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    Plenarprotokoll 14/84 (neu) Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 84. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 27. Januar 2000 I n h a l t : Erweiterung der Tagesordnung ....................... 7709 A Nachträgliche Ausschussüberweisung............. 7710 B Tagesordnungspunkt 3: Abgabe einer Regierungserklärung zum Stabilitätspakt Südosteuropa - Stand und Perspektiven ...................................... 7710 C in Verbindung mit Tagesordnungspunkt 8: a) Antrag der Fraktion PDS: Aufhebung der Sanktionen gegen die Bundesrepublik Jugoslawien (Drucksache 14/2387) .......... 7710 C b) Antrag der Fraktion PDS: Schiffbarma- chung der Donau und Wiederaufbau der zerstörten Donaubrücken (Drucksache 14/2388)................................ 7710 C in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 2: Antrag der Fraktionen SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Unterstützung des Stabilitätspaktes Südosteuropa (Drucksache 14/2569) ................................ 7710 C in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 3: Antrag der Abgeordneten Dr. Helmut Haussmann, Ulrich Irmer, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion F.D.P.: Für eine zügige Umsetzung und Vertiefung des Stabilitätspaktes Südosteuropa (Drucksache 14/2584)................................. 7710 D in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 4: Antrag der Fraktion PDS: Aufhebung des Öl-Embargos gegen Jugoslawien (Drucksache 14/2573) ................................ 7710 D Joseph Fischer, Bundesminister AA ................ 7711 A Christian Schmidt (Fürth) CDU/CSU .............. 7714 B Gernot Erler SPD ............................................. 7716 B Dr. Klaus Kinkel F.D.P. ................................... 7718 C Dr. Helmut Lippelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN ................................................................. 7720 D Wolfgang Gehrcke PDS................................... 7724 A Dr. Eberhard Brecht SPD................................. 7725 B Peter Hintze CDU/CSU.................................... 7726 C Uwe Hiksch PDS.............................................. 7728 D Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesministe- rin BMZ............................................................ 7729 D Peter Hintze CDU/CSU................................ 7731 B Peter Weiß (Emmendingen) CDU/CSU........... 7732 B Tagesordnungspunkt 4: a) Antrag der Abgeordneten Eduard Oswald, Dirk Fischer (Hamburg), weiterer Abge- ordneter und der Fraktion CDU/CSU: Zu- kunft sichern – Verkehrsinfrastruktur- II Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 84. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Januar 2000 investitionen verstärken (Drucksache 14/2360) ............................... 7734 B b) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Straßenbaubericht 1998 (Drucksache 14/245) ................................. 7734 C c) Antrag der Abgeordneten Dr. Winfried Wolf, Christine Ostrowski, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion PDS: Ge- schwindigkeitsbegrenzung auf 130 km/h auf Autobahnen (Drucksache 14/1082).... 7734 C d) Antrag der Abgeordneten Dr. Winfried Wolf, Christine Ostrowski, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion PDS: Für eine sozial, finanziell und ökologisch nach- haltige Bundesverkehrswegeplanung (Drucksache 14/2262) ..................... .......... 7734 D in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 5: Antrag der Abgeordneten Horst Friedrich (Bayreuth), Hans-Michael Goldmann, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion F.D.P.: Straßenbau statt Autostau (Drucksache 14/2582) ................................ 7734 D Eduard Oswald CDU/CSU .............................. 7735 A Reinhold Hiller (Lübeck) SPD......................... 7736 D Horst Friedrich (Bayreuth) F.D.P. ................... 7738 C Albert Schmidt (Hitzhofen) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN ................................................ 7741 C Dr. Winfried Wolf PDS ................................... 7744 A Reinhard Klimmt, Bundesminister BMVBW.. 7746 B Hannelore Rönsch (Wiesbaden) CDU/CSU 7747 A Renate Blank CDU/CSU ............................. 7748 A Wolfgang Dehnel CDU/CSU....................... 7749 A Dirk Fischer (Hamburg) CDU/CSU ................ 7751 B Albert Schmidt (Hitzhofen) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN................................................. 7754 B Dirk Fischer (Hamburg) CDU/CSU ................ 7754 D Franziska Eichstädt-Bohlig BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN................................................. 7755 C Renate Blank CDU/CSU ................................. 7756 D Karin Rehbock-Zureich SPD ........................... 7759 A Dirk Fischer (Hamburg) CDU/CSU ............ 7759 D Wolfgang Börnsen (Bönstrup) CDU/CSU....... 7761 C Reinhard Weis (Stendal) SPD.......................... 7763 D Tagesordnungspunkt 6: Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Neuordnung seuchenrechtlicher Vorschriften (Seuchenrechtsneuordnungs- gesetz) (Drucksache 14/2530) .................... 7766 A in Verbindung mit Tagesordnungspunkt 15: Überweisungen im vereinfachten Ver- fahren a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Übereinkommen vom 4. Au- gust 1995 zur Durchführung der Be- stimmungen des Seerechtsübereinkom- mens der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1982 über die Erhaltung und Bewirtschaftung von gebietsüber- greifenden Fischbeständen und Bestän- den weit wandernder Fische (Drucksache 14/2421) ................................ 7766 A b) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Vertrag vom 25. August 1998 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Mexi- kanischen Staaten über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapi- talanlagen (Drucksache 14/2422).............. 7766 B c) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Vertrag vom 5. November 1998 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Antigua und Barbuda über die Förderung und den gegenseiti- gen Schutz von Kapitalanlagen (Drucksache 14/2423)................................. 7766 B d) Antrag der Abgeordneten Renate Diemers, Maria Eichhorn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion CDU/CSU: Initiative zur Schaffung von alternierenden Tele- arbeitsplätzen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bundestagsabge- ordneten im Rahmen des Umzuges von Bonn nach Berlin (Drucksache 14/1313).. 7766 B e) Antrag der Abgeordneten Dr. Winfried Wolf, Eva Bulling-Schröter, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion PDS: Keine Hermesbürgschaften für den Ilisu-Stau- damm in der Türkei (Drucksache 14/2336) ................................ 7766 C Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 84. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Januar 2000 III f) Antrag des Bundesministeriums für Wirt- schaft und Technologie: Rechnungsle- gung über das Sondervermögen des Bundes „Ausgleichsfonds zur Sicherung des Steinkohleneinsatzes“ für das Wirt- schaftsjahr 1998 (Drucksache 14/2484) ... 7766 C in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 6: Weitere Überweisungen im vereinfach- ten Verfahren a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Änderung atomrechtlicher Vor- schriften für die Umsetzung von EURATOM-Richtlinien zum Strahlen- schutz (Drucksache 14/2443) ................... 7766 D b) Antrag der Fraktionen SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Grenzüber- schreitende Zusammenarbeit zur Stär- kung des Schutzes der Böden (Drucksache 14/2567)................................ 7766 D Tagesordnungspunkt 16: Abschließende Beratungen ohne Aus- sprache a) Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrach- ten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Ver- trag vom 11. Dezember 1997 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik El Salvador über die För- derung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen (Drucksachen 14/1840, 14/2539) ............... 7767 B b) Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrach- ten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Ver- trag vom 28. August 1997 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Turkmenistan über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalan- lagen (Drucksachen 14/1842, 14/2540) ..... 7767 B c) Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrach- ten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Ab- kommen vom 10. September 1996 zwi- schen der Regierung der Bundesrepu- blik Deutschland und der mazedoni- schen Regierung über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapi- talanlagen (Drucksachen 14/1843,14/2541) ............... 7767 C d) Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrach- ten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Ver- trag vom 21. März 1997 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Kroatien über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapi- talanlagen (Drucksachen 14/1844, 14/2542) ............... 7767 C e) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Gerhard Friedrich (Erlangen), Friedrich Merz, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion CDU/CSU: Deutschland muss verläßlicher Partner in europäischer Raumfahrt bleiben (Drucksachen 14/655, 14/1350).................. 7767 D f) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau- und Woh- nungswesen zu dem Antrag der Abgeord- neten Dirk Fischer (Hamburg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion CDU/CSU: Satellitennavigationssystem Galileo (Drucksachen 14/945, 14/2217).................. 7768 A g) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu der Unterrichtung über ein Unionsdo- kument gemäß § 93 Abs. 2 GO-BT: Ent- wurf einer Entschließung des Rates zur sozialen und arbeitsmarktspezifischen Dimension der Informationsgesellschaft (Drucksachen 14/2211 Nr. 2.1, 14/2346) ... 7768 B h) - m) Beschlussempfehlungen des Petitionsaus- schusses Sammelübersichten 111, 112, 113, 114, 115, 116 zu Petitionen (Drucksachen 14/2532, 14/2533, 14/2534, 14/2535, 14/2536, 14/2537)........................ 7768 C in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 7: Weitere abschließende Beratung ohne Aussprache Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung von Richtlinien der Europäischen Gemein- schaft auf dem Gebiet des Berufsrechts der Rechtsanwälte (Drucksachen 14/2269, 14/2594)................ 7769 A IV Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 84. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Januar 2000 Zusatztagesordnungspunkt 8: Aktuelle Stunde betr. Haltung der Bun- desregierung zu Berichten über Defizite bei der Pflegeversicherung und Auswir- kungen auf die soziale Sicherheit alter Menschen Ulf Fink CDU/CSU ......................................... 7769 B Regina Schmidt-Zadel SPD ............................. 7770 C Detlef Parr F.D.P. ............................................ 7771 D Monika Knoche BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN................................................................. 7772 D Dr. Ilja Seifert PDS.......................................... 7773 C Eva-Maria Kors CDU/CSU ............................. 7774 C Marga Elser SPD ............................................. 7775 B Wolfgang Zöller CDU/CSU ............................ 7776 B Christa Nickels, Parl. Staatssekretärin BMG .. 7777 A Gerald Weiß (Groß-Gerau) CDU/CSU............ 7779 D Barbara Imhof SPD.......................................... 7780 A Hannelore Rönsch (Wiesbaden) CDU/CSU .... 7781 A Dr. Martin Pfaff SPD....................................... 7782 C Tagesordnungspunkt 5: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung – zu dem Antrag der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Nationale Armuts- und Reichtums- berichterstattung – zu dem Antrag der Fraktion PDS: Re- gelmäßige Vorlage eines Berichts über die Entwicklung von Armut und Reichtum in der Bundesrepu- blik Deutschland – zu dem Antrag der Abgeordneten Birgit Schnieber-Jastram, Wolfgang Meckelburg, weiterer Abgeordneter der Fraktion CDU/CSU: Bekämpfung der „verdeckten Armut“ in Deutsch- land (Drucksachen 14/999, 14/1069, 14/1213, 14/2562) ..................................................... 7783 D Wolfgang Spanier SPD.................................... 7784 A Peter Weiß (Emmendingen) CDU/CSU .......... 7785 D Dr. Klaus Grehn PDS................................... 7786 B Wolfgang Spanier SPD................................ 7787 A Ekin Deligöz BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ... 7788 D Dr. Heinrich L. Kolb F.D.P.............................. 7790 D Dr. Barbara Höll PDS ...................................... 7792 C Johannes Singhammer CDU/CSU................ 7793 A Ute Kumpf SPD ............................................... 7794 A Matthäus Strebl CDU/CSU .............................. 7795 D Christa Nickels BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 7798 A Matthäus Strebl CDU/CSU .............................. 7798 B Ulrike Mascher, Parl. Staatssekretärin BMA ... 7798 C Peter Weiß (Emmendingen) CDU/CSU....... 7799C Tagesordnungspunkt 7: Antrag der Abgeordneten Birgit Hombur- ger, Horst Friedrich (Bayreuth), weiterer Abgeordneter und der Fraktion F.D.P.: Übergangsregelung für das neue Füh- rerscheinrecht (Drucksache 14/2370)....... 7801 A Tagesordnungspunkt 9: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Entschlie- ßung des Europäischen Parlaments zu endokrine Störungen verursachenden chemischen Stoffen (Drucksachen 14/309 Nr. 1.11, 14/1471) ... 7801 B b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung zu der Mittei- lung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament: Strategie für das Auslaufen der Verwendung von FCKW in Dosieraerosolen (Drucksachen 14/309 Nr. 2.43, 14/1472) ... 7801 C Jutta Müller (Völklingen) SPD ....................... 7801 D Bernward Müller (Jena) CDU/CSU ................. 7803 B Winfried Hermann BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN ................................................................. 7805 B Ulrike Flach F.D.P. .......................................... 7806 D Eva Bulling-Schröter PDS ............................... 7808 A Monika Ganseforth SPD .................................. 7809 A Marie-Luise Dött CDU/CSU............................ 7810 C Sylvia Voß BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN....... 7811 C Zusatztagesordnungspunkt 9: Erste Beratung des von den Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 84. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Januar 2000 V eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Weingeset- zes (Drucksache 14/2566) .......................... 7813 C Zusatztagesordnungspunkt 10: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Er- gänzung des Strafverfahrensrechts - Strafverfahrensänderungsgesetz 1999 (StVÄG 1999) (Drucksache 14/1484; 14/2595) ............... 7813 B Nächste Sitzung ............................................... 7814 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten............ 7815 A Anlage 2 Erklärung des Abgeordneten Walter Hirche (F.D.P.) zur Abstimmung über die Beschluss- empfehlung des Ausschusses für Umwelt, Na- turschutz und Reaktorsicherheit zu der Unter- richtung durch die Bundesregierung: Ent- schließung des Europäischen Parlaments zu endokrine Störungen verursachenden chemi- schen Stoffen (Tagesordnungspunkt 9 a)......... 7816 A Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Übergangsregelung für das neue Führerscheinrecht (Tagesordnungspunkt 7) Birgit Homburger F.D.P. ................................ 7816 A Heide Mattischeck SPD.................................... 7816 C Eduard Lintner CDU/CSU............................... 7817 C Helmut Wilhelm (Amberg) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ......................................................... 7818 B Dr. Winfried Wolf PDS .................................... 7819 A Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Än- derung des Weingesetzes (Zusatztagesord- nungspunkt 9) Gustav Herzog SPD ......................................... 7819 B Heidemarie Wright SPD................................... 7820 A Norbert Schindler CDU/CSU .......................... 7821 A Ulrike Höfken BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.... 7821 D Marita Sehn F.D.P. .......................................... 7822 D Kersten Naumann PDS ................................... 7823 B Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Strafverfahrensrechts (Zu- satztagesordnungspunkt 10) Dr.Jürgen Meyer (Ulm) SPD ........................... 7824 C Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten CDU/CSU ........................................................ 7826 A Hans-Christian Ströbele BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ......................................................... 7827 C Dr. Evelyn Kenzler PDS ................................. 7828 C Dr. Eckhart Pick, Parl. Staatssekretär BMJ .... 7829 B Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 84. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Januar 2000 7709 (B) (D) 84. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 27. Januar 2000 Beginn: 12.00 Uhr
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    __________ 3) Anlage 5 Vizepräsident Rudolf Seiters 7814 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 84. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Januar 2000 Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich Adam, Ulrich CDU/CSU 27.01.2000 * Beck (Bremen), Marieluise BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 27.01.2000 Beck (Köln), Volker BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 27.01.2000 Behrendt, Wolfgang SPD 27.01.2000 * Bernhardt, Otto CDU/CSU 27.01.2000 Bindig, Rudolf SPD 27.01.2000 * Bühler (Bruchsal), Klaus CDU/CSU 27.01.2000 * Fischer (Berlin), Andrea BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 27.01.2000 Fograscher, Gabriele SPD 27.01.2000 Frick, Gisela F.D.P. 27.01.2000 Friedrich (Altenburg), Peter SPD 27.01.2000 Gebhardt, Fred PDS 27.01.2000 Dr. Geißler, Heiner CDU/CSU 27.01.2000 Göring-Eckardt, Katrin BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 27.01.2000 Gröhe, Hermann CDU/CSU 27.01.2000 Hoffmann (Chemnitz), Jelena SPD 27.01.2000 Hollerith, Josef CDU/CSU 27.01.2000 Dr. Hornhues, Karl-Heinz CDU/CSU 27.01.2000 * Jünger, Sabine PDS 27.01.2000 Dr. Kohl, Helmut CDU/CSU 27.01.2000 Leidinger, Robert SPD 27.01.2000 Lintner, Eduard CDU/CSU 27.01.2000 * Lippmann, Heidi PDS 27.01.2000 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Lörcher, Christa SPD 27.01.2000 * Michels, Meinolf CDU/CSU 27.01.2000 * Neuhäuser, Rosel PDS 27.01.2000 Neumann (Gotha), Gerhard SPD 27.01.2000 * Repnik, Hans-Peter CDU/CSU 27.01.2000 Rübenkönig, Gerhard SPD 27.01.2000 Rühe, Volker CDU/CSU 27.01.2000 Schaich-Walch, Gudrun SPD 27.01.2000 Schmidt (Eisleben), Silvia SPD 27.01.2000 Dr.-Ing. Schmidt (Halsbrücke), Joachim CDU/CSU 27.01.2000 Schmitz (Baesweiler), Hans Peter CDU/CSU 27.01.2000 von Schmude, Michael CDU/CSU 27.01.2000 * Schur, Gustav-Adolf PDS 27.01.2000 Dr. Schwarz-Schilling, Christian CDU/CSU 27.01.2000 Siebert, Bernd CDU/CSU 27.01.2000 * Simm, Erika SPD 27.01.2000 Dr. Spielmann, Margrit SPD 27.01.2000 Dr. Volmer, Ludger BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 27.01.2000 Willner, Gert CDU/CSU 27.01.2000 Dr. Wodarg, Wolfgang SPD 27.01.2000 * Zapf, Uta SPD 27.01.2000 Zierer, Benno CDU/CSU 27.01.2000 * __________ *) für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versamm- lung des Europarates Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 84. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Januar 2000 7815 (A) (B) (C) (D) Anlage 2 Erklärung des Abgeordneten Walter Hirche (F.D.P.) zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Re- aktorsicherheit zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Entschließung des Europäi- schen Parlaments zu endokrine Störungen ver- ursachenden chemischen Stoffen (Tagesord- nungspunkt 9 a) Die F.D.P. stimmt der Kenntnisnahme der Entschlie- ßung des Europäischen Parlaments zu. Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Übergangsregelung für das neue Führerscheinrecht (Tagesordnungspunkt 7) Birgit Homburger (F.D.P.): In der vergangenen Wahlperiode wurde das Straßenverkehrsrecht in weitge- hender politischer Übereinstimmung novelliert. Auch die damit verbundene Einführung von neuen Führer- scheinklassen im Rahmen der Umsetzung der EU- Führerscheinrichtlinie war nicht umstritten. Heute zeigt sich, dass damals die Auswirkungen der Neueinteilung der Führerscheine nicht hinreichend klar waren. Insbesondere die Begrenzung der Pkw- Fahrerlaubnis für Fahrzeuge mit einem zulässigen Ge- samtgewicht von nunmehr 3,5 Tonnen statt bisher 7,5 Tonnen schafft mehr Übergangsprobleme als ange- nommen. 715 000 Fahrzeuge zwischen 3,5 und 7,5 Ton- nen sind zukünftig nicht mehr mit dem PKW- Führerschein zu führen, sondern nur noch mit dem neu- en LKW-Führerschein der Klasse C1. Diesen erhalten zwar die Inhaber von alten PKW-Führerscheinen auto- matisch, Führerscheinneulinge jedoch kommen regel- mäßig nur noch mit der neuen PKW-Fahrerlaubnis auf den Arbeitsmarkt. Die F.D.P.-Bundestagsfraktion ist den Organisationen der Rettungsdienste, technischen Hilfsdienste und Feu- erwehren für den Hinweis auf ihre spezielle Problematik in diesem Zusammenhang dankbar. Dort sind mehr als 20 000 Feuerwehr-, Rettungs- und Krankenkraftwagen zugelassen, deren ehrenamtliche Fahrer zukünftig einen teuren LKW-Führerschein machen müssen, um die Einsatzfahrzeuge überhaupt bewegen zu dürfen. Diese zusätzliche Ausgabe kostet Geld, das die betroffenen Gebietskörperschaften oder Organisationen ohne Er- werbscharakter nicht haben. Die F.D.P. spricht sich in diesen Fällen dafür aus, das Führerscheinrecht mit einer Ausnahmeregelung auszu- statten, nach der auch Inhaber des Führerscheins der Klasse B für die Dauer der ehrenamtlichen Tätigkeit die Erlaubnis erhalten, die betroffenen Einsatzfahrzeuge bis zu 7,5 Tonnen zu führen. Die Fahrer erhalten ohnehin eine Einweisung in das Fahrzeug, sodass Sicherheitsbe- denken in diesen wenigen Fällen unbegründet sind. Die F.D.P.-Bundestagsfraktion will zusätzlich von der Bundesregierung wissen, in welchem Umfang kleine mittelständische Betriebe durch die Umstellung auf das Führerscheinrecht belastet werden und in welchem Um- fang Landwirtschaft und Kommunen mit Blick auf die neuen Führerscheinklassen für Traktoren und Zugma- schinen mit Mehrkosten belastet werden. Aus dem Be- richt sind gegebenenfalls Vorschläge zur Entlastung der Betroffenen zu entwickeln. Die F.D.P. ist bereit, erkann- te Fehler und Unzulänglichkeiten beim neuen Führer- scheinrecht durch notwendige Ausnahme- und Über- gangsregelungen zu korrigieren. Sie appelliert an die Mitglieder des Bundestages und an die Bundesregie- rung, sie dabei zu unterstützen. Heide Mattischeck (SPD): Die Fakten sind: Erstens. Die 2. EU-Führerscheinrichtlinie vom 29. Ju- li 1991, 91/439/EWG, schreibt die international übliche Einteilung der Fahrerlaubnisklassen verbindlich vor. Danach liegt die Grenze zwischen PKW- und LKW- Klasse nicht wie bisher nach deutschem Recht bei 7,5 Tonnen, sondern EU-einheitlich bei 3,5 Tonnen. Die Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht ist am 1. Januar 1999 in Kraft getreten. Zweitens. Der Antrag der FDP zielt – wie wir bereits gehört haben – darauf ab, Ausnahmen für bestimmte Personengruppen sowie kleine und mittelständische Be- triebe zuzulassen, damit diese auch weiterhin mit dem „PKW-Führerschein“ der Klasse B Fahrzeuge bis zu 7,5 Tonnen zulässige Gesamtmasse fahren können. Das be- trifft Angehörige von freiwilligen Feuerwehren, techni- schen Hilfsdiensten, Kommunen. Ein ähnlicher Antrag des Landes Hessen ist im Verkehrsausschuss des Bun- desrates wegen zweifelhafter Vereinbarung mit EU- Recht abgelehnt worden, und zwar 1:13:2. Die Bundes- regierung ist aber um Prüfung einer entsprechenden Re- gelung gebeten worden. Zur Historie. Die nationale Umsetzung war für 1996 vorgesehen. Aber erst Ende 1997 wurde die Umsetzung im Rahmen eines Artikelgesetzes in zweiter und dritter Lesung im Bundestag auf den Weg gebracht. Dabei ist es hilfreich, im Protokoll über die Debatte im Plenum am 14. November 1997 nachzulesen. Horst Friedrich sagte am 14. November 1997: Im Hinblick auf die Zweite EU-Führerscheinricht- linie wird nämlich einiges verändert. Es gibt zum einen eine Neubenennung der Führerscheinklassen. ... Darüber hinaus wird – das ist wesentlich unter dem Aspekt der Sicherheit zu sehen ... – ein neuer Anhängerführerschein eingeführt. Es wird der Un- terschied zwischen PKW und LKW deutlich ge- macht. Bisher war es ja möglich, mit einem Führer- schein der Klasse 3, den man auf einem Kleinwa- gen gemacht hat, einen LKW mit einem Gesamt- gewicht bis zu 7,5 Tonnen plus Anhänger zu fah- ren. 7816 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 84. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Januar 2000 (A) (B) (C) (D) Und der Kollege Wissmann, damaliger Bundesver- kehrsminister, sagte: ... in einem gemeinsamen Europa brauchen wir ein- heitliche Bedingungen beim Erwerb und bei der gegenseitigen Anerkennung der Fahrerlaubnis. Nun zur Forderung der F.D.P.-Fraktion. Die Forde- rung der F.D.P.-Fraktion, bestimmten Personenkreisen mit der Fahrerlaubnisklasse B auch weiterhin das Fahren von 7,5 Tonnern zu erlauben, ist EU-rechtswidrig. Das müssten Sie eigentlich wissen. Denn die EU- Führerscheinrichtlinie sieht keine generelle Abweichung von den vorgesehenen Klasseneinteilungen vor. Ich meine: Die Forderungen nach einer Übergangsre- gelung sind nicht stichhaltig. Die EU-Richtlinie ist am 24. August 1991 veröffentlicht worden. Die nationale Umsetzung ist erst zum 1. Januar 1999 erfolgt – obwohl die EU-Richtlinie eine Umsetzung bis zum 1. Juli 1996 vorsah –, sodass sich alle Beteiligten über einen langen Zeitraum auf die neue Regelung einstellen konnten. Im Übrigen ist in der amtlichen Begründung zur Fahrerlaubnisverordnung, FeV, ausdrücklich auf die er- höhten finanziellen Aufwendungen für die Gemeinden, Feuerwehren, Hilfsdienste, Wirtschaft sowie Bürgerin- nen und Bürger aufgrund der neuen Klasseneinteilung hingewiesen worden. Kein Wort über Mehrkosten, künf- tige Personalprobleme etc. in der damaligen Debatte, kein Antrag seitens der F.D.P. für den Mittelstand, für gemeinnützige Hilfsorganisationen, für die freiwillige Feuerwehr. Darüber hinaus wurden Bewerbern, die bis zum 31. Dezember 1998 den Antrag auf Erteilung der Fahrer- laubnis gestellt hatten, bis zu diesem Tag das geltende Mindestalter erreicht hatten und bis zum 30. Juni 1999 die Fahrerlaubnisprüfung bestanden hatten, die Fahrer- laubnis unter den bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Voraussetzungen erteilt. National sind weit gehende Besitzstandsvorschriften erlassen worden, sodass es auch weiterhin möglich ist, mit einem bis zum 31. Dezember 1998 erworbenen Füh- rerschein der früheren Klasse 3 Fahrzeuge bis zu einer zulässigen Gesamtmasse von 7,5 Tonnen zu führen, vor- ausgesetzt, sie tauschen rechtzeitig bis zum 31. Dezem- ber 2000 ihren alten Führerschein in einen neuen EU- Führerschein um. Wir alle wissen um die aufopferungsvolle und unver- zichtbare Aufgabe der freiwilligen Feuerwehren und der technischen Hilfsdienste. Es ist aber nicht nachvollzieh- bar, dass gerade für Einsätze unter erschwerten Bedin- gungen geringere Sicherheitsanforderungen gelten sol- len als anderorts. Den Städten und Kommunen sind die Ausrüstungen ihrer freiwilligen Feuerwehr immer ein wichtiges Anlie- gen. Sie erhalten immer – das weiß ich aus langer kom- munalpolitischer Erfahrung – jede nur mögliche Unter- stützung. Es geht um die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger. Da wird der zusätzliche Aufwand gewiss auch akzeptiert werden. Und die betroffenen jungen Men- schen werden in die Lage versetzt, als kleinen Ausgleich für ihren verantwortungsvollen Einsatz einen „richtigen“ LKW-Führerschein zu erwerben. Um noch einmal den Kollegen Friedrich zu zitieren: Das alles dient der Verkehrssicherheit und nichts ande- rem. Dem ist nichts hinzuzufügen. Wo er Recht hat, hat er Recht. Eduard Lintner (CDU/CSU): Mit ihrer Anfrage von 16. Dezember 1999 hat die F.D.P. Probleme aufge- griffen, die auch die zuständige Arbeitsgruppe der CDU/CSU bereits im Herbst letzten Jahres beschäftigt haben, nämlich Folgeprobleme nach der Umsetzung der EU-Führerscheinrichtlinie in nationales Recht zum 1. Januar 1999. Seither wird auch in der Bundesrepublik Deutschland die international übliche Einteilung der Fahrerlaubnisklassen praktiziert. Die Grenze zwischen PKW und LKW liegt damit jetzt bei 3,5 Tonnen Gesamtgewicht und nicht mehr – wie bisher – bei 7,5 Tonnen. Dafür gibt es nun die neue Führerscheinklasse C 1. Wer also ein Fahrzeug mit einem Gesamtgewicht zwischen 3,5 und 7,5 Tonnen fahren will, muss seit 1. Januar auch eine Fahrerlaubnis C 1 erwerben. Das schafft Probleme vor allem in jenen Bereichen, in denen vor allem junge Menschen in für die gesamte Gemeinschaft wichtigen Hilfsdiensten, Katastrophenschutzeinrichtungen und Wohltätigkeits- organisationen, zum Beispiel den Feuerwehren, ehren- amtlich Dienst tun. Dort sollen sie mit vorhandenen LKWs bis zu 7,5 Tonnen fahren, was seit 1. Januar 1999 eben einen eigenen Führerschein erfordert. Einen solchen brauchen sie in aller Regel nicht im privaten Bereich, sodass sie meistens nicht bereit sind, die Kosten für diese zusätzliche Prüfung selbst zu tragen. Aber auch die Hilfsorganisationen, wie Rotes Kreuz, THW oder die vielen freiwilligen Feuerwehren, haben keine gefüllten Kassen, aus denen sie die Kosten für ei- ne solche Prüfung ersetzen könnten. Da aber das Enga- gement vor allem auch jüngerer Menschen für diese Art Gemeinwohl höchst wünschenswert, ja unverzichtbar ist, ist es notwendig, einen gangbaren Ausweg aus dieser Misere zu schaffen. Leider gibt es die an sich vernünftigste Regelung nicht, nämlich einfach eine Ausnahme von der Regel zu machen. Die Richtlinie sieht keine Ausnahmen vor, das heißt, auch die Fahrerinnen und Fahrer in solchen Orga- nisationen brauchen diese besondere Erlaubnis. Da die Bundesregierung, laut ihrer Antwort auf eine Frage des Kollegen Dr. Meister, es ablehnt, einen so ge- nannten „Feuerwehrführerschein“ einzuführen – wie Ös- terreich – und auch sonstige abweichende Sonderrege- lungen nicht möglich sind, weil sie die EU-Richtlinie nicht zulässt, bleibt uns eigentlich nur noch der Weg, in den betroffenen Diensten selbst eine Möglichkeit zum Erwerb der Führerscheinklasse C 1 zu schaffen. Zum Beispiel dürfte es für die Feuerwehren kein unüberwind- liches Problem sein, entsprechende Führerscheinausbil- dungen zu organisieren und eine ordnungsgemäße Prü- fung durchzuführen. Gleiches gilt für die Katastrophen- schutz- und Sanitätsorganisationen. Gegebenenfalls Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 84. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Januar 2000 7817 (A) (B) (C) (D) könnten sich Feuerwehren und diese Organisationen zu- sammentun, um gemeinsam eine solche Möglichkeit zu schaffen. Die Tatsache, dass die Führerscheinrichtlinie selbst keine Ausnahmen vorsieht, sollte aber auch die Bundesregierung nicht davon abhalten, solche Wege zu prüfen und gegebenenfalls zu beschreiten. Dabei sollte genau beobachtet werden, welche Schritte die EU im Falle der österreichischen Sonderregelung unternimmt. Ebenfalls bedenkenswert sind die Probleme, die durch die Neuregelung bei kleineren und mittleren Fir- men entstehen. Auch dort kann es durch die jetzt zusätz- lich anfallenden Kosten für die Ablegung einer Prüfung der Führerscheinkategorie C 1 zu ernst zu nehmenden, neuen Belastungen kommen, zumal es viele Betriebe geben dürfte, die speziell LKWs zwischen 3,5 und 7,5 Tonnen einsetzen. Ähnliches gilt für den Bereich der Landwirtschaft. Dort sind alleine 675 000 Zugmaschinen vorhanden, die künftig mit neuen Führerscheinen der Klassen T und L gefahren werden müssen. Auch da ist es denkbar, dass es zu Kostenmehrungen kommt, die von den Betrieben nicht einfach weggesteckt werden können. In beiden Fällen ist es richtig, sich zunächst einen genauen Über- blick über die Höhe und den Umfang der entstehenden Belastungen zu verschaffen, bevor konkrete Schritte zur konkreten Entlastung überlegt und vorgenommen wer- den. Da die Bundesregierung ohnehin die Hausaufgabe hat, dem Deutschen Bundestag darüber einen Bericht bis 30. Juni 2000 zusammen mit Vorschlägen über entlas- tende Übergangsregelungen vorzulegen, kann ich es heute bei der Erinnerung an diese Pflicht belassen und hoffen, dass die Bundesregierung den Schaden dadurch möglichst klein hält, dass sie den Termin ernst nimmt und uns rechtzeitig die erbetenen Vorschläge vorlegt. Es soll nicht verkannt werden, dass trotz dieser Probleme ein einheitliches Führerscheinrecht innerhalb der EU ein echter Fortschritt ist und viele alltägliche konkrete Prob- leme beim Fahren mit Kraftfahrzeugen in anderen EU- Ländern damit bereinigt werden. Das ist auch der Grund dafür, dass die Abwägung der Vor- und Nachteile einer europäischen Regelung zugunsten der europaweit gel- tenden Vorschriften ausgeht. Wenn es noch gelingt, die geschilderten Probleme zu bereinigen, zumindest aber zu reduzieren, dann wäre die neue europaweite Regelung noch leichter zu rechtferti- gen, als dies jetzt der Fall ist. Helmut Wilhelm (Amberg) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): „Tödliche Verletzungen erlitt eine 37- jährige Radfahrerin am Montagmittag, als sie in Köln- Marienburg von einem im Einsatz befindlichen Ret- tungsfahrzeug der Feuerwehr angefahren wurde“, hieß es am vergangenen Dienstag nüchtern in einer Presseer- klärung der Polizei. Zwar ist die Schuldfrage bislang ungeklärt, aber es ist festzustellen, dass Rettungsfahr- zeuge im Einsatz leider immer wieder in schwere Unfäl- le verwickelt sind, in Köln allein 300-mal im Jahr – Grund genug für den TÜV, erstmals ein Fahrertraining für Führer von Rettungsfahrzeugen anzubieten. Der tragische Unfall zeigt: Das Führen von größeren Fahrzeugen – gerade im Einsatz zur Rettung von Leben, zum Löschen von Bränden, in Katastrophensituationen – erfordert enorme Fähigkeiten der helfenden Fahrzeug- führer. Sie sind einer besonderen Stresssituation ausge- setzt und dürfen bei aller Hektik nie die Übersicht ver- lieren. Genau hier, bei der Schulung und dem Training der Fahrzeugführer bestehen Risikominderungspotentia- le. Das hat der TÜV erkannt und will darum handeln, indem er Fahrertraining anbieten will. Das hat auch die EU-Führerscheinrichtlinie vom 29. Juli 1991 im Sinn, wenn sie die Grenze zwischen der PKW-Klasse und der LKW-Klasse bei 3,5 Tonnen fest- setzt. Denn mit der Größe des Fahrzeuges steigen die Anforderungen an die Fahrzeuglenker hinsichtlich Um- sichtigkeit, Reaktionsvermögen und fahrerischem Kön- nen. Das kann nicht ernsthaft bestritten werden. Bei der Richtlinie von 1991 geht es um ein Stück Verkehrssicherheit bei einem immer höher werdenden Verkehrsaufkommen. Wer große Fahrzeuge von über 3,5 Tonnen fahren will, muss besondere Fähigkeiten nachweisen. Dies ist sinnvoll und wird von Ihnen, ver- ehrte Kolleginnen und Kollegen von der F.D.P., ja auch nicht bestritten. Warum denn aber Ihre Forderung nach Ausnahmen von dieser Regelung, die helfen soll, schreckliche Unfälle wie den eingangs von mir geschil- derten in Köln zu vermeiden? „Das Rettungswesen und die Hilfsdienste in Deutsch- land werden durch die neue Führerscheinregelung be- hindert, belastet oder gar in ihrem Bestand gefährdet“, behaupten Sie in dem letzten Satz Ihres Antrags. Sie fordern eine Ausnahmeregelung, damit „neu dort tätiges Personal für die Dauer der Tätigkeit die Erlaubnis erhält, die betroffenen Fahrzeuge auch mit einem Führerschein der Klasse B führen zu dürfen“. Wieso für neu dort täti- ges Personal? Für Inhaber von älteren deutschen Fahrer- laubnissen der Klasse III gilt auch unter europäischem Recht, dass dieser Personenkreis – der in der Vergan- genheit ja schon Erfahrungen mit dem Führen größerer Fahrzeuge bis 7,5 Tonnen erworben hat –, das auch wei- terhin tun darf. Sonderrechte also nur für unerfahrene Fahrzeuglenker? Lieber doch wohl nicht! „Für die Dauer der Tätigkeit“ bedeutet auch: Sie ver- langen allen Ernstes, dass Personen während ihrer zeiti- gen Tätigkeit unter den oben erwähnten Stressanforde- rungen, die ein Einsatz im Ernstfall mit sich bringt, grö- ßere Fahrzeuge lenken dürfen als außerhalb ihres Diens- tes, und dies dann auch noch unter Inanspruchnahme der Sonderrechte nach der StVO. Nach dem Motto: „Mor- gens mit Blaulicht und Vollgas auf dem 7,5-Tonner durch die Innenstadt, und abends muss der Umzug mit dem Kleinbus unternommen werden“? Außerdem ist es nicht zu vermitteln, wieso an einen Rettungsfahrer, der Sonderrechte in Anspruch nehmen darf, geringere An- forderungen zu stellen sind als an einen Brummi-Fahrer, der mit langer Erfahrung Güter transportiert. Sie sehen, Ihr Antrag ist in sich widersprüchlich. Der Hinweis auf das in seinem Bestand angeblich gefährdete Rettungswesen vermag diesen Widerspruch nicht aufzu- lösen. Die EU-Richtlinie datiert vom 24. Septem- 7818 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 84. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Januar 2000 (A) (B) (C) (D) ber 1991. Alle Beteiligten – auch die kleinste freiwillige Feuerwehr – konnten sich lange Zeit auf die Verände- rung einstellen. Auch mutet Ihre persönliche Besorgnis etwas merkwürdig an, weil die Umsetzung der Richtli- nie durch die FahrerlaubnisVO vom 18. August 1998 bekanntlich in Ihre Regierungszeit fällt. Offenbar haben Sie damals die Problemlage noch etwas realer gesehen. Den Rettungsdiensten hohen Dank für ihren selbstlo- sen Einsatz beim „Löschen – Retten – Bergen“ – aber mit Sicherheit! Dr. Winfried Wolf (PDS): Der F.D.P.-Antrag scheint ein reales Problem aufzuzeigen und plausible Lösungswege zu skizzieren. Es bleibt der Beratung zu den Ausschüssen vorbehal- ten, den Antrag daraufhin zu untersuchen, inwieweit er Fußangeln enthält, inwieweit der Teufel im Detail steckt und inwieweit er mit dem sinnvollen Ziel einer EU- Harmonisierung übereinstimmt. Insofern sollte auch der Ausschuss für die Angele- genheiten der EU mit der Beratung des Antrags befasst sein. Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Ände- rung des Weingesetzes (Zusatztagesordnungs- punkt 9) Gustav Herzog (SPD): Diese Debatte, die uns die F.D.P. heute Abend beschert hat, ist eine Debatte der Art, wo man sich fragen muss: Was nützt es der deut- schen Weinwirtschaft, wenn wir zu dieser Zeit, in der man besser Wein trinken würde – und zwar am besten pfälzischen –, über Wein reden, statt Wein zu trinken? Deshalb stellt sich die Frage, warum bei einer im Grunde unstrittigen Sache zwischen Bund, Ländern und Weinbauverbänden wie der punktgenauen Umsetzung der Beschlüsse der Agenda 2000 in nationales Recht ei- ne Debatte bei der 1. Lesung beantragt worden ist. Einen Grund kann ich akzeptieren: Die Situation vie- ler Winzer, insbesondere rheinland-pfälzischer Winzer an der Mosel, ist schwierig. Darauf hinzuweisen ist rich- tig. Diese Situation hat aber originär nichts mit der neuen EU-Verordnung und der anstehenden Umsetzung in nationales Recht zu tun. Dabei will ich daran erinnern, dass u. a. Rheinland- Pfalz eine Verschiebung der Hektarhöchstertragsrege- lung auf 2002 erreicht hat. Wir alle wissen, dass bei einer großen Novellierung des Weinrechtes fast nichts unumstritten sein wird. Ich war zwar bei der letzten Runde in der 13. Wahl- periode noch nicht dabei, habe mir aber eindrucksvoll erzählen lassen, was für eine mühsame Sache das war. Beim Wein gilt kein gängiges Freund-Feind-Bild, es werden nur noch Einzelinteressen vertreten. Das eine Land gegen das andere, ja sogar benachbarte Weinbau- regionen haben unterschiedliche Interessen, die Wein- bauverbände geben widersprüchliche Stellungnahmen ab. Niemand konnte also bei der Umsetzung des EU- Rechtes weder von der Bundesregierung noch von uns erwarten, dass wir hier unter Zeitdruck heiße Eisen an- packen und den deutschen Winzern damit circa 18 Mil- lionen DM Fördergelder durch die Lappen gehen lassen. Wir werden noch in dieser Legislaturperiode die um- fassende Novelle des Weinrechtes in Gang setzen. Dazu wird es umfangreiche Anhörungen aller Beteiligten ge- ben müssen und ich muss kein Prophet sein, um voraus- zusagen, dass es ein zähes und langwieriges Ringen zwi- schen den Beteiligten werden wird. Die Politik kann sich hier eine schrecklich blutige Nase holen, wenn wir uns vor den regionalen Karren spannen lassen und wenn wir mit einem absolut schädli- chen Kurzzeitgedächtnis ans Werk gehen. Über allem, was wir demnächst neu ins Weingesetz schreiben, sollte der Leitsatz stehen: Qualität geht vor Masse! Alle Forderungen, die dem Qualitätsprinzip direkt entgegen stehen, egal an welcher Stelle, werden bei mir und hoffentlich bei Ihnen allen, liebe Kolleginnen und Kollegen, ins Leere laufen. Die Wettbewerbssituation der deutschen Weinwirt- schaft erfordert dringend Reformen im Bereich der Strukturen: Erzeugungsmengen, Qualitätskriterien, und der Produktpräsentation; zu dem Letzteren möchte ich auf die von allen Beteiligten unbedingt geforderte Re- form des Bezeichungsrechtes eingehen. Unstrittig ist die Notwendigkeit, das viel zu komplizierte deutsche Sys- tem weiterzuentwickeln. Handel und Konsumenten sind vor allem im Ausland von der Vielfalt der möglichen Angaben auf einer deutschen Weinflasche einfach über- fordert, sehen wir von den wenigen Wein-Enthusiasten ab. Richtig klar geworden ist das durch das immer weiter steigende Weinangebot anderer Länder. Da ist alles viel simpler, unter einem Cabernet Sauvignon kann sich der normale Verbraucher sicher ein konkretes Geschmacks- und Qualitätsangebot vorstellen. Und wie sieht es mit einem „1998er Zeller Schnep- fenpflug vom Zellertal, Portugieser Rotwein trocken, Qualitätswein bestimmtes Anbaugebiet“ aus? Ein guter Wein, beschrieben mit einem Wortungetüm. Da ist aber auch die ganz wichtige Frage der Höchst- erträge, Übermengen und Überlagerung. Die Zahl der Vorschläge ist ebenso riesig wie die Bandbreite. Von Status quo, über Marktspaltung bis absolute Überlage- rungsgrenzen gehen die Vorschläge. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 84. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Januar 2000 7819 (A) (B) (C) (D) Da ist nicht zuletzt die Übertragung von Bepflan- zungsrechten aus einem Weinbaugebiet in ein anderes sowie von Steillagen auf Flachlagen und Erleichterun- gen bei der Beregnung. Die Kernfrage lautet wieder: dient das der Qualität und der Stabilisierung der Erträ- ge? Die Antwort ist mit einiger Sicherheit zumeist „Nein“. Mein Angebot an die Kolleginnen und Kollegen: Lassen Sie uns gemeinsam den Diskussionsprozess in den Fachverbänden begleiten und zu einem vernünftigen Ergebnis in dieser Wahlperiode kommen. Wir würden alle gut daran tun, die Botschaft mög- lichst bald und breit zu streuen: „Mit uns, den Parlamen- tariern, wird es nur Veränderungen des Weingesetzes geben, die der Weinqualität und der Struktur der Wein- vermarktung dienen“. Wir würden uns damit viel Arbeit und Ärger ersparen und dem deutschen Wein einen großen Dienst erweisen. Heidi Wright (SPD): Schön, dass wir heute als letz- ten Tagesordnungspunkt die Änderung des Weingeset- zes behandeln. Das ist ein guter Abschluss zum Tag- werk; denn das schafft eine gute Voraussetzung für un- sere Winzerinnen und Winzer in den Weinregionen un- seres Landes. Die heute zu beschließende Änderung des Weinge- setzes ist notwendig, um mit Wirkung zum 1. August 2000 die vorherige gemeinsame Marktorganisation für Wein abzulösen. Die Voraussetzungen hierfür wurden mit den Beschlüssen der Agenda 2000 geschaffen, die inzwischen mit Hinblick auf die WTO-Verhandlungen allgemein als positiv bewertet wurden, insbesondere aber im Bereich Wein von allem Anfang an positiv auf- genommen wurden. Das ging beim Wein schnell und zügig. Es gilt, hier auch den Deutschen Weinbauverband zu loben, der diese positive Beschlussfassung in die einzel- nen Mitgliedsverbände getragen hat und dies sicherlich auch weiterhin tun wird. Die deutschen Interessen wur- den bei den Verhandlungen zur Weinmarktreform in Brüssel weitgehend berücksichtigt. Durch die Reform wird sich die europäische Weinbauproduktion künftig stärker am Markt auszurichten haben und ihre internati- onale Wettbewerbsfähigkeit verbessern können. Das heißt, auch für den deutschen Wein wird es Produkti- onsverbesserungen geben, die stärker auf eine nachhalti- ge und ertragreiche Marktteilnahme abzustimmen sind. „Ertragreich“ meine ich hier nicht in Bezug auf die quantitativen Erträge, sondern insbesondere auf den qua- litativen Ertrag und auch den finanziellen Ertrag. Mit viel Wein läßt sich nicht unbedingt viel Ertrag machen. Deshalb sind mir auch Bemühungen von Kollegen im Ausschuss, die den Weinseen und damit einer fatalen Preisentwicklung nicht zu jeder Zeit entgegenwirken, nicht verständlich. Was kurzfristig nützt, ist mittelfristig äußerst schädlich. Die neue europäische Weinmarktordnung verfolgt – und sie muß es verfolgen – doch gerade das Ziel, das Marktgleichgewicht und somit auch ein Preisgleichge- wicht zu erhalten. Diese europäischen Bemühungen dür- fen dann auch nicht regional – unter Anführung aller möglichen besonderen Umstände – aufgeweicht werden. Dies werden wir mit aller Deutlichkeit in einer weiteren in diesem Jahr anzugehenden größeren Novelle des Weingesetzes deutlich machen müssen, wenn es um die Hektarhöchstertragsregelungen und um die Überlage- rungsmöglichkeiten geht. Lassen Sie mich zu den mit dieser Gesetzesänderung anstehenden Verbesserungen und Veränderungen für unsere Weinbauregionen kurz sprechen. Zunächst ein- mal zu dem Thema der Überproduktion. Hier wären die vereinfachten Destillationsmöglichkeiten und die neu geschaffene Krisendestillation zu nennen, um Marktstö- rungen zu vermeiden. Wir kommen weg von der obliga- torischen Destillation und haben somit mehr Spielraum, aber auch mehr Verantwortung. Wir kommen europä- isch weg von der Produktion für die Destillation und hin zur Destillation als einem Instrument zur Marktanpas- sung. Ganz klar: Destillation rentiert sich zwar nicht, Nichtdestillation im Falle der Krise aber schadet dem Markt. Darüber muss man sich auch in den deutschen Weinbauregionen bewusst werden. Wirkliche Verbesserungen erreichen wir mit der Etablierung von Umstrukturierungs- und Umstellungs- maßnahmen. Hier investiert die EU wirklich in die sinn- volle und nachhaltige Verbesserung der europäischen Weinbauregionen. Unsere deutschen Weinbauregionen werden in der Marktreflexion dieses Instrument sicher- lich sinnvoll nutzen, und zwar indem die Bewirtschaf- tung der Steillagen verbessert, die Sortenumstellung be- trieben und die Wirtschaftlichkeit im Wingert vorange- bracht wird. Um den europäischen Wein – wovon allerdings nur 3 Prozent Rebflächenanteil in Deutschland liegt – ge- genüber den amerikanischen, australischen, afrikani- schen Mitbewerbern wettbewerbsfester zu machen, wer- den für den Bereich der Umstrukturierung 2001 380 Millionen Euro und ansteigend bis zum Jahr 2005 443 Millionen Euro zur Verfügung stehen. Insgesamt wendet die EU für den Sektor Wein knapp unter 1,3 Milliarden Euro auf. Wie hoch der deutsche Anteil hier sein kann, lässt sich nicht genau festlegen. Vorplanungsberechnun- gen gehen allein bei den Umstellungshilfen von 15 Millionen in 2001 bis circa 18 Millionen in 2005, also in fünf Jahren mehr als 80 Millionen DM. Daraus das Bes- te zu machen wird verantwortliche Umsetzungsaufgabe in den Weinbauregionen sein. Ich denke, die Bundesregierung und Landwirt- schaftsminister Funke haben bei den Agenda- Verhandlungen auch den deutschen Weinbau im Sinne gehabt und gute Beschlüsse erwirkt. Die heutige Vorla- ge des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Weingeset- zes ist der freudige Vollzug und die Schaffung der Grundlage für nationale und föderale Umsetzung. Ihnen kann ich viele schöne Weinabende und Exkur- sionen durch die Vielfältigkeit der deutschen Winzer- und Kellerwirtschaft wünschen – im besten Sinne zu Ih- rem Wohle und zum Wohle des deutschen Weins. 7820 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 84. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Januar 2000 (A) (B) (C) (D) Norbert Schindler (CDU/CSU):Heute steigen wir zum ersten Mal in die parlamentarische Beratung zur Änderung des Weingesetzes ein und ich möchte deshalb zu diesem gesamten Thema nur das Allernotwendigste ansprechen. Dieser Entwurf geht nicht weit genug! Über die ein- zelnen Punkte, die durch die Agenda zwingend notwen- dig geworden und vorgeschrieben worden sind – die Angleichung des deutschen Rechts an das EU-Recht –, gibt es, glaube ich, fraktionsübergreifend keine Mei- nungsverschiedenheiten. Ich finde es gut, daß derzeit die Diskussion wegen der Übertragung von Rebpflanzen- rechten bei Steil- und Flachlagen noch nicht abgeschlos- sen ist. Auch der Punkt Beregnung muß ebenfalls noch mit den Weinbauverbänden und den Bundesländern ab- gestimmt werden, um ein einheitliches Meinungsbild zu erhalten. Die Zurückhaltung in diesen beiden Themen ist also auch für uns, die Mitglieder der CDU/CSU-Fraktion, mehr als verständlich. Aber in einem anderen Punkt, dem Hektarhöchstertrag, besteht noch großer Bera- tungsbedarf. Hier sollte sowohl im Ausschuss wie auch in einem besonders angesetzten Hearing allen Beteilig- ten ein Forum zum Meinungsaustausch geboten werden. Eine entsprechende Anhörung im Ausschuss ELF forde- re ich hiermit ausdrücklich ein. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist offen für eine zusätzliche Gesamthektarertragsstufe mit Flächen- verbrauch für Industrieverarbeitungswein; dieser Begriff ist sicherlich im Moment noch ein Hilfskonstrukt. Diese Weine dürfen aber nicht in Konkurrenz zu den Quali- tätsweinvermarktungswegen stehen. Ich greife aber ein- fach eine Zahl, um Ihnen dies an einem Beispiel zu ver- deutlichen: 20 000 Liter Vermarktungskontingent für Essiggrundweine und Traubensaft aus deutscher Her- kunft sollten zugelassen werden. Damit würden wir in den möglichen Spitzenjahren ein zusätzliches Ventil schaffen, um bestimmte Mengen konkurrenzlos am normalen Weinweg vorbei auf einen anderen Absatz- markt zu bringen. Deutscher Traubensaft aus solchen klassischen Übermengen bis hin zum Hengstenberg- Essig würde dann natürlich nur zu Geringstpreisen, aber dafür in Deutschland mit entsprechender Herkunft pro- duziert werden können. Dies sollte jedoch noch en detail abgestimmt werden. Einen weiteren Punkt stelle ich hier ausdrücklich nur zur Diskussion: Sollten solche namenlosen Tafelweine als Ersatz für ausländische Sektgrundweine auch Ver- wendung finden? Wir haben dazu noch keine abge- schlossene Meinung und ich hoffe, Sie, meine Damen und Herren der Koalition, sind hier auch noch nicht festgelegt. Die Beratungen der nächsten Wochen sollten auch hierüber Aufschluß geben. Der oben angeführte Vorschlag wäre absolut neu und beträfe uns, den Bundesgesetzgeber. Dies würde den Ländern die Möglichkeit geben, diese Mehrmengen pro Hektar in einen bestimmten Vermarktungsweg zu kana- lisieren. Ein anderes Thema möchte ich noch kurz anschlie- ßen: die wahlweise Ausweisung von Tafelweinbetrieben – natürlich auf freiwilliger Basis – und die Aufnahme von neuen Begriffsbezeichnungen wie „Selektion“ und „Klassik“. Wenn die Wirtschaft überzeugt ist, mit diesen Begriffen eine neue positive Vermarktungsschiene zu fahren, sollte man ihr als Gesetzgeber auch die Chance dazu geben. Die Ausweisung von Tafelweinbetrieben, das heißt der Wahlmöglichkeit der Betriebe, sich zum Beispiel fünf Jahre lang auf die Produktion von Tafelwein festzu- legen, unterliegt dabei aber ausschließlich – und dies muß hier deutlich gesagt werden – dem EU-Regime. Diese Möglichkeit sollte doch auch in der laufenden Be- ratung mit berücksichtigt werden. Ich rege diese beiden Punkte ausdrücklich nur an, damit hier nicht nur Brüssel pflichtgemäß gehuldigt und alles abgenickt wird. Eine Antwort für den Herbst 2000 muß jetzt schon mit auf den Weg gegeben werden, da- mit wir bei den oben genannten Punkten keine Zeit ver- lieren. Wir, die Mitglieder der CDU/CSU-Fraktion, sind of- fen für eine Diskussion der unterschiedlichen Stand- punkte. Wir sollten daher mit allen Beteiligten konse- quent und konstruktiv zusammenarbeiten, um diese Ge- setzesvorlage mit einem guten Ergebnis in den nächsten Monaten abschließen zu können. Ich bin mir sicher, daß sich auch die Kolleginnen und Kollegen von Rot-Grün meinen Ausführungen anschließen werden. Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Mit der heute vorgelegten Novelle des Weingesetzes wird die notwendige Anpassung an die Agenda 2000 vorge- nommen. Die neue EG-Weinmarktordnung über die ge- meinsame Marktorganisation für Wein tritt ab dem 1. August 2000 in Kraft. Wir haben den Gesetzesent- wurf so rechtzeitig eingebracht, dass die Länder in der Lage sind, die auf das Weingesetz gestützten Landes- verordnungen fristgerecht zu erlassen. Damit wird die Diskussion um die Zukunft des Weinbaus keinesfalls beendet sein. Durch die Umsetzung der Agenda 2000 wird die eu- ropäische Weinproduktion künftig stärker am Markt ausgerichtet und ihre internationale Wettbewerbsfähig- keit verbessert. Die Einführung von Maßnahmen zu Umstellung und Umstrukturierung von Rebflächen dient der Anpassung der Erzeugung an die Marktnachfrage. Die an der binneneuropäischen Nachfrage vorbeige- hende Überproduktion an Wein wurde in den zurücklie- genden Jahrzehnten durch immer kostenintensivere, haushaltsbelastende und bürokratieaufwendige Interven- tionssysteme der EU gestützt. Die Weinproduktion gan- zer Regionen Europas wurde auf die Verlässlichkeit staatlicher Interventionsmaßnahmen hin ausgerichtet. Auch in Deutschland wurde in der Vergangenheit in Jahren ausufernder Erntemengen – 1982-83, 1992 – durch eine Abstufung von Qualitätsweinen das europäi- sche Interventionssystem zur Überschussbeseitigung in Anspruch genommen und die Teilnahme an Interventi- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 84. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Januar 2000 7821 (A) (B) (C) (D) onsmaßnahmen von einzelnen Bundesländern finanziell und organisatorisch unterstützt. Gleichzeitig ist festzustellen, dass unterschiedliche wirtschaftliche, soziale und umweltbezogene Rahmen- bedingungen für die Weinwirtschaft in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten ungleiche Wettbewerbsbedingungen geschaffen haben. Der Preisverfall im Herbst hat erneut die Strukturschwäche des deutschen Erzeugermarktes offen gelegt. Damit werden die Bemühungen der Win- zer, das Image des deutschen Weins zu verbessern, kon- terkariert. Verschärft wird diese Situation durch einen zunehmenden internationalen Wettbewerb, insbesondere durch verstärkte Weinimporte aus Überseeländern wie Kalifornien, Neuseeland, Australien, Südafrika und Südamerika. Die geplante EU-Osterweiterung stellt eine weitere Herausforderung in dieser Hinsicht dar. Die vorhandenen Probleme sind nicht den Winzern zuzuschreiben. Es war die Politik, die mit ihren bürokra- tischen Anforderungen und Interventionsregelungen die betriebswirtschaftlichen Rahmen gesetzt hat. Sehen Sie sich die Situation an der Mosel an. Ende des Jahres 1999 lagern dort 30 Millionen Liter Wein aus den letzten Jah- ren, gleichzeitig kauft eine der größten Kellereien 50 Millionen Liter so genannten „Verarbeitungswein“ (für weinhaltige Getränke) aus Italien ein. Wie absurd! Die heutige Umsetzung der EU-Beschlüsse schafft nun zunächst eine Basis für ein stabileres Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage auf dem Gemein- schaftsmarkt und eröffnet den Erzeugern Möglichkeiten, neue Märkte zu erschließen. Durch von der EG finan- zierte Programme zur Umstrukturierung und Umstellung von Rebflächen – Sortenumstellung, Modernisierung der Produktionstechniken – soll eine bessere Anpassung der Erzeugung an die Marktnachfrage bewirkt werden. Die Aufteilung der entsprechenden Mittel zwischen den Mitgliedsstaaten orientiert sich am Rebflächenanteil der jeweiligen Mitgliedstaaten an der Gesamtrebfläche; der Anteil Deutschlands beträgt circa 3 Prozent. Im Jahre 2003 und in der Folge alle drei Jahre soll der Rat auf der Basis eines Berichts der Kommission entscheiden, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die Marktlage weitere Neuanpflanzungen rechtfertigt. Die Verordnung regelt, dass bis zum Jahre 2003 Neu- anpflanzungsrechte in Höhe von insgesamt 2 Prozent der Gemeinschaftsrebfläche gewährt werden sollen. Davon werden 1,5 Prozent den Mitgliedsstaaten direkt zugeteilt – auf Deutschland entfallen dabei 1.534 ha – und 0,5 Prozent in eine EU-Reserve eingestellt. Der Rat behält die Kompetenz für den Erlass der we- sentlichen Vorschriften im Bereich der Etikettierung und der ökologischen Verfahren. Der Rat genehmigt – wie der Weinbauverband vorschlug – weiterhin die einzel- nen önologischen Verfahren, während die Kommission die Toleranzbereiche und Obergrenzen zunächst auf ih- rem derzeitigen Niveau festlegt. Die Grenzwerte für den Schwefeldioxidgehalt verbleiben jedoch in der Zustän- digkeit des Rates. Dazu gehören zudem die Grenzwerte für Sorbinsäure und Kaliumsorbat. Insgesamt ist diese Reform und die Umsetzung in dem vorliegenden Weingesetz ein Schritt zur Verbesse- rung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wein- wirtschaft. Mit dem Gesetz schaffen wir die Vorausset- zungen, dass die Winzerinnen und Winzer von Anfang an voll von den Begünstigungen der geänderten Wein- marktordnung profitieren können. Die Lösungen für die aktuellen Probleme zum Bei- spiel an der Mosel, die Fragen der Neuorientierung der Strukturpolitik über die Agenda 2000 hinaus, der Mo- dernisierung von Etiketten und Kennzeichnung müssen in einem zweiten Schritt nach einer breiten inhaltlichen Diskussion mit den Betroffenen und nach einer Anhö- rung zur Zukunft des Weinbaus in einer 2. Novelle des Weingesetzes angegangen werden. An dieser Stelle werden dann auch strittige Themen wie Beregnung, Übertragung von Pflanzenrechten, Mengenregulierung, Lagenbezeichnungen, Ausgleich von Flach- und Steilla- gen, Destillation, Vermarktung und Deutscher Wein- fonds diskutiert. Weitere Diskussionen und Reformen sind notwendig zur Sicherung der Zukunft des Weinbaus. 0,50 bis 0,60 DM an der Mosel oder in der Pfalz für Qualitäts- moste können keine Existenzsicherung sein. Wir als Bündnis 90/Die Grünen möchten uns besonders darauf konzentrieren, die Arbeitsplätze, Betriebe und die Kul- turlandschaft dadurch zu sichern, dass hohe Qualitäts- standards in der Erzeugung, Verarbeitung und einer dar- auf ausgelegten Vermarktung verankert werden, dass die Ertragsmengenbegrenzung durch ökologischen Weinbau verstärkt gefördert wird und dass Verbraucher und Verb- raucherinnen wieder vermehrt Gefallen am heimischen Wein mit seinen vielen wunderbaren Angeboten finden. Und dazu noch eines: Das Produkt „Wein“ lebt von sei- nen kulturellen, traditionellen und regionalen Bindun- gen, seiner speziellen Ausprägung durch die natürlichen Grundlagen und winzerisches Können. Das sind die ent- scheidenden Argumente im Wettbewerb. Das heißt auch: Die Landschaftszerstörung durch den unsinnigen Bau einer Hochmoselbrücke richtet sich gegen den Weinbau. Das müssen wir verhindern. Noch ein letztes Wort zur Weinbau-Forschung: Schon das Rahmenprogramm zur Bundesforschung der alten Bundesregierung und Landwirtschaftsminister Borchert haben das Institut in Bernkastel-Kues und seine Möglichkeiten zu eigenständiger Forschung erheblich geschwächt. Eine Stärkung des Standortes Siebeldingen mag nun sinnvoll sein, um die Weinbau-Forschung ins- gesamt zukunftsfähig zu machen. Wir setzen uns aber auf jeden Fall für die Fortsetzung der Steillagen- Forschung und den Erhalt der Arbeitsplätze an der Mo- sel ein. Das kann auch unter einem neuen Träger mög- lich sein. Marita Sehn (F.D.P): Der vorliegende Gesetzent- wurf der Fraktionen von SPD und Grünen ist aus unserer Sicht unterstützenswert: Einerseits wird die notwendige technische Umsetzung der EU-Weinmarktreform be- schleunigt; andererseits erhält die Sachdiskussion über die Übertragung von Wiederbepflanzungsrechten und Landesreserven sowie die Beregnungsbestimmungen die Zeit, die notwendig ist, um zusammen mit den Betroffe- 7822 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 84. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Januar 2000 (A) (B) (C) (D) nen die besten Lösungen zu finden und einen Konsens zu erreichen. Dies ist bei der EU-Weinmarktreform weitest gehend gelungen, auch wenn an der einen oder anderen Stelle noch Verbesserungen wünschenswert gewesen wären – etwa durch die Ausdehnung der Gültigkeitsfrist für Pflanzenrechte auf 15 Jahre. Unverzichtbar für den Konsens der Politik mit der Weinwirtschaft ist, dass sich die betroffenen Winzer und Weinbauverbände selber über die Rahmenbedingungen einig sind, unter denen sie produzieren und vermarkten wollen. Ich kann mich noch gut an die Schwierigkeiten erinnern, die bei der Weinrechtsnovelle 1994 eine Eini- gung lange verhindert haben. Auch jetzt habe ich nach dem Einbruch der Preise für Faßweine bei meinen vielen Gesprächen mit Betroffe- nen höchst unterschiedliche Signale empfangen – von Region zu Region, von Bundesland zu Bundesland. Die Reizworte lauten: Marktspaltung zwischen Qualitäts-, Tafel- und Ver- arbeitungsweinen, Anhebung der Mindestmostgewichte für QbA-Weine, Begrenzung der Überlagerung und Senkung der Hektarertragsmengen. Welche der genannten Maßnahmen den bestmögli- chen Schutz gegen einen erneuten Einbruch der Preise bietet, der leider nie ganz ausgeschlossen werden kann, werden wir intensiv vor Ort diskutieren müssen. Aber eines ist klar: Staatliche Marktinterventionen sollten auch in Zukunft nur das letzte Mittel sein, um in kritischen Situationen den Markt zu stabilisieren. Klar ist auch, dass an der Zuständigkeit der Bundesländer für den Qualitätsweinbereich nicht gerüttelt werden darf. Vor dem Genuss kommt die Erzeugung und vor der Erzeugung die Forschung. Aus diesem Grund kämpfen wir gegen die Schließung des Institutes für Pflanzen- schutz im Weinbau, das die Biologische Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft in Bernkastel-Kues unter- hält. Die dort vorhandene Expertise ist für den Weinbau, besonders den landschaftsprägenden Anbau in Steillagen überall in Deutschland, unverzichtbar und kann nicht durch eine Verlagerung des Institutes an den Standort Siebeldingen ersetzt werden. Nachdem die Entscheidung im Bundeslandwirtschaftsministerium schon gefallen war, hat die Bundesregierung auf unsere Initiative hin zugesichert, die Angelegenheit bis zum 29. Februar noch einmal zu überprüfen. Dies begrüßen wir ausdrücklich. „Der Wein steigt in das Gehirn, macht es sinnig, schnell und erfinderisch“, heißt es bei Shakespeare. Bei den anstehenden Beratungen über die Weinrechtsno- velle im Ausschuss wollen wir es aber so halten, erst schnell und erfinderisch zu sein und dann Wein zu trin- ken. Der hervorragende Jahrgang 1999 bietet dazu allen Anlass. Kersten Naumann (PDS): Mit dem zweiten Gesetz zur Änderung des Weingesetzes soll das nationale Recht an das neue Gemeinschaftsrecht der Weinmarktordnung angepasst werden. Die Agenda 2000 mit ihrer Zielstel- lung der weiteren Liberalisierung von Agrarmärkten und Harmonisierung im Binnenmarkt wirkt nunmehr auch für die deutschen Weinbauern. Die Abschaffung von 22 den Weinsektor betreffenden EG-Verordnungen ist sehr zu begrüßen. Aber nicht anders als auch mit den Ände- rungen der Marktordnungen für Milch, Rindfleisch und Getreide versuchen die Betroffenen nun zu retten, was zu retten ist. Erklärtes Ziel der Marktordnung ist zu- nächst die Schaffung eines stabileren Gleichgewichts zwischen Angebot und Nachfrage auf dem Gemein- schaftsmarkt. Das ist angesichts der Produktion natürli- cher Güter mit erheblichen Schwankungen von Jahr zu Jahr und Region zu Region auf der Angebotsseite ziem- lich illusorisch. Die EU produziert zuviel Wein mit er- heblichen nationalen Unterschieden. Deshalb sollte die Weinmenge bereits dort gedrosselt werden, wo der Überschuss entsteht, und zwar in den Südländern. Es kann nicht Sinn der Sache sein, mit sehr viel zusätzli- cher Energie rektifiziertes Traubensaftkonzentrat, RKS, in den Südländern aus Überschuss herzustellen und da- mit regionale Marken in den Nordländern zu verschnei- den. Erstens gibt es nach Aussagen des Weinbauverban- des Saale/Unstrut mikrobiologische Bedenklichkeiten und zweitens ist es bewährte Tradition, Saccharose zur Alkoholerhöhung im Wein einzusetzen. Zudem hat es den Effekt, die Zuckerrübenproduzenten zu unterstützen und damit Produkte aus regionalen Kreisläufen zu ver- werten. Angebot und Nachfrage deutscher Produktion halten sich in Deutschland mit einigen Schwankungen die Waage, mit einer Ausnahme – das sei hier nicht ohne Stolz erwähnt –: Die Nachfrage nach Saale/Unstrut und Meißner Markenweinen kann bei weitem nicht gedeckt werden. Sie ist immer noch bzw. wieder Mangelware. Ihre Nische bleibt mit Sicherheit beständig, denn auch hier wird die ostdeutsche Tradition von den neuen Bundesländern – mittlerweile auch zunehmend von den eingeflogenen Beamten – anerkannt. Sicherlich könnte auch hier im Marketingbereich, insbesondere für eine kostendeckende Produktion und für die Sicherung von Qualitätsweinen sowie regionalen Marken, etwas gegen das Überschwemmen mit billigeren Importen getan werden. Immerhin ist Deutschland größter Importeur. Allerdings – so muss man hinzufügen – gehört diese Gaumenfreude zu denen, die man aufgrund steigenden Alkoholkonsums moderat sehen sollte. Der deutsche Weinbau ist nur zu retten, wenn die Weintrinker den Wein wegen seiner Qualität kaufen. Auch beim Weinbau ist zu berücksichtigen, dass er erheblich zur Pflege und Erhaltung der Kulturlandschaft beiträgt. Wein ist ein Kulturgut und damit ein Maßstab für das Zivilisationsniveau. Auf der Verbraucher- oder Nachfrageseite besteht trotz erheblicher Kontrollen das Problem z. T. jahrelan- gen Etikettenschwindels, und das nicht nur in den Süd- ländern wie im Fall des Glykolskandals. Erinnert sei an das Beispiel Moselwinzer der Lage „Zeller Schwarze Katz“ oder Winzer der Großlage „Piesporter Michels- berg“. Diese Probleme lassen sich durch keine Richtlinie, Regelung und kein Weingesetz außer Kraft setzten, denn Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 84. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Januar 2000 7823 (A) (B) (C) (D) sie entstehen aus Kosten- und Preisdruck, aus Profitgier und Marktmacht. Ein weiteres erklärtes Ziel der Marktordnung und ih- rer nationalen Umsetzung durch die Bundesregierung ist die Eröffnung der Möglichkeit für die Erzeuger, neue Märkte zu erschließen. Machen wir uns nichts vor, das bedeutet auch, dass alte Marktteilnehmer im Inland wie im Binnenmarkt verdrängt werden. Was wird für sie getan? Zur sozialen Abfederung fin- det sich kein Wort im Gesetzesentwurf. Wieso ist es nicht möglich, ähnlich den Aufga- be(renten)regelungen der Landbauern auch in der natio- nalen Regelung des Weingesetzes darauf hinzuwirken, dass Regelungen zur Umsetzung der Bestimmungen ü- ber Prämien für die endgültige Aufgabe des Weinbaus einbezogen werden? So kommt der Entwurf von SPD und Grünen weniger lieblich als eher trocken und nüchtern daher. Denn die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit des Weinsek- tors bedeutet auch hier schärferen Wind in Weinanbau- gebieten bezüglich des Kosten- und Preisdrucks. Die Abschaffung der Intervention als günstigste Absatzmög- lichkeit für Überschüsse macht das Problem im Weinbau wie in der Landwirtschaft deutlich: Die Ertragsfähigkeit und -leistungen liegen bei weitem über den Regulie- rungsgrenzen. Nach Auffassung der PDS ist auch hier geboten: so wenig Regulierung und Eingriff durch den Staat wie möglich, aber soviel wie notwendig, um den Weinbau- ern für die Zukunft eine Existenzsicherung und - sicherheit zu schaffen. Der Intention der großen Weinbauverbände, den Landesregierungen mehr Entscheidungsbefugnis zu ge- ben, was die Festsetzung der Hektarhöchstertragsrege- lungen, die Übertragung von Wiederbepflanzungsrech- ten und das Reservesystem in den weinbaubetreibenden Bundesländern betrifft, entspricht den Prinzipien von Subsidiarität und ist deshalb zu unterstützen. Nicht einverstanden können wir uns damit erklären, Hektarhöchsterträge bei Überschreitung von Qualitäts- wein in Tafelwein herabzustufen. Das verstößt gegen die Interessen der Winzer. Bezüglich der Reservenbildung von Pflanzungsrech- ten ist hinzuzufügen, dass entweder bundeseinheitlich keine Reserven vergeben werden oder sie in Landesho- heit und damit auch in deren Verwaltungs- und Bestim- mungsbefugnis gegeben werden. Damit werden auch die Verbände in die Pflicht ge- nommen. Eine übergeordnete Behörde – vorgesehen vom BML – muss dann abgelehnt werden. Auch die Erteilung von Neuanpflanzungsgenehmi- gungen kann aus der Sicht der Landesregierung im Zu- sammenwirken mit dem jeweiligen Weinbauverband und den betroffenen Weinbauern am besten übersehen, beurteilt und entschieden werden. Hier sind im Ernäh- rungsausschuß noch Nachbesserungen zu diskutieren. Was die Höchstertragsregelungen betrifft, wird in den Hauptertragslagen wie Rheinland-Pfalz das Kräftemes- sen eine Rolle spielen. Die beiden Verbände in Ost- deutschland für die Gebietsweinwerbung, Weinbauver- band Saale-Unstrut für die Länder Thüringen und Sach- sen-Anhalt sowie der Weinbauverband Sachsen, können damit sehr gut leben. Einen Schutz vor dem Markt und damit der erbar- mungslosen Konkurrenz zwischen Regionen, insbeson- dere aber zwischen den Mitgliedsstaaten und der Kon- kurrenz auf dem Weltmarkt wird es auch in diesem Sek- tor nicht geben. Die Bundesregierung ist daher aufgefordert, den nati- onalen und regionalen Gestaltungsspielraum für die eu- ropäischen Rahmenregelungen soweit wie möglich im Sinne sozialökologischer Anforderungen der Zukunft auszuschöpfen. Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Strafverfahrens- rechts (Zusatztagesordnungspunkt 10) Dr. Jürgen Meyer (Ulm) (SPD): Die heute anste- hende Verabschiedung des Strafverfahrensänderungsge- setzes 1999 durch den Deutschen Bundestag ist eine gu- te Stunde für die Effektivität der Strafrechtspflege und zugleich für den Grundrechtsschutz in Deutschland. Bei der ersten Lesung des Regierungsentwurfes am 7. Okto- ber des vergangenen Jahres hatte ich die vergeblichen Anläufe zur Umsetzung des bekannten Volkszäh- lungsurteils des Bundesverfassungsgerichts vom 15. De- zember 1983 in Erinnerung gerufen. 16 Jahre hatten der Kohl-Regierung und der früheren Parlamentsmehrheit nicht ausgereicht, um das StVÄG zu verabschieden. Der letzte Fehlversuch war der so genannte Flughafenkom- promiss, dem im August 1998 neben der SPD und der CDU/CSU sowie der FDP auch die Vertreter der A- und B-Länder zugestimmt hatten. Der damalige bayerische Justizminister Leeb hatte die Verabschiedung des voll- ständig ausformulierten Gesetzestextes noch vor der letzten Bundestagswahl durch einen Brief mit faden- scheiniger Begründung verhindert, der sich leider die CDU/CSU-Fraktion angeschlossen hat. Kurioserweise haben sich im Rahmen der Ausschuss- beratungen und des Berichterstattergespräches die CDU/CSU- und die F.D.P.-Fraktion gegen Veränderun- gen des Regierungsentwurfes gewehrt, der seinerseits auf dem Flughafenkompromiss beruht. Interessant ist dabei, dass sich die CDU/CSU gewissermaßen zur nach- träglichen Gesichtswahrung auch die seinerzeitige Kritik aus Bayern an den Absätzen 2 und 3 von § 161 StPO in der Fassung des Regierungsentwurfs zu Eigen macht. Es geht dabei um die Verwertung von Präventivdaten, die durch spezielle polizeirechtliche Maßnahmen erlangt worden sind. Mit der Kommentarliteratur, wonach derartige Erkenntnisse einem Verwertungsverbot 7824 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 84. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Januar 2000 (A) (B) (C) (D) artige Erkenntnisse einem Verwertungsverbot unterlie- gen, wenn sie unter Umgehung der strafprozessualen Beschränkungen erlangt worden sind, setzt sich die Op- position nicht auseinander. Geradezu abwegig ist die Begründung für den Antrag auf Streichung von Abs. 3, in dem es um die Verwertung personenbezogener In- formationen aus dem Einsatz technischer Mittel zur Ei- gensicherung in Wohnungen geht. Die Opposition über- sieht, dass die vorgesehene Verwertungsbeschränkung der seit 1998 geltenden Neufassung von Art. 13 Abs. 5 Satz 2 Grundgesetz entspricht, wonach eine anderweiti- ge Verwertung der erlangten Erkenntnisse nur zulässig ist, wenn zuvor die Rechtmäßigkeit der Maßnahme rich- terlich festgestellt worden ist. Die Wiederholung der Einwendung aus dem Jahre 1998 macht noch einmal deutlich, wie dürftig die dama- lige Begründung für die Ablehnung des Flughafenkom- promisses gewesen ist. Inzwischen ist durch die Säumigkeit der früheren Re- gierungskoalition eine immer schwieriger werdende La- ge entstanden. Mehr und mehr setzt sich die Auffassung durch, dass die Übergangsfrist zur Umsetzung des Volkszählungsurteils abgelaufen ist. Damit fehlt es aber an einer gesetzlichen Grundlage für die Übermittlung von Daten, die zur Aufklärung von Straftaten benötigt werden. Das kann der Gesetzgeber nicht länger verant- worten. Geradezu aberwitzig ist, dass ausgerechnet die Landesregierung von Bayern sich unter Hinweis auf die abgelaufene Übergangsfrist weigert, Strafakten für die wissenschaftliche Untersuchung der Praxis der Telefon- überwachung nach § 100 a StPO an das von der Bundes- regierung beauftragte Forschungsinstitut herauszugeben. Angeblich gäbe es für einen derartigen Datentransfer keine gesetzliche Grundlage. Im Bundestag wird die Überprüfung des § 100 a StPO aber mit Nachdruck ge- rade auch von der CDU/CSU-Fraktion verlangt. Und die Fraktion hat den von der neuen Bundesregierung erteil- ten Auftrag zur Aktenauswertung ausdrücklich begrüßt. Bei der intensiven Beratung des Regierungsentwurfes hat die Regierungskoalition in enger Abstimmung mit dem federführenden Bundesjustizministerium als auch dem Innenministerium von Nordrhein-Westfalen eine Reihe von Änderungen vereinbart, die ich bereits in meiner Rede vom 7. Oktober angekündigt hatte. Bei un- seren Vorschlägen gehen wir von drei Grundsätzen aus. Erstens ist es Aufgabe und Verpflichtung des Gesetz- gebers, die praktische Konkordanz zwischen den Erfor- dernissen der Strafrechtspflege und dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung durch eine eigene Abwägung bei jeder der notwendigen Regelungen her- zustellen. Das gilt genauso für die Verwendung von Er- kenntnissen aus besonderen polizeirechtlichen Maß- nahmen wie für die Zulässigkeit längerfristiger Observa- tion oder die Auskunftsansprüche des Betroffenen oder die Erteilung von Aktenauskünften für Gerichte, Staats- anwaltschaften, Behörden, um nur einige Beispiele zu nennen. Der Gesetzgeber wäre seiner Verantwortung nicht gerecht geworden, wenn er die bereits vor dem Volkszählungsurteil geltenden untergesetzlichen Rege- lungen etwa in den Richtlinien für das Straf- und Buß- geldverfahren wortwörtlich übernommen und in Geset- zesrang erhoben hätte. Zum einen ist die Sprache der RiStVB keine Gesetzessprache und zum anderen und vor allem musste der Gesetzgeber eine eigenständige Güterabwägung durchführen. Zweitens musste in jedem einzelnen Fall wegen der Notwendigkeit, die Effektivität der Strafrechtspflege zu beachten, der Fundus der Erfahrungen in der Praxis be- achtet werden. Das geschah in zahlreichen Besprechun- gen mit den beteiligten Justiz- und Innenressorts, deren Mitwirkung von besonderem Wert war. Als Berichter- statter der SPD-Fraktion habe ich für diese Unterstüt- zung besonders zu danken. Drittens war die schwierige Aufgabe zu lösen, Wer- tungswidersprüche mit der gesetzlichen Regelung ver- gleichbarer Grundrechtseingriffe, wie sie bereits in an- derem Zusammenhang getroffen worden war, unter allen Umständen zu vermeiden. Dieses war der maßgebliche Gesichtspunkt bei der kritischen Überprüfung der Frage, inwieweit die Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft bei Gefahr im Verzuge die Kompetenz zur Anordnung ins- besondere einer Öffentlichkeitsfahndung erhalten oder behalten sollten. Eine derartige Kompetenz musste ver- hältnismaßig problemlos bei Fahndungsmaßnahmen wie der Ausschreibung zur Festnahme erscheinen, war aber bereits deutlich einzugrenzen bei der Regelung der längerfristigen Observation. Als besonders schwierig erwies sich in diesem Zusammenhang aber die Kompe- tenz für eine Öffentlichkeitsfahndung. Vor allem die Fernsehfahndung war nach Auffassung der Berichter- statter mit ihrer möglicherweise lange im Gedächtnis haftenden Prangerwirkung durchaus vergleichbar mit der Beeinträchtigung von Persönlichkeitsrechten durch die jahrelang kontrovers diskutierte akustische Überwa- chung von Wohnungen. Für jene hat der Verfassungsge- ber bekanntlich in Art. 13 Abs. 3 Grundgesetz einen strengen Richtervorbehalt festgelegt, weshalb auch bei Gefahr im Verzuge eine derartige Anordnung nur durch einen Richter getroffen werden kann. Ähnliches gilt für die Anordnung der DNA-Analyse zur Erstellung eines so genannten genetischen Fingerabdrucks, wofür eben- falls einfachgesetzlich ein strenger Richtervorbehalt gilt. Deshalb haben wir uns dafür entschieden, dass die Verantwortung für die verschiedenen Formen der Öf- fentlichkeitsfahndung grundsätzlich von der Staatsan- waltschaft als für das Ermittlungsverfahren verantwort- licher Behörde zu übernehmen ist. Eine Eilkompetenz für Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft kann es für die Inanspruchnahme des Fernsehens nicht geben. Für ande- re Formen der Öffentlichkeitsfahndung, also etwa Laut- sprecherfahndung, Radiofahndung, Fahndungsaufrufe per Zeitung oder Handzettel, haben wir enge Grenzen vorgesehen, in denen Hilfsbeamte der Staatsanwalt- schaft eine sofortige Anordnung treffen dürfen, wenn ein Festgenommener sich der Bewachung entzieht und der Ermittlungsrichter oder der zuständige Staatsanwalt nicht rechtzeitig erreichbar sind. Außerdem muss die Entscheidung der Staatsanwaltschaft in diesen Fällen unverzüglich herbeigeführt werden. Und die Anordnung tritt außer Kraft, wenn die notwendige Bestätigung nicht binnen 24 Stunden erfolgt. In Übereinstimmung mit den Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 84. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Januar 2000 7825 (A) (B) (C) (D) beteiligten Ressorts sind die Berichterstatter der Regie- rungskoalition davon überzeugt, eine Regelung der Zu- ständigkeit für die Öffentlichkeitsfahndung gefunden zu haben, die den Schutz der Persönlichkeitsrechte des Be- schuldigten und die Effektivität der Strafrechtspflege in angemessener Weise berücksichtigt. Es ist ein großer Erfolg der Bundesregierung und der Regierungskoalition, dass das StVÄG knapp vier Mona- te nach der ersten Lesung und nach intensiven Beratun- gen nunmehr in zweiter und dritter Lesung verabschie- det werden kann. Was die Kohl-Regierung in 16 Jahren nicht geschafft hat, gelingt der neuen Bundesregierung nunmehr binnen 15 Monaten nach dem Regierungs- wechsel. Der Entwurf, den ich nur mit einigen Beispie- len erläutern konnte, und die beigefügte Begründung sowohl des Regierungsentwurfes als auch der vom Rechtsausschuss mit Zustimmung des Innenausschusses vorgeschlagenen Änderungen sprechen für sich. Die Ge- fahr, dass es durch fehlende gesetzliche Grundlagen für den notwendigen Datentransfer zu fehlerhaften Frei- sprüchen oder auch Verurteilungen kommt, ist gebannt. Die Bundesregierung und die Regierungskoalition haben in einem zentral wichtigen Bereich der Kriminalpolitik ihre Handlungsfähigkeit bewiesen. Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten (CDU/CSU): Heute soll hier abgeschlossen werden, was seit vielen Jahren das Parlament beschäftigt und dringend abge- schlossen werden sollte. Die rot-grüne Koalition wird behaupten, „was lange währt, wird endlich gut“, und sich den Erfolg auf ihre Fahnen schreiben wollen. Diese Auffassung ist nur teilweise richtig, meine Damen und Herren der Regierungsfraktionen, denn es muss die Fra- ge gestattet sein: Cui bono? – Zu wessen Nutzen? Bei sorgfältiger Analyse der heutigen Vorlage kommen wir teilweise zu der Schlussfolgerung, hier gelte der Grund- satz „Datenschutz vor Opferschutz und effektiver Straf- verfolgung“. Wären Sie doch, meine Damen und Herren der SPD, bei Ihrem ursprünglichen Regierungsentwurf geblieben. Dann wäre vielleicht der erhoffte Erfolg ge- kommen. Sie haben sich aber offensichtlich den unsin- nigen Forderungen ihres Koalitionspartners, den Grü- nen, unterworfen und haben somit die Chance vertan. Zu den Einzelheiten der Kritik will ich nachher kommen. Vorab noch etwas Grundsätzliches: Der Auslöser für unsere heutige Debatte ist, wie Sie alle wissen, ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1983, welches klargestellt hat, dass das allgemeine Persönlich- keitsrecht in Art. 1 des Grundgesetzes den Schutz des Einzelnen gegen unbegrenzte Erhebung und Verwen- dung seiner persönlichen Daten umfasst und dass Ein- schränkungen dieses Rechts nur bei überwiegendem all- gemeinen Interesse zulässig sind und einer gesetzlichen Grundlage bedürfen. Das danach notwendig gewordene Strafverfahrensänderungsgesetz beschäftigt uns bereits seit vielen Jahren, ohne dass bisher eine Einigung ge- lungen ist. Dadurch besteht die Gefahr, dass die Rechts- sprechung die automatisierte Datenverarbeitung der Staatsanwaltschaft wegen Fehlens einer gesetzlichen Grundlage für nicht mehr zulässig erklärt. Damit wird die Funktionsfähigkeit der Strafverfolgung akut in Frage gestellt. Wegen der vergangenen Zeit ist Eile geboten. Ein wesentlicher Gesichtspunkt, den wir meines Er- achtens keinen Augenblick aus dem Auge verlieren dür- fen, ist die Tatsache, dass es in unserem Staat in Zeiten, in denen wir mit Personalvermehrung nicht rechnen können, vielmehr Personalreduzierungen hinnehmen müssen, eine ganz besondere Verantwortung für die Wahrung der Effizienz der Strafverfolgung gibt. Es geht da-rum, in einer vorsichtigen Abwägung einerseits rechtsstaatlichen Bedingungen wie rechtliches Gehör, justizförmiges Strafverfahren, Belange des Datenschut- zes und des Rechts auf informationelle Selbstbestim- mung zu sichern, aber diesem Staat andererseits auch die Instrumente zu lassen, die er braucht, um im Kampf ge- gen die Kriminalität zu bestehen. Die innere Sicherheit muss eine Daueraufgabe von höchster politischer Priorität im demokratischen Staat sein. Glaubwürdige Erfolge bei der Kriminalitätsbe- kämpfung lassen sich nur erzielen, wenn die politisch Verantwortlichen die innere Sicherheit als eine solche Daueraufgabe im Interesse der Menschen verstehen. In- nere Sicherheit ist die Grundlage unserer Freiheit. Nur wer sicher sein kann vor Angriffen auf Leib, Leben, Ge- sundheit und Eigentum, kann seine Grundrechte in unse- rem freiheitlichen Staat auch nutzen. Die Bürgerinnen und Bürger erwarten daher zu Recht vom Staat den bestmöglichen Schutz vor Gewalttätern und sonstigen Kriminellen. Zur Bewahrung von Recht und Ordnung gehört insbesondere, dass strafbares Unrecht konsequent und effektiv verfolgt wird. Die Angst der Menschen vor Verbrechen ist meines Erachtens größer als die Furcht vor Verletzung der informationellen Selbstbestimmung. Mit den von der Regierungskoalition zum ursprüngli- chen Gesetzentwurf vorgeschlagenen Änderungen er- schweren Sie die Strafverfolgung mehr, als es notwen- dig gewesen wäre. Sie verlassen in diesem wichtigen Bereich der eben aufgezeigten gebotenen Abwägung von Datenschutz und Strafverfolgung den früher prakti- zierten Konsens – einen Konsens zwischen den Fraktio- nen dieses Hauses und auch zwischen Bund und Landes- justizverwaltungen. Die Vorschläge der vergangenen Jahre sind in dem Bemühen um diesen übergreifenden Konsens gescheitert. Dass wir jetzt zu einem Ergebnis kommen mussten, war klar. Der ursprüngliche Gesetz- entwurf war auch nahezu vollständig konsensfähig. Die nunmehr vorgenommenen Änderungen sind es nicht mehr, sie erschweren die Strafverfolgung unnötig. Zu einigen unserer Kritikpunkte im Einzelnen: Trotz intensiver Bemühungen und langer Gespräche – auch mit den Landesjustizverwaltungen – fiel ein Regie- rungsentwurf der damaligen Koalition im Herbst 1998 der Diskontinuität zum Opfer. Wir standen damals kurz vor dem Ziel und haben den Kompromiss doch nicht ge- schafft, weil bei der Vielzahl von begrüßenswerten und notwendigen Vorschlägen ein Knackpunkt übrig blieb, über den eine Verständigung nicht möglich war. Es ging um die Frage, ob die Verwendung von Präventivdaten der Polizei bei der Strafverfolgung möglich sein soll. Darf die Polizei rechtmäßig gewonnene Erkenntnisse 7826 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 84. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Januar 2000 (A) (B) (C) (D) aus ihrer Präventivarbeit auch anschließend bei der Strafverfolgung, das heißt repressiv, nutzen? Oder sollte die Verwendung der polizeilichen Erkenntnisse grund- sätzlich aufgespaltet werden? Die jetzt in § 161 Abs. 2 und 3 des Gesetzentwurfs getroffenen Regelungen widersprechen insoweit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die die Ver- wendung von Präventivdaten grundsätzlich unbe- schränkt zulässt. Informationen, die bei der Polizei zur Verfügung stehen, müssen auch für die Strafverfolgung grundsätzlich unbeschränkt verfügbar sein. Die Rege- lung, die der Entwurf vorschlägt, führt auch zu Abgren- zungsschwierigkeiten bei der Klärung, woher die Infor- mationen kommen. Aus gutem Grund äußert sich die Strafprozessordnung nicht zum Präventivbereich. Die von der Koalition vorgenommene Erschwerung der Verwendung von Daten, die polizeirechtlich rechtmäßig erhoben sind, ist der Öffentlichkeit zu Recht nicht ver- mittelbar. Strikt abzulehnen ist auch die nachträglich vorge- nommene Änderung zu § 131 c StPO, mit der die Eilzu- ständigkeit der Polizei, das heißt der Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft, für die Anordnung der Öffentlich- keitsfahndung zur Aufenthaltsfeststellung gestrichen wurde. Die jetzt dort vorgesehenen Regelungen abge- stufter Zuständigkeiten zeugen von Misstrauen gegen- über der Polizei, sind nicht praktikabel und führen zu ei- nem enormen bürokratischen Aufwand. Der gleiche Vorwurf ergibt sich für das Aktenein- sichtsrecht bei § 147 Abs. 5 StPO. Auch hier besteht die Gefahr von erheblichem zusätzlichen Aufwand. Hinzu kommt, dass nach der Rechtsprechung des Bundesver- fassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs Beschul- digte, die sich nicht auf freiem Fuß befinden, bereits ei- nen Anspruch darauf haben, über den zugrunde liegen- den Vorwurf im erforderlichen Maß unterrichtet zu wer- den. Gerade in diesen Fällen ist es nicht notwendig, ein zusätzliches Beschwerderecht zu geben. Auch aufgrund des Beschleunigungsgrundsatzes, der zur effektiven Strafverfolgung gehört, sollten die Ermittlungen im Üb- rigen nicht unnötig beeinträchtigt werden. Es ist des Weiteren zu befürchten, dass auch die Än- derung bei den Voraussetzungen für die Auskunftsertei- lung, das heißt bei § 475 StPO, mit einem erheblichen zusätzlichen Aufwand verbunden ist. Gerade die Zivil- rechtspflege wird dadurch entlastet, dass in Strafakten Akteneinsicht gewährt wird. Die engere Formulierung für die Akteneinsicht wird darüber hinaus zu Streitfra- gen führen, ob ein Antragsteller nur ein „berechtigtes“ oder schon ein „rechtliches“ Interesse hat, etwa wenn erst Anspruchsgrundlagen zu klären wären. Auch das von Ihnen vorgesehene Erfordernis einer vorherigen Stellungnahme durch den früheren Beschul- digten bei Auskunftsersuchen führt zu einem erhebli- chen zusätzlichen Aufwand. Im Übrigen werden derarti- ge Regelungen mit Sicherheit Nachfolgeforderungen nach sich ziehen, in anderen Bereichen regelmäßig vor Erteilung von Auskünften formell Gelegenheit zur Stel- lungnahme zu geben, wenn der Aufenthaltsort bekannt ist. Dies könnte die Rechtspflege massiv beeinträchtigen und ist auch verfassungsrechtlich nicht geboten. Wir begrüßen es sehr, dass nach den Jahren der Dis- kussion nun endlich ein Gesetz zum Datenschutz bei der Strafverfolgung verabschiedet wird. Die nähere Ausges- taltung wird von uns aber kritisiert. Ihre Bemühungen um Datenschutz, meine Damen und Herren der Regie- rungskoalition, sind über das Ziel hinausgeschossen. Insgesamt kann festgestellt werden, dass die von Ihnen vorgenommenen Änderungen zum ursprünglichen Ge- setzentwurf eindeutig eine massive Erschwerung der Strafverfolgung sind. Wir bedauern daher außerordent- lich, dass wir das ursprünglich von uns initiierte Gesetz in der vorliegenden Form ablehnen müssen. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Mit dem Gesetzentwurf von Anfang 1999 hatte die Bundesregierung die überfälligen Konsequen- zen aus dem Volkszählungsurteil des BVerfG aus dem Jahr 1983 gezogen und die Verwendung personenbezo- gener Daten im Strafverfahren entsprechend den Anfor- derungen dieses Urteils geregelt. Der Entwurf eines Strafverfahrensänderungsgesetzes beseitigt eine Altlast der alten Bundesregierung. Diese hat seit dem Volkszählungsurteil des Bundesverfas- sungsgerichts von 1983 über ihre 16 Jahre lange Amts- zeit hin einen praktisch „rechtsfreien Raum“ geduldet und es nicht geschafft, gemäß dem Karlsruher Auftrag die Verarbeitung personenbezogener Daten im Strafver- fahren ordentlich gesetzlich zu regeln. Rechtsunsicher- heit sowie divergierende Behördenpraxis und Recht- sprechung waren die Folge. Inzwischen ist es schon so weit, dass Gerichte und Landesbehörden die Weitergabe von Akten und Daten verweigern, weil eine gesetzliche Grundlage fehlt. Eile ist daher geboten. Unser Gesetzentwurf regelt die strafprozessuale Er- mittlungstätigkeit, die Verwendung und Mitteilungen der in einem Strafverfahren erhobenen personenbezoge- nen Daten sowie deren Verarbeitung in Dateien erstmals grundrechtskonform und transparent. Dabei ist ein an- gemessener Ausgleich getroffen worden zwischen den berechtigten Interessen der Gerichte, Strafverfolgungs- behörden, Beschuldigten und drittbeteiligten Stellen. Lassen Sie mich drei von uns initiierte konkrete Ver- besserungen gegenüber den Vorarbeiten der letzten Wahlperiode beispielhaft nennen: Erstens. Die besonders sensiblen Öffentlichkeitsfahn- dungen nach Beschuldigten oder Zeugen dürfen anders als geplant nicht einfach durch die Polizei veranlasst werden, sondern grundsätzlich nur durch den Richter, lediglich im Eilfall befristet durch die Staatsanwalt- schaft. Zweitens. Von großer Bedeutung für Inhaftierte und ihre Verteidiger ist die Neuerung, dass Akteneinsicht nicht einfach durch die Staatsanwaltschaft gewährt oder versagt werden darf, sondern dass dagegen im Fall der Inhaftierung des Beschuldigten eine gerichtliche Über- prüfung möglich ist. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 84. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Januar 2000 7827 (A) (B) (C) (D) Drittens. Zum Schutz der Persönlichkeitsrechte wurde auch die Forderung der Datenschutzbeauftragten aufge- griffen, dass nach Freisprüchen Akteneinsicht an Dritte nicht ohne vorherige Anhörung der Betroffenen gewährt werden darf. Den über fünfzig Änderungswünschen des Bundesra- tes zum Regierungsentwurf konnte überwiegend nicht gefolgt werden, soweit diese darauf zielten, die notwen- digen datenschutzrechtlichen Präzisierungen wieder auf- zuweichen. Bündnis 90/Die Grünen haben großen Wert darauf gelegt, zusätzliche Verbesserungen gegenüber dem Regierungsentwurf zu vereinbaren. Diese sind als Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen zum Regie- rungsentwurf in die Ausschussberatungen eingebracht sowie mehrheitlich gestern beschlossen worden und lie- gen heute als Beschlussempfehlung vor. Diese Ände- rungen beinhalten unter anderem Folgendes: Erstens. Eine Ausschreibung zur Festnahme oder Aufenthaltsermittlung darf – statt auch durch die Polizei – grundsätzlich nur durch die Staatsanwaltschaft und bei öffentlicher Ausschreibung nur durch den Richter – im Eilfall auch durch die Staatsanwaltschaft – angeordnet werden. Dies betrifft § 131 StPO. Zweitens. Zum Schutz von Zeugen werden die Vor- aussetzungen für deren öffentliche Ausschreibung auf die für Beschuldigte geltenden angehoben. Dies betrifft § 131 a Abs. 3 StPO. Drittens. Wenn die Staatsanwaltschaft vor Schluss der Ermittlungen eine beantragte Akteneinsicht ablehnt, steht dem nicht auf freiem Fuß befindlichen Beschuldig- ten dagegen die Beschwerde beim zuständigen Gericht offen. Das betrifft § 147 Abs. 5 StPO. Viertens. Längerfristige Observationen dürfen nur durch die Staatsanwaltschaft – statt auch durch die Poli- zei – angeordnet werden. Dies betrifft § 163 f. StPO. Fünftens. Dem Anwalt des Verletzten wird Einsicht in Strafverfahrensakten bei Nachweis eines rechtlichen Interesses hieran gewährt. Dies betrifft § 475 Abs. 1 StPO. Sechstens. Auch Informationen, die durch polizeili- che Beobachtung oder längerfristige Observationen er- langt wurden, dürfen anderen Behörden nur unter eben- so engen Bedingungen mitgeteilt werden wie Daten aus anderen gleichschweren Ermittlungsmaßnahmen. Dies betrifft § 477 Abs. 2 StPO. Siebtens. Vor Auskünften aus Strafverfahrensakten an Dritte hat die Staatsanwaltschaft den früheren Be- schuldigten anzuhören, soweit dessen Adresse bekannt ist. Dies betrifft § 477 Abs. 3 StPO. Die Befugnisse der Strafverfolgungsbehörden zur Verwendung von Justizdaten bis hin zur Öffentlichkeits- fahndung sind nach Anhörung von Praktikern und den Bedürfnissen der Praxis entsprechend ausgestaltet wor- den. Wenn hiergegen eingewendet wird, hier könne es zu übermäßigen Einschränkungen kommen und Verbre- cher nicht gefasst werden, entbehrt dies einer tatsächli- chen Grundlage. In der modernen Kommunikationsge- sellschaft muss ein Staatsanwalt im Notdienst rund um die Uhr für seine Hilfsbeamten erreichbar sein, notfalls per Handy. Entscheidend war für mich, die eindeutige Veranwortlichkeit der Staatsanwaltschaft im Ermitt- lungsverfahren für alle Fälle sicherzustellen. Die Staats- anwaltschaft aber kann nur als Herrin des Verfahrens für solche Ermittlungen veranwortlich sein, die sie kennt und selbst getroffen hat. Gerade bei Öffentlichkeitsver- handlungen ist das alleinige Entscheidungsrecht der Staatsanwaltschaft wichtig, weil es sich wegen der Prangerwirkung um schwerste, irreparable Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen handelt. Akteneinsicht war dem Verteidiger des Beschuldigten bereits nach geltendem Recht nach Abschluss der Er- mittlungen stets zu gewähren, und bei etwaiger Verwei- gerung bestand die Rechtsschutzmöglichkeit nach § 23 EGGVG. Der Europäische Gerichtshof hat hierzu eine Ergänzung angemahnt, welche die Belange vor al- lem inhaftierter Beschuldigter besser wahrt. Diese Vor- gabe haben wir umgesetzt und die Rechtsschutzmög- lichkeit für jene Fälle erweitert. Einwände hiergegen lassen sowohl die Gegebenheiten des geltenden Rechts als auch Vorgaben von MRK und EuGH außer Acht. Ich bitte, der Beschlussempfehlung zuzustimmen, und hoffe, dass auch der Bundesrat nun rasch den Weg frei macht, damit diese Regelungen zügig in Kraft treten und auch praktisch den am Justizverfahren Beteiligten nutzbar gemacht werden können. Dr. Evelyn Kenzler (PDS): Endlich ist das Straf- verfahrensänderungsgesetz fertig, das die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts aus dem so genannten Volkszählungsurteil von 1983 umsetzt. Die alte Regie- rung hat dies in 16 Jahren nicht geschafft. Bislang fehlen weit gehend gesetzliche Regelungen zur Fahndung in der Öffentlichkeit sowie zur Speicherung von personen- bezogenen Daten in verfahrensübergreifenden Dateien. Beim Akteneinsichtsrecht besteht ein akuter Handlungs- bedarf. Deutlich gesagt: In sensiblen Rechtsbereichen fehlen seit Jahren gesicherte Rechtsgrundlagen. Die Schaffung bzw. Präzisierung strafprozessualer Eingriffsermächtigungen für herkömmliche Ermitt- lungsmaßnahmen wie Ausschreibung zur Fahndung, Observation, Einsichtnahme in Akten ist aber – wie wir alle wissen – nicht nur für eine geordnete Strafverfol- gung wichtig, sondern berührt in erheblichem Maße die Rechte der Betroffenen. Hier gilt es insbesondere, das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung sowie die Grunderfordernisse des Datenschutzes ins Verhältnis zu den Notwendigkeiten einer effektiven Strafverfol- gung zu setzen. Dabei dürfen grundsätzlich Bürgerrechte und Strafverfolgung nicht gegeneinander ausgespielt werden; denn dies geht so oder so zu Lasten des Rechts- staates. Sicher darf Datenschutz nicht zum Tatenschutz wer- den. Aber Täterverfolgung darf auch nicht Persönlich- keitsrechte missachten, auch nicht für einen scheinbar höheren Rechtswert, das Sicherheitsinteresse. Da halte ich es mit Benjamin Franklin, der gesagt hat: „Der Mensch, der bereit ist, seine Freiheit aufzugeben, um Si- cherheit zu gewinnen, wird beides verlieren.“ 7828 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 84. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Januar 2000 (A) (B) (C) (D) Im Gegensatz zu den Vorläufern dieses Gesetzent- wurfes, die nicht zuletzt von den Datenschutzbeauftrag- ten des Bundes und der Länder zu Recht schwer kriti- siert wurden, bemüht sich dieser Entwurf um einen weit gehenden Schutz der Persönlichkeitsrechte der Bürger. Der Sicherheits- und Kontrollstaat, wie ihn einst Herr Kanther in Law-and-order-Manier favorisierte, wird mit diesem Gesetz nicht weiterentwickelt. Dennoch kann ich auch diesem Entwurf nicht zustimmen. Wir werden uns der Stimme enthalten. Abgesehen von der nicht glücklich gestalteten, un- übersichtlichen Gesamtregelung, die hoffentlich diejeni- gen verstehen, die sie anwenden sollen, werfen die zahl- reichen Einzelregelungen bei mir verschiedene Fragen auf: Einige möchte ich stellen: Ist eine Generalermitt- lungsklausel als umfassende Eingriffsermächtigung – wie sie § 161 vorsieht – für die Erfüllung der den Straf- verfolgungsbehörden zugewiesenen Aufgaben wirklich unumgänglich? Ich bezweifle das. § 131 a Abs. 3 sieht eine Fahndung in der Öffentlich- keit vor, wenn der Beschuldigte „einer Straftat von er- heblicher Bedeutung dringend verdächtig ist“. Warum sind hier die Tatbestände und nicht die Voraussetzungen benannt? In diesem Zusammenhang kann auch die Re- gelung der Ausschreibung und öffentliche Abbildung von Zeugen hinsichtlich ihres Persönlichkeitsschutzes als auch der von Unbeteiligten nicht befriedigen. Die Gefahr, von der Öffentlichkeit als vermeintlicher Tat- verdächtiger oder gar vorschnell schon als potenzieller Täter erfasst zu werden, ist groß. Hier müssen höhere Anforderungen gelten als bei einem Beschuldigten. Die Sicherstellung der Unverwechselbarkeit von Beschul- digten und Zeugen ist durch diesen Gesetzentwurf nicht gesichert. § 492 regelt den Auskunftsanspruch des Betroffenen. Was ist aber mit Berichtigungs-, Sperrungs- und Lö- schungsansprüchen? Dabei geht es nicht nur um die „Richtigkeit“ der Daten, sondern auch um deren richtige Aktualität. Das Strafverfahrensänderungsgesetz ist nicht zuletzt deshalb ein längst überfälliges Gesetz, weil es die überaus schwierige Gratwanderung zwischen einer ef- fektiven Strafverfolgung und der Wahrung der Bürger- rechte bewältigen muss, in der Tat keine leichte Aufga- be. Dem Gesetzentwurf ist diese Gratwanderung teilwei- se gelungen, an manchen Stellen sehe ich jedoch die Ge- fahr des Abrutschens. Nachdem das Gesetz so lange ü- berfällig war, hätte in diesem Stadium etwas weniger Ei- le im Interesse der Klärung dieser oder jener Frage si- cher auch keinen erheblichen Schaden mehr bedeutet. Die Praxis wird die Stärken und Schwachstellen dieses Gesetzes gewiss bald offenbaren. Sollte sich herausstel- len, dass Bürgerrechte beeinträchtigt oder gar verletzt werden, so werde ich mich für eine Nachbesserung ein- setzen. Dr. Eckhart Pick, Parlamentarischer Staatssekre- tär bei der Bundesministerin für Justiz: Mit dem Gesetz- entwurf für das Strafverfahrensänderungsgesetz 1999 bereinigen wir heute ein schlimmes Versäumnis der frü- heren Regierungskoalition. Wie hinreichend bekannt ist, sollen mit diesem Entwurf die Vorgaben des Bundesver- fassungsgerichts aus dem Volkszählungsurteil vom 15. Dezember 1983 für den Bereich des Strafverfahrens umgesetzt werden. Mit dieser Entscheidung hat das Bundesverfassungs- gericht klipp und klar festgestellt, dass die Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe persönlicher Daten vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Grund- gesetzes umfasst ist und Einschränkungen dieses Rechts einer verfassungsgemäßen rechtlichen Grundlage bedür- fen, die dem Gebot der Normenklarheit entspricht. Über 16 Jahre sind seit dieser Entscheidung vergan- gen und noch immer fehlen für den besonders sensiblen Bereich des Strafverfahrens die erforderlichen gesetzli- chen Grundlagen. Die frühere Bundesregierung hat erst nach 14 Jahren einen entsprechenden Entwurf vorgelegt. Er wies allerdings derart gravierende Mängel auf, dass der Rechtsausschuss in vielen Berichterstattergesprä- chen nachbessern musste. Letztendlich scheiterte das Vorhaben im Sommer 1998 endgültig, da sich die Baye- rische Landesregierung dem gefundenen Kompromiss verweigerte. Die neue Bundesregierung hat sich der hinterlassenen Aufgabe unverzüglich angenommen und die Verantwor- tung für den Gesetzgeber ernst genommen. Der Persön- lichkeitsschutz der Betroffenen erfordert endlich nor- menklare Regelungen im Strafverfahren. Als eines ihrer ersten Vorhaben hat die Bundesregie- rung daher bereits im Januar 1999 den Gesetzentwurf für das Strafverfahrenänderungsgesetz 1999 beschlos- sen. Dieser Entwurf knüpft bewusst in allen wesentli- chen Punkten an den Kompromiss vom Sommer 1998 an. Zum einen stellt dieser einen insgesamt angemesse- nen und tragfähigen Ausgleich zwischen Interessen der Praxis der Strafverfolgung und datenschutzrechtlichen Standards dar. Zum anderen hat die Bundesregierung diesen Weg gewählt, weil er die größte Chance bietet, den erforderlichen Konsens mit den Ländern zu erzielen. Die Beratungen der Ausschüsse des Deutschen Bun- destages haben zu einigen Änderungsempfehlungen ge- führt, die insgesamt den Persönlichkeitsschutz derjeni- gen stärken, die von eingriffsintensiven Maßnahmen der Strafverfolgungsbehörden betroffen sind. Ich möchte hier insbesondere die erhöhten Anforderungen nennen, die an eine Öffentlichkeitsfahndung nach Beschuldigten und Zeugen gestellt werden sollten, ohne dabei das Inte- resse an effektiver Strafverfolgung zu vernachlässigen. Diese Änderungsanträge, die das Ergebnis intensiver Beratungen sind, finden meine Unterstützung. Ich finde es insbesondere sachgerecht, dass die Fahn- dung nach Zeugen und Beschuldigten unter Inanspruch- nahme moderner Massenmedien, bei denen die Gefahr nicht zu unterschätzen ist, dass der Betroffene in der Öf- fentlichkeit vorschnell und irreparabel in Misskredit ge- rät, grundsätzlich nur durch Richter und Staatsanwalt und nur bei erheblichen Straftaten zulässig sein soll. Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich noch einmal ganz kurz den Inhalt des Entwurfs stichpunktartig zusammenfassen: Er regelt präzise die Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 84. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Januar 2000 7829 (A) (C) Voraussetzungen für die Ermittlungsmaßnahmen der Fahndung und der längerfristigen Observation. Die Verwendung von im Strafverfahren erhobenen Daten wird klar geregelt, insbesondere die Frage, wer zu wel- chem Zweck und unter welchen Voraussetzungen Ak- teneinsicht erhält. Nicht zuletzt enthält der Entwurf um- fassende Regelungen für die Dateien von Gerichten und Staatsanwaltschaften. Ich möchte bereits an dieser Stelle die Gelegenheit nutzen, auch den Bundesrat zu bitten, das Seine beizu- tragen, damit dieses dringend notwendige Gesetz mög- lichst bald in Kraft treten kann. Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin 53003 Bonn, Telefon: 02 28/3 82 08 40, Telefax: 02 28/3 82 08 44 20
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Klaus Kinkel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (F.D.P.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Frau Präsidentin! Liebe
    Kolleginnen und Kollegen! Ich habe jetzt 14 Monate
    lang ruhig auf meinem „Resozialisierungssitz“ auf der
    Oppositionsbank gesessen


    (Heiterkeit)

    und in Ruhe und Gelassenheit beobachtet, wie sich die
    Außenpolitik in Deutschland entwickelt hat.

    Lieber Herr Kollege Fischer, ich möchte mich in
    meinen elf Minuten Redezeit ganz besonders an Sie
    wenden. Wenn ich Sie reden höre, sehe ich Sie immer
    noch auf Ihrem Abgeordnetenplatz sitzen. Dann erinnere
    ich mich an manche päpstliche Attitüde, die Sie –
    manchmal lautstark, manchmal herablassend und man-
    chmal auch hochmütig – eingenommen haben. Das hat
    sich in eine staatsmännische Attitüde gewandelt: sor-
    genzerfurcht und von der Verantwortung niederge-
    drückt.


    (Manfred Grund [CDU/CSU]: Die Last der ganzen Welt!)


    Dazu kann ich nur sagen: Das ist gut so, aber Sie dürfen
    nicht alles vergessen, lieber Herr Kollege Fischer. Damit
    Sie das nicht tun, möchte ich ein paar Bemerkungen ma-
    chen und auch ein paar Fragen an Sie richten.


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Es ist gut, dass wir heute den Stabilitätspakt für Süd-
    osteuropa erörtern. Er ist eine gute Idee, keine Frage.
    Das haben wir damals alles begrüßt. Dennoch muss ich
    Ihnen dezidiert und deutlich zwei Vorwürfe machen:
    Erstens ist nicht ausreichend nachgearbeitet und umge-
    setzt worden, was beschlossen worden ist. Zweitens
    kommt die für März vorgesehene Finanzierungskonfe-
    renz mit weitem Abstand zu spät.


    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Ich nehme an, dass die meisten von Ihnen heute die

    „FAZ“ gelesen haben. Dort lautet eine Überschrift – das
    ist schon erwähnt worden –: „Das teuerste Familienfoto

    Gernot Erler






    (A)



    (B)



    (C)



    (D)


    der Geschichte: Vom Stabilitätspakt in Südosteuropa ist
    noch wenig zu spüren“. Das stammt von Matthias Rüb,
    einem Kenner der Region. Er schreibt:

    Nach dem mit großem Pomp inszenierten Gipfel
    von Sarajevo haben sich rasch die Mühen der Ebe-
    ne eingestellt.

    Genauso ist es. Dem ist im Prinzip nichts hinzuzufügen.
    Ich kritisiere nicht, dass Herr Hombach noch nicht

    alles erreicht hat, was er erreichen muss. Ich kritisiere,
    dass er damals abgeschoben und als der falsche Mann
    dorthin geschickt wurde. Ich kritisiere auch, dass man
    ihm zumutet, hin und her zu reisen und zu rasen, ohne
    über aureichende Mittel und die notwendige Unterstüt-
    zung zu verfügen. Man kann den eigenen Mann nicht so
    herumrennen lassen, wie es hier geschieht; man sollte
    ihn auch etwas rumrennen lassen, wie es hier geschieht;
    man sollte ihm auch etwas mitgeben und ihn genügend
    unterstützen. Wenn die heutige Regierungserklärung die
    Unterstützung für Hombach darstellen soll, dann hätte
    ich den Zeitpunkt für diese Erklärung ein bisschen frü-
    her gewählt.


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Seit acht Monaten sind die Militäraktionen vorbei. Das
    war zwar viel Zeit für diejenigen in der Regierung, die
    nach- und abarbeiten müssen. Ich bleibe dabei: Das ging
    zu langsam.

    Die Menschen auf dem Balkan erwarten jetzt keine
    großspurigen Ankündigungen, sondern tatsächliche Hil-
    fe, damit die Region zur Ruhe und wieder auf die Beine
    kommen kann. Das müssen wir bewältigen; das ist viel
    wichtiger als großspurige Ankündigungen.


    (Beifall bei der F.D.P.)

    Aufhebung des Ölembargos für Jugoslawien: Herr

    Kollege Fischer, Sie wollen es lockern. Die F.D.P. und
    ich halten das zum jetzigen Zeitpunkt für falsch. Ich
    räume ein, dass man darüber unterschiedlicher Meinung
    sein kann. Ich sage Ihnen, warum wir es für falsch hal-
    ten: nicht, weil die Amerikaner, die Briten und die Nie-
    derländer anderer Meinung als Sie sind und unsere Auf-
    fassung unterstützen, sondern deswegen, weil wir glau-
    ben, dass Sie mit dem, was Sie erreichen wollen, nicht
    zurande kommen werden. Sie werden dadurch nicht die
    Opposition zusammenführen können; Sie werden das
    Gegenteil erreichen. Das ist unsere Auffassung. Milose-
    vic wird dadurch gestützt. Mit Nachgeben wird man die-
    sen Mann nicht los; man geht ihm höchstens auf den
    Leim. Ich habe diesbezüglich meine eigenen Erfahrun-
    gen. Milosevic hat als Hauptverantwortlicher vier Krie-
    ge angezettelt. Er ist für vielfachen Völkermord verant-
    wortlich und er gehört endlich nach Den Haag. Ihm soll-
    te nicht entgegengekommen werden. Das ist meine Mei-
    nung.


    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Noch ein Wort zur Bevölkerung, Herr Kollege

    Fischer. Wir teilen Ihre Meinung, dass den Menschen

    geholfen werden soll. Aber man muss ein klein wenig
    unterscheiden: Die Bevölkerung des Irak etwa kann ih-
    ren Anführer nicht selbst wählen. Die Serben aber ha-
    ben – zum Teil mit sehr großer Mehrheit – Herrn Milo-
    sevic gewählt. Deshalb ist die Situation dort ein klein
    wenig anders. Der ohnehin tief gespaltenen jugoslawi-
    schen Opposition wäre durch die Aufhebung des Öl-
    und Flugembargos nicht gedient. Deshalb sind wir der
    Meinung, dass diese Aufhebung nicht richtig wäre.

    Die heutige Debatte kann nicht ohne ein Wort zu
    Tschetschenien geführt werden, Herr Kollege Fischer.
    Ich muss Ihnen vorhalten: Von der wortgewaltigen Rhe-
    torik des Menschenrechtlers Fischer ist nicht sehr viel
    übrig geblieben.


    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Ich habe einmal nachgelesen, was Sie uns 1995 vor-
    gehalten haben – deshalb die Erinnerung an Ihre Zeit auf
    der Oppositionsbank –: Fischer sprach mit emphatischer
    Gebärde von barbarischen Kriegen und grausamen Mor-
    den einer nuklearen Supermacht gegen ein kleines kau-
    kasisches Volk. Er beschwor mit ungeheurer Geste die
    damalige Regierung, endlich eine westliche Initiative
    gegen Moskau zu ergreifen.

    Herr Fischer, ich kann heute nur sagen: Sie waren in
    der ersten Reihe der westlichen Politiker, die nach Mos-
    kau gereist sind und die dem – ich sage das bewusst so –
    Kriegsherrn im Kreml die Aufwartung gemacht haben.
    Sie warnen davor, Russland zu isolieren. Außer verbaler
    Verurteilung haben Sie aber nicht viel unternommen.
    Ich weiß, wie schwierig diese Frage ist. In diesem Punkt
    sind wir uns einig.


    (Zuruf der Abg. Angelika Beer BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    – Was zur Debatte gehört, können wir selber entschei-
    den. Im Übrigen hat sich auch Herr Fischer früher nicht
    immer an das Thema gehalten.


    (Lachen bei der SPD)

    Heute sieht die Welt ein klein wenig anders aus. Sie

    haben es nicht einmal erwogen – das halte ich Ihnen
    vor –, im Europarat für die Suspendierung der Mitglied-
    schaft Russlands einzutreten und zum Beispiel mit dem
    IWF über wirtschaftliche Sanktionen zu reden. Also
    kleine Münze und schwache Erklärungen im Vergleich
    zu dem, was Sie früher großmundig erklärt haben.


    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Im Übrigen wettert Cap Anamur nicht umsonst. Es ist

    offensichtlich sehr schwierig, Hilfslieferungen in diese
    Region zu bringen. Ich möchte Sie fragen: Was tun das
    Auswärtige Amt und speziell Sie, damit dort die huma-
    nitären Maßnahmen durchgeführt werden können? Im
    Hinblick auf das, was Sie mir früher vorgeworfen haben,
    müssen Sie sich schon vorhalten lassen – ich sage
    das ganz ruhig –: Aus dem Menschenrechtsgladiator
    Joschka Fischer ist dann doch ein Menschenrechtsdäum-
    ling geworden, und zwar in vielerlei Hinsicht.


    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)


    Dr. Klaus Kinkel






    (A)



    (B)



    (C)



    (D)


    Nur auf die Türkei, Herr Kollege Fischer, wird drauf-
    gehauen. Auf der einen Seite wird der Kandidatenstatus
    unterstützt – ich persönlich bin dafür – und auf der ande-
    ren Seite wird aus innenpolitischen Gründen wegen der
    Grünen die Leo-2-Frage in den Vordergrund gestellt. Es
    wird außerdem mitgeteilt, wie im Bundessicherheitsrat
    entschieden wurde. Damit wird deutsche Außenpolitik
    als Schwerpunkt der Tätigkeit des Außenministers sozu-
    sagen zur Politik der Grünen in den Kreisverbänden.
    Das kritisieren wir und halten wir Ihnen vor.

    Im Übrigen möchte ich Ihnen eine Frage stellen, die
    mir sehr wichtig ist. Ich hatte den Eindruck, dass Sie
    sich ungeheuer stark auf die Fragen fokussieren, die in-
    nenpolitisch für Sie von Bedeutung sind. Wenn wir uns
    die Weltlage anschauen, Herr Fischer, dann können wir
    erkennen, dass die Welt – Deutschland übrigens auch –
    andere Probleme hat. Ein klein wenig erinnert mich Ihre
    Politik an „CNN-Außenpolitik“ – eine CNN-Außenpoli-
    tik zum Wohlgefallen grüner Kreisverbände. Dort ein
    Zückerchen für die Fundis, hier ein Zückerchen für die
    Realos.


    (Dr. Eberhard Brecht [SPD]: Quatsch! Nein!)

    – Sie müssen sich das schon anhören.


    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Herr Fischer, Sie haben jetzt zum vierten Mal – hören

    Sie genau zu; Ihr Lachen ist fast wieder so hochmütig
    wie zur Zeit der Opposition; Ihre staatsmännische Atti-
    tüde sollte eine andere Haltung zulassen, gerade dann,
    wenn Sie nur so angegriffen werden, wie Sie es früher
    selbst getan haben –


    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    eine Afrikareise abgesagt, diesmal mit der Begründung,
    Sie müssten Wahlkampf in Schleswig-Holstein machen.

    Ich frage Sie: Wo bleibt Ihr Engagement für Afrika,
    den gepeinigten Kontinent mit 800 Millionen Menschen,
    der 23 Prozent der Erdoberfläche bedeckt? Wo bleibt Ihr
    Engagement für Lateinamerika? Wo bleibt Ihr Engage-
    ment für den asiatisch-pazifischen Raum? Wo bleibt Ihr
    Engagement für den arabischen Raum? Still ruht der
    See, kaum ein Wort in 14 Monaten.


    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU – Dr. Eberhard Brecht [SPD]: Gehört Afrika zum Balkan?)


    – Ja, zum Balkan gehört vor allen Dingen der Punkt, den
    ich noch vorbringen möchte.

    Wo ist Ihre Unterstützung für die deutsche Wirt-
    schaft in Außenhandelsfragen, auch was den Balkan
    anbelangt?


    (Zuruf des Abg. Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


    – Der Fraktionsvorsitzende der Grünen hat immer be-
    sondere Stärken, wenn er hinten sitzt.


    (Lachen bei der F.D.P.)

    Deutschland ist die drittgrößte Wirtschaftskraft, die

    zweitgrößte Exportnation der Welt. Herr Fischer, ich

    frage Sie: Haben Sie in 14 Monaten ein einziges Mal ei-
    nen Wirtschaftsvertreter in Ihrem Flugzeug mitgenom-
    men, auch in die Regionen, über die wir gerade reden,
    wo Aufbau stattfinden soll und wo wir daran interessiert
    sind, dass insbesondere auch deutsche Wirtschaftsvertre-
    ter ihre Chance haben?


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Ich komme zum Schluss. Der Balkan braucht keine
    Sonntagsreden,


    (Angelika Beer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So eine, wie Sie sie gerade gehalten haben!)


    sondern Aktionen. Jugoslawien braucht keine unüber-
    legte Aufhebung der Sanktionen, Frau Beer, zum fal-
    schen Zeitpunkt, sondern muss vielmehr Milosevic los-
    werden. Wir brauchen vor allem keine Menschenrechts-
    rhetorik und keine eventorientierte, sondern eine solide
    Außenpolitik, und wir brauchen kontinuierliche, be-
    sonnene und durchdachte außenpolitische Arbeit.

    (Angelika Beer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ NEN]: Sagt der gescheiterte Außenminister!)

    Herr Kollege Fischer, hören Sie es sich an! Ich muss-

    te es mir früher auch anhören. Es reicht nicht aus, das ei-
    gene Image zu verwalten. Was wir von Ihnen erwarten,
    ist, deutsche Außenpolitik zu gestalten, die diesen Na-
    men verdient.


    (Angelika Beer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das macht er mehr, als Sie es zu Ihrer Zeit getan haben!)


    Ich möchte, liebe Frau Beer, sagen: Vielleicht ist der
    Heiligenschein doch ein klein wenig angekratzt. Ich
    würde empfehlen, ihn wieder ein bisschen aufzupolie-
    ren.
    – Vielen Dank.


    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU – Gernot Erler [SPD]: Ungenügend, Herr Kollege, Thema verfehlt!)




Rede von Dr. Antje Vollmer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Liebe Kolle-
ginnen und Kollegen, ich möchte noch einmal auf Fol-
gendes hinweisen: Im Verlauf dieser Debatte haben
dreimal Handys geklingelt. Wir hatten vereinbart, dass
Handys in diesem Raum nicht benutzt werden, weder
passiv noch aktiv.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der F.D.P.)


Wir setzen die Debatte fort. Der Kollege Lippelt hat
das Wort.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Helmut Lippelt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Alt-
    außenminister,


    (Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Dr. Klaus Kinkel






    (A)



    (B)



    (C)



    (D)


    bei dem, was ich eben gehört habe,

    (Zurufe von der F.D.P.: War gut. – War Spitze!)

    habe ich mir gesagt: 14 Monate Wunden geleckt, mein
    Gott, wie tief muss das gesessen haben!


    (Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)

    Jetzt komme ich mit ein paar Fragen; das lässt sich ja

    ein bisschen substantiieren. Sie haben gesagt: Ankündi-
    gungen und nichts folgte. Herr Kinkel, dieser Außenmi-
    nister, diese Regierung hat das Problem Kosovo in ei-
    nem Moment übernommen, als neun Monate versäumt
    worden waren, wo durchaus eine aktive, präventive Au-
    ßenpolitik hätte eingreifen können – nicht militärisch.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Zweitens. Es sind fünf Jahre seit Dayton versäumt
    worden. Vielleicht erinnern Sie sich an eine Sitzung
    des Auswärtigen Ausschusses, wo ich die Ehre hatte, Ih-
    ren Bericht über das Normalisierungsgespräch mit
    Milosevic zu hören. Was Sie dem Ausschuss
    berichteten, war: „Ich habe ihm gesagt, er muss nun aber
    sofort die abgelehnten Asylbewerber zurücknehmen.“
    Sie erinnern sich vielleicht an das, was wir Ihnen damals
    parteiübergreifend, CDU/CSU inklusive, gesagt haben,
    und Sie erinnern sich vielleicht an das, was Ihnen Herr
    Schwarz-Schilling damals gesagt hat. Herr Kinkel, Sie
    wissen doch, dass drei Viertel dieser Abzuschiebenden
    Kosovo-Albaner sind.
    Die wollten Sie in eine Situation zurückschicken


    (Widerspruch bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)


    – ja, so war das damals –, die politisch nicht gelöst war.
    Warum haben Sie nicht zu Milosevic gesagt: „Lösen Sie
    das Kosovo-Problem erst einmal politisch!“? Damals
    war es anzupacken gewesen. Jetzt zu kommen und zu
    sagen, es hat nur Ankündigungen gegeben und der Sta-
    bilitätspakt läuft nicht – lieber Herr Kinkel, das geht
    nicht. Sie haben fünf Jahre verpasst und erheben hier
    nun Vorwürfe.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Helmut Haussmann [F.D.P.]: Sie haben doch jetzt die Verantwortung! Sie regieren! – Dr. Guido Westerwelle [F.D.P.]: Getroffene bellen!)


    – Ich bin nicht getroffen. Aber ich kann doch wohl solch
    pharisäerhaftes Verhalten, an das ich mich erinnere, an-
    sprechen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Wenn jemand getroffen sein sollte, schlage ich vor: Wir
    können uns einmal unterhalten. Sie sind der Sache so
    fern wie ich. Lassen wir das jetzt hier.

    Jetzt aber zu dem, was ich sagen wollte.

    (Dr. Helmut Haussmann [F.D.P.]: Zur Sache!)


    Selten hat sich der Termin einer zuvor zwischen den
    Fraktionen und der Regierung vereinbarten Debatte als
    so glücklich gewählt erwiesen wie der heutige. Warum?
    Vereinbart hatten wir diese Debatte unter dem Gesichts-
    punkt, dass es sich bei dem Stabilitätspakt um ein ganz
    wichtiges Teil gerade von Deutschland den europäi-
    schen Partnern vorgeschlagener gemeinsamer Außenpo-
    litik handelt. Das parlamentarisch zu begleiten steht
    deshalb diesem Bundestag gut an. Die Anerkennung,
    Herr Kinkel, dass hier wirklich einmal eine hand-
    werklich gute Politik gemacht worden ist, habe ich ver-
    misst.

    Vereinbart hatten wir die Debatte unter dem Ein-
    druck, dass der Außenminister und sein Amt von Beginn
    des Krieges an sehr intensiv nach Friedensmöglichkeiten
    gesucht und diese auch gefunden hatten, zugleich aber
    auch an die Planung einer Nachkriegspolitik schon in
    Kriegszeiten gegangen waren, dass dieser Nachkriegs-
    planung die Einsicht zugrunde lag, dass das Regime
    Milosevic nur deshalb Massenmord und Vertreibung
    hatte entfesseln können, weil es Gegensätze, die sich aus
    multiethnischem Zusammenleben in jeder Gesellschaft
    ergeben können, ausgenutzt, ja angeheizt hatte,
    Gegensätze, die in ihrem Entstehen weit, bis zum Ersten
    und Zweiten Balkankrieg zu Beginn des vorigen
    Jahrhunderts, zurückreichen, und dass deren
    Überwindung deshalb auch einer Langfriststrategie
    bedarf, eines langfris-tigen politischen und
    ökonomischen Engagements Europas.

    Der Stabilitätspakt ist entworfen worden als ein
    kunstvolles Geflecht von runden Tischen: drei Hauptti-
    sche – Demokratie, Minderheiten, wirtschaftlicher
    Wiederaufbau, Sicherheit – und eine Reihe von Unter-
    tischen – all dies mit rotierendem Kovorsitz von je ei-
    nem EU-Mitglied und regionalen Mitgliedern des Pak-
    tes, mit der Ausnahme Serbiens, solange es noch unter
    der Milosevic-Regierung steht.

    Herr Schmidt, Sie haben ja vorhin zwischen den Mit-
    teln und der Philosophie des Stabilitätspaktes unter-
    schieden. Sie haben gesagt, die Mittel seien – darin
    stimmen wir ja überein – immer eher zu wenig vorhan-
    den. Ich habe nicht recht verstanden, was Sie in diesem
    Zusammenhang mit Philosophie meinten. Denn Sie sag-
    ten dann: Eine Strategie ist nicht da. Sie machten das an
    der Frage des ungeklärten Status des Kosovo fest.


    (Christian Schmidt [Fürth] [CDU/CSU]: Nicht nur!)


    – Ja, auch an anderen Punkten. Ich will jetzt hier nicht
    darauf eingehen. Das war aber der Hauptpunkt.

    Ich weise auf Folgendes hin: Wir beide haben doch
    die Verhandlungen von Rambouillet und den Vertrag
    miterlebt. Dort wurde die Frage des Status des Kosovo
    auf fünf Jahre verschoben. Jetzt zu sagen: „Wir können
    in diesen komplizierten Prozess der Neuordnung der
    Balkan-Verhältnisse nur einsteigen, wenn wir diese Fra-
    ge vorher lösen“, das wird den Problemen nicht gerecht.

    Der Stabilitätspakt, wenn man ihn recht betrachtet, ist
    ein langfristiger Prozess, wie das der Kollege Erler ja
    auch schon gesagt hat. Er ist in seiner Zeitplanung und

    Dr. Helmut Lippelt






    (A)



    (B)



    (C)



    (D)


    seiner Bedeutung mit dem KSZE-Prozess zu verglei-
    chen. Dass dieser KSZE-Prozess die Welt verändert hat,
    das wissen wir. Wir haben davon, Gott sei Dank, profi-
    tieren können. Dass der Stabilitätspakt seinerseits den
    Balkan verändern wird und ihn zu Europa führen wird,
    das hoffen wir, und deshalb müssen wir ihn auf jeden
    Fall intensiv unterstützen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Wir dürfen aber von ihm nicht die Beantwortung von
    Fragen verlangen, deren Beantwortung, gerade weil es
    sich um einen Prozess handelt, in diesem Moment gera-
    dezu schädlich wäre. Es wäre gewiss sehr schädlich, ge-
    rade die Frage, die Sie aufgeworfen haben, zu beantwor-
    ten.

    Dieser Stabilitätspakt bedarf in der Tat der begleiten-
    den Debatte, weil er bei nachlassendem öffentlichen In-
    teresse in der Gefahr steht, in der diplomatisch-
    bürokratischen Routine ins Leere zu laufen. Deshalb
    sind wir für diese Debatte dankbar und müssen heute –
    gelegentlich nimmt mir mein Außenminister die besten
    Gedanken weg;


    (Zurufe von der F.D.P.: Oh! – Dr. Eberhard Brecht [SPD]: Unerhört!)


    er hat es schon erwähnt, einem Abgeordneten bleibt
    aber, dies zu vertiefen – darüber diskutieren, welche Be-
    deutung die kroatischen Wahlen für den Stabilitätspakt
    haben, und darüber reden, ob sie eine Neuakzentuierung
    der Politik des Stabilitätspaktes möglich und erforder-
    lich machen.

    Sehen Sie, Herr Schmidt, so schnell muss man den
    neuen Prozesscharakter einbeziehen: zunächst den Tod
    Tudjmans, des Gegenspielers und doch auch Komplizen
    von Milosevic, des Bruders im Geiste nationaler Auto-
    kratie, dann die nationalen Wahlen mit dem Triumph der
    Opposition, dem Durchbruch zur Demokratie und nun
    die erste Runde der Präsidentenwahl, wonach sich der
    für den zweiten Wahlgang ausgeschiedene moderate
    Parteigenosse Tudjmans, Außenminister Granic, fragt,
    ob er mit vorheriger Niederlegung seiner Parteiämter
    nicht viel zu langsam vom untergehenden Schiff der
    Herrschaftspartei abgesprungen sei und nicht stattdessen
    den radikaleren Schritt des Austritts hätte machen müs-
    sen.

    Wir erleben zurzeit die Selbstauflösung des Herr-
    schaftsinstruments der HDZ des Herrn Tudjman. Wir er-
    leben insofern einen enormen, aufregenden Struktur-
    wandel, etwas, was für uns vor zwei Monaten, als
    Tudjman Bosnien zerstören wollte mit der Forderung,
    auch die Herzegowina müsste jetzt die dritte Entität
    werden, unvorstellbar war. Wir erleben die Abwendung
    vom Ungeist nationalistischer Isolierung, die Erkenntnis
    der Wähler, dass die wirtschaftliche Malaise der Selbst-
    isolierung dem Regime Tudjman zu verdanken ist, und
    die Hinwendung der Wähler nach Europa, zu den Prin-
    zipien demokratischer Kooperation.

    Das bedeutet – zaghaft haben die noch im Rennen um
    die Präsidentschaft befindlichen beiden Kandidaten und
    der zukünftige Ministerpräsident Racan das Wort ja

    auch in den Mund genommen – die Anerkennung des
    UNHCR-Prinzips der Rückkehr der Flüchtlinge in ih-
    re Heimat. Das bedeutet also, auf das Kernproblem zu-
    gespitzt, die jetzt mögliche und durchzusetzende Rück-
    kehr der Krajina-Flüchtlinge, den Bruch mit der Flücht-
    lingspolitik Tudjmans, die eine Politik nationalistischer
    Sabotage einer solchen Rückkehr war.


    (Christian Schmidt hoffe, dass Sie Recht haben!)


    – Das können wir gemeinsam in Auftrag geben. Wir
    sind dabei.

    Wer die Berichte des UNHCR, die dieser dem runden
    Tisch eins vorgelegt hat, liest, der weiß, dass es noch
    1,5 Millionen interner Flüchtlinge im ehemaligen Jugos-
    lawien gibt, der liest von ersten vom UNHCR identifi-
    zierten Gruppen, etwa von 14 500 bosnischen Kroaten,
    die aus Kroatien zurück in ihre Heimat Bosnien wollen,
    oder von 16 000 Serben, die zurück in ihre Heimat
    Kroatien möchten, oder von Kroaten, die zurück in ihre
    Heimat in die jetzige Republika Srpska wollen. Die
    Rückkehr der Krajina-Flüchtlinge ist deshalb die
    Schlüsselfrage. Überall, insbesondere in Bosnien-Herze-
    gowina und in der Republika Srpska, blockieren einsit-
    zende Flüchtlinge die Rückkehr der Geflohenen. Überall
    blockieren nationale Parteien und Regierungen den
    Ringtausch von Wohnungen – der Kollege Schwarz-
    Schilling hat dies in seinen Berichten anschaulich darge-
    stellt –, offensichtlich weil eine Rückkehr wieder zu
    multiethnischem Zusammenleben führen würde, was die
    zurzeit noch Herrschenden absolut nicht wollen.

    Selbst der im Dayton-Vertrag als exemplarisch vor-
    geschlagene und besonders leicht durchführbare Aus-
    tausch der Flüchtlinge in Jajce und Bugojno ist noch
    nicht über kümmerliche Anfänge hinausgekommen.
    Deshalb: Die Chance muss genutzt werden, Hilfen für
    wirtschaftliche Aufbauprojekte in Kroatien – es müssen
    sehr viel mehr auf den Weg gebracht werden; denn wir
    haben hier eine neue Situation – mit der Rückkehr der
    Krajina-Flüchtlinge zu konditionieren. Darauf müssen
    wir vorübergehend die Energien und die Mittel des Sta-
    bilitätspaktes konzentrieren. Davon würde eine große
    Ausstrahlung auf Bosnien und Restjugoslawien, auf das
    Kosovo, ausgehen.

    Damit bin ich beim zweiten Thema. Ich muss es jetzt
    nicht mehr, wie ich gedacht habe, nur unter Bezugnah-
    me auf die Anträge der PDS behandeln, denn es wurde
    hierüber schon reichlich diskutiert. Die Frage ist: Wie
    gliedert man Serbien, obwohl es noch unter dem Re-
    gime eines in Den Haag angeklagten Präsidenten steht,
    in die Politik des Stabilitätspaktes ein? Die PDS spricht
    – sie hat das mehrfach gefordert – von einer Aufhebung
    der Sanktionen. Dies ist richtig, aber – wie auch schon
    gesagt wurde – die Nomenklatura-Sanktionen – Sper-
    rung der privaten Auslandskonten der Betroffenen und
    der Visa für Auslandsreisen – müssen doch wohl beste-
    hen bleiben.


    (Wolfgang Gehrcke [PDS]: Geschenkt, kein Problem!)


    – Okay.

    Dr. Helmut Lippelt






    (A)



    (B)



    (C)



    (D)


    Im Übrigen ist es richtig – das kann weiter begründet
    werden –, dass die Wirtschaftssanktionen – und dies
    mit Blick auf die F.D.P. – nur dem Regime und einer pa-
    rasitär-mafiösen Schicht zugute kommen. Benzin kann
    man in Belgrad – ich war kürzlich dort – an jeder Ecke
    kaufen, nur eben sehr viel teurer. Der Chef der Mord-
    kommandos, Arcan, der jetzt umgebracht wurde, be-
    herrschte circa 20 Prozent des gesamten jugoslawischen
    Ex- und Importhandels. Sanktionen können eine jugos-
    lawische Exportwirtschaft kaum noch treffen, weil es
    eine solche nicht mehr gibt. Sanktionen eignen sich aber
    hervorragend, die Schuld an einer wirtschaftlichen Mise-
    re der internationalen Gemeinschaft zuzuschieben.

    Jugoslawien befindet sich auf dem Weg in irakische
    Verhältnisse. Sanktionen erhalten dem Diktator die Loy-
    alität einer apathischen Bevölkerung,


    (Beifall des Abg. Wolfgang Gehrcke [PDS])

    weil sie immer wieder ein überzeugendes Argument für
    den demagogischen Hinweis auf äußere Feinde abgeben.


    (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


    Dem Regime werden kroatische Erkenntnisse, die die
    kroatischen Wähler jetzt haben, über die eigene Regie-
    rung als politischen Verursacher der wirtschaftlichen
    Malaise erspart, solange man das Land unter Sanktion
    stellt.

    Jetzt zu den Donaubrücken: Ja, in Novi Sad fließt die
    Donau über drei Brücken statt unter ihnen hindurch.
    Nur, auch hier ist es wieder etwas komplizierter, als die
    PDS – mit Verlaub – meint.


    (Beifall des Abg. Wolfgang Gehrcke [PDS])

    Die Trümmer würde die Donau-Schifffahrtskommission
    ja räumen – dazu bedarf es keiner Aufforderung an die
    Bundesregierung –, allerdings will Belgrad die Brücken
    erst wieder gebaut sehen und dann der Räumung der
    Trümmer zustimmen. Und zum Wiederaufbau wird sich
    keine westliche Regierung von einem Regime erpressen
    lassen, das die Spirale der Gewalt im Kosovo in Gang
    setzte. Da ist es schon sinnvoller – als solch leicht da-
    hingeschriebene Anträge, verehrter Kollege –, was die
    Stadt Dortmund tut. Sie ist mit Novi Sad durch Städte-
    partnerschaft verbunden. Sie sammelt Geld für die erste
    Brücke und wird sie bauen.

    Es ist auch wichtig, dass bei Eisgang – man sagt in
    Novi Sad, die Wahrscheinlichkeit liegt bei einmal in
    zehn Jahren – nicht nur das Umland betroffen ist, son-
    dern die ganze Altstadt unter Wasser steht und absäuft.
    Deshalb muss bei einem möglichen strengeren nächsten
    Winter die Donau tatsächlich geräumt sein. Nur, das ist
    nicht die vordringliche Sorge des Regimes. Wer mit der
    Zerstörung Jugoslawiens in Slowenien und im Kosovo
    begann, wird damit in Montenegro, im Sandschak und
    der Vojvodina enden. Wir sprechen damit über die ge-
    fährliche Zuspitzung der innenpolitischen Verhältnisse
    in Serbien.

    Doch zunächst ist darauf hinzuweisen – was auch
    schon geschehen –, dass es gerade deshalb richtig ist, die

    Isolierung der serbischen Gesellschaft zu durchbrechen,
    und zwar auf jeder nur möglichen Ebene. Die Bundesre-
    gierung bemüht sich zusammen mit anderen Regierun-
    gen der EU darum. Dazu gehört vor allem die Förderung
    der Kontakte zu jenen Städten, die seit den Lokalwahlen
    1997 oppositionelle Mehrheiten haben und trotzdem
    unterschiedslos von den Bomben getroffen wurden. Ich
    zähle nur beispielhaft auf: Novi Sad mit erheblichen
    Umweltschäden, Pancevo – 8 Tonnen Quecksilber sind
    in die Erde gegangen – oder Kragujevac mit den zerstör-
    ten Zavasta-Autowerken oder eben Niš.

    Es ist richtig, dass die EU die demokratischen Reprä-
    sentanten dieser Städte mehrfach zu Konferenzen lud,
    dass aber mehr als die Erdöllieferungen im Winter nach
    Niš und Pivot bisher nicht möglich waren und dass mit
    solchen Konferenzen die Bürgermeister und andere Ver-
    treter der Opposition dem Spott des Regimes immer
    mehr ausgeliefert werden. Das muss man klar sehen. Je
    öfter sie zu diesen Konferenzen ohne vorzeigbare Er-
    gebnisse kommen, umso mehr werden sie zu Hohnfigu-
    ren der Regierungspropaganda.

    Wenn wir aber von der Zuspitzung der innenpoliti-
    schen Lage in Serbien selbst sprechen, so müssen wir
    sagen: Der Mord an dem Kriegsverbrecher Arkan mag
    ja noch der Rivalität mafiöser Gruppen zuzuschreiben
    sein; das versuchte Attentat gegen Draskovic war je-
    doch von ganz anderer Art. Selbst wenn sich die Urhe-
    berschaft des staatlichen Geheimdienstes nicht zweifels-
    frei nachweisen lässt, Draskovics eigene Anhänger
    glauben daran und sie nehmen das Gewehr wieder in die
    Hand.

    Wenn Draskovic als inzwischen wichtigster Opposi-
    tionspolitiker die Bekanntgabe eines Wahltermins bis
    Ende April fordert und wenn andererseits das Regime
    nicht daran denkt, so etwas vor Ende dieses Jahres zu
    tun – wenn überhaupt –, so sehen wir einem sehr heißen
    Sommer entgegen. Wenn die Spannungen hinsichtlich
    Montenegro dazugerechnet werden, müssen wir feststel-
    len: Wir stehen vor einem Bürgerkrieg, in den politisch
    zu intervenieren kaum möglich sein wird, solange es
    keine diplomatischen Beziehungen gibt, und in den mili-
    tärisch zu intervenieren völlig ausgeschlossen ist.

    Deshalb sind intensive Ausstrahlungen von Erfolgen
    des Stabilitätspakts in Kroatien und in Bosnien auf den
    Rest Jugoslawiens dringend erforderlich. Es ist die ein-
    zige Art zurzeit möglicher präventiver Außenpolitik.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Nochmals: Die Bundesregierung, ihr Außenminister,
    hat sehr früh ein vorzügliches Gerüst für eine Politik zur
    Heilung der Balkanprobleme entworfen. Wir müssen
    diese Politik unterstützen und sie vorantreiben.

    Ein letzter Punkt. Ein Finger weist dann doch auf uns
    selbst. 300 000 Flüchtlinge sind nach Bosnien zurück-
    gekehrt, 30 000 sind noch hier. Es handelt sich zum
    größten Teil um Traumatisierte und um Leute, die als
    Augenzeugen für Den Haag von großem Gewicht wä-
    ren.

    Dr. Helmut Lippelt






    (A)



    (B)



    (C)



    (D)


    Der Innenminister ist leider nicht mehr da, aber ich
    appelliere an die Bundesregierung, diesen Gruppen end-
    lich Bleiberecht zu geben.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der PDS)


    Sonst würden wir eine Politik diskreditieren, mit der
    wir – bei allen Problemen, die sie jedem Einzelnen von
    uns bereitet hat – in europäischer Gemeinsamkeit die
    hoffentlich letzte große Krise Europas bewältigen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)