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*) Anlage 8
Berichtigung
78. Sitzung, Seite 7196 D; Die als Antwort zur Fra-
ge 28 des Abgeordneten Hinsken (CDU/CSU) abge-
druckte Tabelle ist wie folgt zu lesen:
Kraftstoffabsatz
1998
Januar bis Oktober
– Kubikmeter –
1999
Januar bis Oktober
– Kubikmeter –
Veränderung in %
Ottokraftstoffe
– Normal ........................................ 12 114 978 11 605 906 – 4,4
– Super Plus ................................... 1 773 680 1 586 201 –11,8
– Super ........................................... 20 052 623 20 572 685 + 2,5
Dieselkraftstoff ............................... 26 892 141 28 090 490 + 4,3
Summe ............................................ 60 833 422 61 855 282 + 1,7
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Dezember 1999 7319
(A) (C)
(B) (D)
Anlagen zum Stenographischen Bericht
Anlage 1
Liste der entschuldigten Abgeordneten
Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich
Beck (Köln), Volker BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
16.12.99
Behrendt, Wolfgang SPD 16.12.99 *
Bierling, Hans-Dirk CDU/CSU 16.12.99
Dr. Blüm, Norbert CDU/CSU 16.12.99
Brüderle, Rainer F.D.P. 16.12.99
Bühler (Bruchsal), Klaus CDU/CSU 16.12.99 **
Bury, Hans Martin SPD 16.12.99
Carstensen (Nordstrand),
Peter Harry
CDU/CSU 16.12.99
Ernstberger, Petra SPD 16.12.99
Eymer (Lübeck), Anke CDU/CSU 16.12.99
Friedhoff, Paul K. F.D.P. 16.12.99
Gebhardt, Fred PDS 16.12.99
Dr. Geißler, Heiner CDU/CSU 16.12.99
Göllner, Uwe SPD 16.12.99
Hasenfratz, Klaus SPD 16.12.99
Dr. Haussmann, Helmut F.D.P. 16.12.99
Hoffmann (Chemnitz),
Jelena
SPD 16.12.99
Jäger, Renate SPD 16.12.99
Jüttemann, Gerhard PDS 16.12.99
Dr. Kohl, Helmut CDU/CSU 16.12.99
Leidinger, Robert SPD 16.12.99
Mark, Lothar SPD 16.12.99
Michels, Meinolf CDU/CSU 16.12.99
Moosbauer, Christoph SPD 16.12.99
Müller (Düsseldorf),
Michael
SPD 16.12.99
Nahles, Andrea SPD 16.12.99
Ohl, Eckhard SPD 16.12.99
Raidel, Hans CDU/CSU 16.12.99
Rauber, Helmut CDU/CSU 16.12.99
Rauen, Peter Harald CDU/CSU 16.12.99
Rühe, Volker CDU/CSU 16.12.99
Dr. Rüttgers, Jürgen CDU/CSU 16.12.99
Schaich-Walch, Gudrun SPD 16.12.99
Schmitz (Baesweiler),
Hans Peter
CDU/CSU 16.12.99
von Schmude, Michael CDU/CSU 16.12.99
Seehofer, Horst CDU/CSU 16.12.99
Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich
Simm, Erika SPD 16.12.99
Steiger, Wolfgang CDU/CSU 16.12.99
Wiese (Hannover), Heino SPD 16.12.99
Willner, Gert CDU/CSU 16.12.99
Wimmer (Neuss), Willy CDU/CSU 16.12.99
Zierer, Benno CDU/CSU 16.12.99 *
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* für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versamm-
lung des Europarates
** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union
Anlage 2
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur
Durchführung der Richtlinie des Rates der
Europäischen Union zur Änderung der Bilanz-
und der Konzernbilanzrichtlinie hinsichtlich
ihres Anwendungsbereichs (90/605/EWG), zur
Verbesserung der Offenlegung von Jahresab-
schlüssen und zur Änderung anderer Handels-
rechtlicher Bestimmungen
(Tagesordnungspunkt 12)
Christine Lambrecht (SPD): An dieser Stelle möchte
ich die Klugheit und Weitsicht des Deutschen Bundesta-
ges loben, vor zwei Wochen den Antrag zur Stärkung
der freien Rede, mit dem sich einige Kollegen in Szene
gesetzt haben, abzulehnen. Denn ich könnte – wie wäh-
rend dieser Debatte vorgetragen – bestimmt stundenlang
wie Cicero Nachts im Kerzenschein die freie Rede und
Mimik üben. Es würde mir trotzdem nicht gelingen, den
hier verbliebenen Kollegen einen Redebeitrag in einer
Form zu halten, die in der Öffentlichkeit als spannend
empfunden wird über das Thema ,,Entwurf eines Geset-
zes zur Durchführung der Richtlinie des Rates der Euro-
päischen Union zur Änderung der Bilanz- und der Kon-
zernbilanzrichtlinie hinsichtlich ihres Anwendungsbe-
reichs …, zur Verbesserung der Offenlegung von Jah-
resabschlüssen und zur Änderung anderer handelsrecht-
licher Bestimmungen Kapitalgesellschaften- und Co-
Richtlinie-Gesetz“. Und in die Tagesthemen werden wir
damit auch nicht kommen, wie es dem Freie-Rede-
Antrag letzte Woche vergönnt war. Aber manchmal muß
man auch trockenes juristisches Brot kauen.
Und das Brot ist in diesem Fall besonders trocken, da
die Bundesrepublik schon seit neun Jahren verpflichtet
ist, diese Richtlinie der Europäischen Union in deut-
sches Recht umzusetzen.
Der Gesetzentwurf dient der Angleichung von
Rechtsvorschriften des deutschen Rechts an die Richtli-
nien des Rates der Europäischen Gemeinschaften von
1990.
7320 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Dezember 1999
(A) (C)
(B) (D)
Die Umsetzung hätte vor dem 1. Januar 1993 für das
Geschäftsjahr 1995 erfolgen müssen. Die alte Mehrheit
im Bundestag und ihre Bundesregierung hat wie so oft
die Hände untätig in den Schoß gelegt, was zur Folge
hatte, daß die Bundesrepublik Deutschland im Septem-
ber 1998 und im April dieses Jahres durch den EUGH
auf Grund der Nichtumsetzung verurteilt wurde.
Ich freue mich, daß die neue Bundesregierung und
mit ihr die Bundesjustizministerin im Gegensatz hierzu
ihre Aufgabe ernst nimmt und wir heute die Umsetzung
in nationales Recht nach nur sechs Wochen Gesetzge-
bungsverfahren abschließen können.
Und wenn ich dann rekapituliere, wie die F.D.P.
ständig versucht, diese Beschlußfassung zu verhindern,
bin ich immer wieder erstaunt. Da hören wir herzzerrei-
ßende Reden über die Wichtigkeit der europäischen In-
tegration und darüber daß die F.D.P. die eigentliche
Vorkämpferin des europäischen Gedankens ist. Nur,
wenn es konkret wird, wenn es darum geht, europäi-
sches Recht umzusetzen, dann ist Ihnen Ihre kleinka-
rierte Klientelpolitik viel wichtiger als der europäische
Geist. Gute europäische Gesinnung beweist sich nicht in
feierlichen Reden, sondern in konkreten Taten.
Auf die Einzelheiten des vorliegenden Gesetzent-
wurfs wird die Bundesjustizministerin im näheren ein-
gehen. Lassen Sie mich einige interessante Aspekte be-
leuchten.
Hintergrund des vorliegenden Gesetzentwurfes war,
daß Unternehmen ihrer Verpflichtung zur Prüfung und
Offenlegung der Jahresberichte im europäischen Ver-
gleich nicht entsprechend nachgekommen sind. Um die-
ser Offenlegungspflicht auch entsprechend Nachdruck
zu verleihen, wurde die Bundesrepublik nunmehr auf
Grund der Untätigkeit der letzten Regierung unter ande-
rem dazu verurteilt, wirkungsvolle Sanktionen einzufüh-
ren, um Verstöße gegen die Offenlegungspflicht zu ahn-
den.
Dieser Vorgabe sind wir nachgekommen und werden
ein Ordnungsgeldverfahren einführen, das maßvoll und
sinnvoll ist. Wir haben nach der Anhörung davon Ab-
stand genommen, ein zusätzliches Zwangsgeldverfahren
einzuführen, und haben darüber hinaus das nunmehr
eingeführte Ordnungsgeld von ursprünglich mindestens
10 000 DM auf nunmehr 5 000 DM abgesenkt. Sie se-
hen, wir sind durchaus für sachgerechte Argumente zu-
gänglich und berücksichtigen auch die Situation von
kleinen und mittleren Unternehmen, die durch ein höhe-
res Zwangsgeld unangemessen belastet werden würden.
Um das Verfahren für die beteiligten Unternehmen und
die Handelsregistergerichte nicht unzumutbar kompli-
ziert zu machen, wird es eine einheitliche Frist zur Of-
fenlegung von 12 Monaten geben.
Aus den Gesprächen und der Anhörung hat sich erge-
ben, daß die zur Offenlegung verpflichteten Unterneh-
men eine ausreichende Frist brauchen, um sich auf die
Rechtslage einstellen zu können. Ich freue mich, daß wir
auch hier im Interesse der Praxis eine sachgerechte Lö-
sung finden konnten. Hier möchte ich dem Justizmi-
nister von Nordrhein-Westfalen danken. Durch die von
der Justizakademie des Landes Nordrhein-Westfalen er-
stelle Verfahrenssimulation konnten wichtige Erkennt-
nisse gewonnen werden.
Die Anhebung der Schwellenwerte, das heißt der
Werte, wonach eine Einstufung in kleine, mittlere und
große Unternehmen erfolgt, diese Anhebung hat zum
Beispiel zur Folge, daß ursprünglich mittlere Unterneh-
men als kleine eingestuft werden. Dies führt zu wesent-
lichen Erleichterungen bei der Aufstellung, Prüfung und
Offenlegung von Jahresabschlüssen. Ein Beispiel für
Politik im Interesse von kleinen und mittelständischen
Unternehmen.
Die Einlassung der Kollegen von der F.D.P. und de-
ren Ablehnung im Rechtsausschuß kann ich nicht nach-
vollziehen. Sie erheben den Scheinvorwurf, mit der Um-
setzung der EU-Richtlinie würden wir mehr machen, als
verlangt. Sie machen das unter anderem daran fest, daß
wir in den Geltungsbereich auch Stiftungen & Co. und
Genossenschaften & Co. mit einbeziehen. Lassen Sie
mich ihrem Vorwurf drei Argumente entgegenhalten:
Erstens. Ihr Einwand ist kaum relevant, da in
Deutschland diese Gesellschaftsform äußerst selten ge-
wählt wird.
Zweitens. Diese Gesellschaftsformen genießen eine
Haftungsbeschränkung, dafür ist der Preis die Offen-
legungspflicht.
Drittens. Wenn wir diese Gesellschaftsformen nicht
mitgeregelt hätten, bestünde die Möglichkeit der Umge-
hung der Offenlegung durch die Wahl dieser Gesell-
schaftsform.
Sie hätten die Möglichkeit gehabt, während der Zeit
Ihrer Regierungsverantwortung eine andere Umsetzung
gesetzgeberisch zu regeln, Sie haben es lieber auf eine
Verurteilung ankommen lassen. Wir haben gehandelt.
Der vorliegende Gesetzentwurf ist ein positives Bei-
spiel für zügiges Regierungshandeln unter Berücksichti-
gung sachgerechter Erwägungen.
Dr. Susanne Tiemann (SPD): Der vorliegende Ge-
setzentwurf der Bundesregierung – Drucksache 14/1806
– Kapitalgesellschaften und Co-Richtlinie-Gesetz –, der
heute unter Tagesordnungspunkt 12 zur Verabschiedung
ansteht, dient der Umsetzung der sogenannten GmbH &
Co-Richtlinie (90/605/EWG).
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion wird diesem Ge-
setzentwurf in der Fassung der Beschlüsse des Rechts-
ausschusses vom 14. Dezember 1999 deshalb zustim-
men, weil wesentliche Punkte im Rahmen der sehr kon-
struktiven Beratungen der Berichterstatter auch auf An-
regung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion verändert
worden sind.
Der Rechtsauschuß hat in seiner Sitzung vom 14. De-
zember 1999 gegenüber dem Gesetzentwurf der Bundes-
regierung im wesentlichen folgende Änderungen be-
schlossen:
Erstens. Die Frist zur Offenlegung von Jahres- und
Konzernabschluß wird für mittlere und große Unter-
nehmen im Sinne des § 267 HGB von bisher neun Mo-
naten auf 12 Monate einheitlich verlängert. Diese Frist
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Dezember 1999 7321
(A) (C)
(B) (D)
besteht bisher schon für kleinere Unternehmen. Damit
werden die Offenlegungsfristen vereinheitlicht.
Zweitens. Als Mittel zur Durchsetzung der gesetzli-
chen Verpflichtung zur Offenlegung von Jahres- und
Konzernabschluß wird ausschließlich ein Ordnungs-
geldverfahren vorgesehen. Damit wird es ein paralleles
Ordnungsgeld und Zwangsgeldverfahren nicht mehr ge-
ben, wie dies ursprünglich im Gesetzentwurf der Bun-
desregierung vorgesehen war.
Drittens. Die Mindesthöhe des Ordnungsgeldes be-
trägt statt 5 000 Euro nunmehr 2 500 Euro.
Viertens. Die neuen Vorschriften zu Rechnungs-
legung, Prüfungen und Offenlegungen des Jahresab-
schlusses für Kapitalgesellschaften & Co sind erstmals
auf das nach dem 31. Dezember 1999 beginnende Ge-
schäftsjahr anzuwenden.
Fünftens. Die nach dem ursprünglichen Gesetzent-
wurf vorhandene Möglichkeit des Antragstellers, Pro-
zeßkostenhilfe in Anspruch zu nehmen, ist vor dem
Hintergrund der Gefahr einer mißbräuchlichen Anwen-
dung nunmehr nicht möglich.
Diese wesentlichen fünf Änderungen, die unter ande-
rem von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion beantragt
worden sind, sind nunmehr in die Beschlußfassung des
Rechtsausschusses eingeflossen und von daher Gegen-
stand der zweiten und dritten Lesung hier und heute im
Plenum des Deutschen Bundestages. Vor allem diese
fünf Änderungen haben uns bewegt, dem Gesetzentwurf
der Bundesregierung zuzustimmen.
Lediglich der Antrag der CDU/CSU-Bundestags-
fraktion, dem Antragsteller nicht die formale Stellung
eines Verfahrensbeteiligten zu geben, hat im Rechtsaus-
schuß des Deutschen Bundestages keine Mehrheit ge-
funden. Zwar hätte sich die CDU/CSU-Bundestags-
fraktion ein sogenanntes Antragsverfahren vorstellen
können, ohne dem Antragsteller die formelle Stellung
eines Verfahrensbeteiligten zu gewähren. Dieser Antrag
hatte jedoch für uns nicht eine so zentrale Bedeutung,
daß sich aus der bloßen Ablehnung dieses Antrages eine
insgesamte Ablehnung des jetzt in Rede stehenden Ge-
setzestextes ergeben hätte.
An dieser Stelle möchte ich in Vertretung des Kolle-
gen Pofalla mich ausdrücklich bei allen Berichterstattern
für die konstruktiven Beratungen bedanken. Die Koali-
tionsfraktionen sollten diese offene Art der Beratung
auch für die Zukunft bei anderen Gesetzesverfahren
übernehmen, um so im Bereich der Rechtspolitik wieder
zu mehr Gemeinsamkeiten kommen zu können.
Im Rechtsausschuß bestand Einigkeit darüber, daß
mit dem vom Bundesministerium der Justiz vorgelegten
Konzept zur Umsetzung der sogenannten GmbH & Co-
Richtlinie 90/605/EWG den EU-rechtlichen Vorgaben
grundsätzlich in ausreichendem und angemessenem Ma-
ße Rechnung getragen wird.
Ein wesentliches Änderungsbegehren der CDU/CSU-
Bundestagsfraktion, aber auch des Bundesrates war es,
statt einer Kombination von Zwangs- und Ordnungs-
geldverfahren nur eines dieser Verfahren durchzuführen.
Dabei hat sich der Rechtsausschuß für das Ordnungs-
geldverfahren entschieden, das – wie auch der Bundesrat
in seiner Stellungnahme ausgeführt hat – das effektivere
der beiden zur Auswahl stehenden Mittel ist. Der Aus-
schuß verkennt dabei nicht, daß mit der im Regierungs-
entwurf vorgesehenen Verbindung beider Verfahren
eine grundsätzlich positiv zur beurteilende Lösung vor-
geschlagen wurde. Indessen ist auch bei der nunmehr
vom Ausschuß vorgesehenen Regelung des Ordnungs-
geldes mit hinreichend hoher Wahrscheinlichkeit ge-
währleistet, daß nach der Verhängung des ersten Ord-
nungsgeldes erforderlichenfalls zeitnah weitere Zwangs-
maßnahmen in Form eines zweiten und gegebenenfalls
eines weiteren Ordnungsgeldes fortgesetzt werden.
Dem in § 140 a Abs. 2 FGG vorgesehenen Satz, dem-
zufolge das erste Ordnungsgeld nach erfolglosem Ver-
streichen der Sechs-Wochen-Frist „unverzüglich“ fest-
zusetzen und mit der Androhung eines weiteren Ord-
nungsgeldes zu verbinden ist, kommt dabei erhebliche
Bedeutung zu. Gerade weil der Rechtsausschuß mit der
Abänderung des Regierungsentwurfes den Vorschlägen
des Bundesrates und der CDU/CSU-Bundestagsfraktion
in wesentlichem Umfang gefolgt ist, erwartet er, daß die
Registergerichte die ihnen nunmehr zur Verfügung ge-
stellten Mittel zu einer Beschleunigung des Ordnungs-
geldverfahrens in vollem Umfang ausnutzen und die
Verfahren schnellstmöglich abschließen.
Die neuen Regelungen zur Durchsetzung der Offen-
legungspflicht von Kapitalgesellschaften sind erstmals
auf Jahres- und Konzernabschlüsse für das nach dem
31. Dezember 1998 beginnende Geschäftsjahr anzuwen-
den. Wenn man vom Regelfall ausgeht, demzufolge das
Geschäftsjahr mit dem Kalenderjahr übereinstimmt,
gelten diese Sanktionen erstmals für die zum 31. De-
zember 1999 aufzustellenden Abschlüsse, die bis zum
31. Dezember 2000 offenzulegen sind. Anträge zur
Durchsetzung der Publizitätspflicht und sich daran an-
schließende erforderliche Maßnahmen des Registerge-
richts, die auf den neuen Regelungen beruhen, erfolgen
daher frühestens im Januar 2001.
Dem Anliegen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion
und des Bundesrates, zur Vorbeugung von mißbräuch-
lich gestellten Anträgen den Anspruch des Antragstel-
lers auf Prozeßkostenhilfe auszuschließen, wird in ver-
tretbarem Umfang Rechnung getragen. Für die bisher
nach § 335 HGB genannten Antragsberechtigten – Ge-
sellschafter, Gläubiger, Gesamtbetriebsrat bzw. Be-
triebsrat der Kapitalgesellschaft –, für die schon bisher
ein Prozeßkostenhilfeanspruch besteht, muß es bei der
bisherigen Rechtsposition verbleiben. Ebenso gilt dies
für den Antragsgegner. Im übrigen soll der Anspruch auf
Prozeßkostenhilfe ausgeschlossen werden.
Der Ausschuß hat im übrigen mit großer Sorgfalt das
verständliche Anliegen insbesondere der Steuerberater
geprüft, die von ihnen bisher vorgenommenen Prü-
fungsmandate in größtmöglichem Umfang zu erhalten.
Indessen muß der bereits im allgemeinen Teil der Be-
gründung des Regierungsentwurfs dargelegten Auffas-
sung zugestimmt werden, derzufolge solche Ausnahme-
regelungen mit den EU-rechtlichen Anforderungen der
Richtlinie 84/253/EWG nicht vereinbar sind. Der
7322 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Dezember 1999
(A) (C)
(B) (D)
Rechtsausschuß sieht darüber hinaus auch keine Mög-
lichkeit, die Zulässigkeit einer Übergangsregelung im
Wege einer Analogie zu den alten, mittlerweile seit lan-
gem abgelaufenen Übergangsvorschriften des Art. 16
der Richtlinie 84/253/EWG zu bejahen. Das Fehlen
einer neuerlichen Übergangsregelung in der GmbH &
Co-Richtlinie 90/605/EWG läßt nicht den Schluß zu,
daß hier eine unbewußte Regelungslücke vorliegt: An
dieser in der Begründung des Regierungsentwurfes dar-
gelegten Auffassung ist auch nach Auffassung der Be-
richterstatter ausdrücklich festzuhalten.
Ferner wurde davon abgesehen, einen kurzfristig am
Ende der Beratungen von den Berichterstattern und vom
Rechtsausschuß gemachten Vorschlag zur Vereinfa-
chung der Regelungen der §§ 13ff. HGB zu berücksich-
tigen. Nach diesen Bestimmungen ist unter anderem
vorgesehen, daß Unternehmen mit Zweigniederlassun-
gen, die in die Zuständigkeit örtlich unterschiedlicher
Registergerichte fallen, die Gesellschaft betreffende Tat-
sachen in verschiedenen Bekanntmachungsblättern bei
den jeweiligen Registergerichten veröffentlichen müs-
sen. Die „Mehrfachveröffentlichungen“ verursachen für
die Unternehmen erhebliche zusätzliche Kosten und für
Registergerichte und Unternehmen entsprechenden
Mehraufwand. Es ist deshalb vorgeschlagen worden, die
Zweigniederlassungsbekanntmachung deutlich zu redu-
zieren. Eine solche wesentliche Änderung sollte jedoch
nicht ohne ausreichende Erörterung mit den beteiligten
Kreisen und Landesjustizverwaltungen beschlossen
werden. Der Rechtsausschuß des Deutschen Bundesta-
ges hat deshalb die Bundesregierung aufgefordert, den
betreffenden Vorschlag zu prüfen und gegebenenfalls
unter Beteiligung der betroffenen Verbände und Unter-
nehmen sowie der Landesjustizverwaltungen baldmög-
lichst in ein anderes Gesetzgebungsvorhaben einzustel-
len.
Abschließend bleibt mir nur noch einmal die Mög-
lichkeit, festzustellen, daß mit dem jetzt abzuschließen-
den Gesetzgebungsverfahren die Bundesrepublik
Deutschland in vollem Maße der betreffenden EU-
Richtlinie Folge leistet, nach der sich die Publizitäts-
pflicht hinsichtlich bestimmter Gesellschaften nachhal-
tig ändern wird.
Der Bundesrepublik Deutschland blieb keine andere
Möglichkeit, als die entsprechende Richtlinie nunmehr
durch ein entsprechendes Bundesgesetz umzusetzen.
Andernfalls hätten weitere Urteile des EUGHs gedroht.
Margareta Wolf (Frankfurt) (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN): Mit dem Kapitalgesellschaften- und Co-
Richtlinie-Gesetz passen wir Vorschriften, u.a. bilanz-
rechtliche Vorschriften, den Anforderungen der Europäi-
schen Union an. Die GmbH & Co-Richtlinie wurde am
8. November 1990 verabschiedet. – Die Koalition hat zü-
gig und sorgfältig einen Gesetzentwurf vorgelegt, der die
Anfordernisse dieser Richtlinie in nationales Recht um-
setzt. Die alte Bundesregierung und die schwarzgelbe
Koalition haben es auch in diesem Feld nicht vermocht,
die notwendigen Reformen durchzuführen.
Der Reformentwurf zielt darauf ab, alle Offenen
Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften,
bei denen nicht wenigstens ein persönlich haftender Ge-
sellschafter eine natürliche Person, eine OHG, KG oder
andere Personengesellschaft ist oder eine natürliche Per-
son als persönlich haftenden Gesellschafter hat, in die
für Kapitalgesellschaften geltenden Vorschriften über
die Aufstellung von Jahres- und Konzernabschluß, deren
Prüfung und Offenlegung einzubeziehen.
Es geht also darum, Personenhandelsgesellschaften,
bei denen nicht wenigstens mittelbar persönlich Haften-
de Gesellschafter sind, in die für Kapitalgesellschaften
geltenden Regelungen einzubeziehen. Damit wird die
notwendige Transparenz auch bei den Personenhandels-
gesellschaften geschaffen. Diese werden – sofern sie
nicht über einen persönlich haftenden Gesellschafter
verfügen – den Personengesellschaften gleichgestellt.
Personenhandelsgesellschaften, die Schwellenwerte
überschreiten, müssen künftig die Prüfung des Jahresab-
schlusses durch einen Buchprüfer, der den Anforderun-
gen der Abschlußprüferrichtlinie entspricht, vornehmen
lassen, das heißt, diese Prüfungen können nicht mehr
von Steuerberatern und Rechtsanwälten vorgenommen
werden. Nach übereinstimmender Auffassung im Recht-
ausschuß wäre es mit der EU-Richtlinie nicht vereinbar
gewesen, hier Übergangsregelungen oder Ausnahmere-
gelungen für Rechtsanwälte und Steuerberater zu schaf-
fen. Wir hätten dies begrüßt, aber nach der Auffassung
der meisten Experten und der ganz überwiegenden Mei-
nung auch der Mitglieder im Rechtsausschuß wird damit
den europäischen Anforderungen nicht entsprochen.
Ebensowenig können künftig vereidigte Buchprüfer
große Kapitalgesellschaften prüfen.
Mit der Anpassung der Werte nach § 267 und § 293
HGB fallen mehr kleine und mittlere Unternehmen unter
die Schwellenwerte, die Erleichterung beim Aufstellen,
Prüfenlassen und Offenlegen von Jahresabschlüssen be-
deuten. Dies ist ein Schritt in Richtung weniger Bürokra-
tie und eine Entlastung für kleine und mittlere Unterneh-
men. Entsprechend der Vorgaben des Urteils des EuGH
vom 29. September 1998 bezüglich der mangelnden
Sanktion bei der Verletzung der Offenlegungspflichten
von Kapitalgesellschaften wird nunmehr ein Zwangsgeld-
verfahren auf Antrag von jedermann in Verbindung mit
einem Ordnungsverfahren eingeführt. Zugleich wird die
Offenlegungsfrist für die Bilanz vereinheitlicht auf zwölf
Monate; für einzelne Unternehmen galten bisher neun
Monate. Aus dieser Regelung dürfte keine Benachteili-
gung für den Kapitalmarktstandort Deutschland entste-
hen, denn kapitalmarktorientierte Un-ternehmen werden
ihren Jahresabschluß deutlich schneller vorlegen. Die
Möglichkeiten zur Aufstellung von Konzernabschlüssen
nach international anerkannten Rechnungslegungsgrund-
sätzen werden ausgeweitet.
Der Gesetzentwurf schafft also insgesamt mehr
Transparenz für Anleger, er sanktioniert Verstöße gegen
die gebotene Transparenz härter, und er verbessert die
Voraussetzungen für kleine und mittlere Unternehmen.
Damit kann meine Fraktion diesem Gesetzentwurf nur
aus vollem Herzen zustimmen.
Wir hatten gestern hier im Haus die Debatte zu
Holzmann. Wir treten für mehr Transparenz auf den Ka-
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Dezember 1999 7323
(A) (C)
(B) (D)
pitalmärkten ein. Gemeinsam mit der SPD werden wir
daher ein Übernahmegesetz vorlegen, das die Rechte der
Kleinaktionäre stärkt. Wir werden im Kontext der Un-
ternehmensteuerreform die Rechte von Kleinaktionären
sichern.
Im Kontext des 4. Finanzmarktförderungsgesetzes
werde ich vorschlagen, die Zahl der Aufsichtsratsman-
date ad personam auf fünf zu begrenzen, die Wahrneh-
mung von Aufsichtsratsmandaten in konkurrierenden
Unternehmen zu verbieten, bei Kreditgebern die Mög-
lichkeit der Mitgliedschaft im Aufsichtsrat des Kredit-
nehmers zu unterbinden und das weisungslose Depot-
stimmrecht abzuschaffen. Des weiteren sollten die
Rechnungslegungsvorschriften des Handelsgesetzbuches
überprüft werden. Heute haben die Unternehmens-
führungen einen großen Gestaltungsspielraum beim
,,Managen“ von Ergebnissen, und gleichzeitig werden
die Informationsbedürfnisse der Kreditoren weit über
die der Aktionäre, Betriebsräte gestellt. Das führt zum
einen zu einer Verzerrung in der Darstellung der wirt-
schaftlichen Lage und zu mangelnder Transparenz. Die
Bewertung von Unternehmen wird durch die Rech-
nungslegungsvorschriften, wie sie heute noch gelten, er-
heblich erschwert. Darüber hinaus haben wir ein Wert-
papier- und Börsenrecht, das sich vor allem durch einen
Mangel an Transparenz und damit verbunden durch
einen Mangel an entsprechender Überwachung aus-
zeichnet.
Wir sollten durch gesetzliche Regelungen die Ent-
wicklung von Unternehmen transparenter gestalten, die
Kontrolle von Vorständen durch eine Stärkung der
Kontrollmöglichkeiten von Aufsichtsräten verbessern
und Maßnahmen ergreifen, um die Ring- und Über-
kreuzverflechtungen zwischen Banken und Unterneh-
men sukzessive abzubauen.
Rainer Funke (F.D.P.): Das vorliegende Gesetz,
nämlich das Kapitalgesellschaften- und Co-Richtlinie-
Gesetz, hat nicht nur einen scheußlichen Namen, son-
dern wird sich auch negativ für den Mittelstand auswir-
ken. Denn gerade der Mittelstand ist häufig in der
Rechtsform der GmbH & Co. KG organisiert. Ich weiß,
daß Teile des Gesetzes auf Grund der Europäischen
Richtlinie in nationales Recht umzusetzen waren. Die
Bundesregierung hat es jedoch für richtig gehalten, über
die GmbH & Co. KG auch Stiftungen und Genossen-
schaften einzubeziehen, obwohl die Europäische Richt-
linie dies nicht vorsieht. Damit wird der gesellschafts-
rechtliche Gestaltungsspielraum genommen.
Wir begrüßen, daß die ursprünglich vorgesehene
Zweigleisigkeit von Zwangsgeld und Ordnungsgeld zu-
gunsten einer eingleisigen Ordnungsgeldregelung ver-
ändert wurde. Wir lehnen jedoch die mehrfache Verhän-
gung von Ordnungsgeld ab. Ich sage voraus, daß gerade
diese Mehrfachverhängungsmöglichkeit von Ordnungs-
geld, die ja auf Antrag von Konkurrenten, von Verbän-
den, Banken, Auskunfteien erzwungen werden kann, zu
Schikanen und Mißhelligkeiten in der Wirtschaft führen
wird.
Die F.D.P.-Fraktion lehnt dieses Gesetz auch ab, weil
es handwerklich mit der heißen Nadel genäht ist und
demgemäß bereits jetzt von der Bundesregierung gegen-
über den Verbänden angekündigt wird, daß das heute zu
verabschiedende Gesetz gleich Anfang nächsten Jahres
korrigiert werden muß. Es hat darüber hinaus gravieren-
de Mängel, die zum Beispiel die Form der Veröffentli-
chungspflicht von Auslandsbanken, die in der Bundes-
republik Deutschland tätig sind und damit unseren
Finanzplatz stärken, betreffen. Die wenig durchdachte
Regelung beinhaltet, daß Auslandsbanken mehrere hun-
dert Seiten der Bilanzen ihrer Mutterhäuser nicht nur in
Deutsch übersetzen, sondern auch publizieren müssen.
Das führt zu erheblichen Kosten und macht den Finanz-
platz Deutschland nicht attraktiv. Hinzu kommt, daß
keine Übergangsregelungen für die betroffenen steuer-
beratenden Berufe vorgesehen sind. Auch diese Über-
gangsregelung muß durch ein Reparaturgesetz im näch-
sten Jahr eingebaut werden.
Ich will nicht verhehlen, daß dem Entwurf der Bun-
desregierung durch die Beratung im Bundestag und in
den Ausschüssen eine Reihe von Giftzähnen gezogen
werden konnte. Dennoch sind wir wegen der dargestell-
ten Mängel dieses Gesetzes nicht in der Lage, diesem
mittelstandsfeindlichen Gesetz zuzustimmen.
Dr. Evelyn Kenzler (PDS): Wieder einmal wurde die
Bundesrepublik Deutschland durch den Europäischen
Gerichtshof in die Pflicht genommen. (Urteile des Euro-
päischen Gerichtshofes vom 29. September 1998, 4. De-
zember 1997 und 22. April 1999). Wieder einmal wur-
den EWG-Richtlinien nicht ausreichend bzw. nicht
rechtzeitig umgesetzt. Europäische Rechtsangleichung
auf dem Wege der Verurteilung sollte man vermeiden,
wenn nicht Glaubwürdigkeit aufs Spiel gesetzt werden
soll.
Daß nunmehr mit der Prüfung und Offenlegung bei
der Aufstellung von Jahres- und Konzernabschlüssen
Ernst gemacht wird, kann ich nur begrüßen. Wie wichtig
Publizität und Transparenz gerade im Finanzbereich ist,
muß ich dieser Tage in diesem Hause wohl nicht näher
begründen. Deshalb findet dieser Gesetzentwurf grund-
sätzlich auch meine Zustimmung.
Allerdings möchte ich einige Anmerkungen machen.
Der Deutsche Steuerberaterverband und der Deutsche
Anwaltsverein haben auf das Problem der Mandatsver-
luste für Steuerberater und Rechtsanwälte hingewiesen,
die ihnen bei unveränderter Einführung des Kapitalge-
sellschaften- und Co-Richtlinie-Gesetzes erwachsen. Als
Prüfer sollen danach zukünftig nur noch Wirtschaftsprü-
fer oder vereidigte Buchprüfer zugelassen werden. Das
bedeutet, daß kleine und junge Kanzleien, die oft Bera-
tungbüros mit zum Teil hohen Investitionen übernom-
men haben, diese Mandate nicht mehr bearbeiten dürfen.
Eine entsprechende – zeitlich begrenzte – Übergangsre-
gelung für Anwälte und Steuerberater, insbesondere
auch für die Angehörigen dieser Berufsgruppen aus den
neuen Bundesländern – wie vom Steuerberaterverband
vorgeschlagen –, um ihnen nicht die Chance der Steuer-
prüfung zu nehmen, vermisse ich.
Steuerberatern und Rechtsanwälten, die bislang schon
mittelgroße Kapitalgesellschaften & Co betreuen und im
Zeitpunkt der Antragstellung seit mindestens fünf Jahren
7324 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Dezember 1999
(A) (C)
(B) (D)
im Beruf tätig sind, sollten ähnlich erleichterte Über-
gangsregelungen eingeräumt werden, wie sie bei Einfüh-
rung der Prüfungspflicht für Kapitalgesellschaften vor-
gesehen waren. Für Berufsangehörige aus den neuen
Ländern ist dies eine besondere Härte. Das Erfordernis
der 15-jährigen Berufstätigkeit war für sie nie zu errei-
chen. Sicher ist es richtig, daß sie bereits bei Aufnahme
ihrer Tätigkeit von der EU-Richtlinie 90/605/EWG
Kenntnis haben konnten. Doch sich darauf sicher ein-
stellen konnten sie nicht. Denn wie eingangs moniert, ist
auf den nationalen Gesetzgeber bei der Umsetzung von
Europarecht nicht unbedingt Verlaß.
Abschließend noch eine Bemerkung zur Einschrän-
kung der Prozeßkostenhilfe. Wenn der Europäische Ge-
richtshof in der Daihatsu-Entscheidung (Beschluß vom
4. Dezember 1997) festgestellt hat, daß gesellschafts-
rechtliche Publizitätsvorschriften nicht nur dem Schutz
der Gesellschafter und der Gläubiger, sondern der Un-
terrichtung aller dienen, die Interesse an der finanziellen
Situation der Gesellschaft haben, dann ist die vorgese-
hene Einschränkung der Prozeßkostenhilfe mit Hinweis
auf ihre mögliche rechtsmißbräuchliche Wahrnahme
problematisch. Im übrigen hat auch die Justizminister-
konferenz auf ihrer Sitzung vom 7. bis 9. Juni 1999 be-
schlossen: „Es muß jeder Person, die nach dieser Recht-
sprechung“ – des Europäischen Gerichtshofes – „das
Recht zur Einsicht in die Jahresabschlüsse hat, die Mög-
lichkeit verschafft werden, dieses Recht wahrzuneh-
men.“
Dr. Herta Däubler-Gmelin, Bundesministerin der
Justiz: Die Wirtschaft hat in den vergangenen Monaten
viel über die Belastungen durch das Kapitalgesellschaf-
ten- und Co-Richtlinie-Gesetz geklagt. Dabei darf eines
aber nicht übersehen werden: Das Kapitalgesellschaften-
und Co-Richtlinie-Gesetz bringt auch deutliche Vorteile
und Erleichterungen für die Unternehmen, die ich an den
Anfang stellen möchte.
Erstens. Die Anhebung der sogenannten Schwellen-
werte zu Bilanzsumme und Umsatzerlösen in § 267
HGB bringt wesentliche Erleichterungen bei der Auf-
stellung, Prüfung und Offenlegung des Jahresabschlus-
ses für – geschätzt – weit mehr als 100 000 Kapitalge-
sellschaften.
Zweitens. Durch die Änderung des § 292 a HGB wer-
den weitaus mehr Unternehmen als bisher die Möglich-
keit erhalten, einen kapitalmarktgerechten Konzernab-
schluß aufzustellen.
Auf der anderen Seite ist natürlich unbestreitbar, daß
das Gesetz nicht nur Vorteile bringt, sondern auch Re-
gelungen, die von den Unternehmen als Belastung emp-
funden werden. Dazu muß aber eines deutlich gesagt
werden. Wir haben keine andere Wahl, als auf diese
Weise den europarechtlichen Umsetzungsrückstand zu
beseitigen, den uns die frühere Bundesregierung hinter-
lassen hat.
Hierbei geht es um die Einführung eines effizienteren
Zwangsmittels, um Kapitalgesellschaften und künftig
auch GmbH & Co. KG zur Offenlegung ihres Jahresab-
schlusses zu veranlassen, und um die Umsetzung der
sogenannten GmbH & Co-Richtlinie der Europäischen
Union. Zusätzlich müssen wir auf Grund zwingender
EU-rechtlicher Vorgaben für mehr Unternehmen als
bisher regeln, daß sie einen Konzernabschluß aufzustel-
len haben. In diesen Punkten hat der deutsche Gesetzge-
ber keine Handlungsalternativen mehr zur Verfügung
gehabt.
Lassen Sie mich nun im einzelnen zunächst auf die
Pflichtaufgaben eingehen, die Europa von uns fordert.
Als erste Pflichtaufgabe sehen wir ein stärkeres Druck-
mittel vor, um die Unternehmen entsprechend ihrer jetzt
schon bestehenden gesetzlichen Pflicht zur Offenlegung
des Jahresabschlusses zu veranlassen. Diese Verschär-
fung der Druckmittel ist unumgänglich; nach langen
Streitereien mit der EU-Kommission sind wir vom
Europäischen Gerichtshof am 29. September 1998 ver-
urteilt worden.
Mit dem von uns vorgesehenen Ordnungsgeld, das
nicht von Amts wegen, sondern auf Antrag Dritter ver-
hängt wird, mindestens 2 500 Euro beträgt und gegebe-
nenfalls mehrfach wiederholbar ist, haben wir eine wirk-
same, aber auch maßvolle Regelung gefunden.
Als flankierende Maßnahme ist die Verlängerung der
Offenlegungsfrist für mittlere und große Unternehmen
vorgesehen. Damit besteht nun für alle Unternehmen
eine einheitliche Offenlegungsfrist von zwölf Monaten.
Das erleichtert den Registergerichten die Arbeit. Mehr
können die Unternehmen wirklich nicht verlangen.
Die zweite Pflichtaufgabe ist die Umsetzung der
GmbH & Co-Richtlinie aus dem Jahre 1990. Die Um-
setzung ist hier über mehrere Jahre verzögert worden;
die entsprechenden Vorschriften hätten spätestens auf
Geschäftsjahre ab 1995 angewendet werden müssen.
Auch hier haben wir uns inzwischen am 22. April 1999
eine Verurteilung durch den Europäischen Gerichtshof
eingehandelt.
Die erforderliche Einbeziehung von GmbH & Co.
KG in die für Kapitalgesellschaften geltenden Regelun-
gen haben wir jetzt schnell und sachgerecht erledigt.
Dieses Ergebnis sollte man anerkennen. Es macht wirk-
lich keinen Sinn, überflüssige Diskussionen um das
Scheinproblem des Anwendungsbereichs zu führen. Ob
nun Stiftungen & Co oder Genossenschaften & Co ein-
bezogen werden oder nicht, hat im Verhältnis zu rund
100 000 GmbH & Co. KG kaum praktische Relevanz.
Außerdem wäre es nicht sachgerecht. Publizität ist nun
einmal der Preis für die Haftungsbeschränkung.
Es bleibt festzuhalten: Wir haben den Umsetzungs-
rückstand mit den angeblich so schwer zu lösenden Pro-
blemen in ganz kurzer Zeit erfolgreich erledigt.
Gleichzeitig sehen wir wesentliche Erleichterungen
für die Unternehmen vor. Mit der neuen Fassung des
§ 292 a HGB werden künftig alle kapitalmarktorientier-
ten Unternehmen, deren Wertpapiere an einem organi-
sierten Markt gehandelt werden, einen Konzernabschluß
aufstellen können, der internationalen Anforderungen
genügt. Das ist eine erhebliche Verbesserung der Chan-
cen an nationalen und internationalen Kapitalmärkten.
Diesen Vorschlag hatten SPD und Bündnis 90/Grüne
übrigens bereits in der letzten Legislaturperiode bei den
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Dezember 1999 7325
(A) (C)
(B) (D)
Beratungen zum Kapitalaufnahmeerleichterungsgesetz
gemacht. Die Zeit hat uns Recht gegeben.
Die wichtigste Erleichterung möchte ich zum Schluß
erwähnen. Die Anhebung der Schwellenwerte in § 267
HGB bringt für mehr als 100 000 Kapitalgesellschaften
wesentliche Erleichterungen. Diejenigen Unternehmen,
die nunmehr als kleine Gesellschaften gelten, brauchen
ihren Abschluß künftig nicht mehr von einem Wirt-
schaftsprüfer prüfen zu lassen. Sie brauchen auch nur
die Bilanz, nicht aber die Gewinn- und Verlustrechnung
offenzulegen. Mittelgroße Gesellschaften brauchen im
Rahmen ihres Jahresabschlusses nur eine verkürzte Bi-
lanz offenzulegen.
Das sind wesentliche Erleichterungen, und das sollte
bei all dem Klagen über die angeblichen zusätzlichen
Belastungen für mittelständische Unternehmen nicht
vergessen werden.
Noch ein Wort zum Schluß. Die Anhebung der
Schwellenwerte beruht auf einer EU-Richtlinie aus dem
Jahre 1999. Diese Beratungen haben im EU-Rat unter
deutscher Präsidentschaft und Leitung durch das Bun-
desministerium der Justiz begonnen; sie konnten inner-
halb von zwei Monaten – ebenfalls noch unter deutscher
Präsidentschaft – abgeschlossen werden. Das ist ein Bei-
spiel dafür, wie man schnell und effektiv wirksame Er-
leichterungen für mittelständische Unternehmen errei-
chen kann.
Ich danke allen Kolleginnen und Kollegen, die an
dem schnellen und, wie ich meine, guten Ergebnis mit-
gearbeitet haben.
Das Gesetzgebungsverfahren fand ich in zweierlei
Hinsicht bemerkenswert: Zum einen haben wir das Ver-
fahren im Deutschen Bundestag, das mit der ersten Le-
sung Anfang November 1999 begonnen hat, in rund
sechs Wochen abschließen können. Zum anderen haben
wir in Berichterstattergesprächen und im Rechtsaus-
schuß in wirklich lobenswerter sachlicher und koopera-
tiver Atmosphäre sehr schnell gute Ergebnisse erzielt.
Auch dies muß einmal hervorgehoben werden.
Da wir auch dem Bundesrat weitgehend entgegen-
kommen, gehe ich davon aus, daß es auch dort kurz und
schmerzlos zugehen wird.
Anlage 3
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung der Anträge: Begrenzung der
Einsatzdauer von Soldaten bei Friedensmissio-
nen; Einstellung des Bundeswehreinsatzes in
Osttimor; Deutsche Beteiligung an INTERFET
beenden.
(Tagesordnungspunkt 13a und b sowie Zusatz-
punkt 9)
Kurt Palis (SPD): Mit ihrem Antrag „Begrenzung der
Einsatzdauer von Soldaten bei Friedensmissionen“ for-
dert die F.D.P.-Fraktion die Bundesregierung auf, „die
Einsatzdauer der Bundeswehrsoldaten bei humanitären
und Friedensmissionen auch zukünftig auf vier Monate
zu begrenzen“. Da der Antrag bereits vom 30. Juni die-
ses Jahres datiert, würde es mich nicht überraschen,
wenn die Antragsteller jetzt – fast ein halbes Jahr später
– bestenfalls halbherzig zu ihrem Begehren stehen.
Denn mittlerweile haben wir die Frage ausführlich im
Verteidigungsausschuß erörtert, das Für und Wider einer
Einsatzverlängerung auf sechs Monate gründlich disku-
tiert und schließlich erkennen müssen, daß es zu der in-
zwischen von Minister Rudolf Scharping verfügten
Ausdehnung auf ein halbes Jahr keine sinnvolle Alter-
native gibt.
Ohne jede Einschränkung ist den Antragstellern zu-
zustimmen, wenn sie feststellen, die Soldaten der Bun-
deswehr erfüllten ihre Pflicht vorbildlich, und dies trotz
zum Teil äußerst erschwerter Bedingungen und außeror-
dentlich hoher physischer und psychischer Belastung.
Wer wie ich und viele andere Abgeordnete Soldatinnen
und Soldaten in Bosnien-Herzegowina, in Mazedonien
und im Kosovo besucht, mit ihnen gesprochen und er-
fahren hat, auf welch gefahrvollem Untergrund der täg-
lich lange Dienst zu verrichten ist, dem ist es ein Be-
dürfnis, allen, die im Einsatz sind oder waren, aber auch
ihren Familien von hier aus zu danken. Sie erbringen in
der Tat beispielhafte Leistungen und tragen dadurch er-
heblich zum positiven Ansehen der Bundesrepublik
Deutschland in den Einsatzländern bei.
Niemand im Ausschuß hat vor dem Hintergrund die-
ser Beschwernisse des Dienstes und der Trennung von
den Familien leichten Herzens der Einsatzverlängerung
zugestimmt. Denn in der Tat sind die Gesundheit und
das Wohl der Soldaten und ihrer Familien ein hohes
Gut, das wir bei unseren Entscheidungen zu achten und
beachten haben. Andererseits haben wir aber mit unse-
ren Entscheidungen für die Teilnahme an internationalen
Aktionen der humanitären Hilfe und der Friedenssiche-
rung der Exekutive die Verantwortung dafür übertragen,
daß der Auftrag sachgerecht und umfassend erledigt
wird. Um dies neben dem Einsatz in Bosnien-Herzego-
wina auch noch im Kosovo zu bewältigen, müssen die
Krisenreaktionskräfte deutlich verstärkt werden. Zusätz-
lich zu dieser Verstärkung um 13 000 Soldaten hat der
Minister auf Vorschlag des Heeresinspekteurs die Ver-
längerung der Einsatzdauer auf sechs Monate verfügt.
Nur beide Maßnahmen zusammen können bei der ab-
sehbar langen Dauer des Einsatzes auf dem Balkan
sicherstellen, daß das Mandat, das dieses Hohe Haus
seinen Soldaten nahezu einmütig erteilt hat, auch in un-
serem Sinne erfüllt wird.
Es ist zuzugeben, daß es bei der Entscheidung für
eine verlängerte Einsatzdauer eher um das Heer im Gan-
zen, nicht primär um den einzelnen Soldaten ging. Aber
die getroffene Entscheidung nimmt auch Rücksicht auf
die Interessen der Soldatinnen und Soldaten. So erreicht
man, wenn man einmal von speziellen Kräften absieht,
daß die Verweildauer im Inland zwischen zwei Einsät-
zen von 16 Monaten auf zwei Jahre ausgedehnt werden
kann. Dies war eine Forderung der Soldaten. Es ent-
sprach zudem einschlägig positiven Erfahrungen unserer
Verbündeten. Daß die Stehzeit in internationalen Stäben
immer schon sechs Monate betrug, sei hier nur am Ran-
de vermerkt. Auch daß freiwillig länger Wehrdienstlei-
7326 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Dezember 1999
(A) (C)
(B) (D)
stende mit maximal 23 Monaten Verpflichtungszeit
durch die Neuregelung auf höchstens einen Aus-
landseinsatz kommen, sei angemerkt. Bei Beibehaltung
der alten Regelung wären zwei Einsätze à vier Monaten
möglich.
Wichtig aber ist vor allem die neu geschaffene Ur-
laubsregelung. Wenn die Soldatin oder der Soldat späte-
stens nach vier Monaten kostenfrei für zwei Wochen in
den Heimaturlaub fliegen kann, verbleiben sechs zu-
sätzliche Wochen Stehzeit im Vergleich zur alten Re-
gelung.
Nimmt man alles zusammen, so stellen wir fest, daß
man im neuen Konzept die Belange der im Einsatz Be-
findlichen und ihrer Familien weitestgehend berück-
sichtigt hat. Die Entlastung des Heeres als Ganzes ist of-
fenkundig, da statt der Kontingenten nur noch zwei
Kontingente pro Jahr zusammengestellt und ausgebildet
werden müssen. Dies bedeutet zusätzlich wieder die
Chance zu mehr Kontinuität bei der Ausbildung unserer
Soldaten.
Meine Fraktion kann nach alledem dem F.D.P.-
Antrag, der einen Eingriff der Legislative in exekutive
Maßnahmen zum Ziel hat, ohne konkrete Lösungsvor-
schläge aufzuzeigen, nicht zustimmen.
Wir haben zusätzlich über zwei nahezu inhaltsgleiche
Anträge von PDS und F.D.P. zu befinden. Mit ihnen
verlangen die Antragsteller die umgehende Beendigung
des Osttimor-Engagements der Bundeswehr und die
Hingabe der für diesen Einsatz vorgesehenen Mittel des
Einzelplanes 14 – Verteidigungshaushalt – für diverse
Wiederaufbauprojekte in Osttimor. Es wird die Damen
und Herren auf der linken wie auf der rechten Seite des
Hauses nicht verwundern, daß meine Fraktion auch die-
sem Begehren nicht folgen wird.
Minister Scharping hat dem Verteidigungsausschuß
bereits mitgeteilt, daß die beiden MEDEVAL-Transall-
Maschinen schon im Januar 2000 aus dem Einsatz raus-
gelöst werden. Dies steht im Zusammenhang mit dem
Auslaufen des UN-Mandates Interfet. Bei dem ab Fe-
bruar 2000 neu zu fassenden Mandat ist die bisherige
deutsche Unterstützung nicht mehr erforderlich.
Einer überstürzten Beendigung dieses in diesem Hau-
se ebenfalls mit breitester Mehrheit beschlossenen Ein-
satzes müssen wir unsere Zustimmung verweigern. Die
Lage in Osttimor ist aus militärischer Sicht weiterhin
unsicher und nicht stabil. Die Grundlage für den Einsatz
auf Basis des UN-Mandates ist weiterhin gegeben. Ein
Rückzug Deutschlands zum jetzigen Zeitpunkt wäre ein
schlechtes Signal – nicht nur gegenüber den Verbünde-
ten. Die Arbeit des deutschen Kontingents wird aner-
kannt und ist notwendig. Dies ist meinen Kollegen Vol-
ker Neumann und Rainer Arnold von australischer Seite
in Darwin bei ihrem Besuch in der vergangenen Woche
ausdrücklich bestätigt worden, mit der Bitte, eben nichts
zu überstürzen. Bis zum gestrigen Tag haben deutsche
Sanitäter bei 18 Einsätzen der Transall 114 Patienten
von Dili/Osttimor, nach Darwin/Australien ausgeflogen
und versorgt. Auch dieser Dienst verdient Dank und An-
erkennung vom Deutschen Bundestag.
Und was soll, meine Kolleginnen und Kollegen von
der F.D.P., die Rentabilitätsberechnung in Ihrem Antrag,
nach der 160 000 DM pro ausgeflogenen Verwunde-
ten/Kranken aufgewendet wurden. Wenn Sie, wie ich zu
Ihren Gunsten annehme, auch in Ihrem Kalkül Hilfe für
Verwundete nicht von DM-Obergrenzen abhängig ma-
chen wollten, dann hätten Sie auch den Anschein mei-
den sollen.
Abschließend will ich nur noch betonen, daß wir
Verteidigungspolitiker gut daran tun, jede eventuell
freiwerdende Mark im Einzelplan 14 festzuhalten, sie
nicht anderen Ressorts zu spendieren, wie beide antrag-
stellenden Parteien dies empfehlen.
Das Auswärtige Amt ebenso wie das Bundesministe-
rium für wirtschaftliche Zusammenarbeit wenden für die
Hilfe beim Wiederaufbau Osttimors erhebliche Mittel
auf, die aufzuzählen meine Zeit nicht zuläßt. Es ist aber
wichtig, darauf hinzuweisen.
Meine Fraktion wird allen drei vorliegenden Anträ-
gen die Zustimmung verweigern.
Christian Schmidt (Fürth) (CDU/CSU): Beim Ost-
timor-Einsatz sollte unser Außenminister, der bekannt
ist für seine freimütige Art, einmal den Mut zur Selbst-
kritik besitzen. Der von ihm durchgesetzte Einsatz in
Osttimor gerät immer mehr zu einer Art humanitärem
Schildbürgerstreich. Der Bundeswehrkommandeur vor
Ort brachte dies laut „Spiegel“ auf die treffende Formel:
Was wir hier machen, könnte auch die Deutsche
Rettungsflugwacht übernehmen!
Die Einsätzeanfragen, die an die Bundeswehr heran-
getragen wurden, bestätigen, daß es sich genau um das
handelt, was wir befürchtet haben, nämlich um reinen
Symbolismus. Für teures Geld setzen wir wertvolle Res-
sourcen ein und zehren damit unsere Bundeswehr im
Bereich der Sanität bis an die Grenze ihrer Belastbarkeit
aus. Wenn wir unsere Streitkräfte – mit welcher Struktur
auch immer – nicht überfordern wollen, dann müssen
wir zukünftig in aller Deutlichkeit über die Dauer von
Kriseneinsätzen sprechen und ebenso über die Begren-
zung des Einsatzradius. Man könnte es so formulieren:
Je weiter eine Krisenregion entfernt ist, um so genauer
und tiefgehender müssen die deutschen und europäi-
schen Interessen in diesem Zusammenhang definiert
werden, bevor wir ja sagen.
Eine Selbstprüfung dieser Art sollte auch für den
Außenminister Pflicht sein, der damals vor dem Forum
der Vereinten Nationen allzu leichtfertig sich ins Wort
begeben hat mit der Aussage: Ich bin sicher, daß der
Deutsche Bundestag dem in großer Einmütigkeit zu-
stimmen wird. Wenn denn dieser Osttimor-Einsatz sei-
nen Wert hat, dann als Lehrstück für das Parlament. Wir
dürfen uns in eine solche Situation nicht mehr bringen
lassen.
Zum Einsatz des Bundeswehr-Kontingents bleibt nur
eines zu sagen: Vor dem Hintergrund der hohen Kosten
und der Art der Auslastung müssen wir diesen Einsatz
so schnell wie möglich beenden. Damit sprechen wir uns
keineswegs gegen die Fortführung der humanitären Hil-
fe für Osttimor aus.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Dezember 1999 7327
(A) (C)
(B) (D)
Ursula Lietz (CDU/CSU): Der Einsatz der Friedens-
mission ist ein wichtiger Bestandteil im Aufgabenspek-
trum der Bundeswehr. Um der gestiegenen sicherheits-
politischen Rolle des vereinigten Deutschland nach dem
Ende des kalten Krieges in der Welt gerecht zu werden,
haben wir in diesem Hohen Hause daher mehrfach be-
schlossen, Soldaten im Rahmen von Vereinten Nationen
und NATO zu Einsätzen in Krisengebiete zu schicken.
Wir alle sind uns bewußt, welche Verantwortung wir
damit auf uns nehmen.
Unsere Soldaten leisten mit unseren Partnern und
Verbündeten überall dort, wo sie eingesetzt sind, einen
hervorragenden Dienst. Unsere Pflicht muß es sein, ih-
nen dazu die besten und optimal vorstellbaren Einsatz-
bedingungen zu schaffen. Zur Zeit erfüllen knapp 8 900
Soldaten ihren Auftrag im Ausland. Damit sind wir lei-
der auch schon am Ende der Fahnenstange angekom-
men, was personelle, organisatorische und logistische
Möglichkeiten anbelangt. Zu den Bedingungen zählt ne-
ben optimalem, für den Einsatz angemessenem Gerät
vor allem der Mensch selbst. Von einer guten Einsatz-
vorbereitung abgesehen, kommen wir damit unweiger-
lich auf die Kernfrage der Dauer des Auslandseinsatzes:
vier oder sechs Monate?
Verteidigungsminister Scharping hat eine sechsmo-
natige Einsatzdauer mit einem 14tägigen Heimaturlaub
vorgeschlagen. Dadurch garantiere man den Soldaten,
daß sie für mindestens zwei Jahre nicht mehr zu einem
Auslandseinsatz herangezogen würden. Schon in der
Sitzung des Verteidigungsausschusses vom 21. Juli 1999
hat der Bundesverteidigungsminister jedoch zugeben
müssen, daß dies nicht für jeden Spezialisten gelten
könne. Das bedeutet doch, daß sich hier schon ein Hin-
tertürchen offengehalten wird, um die versprochenen
zwei Jahre auszuhebeln. In der Realität sieht es nämlich
so aus, daß für weite Teile des Sanitätsdienstes oder
auch der Logistik eine angemessene Durchhaltefähigkeit
nicht gegeben ist und dies zu erhöhten Belastungen und
erheblichen persönlichen Härten bei dem betroffenen
Fachpersonal führt.
Meine Fraktion hat dem Sechs-Monats-Rhythmus
zwar im Verteidigungsausschuß zugestimmt, jedoch ha-
ben wir immer betont, daß dies nur als Übergangssitua-
tion hingenommen werden kann, wenn sich beim ersten
Zwischenbericht negative Ergebnisse zeigen sollten. Zu-
sätzlich haben wir noch eine Kleine Anfrage an die
Bundesregierung gestellt, die sich genau mit dieser Pro-
blemstellung befaßt.
Im Rahmen neuer Erkenntnisse muß ich nunmehr sa-
gen: eine sechsmonatige Einsatzdauer mag zwar unter
organisatorischen, logistischen und vor allem finanziel-
len Gründen richtig sein, weil man weniger Kontingente
benötigt. Berücksichtigt man jedoch die Belange und die
Motivation der Soldaten und deren Familien, so ist sie es
keinesfalls. Ich will Ihnen dafür ein Beispiel nennen:
Die Soldaten, die am 1. Dezember ihren Dienst für sechs
Monate angetreten haben, werden weder Weihnachten
noch Neujahr und Ostern bei ihren Familien verbringen
können.
Wenn wir uns das Alter der Soldaten vor Augen hal-
ten, dann müssen wir uns vergegenwärtigen, daß viele
von Ihnen vielleicht gerade im Aufbau einer Familie be-
griffen sind. Da kann ein zu langer Auslandsaufenthalt
schon zu sehr negativen Konsequenzen führen. Die da-
mit verbundenen psychologischen Probleme müssen die
Soldaten sowie die Angehörigen dann meist alleine ver-
arbeiten. Es nützt dann auch die beste Familien-
Information für Soldaten im Ausland, die ich übrigens
für eine sehr gute Sache halte, nichts. Mir kann doch
keiner erzählen, daß das nicht motivations- und damit
einsatzhemmend ist! Und das alles nur aus kurzfristigen
haushaltspolitischen Gründen, weil die Regierungs-
koalition nicht in der Lage ist, einen ordentlichen Ver-
teidigungshaushalt mit den für Out-of-area-Einsätzen er-
forderlichen finanziellen Mitteln aufzustellen.
Und die Probleme werden weitergehen: Wenn wir
unsere Soldaten durch eine zu lange Einsatzdauer im
Ausland überfordern und auch die zugesagte Heimat-
verwendungsdauer von mindestens zwei Jahren nicht
einhalten, dann werden wir neben einem immensen
Glaubwürdigkeitsverlust auch noch Akzeptanzproble-
me bei den jungen Menschen insgesamt und damit
auch Nachwuchsprobleme für die Bundeswehr be-
kommen.
Wer dies verhindern will, muß auch über eine
Einsatzdauer von vier Monaten mit einem hinreichenden
Zeitraum zwischen zwei Einsätzen noch einmal nach-
denken dürfen. Daher werden wir zunächst einmal die
weiteren Berichte und Antworten abwarten, um dann
unter Umständen zu einer Entscheidungsänderung zu
kommen.
Angelika Beer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Heute
diskutieren wir über zwei populistische Anträge –,
populistisch, weil sie vordergründig argumentativ vor-
gehen, in Wirklichkeit aber versuchen, an unreflektierte
Bedürfnisse ihres vermeintlichen Klientels anzuknüpfen.
Wir sind uns mit der F.D.P. darin einig, daß die Sol-
daten der Bundeswehr in Bosnien und im Kosovo, in
Albanien und in Mazedonien ihren Auftrag erfüllen und
gute Arbeit leisten. Durch deren Anwesenheit wird die
Sicherheit in der Region stabilisiert, so daß im Zuge des
Wiederaufbaus ein Friedensprozeß eingeleitet werden
kann.
Ich habe auch Verständnis für die Wünsche vieler
Soldaten auf eine kürzere Einsatzzeit. Doch der Vertei-
digungsminister hatte gute Gründe für die Verlängerung
der Stehzeiten von vier auf sechs Monate: zum einen,
weil die Anzahl der Kontingentwechsel reduziert wer-
den kann, zum anderen, weil mit der Verlängerung auf
sechs Monate die Einsatzzeit unserer Soldaten zukünftig
denen innerhalb der NATO sowie der VN-Einsätze an-
gepaßt werden. Ich möchte auch unterstreichen, daß ich
von den Soldaten fast ausschließlich positive Rückmel-
dungen bekommen habe im Hinblick auf die Zusage,
daß nach einem Auslandseinsatz von sechs Monaten ei-
ne Verweildauer von zwei Jahren zu Hause ermöglicht
werden soll. Und dies ist durchaus im Interesse der Sol-
daten und ihrer Angehörigen. Schließlich durch den Ur-
laub, den die Soldaten während des Auslandseinsatzes
nehmen können, soll die Situation der Soldaten erleich-
tert werden.
7328 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Dezember 1999
(A) (C)
(B) (D)
Ich glaube nicht, daß die Rückkehr zur viermonatigen
Einsatzdauer ein „wesentlicher Motivationsgrund“ für
die Soldaten ist, wie Sie schreiben. Das würde ein
schlechtes Licht auf die Motivlage werfen. Mein Ein-
druck ist vielmehr, daß die Soldaten motiviert sind, weil
sie merken, daß sie Friedensprozesse durch ihre Arbeit
unterstützen.
Jetzt komme ich zu den Kollegen und Kolleginnen
von der PDS; die Kollegen und Kolleginnen von der
F.D.P. sind ihnen ja inzwischen thematisch gefolgt.
Ihren Antrag finde ich amüsant vor dem Hintergrund,
daß es in Ihrer Partei eine Diskussion gibt, ob nicht auch
die PDS von ihrem generellen Nein zu jeglicher deut-
scher Beteiligung an Auslandseinsätzen abrücken und
zumindest friedenserhaltende UN-Einsätze unterstützen
sollte. Während die PDS anfängt, sich aus der Funda-
mentalposition zu verabschieden – und das ist ja durch-
aus zu begrüßen –, beantragen Sie ausgerechnet das En-
de unserer Beteiligung an Interfet, einem völkerrechtlich
vollkommen unumstrittenen Friedenseinsatz, und erhal-
ten dafür den vermeintlich radikalen Applaus der Libe-
ralen.
Ich will jetzt gar nicht länger darauf eingehen. Der
Bundestag hat den Einsatz in Osttimor beschlossen, um
die UNO bei ihrer Aufgabe zu unterstützen. Auf Grund
der regionalen Entfernung haben wir uns eine Selbstbe-
schränkung im Hinblick auf das Ausmaß auferlegt, die
außenpolitisch klug ist. Und wir werden im Hinblick auf
den in Kürze zu erwartenden Blauhelmeinsatz in Ost-
timor rechtzeitig prüfen, inwieweit die deutsche Beteili-
gung dann unter veränderten Bedingungen notwendig
und möglich ist.
Günther Friedrich Nolting (F.D.P.): Das erste Bun-
deswehrkontingent, das eine Stehzeit von sechs Monaten
im Rahmen von KFOR haben wird, hat erst vor wenigen
Tagen seine Verlegung ins Einsatzland abgeschlossen.
Bis dahin hatten alle Kontingente, KFOR wie SFOR,
eine Einsatzdauer von vier Monaten.
Die Verlängerung von vier Monaten auf sechs Mo-
nate ist militärisch begründet worden, und zwar mit bes-
serer Planbarkeit, mit der kritischen Personalsituation
und mit den zukünftig zu gewährleistenden Einsatz-
intervallen, die sicherstellen sollen, daß die Soldaten
oder Soldatinnen höchstens alle zwei Jahre in einen Ein-
satz gehen.
Diese Argumente mögen zwar sachlich noch halb-
wegs plausibel sein, aber politisch leuchten sie nicht ein.
Bessere Planbarkeit kann nicht eine Frage der Einsatz-
dauer sein. Wenn es Strukturprobleme gibt, die negative
Auswirkungen haben, dann müssen eben die Strukturen
geändert werden. Die F.D.P. hat bereits im März detail-
lierte Vorschläge dazu in einem Positionspapier vorge-
legt. Verteidigungsminister Scharping aber möchte noch
– mindestens – ein weiteres Jahr verschenken, und die
Ergebnisse der Zukunftskommission abwarten, ehe et-
was geschieht.
Lassen Sie mich aber die politische Ebene verlassen.
Hier geht es um Menschen. Es geht um unsere Soldaten
und deren Familien. Die Soldaten, die jetzt in den Ein-
satz gegangen sind, werden Weihnachten nicht zu Hause
sein, sie werden Silvester und Neujahr nicht zu Hause
sein, sie werden Ostern nicht zu Hause sein, und sie
werden – zumindest teilweise – Pfingsten nicht zu Hau-
se sein. Und sie waren vor ihrem Einsatz schon etliche
Woche in der Ausbildung, also auch nicht zu Hause.
Die „Frankfurter Neue Presse“ schrieb dazu am
15. November:
Bei den rund 2 000 deutschen Soldaten, die nun in
den Kosovo geflogen werden, ist die Laune be-
scheiden: Sie sind die ersten, die im Schnitt sechs
Monate auf dem Balkan bleiben müssen. Ihre
Vorgänger waren lediglich zwei bis vier Monate
,unten‘. Das heißt, daß die Truppen des dritten
Kontingents bis einschließlich Ostern alle Feier-
tage im Krisengebiet verbringen müssen und zu-
dem den harten Winter zu meistern haben.
Am Dienstag dieser Woche konnten Sie im ZDF an-
läßlich des Truppenbesuches des Bundespräsidenten se-
hen, wie ein junger Soldat auf die Reporterfrage, was er
sich zu Weihnachten wünsche, antwortete: Daß die
sechs Monate vorüber sind. Auch der Deutsche Bun-
deswehrverband weist in aller Deutlichkeit auf die fami-
liären Probleme hin, die durch einen Auslandseinsatz
von einer solchen Länge entstehen: Ehen und Freund-
schaften scheitern, Kinder werden ihren Vätern oder
Müttern entfremdet, und vieles mehr.
Die F.D.P.-Bundestagsfraktion verlangt deshalb mit
ihrem Antrag, daß die Menschen hier wieder in den
Mittelpunkt gestellt werden und ab dem Folgekontingent
wieder zu einer Einsatzdauer von höchstens vier Mona-
ten zurückgekehrt wird. Einen ersten Schritt in die rich-
tige Richtung könnte die Bundesregierung bereits im
Hinblick auf die deutsche Interfet-Mission unternehmen
und diese, entsprechend unserem Antrag, nach einer
Einsatzdauer von höchstens vier Monaten abziehen.
Wir alle wissen, daß der humanitäre, militärische und
politische Nutzen dieser Mission gegen Null geht, und
daß die dafür aufgewendeten finanziellen Ressourcen im
medizinisch-humanitären Bereich wesentlich effizienter
eingesetzt werden könnten. Die Zeit ist überreif, dahin
gehend umzusteuern. Ein ranghoher Offizier des deut-
schen Interfet-Kontingents hat es – ausweislich von
Presseberichten – zutreffend formuliert als er sagte:
Was wir hier machen, könnte auch die deutsche
Rettungsflugwacht übernehmen.
Meine Fraktion hat beim Beschluß der Beteiligung
Deutschlands am 7. Oktober ihre Zustimmung aus-
drücklich daran geknüpft, die Sinnhaftigkeit des Einsat-
zes nach acht Wochen zu überprüfen. Dieser Zeitraum
ist nunmehr verstrichen, und die Zeit ist tatsächlich reif
für einen anderen Entschluß. Es bleibt festzuhalten, daß
diese kurzfristigen Entscheidungsabfolgen von vornher-
ein hätten vermieden werden können, wenn die Bundes-
regierung geschlossener gehandelt und auch den Bun-
destag intensiver einbezogen hätte. Der Kollege Volker
Neumann von der SPD-Fraktion hatte hierzu insbeson-
dere den Bundesaußenminister in der Debatte am
7. Oktober zu Recht kritisiert.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Dezember 1999 7329
(A) (C)
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Die Anträge meiner Fraktion geben der Regierungs-
koalition die Möglichkeit zu wichtigen Nachbesserun-
gen. Darum bitten wir das Plenum, unseren Anträgen
heute zuzustimmen.
Carsten Hübner (PDS): Für die PDS-Fraktion ist
klar: Der MEDEVAC-Einsatz der Bundeswehr in Dar-
win muß sofort beendet werden. Es gibt keine sachli-
chen Gründe dafür, ihn auch nur einen Tag länger fort-
zusetzen. Aber es gibt viele Gründe dagegen. Und fast
alle sind schon bei der Debatte zur Entsendung des Bun-
deswehr-Kontingents vorgebracht worden – leider ohne
Erfolg. Nun haben wir diesen außenpolitischen Flop,
und er läßt weit blicken, was die Motive der Bundesre-
gierung und Außenminister Fischers bei der Entsendung
anbetrifft.
Erinnern Sie sich an diese Debatte. Erinnern Sie sich,
was Fachpolitiker mehrer Fraktionen in den Ausschüs-
sen zu diesem Einsatz vor diesem Einsatz festgestellt
haben:
Erstens. Die medizinische Versorgung auf Osttimor
war bereits zu diesem frühen Zeitpunkt des Interfet-
Einsatzes für das militärische Personal gesichert – über
ein intaktes Hospital in Dili und weitere Sanitätskapzi-
täten der beteiligten Truppenteile. Und auf die Zielgrup-
pe orientiert ja auch MEDEVAC. Woran es fehlte – und
heute noch fehlt –, war die medizinische Versorgung in
der Breite, war die Basisversorgung für die Zivilbevöl-
kerung. Der aber hat MEDEVAC nicht geholfen, ob-
wohl zum Beispiel das Internationale Rote Kreuz vor
Ort eindringlich um Ärzte und medizinisches Personal
für die Bevölkerung gebeten hat. Heute noch gibt es
nach einer Untersuchung der Weltbank gerade 30 Ärzte
für die 800 000 Menschen. Der Bundeswehreinsatz ging
also ganz offensichtlich völlig an den eigentlichen Be-
dürfnissen vorbei.
Zweitens. Bei den bisherigen Flügen des MEDE-
VAC-Kontingents war nicht ein Notfalleinsatz. Das ist
auf der einen Seite außerordentlich zu begrüßen, ebenso
wie die rasche Beruhigung der Gesamtlage auf Osttimor.
Aber auch das war bereits bei der Entsendungsdebatte
erkennbar; es stand so in unserem Antrag gegen die Ent-
sendung der Bundeswehr, in dem wir gefordert haben,
statt dessen das Geld für Maßnahmen zur Hilfe der Zi-
vilbevölkerung einzusetzen.
Weil das aber so ist, so zu erwarten war, bestehen die
Transporte allein aus Personen, die durchaus auch im
Rahmen sowieso stattfindender Versorgungsflüge aus-
geflogen werden können, Personen mit Grippe und an-
deren Infektionen, mit Arm- oder Beinbrüchen oder
ähnlichem. Sagen Sie mir bitte einen Grund dafür, war-
um vor diesem Hintergrund ein Service aufrechterhalten
werden soll, der bisher pro transportierte Person über
100 000 DM gekostet hat? Selbst wenn man eine kleine,
vor Ort organisierte notfallmedizinische Flugbereitschaft
für nötig hält, man könnte sie in der Region mieten.
Dann wäre auch der bisher nicht eingetretene Notfall
abgesichert gewesen. – Zu sehr, sehr viel geringeren
Kosten dieselbe medizinische Leistung. Aber dank Fi-
scher muß es ja die Bundeswehr machen, für mehr als
13 Millionen DM!
Drittens. Mehrfach ist angeführt worden, MEDE-
VAC, und nur MEDEVAC, sei das Signal gegenüber
Interfet, daß von diesen angefordert und gewünscht
worden sei. Ich sage Ihnen: Das stimmt einfach nicht.
Einen Tag vor der Entsendungsdebatte habe ich mit dem
australischen Botschafter gesprochen. Der hat mir ge-
sagt, Australien, das ja den größten Teil der Interfet-
Truppe stellt, sei es egal, ob die Bundesrepublik Solda-
ten schickt, ein medizinischer Sanitäts-Kontingent oder
sich etwa auch nur an der Finanzierung von Interfet be-
teiligt. Seinem Land gehe es vordergründig nur darum,
daß von den Ländern, die besonders enge politische und
wirtschaftliche Beziehungen zu Indonesien haben, nicht
nur Australien militärische Präsenz zeigt und damit den
alleinigen Buhmann für Jakarta abgibt, sondern auch
andere, eben die Bundesrepublik. Darum ging es. Alles
andere in diesem Zusammenhang war vorgeschoben,
zum Teil wohl glatt erfunden, wie ich befürchte.
Viertens. In der letzten Debatte haben Herr Fischer und
die Vertreter der Regierungskoalition darauf abgehoben,
wie wichtig es sei, selbst über sachliche Widersprüche
hinweg, ein deutliches Zeichen gegenüber der UNO zu
setzen. Ich muß Ihnen sagen, daß mir bei diesen Worten
zunächst die Spucke wegblieb. War es doch diese Bun-
desregierung, waren es Außenminister Fischer und In-
nenminister Schily, die sich nicht einigen konnten, wer
die Kosten für fünf von der UNO zur Begleitung des Ost-
timor-Referendums erbetenen Polizisten bezahlen soll. Es
ging um ein paar tausend Mark. Dennoch gab es keine
Verständigung, gab es deshalb keine Entsendung zum
Schutz der Abstimmung. So viel zu Ihrer praktischen
Haltung zu UNO-Aktivitäten auf Osttimor bisher. Und
auch die aktuelle Situation, für den völlig überflüssigen
MEDEVAC-Militäreinsatz weit mehr Geld auszugeben
als für die dringend erforderlichen Maßnahmen der So-
forthilfe und des Wiederaufbaus, spricht Bände und de-
maskiert Sie in Ihrer supermoralischen Argumentation.
Der UNO ist am meisten gedient, wenn der MEDE-
VAC-Einsatz sofort abgebrochen wird und das für seine
Fortführung eingeplante Geld für den Wiederaufbau
eingesetzt wird. Denn am Wiederaufbau entscheidet
sich, ob die internationale Staatengemeinschaft auf Ost-
timor scheitert oder nicht. Aber soweit ich weiß, hat die
Bundesrepublik bisher noch nicht einmal eine Koordi-
nierungsstelle für die bisherigen Gelder auf Osttimor
eingesetzt.
Nicht nur den Menschen von Osttimor, sondern auch
den Soldaten und ihren Familien ist am meisten gedient,
wenn wir diesen unsinnigen Einsatz sofort abbrechen.
Die Soldaten könnten Weihnachten und Sylvester zu
Hause sein.
Und ein letzter Satz: Springen Sie mit Blick auf die
morgen in Tokio stattfindende Geberkonferenz über
ihren Schatten und stimmen Sie meinem Antrag zu! Die
sofortige Beendigung des MEDEVAC-Einsatzes würde
unseren Wiederaufbaubeitrag mit einem Schlag minde-
stens verdreifachen! Das sollten Sie bedenken!
Walter Kolbow, PStS beim Bundesminister der Ver-
teidigung: In diesen Tagen läuft für die in Bosnien und
im Kosovo eingesetzten Soldaten der Kontingentwech-
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sel. Damit gehen erstmalig Soldaten der Bundeswehr
mit einer neu festgelegten Stehzeit von sechs Monaten
in den Einsatz. Für die Entscheidung zu dieser Verlänge-
rung von bisher vier Monaten auf nunmehr sechs Mo-
nate Stehzeit – als Dauer – im Einsatz gibt es wichtige
und sehr überzeugende Argumente. Gleichwohl verken-
ne ich nicht, daß diese Änderung von den betroffenen
Soldatinnen und Soldaten und vor allem von den Fami-
lien ein größeres Durchhaltevermögen in einer längeren
Zeit der Trennung verlangt.
Wesentlich für die Entscheidung der Bundesregie-
rung ist, daß der bisherige Umfang an Krisenreaktions-
kräften des Heeres weder qualitativ noch quantitativ er-
laubte, die auf mehrere Jahre angelegten Einsätze im
ehemaligen Jugoslawien ohne erhebliche negative Aus-
wirkungen auf das innere Gefüge und die Regeneration
der Truppenteile sicherzustellen.
Eine auf vier Monate befristete Einsatzdauer bedeu-
tete, daß insbesondere in den Bereichen Logistik, Sani-
tätsdienst, Führung, Aufklärung und Pioniereinsatz viele
Soldaten bereits acht bis sechzehn Monate nach Beendi-
gung eines Einsatzes erneut herangezogen werden
mußten. Dies führte gerade bei den Zeit- und Berufssol-
daten zu einer sehr starken Belastung, die nunmehr ge-
mindert werden soll. Gleichzeitig soll durch geeignete
Maßnahmen eine Verbesserung der Durchhaltefähigkeit
insbesondere des Heeres herbeigeführt werden.
Vor allem kommt es uns darauf an, für die Soldaten
zwischen den Einsätzen eine hinreichend lange Ver-
weildauer von grundsätzlich zwei Jahren im Inland und
damit auch eine deutliche Entlastung für das familiäre
Umfeld und die Lebensplanung der Soldaten zu erzielen.
Deshalb hat Bundesminister Scharping nach gründlicher
und detaillierter Untersuchung auf Vorschlag der militä-
rischen Führung entschieden, den Umfang der Krisen-
reaktionskräfte des Heeres von 37 000 auf rund 50 000
Soldaten aufzustocken, daraus jeweils fünf Kontingente
für die Einsätze im Rahmen von KFOR und SFOR be-
reitzustellen und die Einsatzdauer der eingesetzten Sol-
daten von bisher vier Monaten auf nunmehr sechs Mo-
nate zu erhöhen.
Diese neue Regelung bietet insbesondere für die Zeit-
und Berufssoldaten, die ja in der Regel mehrmals zum
Einsatz herangezogen werden müssen, im Vergleich zu
der bisher üblichen viermonatigen Verwendungsdauer
erhebliche Vorteile: Berücksichtigt man den zweiwöchi-
gen Urlaub, der den Soldaten mit dieser neuen Regelung
während des Einsatzes gewährt werden kann, so erhöht
sich die Stehzeit im Einsatz lediglich um sechs Wochen.
Zugleich wird die Karenzzeit, während der die Soldaten
zu Einsätzen nicht herangezogen werden sollen, gegen-
über der bisherigen Praxis ganz wesentlich, und zwar
um mindestens acht Monate, erhöht. Die Soldaten ge-
winnen also durch eine verhältnismäßig kurze Verlänge-
rung der Stehzeit im Einsatz anschließend eine erheblich
längere Wartezeit von mehr als dem Sechsfachen, näm-
lich die angesprochenen acht Monate, während der sie
von Einsätzen verschont bleiben.
Lassen Sie mich außer den dargestellten sozialen
Aspekten, die hier in besonderer Weise zum Tragen
kommen, noch einmal die besonderen Belastungen, de-
nen das Heer durch die laufenden Einsätze unterworfen
ist, hervorheben. Der Umfang des von der Bundeswehr
für KFOR und SFOR gestellten Kontinentes umfaßt ins-
gesamt rund 9 000 Soldatinnen und Soldaten. Bei einer
bisherigen Verweildauer im Einsatz von jeweils vier
Monaten kamen jährlich rund 27 000 Frauen und Män-
ner zum Einsatz. Die gleiche Anzahl absolvierte die
einsatzvorbereitende Ausbildung.
Damit waren bisher pro Jahr drei von sieben Divisio-
nen des Heeres durch die Vorbereitung und Durchfüh-
rung der Einsätze gebunden. Durch die von Bundesmi-
nister Scharping nunmehr verfügten Maßnahmen kann
die Belastung und übermäßige Bindung der Kräfte für
das Heer um ein Drittel auf künftig lediglich zwei Divi-
sionen pro Jahr reduziert werden. Hierdurch kann das
innere Gefüge der Truppenteile des Heeres spürbar ge-
stärkt und die Planungssicherheit für die eingesetzten
Soldaten nachhaltig verbessert werden.
Wir nutzen mit den dargestellten Maßnahmen die
Chance, die unzweifelhaft hohe Einsatzbelastung für die
Soldaten und Truppenteile der Bundeswehr auf ein ver-
träglicheres Maß zurückzuführen. Die auf zwei Jahre
verlängerte Wartezeit zwischen zwei Verwendungen
verbessert für die Familien die Planungssicherheit und
ist sozialverträglicher. Darüber hinaus erhöht sie die
Durchhaltefähigkeit für die politisch notwendigen Ein-
sätze der deutschen Streitkräfte und entspricht damit in
besonderem Maße neben den sozialen Belangen der
Soldaten auch den sicherheitspolitischen Erfordernissen,
die sich aus der gewachsenen deutschen Verantwortung
für die Sicherung des Friedens ergeben.
Anlage 4
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Entwurfs eines Dritten Geset-
zes zur Änderung des Betäubungsmittelgesetzes
(Tagesordnungspunkt 14)
Sebastian Edathy (SPD): Im Jahr 1913, am Anfang
dieses Jahrhunderts also, stellte der SPD-Reichs-
tagsabgeordnete Otto Landsberg in diesem Gebäude
vom Rednerpult aus folgende Frage: „Sind denn die
Menschen der Gesetze und der Verträge wegen da oder
umgekehrt die Gesetze und Verträge der Menschen
wegen?“ Diese Frage hat an Aktualität nicht verloren. Es
ist eine ständige parlamentarische Aufgabe, das geltende
Recht auf Effektivität, insbesondere aber auch auf seine
Menschlichkeit hin, zu überprüfen.
Ich freue mich, daß wir heute, am letzten Sitzungstag
des Bundestages im Jahr 1999, eine Gesetzesänderung
beschließen werden, die beide Gesichtspunkte berück-
sichtigt.
Der vorliegende Gesetzentwurf der Bundesregierung
wird zur Entideologisierung der deutschen Drogenpoli-
tik beitragen. Der Wunsch, es möge keine Drogenab-
hängigen geben, ist ein Wunsch, den ich teile. Leider hat
dieser Wunsch aber in der Vergangenheit zu einer Poli-
tik geführt, die nicht hinreichend differenziert war. Die
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einfachsten Antworten sind nicht immer die besten
Antworten; das gilt auch für die Drogenpolitik.
Als Innenpolitiker meiner Fraktion begrüße ich es,
daß der Bundestag mit der anstehenden Gesetzesände-
rung unterstreicht, daß wir einen Unterschied machen
wollen und werden zwischen der Behandlung von Dro-
genhändlern und Drogenkonsumenten.
Kernpunkt des Gesetzentwurfes ist die Absicht, der
Einrichtung von Drogenkonsumräumen – sogenannten
Fixerstuben bzw. Gesundheitsräumen, übrigens beides
keine sonderlich gelungenen Begriffe – einen rechtli-
chen Rahmen zu geben: Vorbehaltlich der Zustimmung
der jeweiligen Landesregierung soll es in den Kommu-
nen möglich sein, unter klaren Auflagen entsprechende
Stätten einzurichten bzw. soll bestehenden Einrichtun-
gen aus dem gegenwärtigen Zustand der Rechtsunsi-
cherheit herausgeholfen werden. In diesen Drogenkon-
sumräumen wird Sicherheit, Kontrolle und Hygiene
beim geduldeten Verbrauch von mitgebrachten Betäu-
bungsmitteln ermöglicht und zugleich Beratung und Hil-
fe geleistet.
Mit dem Argument, damit werde ein Spannungsfeld
geschaffen zwischen einer Toleranz des Drogenkonsums
und dem Ziel, diesen zu vermeiden, muß man sich
selbstverständlich auseinandersetzen. Ich glaube aber
nicht, daß dieses Argument stichhaltig ist. Denn es ist im
Grunde genau umgekehrt: Der Gesetzentwurf schafft
nicht Uneindeutigkeit, sondern gibt uns Instrumente in
die Hand, mit einem vorhandenen Spannungsfeld ange-
messener als bisher umzugehen.
Wir gehen in der Drogenpolitik nicht den Weg der
Legalisierung, der genauso irreführend wäre wie der
Weg der Kriminalisierung. Es ist ja kein schwarz-weißes
Bild, das sich uns zeigt, sondern eines, das durch viele
Zwischentöne gekennzeichnet ist. Insofern ist und bleibt
Strafverfolgung ein wichtiges Mittel der Drogenpolitik:
Wer mit Drogen handelt, also aus Geschäftemacherei für
Abhängigkeit, Leid und Tod sorgt, wird weder heute
noch in Zukunft auf Milde des Gesetzgebers hoffen
können. Auch werden wir verstärkt auf Prävention set-
zen, um möglichst viele, gerade auch junge Menschen,
vor Drogenabhängigkeit zu bewahren.
Was aber den Umgang mit Drogenabhängigen be-
trifft, hat man – aus einer legitimen Zielsetzung heraus,
gewiß, aber mit oftmals schlimmen Folgen – zu lange
den Blick auf die strafrechtlichen Aspekte in den Mittel-
punkt gestellt und den Aspekt der Hilfsbedürftigkeit der
Betroffenen vernachlässigt. Drogenabhängige sind – und
darüber herrscht zwischenzeitlich nach meinem Ein-
druck Konsens; jedenfalls haben sich ja auch eine Reihe
von CDU-Politikern in diesem Sinne geäußert – in erster
Linie kranke Menschen, die eher Hilfe denn Strafe be-
nötigen. Wir müssen Zugang zu diesen Menschen ge-
winnen und ihrer Verelendung entgegenwirken. Wir
dürfen sie nicht stigmatisieren und sie, die ohnehin am
Rande der Gesellschaft leben, noch zusätzlich in die
Illegalität treiben, wo es vermeidbar ist.
Es ist in diesem Sinne des Primats der Hilfe völlig
richtig, daß wir im Zuge der Verabschiedung des Ge-
setzentwurfes auch eine einstimmige Entschließung des
Bundesrates aufgreifen und Lücken im Substitutionsbe-
reich schließen: Wir konkretisieren damit unter anderem
die Voraussetzungen für die Qualifikation von Ärzten,
die Ersatzmittel für Abhängige verschreiben.
Der vorliegende Gesetzentwurf verdient nach meiner
Überzeugung eine breite Zustimmung dieses Hauses,
über die Grenzen der Regierungskoalition hinaus.
Wenn wir gleich über die Zustimmung dieses Geset-
zes befinden, dann denken Sie vielleicht an die Frage
des Kollegen Landsberg aus dem Jahr 1913: „Sind denn
die Menschen der Gesetze und der Verträge wegen da
oder umgekehrt die Gesetze und Verträge der Menschen
wegen?“
Wir brauchen menschliche Gesetze. Und dies wird
eines sein.
Hubertus Heil (SPD): Max Weber lehrt uns, daß
Politik das „Bohren dicker Bretter“ ist. Und ehrlich ge-
sagt, wir kennen das alle aus unserer Arbeit: Wenn wir
für uns als Abgeordnete ein politisches Vorhaben für
vernünftig und notwendig erkennen, ist es in der Regel
noch ein langer und mühsamer Weg, dieses Vorhaben
dann tatsächlich zu realisieren. Dabei erlebt man oft, daß
man am ursprünglichen Vorhaben Abstriche machen
muß, um überhaupt Mehrheiten für seine Intention zu
finden. Schließlich will man ja nicht für sich recht ha-
ben, sondern für Recht sorgen oder anders gesagt, neues
Recht setzen. Trotzdem ist es am Ende befriedigend,
wenn man feststellen kann, daß man zumindest 90 Pro-
zent dessen umgesetzt hat, was man ursprünglich wollte
– zumal dann, wenn ein Gesetz, das man auf den Weg
gebracht hat, konkret Menschen in ihrem Lebensalltag
hilft. Deshalb ist der heutige Tag für mich ein guter Tag.
Mit der zweiten und dritten Lesung verabschiedet
heute der Bundestag ein Gesetz, was konkret dafür sor-
gen wird, daß die Lebensbedingungen von Menschen
verbessert werden können. In diesem Fall geht es darum,
daß im Sinne der Überlebenshilfe Drogenabhängigen
künftig besser geholfen werden kann. Zudem schaffen
wir durch das vorliegende Gesetz Rechtssicherheit für
die Träger und die Mitarbeiter dieser Einrichtungen.
Seit Jahren warten viele Drogenhilfeeinrichtungen
auf diese rechtliche Klarstellung für den Betrieb von
Drogenkonsumräumen. Wenn das Gesetz den Bundesrat
passiert hat und die Länder Regelungen für den Betrieb
der Räume erlassen haben, ist dies ein weiterer wichtiger
Baustein in einem sich ausdifferenzierenden System der
Drogenhilfe. Drogenkonsumräume haben sich dort, wo
sie bereits von mutigen Kommunen eingerichtet worden
sind, bewährt. Ich nenne nur einige wichtige Punkte:
weniger Todesfälle durch konsequente Überlebenshilfe,
Verringerung der Infektionsrisiken und der Aufbau von
Kontakten zu anderen Angeboten der Drogenhilfe.
Die Bedenken des CDU-Kollegen Hüppe, in den
Räumen könnten ja auch andere Drogen außer Opiate
konsumiert werden oder die Einrichtungen würden neue
Konsumenten anziehen, kann ich nicht teilen. Die Dro-
genkonsumräume haben keine Anziehungskraft für Ju-
gendliche. Cannabis oder Ecstasy werden als Freizeit-
drogen, vielfach in Partyatmosphäre, konsumiert. Das
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„Ambiente“ der Drogenkonsumräume als Instrument der
Gesundheitspolitik unterscheidet sich allerdings ele-
mentar von dem einer Diskothek. Die Vorstellung, daß
die sogenannten Fixerstuben eine lockende oder gar ver-
führende Anziehung auf Jugendliche entwickeln würden
und sie dadurch zum Erstkonsum verleitet werden, ist
geradezu absurd. Zur Klientel dieser Einrichtungen ge-
hören Menschen, die sich bereits länger in der offenen
Szene aufhalten. Und selbst wenn in den Einrichtungen
beispielsweise auch Kokain gespritzt wird, ist es immer
noch besser, dies geschieht unter hygienischen Bedin-
gungen und mit der Chance auf Hilfe, als auf der Bahn-
hofstoilette oder in irgendeinem Hauseingang.
Unser Gesetzentwurf trägt unterschiedlichen Bedürf-
nissen Rechnung. Er räumt durch die kodifizierten Qua-
litätskriterien, die für den Betrieb dieser Einrichtungen
vorgesehen sind, Bedenken aus, die vor allem aus Sicht
der Innen- und Rechtspolitik bestanden haben. Viele
Regelungen, die im Gesetz vorgesehen sind, scheinen
dabei allerdings einigen Praktikern der Drogenhilfe zu
eng und zu restriktiv gefaßt zu sein. Auch wenn ich
einige Bedenken aus dieser Richtung durchaus nach-
vollziehen kann, komme ich aus unterschiedlichen
Gründen zu der Überzeugung, daß dieses Gesetz insge-
samt ein wichtiger Baustein einer neuen Drogenpolitik
ist, die stärker auf Hilfe als auf Strafe abstellt.
Das Gesetz schafft zum einen Rechtssicherheit für die
bereits bestehenden Einrichtungen in Hamburg, Frank-
furt und vielen Städten, die bislang anonym bleiben
wollen. Es eröffnet zudem den Bundesländern die Mög-
lichkeit, im eigenen Ermessen und unter Berücksichti-
gung der genannten Kriterien neue Einrichtungen zu ge-
nehmigen. Viele Großstädte in Bundesländern wie
Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen warten sehn-
lichst auf das Inkrafttreten des Gesetzes. Es wäre nach
der jahrelangen ideologisch motivierten Blockadepolitik
unserer Vorgängerregierung unverantwortlich, jetzt
nicht umgehend zu handeln und Rechtssicherheit zu ge-
währen. Im übrigen: auch Städte wie München oder
Karlsruhe möchten umgehend Drogenkonsumräume ein-
richten und die Menschen nicht länger krepieren lassen.
Ich kann von dieser Stelle aus nur eindringlich an die
Landesregierungen in München und Stuttgart appellie-
ren, Regelungen zur Umsetzung dieser Art der Drogen-
hilfe zu erlassen. Sie helfen Menschen zu überleben. An
die Adresse CDU und CSU in Bayern bzw. Baden-
Württemberg kann ich an dieser Stelle nur appellieren:
Verlassen sie den Weg alter Drogenideologie und zeigen
sie Humanität! Natürlich weiß ich, daß es gerade in
Karlsruhe und München Enttäuschungen darüber gibt,
daß wir die Einrichtungen nicht in das alleinige Ermes-
sen der Kommunen gestellt haben. Ich muß aber darauf
hinweisen, daß es in diesem Zusammenhang eine Fülle
von rechtlichen Einwänden gab und uns zudem auch
ganz lebenspraktisch eine solche Regelung nicht weiter-
geholfen hätte. Was würde es bringen, wenn in Mün-
chen als Stadt eine solche Einrichtung genehmigt würde,
wenn der bayerische Innenminister Beckstein in seiner
ideologischen Verblendung durch Polizeistrategie die
Arbeit dieser Einrichtung vollständig konterkarieren
würde? Der Betrieb dieser Einrichtung funktioniert also
nur in Zusammenarbeit aller Beteiligten! Daß dies mög-
lich ist, beweisen die Einrichtungen in Hamburg und
Frankfurt/Main.
Unser heutiges Gesetz umfaßt neben der Klarstellung
bei den Konsumräumen noch einen weiteren Komplex:
Die Einführung des Substitutionsregisters. Dieses Regi-
ster ist eine alte Forderung des Bundesrates. Sie soll
verhindern, daß Mehrfachverschreibungen bei Substitu-
ierten erkannt und eingeschränkt werden. Mir ist voll-
kommen unklar, warum das die alte Bundesregierung
nicht hinbekommen hat.
Ich sagte es anfangs: Für die Betroffenen und die
Drogenhilfe ist heute ein guter Tag. Uns ist aber bewußt:
Wir müssen und werden in der Drogenpolitik noch wei-
ter gehen. Neben den bestehenden Säulen, die wir stän-
dig weiterentwickeln und verbessern müssen, nämlich
den Bereichen „Prävention“, „Hilfsangebote“, „Repres-
sionen gegen kriminellen gewerbsmäßigen Drogenhan-
del“, müssen wir die vierte Säule der Drogenpolitik, die
Überlebenshilfe, konsequent ausbauen. Die Erfahrungen
mit den allgemeinen Behandlungsrichtlinien in der Sub-
stitution beispielsweise werden wir uns als Gesetzgeber
sehr genau ansehen.
Ich persönlich bin zudem der Auffassung, daß wir
auch darüber nachdenken müssen, ob wir weiterhin die
Polizei und die Justiz mit Zehntausenden von Konsu-
mentenfällen beschäftigen wollen. Besonders im Be-
reich Cannabis erscheint mir der Aufwand unverhält-
nismäßig und nicht im Sinne unserer eigentlichen grund-
sätzlichen drogenpolitischen Ziele. Die Mittel für den
Aufwand, der in diesem Bereich für Repression betrie-
ben wird, könnten wir an anderer Stelle sicherlich sinn-
voller einsetzen. In Zukunft darf dabei auch die Diskus-
sion über Möglichkeiten der Entkriminalisierung des
Drogenkonsums kein Tabu sein.
Doch diese Debatte – dessen bin ich mir bewußt –
wird noch einige Jahre in Anspruch nehmen. Politik ist
eben, wie ich eingangs Max Weber zitierte, „das Bohren
dicker Bretter“. Es bleibt aber auch in den nächsten Jah-
ren unterhalb der Entkriminalisierung drogenpolitisch
eine Menge zu tun. Ich bitte Sie, heute Ihren Beitrag da-
zu zu leisten. In einer der letzten Debatten vor dem Jah-
reswechsel möchte ich Sie um Ihre Zustimmung zum
vorliegenden Gesetzentwurf bitten.
Hubert Hüppe (CDU/CSU): Wir haben den vorlie-
genden Gesetzentwurf der rotgrünen Koalition zur Än-
derung des Betäubungsmittelgesetzes an dieser Stelle
bereits diskutiert. Und ich habe bereits festgestellt, daß
wir die Absicht der Bundesregierung, die gängige Praxis
der Methadonsubstitution besser zu regeln, ausdrücklich
unterstützen.
Die erschreckende Zunahme der Todesfälle im Zu-
sammenhang mit Methadon, der aus einer unverant-
wortlichen Vergabepraxis resultierende Schwarzmarkt
und die oftmals fehlende psychosoziale Begleitung der
Methadonsubstitution erfordern eine striktere Kontrolle
und höhere Standards. Deshalb unterstützen wir die
Meldepflicht für Methadonpatienten, um Mehrfachver-
schreibungen auszuschließen. Darüber hinaus teilen wir
die Auffassung, daß Substitutionsbehandlungen eine be-
sondere Qualifikation der Ärzte erfordern.
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Allerdings gibt es einige offene Fragen, die noch zu
lösen sind. Ist es richtig, die Festlegung der Mindestan-
forderungen an die behandelnden Ärzte der Ärztekam-
mer zu übertragen? Ist es richtig, die Meldelisten auf
Länderebene zu führen, was sicherlich den Abgleich der
Daten erschwert? Ich bin aber sicher, daß wir in diesen
Fragen zum Konsens kommen werden.
Der zweite und umstrittene Teil des Gesetzentwurfes
– und deswegen bedaure ich, daß beides in einem Ge-
setzentwurf geregelt werden soll – betrifft die Legalisie-
rung von Fixerstuben, sogenannten Drogenkonsumräu-
men. Bei der Sachverständigenanhörung im November
wurde der Gesetzentwurf selbst von Befürwortern von
Fixerstuben heftig kritisiert.
Nun bekommen wir – abgesehen von einigen margi-
nalen Änderungen – den gleichen Gesetzentwurf wieder
vorgelegt. Und da muß man sich doch fragen, wozu sol-
che Anhörungen überhaupt noch stattfinden! Bei der
Anhörung wurde aber auch wiederum bestätigt, daß
Fixerstuben nicht nur ein höchst umstrittenes, sondern
auch ein veraltetes Konzept sind. Der reine Heroinab-
hängige existiert praktisch nicht mehr, polytoxikomane
Gebrauchsmuster sind die Regel.
Ich möchte kurz auf die Argumente, die immer noch
für Fixerstuben zu vernehmen sind, im einzelnen einge-
hen:
Da ist das Argument, die gesundheitliche Lage der
Abhängigen könne damit verbessert werden. Auch wir
sind der Meinung, daß Heroinabhängige dringend ge-
sundheitliche Hilfe benötigen. Aber brauchen wir dazu
Fixerstuben? Nein. Gesundheitliche Hilfe können wir
mit anderen Angeboten kostengünstiger und effizienter
leisten. Das haben bei der Anhörung alle Sachverständi-
gen aus dem therapeutischen Bereich ausdrücklich her-
vorgehoben.
Da ist das Argument, daß die Abhängigen für weiter-
führende therapeutische Maßnahmen erreicht werden
könnten, um ihnen Wege in ein drogenfreies Leben zu
eröffnen. Das ist unrealistisch. Schauen Sie sich diese
Räume – z.B. in Frankfurt – einmal an! Dort herrscht
ungeheure Hektik, da der Aufenthalt zeitlich eng be-
grenzt ist. Wann wollen Sie die Süchtigen da beraten?
Kurz bevor der Schuß gesetzt wird, also wenn die Gier
nach der Droge im Vordergrund steht, oder wenn der
Süchtige nach dem Schuß unter dem Einfluß der Droge
kaum ansprechbar ist? Eine echte Beratung ist da
schlichtweg unmöglich.
Dann ist immer wieder das Argument zu hören, durch
Fixerstuben seien die Drogentotenzahlen gesenkt wor-
den. Wenn der Rückgang der Drogentotenzahlen in
Frankfurt am Main von 1992 bis 1995 zitiert wird, aber
überhaupt erst im Dezember 1994 die erste Fixerstube
dort eröffnet hat, dann ist es purer Unsinn, einen solchen
kausalen Zusammenhang herzustellen. Ein kausaler Zu-
sammenhang besteht höchstens zu den repressiven Poli-
zeimaßnahmen, nämlich der Zerschlagung der offenen
Drogenszene seit 1992, und zu der Einführung des Me-
thadonprogramms 1994.
Wollte man die Drogentotenzahlen in Zusammen-
hang mit den Fixerstuben bringen – was ich weder für
seriös noch für sinnvoll halte –, dann müßte ja umge-
kehrt der überproportionale Anstieg der Drogentotenzahl
in den drei deutschen Städten, in denen Fixerstuben exi-
stieren, nämlich in Frankfurt am Main, Hamburg und
Hannover, von 1997 auf 1998 auf die dortigen Fixerstu-
ben zurückgeführt werden. Hannover hatte eine Zunah-
me der Drogentoten von 37 % zu verzeichnen, Frankfurt
sogar eine Zunahme von 41 %.
Schließlich bleibt noch das Argument, durch die Ein-
richtung von Fixerstuben städtische Grünanlagen von
herumliegenden Spritzen zu befreien und die Drogen-
szene aus dem Stadtbild zu entfernen. Da muß ich doch
fragen dürfen: Ist das mit den bestehenden Fixerstuben
erreicht worden? Die Antwort ist ein klares Nein: Die
ersten Fixerstuben wurden in der Schweiz wieder ge-
schlossen, da die Szenebildung vor den Einrichtungen
nicht mehr unter Kontrolle zu bekommen war. In mehre-
ren Städten mußten private Wachdienste engagiert wer-
den, um die Situation im Umfeld der Fixerstuben in den
Griff zu bekommen. In Frankfurt am Main haben wir
– obwohl es immer wieder geleugnet wird – die gleiche
Situation. Da müssen Fixerstuben private Wachdienste
engagieren.
Ich zitiere aus einem Schriftsatz des Allgemeinen
Almosenkastens, dem Träger einer Fixerstube, vom
30. September 1997:
Der Verein der Integrativen Drogenhilfe e.V. be-
schäftigt aus Spendenmitteln Wachmänner, die da-
für sorgen, daß die Drogenabhängigen in die um-
liegenden Straßen abgedrängt werden.
Die Polizei greift im Umfeld dieses Fixerraumes
nicht ein, da es sich um einen sogenannten Toleranzbe-
reich handelt. Daher ist es nicht erstaunlich, wenn auch
und gerade Dealer diese Situation nutzen. Denn sie wis-
sen nun nicht nur genau, wo sie ihre Kundschaft finden,
sondern auch noch, daß die Polizei im Umfeld nicht ein-
greift. Umgekehrt erstaunt mich schon, Frau Nickels,
daß grüne Drogenpolitik sich nun für ein Modell ein-
setzt, das Drogenabhängige in das Ghetto der Fixerstu-
ben verbannt – von Integration kann da ja nicht mehr die
Rede sein – und die sich im Umfeld bildende Szene mit
„schwarzen Sheriffs“ zerschlägt. Frau Nickels, auf der
einen Seite versäumen Sie keine Gelegenheit, mit Stolz
darauf hinzuweisen, daß Drogenpolitik nun im Gesund-
heitsressort angesiedelt ist – was ich ja begrüße –, auf
der anderen Seite betreiben Sie Drogenpolitik mit letzt-
lich ordnungspolitischen Argumenten!
Damit bleibt kaum etwas übrig, was für die Einrich-
tung von Fixerstuben spricht. Aber es gibt zahlreiche
Argumente dagegen: Eine Fixerstube kostet jährlich
mindestens 600 000 DM. Wie soll das denn – ohne gra-
vierende Einschnitte in anderen Bereichen der Drogen-
hilfe – finanziert werden? Etwa auf Kosten der Präven-
tion? Das hat uns die Bundesregierung mit den drasti-
schen Kürzungen der Präventionsmittel im Bundeshaus-
halt zugunsten des Heroinabgabe-Modellversuches ge-
rade vorgemacht. Unter dem Aspekt der Prävention ha-
ben Fixerstuben ohnehin eine negative Signalwirkung.
Nicht umsonst weist das Internationale Suchtstoffkon-
trollamt INCB in seinem Jahresbericht 1998 auf die Ge-
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fahr einer Förderung des Drogenkonsums durch „shoo-
ting galleries“ – Fixerstuben – hin.
Erst am 22. Oktober hat sich die gleiche Institution
skeptisch zu der bereits existierenden Praxis der deut-
schen Fixerstuben ausgesprochen. Das INCB befürchtet,
es werde „ein zu toleranter Umgang mit dem Drogen-
konsum signalisiert“. Und bei der Anhörung haben die
Vertreter der Therapieeinrichtungen, die das Ziel der
Drogenfreiheit haben, bestätigt: Fixerstuben sind sucht-
erhaltend – und verheerend für die Prävention.
Die Prävention, Frau Nickels, spielt in Ihrer Drogen-
politik – trotz Ihrer anders lautenden Beteuerungen – of-
fensichtlich keine wesentliche Rolle mehr. Denn was
nutzen Ihre Beschwörungen der Prävention, wenn Sie
die Mittel dafür kürzen – und diese Kürzungen nun so-
gar auf kommunaler Ebene fortzuschreiben versuchen?
Damit haben Sie sich von jeglichem drogenpolitischen
Konsens endgültig verabschiedet.
Nach wie vor ist im vorliegenden Gesetzentwurf in
keiner Weise geregelt, wer überhaupt diese Fixerräume
benutzen darf. Äußerst bedenklich ist, daß z. B. in der
Fixerstube in Hannover – wie die kürzlich veröffent-
lichte Studie von Dr. Stöver von der Universität Osna-
brück nachweist – über ein Drittel der Besucher Metha-
donsubstituierte sind. Sie handeln nun – erfreulicherwei-
se – bei der Methadonsubstitution, lassen aber gleich-
zeitig zu, daß die Methadonsubstituierten in Fixerstuben
gehen! Wer sich einmal eine Fixerstube angesehen hat,
kann sich ohnehin kaum eine in der Praxis umsetzbare
Möglichkeit vorstellen, Substituierte oder andere Nicht-
berechtigte, wie beispielsweise Minderjährige, heraus-
zuhalten.
Und wie verträgt sich die Tatsache, daß über ein
Drittel der Hannoveraner Fixerstuben-Besucher metha-
donsubstituiert sind, mit Ihrem Argument, Frau Nickels,
daß Fixerstuben zur ersten Kontaktaufnahme mit der
Drogenhilfe notwendig seien? Sind nicht Methadonpa-
tienten bereits in einer höher qualifizierten Maßnahme?
Die Bundesdrogenbeauftragte fordert im November
Schwangere zum Nikotinverzicht auf, vergißt aber in
diesem Gesetzentwurf, den Zugang von Schwangeren zu
Fixerstuben einzuschränken. Vermutlich ist Ihnen längst
klar, Frau Nickels, daß das auch gar nicht umsetzbar
wäre.
Die Bundesregierung will – obwohl es offensichtlich
keinen vernünftigen Grund dafür gibt – ihren Gesetz-
entwurf zu Fixerstuben um jeden Preis durchsetzen.
Dies ist umso erstaunlicher, als selbst die Befürworter
von Fixerstuben den vorliegenden Entwurf bei der
Sachverständigenanhörung des Gesundheitsausschusses
heftig kritisiert haben.
Ich zitiere den Frankfurter Oberstaatsanwalt Körner:
„Die angestrebte Rechtseinheitlichkeit und Rechtssi-
cherheit werden durch die unterschiedlichen Landesre-
gelungen und die unterschiedliche Verwaltungspraxis
jedenfalls nicht erreicht.“ Da hat Herr Körner recht: Si-
chergestellt wird mit diesem Gesetzentwurf nur, daß in
verschiedenen Ländern völlig unterschiedliche Regelun-
gen getroffen werden können.
Ich will noch auf einen ganz anderen Aspekt hinwei-
sen. Wir dürfen die aktuellen Entwicklungen in der Dro-
genszene nicht aus den Augen verlieren. Polytoxikoma-
ne Gebrauchsmuster sind im Verlaufe der letzten zehn
Jahre die Regel geworden, den reinen Heroinsüchtigen
gibt es praktisch nicht mehr. Süchtige injizieren, rau-
chen, schlucken und schnupfen verschiedene Drogen
zugleich. Wie sollen da Fixerstuben – die an den Be-
dürfnissen von ausschließlich Heroin spritzenden Süch-
tigen orientiert sind – verhindern, daß die Abhängigen
weiterhin in ihrer bisherigen Szene – und unter den bis-
herigen Bedingungen – Drogen konsumieren? Frau Nik-
kels, Sie können und werden das mit der Einrichtung
von Fixerstuben nicht verhindern! Oder wollen Sie das
gar nicht mehr? Haben Sie etwa deswegen die Ein-
schränkung auf „intravenösen Drogenkonsum“, die noch
im Referentenentwurf vom Mai enthalten war, herausge-
strichen?
Dann, Frau Nickels, sind all Ihre Beteuerungen Lip-
penbekenntnisse! Dann folgen Sie offenbar der Vision,
die Drogensüchtigen in den sogenannten Drogenkon-
sumräumen – und da haben Sie dann recht: das sind
dann keine Fixerstuben mehr; den Begriff „Gesundheits-
raum“ haben Sie ja richtigerweise bereits aufgegeben –
zu gettoisieren.
Um das nochmals zu verdeutlichen: Die Spritzen-
tauschprogramme verzeichnen einen dramatischen
Rückgang der Anzahl getauschter Spritzen. Frau
Wichelmann-Werth, die Leiterin des „Café Fix“ in
Frankfurt am Main, hat gerade darauf hingewiesen, daß
die Anzahl der in ihrer Einrichtung getauschten Spritzen
in den letzten fünf Jahren auf ein Fünftel gesunken ist.
Und womit begründet sie das? Eine große Anzahl der
Heroinsüchtigen spritzt gar nicht mehr Heroin, sie rau-
chen Crack. Und da haben sie dann ein ganz anderes
Problem: Bei Crack-Abhängigen wagt man nicht einmal
mehr, vom Einstieg in Wohn- und Arbeitsprojekte zu
sprechen. Die Leiterin der Frankfurter Einrichtung
kommt zu einem deutlichen Schluß: „Die Helfer sind
ratlos, ihre Konzepte greifen nicht mehr.“
Angesichts dieser Tatsachen und weil polytoxikoma-
ne Mißbrauchsmuster mittlerweile die Regel sind, ist das
Konzept der Fixerstuben schlichtweg veraltet. Hier spä-
testens wird offensichtlich, daß die Bundesregierung die
sich wirklich stellenden Probleme ignoriert. Statt dessen
wird versucht – sei es auf Grund von Wahlversprechen
oder ideologischer Voreingenommenheit – auf dem
Rücken der Drogenkranken ein veraltetes und untaugli-
ches Konzept umzusetzen. Dazu reichen wir Ihnen nicht
die Hand. Drogenkranke lediglich ruhigzustellen heißt,
sie aufzugeben.
Drogensüchtige sind Kranke. Darüber besteht seit
Jahren Konsens. Wer aber Sucht als Krankheit betrach-
tet, muß diese Krankheit behandeln. Denn die Krankheit
Sucht kann behandelt werden, und sie muß behandelt
werden. Deshalb müssen Wege aus der Sucht ausgebaut
werden, die vom niedrigschwelligen Bereich über The-
rapie bis hin zu Wiedereingliederungsprojekten reichen.
Statt überholter Modelle wie Fixerstuben, deren wenige
Vorteile mit geringerem Risiko und finanziellem Auf-
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Dezember 1999 7335
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wand besser zu erreichen sind, sollten endlich neue We-
ge gesucht werden, mit den aktuellen Problemen wie
den polytoxikomanen Konsummustern umzugehen.
Unsere moralische Pflicht aber bleibt es, niemanden
aufzugeben. Das ist die Grundbedingung humaner Dro-
genpolitik.
Monika Knoche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Drogenhilfe braucht einen rechtlich gesicherten Rah-
men. Was zeichnet eine andere Drogenpolitik aus? Es ist
ein pragmatisches Herangehen an ein kompliziertes Pro-
blem! Die rotgrüne Drogenpolitik spiegelt ein gewach-
senes gefertigtes Verständnis wider, das sich mittler-
weile in Deutschland über Parteiengrenzen hinweg ent-
wickelt hat.
Was ist das andere? Unsere Drogenpolitik stellt die
Lebens- und Gesundheitssituation der Abhängigen in
den Mittelpunkt. Vor ganz besonderen Herausforderun-
gen steht die Politik, wenn die konsumierten Suchtstoffe
illegale sind. Die Gesundheitsgefährdungen und Überle-
bensrisiken, denen Heroinabhängige unter diesen extre-
men Konsumbedingungen ausgesetzt sind, sind mitunter
äußerst dramatisch.
Wie dramatisch sich diese für die Heroinabhängigen
auswirken können, wie unerläßlich problemadäquate
Hilfsangebote sind, wie tief diese Hilfsangebote einge-
bettet sein müssen in eine Gesamtkonzeption auf örtli-
cher Ebene, das haben in Deutschland viele Städte seit
Jahren erkannt.
Manche hatten den Mut, trotz nicht verfestigter
Rechtsinterpretation Drogenkonsumräume einzurichten.
Die Bundesregierung nimmt die langjährige Entwick-
lung und die Erfahrung gerade auch jener Städte wie
Frankfurt, die vorbildliche Wege gegangen sind, auf und
ändert das Betäubungsmittelgesetz.
Mit diesem Gesetzentwurf wird die Einrichtung und
der Betrieb von sogenannten Drogenkonsumräumen
rechtlich abgesichert.
Eine unstrittige Gesetzesgrundlage haben die Städte
schon lange gebraucht. Die Vorgängerregierung hat die-
se hartnäckig verweigert, verweigert, obgleich der Bun-
desrat, obgleich selbst CDU-regierte Städte diese
Rechtsbasis dringend eingefordert haben, eingefordert
auch deshalb, weil sie endlich den drogenabhängigen
Bürgerinnen und Bürgern notwendige niedrigschwellige
Angebote nicht länger verweigert sehen wollten und
weil sie den Sicherheitsbedürfnissen der Bevölkerung
Rechnung tragen wollten. Erst jetzt kann dies gesche-
hen.
Erstmalig auf nationaler Ebene gibt es eine einheitli-
che Rechtsgrundlage. Es ist eine wichtige, weil über die
Tagespolitik hinausreichende Entscheidung.
Wenn ich den Satz „Drogenhilfe kann keine Straftat
sein“ hier anführe, dann sage ich damit auch, daß dem
Phänomen „Sucht“ mit Strafrecht erfahrungsgemäß
nicht beizukommen ist, und jene professionelle Hilfe
und Beratung, die die Mitarbeiterinnen von Drogenkon-
sumräumen leisten, kein strafenwürdiges „Verschaffen
von Gelegenheiten“ sein kann. Dies und die Standards
der weiterführenden Hilfsangebote in den Drogenkon-
sumräumen werden in dem Gesetz vorgegeben.
Neben den juristischen Fragen, die zu klären waren,
gab es die – wie ich meine – berechtigte Erwartung, daß
mit diesem Gesetz alle Städte, die bereit sind, solche
Einrichtungen vorzusehen, durch das Gesetz auch tat-
sächlich in die Lage versetzt werden, dies zu tun. Gerade
als Karlsruher Abgeordnete habe ich mich sehr für eine
solche Regelung, genannt „Erlaubnisvorbehalt“, einge-
setzt.
Ich weiß aus meiner eigenen Erfahrung als Kommu-
nalpolitikerin, daß es die Kommunen selbst sind, die
über den Bedarf entscheiden können müssen und daß es
vor allem die Politikerinnen vor Ort sind, die den Kon-
sens herstellen, auf dem diese neue Drogenhilfe basieren
muß. Diese Erwartung kann mit diesem Gesetz nicht er-
füllt werden.
Und dennoch: Keine Stadt, die auf eine aufgeklärte,
liberale Landespolitik bauen kann, egal ob sie rotgrün,
schwarzgelb oder rot-rot getragen ist, hat mit diesem
Gesetz ein echtes Problem. Ist der politische Konsens im
Land vorhanden, bildet dieses Gesetz die sichere Basis
für die Einrichtung von Drogenkonsumräumen.
Ein Problem ergibt sich jedoch dann, wenn Länder in
nahezu separatistisch ignoranter ideologischer Manier
sich dem Bundestags- und Bundesratsmehrheitswillen
widersetzen und Rechtsverordnungen auf Länderebene
nicht erlassen.
Ich kenne die Thematik lange genug und weiß, wie
heiß manche Landespolitiker darauf sind, aus den tragi-
schen Folgen des illegalisierten Spritzdrogenkonsums
Parteiprofit im Wahlkampf zu schlagen. Damit soll
Schluß sein. Rationalität und Konsensualität sind die
verbindenden Elemente, auf denen die Akzeptanz für
eine Neuausrichtung in der Drogenpolitik ruht.
Jede Gesetzesänderung jenseits einer rein strafrechtli-
chen Regelung berührt die Bundesratszustimmungsfä-
higkeit.
Wir haben in § 31 a des Entwurfs eine Handlungsan-
weisung aufgenommen, die dazu führen wird, daß im
Drogenkonsumraum keine Strafverfolgung stattfindet,
solange die Standards dort eingehalten werden.
In den Beratungen zu diesem Gesetz haben die Län-
der ausdrücklich gewünscht, selber nähere Bestimmun-
gen über den Benutzerinnenkreis etc. vornehmen zu
können, um den örtlichen Bedürfnissen gerecht werden
zu können. Die vorgegebenen 10 Standards sind Min-
destanforderungen. Die Gewährleistung sofort einsatz-
fähiger medizinischer Notfallversorgung in § 10 Abs. 2
Nr. 2 bedeutet indes nicht die ständige Anwesenheit
eines Arztes bzw. einer Ärztin, wie das mitunter inter-
pretiert wird.
Jedoch muß die rasche notfallmedizinische Interven-
tion gesichert sein.
International wird die heutige Aussage des Parla-
ments große Beachtung finden. Die Bedeutung für eine
humane, pragmatische und zugleich helfende Neuorien-
tierung wird den Abhängigen erstmals mehr Gleichbe-
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handlung und bessere Lebens- und Überlebenschancen
durch ein Gesetz geben. Zugleich wird der Bevölkerung
insgesamt mehr Sicherheit gegeben, den Kommunen
mehr Freiheit und Selbstbestimmung in ihren Angele-
genheiten. Dies liegt im Interesse des Gemeinwohls und
im Gesundheitsinteresse der von illegalen Drogen ab-
hängigen Menschen.
Ích hoffe sehr, daß die F.D.P./CDU-geführte Landes-
regierung in Baden-Württemberg es der CDU-geführten
Stadt Karlsruhe ermöglichen wird, diese Rechtsgrundla-
gen anzuwenden, um Chancen- und Versorgungsgleich-
heit auf diesem gesundheits- wie drogenpolitisch hoch-
relevanten Feld herzustellen. Besonders freue ich mich,
daß wir auch hier im Parlament die engen Parteigrenzen
bzw. die in diesen Fragen besonders unfruchtbaren Re-
gierungs- und Oppositionskonfrontationen zumindest
zum Teil überwunden haben. Die F.D.P.-Fraktion und
auch die PDS-Fraktion haben die Gesetzgebung positiv
und durchaus kritisch begleitet. Daß sie sehr gerne durch
die rechtliche Neufassung eine stärkere Eigenkompe-
tenzverlagerung auf die Kommunen gesehen hätten, dar-
an habe ich, wie Sie wissen, wahrlich keine Kritik.
Aber auch sie erkennen an, daß eine belastungsfähige
Neuausrichtung einen verfestigten politischen Konsens
in und mit den Ländern braucht. Für diesen konstrukti-
ven Prozeß möchte ich mich bedanken. Er zeigt unter
anderem auch, daß sich seit dem Start des mutigen
Frankfurter Pilotprojektes unter grüner Verantwortung
diese Herangehensweise als sozusagen Common sense
etabliert hat. Ich bin zuversichtlich, daß weder Baden-
Württemberg noch letztlich Bayern sich der Koalition
der Vernunft und Hilfe werden verschließen können.
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (F.D.P.): Der
Grundgedanke, den Kommunen die Möglichkeit zu ge-
ben, Drogenkonsumräume einzurichten, ist sehr zu be-
grüßen. Wir dürfen uns nicht hinreißen lassen, eine
Entweder-oder-Politik zu machen. Das heißt: Entweder
die Süchtigen schaffen es, in einer Therapie zu lernen,
zukünftig drogenfrei zu leben, oder aber sie verkommen
in der Gosse. Es handelt sich um kranke Menschen, de-
nen auch dann geholfen werden muß, wenn sie den
eigenen Vorstellungen darüber, wie ein Leben zu ge-
stalten ist, nicht entsprechen. Die heutige Situation ist
deshalb unbefriedigend und muß auch in unseren Augen
geändert werden. Wir brauchen diese Drogenkonsum-
räume, um denjenigen zu helfen, die zeitweise nicht in
der Lage sind, sich einer Therapie zu unterziehen. Diese
begleitende Maßnahme trägt dazu bei, die Lebensquali-
tät der Süchtigen ein Stück zu verbessern, und sie bietet
manchmal erst die Möglichkeit, miteinander ins Ge-
spräch zu kommen und zu versuchen, daß ein therapeu-
tisches Angebot in Anspruch genommen wird.
Ich hätte mir jedoch gewünscht, daß die Koalition ein
wenig mehr Mut gehabt hätte, ihren Ansatz so zu for-
mulieren, daß die Einrichtung von Drogenkonsumräu-
men nicht durch eine Landesregierung blockiert werden
kann. Die F.D.P. legt deshalb heute Änderungsanträge
vor, die das sicherstellen sollen. Es ist unseres Erachtens
nicht sinnvoll, die Genehmigung für solche Drogenkon-
sumräume an den Erlaß einer Rechtsverordnung im
Land zu knüpfen. Wenn ein Land – aus welchen Grün-
den auch immer – keine Rechtsverordnung erläßt, kön-
nen dementsprechend auch keine Drogenkonsumräume
zugelassen werden. Wir wollen da einen Schritt weiter-
gehen. Die Genehmigung zum Betreiben von Drogen-
konsumräumen soll deshalb an das Vorliegen bestimm-
ter Voraussetzungen geknüpft werden. Das bedeutet,
daß zum Beispiel eine ausreichende psychosoziale Be-
treuung sichergestellt werden muß. Die Rechtsverord-
nung soll aus unserer Sicht nur noch ergänzenden Cha-
rakter haben, wenn Landesregierungen eine Konkretisie-
rung oder Ergänzung der Genehmigungsvoraussetzun-
gen für erforderlich halten.
Ich hoffe sehr, daß Sie, meine Damen und Herren der
Koalition, sich doch noch einmal überlegen, diesen Än-
derungsanträgen zuzustimmen. Das Gesetz geht ver-
mutlich in den Vermittlungsausschuß. Von daher sollte
man im Vorfeld eine klare und deutliche Linie verfol-
gen. Dennoch – das sage ich hier auch ganz klar und
deutlich – wird die F.D.P. dem Gesetzentwurf auf jeden
Fall zustimmen. Er ist zumindest ein erster Schritt in die
richtige Richtung.
Ulla Jelpke (PDS): Der Antrag der beiden Regie-
rungsparteien geht in die richtige Richtung. Wir werden
ihm deshalb auch zustimmen.
Aber nötig ist mehr. Die jahrelange Politik der Kri-
minalisierung, der Repression, des Strafrechts als Ant-
wort auf Drogenkonsum, wie wir sie unter der Regie-
rung von CDU/CSU und F.D.P. erlebt haben, ist voll-
ständig gescheitert. Fast 12 000 Drogentote in der Zeit
von Anfang 1992 bis Ende 1998 sprechen eine deutliche
Sprache.
Auch die anhaltend hohe Beschaffungskriminalität ist
ein Problem, auf das endlich eine Antwort gefunden
werden muß. Auch hier kann die Antwort nur darin be-
stehen, daß wir erstens zwischen persönlichem Drogen-
konsum und kriminellem Drogenhandel strikt unter-
scheiden, daß wir zweitens den persönlichen Drogen-
konsum entkrimalisieren und den schwer drogensüchti-
gen Menschen endlich eine angemessene Zahl von The-
rapieplätzen und Therapieeinrichtungen zur Verfügung
stellen.
Wir müssen endlich dahin kommen, daß bei Drogen-
sucht nicht Strafverfolgung einsetzt, sondern helfend
eingegriffen wird, damit diese Menschen nicht aus ihren
sozialen Bezügen und ihrem sozialen Umfeld heraus-
fallen und in die Beschaffungskriminalität abrutschen.
Drogensucht ist eine Krankheit. Krankheiten zu be-
kämpfen ist Aufgabe der Gesundheitspolitik. Persönli-
cher Drogenkonsum darf nicht länger strafbar sein. Zu
dieser Konsequenz aber kann sich auch die jetzt regie-
rende Koalition nicht aufraffen.
Legalisierung des persönlichen Gebrauchs von Dro-
gen, Entkriminalisierung von Drogensucht, Therapie
statt Strafe – das sind die Mittel die auch von namhaften
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, von Juri-
stinnen und Juristen, aber auch von den Praktikern in der
Polizei immer wieder gefordert werden. Der vorliegende
Gesetzentwurf leistet nur einen kleinen Schritt in diese
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Dezember 1999 7337
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Richtung. Die darin vorgesehene Legalisierung von
Fixerstuben ist ein wichtiger Schritt, um rechtliche
Einwände oder strafrechtliche Verbote gegen solche
Einrichtungen auszuräumen. Auch der demnächst be-
ginnende Modellversuch zur heroingestützten Behand-
lung von schwer Opiatabhängigen ist im Grunde schon
seit Jahren überfällig.
Um so ärgerlicher ist es, wenn die von CDU/CSU
und F.D.P. regierten Bundesländer Bayern und Baden-
Württemberg jetzt offenbar ablehnen, sich an den
Kosten dieses Versuchs zu beteiligen, und wenn das
von SPD und CDU regierte Berlin trotz der hohen
Zahl von schwer Drogenabhängigen in dieser Stadt
sich bis heute weigert, überhaupt Fixerstuben einzu-
richten.
Die PDS wird deshalb auch in Zukunft an ihrer For-
derung nach einer grundlegenden Korrektur der herr-
schenden Drogenpolitik, weg vom Strafrecht gegen
Konsumenten, hin zur Therapie für diese Menschen,
festhalten. Ein entsprechender Antrag von uns liegt dazu
bekanntlich auch schon vor.
Auch die Scheinheiligkeit in der Diskussion um Dro-
gen und Drogensucht muß endlich aufhören. 40 Prozent
aller Jugendlichen in Europa, so berichtete unlängst der
Bielefelder Suchtforscher Klaus Hurrelmann, finden das
Rauchen von Haschisch „normal“. Auf einer europäi-
schen Konferenz in Maastricht zum Thema Jugend und
Drogen im September dieses Jahres wurde deshalb von
diesem Suchtforscher und anderen Experten eine Legali-
sierung dieser Droge verlangt. Die PDS teilt diese An-
sicht.
Auf der anderen Seite hat die Deutsche Hauptstelle
gegen Suchtgefahren in Münster gerade heute wieder die
neuesten Zahlen zum Alkoholismus veröffentlicht. Mehr
als 9 Millionen Menschen in diesem Land haben danach
einen problematischen Alkoholkonsum. 14,9 Prozent
aller Männer in Ostdeutschland haben schon morgens
früh Entzugserscheinungen. 7,9 Prozent der Männer im
Westen haben das gleiche Problem. Die DHS beziffert
die Schäden, die jedes Jahr in diesem Land infolge von
übermäßigem Alkoholkonsum entstehen, auf mindestens
60 Milliarden DM. Daran sieht man, wohin man mit der
absurden Unterscheidung in legale und illegale Drogen
kommt.
Die häufigste Droge in diesem Land, die auch
die größten Schäden anrichtet, im Straßenverkehr, in
den Familien, bei der Arbeit, an der Gesundheit der
Menschen, ist selbstverständlich genauso wie der
Tabakkonsum legal, weil ihr Verbrauch die Kassen
der Finanzminister füllt. Auch das von uns schon lan-
ge geforderte Werbeverbot für Alkohol und Tabak
wird immer wieder verschleppt, ignoriert und abge-
lehnt. Nichts dokumentiert deutlicher die Scheinhei-
ligkeit, mit der vor allem konservative Kreise in die-
sem Land noch immer über das Thema Drogen disku-
tieren.
Auch darauf werden wir als PDS bei allen Debatten
zum Thema Drogen und Drogensucht in diesem Haus
immer wieder hinweisen.
Anlage 5
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung der Beschlußempfehlungen und
Berichte: Technikfolgenabschätzung – hier:
„Gentechnik, Züchtung und Biodiversität“;
Chancen der Gen- und Biotechnologie nicht
verspielen.
(Tagesordnungspunkt 15a und b)
Christel Deichmann (SPD): Grundlage für die heute
zu diskutierende Beschlußempfehlung ist der Bericht
des Büros für Technikfolgenabschätzung beim Deut-
schen Bundestag (TAB) zum Thema „Gentechnik,
Züchtung und Biodiversität“. In meiner Rede möchte ich
insbesondere auf die umweltpolitischen Aspekte dieses
Berichtes eingehen.
Der TAB-Bericht macht deutlich, daß die genetisch
unterstützte Pflanzenzüchtung und gentechnisch verän-
derte Organismen keinen wesentlichen Beitrag zur Er-
haltung der biologischen Vielfalt leisten können. Zudem
ist es wissenschaftlich noch umstritten, ob die Einfüh-
rung neuer gentechnisch veränderter Sorten zum Verlust
von biologischer Vielfalt und pflanzengenetischen Res-
sourcen führen kann.
Der Bericht stellt zudem ausdrücklich fest, daß ein
flächendeckender Wandel zu einer nachhaltigen Land-
und Forstbewirtschaftung von zentraler Bedeutung für
eine dauerhafte Erhaltung der Biodiversität wäre. Zwar
würden durch die Veränderung grundlegender agrar-
und umweltpolitischer Rahmenbedingungen spezifische
Erhaltungsmaßnahmen nicht überflüssig, aber Umfang
und Dringlichkeit solcher Maßnahmen würden relati-
viert.
Als umweltpolitische Maßnahmen, die für den Erhalt
der biologischen Vielfalt entscheidende Bedeutung ha-
ben, möchte ich hier noch einmal hervorheben: die
Ausweitung der unter Naturschutz stehenden Flächen in
Deutschland, die Einrichtung eines europaweiten Bio-
topverbundsystems im Rahmen der Umsetzung der EU-
Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie sowie die Entwicklung
einer nationalen Strategie zum Erhalt der biologischen
Vielfalt.
Aus umweltpolitischer Sicht lassen sich hieraus fol-
gende Handlungsempfehlungen ableiten:
Erstens. Zum Erhalt der biologischen Vielfalt ist eine
umfassende Gesamtstrategie zu erarbeiten und umzuset-
zen. Dazu müssen Qualitäts- und Handlungsziele zum
Erhalt der biologischen Vielfalt erarbeitet werden.
Zweitens. Für eine dauerhaft nachhaltige Landwirt-
schaft sind mit allen beteiligten Fachdisziplinen Krite-
rien zu erarbeiten und die agrarpolitischen Spielräume
zur gezielten Förderung einer umweltfreundlichen Be-
wirtschaftung konsequent zu nutzen und gegebenenfalls
auszubauen. Ergebnisse aus bereits abgeschlossenen
Forschungsvorhaben, beispielsweise aus BMBF- und
DBU-Projekten, sind hierbei zu nutzen.
7338 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Dezember 1999
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Drittens. In der anstehenden Novellierung des Bun-
desnaturschutzgesetzes ist unter anderem zu verankern,
daß langfristig 10 Prozent der Bundesfläche als Vor-
rangflächen für den Naturschutz vorzusehen sind und
daß der Aufbau von Biotopverbundsystemen sowie der
Insitu Schutz der biologischen Vielfalt, also der Schutz
und die Wiederherstellung intakter Lebensräume, be-
sondere Bedeutung erlangen.
Die biologische Vielfalt kann nicht dauerhaft bei
2 Prozent der Bundesfläche erhalten werden. Größer ist
der Flächenanteil der naturschutzrelevanten Schutzge-
biete bisher nicht. Um die biologische Vielfalt auf Dauer
zu sichern, brauchen wir dringend eine Ausweitung der
Schutzgebietsflächen sowie eine flächendeckende um-
weltfreundliche Landbewirtschaftung.
In diesem Zusammenhang möchte ich darauf auf-
merksam machen, daß die Bundesregierung im Rahmen
des Förderprogramms für Naturschutzvorhaben von ge-
samtstaatlich repräsentativer Bedeutung rund 40 Millio-
nen DM zur Verfügung stellt. Damit leistet sie einen
wichtigen Beitrag zum Erhalt des Naturerbes und für
den Schutz der biologischen Vielfalt in Deutschland.
Insgesamt wird der Bund noch stärker seine Verant-
wortung für das Naturerbe übernehmen.
Viertens. Der besonderen Bedeutung des Naturschut-
zes und der nachhaltigen Landbewirtschaftung für den
langfristigen Erhalt der biologischen Vielfalt wird durch
eine stärkere und gezielte Öffentlichkeitsarbeit und
Umweltbildung Rechnung getragen.
Fünftens. Um die Langzeitfolgen für die biologische
Vielfalt, die durch horizontale und vertikale Gentrans-
fers sowie durch Veränderung der Anbaumethoden ent-
stehen könnten, wissenschaftlich fundiert abschätzen zu
können, müssen systematische und spezifische Lang-
zeitmonitorings im Bereich der Pflanzengenetik veran-
kert werden.
Ich begrüße es deshalb sehr, daß die Vorlage zur lau-
fenden Novelle der EU-Richtlinie 90/220/EWG bereits
eine Festschreibung des Monitoring vorsieht und daß die
Bundesregierung zur Zeit ein neues Programm für die
Ausschreibung von Projekten vorbereitet.
Was ein wirkungsvolles Monitoring in jedem Fall
bieten muß, sind spezifische Überwachungsprotokolle,
die obligatorische Standards abdecken. Das Umwelt-
bundesamt (UBA) hat hierzu spezifische Überwa-
chungs-Parameter erarbeitet, die zu berücksichtigen
sind.
Eingebettet werden muß dieses Monitoring in ein an
ökologischen Maßstäben orientiertes Konzept nachhalti-
ger Nutztier- und Nutzpflanzenzucht. Ökologie, Ver-
braucherschutz und das Ziel einer ethisch vertretbaren
Produktion hochwertiger Nahrungsmittel müssen mittel-
und langfristig im Vordergrund stehen.
Um weitere Risiken von genetisch veränderten Pflan-
zen besser abschätzen sowie unerkannte Risiken früh-
zeitig erkennen und getroffene Entscheidungen gegebe-
nenfalls korrigieren zu können, sind sogenannte Nach-
zulassungs-Monitorings vorzunehmen. Das bedeutet,
daß genetisch veränderte Pflanzen auch nach ihrer
Marktzulassung einem dauerhaften Kontrollmechanis-
mus unterliegen. Ihre Aufgabe ist nicht die Gewinnung
neuer Erkenntnisse oder die Bewertung der biologischen
Sicherheit transgener Pflanzen, sondern eine Auswer-
tung und Aufbereitung vorliegender Dokumente.
Abschließend möchte ich nochmals betonen, daß der
TAB-Bericht wertvolle Hinweise auch für den Umwelt-
bereich liefert. Insgesamt wird deutlich, daß die biologi-
sche Vielfalt nur zu erhalten ist, wenn ein dauerhafter
Schutz der Lebensräume gewährleistet werden kann.
Ökosysteme sind zu komplex, als daß gentechnische
Verfahren dies bewerkstelligen könnten.
Siegfried Hornung (CDU/CSU): Wie in keinem an-
deren Technologiefeld erweist sich in der Biotechnolo-
gie die Zukunftsfähigkeit Deutschlands. Laut der „DEL-
PHI-Studie zur technologischen Entwicklung“ wird die
Biotechnologie bis zum Jahre 2020 an der Hälfte der 30
wichtigsten Innovationen beteiligt sein. Nach Einschät-
zung der OECD wird sich die Biotechnologie schon in
den nächsten Jahrzehnten zu einem der Wissenschafts-
zweige mit der größten ökonomischen Bedeutung ent-
wickeln. Der Biotechnologiemarkt besitzt derzeit ein
Volumen von weltweit rund 50 Milliarden US-Dollar.
Im Jahr 2000 dürfte das Marktvolumen rund 150 Milli-
arden US-Dollar betragen. Biotechnologie zählt damit
zu den Schlüsseltechnologien des 21. Jahrhunderts. Ihr
künftiger Stellenwert wird mit dem verglichen, den In-
formationstechnik und Mikroelektronik heute besitzen.
Die FAO unterstellt, daß die Biotechnologie in der
Landwirtschaft eine der vielversprechendsten Technolo-
gien sein wird.
Wir sollten die verantwortbaren Einsatzmöglichkeiten
dieser Technologien fördern. Wie für jede Technologie
braucht man auch für die Gentechnologie Regeln für de-
ren Umgang, die den ethischen Wertvorstellungen unse-
rer Gesellschaft Rechnung tragen. Leitbild dieser Positi-
onsbestimmung sind wesentliche Grundsätze und Über-
zeugungen christlich-demokratischer Politik: die Unan-
tastbarkeit der Würde des Menschen und der sich daraus
herleitenden Persönlichkeitsrechte, die Verantwortung
für die Schöpfung und für künftige Generationen, die
Freiheit von Wissenschaft und Forschung, die Förderung
von Innovation und Wettbewerbsfähigkeit als Voraus-
setzung für den Erfolg der sozialen Marktwirtschaft.
Was wir daher nicht brauchen, sind bürokratische
Hemmnisse in diesem Bereich, die dazu führen, daß wir
insbesondere in den Sektoren Land- und Ernährungs-
wirtschaft wieder ins Hintertreffen geraten. Nachdem
das Gentechnikgesetz 1993 gegen den Widerstand von
Rotgrün novelliert wurde, haben viele Biotech-
Unternehmen ihre Anlagen zurück nach Deutschland
verlagert, und viele Wissenschaftler sind aus dem Aus-
land zurückgekehrt, um hier zu arbeiten.
In der Biotechnologie hat Deutschland damit wieder
den Anschluß an die Weltspitze hergestellt. Die Chan-
cen stehen gut: Deutschland gehört dank der alten Bun-
desregierung zu den leistungsfähigsten Biotechnologie-
standorten in Europa. Zwischen 1995 und 1996 hat sich
die Zahl der Unternehmensneugründungen im Biotech-
Bereich verdoppelt. Unternehmen haben ihre For-
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Dezember 1999 7339
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(B) (D)
schungs- und Produktionseinrichtungen aus dem Aus-
land wieder nach Deutschland verlagert, da die alte
Bundesregierung gute rechtliche Rahmenbedingungen
für die Gentechnik allgemein geschaffen hat. Deutsch-
land ist immerhin das Land, in dem die meisten biotech-
nologisch hergestellten medizinischen Präparate zuge-
lassen sind.
In Deutschland gibt es 543 Biotechnikfirmen im eng-
sten Sinne, allein 33 Neugründungen in diesem Jahr.
Nach Großbritannien verzeichnet Deutschland damit die
höchsten Zuwachsraten bei Unternehmensneugründun-
gen. Das hat auch eine Bedeutung für die zirka 530 000
Arbeitsplätze im Bereich der Biotechnologie.
Aufgrund der Internationalisierung der Märkte und
der Liberalisierung des Agrar- und Lebensmittelhandels
sind die Land- und Ernährungswirtschaft einem zuneh-
menden Wettbewerbsdruck ausgesetzt. In dieser Situati-
on kann die Nutzung hochinnovativer Technologien und
Produkte für die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit mit-
entscheidend sein.
Wir erleben aber auch eine generell wachsende Glo-
balisierung der Märkte und eine ebenso wachsende In-
ternationalisierung in Wirtschaft, Technik, Kultur und
Politik. Unser technologieorientierter Fortschritt be-
schleunigt sich. Wir sollten uns vergegenwärtigen, daß
wir Deutschen als zweitgrößtes Exportland der Welt am
meisten von offenen Märkten und weltweitem Wettbe-
werb profitieren. Wir müssen in den Industrieländern
den Beweis antreten, daß wirtschaftlicher Wohlstand
und wirtschaftliche Entwicklung mit der Erhaltung der
Umwelt in Einklang zu bringen sind. Denn 6 Milliarden
oder bald 10 Milliarden Menschen können ohne zusätz-
liche Fortschritte in der Gentechnik nicht ernährt wer-
den. Deswegen müssen wir die Menschen vom Nutzen
der biologischen, auch der pharmazeutischen und der
chemischen Forschung überzeugen. Wir sind auf das
Wachstum der Forschung angewiesen, um eine wach-
sende Weltbevölkerung ernähren zu können. Dies setzt
aber voraus, daß wir die Möglichkeiten, die uns die
technologische Revolution bietet, aktiv nutzen und da-
mit nicht der verbreiteten Versuchung zu Technikangst
und Fortschrittsfeindlichkeit nachgeben.
Wer wie Bündnis 90/Die Grünen Gentechnik und
Biotechnologie verteufelt, verzichtet hingegen auf tech-
nologischen Fortschritt im Umweltschutz und in der
Agrarwirtschaft. Bei Rotgrün herrscht Technikfeindlich-
keit. Rotgrün spielt sich nur als Bedenkenträger auf, an-
statt Akzeptanz für neue Zukunftstechnologien in der
Bevölkerung zu schaffen. Dabei sind die Zulassungsver-
fahren in Deutschland strengen Sicherheitsstandards
nach EU-Norm unterworfen.
Im medizinischen Bereich ist die Möglichkeit gen-
technischen Eingreifens auch in der praktischen Anwen-
dung voll akzeptiert. Bei gentechnisch veränderten
Pflanzen für die Nahrungsmittelversorgung sind die
Ängste bis heute zumindest bei uns sehr groß. Diese
Sorge der Verbraucher müssen wir sehr ernst nehmen.
Wir Menschen haben gegenüber Neuem, uns Unbe-
kanntem immer Vorbehalte, zumindest so lange, bis wir
die Unbedenklichkeit und den praktischen Nutzen zwei-
felsfrei verinnerlicht haben. Durch Kennzeichnung gen-
technisch veränderter Produkte sind die Verbraucher in
der Lage, sich für oder gegen den Kauf dieser Produkte
entscheiden zu können. Wir müssen die im ethischen
Rahmen verantwortbaren Potentiale der Bio- und Gen-
technologie weiterentwickeln. Risikovorsorge und
Sicherheitsforschung werden dabei von zentraler Be-
deutung sein.
Die Biotechnologie eröffnet im Bereich der Land-
und Ernährungswirtschaft grundsätzlich eine Vielzahl
von praktischen Anwendungsmöglichkeiten. Hierbei
denke ich vor allem an eine bessere Nutzung landwirt-
schaftlicher Flächen wie beispielsweise Ertragssteige-
rungen, Resistenzen gegen Krankheiten und Schädlinge
und anderes, eine Verbesserung der Umweltverträglich-
keit der landwirtschaftlichen Produktion, eine Senkung
der Produktionskosten und eine Minderung der Ertrags-
risiken, eine weitere Verbesserung der Produktqualität
und die Erschließung von Produktions- und Verwen-
dungsalternativen für agrarische Rohstoffe.
Gentechnische Verfahren schaffen unter anderem die
Voraussetzungen dafür, daß durch die Erzeugung
rekombinanter krankheitsresistenter Pflanzen der Ver-
brauch an Schädlingsbekämpfungsmitteln gesenkt wer-
den kann, zum Beispiel Virusresistenz bei Zuckerrübe,
landwirtschaftlicher Züchtungsfortschritt schneller er-
reicht werden kann als auf herkömmlichem Wege, durch
den Einsatz der Gentechnik biotechnische Produktions-
verfahren energie- und umweltschonend durchgeführt
werden können, durch einen Eingriff in das Erbgut von
Nutzpflanzen gewünschte Eigenschaften erhalten wer-
den, deren genetische Ursachen aber im Gegensatz zur
klassischen Züchtung genau bekannt sind und deren Ri-
siken daher genauer einzuschätzen sind, agrarische Roh-
stoffe in ihrer Qualität verbessert werden können, zum
Beispiel durch Veränderung der Inhaltsstoffe, neue
Verwendungsalternativen für gentechnisch veränderte,
agrarische Rohstoffe gefunden werden, zum Beispiel
gentechnisch veränderte Kartoffeln zur Verwendung
bei der Klebstoffherstellung, geänderter Ölsäuregehalt
bei gentechnisch verändertem Raps und Soja für die
industrielle Produktion, und Schadstoffe umwelt-
freundlich abgebaut werden können. Biotechnologische
Verfahren können im Bereich des Umweltschutzes bei-
spielsweise zur umweltgerechten Bodensanierung oder
zur Entschwefelung von Kraftwerken eingesetzt wer-
den.
Es gilt, die Chancen dieser neuen Technik zu nutzen,
ohne die möglichen Risiken, die mit ihr verbunden sein
können, zu ignorieren. Dabei gilt: Wie andere Techniken
auch ist die Gentechnik in manchen Anwendungen nicht
risikofrei. Der sichere Umgang mit ihr hängt von der
Sachkunde der Beteiligten, von der zutreffenden Be-
wertung der Risiken und den angemessenen Sicher-
heitsmaßnahmen ab.
Es geht also nicht darum, alles, was technisch mach-
bar ist, auch zu machen. Es geht vielmehr darum, ver-
nünftige und nutzbringende Anwendungsmöglichkeiten
zu identifizieren, zu entwickeln und unvertretbare Risi-
ken zu vermeiden.
7340 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Dezember 1999
(A) (C)
(B) (D)
Von besonderer Bedeutung für die Weiterentwick-
lung der Biotechnologie gerade im Bereich der Land-
wirtschaft ist die gesellschaftliche Akzeptanz. Innova-
tionen sind am Markt nicht gegen den Willen der Ver-
braucher durchsetzbar. Auf der Verbraucherseite beste-
hen aber noch viele Unsicherheiten. Transparenz ist
Voraussetzung für Akzeptanz und Vertrauen der Ver-
braucher. Es muß eine sachbezogene Aufklärungsarbeit
geleistet werden, damit die Chancen der Biotechnologie
deutlicher erkennbar und mögliche Risiken besser ab-
schätzbar werden.
Wesentlich zu Markttransparenz beitragen kann zu-
dem eine umfassende und praktikable Kennzeichnung
gentechnisch veränderter Produkte. Innerhalb der EU ist
es bei Lebensmitteln gelungen, mit der Novel-Food-
Verordnung eine insgesamt betrachtet befriedigende Lö-
sung zur Kennzeichnung durchzusetzen. Es kommt jetzt
darauf an, daß die Kommission möglichst rasch die zur
Anwendung der Kennzeichnungsvorschriften notwendi-
gen Duchführungsbestimmungen vorlegt. National ist
eine freiwillige Kennzeichnung von Lebensmitteln
möglich, die ohne Anwendung gentechnischer Verfah-
ren hergestellt wurden.
Der Bericht des Ausschusses für Bildung, Wissen-
schaft, Forschung und Technologie kommt zu dem Er-
gebnis, daß gentechnische Verfahren im Vergleich zu
konventionellen Verfahren keinen spezifischen, signifi-
kanten negativen Einfluß auf die biologische Vielfalt
haben, aber auch keinen wesentlichen Beitrag zu deren
Erhaltung leisten. Daher wird Handlungsbedarf in Er-
haltungsmaßnahmen gesehen. Diese Erhaltungsstrategie
muß jedoch in Anlehnung an die Natur selbst flexibel
sein. Wenn nämlich „Erhalten“ als „Konservieren des
Status quo“ interpretiert wird, ist das nicht im Sinne der
langfristigen biologischen Vielfalt, die einer natürlichen
Dynamik unterworfen ist. Das müßte die zu entwickeln-
de „nationale Strategie zum Erhalt der biologischen
Vielfalt“ berücksichtigen.
Der flächendeckende Wandel hin zu einer nachhalti-
gen Landbewirtschaftung, um die Biodiversität dauer-
haft zu erhalten, ist aus meiner Sicht bereits vollzogen.
Die deutschen Bauern bewirtschaften ihr Land nachhal-
tig nach guter fachlicher Praxis. Wir brauchen daher
keine gesonderten Kriterien für eine dauerhaft nachhal-
tige Landwirtschaft. Jegliche Landbewirtschaftung
braucht günstige Rahmenbedingungen, um ihren Beitrag
zur Erhaltung und Wiederherstellung der Vielfalt in
Ökosystemen leisten zu können. Wir wissen noch viel
zu wenig Konkretes über die biologische Vielfalt. Daher
ist es gut, wenn langfristig angelegte Forschungsstrate-
gien hierzu entwickelt werden. Die direkten und indi-
rekten Auswirkungen neuer Sorten, insbesondere bei
den gentechnisch veränderten Sorten, auf die biologi-
sche Vielfalt sollten verstärkt untersucht werden. Für ei-
ne wissenschaftlich fundierte Abschätzung der Langzeit-
folgen für die biologische Vielfalt sollte auch die lang-
fristige ökologische Begleitforschung intensiviert wer-
den.
Auch die Schaffung einer zentralen deutschen Gen-
bank für landwirtschaftliche und gartenbauliche Kultur-
pflanzen wird unterstützt. Im Bereich der Öffentlich-
keitsarbeit, Umweltbildung und Umwelterziehung ist es
richtig, daß das Bewußtsein für Bedeutung und Dring-
lichkeit der Erhaltung der biologischen Vielfalt geför-
dert werden sollte. Eine Harmonisierung zwischen den
internationalen Abkommen erfolgt ja bereits im Zuge
laufender Verhandlungen.
Bei aller Liebe zur biologischen Vielfalt ist es aber
meiner Meinung nach nicht richtig, von einem generel-
len Arten- und Sortenverlust auszugehen. Die Vielfalt ist
nicht so einseitig bedroht, wie sie hier dargestellt wurde.
Die Ausführungen in der Koalitionsvereinbarung der
rotgrünen Bundesregierung zur Gentechnologie vermit-
teln den Eindruck, daß bisher keine strikten Sicherheits-
bestimmungen zu beachten gewesen seien. Alle Aussa-
gen darin zielen darauf hin, der Gentechnik einen Knüp-
pel zwischen die Beine zu werfen. Deutschland hat auf
diesem Gebiet die höchsten Sicherheitsstandards gesetzt
und inzwischen international verlorengegangenes Ter-
rain wieder wettgemacht. Der Aufbau neuer bürokrati-
scher Hemmnisse in diesem Bereich führt einzig dazu,
daß wir insbesondere in den Sektoren Land- und Ernäh-
rungswirtschaft gentechnisch wieder ins Hintertreffen
geraten.
Bei den Umwelt- und naturschutzpolitischen Hand-
lungsmöglichkeiten des Berichts ist wie in der Koaliti-
onsvereinbarung die Schaffung eines Biotopverbundsy-
stems auf 10 Prozent der Landesfläche enthalten. Es
wird aber nicht erwähnt, wie SPD und Grüne dabei mit
dem Eigentum der betroffenen Grundstücksbesitzer um-
gehen wollen. Nur allzu gut ist in Erinnerung, mit welch
unsachlichen Argumenten sich SPD und Grüne bei der
Novelle des Naturschutzgesetzes gegen die berechtigten
Ausgleichszahlungen ausgesprochen haben.
Die Idee eines großflächigen Biotopverbundsystems
beinhaltet eine Unterscheidung in ökologische und
nicht-ökologische Flächen. Meiner Meinung nach sollte
aber auf der gesamten Fläche nachhaltig und ökologisch
gewirtschaftet werden. Dann brauchen wir aber kein
Biotopverbundsystem, noch dazu auf einer pauschalen
und fiktiven Prozentzahl der Landesfläche, die der be-
sonderen Situation vieler Gebiete nicht gerecht wird.
Wir brauchen nun eine Versachlichung der Diskussi-
on. Wir brauchen eine Diskussion, die die Chancen der
Gentechnik darstellt und damit für eine größere Akzep-
tanz sorgt. Zu dieser Akzeptanz könnte auch die vorge-
schlagene Weiterentwicklung, Verbesserung und Koor-
dination der biologischen Sicherheits- und Begleitfor-
schung plus Monitoring zu gentechnisch veränderten
neuen Sorgen beitragen.
Neue Techniken kann man nicht verhindern, sondern
man muß vernünftig mit ihnen umgehen. Dem Verbrau-
cher kann man solche Neuerungen nicht überstülpen,
sondern man muß deren Nutzung seiner Entscheidung
überlassen. Auch dies ist bei uns gesetzlich klar gere-
gelt; der damalige Bundesminister Seehofer hat die
Möglichkeit geschaffen, Lebensmittel als „gentechnik-
frei“ zu kennzeichnen. Damit hat der Verbraucher die
eindeutige Wahlfreiheit. Klarheit und Offenheit beim
Einsatz der Gentechnik ist der beste Weg, um das not-
wendige Vertrauen bei der Bevölkerung zu schaffen.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Dezember 1999 7341
(A) (C)
(B) (D)
Wir sollten die Chancen der Gen- und Biotechnologie
nicht verspielen. Aber wir müssen uns dabei auch stän-
dig unserer Verantwortung vor der Schöpfung bewußt
sein.
Ulrich Heinrich (F.D.P.): Einige Mitglieder der
Bundesregierung, wie z.B. Ministerin Bulmahn, versu-
chen gerade verzweifelt, der SPD einen zukunftsweisen-
den und innovativen Kurs abzuringen. Gleichzeitig ver-
suchen die Grünen und Teile der SPD-Fraktion, vor
allem der grünen Gentechnik in Deutschland den Todes-
stoß zu versetzen.
So legen die Fraktionen von SPD und Grünen mit
ihrem Antrag zur Biodiversität den Bericht des Aus-
schusses für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Tech-
nologie und Technikfolgenabschätzung einseitig aus.
Die moderne Landwirtschaft wird als Verursacher der
Verringerung der biologischen Vielfalt kritisiert und be-
sonders die gentechnisch unterstützte Pflanzenzüchtung
dafür verantwortlich gemacht. Der Bericht dagegen stellt
eindeutig dar, daß die gentechnisch unterstützte Pflan-
zenzüchtung keinen nachweisbaren Einfluß auf die Ar-
tenvielfalt hat. Zwar betonen Grüne und SPD immer
wieder die Bedeutung der Nachhaltigkeit, wie sie auch
durch die Rio-Konferenz und die Agenda 21 unterstri-
chen wurde. Sie unterschlagen aber, daß gerade moderne
Technologien und Methoden in der Pflanzenzüchtung
vor allem unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit
eine wichtige Rolle spielen. Unter Ausnutzung der sich
aus den Zukunftstechnologien bietenden Vorteile und
Möglichkeiten lassen sich die begrenzten Ressourcen
schützen und die Ernährung einer stetig wachsenden
Bevölkerung sicherstellen.
Die F.D.P. will eine verantwortbare Stärkung der
Bio- und Gentechnik. Für den Standort Deutschland ist
dies aus wirtschafts-, arbeits-, forschungs-, umwelt- und
agrarpolitischer Sicht von zentraler Bedeutung. Schließ-
lich ist die langfristige Welternährung ohne diese Zu-
kunftstechnologien kaum zu sichern. Die großen Chan-
cen, die in diesen Zukunftstechnologien stecken, müssen
wir für die nachfolgenden Generationen erschließen.
Natürlich dürfen die Risiken dabei nicht aus dem Auge
verloren werden. Die F.D.P. ist auf diesem Auge nicht
blind. Allerdings darf das Kind nicht mit dem Bade aus-
geschüttet werden.
Die Interessen der mittelständischen Pflanzenzüchter,
der Landwirtschaft und der gesamten Wirtschaft müssen
beachtet werden. Gesamtgesellschaftliche Erwägungen
sprechen für und nicht gegen die grüne Gentechnik.
Deshalb kann es nicht richtig sein, wenn Rotgrün eine
Einschränkung der Forschungsförderung von wirt-
schaftlich bedeutenden Pflanzen vornimmt; das große
Potential von Gen- und Biotechnologie im Arznei- und
Lebensmittelsektor zur Herstellung von maßgeschnei-
derten Pflanzen mit den gewünschten Inhaltsstoffen ver-
nachlässigt; im Rahmen der Entwicklungszusammenar-
beit angepaßte und nachhaltige Anbaumethoden außen
vor läßt; mit einer überzogenen Förderung von In-Situ-
Maßnahmen für alle Kulturarten und Sorten eine unver-
antwortliche Kostenexplosion einleitet; ein eigenständi-
ges Nachzulassungsmonitoring bei gentechnisch verän-
derten Pflanzenarten fordert, obwohl die betroffene
Wirtschaft ein effizientes und praxisgerechtes anbaube-
gleitendes Monitoring entwickelt hat; das bisherige
Genbankensystem in Frage stellt und die Federführung
dem international anerkannten Institut für Pflanzenge-
netik und Kulturpflanzenforschung Gatersleben entzie-
hen will.
Dieses Paket an Forderungen von Rotgrün geht in die
falsche Richtung. Es behindert Innovation und gefährdet
die Zukunftsfähigkeit des Wirtschafts-, Forschungs- und
Technologiestandortes Deutschland. Dem stellt die
F.D.P. einen eigenen Antrag entgegen.
In Europa brauchen wir ein einheitliches, einstufiges,
transparentes und auf streng wissenschaftlichen Kriteri-
en beruhendes europaweites, zentrales Zulassungsver-
fahren bei gentechnisch veränderten Organismen. Bei
der Zulassung ist dringend eine Deregulierung erforder-
lich. In einem globalisierten Markt müssen bürokrati-
sche Hemmnisse zwischen der EU und den Ländern ab-
gebaut werden, um die Wettbewerbsfähigkeit der Pflan-
zenzüchter zu verbessern. Dazu ist eine europäische
Zulassungsbehörde, die mit unabhängigen wissenschaft-
lichen Fachleuten besetzt ist, zu schaffen.
Steffi Lemke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Auf
Vorschlag des Ausschusses für Ernährung, Landwirt-
schaft und Forsten wurde das Büro für Technikfolgenab-
schätzung in der letzten Legislaturperiode beauftragt,
eine Untersuchung zum Thema „Gentechnik und Züch-
tung unter dem Aspekt der biologischen Vielfalt im
Agrarbereich“ durchzuführen.
Der vorliegende Bericht ist eine sehr gute Grundlage,
um endlich übergreifende Konzepte für die Erhaltung
und nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt zu
entwickeln und die hier dringend notwendigen Maß-
nahmen einzuleiten oder auszubauen. Das Büro für
Technikfolgenabschätzung hat dem Parlament einen
sehr fundierten und umfassenden Report vorgelegt. Ich
möchte mich für die geleistete Arbeit ausdrücklich be-
danken.
Die zentrale Fragestellung bei der Untersuchung war,
ob die gentechnisch unterstützte Pflanzenzucht einen
negativen Einfluß auf die Biodiversität hat. Unter Be-
rücksichtigung aller momentan verfügbaren Daten und
wissenschaftlichen Fakten konnte diese Frage im TAB-
Bericht allerdings nur mit einem eindeutigen Jein be-
antwortet werden. Das Büro für Technikfolgenabschät-
zung stellt fest, daß die gentechnisch unterstützte Pflan-
zenzüchtung kurz- bis mittelfristig keinen signifikanten
negativen oder positiven Einfluß auf die biologische
Vielfalt hat. Aber: Der TAB-Bericht sagt auch, daß wir
über die langfristigen Folgen und die komplizierten
Wirkungsgefüge viel zu wenig wissen, um auf diese
Frage eine abschließende Antwort geben zu können.
Die Schlußfolgerung aus dieser Wissenslücke kann
und darf meines Erachtens nur die sein, daß wir die
Auswirkungen des Einsatzes der Gentechnik auf Um-
welt und Verbraucher wesentlich sorgfältiger als bisher
prüfen müssen. Eine ganze Reihe von Erkenntnissen ha-
ben in den vergangenen Monaten doch erhebliche Zwei-
7342 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Dezember 1999
(A) (C)
(B) (D)
fel an der neutralen Wirkung der grünen Gentechnik
aufkommen lassen.
Ich möchte ein Beispiel herausgreifen. Nachdem zu-
nächst bekannt wurde, daß Bt-Mais schädliche Auswir-
kungen auf beispielsweise den Monarch-Schmetterling
hat, kommt nun eine neue Hiobsbotschaft ins Haus ge-
flattert: Der Bt-Mais gibt das von ihm selbst produzierte
Insektengift über die Wurzeln in den Boden ab, wo es
zunächst auch nicht abgebaut wird. Niemand weiß, wel-
che Auswirkungen dieser Prozeß auf das Bodenleben
hat. Außerdem ist in absehbarer Zeit mit einer Resistenz
der Schadinsekten zu rechnen. Vor allem dem ökologi-
schen Landbau würde hierdurch ein schwerer Schaden
zugefügt, da ein wichtiges biologisches Schädlingsbe-
kämpfungsmittel – ein Bt-Präparat – dann praktisch sei-
ne Wirkung verliert. Eine Entwicklung, die eigentlich
nicht zu verantworten ist.
Im übrigen ist auch bei der ökonomischen Betrach-
tung des Gentechnikeinsatzes eine deutliche Ernüchte-
rung eingetreten, da inzwischen selbst Banken von Inve-
stitionen in Gentechfirmen abraten: „Gentechnisch ver-
änderte Organismen sind tot.“ So lautete jedenfalls der
Portofoliotipp der Deutschen Bank aus dem Internet im
Juli dieses Jahres.
Wenn also trotz alledem gentechnologische Verfah-
ren zum Einsatz kommen, ist eine Überprüfung und er-
hebliche Ausweitung der Sicherheits- und Begleitfor-
schung unverzichtbar, wie dies auch im TAB-Bericht
empfohlen wird. Aus diesem Grund haben Bündnis 90/
Die Grünen eine weiterführende Untersuchung initiiert.
Unter dem Titel „Folgenabschätzung der Chancen und
Risiken der grünen Gentechnik“ soll unter anderem
der Stand der bisher offensichtlich unzureichenden Si-
cherheits- und Begleitforschung bei der Freisetzung
transgener Pflanzen vertiefend untersucht und der zu-
künftige Handlungsbedarf festgestellt werden.
Als dringend wird im jetzt vorliegenden TAB-Bericht
der Handlungsbedarf bei der Erhaltung der biologischen
Vielfalt und insbesondere den pflanzengenetischen Res-
sourcen eingeschätzt. Nach Ansicht der Autoren muß
angesichts der akuten Bedrohung der Biodiversität der
Schwerpunkt bei den direkten Erhaltungsmaßnahmen
liegen.
Die Entwicklung einer kombinierten Erhaltungsstra-
tegie, die die Maßnahmen von Exsitu-, In-situ- und On-
farm-Erhaltung koordiniert, ausbaut und qualitativ ver-
bessert, wird im TAB-Bericht als dringlich erachtet.
Diesen Vorschlag greifen die Koalitionsfraktionen in
ihrer Beschlußempfehlung auf.
Auch eine Stärkung des Genbankensystems ist für
den Erhalt der biologischen Vielfalt notwendig, da nicht
für alle landwirtschaftlichen Kulturen und Sorten eine
Ex-situ- oder On-farm-Erhaltung sinnvoll und leistbar
ist. Deshalb halten wir die Schaffung einer zentralen
deutschen Genbank für sinnvoll, die nach Ansicht von
Bündnis 90/Die Grünen im Zuständigkeitsbereich des
Bundeslandwirtschaftsministeriums liegen sollte.
Darüber hinaus stellt aus unserer Sicht die Schaffung
und Ausgestaltung günstiger Rahmenbedingungen für
den ökologischen Landbau eine ebenfalls nach wie vor
wichtige Maßnahme dar. Der TAB-Bericht unterstreicht
den besonderen Beitrag des ökologischen Landbaus für
die Erhaltung der Vielfalt in Agrarökosystemen. So
heißt es in dem Bericht, daß ein flächendeckender Wan-
del zu einer nachhaltigen Landbewirtschaftung von zen-
traler Bedeutung für eine dauerhafte Erhaltung der Bio-
diversität ist, und daß der ökologische Landbau dabei
wichtige Leitlinien liefern kann.
Unter Berücksichtigung der im Moment bekannten
Fakten und Untersuchungsergebnisse über die komple-
xen Zusammenhänge im Bereich Gentechnik und Biodi-
versität kann das Fazit zur Zeit also nur heißen: Erheb-
lich mehr Vorsicht als bisher bei dieser Art von gravie-
renden Eingriffen in lebende Systeme und erheblich
mehr Einsatz bei der Bewahrung unserer Lebensgrund-
lagen. Die biologische Vielfalt ist eine davon.
Angela Marquardt (PDS): Der vorliegende Bericht
des Büros für Technikfolgenabschätzung dokumentiert
den Rückgang der biologischen Vielfalt und liefert eini-
ge Hinweise, wie diesem in Ansätzen begegnet werden
kann. Er hat jedoch ein grundsätzliches Manko: Zwar
werden mögliche Auswirkungen von Gentechnik und
Züchtung auf die biologische Vielfalt unter naturwissen-
schaftlich-technischen Aspekten untersucht, doch zu
kurz kommt dabei die Benennung von Interessen. Eine
Analyse der Machtverhältnisse auf dem Feld von Pflan-
zenzüchtung, Sortenschutz und den sogenannten pflan-
zengenetischen Ressourcen ist bei diesem Thema unab-
dingbar.
Eine Aussage des Berichtes ist, daß gentechnische
Verfahren keinen „spezifischen negativen Einfluß auf
die biologische Vielfalt haben“. Diese Feststellung kann
man mit guten Gründen bezweifeln. Davon unabhängig,
ist eine solche Folgerung aber nur dann plausibel, wenn
die in der Vergangenheit stattgefundene Verengung der
Sortenvielfalt erstens nicht ausreichend politisch thema-
tisiert und zweitens als Ergebnis der Züchtung selbst
betrachtet wird und nicht als Ergebnis eines institutiona-
lisierten Macht- und Markverhältnisses, in dem die
Gentechnik ihre Anwendung findet.
Die Konzentration der Chemie- und Saatgutbranche
schreitet weiter voran. Und dieser Prozeß wird maßgeb-
lich angetrieben durch die Möglichkeiten der Patentie-
rung von Genen und der Durchsetzung eines internatio-
nalen Schutzes des geistigen Eigentums durch die WTO
mittels des Trips-Abkommens. Hier sind die Macht- und
Finanzinteressen wesentlicher Konzerne betroffen, die
schon in der Vergangenheit kaum Interesse an Sorten-
vielfalt und biologischer Vielfalt hatten. Ich nenne nur
das Stichwort „grüne Revolution“.
Interessen haben sie allerdings sehr wohl: Die Kartie-
rung und Sammlung „pflanzengenetischer Ressourcen“
und vielleicht auch deren begrenzter Erhalt in geschütz-
ten Biotopen entspricht dem Ziel ihrer Bereitstellung
und industriellen Nutzung. Nur werden diese Ansätze
der reellen biologischen Vielfalt in situ nicht viel nützen.
Natürlich übersehe ich nicht die in der Vorlage des
Landwirtschaftsausschusses enthaltene Kritik an der
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Dezember 1999 7343
(A) (C)
(B) (D)
bisherigen Entwicklung. So ist die geforderte massive
Förderung des ökologischen Landbaus ohne Gentechnik,
insbesondere seiner Sortenentwicklung, eine richtige
Antwort. Auch die generelle Forderung nach Öffnung
von Sortenschutz und Saatgutzulassung für größere
Vielfalt ist wichtig. Doch den Mehrheitsbeschluß durch-
ziehen ebenso die Forderungen nach Inventarisierung
und Ökonomisierung pflanzengenetischer Ressourcen,
ohne daß klar gegen Macht- und Marktmonopolisierung
Stellung bezogen wird.
Es fehlt eine Stellungnahme gegen die Patentierung,
für eine Neuverhandlung der Trips-Bestimmungen, für
eine konsequente Strategie der EU zu einem weltweiten
Biosafety-Protokoll und für eine ökologische Landwirt-
schaft ganz ohne den Einsatz der Gentechnik.
Das sind die – nicht nur von uns – geforderten Maß-
nahmen, ohne die der Erhalt der biologischen Vielfalt
eine Illusion ist.
Matthias Weisheit (SPD): Der vorliegende Bericht
des Büros für Technikfolgenabschätzung zum Thema
Gentechnik, Züchtung und Biodiversität wurde 1996 auf
Initiative des Ausschusses für Ernährung, Landwirt-
schaft und Forsten in Auftrag gegeben. Ziel des Projek-
tes war es, festzustellen, welche negativen Einflüsse
vom Einsatz der Gentechnik auf die biologische Vielfalt
ausgehen, welchen Beitrag Züchtung und Gentechnik
zum Erhalt der Biodiversität leisten können und welche
politischen Gestaltungsmöglichkeiten ableitbar sind. Das
TAB-Büro hat in anderthalb Jahren auf der Grundlage
wissenschaftlicher Gutachten den derzeitigen Wissens-
stand zusammengetragen, Wirkungsketten, die vom Ein-
satz neuer Pflanzensorten in der Landwirtschaft auf die
Biodiversität ausgehen können, beschrieben und die Er-
haltungsmöglichkeiten für biologische Vielfalt darge-
stellt und diskutiert.
Der Bericht bietet eine gute Grundlage für eine sach-
liche Diskussion der positiven und der negativen
Aspekte des Einsatzes der Gentechnologie in der Land-
wirtschaft. So kommt er zu dem Schluß, daß gentechni-
sche Verfahren im Vergleich zu konventionellen Ver-
fahren weder negativen Einfluß auf die bedrohte biolo-
gische Vielfalt haben noch einen wesentlichen Beitrag
zu deren Erhaltung leisten. Allerdings wird auch zum
Ausdruck gebracht, daß der derzeitige Kenntnisstand
noch unzureichend ist und sich über langfristige Aus-
wirkungen bisher keine gesicherten Aussagen machen
lassen.
Deutlich wird der Handlungsbedarf bei der Entwick-
lung einer kombinierten Erhaltungsstrategie für die
pflanzengenetischen Ressourcen, bei Verbesserung und
Ausbau der Ex-situ, In-situ und On-farm-Erhaltungs-
maßnahmen, bei der Förderung der biologischen Vielfalt
in der Landwirtschaft und beim Schutz wildlebender
Tiere und Pflanzen. Die Handlungsempfehlungen sind
weitgehend in die Beschlußempfehlung eingeflossen,
und sie bestätigen die bereits von der Bundesregierung
eingeleiteten oder beabsichtigten Maßnahmen.
Neben dem bei kurz- und mittelfristiger Beobachtung
weder im positiven noch im negativen auszumachenden
Einfluß des Einsatzes der Gentechnik auf die Biodiver-
sität offenbart der Bericht vor allem unser noch unvoll-
ständiges Wissen. Wir wissen kaum etwas über die
Langzeitwirkungen, über Ökosystemvielfalt einerseits
und genetischer und Artenvielfalt andererseits, über die
Wirkungsketten, die mit der Einführung neuer Sorten
möglicherweise verbunden sind, über die Auswirkungen
solcher neuen Sorten auf Ökosysteme. Gerade mit Hilfe
der Gentechnik werden besonders neuartige Merkmale
übertragen, für die keine Erfahrungen aus dem traditio-
nellen Anbau vorliegen. Deshalb möchte ich in der Kür-
ze der Zeit hier noch mal besonders die Notwendigkeit
der biologischen Sicherheits- und Begleitforschung zu
Freilandversuchen sowie des Monitorings von gentech-
nisch veränderten Sorten unterstreichen.
Hier haben wir – hier hat auch die Opposition – ein-
fach noch Wissenslücken. Dies sollte man, wenn das in
einem wissenschaftlich fundierten Bericht zum Aus-
druck kommt, auch zur Kenntnis nehmen und entspre-
chende politische Maßnahmen ergreifen. Das jedenfalls
verstehen wir unter einem verantwortbaren Umgang mit
einer neuen Technologie, die eventuell Risiken für Um-
welt und Gesundheit bergen kann. Ich bin die
,,Grabenkampf-Parolen“ wie sie sich in dem Antrag von
der F.D.P. erneut manifestieren, leid. Dazu mangelt es
regelmäßig an argumentativer Unterfütterung. Mehr
möchte ich dazu nicht sagen, denn das wäre zuviel der
Ehre.
Daß wir auch die Chancen, die diese Technologie
bieten kann, nutzen wollen, brauche ich nicht ständig zu
wiederholen; wir haben uns u.a. im Koalitionsvertrag
dazu verpflichtet. Deshalb werden wir die Beschlußemp-
fehlung annehmen und diesen Bericht als das nehmen,
was er ist: Eine solide Grundlage für einen endlich ent-
ideologisierten, sachlichen Umgang mit einer neuen
Technologie, deren Chancen und Risiken; ein Auftrag,
unsere politischen Gestaltungsmöglichkeiten zu nutzen,
Forschungsvorhaben zu unterstützen und unser Wissen
zu mehren. Nur was wir wissen, können wir auch ver-
antworten.
Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär beim
Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und For-
sten: Der Bericht des Büros für Technikfolgenabschät-
zung beim Deutschen Bundestag, (TAB), zum Thema
„Gentechnik, Züchtung und Biodiversität“ war 1996 im
Anschluß an die Internationale Konferenz der FAO über
die Erhaltung und nachhaltige Nutzung pflanzengeneti-
scher Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft in
Leipzig vom Ernährungsausschuß in Auftrag gegeben
worden.
Die Bundesregierung begrüßt den Bericht und hält
ihn für eine gute, sachlich fundierte, ausgewogene und
umfassende Grundlage für weiterführende Maßnahmen.
Dabei wird insbesondere die enge Zusammenarbeit des
Büros für Technikfolgenabschätzung mit den beteiligten
Kreisen, einschließlich der Pflanzenzüchtung, begrüßt.
Ziel des Projektes war es, zu untersuchen, welche ne-
gativen Einflüsse auf die biologische Vielfalt insbeson-
dere vom Einsatz der Gentechnik ausgehen können,
welchen Beitrag Züchtung und Gentechnik zum Erhalt
7344 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Dezember 1999
(A) (C)
(B) (D)
der Biodiversität leisten können und welche politischen
Gestaltungsmöglichkeiten ableitbar sind.
Von den Schlußfolgerungen des Berichts möchte ich
folgende herausstellen:
Gentechnische Verfahren werden bei Gewährleistung
allgemein anerkannter Vorsorgemaßnahmen kurz- bis
mittelfristig im Vergleich zu konventionellen Verfahren
keinen spezifischen, signifikanten negativen Einfluß auf
die bedrohte biologische Vielfalt haben, aber auch kei-
nen wesentlichen Beitrag zu deren Erhaltung, insbeson-
dere der pflanzengenetischen Ressourcen, leisten.
Deshalb besteht unabhängig davon Handlungsbedarf.
Die Ex-situ-, In-situ- und On-farm-Erhaltungsmaß-
nahmen sollten verbessert und ausgebaut und eine kom-
binierte Erhaltungsstrategie entwickelt werden.
Wesentliche Elemente sind die Förderung der biolo-
gischen Vielfalt in der Landwirtschaft und der Schutz
wildlebender Pflanzen und Tiere. In dem Bericht wird
auch festgestellt, daß in dieser Hinsicht die Prinzipien
des ökologischen Landbaus wichtige Leitlinien liefern
können.
Der Bericht und die Beschlußempfehlung enthalten
darüber hinaus zahlreiche Empfehlungen und Aufforde-
rungen an die Bundesregierung. Dazu möchte ich kurz
Stellung nehmen.
Erstens. Die bereits eingeleiteten Maßnahmen werden
bestätigt. Dies betrifft zum Beispiel die Erarbeitung
einer Forschungsstrategie zur biologischen Vielfalt, die
Entwicklung einer kombinierten Erhaltungsstrategie für
die pflanzengenetischen Ressourcen, die Schaffung
einer zentralen deutschen Genbank für landwirtschaftli-
che und gartenbauliche Kulturpflanzen, die biologische
Sicherheits- und Begleitforschung zu Freilandversuchen
mit gentechnisch veränderten Pflanzen sowie das Mo-
nitoring von gentechnisch veränderten neuen Sorten, die
Erarbeitung einer nationalen Nachhaltigkeitsstrategie
und die Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes.
Zweitens. Seitens des Bundes ist im Rahmen eines
Forschungsprogramms bereits eine Ausschreibung für
Projekte zur biologischen Vielfalt erfolgt. Für den Be-
reich der BML-Ressortforschung ist ein Forschungs-
schwerpunkt speziell zur biologischen Vielfalt bei Kul-
turpflanzen in Vorbereitung.
Im Hinblick auf die geforderte kombinierte Erhal-
tungsstrategie bei pflanzengenetischen Ressourcen sol-
len in diesem Rahmen auch wissenschaftliche Grund-
lagen für die In-situ- und On-farm-Erhaltung erarbeitet
werden. Zu diesem Fragenkomplex hat das BML auch
ein Gutachten vergeben, um bessere Entscheidungs-
grundlagen für Maßnahmen zu erhalten.
Zudem sollen die saatgutrechtlichen Voraussetzungen
für die Durchführung von In-situ- und On-farm-
Erhaltungsmaßnahmen – Anforderungen an das Inver-
kehrbringen von Saatgut genetischer Ressourcen – im
Zuge der anstehenden Novellierung des Saatgutver-
kehrsgesetzes geschaffen werden. Dafür stehen aller-
dings noch entsprechende Durchführungsvorschriften im
gemeinschaftlichen Saatgutrecht aus.
Drittens. Über die Zusammenführung der Genbanken
der BAZ und des IPK in Gatersleben zu einer zentralen
Sammlung landwirtschaftlicher und gartenbaulicher
Kulturpflanzen laufen zurzeit Verhandlungen zwischen
BMBF, der das IPK seitens des Bundes bezuschußt, und
dem BML, in die auch die beiden betroffenen Einrich-
tungen und das Sitzland des IPK, Sachsen-Anhalt, ein-
bezogen sind. Dabei sind auch die Empfehlungen des
Wissenschaftsrats bei den Evaluierungen des IPK in den
Jahren 1991 und 1998 maßgebend. Dieser hatte sich sei-
nerzeit für die Einrichtung einer zentralen Sammlung
beim IPK ausgesprochen. Zur Ressortzuständigkeit, die
eine Angelegenheit der Bundesregierung ist, hat er sich
nicht geäußert.
Viertens. Zur biologischen Sicherheits- und Begleit-
forschung, einschließlich des Monitoring, das bei der
laufenden Novelle der EU-Richtlinie 90/220/EWG über
die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Orga-
nismen in die Umwelt vorgeschrieben werden soll, be-
reitet die Bundesregierung zurzeit ein neues Programm
für die Ausschreibung von Projekten vor.
Abschließend möchte ich noch einmal zur Frage der
Gentechnik Stellung nehmen, weil es ja auch Stimmen
gab, die die vorliegende Beschlußempfehlung in dieser
Hinsicht für kontraproduktiv hielten. Die Bundesregie-
rung wird – wie in der Koalitionsvereinbarung beschlos-
sen – die verantwortbaren Potentiale der Gentechnik
systematisch weiterentwickeln und dabei den Risiken
für Mensch und Umwelt besonders Rechnung tragen.
Da, wo es angebracht oder notwendig ist, wird sie auch
Alternativen fördern, wie sie es zum Beispiel beim
ökologischen Landbau und der diesbezüglichen For-
schung tut. Ich sehe in der vorliegenden Beschlußemp-
fehlung keinen Widerspruch dazu.
Anlage 6
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Antrags: Änderung der Pfän-
dungsfreigrenzen
(Tagesordnungspunkt 16)
Margot von Renesse (SPD): Zu Ihrem Antrag ist von
Seiten der SPD eigentlich nur ein Satz zu sagen: So of-
fen waren Türen noch nie, die jemand einzutreten sich
anschickte.
Sie erinnern an einen Beschlußentwurf, den die SPD-
Fraktion in der Vergangenheit eingebracht hat. Ich kann
Ihnen dazu sagen, daß Rechtspolitiker der SPD gemein-
sam mit dem Bundesjustizministerium schon an einer
– unserer Beschlußlage entsprechenden – Änderung der
Pfändungsfreigrenzen arbeiten und ein Gesetzentwurf
dazu schon so gut wie fertig ist. Ganz so handgestrickt
und holzgeschnitzt, wie Sie das in Ihrem Antrag gerne
umgesetzt hätten, geht es allerdings nicht. Wer Gesetze
verantwortet, muß sich schon etwas mehr Mühe in den
Details geben.
Mag Ihr Antrag den Fachausschüssen überwiesen
werden. Ich gehe davon aus, daß er demnächst durch
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Dezember 1999 7345
(A) (C)
(B) (D)
einen dem Thema angemessenen Gesetzentwurf aus der
Koalition in der Hauptsache erledigt sein wird.
Volker Kauder (CDU/CSU): Wir befassen uns auf
Antrag der PDS mit einer Anpassung der Pfändungsfrei-
grenzen der Zivilprozeßordnung. Das ist in der Tat ein
wichtiges Thema, von seiner Bedeutung her so wichtig,
daß sich der Deutsche Bundestag immer wieder in re-
gelmäßigen Abständen damit befassen sollte.
Der Antrag klingt vordergründig ausgesprochen nach
sozialer Tat – paßt also durchaus in die Weihnachtszeit –,
doch Vorsicht: Auch wenn man das Flügelschlagen des
Weihnachtsengels schon fast hört, sollten wir auch in
solcher Atmosphäre einen kühlen Kopf bewahren. Wir
dürfen nicht Gefahr laufen, ein „Weihnachtsgeschenk“
zu verteilen, das sich bei näherer Betrachtung als unge-
rechtfertigte Besserstellung der einen und unausgewo-
gene Schlechterstellung der anderen Seite herausstellt.
Um eines gleich vorneweg unmißverständlich festzu-
halten: Der Pfändungsschutz für Arbeitseinkommen bei
der Zwangsvollstreckung – im Grundgerüst seiner heu-
tigen Form durch ein Gesetz von 1953 in der Zivilpro-
zeßordnung geschaffen – ist ein völlig unstrittiges Insti-
tut unserer sozialen Marktwirtschaft. Pfändungsschutz
ist auch sozial. Er ist es aber in anderer Weise, als uns
die PDS glauben machen will.
Es ist eine der Grundvoraussetzungen für das Funk-
tionieren eines Wirtschaftssystems – aber auch in hohem
Maße eine Frage der Gerechtigkeit –, daß die berechtig-
ten und titulierten Forderungen von Gläubigern gegen-
über Schuldnern durchgesetzt werden können. Es ist
herbei eine Selbstverständlichkeit, daß auch das laufen-
de Arbeitseinkommen der Schuldner als Haftungsmasse
zur Verfügung steht. Andererseits soll in unserer Gesell-
schaft grundsätzlich nicht die Situation eintreten, daß ein
Schuldner unter ein gewisses Existenzminimum im Ar-
beitseinkommen absinkt, das für ihn – in seinen jeweili-
gen familiären Verhältnissen – bedeutet, daß er vom so-
zialen Netz aufgefangen werden muß.
Hier haben wir schon den ersten Punkt erreicht, an
dem der Antrag der PDS entgleist – zumindest sprach-
lich. Ich meine aber, daß die Entgleisung eher darin be-
gründet liegt, daß die werten Genossen noch immer
nicht verstanden haben, was das für ein Gemeinwesen
ist, in dem sie jetzt leben. Es ist nämlich, entgegen der
Ansicht der PDS, nicht der Fall, daß die in regelmäßigen
Abständen vorgenommene Anhebung der Pfändungs-
freigrenzen dem Ziel dient, Mindestvoraussetzungen da-
für zu schaffen, daß ein Schuldner in Deutschland ein
menschenwürdiges Dasein fristen kann. Das Leben in
einem menschenwürdigen Dasein wäre nämlich in
Deutschland auch bei einer völligen Pfändung des Ar-
beitseinkommens nicht gefährdet. Es würde lediglich
dazu kommen, daß unser soziales Sicherungssystem
eingreifen müßte, um dem Schuldner und seiner Familie
zu helfen. Es ist tatsächlich so einfach, wie es klingt:
Wird dem Schuldner durch das Vollstreckungsrecht zu
viel entzogen, muß es ihm vom Sozialamt gewährt wer-
den. Ein menschenwürdiges Leben steht hier also in kei-
ner Weise zur Debatte – ein menschenwürdiges Leben
ist für die Bürger in Deutschland gesichert.
Das ist auch der Grund, warum die in Punkt 3 des
Antrages vorgeschlagene Abschaffung der Ermessens-
regelung des § 850f ZPO nicht überzeugen kann. Der
Schutz des Existenzminimums wird ja gerade über die
Sozialhilfe gewährleistet. Deswegen ist es auch nicht
nötig oder geboten, im Fall der Pfändung dem Gläubiger
die nach den §§ 850c, 850d und 850i ZPO grundsätzlich
pfändbaren Teile des Arbeitseinkommens des Schuld-
ners zwingend vorzuenthalten. Einen greifbaren Ansatz-
punkt, die bewährte und einzelfallgerechte Ermessens-
entscheidung gegen eine Pauschallösung einzutauschen,
können wir nicht erkennen.
Es ist ein anderer Aspekt, der hier im Mittelpunkt
stehen muß. Ein Gläubiger hat einen titulierten An-
spruch auf seine Forderung. Grundsätzlich muß er sei-
nen Anspruch durchsetzen und pfänden können. Wir
müssen bei einer Festlegung der Pfändungsfreigrenze
abwägen, wie weit er diesen Anspruch durchsetzen kön-
nen soll und wo gewisse Grenzen sind. Es ist eine Fest-
legung, ab wann das Gesetz Einhalt gebieten muß, weil
die Durchsetzung des berechtigten Anspruches des
Gläubigers zu einer zu hohen Belastung für die Steuer-
zahler wird – nämlich in Form der Sozialhilfe für den
Schuldner.
Pfändungsfreigrenzen haben also einen sozialen
Zweck. Es geht um das Zurückstehen des Gläubigers vor
der Belastbarkeit der steuerzahlenden Gemeinschaft.
Aber wir dürfen hier keine Mißverständnisse aufkom-
men lassen: Der Anspruch des Gläubigers ist berechtigt
und tituliert. Es ist also höchste Zurückhaltung geboten.
Es ist dem Gläubiger nicht zuzumuten, von einem über-
mäßig großen Teil der Pfändungsmasse ferngehalten zu
werden.
Ich verkenne hierbei nicht, daß die Forderung des
Gläubigers über das Pfändbare hinaus natürlich nicht
erloschen ist. Die Forderung kann weiter durchgesetzt
werden, wenn erneut pfändungsreife Haftungsmasse
vorhanden ist. Also muß auch ein Gläubiger ein gewis-
ses Eigeninteresse daran haben, daß der Schuldner in
einem Zustand erhalten wird, der es ihm ermöglicht,
auch den Rest der Forderung einzutreiben. Dennoch ist
es ein in jeder Hinsicht berechtigtes Anliegen, daß ein
Gläubiger so viel wie möglich von seiner Forderung bei
der ersten Pfändung erfüllt haben möchte.
Aus dem eben Gesagten leitet sich – gleichsam na-
türlich – die Erkenntnis ab, daß es eine gute Tradition in
Deutschland ist, die Höhe der Pfändungsfreigrenzen ge-
rade nicht an einen schematischen Automatismus zu
koppeln, wie es der Punkt 4 des Antrages der PDS in
Fortschreibung falscher Ansätze der SPD aus dem Jahre
1991, Drucksache 12/883, tut. Die rasche Anpassung der
Sozialhilfe an die hier beschworene wirtschaftliche und
soziale Entwicklung ist Pflicht unseres Sozialstaates.
Die Abwägung der Gewichtung von Gläubigerschutz
und Belastbarkeit unserer sozialen Gemeinschaft sollte
aber im Gegensatz dazu weiterhin nur behutsam alle
sechs bis acht Jahre in einer nicht überstürzten Einzel-
prüfung durch eine Gesetzesänderung festgelegt werden.
Der PDS-Antrag in seiner jetzigen Form läßt aber
auch an einer weiteren Stelle wichtige Aspekte unbe-
7346 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Dezember 1999
(A) (C)
(B) (D)
rücksichtigt. Das kann man alleine schon an der Formu-
lierung festmachen, die befürchten läßt, daß da noch
immer überholte Bilder in den Köpfen herumgeistern.
Beim Studium des Antrages wird man den Eindruck ein-
fach nicht los, daß es der PDS darum geht, „gute arme
Schuldner“ gegen „böse reiche Gläubiger“ zu schützen.
Das, was der Antrag in einem Satz postuliert – näm-
lich, da die Interessen beider Seiten, des Schuldners und
des Gläubigers, abgewogen werden müßten –, wird im
Antrag selbst und in den einzelnen Teilen der Begrün-
dung gar nicht mehr berücksichtigt. Mag es für einige
auch überraschend sein: Die Pfändung von Arbeitsein-
kommen betrifft auch die kleinen Gläubiger, die selbst
nicht weit entfernt sind, die Hilfe des sozialen Netzes in
Anspruch nehmen zu müssen.
Denken Sie auch einmal an den kleinen Handwerks-
betrieb, der eine berechtigte Forderung eintreiben muß,
um selbst weiter bestehen zu können. Und wie unsozial
wirkt der Antrag der PDS schließlich, wenn man den
– leider realistischen – Fall betrachtet, daß der Schuldner
ein Mann ist, der Ehegattenunterhalt und Kinderunter-
halt schuldet! Ist es tatsächlich voller Ernst der PDS, daß
wir dann zu Mutter und Kindern gehen und ihnen erklä-
ren, daß sie sich als Gläubiger der Zahlung gefälligst zu-
rückzuhalten hätten?
Es ist in keiner Weise richtig, daß die Gläubiger
immer in einer materiellen Position sind, daß sie see-
lenruhig und lange auf die Begleichung ihrer Forde-
rung warten können. Die schönen statistischen Anga-
ben aus der Begründung des Antrages gelten ja nicht
nur für Schuldner, sondern eben auch für Gläubiger mit
geringem Einkommen. Auch für den einfachen Gläu-
biger sind die Lebenshaltungskosten seit 1992 um
14,1 und die Wohnungsmieten um 33,3 Prozent gestie-
gen.
So entpuppt sich der ach so sozial klingende Antrag
der PDS als ein Papier mit bedenklich einseitiger, ja, ich
sage sogar, partiell unsozialer Tendenz. Wenn wir die
Pfändungsfreigrenzen verändern wollen, dann müssen
wir alle die genannten Aspekte berücksichtigen und dür-
fen nicht unbedacht handeln, wie es in dieser zu kurz
gegriffenen Analyse der PDS anklingt. Es ist der Ge-
danke nicht grundsätzlich abwegig, daß eine Änderung
der Pfändungsfreigrenzen nach sieben Jahren wieder
einmal ins Auge gefaßt werden könnte. Die wirtschaftli-
che und soziale Entwicklung in Deutschland könnte in-
zwischen dazu geführt haben, daß zur Vermeidung von
zu großen Belastungen für den Sozialstaat die Freigren-
zen etwas angehoben werden sollten. Es könnte sein,
daß der Steuerzahler durch die Gewährung der Sozialhil-
fen inzwischen nicht mehr in gerechtfertigter Höhe die
Zahlung privater Schulden auffängt. Falls eine solche
Gesetzesänderung anstünde, wären die in den entspre-
chenden Paragraphen im achten Buch ZPO und in der
Anlage zu § 850 c genannten Geldbeträge ausgewogen
anzupassen.
Um die Abwägung mit dem Gläubigerschutz – insbe-
sondere dem Schutz der kleinen Gläubiger – aber in an-
gemessener Weise durchführen und neu festzusetzende
Geldbeträge beurteilen zu können, ist es aber unbedingt
erforderlich, daß die Bundesregierung dem Deutschen
Bundestag die notwendigen Zahlen und Fakten in einem
Bericht zukommen läßt und das Ergebnis angemessen in
unseren Ausschüssen beraten wird.
Die geforderte Ermächtigung an die Bundesregie-
rung, mit Zustimmung des Bundesrates eine Rechtsver-
ordnung zu erlassen, nach der die Pfändungsfreigrenzen
in Zukunft im Zweijahresrhythmus nach bestimmten
Bezugsgrößen angepaßt werden sollen, lehnen wir aller-
dings schon jetzt ab. Sie ist ungeeignet, die gebotene
Sorgfalt zu wahren, die bei der Bestimmung der Pfän-
dungsfreigrenzen notwendig ist. Es handelt sich um
einen erheblichen Eingriff in die Rechtsbeziehung zwi-
schen Gläubiger und Schuldner und ist von so großer
wirtschafts- und sozialpolitischer Bedeutung, daß sie mit
guten Gründen auch weiterhin dem Deutschen Bundes-
tag vorbehalten bleiben sollte. Das Argument, daß damit
das Parlament entlastet werden würde, wiegt die Be-
deutung der Sache selbst in keiner Weise auf.
Ich beantrage, den Antrag zur sorgfältigen Prüfung in
die Ausschüsse zu verweisen und rufe die Bundesregie-
rung schon jetzt auf, die notwendigen Daten baldmög-
lichst bereitzustellen.
Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN): Die PDS-Initiative geht in die richtige Richtung.
Eine Anhebung der Pfändungsfreigrenzen ist dringend
erforderlich. Mit der Festlegung des unpfändbaren Teils
des Arbeitseinkommens soll sichergestellt werden, daß
dem Schuldner auch nach einer Pfändung noch genü-
gend Geld zur Sicherung seines Lebensbedarfs verbleibt.
Eine Anhebung der Pfändungsfreigrenzen erfolgte
letztmalig 1992. In der Zwischenzeit sind jedoch sowohl
die Lebenshaltungskosten wie auch – korrespondie-
rend – die Sozialhilfe gestiegen. Der Preisindex in den
privaten Haushalten ist seit 1992 in den alten Bundes-
ländern um durchschnittlich 12,32 Prozent, in den neuen
Bundesländern um durchschnittlich 22,66 Prozent ge-
stiegen. Der durchschnittliche Regelsatz nach § 22
BSHG ist um 11,2 Prozent gestiegen.
Dies hat zur Konsequenz, daß die Pfändungsfreigren-
zen insbesondere bei alleinstehenden Schuldnern und
Schuldnern mit bis zu drei unterhaltsberechtigten Perso-
nen heute deutlich hinter dem Sozialhilfesatz zurück-
bleiben. Mit anderen Worten: Die Pfändung des Ar-
beitseinkommens führt dazu, daß Schuldner zu Sozial-
hilfeempfängern werden; die Allgemeinheit finanziert
letztlich die Durchsetzung einer Geldforderung eines
Gläubigers. Es stellt darüber hinaus für die Schuldner
überhaupt keinen Anreiz dar, weiter zu arbeiten, wenn
nach einer Pfändung weniger Geld zur Verfügung steht
als bei Bezug von Sozialhilfe.
Die Sicherung des Existenzminimums ist verfas-
sungsrechtlich geboten. Hier sind die Regelbedarfssätze
nach BSHG wichtiger Orientierungspunkt.
Zwar haben die Schuldner grundsätzlich bisher schon
die Möglichkeit, die Pfändung durch Anträge auf An-
passung des Unpfändbaren abzuwenden – § 850 f –, die
meisten Schuldner sind jedoch über diese Möglichkeit
nicht ausreichend informiert.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Dezember 1999 7347
(A) (C)
(B) (D)
Um sicherzustellen, daß die Pfändungsfreigrenzen
nicht schon bald wieder unter das Sozialhilfeniveau sin-
ken, und eine zeitnahe Entscheidung ohne Belastung des
Parlaments zu ermöglichen, ist auch eine Verordnungs-
ermächtigung für die Bundesregierung sinnvoll, mit der
diese ermächtigt wird, bei Eintritt bestimmter Voraus-
setzungen die Pfändungsfreigrenzen anzupassen. Hier
neigt die Bundesregierung allerdings – anders als die
PDS – dazu, eine bloße Verordnungsermächtigung für
sie ohne Zustimmung des Bundesrates für möglich und
für flexibler anzusehen.
Die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen
arbeiten ebenfalls seit geraumer Zeit an einem Gesetz-
entwurf in dieser Sache. Der Referentenentwurf liegt
seit November vor und ist in sehr vielen Punkten dek-
kungsgleich mit der PDS-Forderung.
Wir stimmen daher einer Überweisung des PDS-
Antrages an die Ausschüsse zu und werden ihn dort
demnächst zusammen mit der entsprechenden Initiative
der Bundesregierung gemeinsam beraten.
Rainer Funke (F.D.P.): Der Gesetzentwurf der PDS
zur Erhöhung der Pfändungsfreigrenzen mag gutgemeint
sein. Hilfreich ist er jedoch weder für die Gläubiger
noch für die Schuldner, zumal die Erhöhung der Pfän-
dungsfreigrenzen zum 1. Juli 1992 großzügig ausgefal-
len ist, weil der Gesetzgeber die dauernde Angleichung
vermeiden wollte.
Erhöhte Pfändungsfreigrenzen dienen im übrigen
nicht nur dem Schutz der Schuldner. Sie führen auch da-
zu, daß Schuldner und junge Unternehmensgründer we-
niger oder gar keine Kredite von den Banken bekom-
men, da diese bei Hingabe von Krediten und deren Besi-
cherung auf die erhöhten Pfändungsfreigrenzen Rück-
sicht nehmen müssen.
Auch der Gläubiger muß in unserer Rechtsordnung
geschützt werden. Er hat Anspruch darauf, daß er im
Zuge der Zwangsvollstreckung zu seinem Geld
kommt. Eine einseitige Begünstigung des Schuldners
dient nicht dem Rechtsfrieden unserer staatlichen Ge-
meinschaft. Die sozialen Gesichtspunkte sind durch
die Pfändungsfreigrenzen auch heute hinreichend be-
rücksichtigt.
Die automatische Anhebung von Pfändungsfreigren-
zen halte ich auch unter demokratischen Gesichtspunk-
ten für wenig zweckmäßig. Ich möchte als Parlamenta-
rier über die wirtschaftlichen Interessenlagen von
Schuldnern und Gläubigern entscheiden und nicht einer
Automatik unterliegen. Hinzu kommt, daß eine automa-
tische Angleichung im Zwangsvollstreckungsverfahren
sowohl bei Gerichten als auch bei Gerichtsvollziehern
zu praktischen Schwierigkeiten führen dürfte.
Dr. Evelyn Kenzler (PDS): Es ist an sich eine Selbst-
verständlichkeit, daß die Pfändungsfreigrenzen nach fast
acht Jahren wieder einmal geändert, und zwar angeho-
ben werden müssen. In den letzten Jahrzehnten wurden
diese Grenzen in Abständen von jeweils sechs bis acht
Jahren neu festgesetzt, zuletzt durch das Gesetz vom
1. April 1992. Damals wurde das Monatseinkommen
eines Schuldners ohne Unterhaltsverpflichtungen von
1 209 DM als untere Grenze festgelegt.
Jeder weiß, daß sich inzwischen die Lebenshaltungs-
kosten beträchtlich erhöht haben. Ich will hier nur zwei
Parameter nennen. Nach dem Statistischen Jahrbuch
stieg der Preisindex für die Lebenshaltungskosten der
privaten Haushalte insgesamt von 105,1 (1992) auf über
120 (1999), also um mehr als 15 Punkte. Bei den Woh-
nungsmieten stieg der Index zwischen 1995 und März
1999 um 7,7 Punkte. Seit der letzten Festsetzung der
Pfändungsfreigrenzen sind sowohl die Löhne und Ge-
hälter als auch die Sozialleistungen angestiegen. Der
jahresdurchschnittliche Eckregelsatz der Sozialhilfe
stieg von 491 DM (1992) auf 540 DM (1998). Die Pfän-
dungsfreigrenzen blieben dagegen die gleichen. Ich halte
das für eine nicht hinnehmbare Benachteiligung von
Schuldnern mit geringem Einkommen.
Die Bundesregierung möge unseren Antrag als einen
Anstoß dazu verstehen, dem Bundestag möglichst bald
ein siebentes Änderungsgesetz vorzulegen, durch das die
Pfändungsfreigrenzen an die wirtschaftliche und soziale
Entwicklung angepaßt werden. Nachdem der Bundes-
kanzler auf dem SPD-Parteitag versucht hat, die soziale
Gerechtigkeit wieder etwas mehr ins Blickfeld zu rük-
ken, wird das wohl nicht schwer fallen. Und zum prag-
matischen „Machbaren“, das die Regierung so gern als
Meßlatte ihrer Politik in Anspruch nimmt, wird diese
Änderung wohl auch gehören, zumal zusätzliche Kosten
für den Staatshaushalt kaum entstehen.
Die Kernbestimmung, die geändert werden muß, ist
§ 850 der Zivilprozeßordnung und das dazu gehörige
Tabellenwerk. In logischer Konsequenz davon schlagen
wir die Änderung weiterer einschlägiger Paragraphen
der ZPO vor. Die Einzelheiten will ich hier nicht vortra-
gen. Das können Sie unserem Antrag entnehmen.
Der Gesetzgeber wollte mit den zurückliegenden An-
hebungen der Pfändungsfreigrenzen einerseits verhin-
dern, daß Schuldner unter das Existenzminimum fallen,
und andererseits gewährleisten, daß Gläubiger Zugriff
auf das über den Freigrenzen liegende Einkommen des
Schuldners haben. Er wollte einen Ausgleich zwischen
den Interessen der Gläubiger, der Schuldner und der
Allgemeinheit auf einer Basis herstellen, die den
Schuldnern die Mindestvoraussetzungen für ein men-
schenwürdiges Dasein garantiert.
Das ist eine verbindliche Konsequenz aus dem
Grundsatz der Unantastbarkeit der Menschenwürde in
Art. 1 GG und aus dem Sozialstaatsprinzip in Art. 20
GG. Der Schuldner darf nicht schlechter gestellt werden
als ein Empfänger von Sozialhilfe. Alles andere würde
die Sozialkassen – und insbesondere die Kommunen –
noch stärker belasten.
In Nummer 4 unseres Antrags schlagen wir vor, in
Zukunft zu einem anderen Modus der Änderung der
Pfändungsfreigrenzen überzugehen. Die Angleichung
soll nicht mehr in Abständen von mehreren Jahren er-
folgen, sondern in kürzeren Abständen, so wie es bei der
Angleichung der Sozialleistungen üblich ist. Bezugsgrö-
ßen können die Entwicklung des Preisindexes oder die
Entwicklung des Sozialhilfesatzes oder ein anderes so-
7348 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Dezember 1999
(A) (C)
(B) (D)
zial ausgewogenes Berechnungskriterium sein. Darüber
muß diskutiert werden. Wir sind für verschiedene Lö-
sungen offen, soweit sie den Vorgaben des Grundgeset-
zes entsprechen.
Damit Sie, meine verehrten Kolleginnen und Kolle-
gen von den Regierungsfraktionen, uns nicht vorwerfen,
wir würden von Ihnen „abschreiben“, haben wir uns
ausdrücklich auf den Antrag der Fraktion der SPD vom
28. Juni 1991 (Drucksache 12/883) berufen und aus der
Begründung folgendes zitiert: ,,Deshalb wird eine Re-
gelung für erforderlich gehalten, die auf Dauer gewähr-
leistet, daß durch eine Zwangsvollstreckung niemand
mehr sozialhilfebedürftig wird und die Allgemeinheit
mittelbar dafür einstehen muß, daß die Gläubiger einen
so weitreichenden Zugriff auf das Einkommen ihrer
Schuldner haben. Dieses Ziel wird mit einer periodi-
schen Anpassung der Freibeträge an die veränderten
wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse erreicht.“ Ich
halte das für vernünftig und der Sache angemessen.
Wenn ein Schuldner in die Sozialhilfebedürftigkeit ab-
fällt, geht der Anreiz verloren, für seinen Unterhalt
selbst zu sorgen. Schwarzarbeit wird begünstigt. Eine
periodische Anpassung würde dem am Besten abhelfen.
Frau Ministerin Däubler-Gmelin und ihr Parlamenta-
rischer Staatssekretär, Herr Eckhart Pick, haben damals
zusammen mit anderen Kollegen den zitierten Antrag im
Bundestag eingereicht. Ich nehme an, daß es nicht be-
sonders schwer fallen wird, die damals oppositionellen
Ansichten aus der heutigen Regierungsverantwortung
heraus in einen Gesetzesvorschlag zu fassen. Sie hätten
dabei die Unterstützung der PDS.
Dr. Eckhart Pick, Parl. Staatssekretär bei der Bun-
desministerin der Justiz: Die Forderung der PDS-
Bundestagsfraktion auf Anpassung der Pfändungsfrei-
beträge in den Tabellen zur Zivilprozeßordnung, bei den
Weihnachtsvergütungen, bei den Ansprüchen aus Le-
bensversicherungen für den Todesfall und im Rahmen
der Änderungsanträge des § 850 f Abs. 3 ZPO entspricht
der Absicht der Bundesregierung, diese Beträge bald-
möglichst im Wege einer Gesetzesänderung zu erhöhen.
Im Bundesministerium der Justiz wurde bereits ein ent-
sprechender Referentenentwurf erarbeitet und die Ab-
stimmung mit den Ressorts in Angriff genommen.
Zentrales Anliegen der Bundesregierung wird es da-
bei sein, die Pfändungsfreibeträge, die einem Schuldner
bei der Zwangsvollstreckung von seinem Arbeitsein-
kommen verbleiben, den veränderten wirtschaftlichen
Verhältnissen anzupassen. Durch die gesetzliche Rege-
lung soll vor allem das Absinken der Pfändungsfreigren-
zen unter die Einkommensgrenzen, nach denen die
Hilfsbedürftigkeit nach den Vorschriften des Bundesso-
zialhilfegesetzes eintritt, verhindert werden.
Mit der Anhebung der Pfändungsfreigrenzen wird
auch dem Umstand Rechnung getragen, daß die Mehr-
zahl der Schuldner, offenbar aus Unkenntnis, von der
bereits bestehenden Antragsmöglichkeit auf Anpassung
der Beträge gemäß § 850 f Abs. 1 ZPO noch nicht in
ausreichendem Maße Gebrauch macht. Dies kann der-
zeit in einigen Fällen dazu führen, daß Schuldner wegen
laufender Pfändungen die Sozialhilfeträger in Anspruch
nehmen und der Steuerzahler so indirekt für private
Verbindlichkeiten aufkommen muß.
Die Neubemessung der Pfändungsfreigrenzen muß
daher deutlich über den Regelbedarfsbeträgen nach dem
Bundessozialhilfegesetz liegen. Damit können einerseits
die Sozialhilfeträger entlastet, andererseits aber auch
– was viel entscheidender ist – Schuldner motiviert wer-
den, aus eigener Kraft ihren Lebensunterhalt zu verdie-
nen und ihre Verschuldungssituation zu überwinden.
Es geht der Bundesregierung daher auch darum,
durch die Anpassung der Freigrenzen sozial- und
arbeitsmarktpolitische Signale zu setzen.
Der geplante Referentenentwurf des Bundesministe-
riums der Justiz sieht in diesem Zusammenhang weite-
re Regelungen zur Verbesserung des Schuldnerschut-
zes vor. Lassen Sie mich zwei Bereiche beispielhaft
nennen:
Erstens. Durch eine Ergänzung der materiell-recht-
lichen Abtretungsvorschriften soll erreicht werden, daß
ein Schuldner auch für eine Lohnabtretung einen Antrag
auf Erhöhung des ihm verbleibenden Anteils am Ar-
beitseinkommen stellen kann. Damit wird die in diesem
Bereich bestehende Rechtsunsicherheit beseitigt und an-
gesichts ähnlicher Interessenlagen zwischen Pfändungs-
gläubigern und Abtretungsberechtigten einem Anliegen
der Schuldnerverbände Rechnung getragen.
Zweitens. In laufenden außergerichtlichen Schulden-
bereinigungsverfahren nach der Insolvenzordnung ver-
suchen häufig einzelne Gläubiger, sich vor dem Hinter-
grund der weitreichenden Auskunftspflichten des
Schuldners durch Einzelzwangsvollstreckungsmaßnah-
men Vorteile zu verschaffen. Dies geht zu Lasten der
Gläubigergemeinschaft, die um eine einvernehmliche
Schuldenbereinigung bemüht ist. Vor allem aber wird
durch diese Vorgehensweise dem Schuldner die erfolg-
reiche Durchführung des Verfahrens verwehrt. Er wird
kaum mehr in der Lage sein, zum Beispiel die Verfah-
renskosten anzusparen oder Vermögenswerte für eine
Verbesserung der Quote einzubringen. Hier schlägt das
Bundesministerium der Justiz eine Erstreckung des
Rechtsinstituts der einstweiligen Einstellung in § 765 a
ZPO auf diese Fallkonstellationen vor.
Bei allem Verständnis für den heute diskutierten An-
trag möchte ich dennoch der pauschalen Behauptung
entgegentreten, Schuldner seien derzeit schlechter ge-
stellt als Sozialhilfeempfänger.
Bei der letzten Anpassung der Pfändungsfreigrenzen
im Jahre 1992 kam es zu einer Erhöhung um bis zu 50%
bei den einzelnen Stufen, die teilweise weit über den
Bedarf hinausging und auf eine Bevorratung hinauslief.
Seitdem wurde in zweijährigen Abständen der Bedarf
überprüft und dem Bundestag in den Jahren 1994 und
1996 Bericht erstattet.
Richtig ist, daß es heute einen deutlichen Anpas-
sungsbedarf bei alleinlebenden Schuldnern und solchen
mit ein oder zwei unterhaltsberechtigten Personen gibt.
Ein Erhöhungsbedarf bei Schuldnern mit vier oder fünf
Unterhaltsberechtigten ist jedoch derzeit noch nicht
zwingend gegeben.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Dezember 1999 7349
(A) (C)
(B) (D)
Dennoch möchte ich mich auch für Erhöhungen bei
diesen letztgenannten Gruppen stark machen, da hier
Familien mit mehreren Kindern betroffen sind, deren
gesellschaftliche Situation einer besonderen familien-
politischen Vorsorge bedarf.
In Übereinstimmung mit dem vorliegenden Antrag
spreche ich mich dafür aus, daß künftige Anpassungen
der Pfändungsfreigrenzen auf dem Verordnungswege er-
folgen sollten. Das könnte eine raschere und differen-
zierte Reaktion auf eintretende Veränderungen bei den
Lebenshaltungskosten und dem Bedarf nach dem Bun-
dessozialhilfegesetz ermöglichen.
Lassen Sie mich, meine Damen und Herren, ab-
schließend vier Schwerpunkte für eine Initiative der
Bundesregierung nennen:
Erstens, die deutliche Erhöhung der Pfändungsfrei-
grenzen mit dem Ziel des Schuldnerschutzes und der
Schaffung von sozial- und arbeitsmarktpolitischen Impul-
sen, zweitens die Verbesserung des Schuldnerschutzes bei
Lohnabtretungen und während des laufenden außerge-
richtlichen Schuldenbereinigungsverfahrens nach der In-
solvenzordnung.
Drittens muß angesichts der in einigen Betrieben be-
reits jetzt schon erfolgten Umstellung der Lohnkosten
auf Euro die angestrebte Gesetzesänderung diese Um-
stellungsproblematik lösen und zum Nutzen der Wirt-
schaft, aber auch zum Nutzen der Schuldner transparent
machen.
Viertens brauchen wir die Verbesserung der Öffent-
lichkeitsarbeit im Hinblick auf Vollstreckungsschutz-
und Anpassungsanträge, wie zum Beispiel der Anträge
nach § 850 f Abs. 1 ZPO.
Es ist das Ziel der Bundesregierung, möglichst bald
im nächsten Jahr das Parlament mit dem Gesetzentwurf
zu befassen.
Anlage 7
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur
Änderung des Bürgerlichen Gesetzesbuchs
(Wohnrecht hinterbliebener Haushaltsangehö-
riger)
(Tagesordnungspunkt 17)
Margot von Renesse (SPD): Ihren Entwurf, das wis-
sen Sie schon aus der Debatte der ersten Lesung und aus
den Beratungen im Rechtsausschuß – werden wir ableh-
nen; denn wenn wir auch das Anliegen verwirklichen
wollen, insbesondere Beistandsgemeinschaften im Miet-
recht endlich angemessen zu schützen, ist Ihr Antrag da-
zu völlig ungeeignet.
Das liegt daran, daß Sie die Beistandsgemeinschaft, wie
sie das Verfassungsgericht definiert hat, mit jeder Haus-
haltsgemeinschaft gleichsetzen und die notwendige Diffe-
renzierung bei diesen beiden Formen des Zusammenle-
bens einfach nicht sehen. Sie ist aber rechtlich von erhebli-
cher Bedeutung. Nur die Begründung einer Beistandsge-
meinschaft – mit Verantwortungs- und Treuepflicht – stellt
eine so existentielle Verwirklichung der Persönlichkeits-
rechte eines Menschen, auch eines Mieters, dar, daß der
Vermieter sie nicht verbieten kann. Nur dann kann man
ihm auch die Pflicht auferlegen, die Fortführung eines mit
einem verstorbenen Mieter eingegangenen Mietverhältnis-
ses mit seinem Partner hinzunehmen.
Gleiches kann nicht für jede Haushaltsgemeinschaft
gelten, aus wie vielen Personen bei wechselnder Beset-
zung sie auch bestehen mag. Entweder überfordert man
den Vermieter, der sich einer von ihm nicht überblickba-
ren Kette von möglichen Mietrechtsnachfolgern gegen-
über sieht oder man erweist der sozialpolitisch er-
wünschten Haushaltsgemeinschaft einen Bärendienst,
indem man Vermietern förmlich nahe legt, die Begrün-
dung einer Haushaltsgemeinschaft schon im Mietvertrag
zu untersagen.
Diese Probleme führen schon für sich genommen zu
einer Ablehnung – ganz abgesehen davon, daß die Defi-
nition von Begriffen in Ihrem Entwurf nicht gesetzlich
geklärt werden, sondern höchst souverän auf die Recht-
sprechung verlegt werden. Als gelernte Richterin hänge
ich aber an der Gewaltenteilung und liebe solche Me-
thoden nicht.
Viel lieber warte ich noch etwas länger – wenn mir
auch die Zeit zugegebenermaßen lang wird – auf einen
gründlich erarbeiteten Reformentwurf zum Mietrecht,
der das Problem, mit dem wir es hier zu tun haben, an
der Wurzel packt. Denn in der Tat ist unser Mietrecht
insofern von vorgestern, als es nur die Beistandsgemein-
schaft in der Form der Ehe kennt und auch bei dieser
davon ausgeht, daß nur der Tod sie scheidet. Die soziale
Wirklichkeit konfrontiert uns mit vielfältigen Erschei-
nungen, die wir ins Mietrecht einarbeiten müssen. Und
das wollen wir demnächst auch tun. Da Sie unser Anlie-
gen teilen, auch wenn Sie es 16 Jahre lang mit Ihren
F.D.P.-Justizministern kläglich vernachlässigt haben,
erwarten wir eine gute Zusammenarbeit.
Eckart von Klaeden (CDU/CSU): Der Entwurf der
F.D.P., der das Wohnrecht hinterbliebener Haushaltsan-
gehöriger regeln soll, steht in der Tradition der Anträge
der heutigen Regierungsparteien aus der letzten Legis-
laturperiode. Er will nicht nur das Wohnrecht gleichge-
schlechtlicher Paare, sondern auch jeder anderen Form
– wie es in dem Entwurf heißt – „verantwortungsvollen
Zusammenlebens“ regeln. Es ist aber von der F.D.P.
immer wieder betont worden, daß insbesondere die Re-
gelung wegen der Ungleichbehandlung heterosexueller
Lebensgemeinschaften ohne Trauschein mit gleichge-
schlechtlichen Lebensgemeinschaften notwendig sei. In
vergangenen Debatten ist immer wieder das Beispiel
einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft ange-
führt worden, in der ein Partner an Aids erkrankt sei und
der andere ihn bis zu seinem Tode hingebungsvoll ge-
pflegt habe. Im Falle eines nur von dem Verstorbenen
unterschriebenen Mietvertrages sei der andere der Kün-
digung ausgeliefert.
Auf der Sitzung des Bundesausschusses der CDU,
dem sogenannten kleinen Parteitag, Anfang dieser Wo-
7350 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Dezember 1999
(A) (C)
(B) (D)
che hatte Generalsekretärin Angela Merkel ausgeführt,
daß Privilegierung der Ehe deshalb gerechtfertigt sei,
weil in ihr partnerschaftliche Fürsorge und die Über-
nahme von Verantwortung für Kinder am besten mög-
lich sei. Das unterscheide die Ehe sowohl von nichtehe-
lichen als auch gleichgeschlechtlichen Lebensgemein-
schaften.
In dem Beschluß des Bundesausschusses „Lust auf
Familie – Lust auf Verantwortung“ drückt die CDU in
Ziffer 19 in diesem Sinne ihren Respekt vor nichteheli-
chen Lebensgemeinschaften aus und erkennt an, daß
auch in solchen Beziehungen Werte gelebt werden kön-
nen, die grundlegend sind für unsere Gesellschaft. Dies
gelte auch für gleichgeschlechtliche Lebensgemein-
schaften und gilt insbesondere für das obige Beispiel.
Ihnen gegenüber wirbt die CDU für Toleranz und wen-
det sich gegen jede Form von Diskriminierung. In die-
sem Zusammenhang soll auch geprüft werden, welche
rechtlichen Hindernisse, die dem gemeinsamen Leben
und der gegenseitigen Fürsorge im Wege stehen, besei-
tigt werden können. Dazu gehört meines Erachtens aber
auch, daß die Beseitigung solcher Hindernisse nicht un-
gewollte negative Folgen nach sich zieht, wie das aller-
dings beim Antrag der F.D.P. der Fall ist. Aus unserer
Sicht – darauf habe ich schon in der ersten Lesung hin-
gewiesen – schränkt der Vorschlag nämlich die Ver-
tragsfreiheit zu sehr ein und ist geeignet, dem Vermieter
de facto die Verfügungsgewalt über sein Eigentum so
sehr zu entziehen, daß gegebenenfalls quasi enteig-
nungsgleiche Zustände eintreten können.
Gleichwohl kann ich die Verärgerung der F.D.P.
nachvollziehen, die nun schon seit mehr als einem Jahr
mit dem Hinweis auf einen Gesetzentwurf zur Regelung
der gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften ver-
tröstet wird. Die Regierungsparteien sind aufgefordert,
den seit langem und immer wieder angekündigten Ent-
wurf endlich vorzulegen.
Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN): Im Jahre 1993 hat der Bundesgerichtshof ent-
schieden, die bis dahin Ehepaaren vorbehaltene Sonder-
rechtsnachfolge im Mietrecht auch auf nichteheliche
Lebenspartner auszudehnen.
Leider hat er dabei gleichgeschlechtliche Paare aus-
drücklich ausgeschlossen. Der jetzige Zustand ist eine
schwere Diskriminierung für Lesben und Schwule. Die-
se Diskriminierung muß dringend beseitigt werden. Wir
Grüne hatten deshalb bereits 1995 einen ersten Gesetz-
entwurf in den Bundestag eingebracht.
Bis 1998 hat die F.D.P. das Justizministerium gelei-
tet. Sie hatten also fünf Jahre Zeit, diese Fehlentwick-
lung zu korrigieren. Sie haben es nicht geschafft. Jetzt
haben Sie es plötzlich ganz eilig.
Ihr Eifer in allen Ehren, aber ich kann Sie beruhigen.
Wir beseitigen dieses Unrecht. Das ist einer der zentra-
len Punkte der kommenden Mietrechtsreform. Dort wer-
den wir sogar mehr tun, als Sie in Ihrem Gesetzentwurf
vorschlagen.
Nicht nur im Todesfall, sondern auch in anderen Si-
tuationen sollen Lebenspartner zukünftig besser ge-
schützt sein. Wir wollen die Gleichstellung in weiteren
Bereichen verwirklichen, in denen das geltende Miet-
recht darauf abstellt, ob zum Haushalt des Mieters gehö-
rende Personen oder Familienangehörige vorhanden
sind. Kurzum: Wir wollen hier einen umfassenden Ent-
wurf präsentieren. Das ist beim Mietrecht genau wie bei
der Eingetragenen Partnerschaft.
Dazu haben Sie, meine Damen und Herren von der
F.D.P., kürzlich einen Gesetzentwurf vorlegt, der von
vorne bis hinten unstimmig ist. Ganz willkürlich ha-
ben Sie einige Rechtsfolgen der Ehe für homosexuelle
Paare übertragen, andere dagegen ausgelassen. Ihr Ge-
setzentwurf enthält ein bißchen Gleichbehandlung da,
ein wenig Besserstellung dort und vor allem eine
Menge fortbestehender Diskriminierungen. So geht
das nicht.
Wir wollen ein umfassendes, stimmiges Gesetz, das
alle gravierenden rechtlichen Probleme gleichge-
schlechtlicher Paare anpackt. Daran arbeiten wir mit
Nachdruck.
Gleichwohl, Sie wissen es genau: Für eine wirklich
umfassende rechtliche Anerkennung gleichgeschlecht-
licher Paare bedarf es nicht nur einer Mehrheit im
Bundestag, sondern auch im Bundesrat. Dies gilt gera-
de bei den besonders schwerwiegenden Rechtsproble-
men: beispielsweise beim Aufenthaltsrecht für auslän-
dische Lebenspartnerinnen und Lebenspartner oder bei
der krassen Diskriminierung gleichgeschlechtlicher
Paare im Erbschaftssteuerrecht und vielen weiteren Be-
reichen.
Meine Damen und Herren von der F.D.P., wenn Sie
für die Rechte der Schwulen und Lesben etwas Sinn-
volles leisten wollen, dann engagieren Sie sich dafür,
daß die Länder, in denen Sie mitregieren, die Eingetra-
gene Partnerschaft im Bundesrat unterstützen. Da gibt es
nämlich noch eine Menge zu tun:
Erst letzte Woche konnte man in der Zeitung lesen: Der
rheinland-pfälzische Justizminister Mertin von der F.D.P.
äußert plötzlich Vorbehalte gegen die Einführung einer
Eingetragenen Partnerschaft für Schwule und Lesben.
Aus Baden-Württemberg schießt Ihr Landesvorsit-
zender Walter Döring gemeinsam mit dem F.D.P.-
Justizminister Ulrich Goll seit längerem dagegen. Für
diese Herren ist ein eigener rechtlicher Status für gleich-
geschlechtliche Paare „ein falscher Weg“ und eine „un-
nötige Verkomplizierung des Rechts“.
Ich frage Sie deshalb: Wie wird sich Hessen im Bun-
desrat zur Eingetragenen Partnerschaft stellen? Was
wird der F.D.P.-Justizminister in Rheinland-Pfalz tun?
Wie sieht es in Baden-Württemberg aus?
Ich glaube fest, Sie treiben ein falsches Spiel: Hier im
Bundestag ziehen Sie eine große Show ab, und im Bun-
desrat wollen sie dann später wieder alles blockieren.
Das zeigt, Sie sind weniger an der Sache interessiert als
an parteitaktischen Spielchen. Aber damit werden Sie
nicht durchkommen. Die Glaubwürdigkeit der F.D.P.
wird sich daran messen lassen, wie die Bundesländer, in
denen Sie mitregieren, sich im Bundesrat zur Eingetra-
genen Partnerschaft stellen.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Dezember 1999 7351
(A) (C)
(B) (D)
Die rotgrüne Bundesregierung will Diskriminierung
beenden und Gleichbehandlung erreichen. Das gilt auch
für die Mietrechtsreform. Darin werden wir die ein-
schlägigen Rechtsprobleme gleichgeschlechtlicher Paare
seriös und umfassend lösen.
Jörg van Essen (F.D.P.): „Die Frage ist entschei-
dungsreif. Nutzen Sie heute die Chance, Ihre Verspre-
chungen wahr zu machen und homosexuellen Lebens-
gemeinschaften wenigstens diese rechtliche Anerken-
nung zu geben. Daran hängt auch Ihre Glaubwürdigkeit
in der Frage der Bürgerrechte, zu denen Sie sich öffent-
lich immer engagiert äußern.“
So hat sich der Kollege Volker Beck am 24. Juni
1998 im Deutschen Bundestag zu dem Problem der
Mietrechtsnachfolge geäußert. Es erscheint aus aktuel-
lem Anlaß dringend notwendig, ihn an seine Worte von
damals zu erinnern.
Die Behandlung unseres Gesetzentwurfs zur Rege-
lung der Mietrechtsnachfolge durch die Bundesregie-
rung zeigt wieder einmal ihr komplettes Scheitern beim
Abbau von Diskriminierungen von nichtehelichen Le-
bensgemeinschaften.
Die F.D.P.-Bundestagsfraktion hat bereits im Früh-
jahr dieses Jahres einen Gesetzentwurf zur Mietrechts-
nachfolge und zum Eintrittsrecht des überlebenden Le-
benspartners in den Mietvertrag in den Deutschen Bun-
destag eingebracht. Der Gesetzentwurf ist dann von
Rotgrün im Rechtsausschuß gestoppt worden, mit der
Begründung, die Regierung plane eine große Miet-
rechtsnovelle, in deren Rahmen auch die Mietrechts-
nachfolge geregelt werde.
Eine Mietrechtsnovelle war und ist weit und breit
nicht in Sicht. In der Sitzung des Rechtsausschusses
vom 6. Oktober wurde unser Gesetzentwurf mit der
gleichen Begründung wieder angehalten, mit dem Hin-
weis auf eine Mietrechtsnovelle im Winter. Zur Miet-
rechtsnovelle gibt es bisher nur Eckpunkte. Auf einen
verläßlichen Zeitrahmen läßt sich die Bundesregierung,
wie auch bei der eingetragenen Lebenspartnerschaft, in
bekannter Weise nicht festlegen.
Jeder von uns weiß, wie umstritten eine Mietrechts-
reform im Bundestag sein wird. Sollte sie irgendwann
kommen, kann man schon jetzt davon ausgehen, daß sie
im Vermittlungsausschuß landen wird. Für die Einzel-
regelung der Mietrechtsnachfolge gibt es aber hier im
Bundestag eine große fraktionsübergreifende Mehrheit.
Wir haben daher die große Chance, hier sehr schnell zu
einer verläßlichen gesetzlichen Regelung zu gelangen.
Diese Regelung wird gerade in den Partnerschaften
dringend ersehnt, in denen ein Partner bereits lebensge-
fährlich erkrankt ist. Dies zeigt den großen Handlungs-
bedarf des Gesetzgebers.
Seit dem letzten kleinen Parteitag der CDU können
wir auch dort ein Umdenken in der Familienpolitik fest-
stellen. Die Sichtweise in bezug auf nichteheliche Le-
bensgemeinschaften scheint sich zu verändern. Ich weiß,
daß es in der Fraktion der CDU/CSU einige Kollegen
gibt, die unsere Initiative grundsätzlich unterstützen. Ich
fordere Sie daher auf, sich unserer Initiative anzuschlie-
ßen und gemeinsam dafür zu sorgen, daß in dieser
wichtigen Frage endlich Rechtssicherheit für die Betrof-
fenen entsteht.
Christina Schenk (PDS): Dem Bundestag liegen
zwei Gesetzentwürfe vor, die sich mit dem Wohnrecht
hinterbliebener Haushaltsangehöriger beschäftigen – ein
Entwurf meiner Fraktion und der unmittelbar darauf
eingebrachte Gesetzentwurf der F.D.P.
In der ersten Lesung dieser beiden Gesetzentwürfe
bestand Einigkeit darin, daß es hier einen dringenden
Regelungsbedarf gibt. Homosexuelle Paare sind nach
der jetzigen Regelung sowohl gegenüber verheirateten
als auch gegenüber unverheirateten heterosexuellen Paa-
ren gravierend benachteiligt. Stirbt der Mieter der Woh-
nung, hat der hinterbliebene Partner oder die hinterblie-
bene Partnerin keinen Anspruch auf Eintritt in den
Mietvertrag. Es wäre ein leichtes, meine Damen und
Herren, diese Ungerechtigkeit im Rahmen des bestehen-
den BGB zu ändern. Die Bundesregierung hat dies bis-
her jedoch nicht zustande gebracht. Zur Begründung ist
entweder auf die geplante große Mietrechtsreform oder
auf ihr Vorhaben, für lesbische und schwule Paare das
Rechtsinstitut der „Eingetragenen Partnerschaft“ zu
schaffen, verwiesen worden. Beides sollte in diesem
Herbst vorgelegt werden. Beides wird es in diesem Jahr
nicht mehr geben.
Ich kann Ihnen sagen, daß unter den Betroffenen
niemand mehr Verständnis für diese Hinhalte- und Ver-
zögerungstaktik hat. Der Hickhack der Justizministerin
hat dazu geführt, daß die lautesten Verfechter der Ho-
moehe, wie z. B. der LSVD – mittlerweile zu den schärf-
sten Kritikern der Bundesregierung geworden sind. Zu
Recht! Denn was die Ministerin bisher verlautbaren ließ,
verfestigt die Diskriminierung von lesbischen und
schwulen Paaren gegenüber Eheleuten, statt sie aufzu-
heben.
Diskriminierungen gibt es in allen Rechtsbereichen,
im Mietrecht genauso wie im Steuer- oder Erbrecht und
im Kindschaftsrecht. Dazu liegen seit Jahren entspre-
chende Gutachten vor – auch den Rechtsexperten dieses
Hauses. Das ist allen Anwesenden hier hinreichend be-
kannt. Es gibt keinen sachlichen Grund für eine recht-
liche Ungleichbehandlung lesbischer oder schwuler Le-
bensgemeinschaften gegenüber heterosexuellen Verbin-
dungen. Verheiratet zu sein ist schon lange nicht mehr
Ausdruck einer besonderen Verantwortungswahrnahme.
Der Trauschein schützt weder Kinder vor Vernachlässi-
gung noch Frauen vor Altersarmut.
Es ist an der Zeit, die Lebenswirklichkeit endlich zur
Kenntnis zu nehmen. Normal ist heute eine außeror-
dentliche Vielfalt an Formen, in denen die Menschen
Geborgenheit, Fürsorge, Unterstützung und Zusammen-
gehörigkeit erfahren. Diese vielfältigen Lebensformen
gilt es rechtlich gleichzustellen. Das ist das, was ich für
wünschenswert und notwendig halte. Leider ist das auch
mit Rotgrün nicht zu machen. Sie haben jedoch immer-
hin die rechtliche Gleichstellung von Zweierbeziehun-
gen versprochen. Wenn Sie dies wirklich wollen, dann
aber ohne jegliche Abstriche. Dafür und nur dafür hätten
Sie meine Unterstützung.
7352 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Dezember 1999
(A) (C)
(B) (D)
Anlage 8
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur
Änderung des Gesetzes zur Privatisierung und
Reorganisation des volkseigenen Vermögens
(Treuhandgesetz)
(Tagesordnungspunkt 18)
Christel Deichmann (SPD): „Zehn Jahre nach der
deutschen Einheit sind die Konflikte im Umgang mit
dem im staatlichen Besitz befindlichen Bodenreform-
land in den neuen Bundesländern nicht gelöst“ – so be-
ginnt die Problembeschreibung im Gesetzentwurf der
PDS „Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Privatisie-
rung und Reorganisation des volkseigenen Vermögens
(Treuhandgesetz)“. Die Tatsache, auf die der Gesetz-
entwurf abzielt, ist leider vom Grundsatz her wahr. Aber
wir haben vor nicht all zu langer Zeit erst den zehnten
Jahrestag des Mauerfalls begangen, das heißt, zehn Jahre
deutsche Einheit feiern wir dann am 3. Oktober 2000!
Meine Fraktion hat schon in der vergangenen Legis-
laturperiode gefordert, die Pachtverträge für landwirt-
schaftliche Flächen, die im Eigentum der BVVG stehen,
auf 18 Jahre zu verlängern. Die Unternehmen brauchen
Planungssicherheit, weshalb einerseits die Pacht- und
Privatisierungsregelungen – wie sie in den Jahren zuvor
gefunden wurden – von unserer Seite nicht angetastet
werden dürfen. Um Sicherheit vor allem für Investitio-
nen zu geben und besonders die Betriebe im Vered-
lungsbereich zu unterstützen, haben wir kurzfristig nach
der Übernahme der Regierungsverantwortung die ent-
sprechenden Pachtverträge auf eine Laufzeit von 18 Jah-
ren verlängert. Das ist – die Unternehmen haben dies
bestätigt – ein angemessener Zeitraum, um auch diesen
Betrieben Raum zu geben, damit sie sich entwickeln und
festigen können. Letztlich dient dies auch der Stärkung
der ländlichen Räume.
Wahr ist aber leider auch, daß auch ein Teil der Pro-
bleme mit Bodenreformland schon zu DDR-Zeiten ver-
ursacht wurde, als Bodenreformland gegeben und ge-
nommen und wieder gegeben und wieder genommen
wurde. Mir schwebt da der Fall einer Familie vor, die
ursprünglich im späteren Grenzstreifen Land zugeteilt
bekam, dann politisch offensichtlich nicht ins Bild paß-
te, bei Nacht und Nebel „binnenvertrieben“ wurde, dann
wieder Land zugeteilt bekam und der aus fadenscheini-
gen Gründen dieses Land dann wieder entzogen wurde.
Dies ist nur eine Facette des damaligen Umgangs mit
Bodenreformland.
Auch solche Probleme lassen sich heute leider in den
wenigstens Fällen reparieren. Und wir müssen in jüng-
ster Zeit leider auch erleben, daß zu DDR-Zeiten „Bo-
denreform-Geschädigte“ nun in großer Bitterkeit eine
eigenartige Allianz mit Alteigentümern bilden.
In einem langen und zähen Prozess wurden mit der
Verabschiedung der Flächenerwerbsverordnung und mit
dem Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz
seinerzeit Lösungen gefunden, die einen für alle Betei-
ligten tragbaren Kompromiss bildeten. Jedem, der an
diesen Vereinbarungen zurrt, muß klar sein, welches Faß
er beabsichtigt zu öffnen.
In dieser Situation mit so einem Gesetzentwurf die
Hoffnung erwecken zu wollen, daß die Probleme
eigentlich recht unkompliziert zu lösen seien, halte ich
– gelinde ausgedrückt – für ziemlich wirklichkeitsfern.
Der vorgelegte Gesetzentwurf ist in keiner Weise auch
nur annährend geeignet, einen Lösungsweg aufzuzeigen.
Im Gegenteil: Mit dem Antrag zur Änderung des
Treuhandgesetzes wärmt die PDS wieder einmal, in alt
bekannter Weise, eine Geschichte auf, deren Entwick-
lung längst weiter gegangen ist. In Zehn Jahren nach
dem Mauerfall steht die Aufgabe der abschließenden
Organisation der Treuhand-Nachfolgeunternehmen vor
uns. Wir werden diese Aufgabe in angemessener Zeit
und in dem erforderlichen Rahmen lösen.
Die im vorliegenden Gesetzentwurf dargestellte Lö-
sung ist weder verantwortbar noch geeignet, in der Pra-
xis das Problem zu entschärfen. Vielleicht daß hiermit in
einigen Teilen tatsächlich eine Schadensbegrenzung be-
stehender Probleme erfolgen könnte, aber an anderen
Punkten würden neue Probleme verstärkt werden.
Insofern muß ich darauf verweisen, daß dieser Antrag
alleine dem Ausschmücken des eigenen Fensters dient.
Es gibt einen zweiten, sehr wichtigen Grund, diesen
Antrag gerade zum gegenwärtigen Zeitpunkt als kontra-
produktiv zu bezeichnen: Ihnen allen ist bekannt, daß
die Bundesrepublik seitens der Europäischen Kommis-
sion gerügt wurde im Hinblick auf die Flächenerwerbs-
verordnung. Sowohl die Bundesregierung als auch die
Koalitionsfraktionen nehmen dieses Thema sehr ernst.
Wir werden zu Beginn des neuen Jahres mit der Bera-
tung des Vermögensrechtsergänzungsgesetzes die ge-
rügten Punkte ausräumen. Das ist ein sehr, sehr schwie-
riger Prozeß. Nun aber mit neuen Varianten diesen Pro-
zeß zu beschweren und weitere Forderungen aufzuma-
chen ist doch sehr unverständlich. Hier zeigt sich wieder
einmal, daß nicht das Thema an sich, sondern lediglich
die eigentliche Darstellung interessiert.
Vielen Dank, frohe Weihnacht und alles Gute für das
neue Jahr!
Dr. Michael Luther (CDU/CSU): Das voraussicht-
lich letzte Thema dieses Jahres und Jahrtausends im
Deutschen Bundestag verdient besondere Beachtung:
Die Partei des sogenannten Demokratischen Sozialis-
mus kehrt mit ihrem heutigen Gesetzentwurf zu ihren
ursprünglichen Wurzeln der Zeit vor 1990 zurück, die
sie heute immer noch tragen und die viel Leid und Zer-
störung im 20. Jahrhundert verursacht haben. Ich nenne
die Stichworte: enteignen, verstaatlichen, zentralisie-
ren, dirigieren. Ganz offensichtlich nutzt die PDS die
zur Zeit geplante Novellierung des Entschädigungs-
und Ausgleichsleistungsgesetzes für die Forderung,
öffentliches Eigentum in den neuen Ländern künftig
nicht mehr vorrangig zu verkaufen, sondern in öffent-
licher Hand zu halten. Die Parole dabei lautet: Der
Staat muß Eigentümer bleiben; er darf allenfalls noch
verpachten!
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Dezember 1999 7353
(A) (C)
(B) (D)
Jeder, der diesen Gesetzentwurf zwischen den Zeilen
liest, erkennt damit die wahren Gründe: Ich erinnere an
die erst vor wenigen Monaten von Herrn Gysi publi-
kumswirksam vorgestellten neuen Thesen der PDS.
Auch dort wehte der Wind der Enteignung und Ver-
staatlichung, und das Mißtrauen gegenüber privatem
Engagement war spürbar. Der heutige Vorstoß geht in
die gleiche Richtung. Wenn erst einmal die Schleuse
aufgemacht ist und der Staat vom Grundsatz her Grund
und Boden oder Beteiligungen nicht mehr vorrangig pri-
vatisieren soll, fallen wir über kurz oder lang zurück in
alte, längst überholte und von der Geschichte ad absur-
dum geführte Zustände. Die PDS hat nichts dazugelernt
und ist in dieser Republik noch nicht angekommen. Ich
bezweifele sehr, ob ihr das im neuen Jahrtausend gelin-
gen wird. Und ich will ergänzen: Ich hoffe es auch nicht.
Wer eine komplette Volkswirtschaft zugrunde ge-
richtet hat, sollte sich mit diesbezüglichen Vorschlägen
zurückhalten.
Nur wer die Vergangenheit kennt, ist zukunftsfähig.
Vor diesem Hintergrund stand und steht der Auftrag des
Treuhandgesetzes, Vermögen nach den Prinzipien der
sozialen Marktwirtschaft zu privatisieren und zu ver-
werten, für mich stets im Vordergrund. Denn das Treu-
handgesetz schreibt aus sehr gutem Grunde vor, daß
volkseigenes Vermögen in erster Linie zu privatisieren
ist. Private sind auf Dauer immer die besseren und ef-
fektiveren Bewirtschafter von Gütern, als es der Staat je
sein kann. Die Präambel des Treuhandgesetzes macht es
dabei sehr deutlich: Nach den Erfahrungen der DDR
sollte vor allem die unternehmerische Tätigkeit des
Staates so rasch und so weit wie möglich zurückgeführt
werden.
Dieser ordnungspolitische Gesichtspunkt greift auch
bei der Frage, ob die öffentliche Hand Grund und Boden
im Eigentum behält und langfristig verpachtet oder un-
mittelbar veräußert. Ich meine, zu letzterem gibt es kei-
ne Alternative.
Auch sonst erkenne ich keine stichhaltigen Argu-
mente, auf Dauer den Grund und Boden im Staatsei-
gentum zu behalten. Die Aussage der PDS, langfristig
sei die Vergabe von Nutzungsrechten für die Einnahme-
situation des Bundes vorteilhaft, ist eine reine, durch
nichts belegte Behauptung. Ich möchte sogar sagen, ich
halte dies für eine Milchmädchenrechnung, wie sie nur
Sozialisten anstellen können. Denn langfristige Nut-
zungsrechte mit entsprechenden Pachteinnahmen sind
lediglich geeignet, fortlaufende Zinszahlungen des Bun-
des abzusenken. Noch gar nicht berücksichtigt dabei
sind ständige Unterhaltungs- oder sonstige Verwal-
tungskosten, die der Bund als Eigentümer weiterhin we-
sentlich zu tragen hätte.
Dagegen erhält der Bund bei einer Privatisierung mit
den entsprechenden Einnahmen die Möglichkeit, bereits
seine Nettokreditaufnahme zu minimieren und damit
auch künftige Zinszahlungen zu vermeiden, bevor sie
überhaupt entstehen. Es ist deshalb weiterhin das Gebot
der Stunde, vorhandene Vermögenswerte nach ausge-
wogenen Kriterien zu veräußern und damit die Einnah-
mesituation der BVVG bzw. der BvS und mittelbar auch
des Bundes zu verbessern.
Der aktuelle Gesetzentwurf der PDS knüpft an die
Novellierung des Entschädigungs- und Ausgleichslei-
stungsgesetzes an. Ein sehr aktueller Aufhänger, von
dem ich zugebe, daß auch ich große Probleme mit dieser
Novellierung habe. Denn in der Tat plant die Bundesre-
gierung – nach entsprechender Kritik der EU-Kommis-
sion aus Brüssel –, die Verbilligungsmöglichkeiten beim
Landkauf einzuschränken. Aus meiner Sicht schießt die
Bundesregierung aber deutlich über das eigentliche von
Brüssel vorgegebene Ziel hinaus. Wir werden uns damit
noch eingehend zu beschäftigen haben.
Eines ist für mich jedoch bereits jetzt klar: Auch die
voraussichtlich mit dieser Novellierung einhergehenden
höheren Kaufpreise sind noch kein Argument, künftig
Flächen nur noch zu verpachten und nicht mehr zu pri-
vatisieren. Für mich steht vielmehr im Vordergrund, die
Entwicklungsmöglichkeiten landwirtschaftlicher Betrie-
be zu fördern und dabei die Eigentumsbildung in den
neuen Ländern weiterhin zu stützen. Deshalb müssen
auch künftig die Verbilligungsmöglichkeiten des EU-
Rechtes bei einem Verkauf ausgeschöpft und weiterhin
möglichst hohe Verbilligungsmöglichkeiten gewährt
werden. Beispielsweise sind zur Zeit in benachteiligten
Gebieten weiterhin Verbilligungssätze von 75 Prozent
erlaubt, im nächsten Jahr immerhin noch 50 Prozent.
Ich meine, wenn solche Verbilligungsmöglichkeiten
auch in Zukunft ausgeschöpft werden, bedarf es gerade
keiner neuen gesetzlichen Schwerpunktsetzung zu Gun-
sten langfristiger Nutzungsrechte.
Unabhängig davon ist und bleibt neben der vorrangi-
gen Privatisierung natürlich auch eine Verpachtung ge-
rade an finanzschwache Betriebe weiterhin möglich.
Dies hat die BVVG in ihrer Praxis der Vergangenheit
unter Beweis gestellt und damit verdeutlicht, daß Priva-
tisierungsvorrang und gleichzeitige Verpachtungsmög-
lichkeiten dort, wo sie wirtschaftlichen Sinn machen,
keine Widersprüche sind.
Steffi Lemke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die
Überschrift, die groß über der heutigen Debatte steht
und die seit nunmehr zehn Jahren die Grundfrage ist, die
wir hier im Haus immer wieder debattiert haben, lautet:
Wie sollen wir mit den ehemals volkseigenen Flächen,
also den Flächen, die nach der Vereinigung der beiden
deutschen Staaten in die Verwaltung der Treuhandan-
stalt übergingen, verfahren?
Es gibt hier eine Vielzahl unterschiedlicher Interes-
sengruppen, die teils gute, teils weiniger gute Argu-
mente für ihre Position vorbringen. Die Aufgabe dieses
Parlaments ist es, einen Ausgleich der divergierenden
Interessen herbeizuführen. Dazu leistet der Gesetzent-
wurf der PDS keinerlei Beitrag. Ich kann beim besten
Willen nicht verstehen, wie man ernsthaft vorschlagen
kann, in der gegenwärtigen Situation die Privatisierung
der land- und forstwirtschaftlichen Flächen völlig auf
den Kopf zu stellen.
Der PDS ist offenbar entgangen, daß der Prozeß der
Überführung von ehemals volkseigenen Flächen und
volkseigner Vermögenswerte in Privateigentum nach
dem Treuhandgesetz seit nunmehr neun Jahren im Gan-
ge ist.
7354 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Dezember 1999
(A) (C)
(B) (D)
Richtig ist allerdings, daß dieser Prozeß geregelt ab-
laufen muß und daß dort, wo Unzulänglichkeiten in der
konkreten Umsetzung deutlich werden, die Politik korri-
gierend eingreift.
Eben dies tut die Bundesregierung derzeit mit dem
am 1. September vorgelegten Vermögensrechtsergän-
zungsgesetz. Hiermit werden die von der EU-Kommis-
sion monierten Verstöße gegen den Grundsatz der Wett-
bewerbsgleichheit sowie der ungerechtfertigten Beihilfe
ausgeräumt.
Haben Sie, liebe Kollegen und Kolleginnen von der
PDS, sich einmal gefragt, was denn die Konsequenzen
aus Ihrem Gesetzentwurf wären? – Ich will es Ihnen sa-
gen: Wir würden zweifellos eine Fülle weiterer Ge-
richtsverfahren zu diesem Komplex zu erwarten haben.
Im übrigen wäre mit einem Einverständnis der EU-
Kommission nicht zu rechnen. Wir erleben gerade zur
Zeit in den sensiblen Abstimmungen zum Vermögens-
rechtsergänzungsgesetz, wie zentral die Vereinbarkeit
nationalen Rechts mit dem EU-Recht ist. Ihr Vorwurf,
es sei ein Versäumnis der Bundesregierung, daß „ein
Vorgang von historischer Tragweite zu einer Angele-
genheit des EU-Wettbewerbsrechts“ degradiert (Kleine
Anfrage der PDS-Fraktion zur „Privatisierung von Bo-
denreformflächen in Ostdeutschland“, Drucksachen
14/1790; 14/2218), geht an den Realitäten vorbei. Of-
fenbar ist die PDS nach zehn Jahren noch nicht in Euro-
pa angekommen.
Ich teile nicht die Einschätzung, „daß der Prozeß der
Entstehung leistungsfähiger Agrarbetriebe in Ostdeutsch-
land nachhaltig gefährdet wird“, wenn nicht die im
Gesetzentwurf vorgeschlagenen Maßnahmen ergriffen
würden. Tatsache ist doch, daß die Bundesregierung sich
gegenüber der EU-Kommission mit Nachdruck dafür
eingesetzt hat und auch weiter einsetzt, daß die ostdeut-
schen Landwirte Chancengleichheit beim Erwerb von
Treuhandflächen erhalten.
Wenn die PDS in ihrem Gesetzentwurf argumentiert,
die Beschlüsse der Volkskammer von 1990 über die Pri-
vatisierung des volkseigenen Vermögens seien auch im
Sinne einer Verpachtung bzw. Bestellung von Erbbau-
rechten zu interpretieren, so frage ich Sie: Wieso fällt
Ihnen das zehn Jahre später plötzlich ein? – Ich will
nicht ausschließen, daß es 1990 Spielraum für weiterge-
hende Lösungsmodelle im Umgang mit den volkseige-
nen Vermögenswerten gegeben hätte, aber inzwischen
sind auf der Basis der damals beschlossenen Rechts-
grundlagen zehn Jahre Entwicklung vollzogen worden,
die nun unsere faktische Ausgangslage darstellen. Damit
läuft der von der PDS diagnostizierte Regelungsbedarf
ins Leere.
Richtig ist die Feststellung, daß der Anteil von land-
wirtschaftlichen Pachtflächen in Deutschland ständig
steigt. Aber es handelt sich hierbei um einen Effekt des
Strukturwandels nach dem Prinzip: Aufgabe des Betrie-
bes aus wirtschaftlichen oder Altersgründen und Ver-
pachtung der Flächen an weiterwirtschaftende Interes-
senten – von Privat an Privat! Der Verbleib von land-
und forstwirtschaftlichen Flächen in der öffentlichen
Hand ist nur in bestimmten Fällen sinnvoll. Dann näm-
lich, wenn sich dadurch ein übergeordnetes gesell-
schaftliches Ziel besser erreichen läßt. Dies zeigt ja die
aktuelle Diskussion um den Verbleib der Naturschutz-
flächen, die derzeit von der Bodenverwertungs- und
-verwaltungsgesellschaft (BVVG) verwaltet werden.
Der Pachtflächenanteil landwirtschaftlicher Betriebe
in den neuen Bundesländern übersteigt häufig 90 Pro-
zent der bewirtschafteten Fläche. Vor dem Hintergrund
der wirtschaftlichen Eckwerte vieler Betriebe wird sich
daran kurzfristig auch nicht viel ändern. Deshalb hat der
Pächterschutz für uns Vorrang vor den kurzfristigen
Interessen eines Erwerbers. Die Bundesregierung hat
daher zu Beginn dieses Jahres verfügt, daß die mit der
BVVG abgeschlossenen langfristigen Pachtverträge auf
18 Jahre ausgeweitet werden können, wenn der jeweili-
ge Betrieb dies wünscht. Damit wird den jetzt wirt-
schaftenden Betrieben eine aus unserer Sicht ausrei-
chende Planungssicherheit gegeben. Wer jetzt aus wirt-
schaftlichen Gründen am vergünstigten Flächenerwerb
nach dem EALG nicht teilnehmen kann oder will, der
hat in der Regel die Möglichkeit, bis mindestens in das
Jahr 2012 zu wirtschaften und zu disponieren, ob er
Kaufoptionen wahrnehmen möchte oder nicht. Wir hal-
ten diese Frist für ausreichend.
Auch wenn die PDS uns ihren Gesetzentwurf dadurch
schmackhaft machen möchte, daß sie vorrechnet, der
Finanzminister könne bei einer Verpachtung der Flächen
mehr Geld einnehmen als bei einem Verkauf, so ist dies
ein schwaches Argument: Es geht hier nicht um das Er-
zielen möglicht hoher staatlicher Einnahmen, es geht um
die Wiederherstellung von Rechtssicherheit und klaren
Eigentumsverhältnissen als die zentralen Grundlagen
jeder tragfähigen wirtschaftlichen Entwicklung. Von
daher halten wird den Gesetzentwurf für entbehrlich.
Jürgen Türk (F.D.P.): Die PDS zeigt mit ihrem Ge-
setzentwurf zur Änderung des Treuhandgesetzes einmal
mehr, daß sie noch immer der sozialistischen Land- und
Forstwirtschaft à la DDR verhaftet ist. Sie kann es nicht
verwinden, daß die Zeit des gesellschaftlichen Eigen-
tums an Grund und Boden passé ist. Scheinbar hat sie
inzwischen auch verdrängt, wie ineffizient dieser Ansatz
war und wie kläglich er gescheitert ist.
Die PDS zielt mit ihrem Gesetzesänderungsvorschlag
eindeutig darauf ab, mit allen ihr zu Gebote stehenden
Mitteln die weitere Privatisierung von Bodenreformland
in den neuen Bundesländern zu verhindern. Nach ihren
Wünschen und Vorstellungen sollten die Restbestände
des Bodenreformlands in Staatsbesitz verbleiben und le-
diglich verpachtet werden.
Mit ihrem Gesetzentwurf versucht die PDS, dies den
anderen Parteien schmackhaft zu machen. So verweist
sie darauf, daß die Pacht langfristig gesehen eine für den
Staat stabil fließende Einnahmequelle wäre.
Das aber ist stark zu bezweifeln. Denn, wie die PDS
selbst in ihrem Gesetzentwurf hervorhebt, die Restflä-
chen liegen „in ihrer Mehrheit in benachteiligten Ge-
bieten“. Im Klartext heißt das, daß sie für Pächter nicht
besonders attraktiv sein dürften. Und ihre Attraktivität
wird im Rahmen von EU-Erweiterung und Globalisie-
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Dezember 1999 7355
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rung weiter sinken. Statt mit Einnahmen ist also am En-
de viel eher damit zu rechnen, daß der Staat auf den Flä-
chen sitzen bleibt und sie ihm nichts als Ausgaben be-
scheren.
Zudem argumentiert die PDS, daß es manche land-
wirtschaftliche Betriebe finanziell überfordern könnte,
die von ihnen gepachteten Flächen zu kaufen, und Inve-
stitionen in für sie wichtige Bereiche verhindert würden.
Diese Besorgnis ist offensichtlich aufgetaucht, seit
die EU-Kommission im Dezember 1998 beanstandet
hat, daß nicht nur Alteigentümer, sondern auch Neuein-
richter und Nachfolger von landwirtschaftlichen Pro-
duktionsgenossenschaften verbilligt Agrar- und Forst-
flächen in den neuen Bundesländern erwerben können.
Die EU hat das als Verstoß gegen europäisches Beihilfe-
recht für unzulässig erklärt.
Die Regierungskoalition beschloß daraufhin eine No-
vellierung des Entschädigungs- und Ausgleichslei-
stungsgesetzes, die zu einem Ansteigen der Kaufpreise
um 20 bis 30 Prozent führen wird. Davon sind übrigens
auch Alteigentümer betroffen, was von der F.D.P. als
bewußte Beschneidung der Interessen der Alteigentümer
angesehen wird. In einem bevorstehenden Hearing soll
geklärt werden, ob das überhaupt rechtens ist.
Grünen-Minister Trittin setzte dem noch eins drauf
und will land- und forstwirtschaftlich genutzte naturre-
levante Flächen an Naturschutzverbände verschenken,
womit er Eigentumsrechte mit Füßen tritt. Ein Unterfan-
gen, das die F.D.P. durch ihre Regierungsbeteiligungen
in den Ländern im Bundesrat zu Fall bringen wird.
Wie dem auch sei, wenn landwirtschaftliche Betriebe
mit dem Kauf der von ihnen genutzten Flächen tatsäch-
lich überfordert sein sollten, würde die Verpachtung
auch aus Sicht der F.D.P. Sinn machen. Aber nur dann.
Ansonsten halten wir den Vorstoß der PDS für einen
erneuten Versuch, bewährte marktwirtschaftliche Grund-
lagen auszuhebeln. Es versteht sich von selbst, daß die
F.D.P. dabei nicht mit von der Partie ist.
Kersten Naumann (PDS): Dem Treuhandgesetz
kommt seitens des Bundestages eine ganz besondere
Bedeutung zu: Es ist der letzte Tagesordnungspunkt in
diesem Jahrtausend. Er beschäftigt sich mit der schick-
salhaften Frage für die weitere Zukunft unseres Landes
und insbesondere für die Bauern. Sie haben uns Jahrtau-
sende ernährt und sollen das auch in Zukunft tun, und
zwar unter Bedingungen, die der Gesellschaft und ihnen
selbst helfen.
Der von der PDS eingebrachte Gesetzentwurf zur
Änderung des Treuhandgesetzes hat damit unmittelbar
zu tun. Das Treuhandgesetz bildet mit seinem Privatisie-
rungsgebot eine Grundprämisse für die Gestaltung der
deutschen Einheit. Die Verwirklichung dieses Gebots
durch die Treuhandanstalt und -einrichtungen ist neben
einigen positiven Teilergebnissen vor allem eine Ge-
schichte der Eroberung dieses Marktes durch die west-
deutschen Konzerne.
Allerdings ist im Agrarbereich dieses Konzept bisher
am Widerstand der Alteigentümer und an einigen Be-
sonderheiten des Wirtschaftsgutes Boden zum Teil ge-
scheitert. Während die ehemaligen volkseigenen Güter
weitgehend privatisiert wurden, sind noch zirka
1,4 Millionen Hektar land- und forstwirtschaftlicher Flä-
che im Besitz des Bundes. Die Alteigentümer beanspru-
chen diese Flächen für sich zurück, obwohl der Eini-
gungsvertrag die Ergebnisse der Bodenreform als weiter
geltendes Recht fixiert hat. Zumindest wollen sie ihren
vorrangigen Zugriff auf diese Flächen durchsetzen.
Die jeweils regierenden Koalitionspartner haben die-
sen Forderungen bisher nur insoweit nachgegeben, als
sie die Bodenprivatisierung mit einem spezifischen Ent-
schädigungsanspruch verbunden haben.
Auch die Einsprüche der EU-Kommission, die die
Alteigentümer zu Hilfe gerufen haben, haben nicht zu
der erhofften Ausschaltung der bisherigen Anspruchs-
berechtigten geführt, im Gegenteil: Der Kreis der Kauf-
berechtigten wurde erweitert, und die Kaufpreise wur-
den erhöht.
Noch hoffen die Alteigentümer mit ihren Klagen dar-
auf, daß das Bundesverfassungsgericht ihre Rechte als
ehemalige Eigentümer wieder herstellt. Als vorbeugende
Maßnahmen gegen das von der Bundesregierung vorge-
legte Vermögensrechtsergänzungsgesetz (VermRErgG)
haben sie deshalb bereits mit neuen Klagen gedroht.
Vorsichtshalber haben die Bundestagsauschüsse des-
halb die Beratung dieses Gesetzentwurfes vorläufig von
der Tagesordnung abgesetzt und bereiten eine weitere
Anhörung vor. Unter Berücksichtigung dieser sich zu-
spitzenden gesellschaftlichen Auseinandersetzungen und
zur Schaffung stabiler Entwicklungsbedingungen für die
ostdeutschen Agrarbetriebe hat die PDS-Fraktion den
vorliegenden Gesetzesantrag eingebracht.
Durch die Nichtprivatisierung der Bodenreformflä-
chen und deren privatwirtschaftliche Nutzung auf der
Grundlage der Verpachtung durch den Bund und/oder
die Länder entstehen entscheidende Vorteile für die Ge-
sellschaft und die bisherigen Bewirtschafter.
Die Begründung dazu finden Sie in unserem Geset-
zesantrag.
Das Kernproblem bei Ihrer Entscheidung über unse-
ren Gesetzesantrag wird sein, ob Sie bereit sind, die
Wirklichkeit mit dem Privatisierungsdogma zu erschla-
gen oder nicht. Denn die Wirklichkeit ist, daß zukünftig
die Landwirtschaft eine Pachtlandwirtschaft sein wird.
Wie die EU-Strukturerhebung von 1997 des BML be-
weist, schreitet diese Entwicklung nicht nur in Deutsch-
land, sondern in fast allen Ländern Europas voran.
Jährlich fließen Pachtbeträge von insgesamt über
3 Milliarden DM aus der Landwirtschaft ab. Die Treu-
hand ist daran mit etwa 200 Millionen DM beteiligt. Mit
diesen 200 Millionen DM wären in etwa 15 Jahren die
Entschädigungsansprüche der Alteigentümer zu be-
friedigen. Danach stünden dann jährlich dieser Betrag
zusätzlich für eine gestaltende Agrarpolitik zur Verfü-
gung.
Wir rufen Sie deshalb auf: Unterstützen Sie unseren
Gesetzesantrag in den weiteren parlamentarischen Be-
7356 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Dezember 1999
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(B) (D)
ratungen. Ihre Kinder und Enkel werden die 200 Millio-
nen DM Mehreinnahmen im Bundeshaushalt sicher so-
zialpolitisch – oder agrarpolitisch – sinnvoll verwenden.
Befreien Sie sich von den unendlichen Auseinander-
setzungen um die Privatisierung der Bodenreform-
flächen und die von der Bevormundung durch die
EU-Kommission.
Ergreifen Sie die Chance, einen Teil der Naturschutz-
politik ohne Erpressungsversuche von privaten Boden-
eigentümern zu betreiben.
Setzen Sie an der Schwelle des Millenniums ein
neues Zeichen.
Ich bin fest überzeugt, daß Ihr Weihnachtsfest nicht
dadurch getrübt wird, daß ihr Weihnachtsbaum aus
einem Staats-, Landes- oder Kommunalforst kommt.
Doch es ist für einen Parlamentarier gut zu wissen, daß
man unmittelbaren Einfluß auf eine nachhaltige Bewirt-
schaftung eines Teils des Waldes und der landwirt-
schaftlichen Flächen hat.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein besinnliches
Fest und uns gemeinsam einen neuen, auf soziale Ge-
rechtigkeit orientierten Neuanfang im vor uns liegenden
Millennium.
Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär beim Bun-
desminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten:
Das Treuhandgesetz schreibt vor, daß das volkseigene
Vermögen zu privatisieren ist. Zudem wird in § 1 Abs. 6
ausgeführt, daß für die Privatisierung in der Land-
und Forstwirtschaft den ökonomischen, ökologischen,
strukturellen und eigentumsrechtlichen Besonderheiten
dieses Bereichs Rechnung zu tragen ist.
Die Bundesregierung vertritt den Standpunkt, daß vor
dem Hintergrund dieser Regelungen keine Änderung des
Treuhandgesetzes – wie von der PDS gefordert – erfor-
derlich ist. Und: Die vorgeschlagene Änderung geht an
den berechtigten Interessen der landwirtschaftlichen
Unternehmen in den neuen Ländern vorbei.
Das ist deshalb nicht notwendig, weil die Privatisie-
rung im Agrarbereich in der Treuhandrichtlinie für die
Durchführung der Verwertung und Verwaltung von
volkseigenen land- und forstwirtschaftlichen Flächen ge-
regelt ist. In dieser Richtlinie vom 22. Juni 1993 ist ge-
regelt, daß die Bewirtschaftungsbenachrichtigungen in
langfristige Pachtverträge umgewandelt werden. Das ist
bekanntlich in Tausenden von Fällen geschehen.
Bekanntlich wurden die landwirtschaftlichen Flächen
grundsätzlich langfristig, und zwar in der Regel für
zwölf Jahre, verpachtet. Zudem ist bekannt, daß die
Bundesregierung im Februar dieses Jahres beschlossen
hat, diese Pachtverträge grundsätzlich auf 18 Jahre zu
verlängern.
Mit der Möglichkeit, die Verpachtung auf 18 Jahre zu
verlängern, ist eine klare Perspektive für die landwirt-
schaftlichen Betriebe gegeben, die aus wirtschaftlichen
Erwägungen noch nicht kaufen wollen. Bisher sind
3 288 Anträge auf Verlängerung von Pachtverträgen für
eine Fläche von rund 400 000 Hektar eingegangen.
Damit hat bisher etwa ein Viertel der landwirtschaft-
lichen Betriebe entsprechende Anträge über weniger als
die Hälfte der Gesamtfläche gestellt.
Das läßt den Schluß zu, daß ein Teil der Pächter das
Angebot der Bundesregierung angenommen hat. Für die
Mehrzahl der Unternehmen ist offensichtlich die langfri-
stige Verpachtung von insgesamt zwölf Jahren ausrei-
chend! Es besteht ein ausgeprägtes Kaufinteresse, das
auch von der PDS nicht negiert werden kann.
Aus diesem Grund wäre die Realisierung des PDS-
Antrags sogar kontraproduktiv. Bekanntlich verfolgt die
Bundesregierung mit dem Flächenerwerbsprogramm das
Ziel, durch günstigen Kauf von land- und forstwirt-
schaftlichen Flächen eine gesicherte Perspektive für die
betriebliche Entwicklung der Unternehmen zu schaffen.
Die PDS fordert in ihrem Antrag auch die Bestellung
von Erbbaurechten. Nach Auffassung der Bundesregie-
rung machen Erbbaurechtsverträge wenig Sinn, da diese
den Zweck haben, eine Bebauung zu ermöglichen. Dies
ist aber bei landwirtschaftlichen Nutzflächen nicht ge-
plant.
Soweit landwirtschaftliche Gebäude errichtet werden
sollen, dürfte der Kaufpreis für die Gebäudeflächen kei-
ne erhebliche Rolle spielen. Im übrigen hat die BVVG
vor mehreren Jahren ein Mittelstandsprogramm geschaf-
fen, das für die Errichtung von Gewerbebauten eine Flä-
chenbereitstellung auf der Basis von Erbbaurechten vor-
sah. Die Resonanz hierauf war so gering, daß Erbbau-
rechtsverträge nicht abgeschlossen wurden.
Auf einen weiteren Punkt des PDS-Antrags möchte
ich noch eingehen: auf die Preisproblematik. Der
Kostenvergleich ist ausschließlich auf den EALG-Preis
gestützt. Tatsächlich wird aber ein beachtlicher Teil der
Flächen zum Verkehrswert verkauft. Nach Kalkulatio-
nen der Forschungsanstalt für Landwirtschaft wird da-
von ausgegangen, daß rund 300 000 Hektar zum – höhe-
ren – Verkehrswert verkauft werden. Dies wird beim
Kostenvergleich nicht berücksichtigt.
Anlage 9
Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung
Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben
mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EU-
Vorlagen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische
Parlament zur Kenntnis genommen oder von einer Be-
ratung abgesehen hat.
Auswärtiger Ausschuß
Drucksache 14/1276 Nr. 1.7
Innenausschuß
Drucksache 14/1342 Nr. 1.2
Rechtsausschuß
Drucksache 14/342 Nr. 1.5Drucksache 14/488 Nr. 1.1Drucksache 14/1188 Nr. 2.4Drucksache 14/1342 Nr. 1.13Drucksache 14/1579 Nr. 2.1Drucksache 14/1778 Nr. 1.1
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Dezember 1999 7357
(A) (C)
(B) (D)
Finanzausschuß
Drucksache 14/342 Nr. 2.21Drucksache 14/1617 Nr. 2.7Drucksache 14/1778 Nr. 2.17
Haushaltsausschuß
Drucksache 14/1936 Nr. 1.1Drucksache 14/1936 Nr. 1.13
Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaftund Forsten
Drucksache 14/1708 Nr. 2.3Drucksache 14/1778 Nr. 2.2Drucksache 14/1778 Nr. 2.3Drucksache 14/1778 Nr. 2.4Drucksache 14/1778 Nr. 2.7Drucksache 14/1778 Nr. 2.12Drucksache 14/1778 Nr. 2.16Drucksache 14/1778 Nr. 2.18
Ausschuß für Umwelt, Naturschutzund Reaktorsicherheit
Drucksache 14/1276 Nr. 1.3Drucksache 14/1276 Nr. 2.21Drucksache 14/1617 Nr. 2.24Drucksache 14/1617 Nr. 2.32
Ausschuß für Bildung, Forschungund Technikfolgenabschätzung
Drucksache 14/1617 Nr. 2.16Drucksache 14/1708 Nr. 2.12
Ausschuß für die Angelegenheitender Europäischen Union
Drucksache 14/272 Nr. 204Drucksache 14/488 Nr. 1.2Drucksache 14/595 Nr. 1.1Drucksache 14/671 Nr. 1.8Drucksache 14/1188 Nr. 1.2Drucksache 14/1188 Nr. 1.4Drucksache 14/1342 Nr. 1.3Drucksache 14/1342 Nr. 1.4Drucksache 14/1342 Nr. 1.12Drucksache 14/1342 Nr. 2.3Drucksache 14/1579 Nr. 1.3Drucksache 14/1579 Nr. 1.10
Der Bundesrat hat in seiner 745. Sitzung am 26. No-
vember 1999 beschlossen, der Bundesregierung wegen
der Haushaltsrechnung und Vermögensrechnung des
Bundes für das Haushaltsjahr 1998 (Jahresrechnung
1998) aufgrund der Bemerkungen des Bundesrechnungs-
hofes Entlastung gemäß Artikel 114 des Grundgesetzes
und § 114 der Bundeshaushaltsordnung zu erteilen.
Die Fraktion der F.D.P. hat mit Schreiben vom
13. Dezember 1999 ihren Antrag „Rücktritt der EU-
Kommission als Chance für einen kompletten Neube-
ginn“ – Drucksache 14/643 – zurückgezogen.
Die Fraktion der CDU/CSU hat mit Schreiben vom
14. Dezember 1999 ihren Antrag „Gegen den Mißbrauch
von Kindern als Soldaten“ – Drucksache 14/310 – zu-
rückgezogen.
Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben
mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2
der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu der
nachstehenden Vorlage absieht:
Auswärtiger Ausschuß
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Bericht der Bundesregierung zum Stand der Bemühun-gen um Rüstungskontrolle, Abrüstung und Nichtver-breitung sowie über die Entwicklung der Streitkräfte-potentiale (Jahresabrüstungsbericht 1998)
– Drucksachen 14/810, 14/1187 Nr. 1.1 –
– Unterrichtung durch die Delegation der Interparlamenta-rischen Gruppe der Bundesrepublik Deutschland
über die 99. Interparlamentarische Konferenz vom 6. bis11. April 1998 in Windhuk
– Drucksachen 13/11346, 14/69 Nr. 1.11 –
Haushaltsausschuß
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Haushaltsführung 1999
Überplanmäßige Ausgabe im Einzelplan 23 – Kapitel23 02 Titel 686 25 – Nahrungsmittel-, Not- und Flücht-lingshilfe;
Nothilfemaßnahmen aufgrund der Erdbebenkatastrophein der West-Türkei
– Drucksache 14/1665, 14/1935 Nr. 1 –
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Haushaltsführung 1999
Überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 10 04 Titel 682 04– Von der EU nicht übernommene Marktordnungsaus-gaben – bis zur Höhe von 49 920 TDM
– Drucksache 14/1791, 14/1935 Nr. 2 –
Ausschuß für die Angelegenheiten der EuropäischenUnion
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Bericht der Bundesregierung über ihre Bemühun-gen zur Stärkung der gesetzgeberischen Befugnisse desEuropäischen Parlaments 1998
– Drucksache 14/439 –
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
59. Bericht der Bundesregierung über die Integration derBundesrepublik Deutschland in die Europäische Union(Berichtszeitraum: 1. Januar bis 31. Dezember 1998)
– Drucksachen 14/711, 14/1012 Nr. 2 –
Ausschuß für Kultur und Medien
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Bericht der Bundesregierung zur Auswärtigen Kultur-politik 1998
– Drucksachen 14/1266, 14/1577 Nr. 3 –
7358 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Dezember 1999
(A) (C)
(B) (D)