diskussionen ge-
    führt: mit Betreuungsorganisationen, Betroffenen, Ver-
    bänden, Städten und Gemeinden. Wir haben in einem
    Spannungsverhältnis zwischen einer weitestgehenden
    Freizügigkeit auf der einen Seite und der Sicherung des
    sozialen Friedens in Gemeinden, Stadtteilen und Wohn-
    quartieren auf der anderen Seite abzuwägen. Wir haben
    trotz sicherlich verständlicher Wünsche von Betreu-
    ungsorganisationen und Verbandsvertretern viel Ver-
    ständnis für das Anliegen einer sozialverträglichen Steu-
    erung durch die Wohnortzuweisung erhalten.

    Der jetzt vorliegende Gesetzentwurf stellt einen ver-
    nünftigen und ausgewogenen Kompromiss dar. Die Ent-
    stehung neuer Ballungsgebiete wird durch dieses Gesetz
    vermieden. Bestehende Ballungsräume sind auch künf-
    tig von der Zuwanderung ausgenommen und können da-
    durch entlastet werden. Auf der Grundlage des erkenn-
    baren Zuzugs können die Kommunalverwaltungen ihre
    Planungen im Hinblick auf Wohnraum, auf Sprachkurse

    Vizepräsidentin Anke Fuchs






    (A)



    (B)



    (C)



    (D)


    und auf sonstige Integrationshilfen treffen. Davon profi-
    tieren nicht zuletzt auch die Spätaussiedler selbst.

    Im bisherigen Gesetz, verehrte Kolleginnen und Kol-
    legen, war die Arbeitsplatzsuche ein Problem, wenn
    der Aufenthaltsort, der zugewiesene Wohnort, von dem
    möglichen Arbeitsort abwich. Durch diesen Gesetz-
    entwurf ist das zufriedenstellend gelöst. Die Bindung
    soll zum Zwecke der Arbeitsplatzsuche gelockert wer-
    den. Wir werden keinen Spätaussiedler mehr an einen
    zugewiesenen Wohnort binden, wenn er die Chance hat,
    an einem anderen Ort einen gesicherten Arbeitsplatz zu
    finden. Die Berufstätigkeit, die Eingliederung in den
    Arbeitsmarkt, ist einer der wesentlichen Bestandteile für
    eine erfolgreiche Integration.

    Wir wollen die gesteuerte, sozialverträgliche Zuwan-
    derung mit den notwendigen Integrationshilfen beglei-
    ten. Deshalb werden wir in den kommenden Jahren in
    unserer aktiven Integrationsförderungspolitik nicht
    nachlassen. Bei den Integrationsmitteln des BMI haben
    wir eine deutliche Erhöhung durchgesetzt. 1999 wurden
    die Mittel von 32 Millionen DM auf 42 Millionen DM,
    also um 30 Prozent, aufgestockt.

    Für dieses Jahr ist trotz aller Sparzwänge eine weitere
    Mittelerhöhung auf 45 Millionen DM erfolgt. Das ist ei-
    ne Verbesserung der Integrationsmöglichkeiten in den
    Städten und Gemeinden und das ist, verehrte Kollegin-
    nen und Kollegen, vor allen Dingen ein gesellschaftspo-
    litisch wichtiges und richtiges Zeichen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Wir sollten, denke ich, auch alle aus der Vergangenheit
    gelernt haben. Es macht einfach keinen Sinn, jetzt bei
    der Integrationshilfe zu sparen und sich morgen über
    Konflikte in den Stadtteilen und über soziale Auffällig-
    keiten bei den Jugendlichen zu beklagen.


    (Beifall bei der SPD)

    Aber es geht nicht nur um Finanzmittel. Es geht auch

    um das stärkere Einbinden bürgerschaftlichen, gesell-
    schaftlichen Engagements in die Integrationsarbeit. Ich
    will bei dieser Gelegenheit all den vielen Mitarbeiterin-
    nen und Mitarbeitern in den Betreuungsorganisationen
    und vor allem den vielen ehrenamtlichen Mitarbeiterin-
    nen und Mitarbeitern danken, die sich seit Jahren in fan-
    tastischer Weise in der Integrationsarbeit mühen. Ohne
    sie wäre die Situation wesentlich dramatischer. Sie ha-
    ben Dank und auch Anerkennung verdient.


    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der F.D.P.)


    Aber es gilt, verehrte Kolleginnen und Kollegen,
    noch stärker darauf hinzuarbeiten, dass diese Arbeit
    nicht nur als Aufgabe für Aussiedler- und Betreuungs-
    organisationen verstanden wird. Eingliederungsarbeit für
    Zuwanderer darf keine soziale Randgruppenarbeit sein,
    sondern sie muss als gesamtgesellschaftliche Aufgabe
    begriffen werden.

    Deshalb initiieren und unterstützen wir Netzwerke
    für Integration in den Städten und Gemeinden. An die-

    sen sollen alle relevanten gesellschaftlichen Gruppen,
    aber auch die betroffenen Spätaussiedlerinnen und Spät-
    aussiedler beteiligt sein. Hier gilt es, auf örtliche Be-
    dürfnisse zugeschnittene Projekte vorzubereiten und sie
    dann auch gemeinsam zu realisieren. Bei diesen Projek-
    ten hat für uns insbesondere die Integration der jugend-
    lichen Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler eine abso-
    lute Priorität.


    (Beifall bei der SPD)

    Das gilt ebenso für die Sprachförderung. Sprache ist

    ja bekanntlich der Schlüssel zur Integration. Dabei kann
    es angesichts der finanziellen Situation der öffentlichen
    Haushalte nicht um eine generelle Verlängerung der
    Sprachförderung gehen. Wir haben schließlich und letzt-
    lich im Jahre 1999 einschließlich der Eingliederungshil-
    fe für die Sprachförderung rund 1 Milliarde DM ausge-
    geben. Wir arbeiten zurzeit daran, dass mit diesen be-
    trächtlichen Mitteln mehr erreicht wird als bisher. Wir
    müssen sicherstellen, dass die Kurse qualitativ ver-
    bessert werden, dass es vor Ort keine Konkurrenz um
    Teilnehmer für unterschiedlich finanzierte Kurse gibt.
    Und wir müssen erreichen, dass alle Familienmitglieder
    der Spätaussiedlerfamilien auch einen Sprachkurs erhal-
    ten. Also mehr Effizienz in der Sprachförderung! Das
    sind wir den Betroffenen, aber auch dem Steuerzahler
    schuldig.


    (Beifall bei der SPD und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Der Erfolg unserer Integrationsbemühungen hängt
    entscheidend von der Akzeptanz von Zuwanderung
    ab. Akzeptanz werden wir erreichen, wenn sich alle en-
    gagieren, wenn sich alle einbringen, aber auch dann,
    wenn übermäßige Belastungen in Städten und Gemein-
    den vermieden werden. Dazu leistet das jetzt fortge-
    schriebene Wohnortzuweisungsgesetz einen wirklich
    wichtigen Beitrag.

    Ich darf Sie ganz herzlich um Unterstützung für die-
    ses Gesetzgebungsvorhaben bitten.


    (Beifall bei der SPD)




Rede von Anke Fuchs
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Ich erteile dem Kol-
legen Harmut Koschyk von der CDU/CSU-Fraktion das
Wort.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Hartmut Koschyk


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Frau Präsidentin!
    Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heu-
    te – der Aussiedlerbeauftragte der Bundesregierung,
    Herr Kollege Welt, hat bereits darauf hingewiesen – ei-
    nen Gesetzentwurf der Bundesregierung, der das zurzeit
    noch in Kraft befindliche Wohnortzuweisungsgesetz
    ergänzen soll. Ich darf daran erinnern, dass dieses
    Wohnortzuweisungsgesetz unter einer unionsgeführten
    Bundesregierung – damals zumindest auch mit Zustim-
    mung der SPD; Bündnis 90/Die Grünen hatten funda-
    mentale Bedenken gegen dieses Gesetz – zustande ge-
    kommen ist.


    (Zuruf von der F.D.P.: Hört, hört!)


    Jochen Welt






    (A)



    (B)



    (C)



    (D)


    Sehr geehrter Herr Welt, wir verschließen die Augen
    nicht davor, dass wir dann, wenn dieses Gesetz im Juli
    dieses Jahres ausläuft, das Problem haben, dass wir in-
    nerhalb Deutschlands möglicherweise wieder eine ge-
    wisse Bewegung in Ballungsgebiete, in denen wir schon
    eine sehr hohe Aussiedlerkonzentration haben, bekom-
    men könnten. Deshalb sind wir als CDU/CSU-Fraktion
    grundsätzlich konstruktiv an die Frage, wie wir zu die-
    sem Gesetz stehen, herangegangen.

    Wir sehen eine gewisse Problematik darin, dass die-
    ses Gesetz nicht nur für die Aussiedler gelten wird, die
    ab dem 15. Juli 2000 – nach Auslaufen des jetzigen Ge-
    setzes – nach Deutschland kommen, sondern auch für
    diejenigen Aussiedler, die seit dem 15. Juli 1997 nach
    Deutschland gekommen sind.

    Neu ist auch die Bestimmung in dem jetzt von der
    Bundesregierung vorgelegten Gesetz, die Spätaussiedler
    zur Registrierung in einer Erstaufnahmeeinrichtung des
    Bundes rechtlich verpflichtet. Solange sich Spätaussied-
    ler nicht registrieren lassen, erhalten sie grundsätzlich
    keine Integrationshilfen und sonstigen staatlichen Leis-
    tungen. Bislang gab es dadurch lediglich einen fakti-
    schen Zwang zur Registrierung.

    Wir begrüßen – das will ich ausdrücklich sagen –,
    dass mit dem vorgelegten Gesetz durch eine zusätzliche
    Regelung den arbeitsfähigen Aussiedlern ein zeitlich
    begrenzter Aufenthalt in einer anderen Region mit bes-
    seren Rahmenbedingungen auf dem Arbeitsmarkt er-
    möglicht werden soll, ohne dass die diese Möglichkeit
    nutzenden Aussiedler den Anspruch auf staatliche Leis-
    tungen verlieren.

    Wir haben uns die Prüfung und Bewertung des Ge-
    setzentwurfes nicht leicht gemacht. Für uns war ganz
    entscheidend, dass die Koalitionsfraktionen bei der Be-
    ratung im federführenden Innenausschuss einem Antrag
    der CDU/CSU-Fraktion gefolgt sind, das neue Gesetz
    nicht unbefristet in Kraft treten zu lassen, sondern es mit
    einer zeitlichen Befristung zu versehen und es am
    31. Dezember 2009 außer Kraft treten zu lassen. Diese
    Änderung war für uns bedeutsam, sodass wir als CDU/
    CSU-Fraktion dem Gesetz bei allen Vorbehalten, die es
    in unserer Fraktion gibt – bis hin zur Ablehnung –,
    grundsätzlich zustimmen werden.

    Auch wir haben natürlich den Kontakt mit den Län-
    dern und den Kommunen gesucht. Wir haben zur
    Kenntnis genommen, dass auch die unionsregierten
    Länder ein neues Gesetz dieser Art begrüßen. Deshalb
    hat bei der Behandlung im Bundesrat kein Land Ein-
    wendungen gegen dieses Gesetz erhoben.

    Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, dass
    wir als CDU/CSU-Fraktion damit auch in der Oppositi-
    on deutlich machen, dass wir uns vernünftigen Regelun-
    gen in der Aussiedlerpolitik, die insgesamt die Akzep-
    tanz für die zu uns kommenden Aussiedler fördern,
    nicht verschließen. Aber ich möchte diese Debatte doch
    auch dazu nutzen, deutlich zu machen, dass es eine gan-
    ze Reihe von Punkten in der Aussiedlerpolitik der jetzi-
    gen Bundesregierung gibt, gegen die wir Vorbehalte ha-
    ben und die nicht unsere Zustimmung finden können.

    Sehr geehrter Herr Kollege Welt, wir nehmen erfreut
    zur Kenntnis, dass Sie den noch unter der unionsgeführ-
    ten Bundesregierung beim Bundesverwaltungsamt ein-
    gerichteten Integrationsfonds zur Lösung von Schwer-
    punktproblemen sehr schätzen. Aber ich will doch deut-
    lich machen, dass er nicht von der jetzigen Bundesregie-
    rung erfunden worden ist. Sie haben diesen Integrations-
    fonds, der 1998 noch 32 Millionen DM betragen hat –
    Sie haben davon gesprochen –, im vergangenen Jahr auf
    42 Millionen DM erhöht. Er soll in diesem Jahr auf
    45 Millionen DM ansteigen.

    Aber, Herr Kollege Welt, Sie sollten schon deutlich
    sagen, wie es sich insgesamt mit den Haushaltsmitteln
    für die Aufnahme und Integration von Aussiedlern in
    der Bundesrepublik Deutschland seit Amtsantritt der
    neuen Bundesregierung verhält. 1998 standen hierfür im
    Bundeshaushalt noch circa 2 Milliarden DM zur Verfü-
    gung. Im laufenden Haushalt sind die Gesamtleistungen
    auf unter 1,5 Milliarden DM abgesenkt worden. Man
    muss in einer solchen Debatte schon einmal deutlich
    machen, was die Einsparungen in einem bestimmten Be-
    reich humanitär bedeuten. Sie sparen nämlich bei den
    Rückführungskosten für die zu uns kommenden Aus-
    siedler die Hälfte ein. Sie senken die Mittel von
    50 Millionen DM im Jahr 1998 auf 26 Millionen DM in
    diesem Jahr ab. Dies führt vor allem dazu, dass diejeni-
    gen Aussiedler, die das ganze schwierige Verfahren mit
    Sprachtest und Aufnahmebescheid durchlaufen haben
    und dann zu uns in die Bundesrepublik Deutschland
    kommen, ab sofort darauf angewiesen sind, die Modali-
    täten ihrer schwierigen Ausreise – wenn ich beispiels-
    weise an die mittelasiatischen Republiken Kasachstan
    und Kirgistan oder auch an die heutige Lebens-
    wirklichkeit in der Russischen Föderation denke – selber
    zu organisieren.


    (Zuruf von der CDU/CSU: Und zu bezahlen!)

    Sie dürfen nicht mehr auf dem Luftwege kommen. Sie
    müssen das Ganze selbst im Voraus finanzieren und er-
    halten dann, wenn sie in der Bundesrepublik Deutsch-
    land sind, eine Reisekostenpauschale von 200 DM.

    In den mittelasiatischen Republiken spielen sich heu-
    te teilweise dramatische Szenen ab, bis die Leute ihre
    Ausreise organisiert haben. Alte und kranke Menschen
    sowie Familien mit vielen Kindern sind gezwungen, sich
    tagelang unter teilweise menschenunwürdigen Bedin-
    gungen auf die schwierigen Eisenbahnwege zu begeben.
    Sie sollten die Anhebung des Integrationsfonds nicht als
    große Tat preisen, wenn Sie den Menschen zumuten, un-
    ter wirklich inhumanen Bedingungen den Weg in die
    Bundesrepublik Deutschland anzutreten.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Lassen Sie mich noch einige Worte dazu sagen, dass

    Sie die Höchstzahl für den Aussiedlerzugang reduziert
    haben. Sie haben Recht, Herr Welt – das sollte niemand
    leugnen –, dass es insgesamt gelungen ist, den Zuzug
    der Aussiedler in die Bundesrepublik Deutschland zu
    verstetigen. Als das Kriegsfolgenbereinigungsgesetz
    1993 in Kraft trat, lagen die Zugangszahlen bei
    weit mehr als 200 000 jährlich. Die Zahlen haben sich

    Hartmut Koschyk






    (A)



    (B)



    (C)



    (D)


    inzwischen der 100 000-Grenze angenähert und sie wer-
    den weiter zurückgehen.

    Herr Welt, wir haben schon ein Problem mit dieser
    Korrektur der Zahlen gehabt; denn wir glauben, dass die
    auf gesetzlichem Wege herbeigeführte Veränderung bei
    den Zugangszahlen bei denjenigen, die bereits einen
    Aufnahmebescheid in der Tasche haben, wieder ein
    Stück Unsicherheit und Panik ausgelöst hat. Dass die
    Zahlen seit Ende des vergangenen Jahres wieder anstei-
    gen, führe ich auch darauf zurück, dass sich ein Teil der
    Aussiedler, die einen Aufnahmebescheid besitzen, durch
    diese neuerlichen Veränderungen aufgerufen fühlt, die-
    sen Bescheid zu nutzen und in die Bundesrepublik
    Deutschland zu kommen.

    Lassen Sie mich auf ein Weiteres eingehen. Wir
    nehmen mit Besorgnis zur Kenntnis, dass die Bundesre-
    gierung die Haushaltsmittel zur Förderung deutscher
    Minderheiten in den Staaten Mittel- und Osteuropas
    und in der GUS erheblich kürzt, und zwar nicht nur im
    Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern,
    sondern auch im Geschäftsbereich des Auswärtigen Am-
    tes. Die Bundesregierung hat mir dieser Tage bestätigt,
    dass die Zahl deutscher Lehrer vor allem in den Staaten
    Mittel- und Osteuropas bereits im Haushaltsjahr 2000
    drastisch zurückgefahren wird.

    Wissen Sie, Herr Welt, da passt etwas nicht zusam-
    men. Wir können uns gerne darüber unterhalten, wo es
    auch in unserer Politik bei den Integrationsmaßnahmen
    in der Bundesrepublik Deutschland Defizite gegeben
    hat. Ich kann mich noch daran erinnern, dass Sie als Op-
    position uns in der Zeit, in der die Politik von einer uni-
    onsgeführten Regierung verantwortet wurde, dafür kriti-
    siert haben, dass der Umfang der Sprachförderung zu-
    rückgeführt worden ist. Angesichts dessen haben wir die
    Erwartung gehabt, dass Sie die Mittel für die Sprachför-
    derung erhöhen würden. Sie aber haben über die sechs-
    monatige Sprachförderung hinaus überhaupt keine zu-
    sätzlichen Möglichkeiten geschaffen.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Das, was Sie über die Arbeitsverwaltung aus Mitteln des
    Europäischen Sozialfonds zur Verfügung stellen, hat es
    auch zu unserer Zeit gegeben.

    Sie haben gesagt, dass Sie die Integrationsanstren-
    gungen verstärken wollen. Sie verstärken sie aber nur
    minimal und kürzen gleichzeitig die Mittel für deutsche
    Minderheiten in ihrer angestammten Heimat, in Mittel-
    und Osteuropa sowie in der GUS, und zwar nicht nur in
    Ihrem Bereich, sondern sehr gravierend auch im Bereich
    des Auswärtigen Amtes. Auf den in den letzten Jahren
    zustande gekommenen Wiedererwerb der deutschen
    Muttersprache bei den deutschen Minderheiten werden
    sich die Kürzungen bei den dafür zuständigen Lehrern
    und Bildungseinrichtungen in diesem Jahr und im nächs-
    ten Jahr sehr negativ auswirken. Wir glauben, dass da-
    durch ein Stück neue Verunsicherung bei den Deutschen
    in den Staaten Mittel- und Osteuropas und in der ehema-
    ligen Sowjetunion entsteht.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Ich will hier noch einmal sehr deutlich sagen: Wir
    versagen uns nicht notwendige Maßnahmen, die einer
    Förderung der Akzeptanz von Aussiedlern, die zu uns in
    die Bundesrepublik Deutschland kommen, dienen. Wir
    sehen dazu in diesem Gesetz trotz aller Vorbehalte einen
    Weg. Deshalb wird die CDU/CSU-Fraktion diesem Ge-
    setz auch mehrheitlich zustimmen. Wir fordern Sie aber
    auf, nicht ständig nur neue Akzepte und Wohltaten der
    Integrationspolitik dieser Bundesregierung zu verkün-
    den,


    (Jochen Welt [SPD]: Das ärgert euch!)

    sondern auch wirklich konkret zu handeln.

    Herr Welt, wir würden uns freuen – das sage ich aus
    Sicht unserer Fraktion, denn Ihr Vorgänger, Kollege
    Waffenschmidt, war sehr oft und regelmäßig im Innen-
    ausschuss des Bundestages und hat mit uns als federfüh-
    rendem Ausschuss die Probleme erörtert –, wenn Sie mit
    dem Innenausschuss als federführendem Ausschuss die
    Probleme erörterten und wir auch mit Ihnen über all die
    Fragen, die ich heute angesprochen habe, in Zukunft ei-
    nen Dialog führen könnten, um manche Maßnahmen
    durch gemeinsame Anstrengungen zu verbessern und so
    noch mehr Konsens zu erreichen.

    Herzlichen Dank.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)