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*) Die Redebeiträge werden in einem Nachtrag zu diesem
Plenarprotokoll abgedruckt.
**) Die Redebeiträge werden in einem Nachtrag zu diesem
Protokoll abgedruckt.
Klaus Riegert
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 1999 7193
(A) (C)
(B) (D)
Anlagen zum Stenographischen Bericht
Anlage 1
Liste der entschuldigten Abgeordneten
Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich
Dr. Bauer, Wolf CDU/CSU 15.12.99
Beck (Köln), Volker BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
15.12.99
Dr. Blüm, Norbert CDU/CSU 15.12.99
Bulmahn, Edelgard SPD 15.12.99
Ernstberger, Petra SPD 15.12.99
Fischer (Frankfurt),
Joseph
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
15.12.99
Gebhardt, Fred PDS 15.12.99
Dr. Geißler, Heiner CDU/CSU 15.12.99
Göllner, Uwe SPD 15.12.99
Hasenfratz, Klaus SPD 15.12.99
Dr. Haussmann, Helmut F.D.P. 15.12.99
Jäger, Renate SPD 15.12.99
Dr. Kohl, Helmut CDU/CSU 15.12.99
Leidinger, Robert SPD 15.12.99
Michels, Meinolf CDU/CSU 15.12.99
Müller (Düsseldorf),
Michael
SPD 15.12.99
Nahles, Andrea SPD 15.12.99
Ohl, Eckhard SPD 15.12.99
Ost, Friedhelm CDU/CSU 15.12.99
Rühe, Volker CDU/CSU 15.12.99
Dr. Rüttgers, Jürgen CDU/CSU 15.12.99
Schaich-Walch, Gudrun SPD 15.12.99
Scheffler, Siegfried Willy SPD 15.12.99
Schmitz (Baesweiler),
Hans Peter
CDU/CSU 15.12.99
Seehofer, Horst CDU/CSU 15.12.99
Simm, Erika SPD 15.12.99
Steiger, Wolfgang CDU/CSU 15.12.99
Dr. Struck, Peter SPD 15.12.99
Dr. Volmer, Ludger BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
15.12.99
Wiese (Hannover), Heino SPD 15.12.99
Wimmer (Neuss), Willy CDU/CSU 15.12.99
Zierer, Benno CDU/CSU 15.12.99 *)
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* für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versamm-
lung des Europarates
Anlage 2
Antwort
der Parl. Staatssekretärin Christa Nickels auf die Fragen
des Abgeordneten Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn)
(CDU/CSU) (Drucksache 14/2325 Fragen 1 und 2).
Wie ist der weitere Zeitplan der Verhandlungen zur Formu-lierung des so genannten Cartagena-Protokolls, einem interna-tionalen Abkommen über die grenzüberschreitende Verbringungvon gentechnisch veränderten Organismen (Biosafety-Proto-koll)?
Wie will die Bundesregierung sicherstellen, daß durch diesesBiosafety-Protokoll die Erforschung, die Herstellung und derVertrieb von biotechnisch hergestellten Arzneimitteln nicht be-hindert wird?
Zu Frage 1:
Das Biosicherheits-Protokoll ist an die Konvention
über die Biologische Vielfalt angebunden. Die Verhand-
lungen zum Protokoll werden deshalb im Rahmen der
Vertragsstaatenkonferenz zur Konvention geführt.
Eine außerordentliche Vertragsstaatenkonferenz tritt
im Januar (20. bis 28.) in Montreal/Kanada zusam-
men. Ihr einziges Ziel ist die Einigung über das Bio-
sicherheits-Protokoll. Die EU wird dort gemeinsam auf-
treten. Sie hat die Grundzüge ihrer Verhandlungsposi-
tion 13. Dezember 1999 im EU-Umweltrat durch die
Annahme von Schlußfolgerungen („Council Conclu-
sions“) festgelegt. Zur weiteren Vorbereitung auf die
wichtigsten strittigen Punkte werden sich die Experten
der Mitgliedstaaten Anfang Januar (10. und 11. Januar
2000) in Brüssel treffen. Letztlich werden aber die Ent-
scheidungen je nach Gang der Verhandlungen vor Ort in
Montreal getroffen werden müssen. Das macht intensive
Koordinierungen innerhalb der EU während der Ver-
handlungen nötig.
Zu Frage 2:
Das Biosicherheits-Protokoll soll den grenzüber-
schreitenden Verkehr mit LMO (gentechnisch verän-
derten Organismen) regeln. Arzneimittel sind in der Re-
gel keine Organismen, sondern Stoffe. Ein Protokoll
würde deshalb allenfalls einige wenige Arzneimittel be-
treffen, insbesondere Impfstoffe. Wir reden also über ein
sehr begrenztes Thema.
Die Erforschung und Herstellung von Impfstoffen ist
in aller Regel nicht mit grenzüberschreitenden Vor-
gängen verbunden. Relevant werden könnte ein Bio-
sicherheits-Protokoll somit nur für den internationalen
Handel mit Impfstoffen.
Nach Artikel 4 Abs. 2 Buchstabe a) des aktuellen
Protokollentwurfs sind Humanarzneimittel, also hier
Humanimpfstoffe, ausdrücklich vom Regelungsbereich
des Protokolls ausgenommen. Das ist richtig und soll
nach Meinung der Bundesregierung so bleiben. Um-
weltauswirkungen sind bei solchen Arzneimitteln in
aller Regel nicht zu erwarten. Außerdem werden Sicher-
heitsaspekte grundsätzlich von anderen Vorschriften
hinreichend abgedeckt.
7194 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 1999
(A) (C)
(B) (D)
Die Vorschriften des Protokolls sollen somit, was
Arzneimittel angeht, allein für den internationalen Han-
del mit Tierimpfstoffen gelten. Das ist wegen der hier
möglichen intensiven Umweltrelevanz, z. B. offen aus-
gelegten Tollwutimpfstoffen, sachgerecht.
Anlage 3
Antwort
des Staatsministers Dr. Michael Naumann auf die Fra-
gen des Abgeordneten Hans-Joachim Otto (Frankfurt
[F.D.P.]) (Drucksache 14/2325 Fragen 3 und 4):
Ist es mit der Rechtsaufsicht des Beauftragten der Bundesre-gierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien,Staatsminister Dr. Michael Naumann, über die Deutsche Welle(DW) vereinbar, daß dieser anläßlich seines „spontanen“ Be-suchs der Deutsche Welle-tv in Berlin am 8. Dezember 1999 denUmzug der DW in den Schürmann-Bau in Bonn als Unfug be-zeichnet und gleichzeitig die DW vor einer Zusammenarbeit mitprivatwirtschaftlichen Unternehmen zur Verringerung der Tech-nik-Kosten gewarnt hat?
Welche Aufgabe mißt die Bundesregierung den Gremien der„Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas“ zu, wennbereits vor deren Konstituierung der Beauftragte der Bundesre-gierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien,Dr. Michael Naumann, detaillierte Stellenausschreibungen mitBesoldungsangaben für Geschäftsführung und wissenschaftlicheMitarbeiter veröffentlicht (z. B. in der ZEIT vom 2. Dezember1999)?
Zu Frage 3:
Es handelt sich beim Besuch von Staatsminister
Dr. Michael Naumann bei der Deutschen Welle-tv am
8. Dezember 1999 um alles andere als einen ,,spontanen
Besuch“, sondern um einen bereits seit Monaten
geplanten Termin auf Einladung der Leitung der Berlin-
Redaktion der Deutschen Welle. Entsprechende Mel-
dungen, z. B. in der ,,Welt“, sind also falsch. Auf Ein-
ladung der Bonner TV-Redaktion der DW hatte er im
vorigen Sommer auch die dortige Redaktion besucht.
Zum Umzug: Staatsminister Dr. Michael Naumann hat
bereits in der Vergangenheit nie ein Hehl daraus gemacht,
daß er den Umzug der Deutschen Welle von Köln in den
Schürmann-Bau nach Bonn aus Kostengründen – und
auch im Hinblick auf die Belastung der Redaktion – für
falsch halte. Bei dieser Haltung bleibt er – auch er hat ein
Recht auf freie Meinungsäußerung. Im übrigen respektiert
er selbstverständlich die Entscheidung des Parlaments. Er
wird sie nicht revidieren können.
Der Staatsminister Dr. Michael Naumann hat bei dem
Besuch der Deutschen Welle in Berlin darauf hingewie-
sen, daß die Vermietung der technischen Ressourcen der
Deutschen Welle an private Unternehmer seines Wis-
sens vom Verwaltungsrat genehmigt werden müsse und
zu Wettbewerbsverzerrungen führen könnte. Die haus-
haltswirtschaftliche Selbständigkeit der Deutschen Welle
wird von ihm nicht in Zweifel gezogen.
Zu Frage 4:
Der Beschluß des Deutschen Bundestages vom
25. Juni 1999 (BT-Drucksache 14/1238) enthält u. a. die
Absichtserklärung, daß die Stiftung noch in diesem Jahr
ihre Arbeit aufnehmen soll.
Der Deutsche Bundestag hat in diesem Sinne am
11. November 1999 die Bundesregierung gebeten, ,,als
vorläufigen organisatorischen Rahmen für die Aufbau-
phase eine unselbständige Stiftung des öffentlichen
Rechts im Geschäftsbereich des Bundeskanzlers zu
errichten“ (BT-Drucksache 14/2014).
Die Arbeitsaufnahme setzt die Einstellung von Perso-
nal voraus. Deshalb wurde ein vorläufiger Wirtschafts-
plan mit Stellenplan erstellt. Auf dieser Grundlage
erfolgte die Ausschreibung der Geschäftsführerin/des
Geschäftsführers und der beiden wissenschaftlichen
Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter mit dem ausdrücklichen
Hinweis, daß sich die Bereitstellung der Stellen im
parlamentarischen Verfahren befinde.
Gemäß § 6, Abs. 2 des Errichtungserlasses wird die
Geschäftsführerin/der Geschäftsführer vom Kuratorium
bestellt. Die Bundesregierung wird dem Kuratorium in
einer zweiten Sitzung, die voraussichtlich im Januar
2000 stattfindet, das Ergebnis der Ausschreibung zur
Entscheidung vorlegen.
Anlage 4
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Lothar Ibrügger auf die Frage
des Abgeordneten Wolfgang Börnsen (Bönstrup)
(CDU/CSU) (Drucksache 14/2325 Frage 5):
Ist die Bundesregierung bereit, angesichts der Ereignisse beider Havarie der „Pallas“ vor einem Jahr sowie der aktuellen ma-ritimen Krisensituationen in Nord- und Ostsee, einen Dauerver-trag mit dem einzigen deutschen Hochseeschlepper „Oceanic“abzuschließen, wie es auch Experten für den deutschen Küsten-schutz einstimmig fordern, und in welcher Größenordnung wirdsie diesbezügliche Bundesmittel im kommenden Jahr einsetzen?
Zur Entscheidung über die weitere Verfahrensweise
bei der Vorhaltung von Notschleppkapazität soll in
Auswertung des Unfalles des Holzfrachters „Pallas“
nach Vorlage des Berichtes der zu diesem Unfall einge-
setzten unabhängigen Expertenkommission entschieden
werden. Bis zu diesem Zeitpunkt soll die Vorhaltung
von Notschleppkapazität in der bisher gehandhabten
Form weitergeführt werden. Für einen in der Frage an-
gesprochenen Dauervertrag ist aus vergaberechtlichen
Gründen ein erneutes europaweites Vergabeverfahren
durchzuführen. Der Zuschlag ist gemäß den Vergabebe-
dingungen dann dem wirtschaftlich günstigsten Angebot
zu erteilen, so daß nicht von vornherein eine Entschei-
dung für einen bestimmten Schlepper (hier z. B. „Ocea-
nic“) getroffen werden kann. Die Größenordnung der
diesbezüglich einzusetzenden Bundesmittel richtet sich
nach den dann bestehenden Erfordernissen.
Anlage 5
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Lothar Ibrügger auf die Fra-
gen des Abgeordneten Wolfgang Dehnel (CDU/
CSU) (Drucksache 14/2325 Fragen 8 und 9):
Wie begründet die Bundesregierung die deutlich geringereMittelbereitstellung für das Land Sachsen im Rahmen des Inve-stitionsprogramms für Bundesfernstraßen 1999 bis 2002 bzw.nach 2002 gegenüber den anderen ostdeutschen Flächenländern?
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 1999 7195
(A) (C)
(B) (D)
Warum werden für Sachsen nur ca. ein Drittel der MittelThüringens, ca. zwei Drittel der Mittel Sachsen-Anhalts bzw. dieHälfte der Mittel Mecklenburg-Vorpommerns bereitgestellt?
Die Fragen werden im Zusammenhang beantwortet.
Die im Investitionsprogramm 1999 – 2002 ausgewie-
senen Mittel schließen die vorgesehenen Investitionen
für die Verkehrsprojekte Deutsche Einheit (VDE) ein.
Der Finanzrahmen Sachsens außerhalb der VDE liegt
mit rund 25 Prozent an der Spitze aller neuen Länder.
Das entspricht auch etwa dem Anteil der jährlichen
Mittelzuweisung für Bedarfsplan-Maßnahmen entspre-
chend der „BVWP-Quote ohne VDE“ für die neuen
Länder. Was die Aufteilung der VDE-Mittel anbelangt,
so werden diese projektbezogen und nicht nach dem für
die übrigen Bedarfsplan-Maßnahmen zugrundeliegenden
„Quotenkriterium“ eingeplant.
In dem Zusammenhang wird darauf verwiesen, daß
von den bis 1988 rund 10,5 Milliarden DM in den alten
und neuen Bundesländern zur Verfügung gestellten
VDE-Mitteln Sachsen mit über 2 Milliarden DM, das
heißt rund 20 Prozent, weit überproportional VDE-
Mittel erhalten hat. Damit konnte Sachsen die vorge-
sehenen VDE-Strecken schon zu rund zwei Dritteln
finanzieren, während bezogen auf alle VDE-Strecken
der Finanzierungsgrad bei rund ein Drittel liegt.
Anlage 6
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Lothar Ibrügger auf die Frage
des Abgeordneten Josef Hollerith (CDU/CSU) (Druck-
sache 14/2325 Frage 11):
Inwieweit ist eine Vorfinanzierung durch die Länder fürBundesfernstraßen möglich und wie kann die Rückzahlung aus-sehen?
Eine Vorfinanzierung von in der Baulast des Bundes
stehenden Maßnahmen an Bundesfernstraßen durch die
Länder ist aus finanzverfassungsrechtlichen Gründen
nicht möglich.
Die Bundesfernstraßen (Bundesautobahnen und son-
stige Bundesstraßen des Fernverkehrs) werden nach Ar-
tikel 90 Abs. 2 GG von den Ländern im Auftrag des
Bundes verwaltet. Für diese von der Verfassung vorge-
gebene Verwaltungsart schreibt Artikel 104a Abs. 2 GG
vor, daß der Bund die Ausgaben für Bau und Unterhal-
tung von Bundesfernstraßen zu tragen hat, wohingegen
die Länder lediglich für die bei ihren Behörden entste-
henden Verwaltungsausgaben aufzukommen haben (Ar-
tikel 104a Abs. 5 S. 1 GG). Diese strikte Zuständigkeits-
regelung über die Aufgaben- und Finanzverantwortung
ist kein dispositives, sondern durch Bund, Länder und
Kommunen strikt zu beachtendes Recht.
Eine Vorfinanzierung von Maßnahmen an Bundes-
fernstraßen durch die Länder würde nicht nur künftige
Bundeshaushalte hinsichtlich der Refinanzierung präju-
dizieren, sondern könnte auch dazu führen, daß die Län-
der ihnen verfassungsrechtlich nicht zukommende Mit-
sprachenrechte einfordern mit der Folge, daß Abhängig-
keiten und Zwänge im Verhältnis zwischen Bund und
Land geschaffen würden, die mit der Verfassung und der
hierzu ergangenen Rechtsprechung des Bundesverfas-
sungsgerichts nicht vereinbar sind (vergleiche Entschei-
dung in BVerfGE 39, 96 [109]).
Anlage 7
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Fritz Rudolf Körper auf die
Frage des Abgeordneten Dr. Hans-Peter Uhl (CDU/
CSU) (Drucksache 14/2325 Frage 17)
Trifft es nach den Erkenntnissen der Bundesregierung zu,daß die Republik Italien ihren Verpflichtungen aus dem Schen-gener Abkommen nicht nachkommt, wonach Italien als der fürdas Asylverfahren zuständige erstaufnehmende Vertragsstaatverpflichtet ist, bei der zunehmenden Zahl von irakischen Kur-den, die von Istanbul aus von Schleusern über Land und zur Seenach Italien verbracht und von dort auf Güterzügen und Last-kraftwagen nach Deutschland geschleust werden, diese zurück-zunehmen, und bei negativem Ausgang des Asylverfahrens fürderen Rückführung in ihr Heimatland zu sorgen hat, und wennja, was gedenkt die Bundesregierung zu tun, damit die RepublikItalien ihren Verpflichtungen nachkommt?
Die Zuständigkeit eines Mitgliedstaates der Euro-
päischen Union für die Prüfung eines auf dem Gebiet
der Mitgliedstaaten gestellten Asylantrages richtet sich
nach den Regelungen des Dubliner Übereinkommens.
Dieses Übereinkommen ist für Deutschland am 1. Sep-
tember 1997 in Kraft getreten und hat die im wesent-
lichen inhaltsgleichen Bestimmungen des Schengener
Durchführungsübereinkommens ersetzt. Nach dem
Dubliner Übereinkommen ist ein Mitgliedstaat unter
anderem dann für die Asylantragsprüfung zuständig,
wenn der Asylbewerber aus einem Drittstaat kommend
die Grenze dieses Mitgliedstaates nachweislich illegal
auf dem Land-, See- oder Luftweg überschritten hat.
Bei Schleusungen irakischer Kurden auf das Gebiet
der Europäischen Union auf dem Landweg ist Italien
daher für die Prüfung etwaiger Asylanträge dieser Per-
sonen zuständig, wenn diese nachweislich die italieni-
sche Außengrenze überschritten haben ohne vorher in
einen anderen Mitgliedstaat der EU eingereist zu sein.
Erfolgt die Schleusung nach Italien auf dem Landweg
etwa über Griechenland, wäre nach dem Dubliner Über-
einkommen Griechenland für die Prüfung von Asylan-
trägen zuständig.
Im Verhältnis zu Italien wird das Dubliner Überein-
kommen seit seinem Inkrafttreten angewendet. Für eine
bewußte Verletzung der vertraglichen Verpflichtungen
durch Italien liegen der Bundesregierung keine Nach-
weise vor. Auftretende Vollzugsprobleme sind Gegen-
stand laufender bilateraler Gespräche! Die Bundesregie-
rung ist dabei bemüht, im gebotenen partnerschaftlichen
Zusammenwirken mit der italienischen Regierung dar-
auf hinzuwirken, den Vollzug des Dubliner Überein-
kommens seitens der italienischen Behörden zu optimie-
ren.
7196 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 1999
(A) (C)
(B) (D)
Anlage 8
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Fritz Rudolf Körper auf die
Frage des Abgeordneten Gerald Weiß (Groß-Gerau)
(CDU/CSU) (Drucksache 14/2325 Frage 18):
Beabsichtigt die Bundesregierung nach den heftigen Prote-sten aus der Bevölkerung und des Deutschen Roten Kreuzes ih-ren Beschluß zu revidieren, die Förderung der Ausbildung derBevölkerung in Erster Hilfe im Haushaltsjahr 2000 deutlich zureduzieren und ab dem Haushaltsjahr 2001 auf einem vollkom-men unzureichenden Niveau fortzuführen?
Das Bundeskabinett hat in seiner Sitzung am
23. Juni 1999 den Regierungsentwurf zum Haushalt
2000 und zur Finanzplanung bis zum Jahre 2003 gebil-
ligt und ein umfangreiches Sparpaket beschlossen. Da-
nach soll auch die Förderung der Erste-Hilfe-Kurse
nach einem Übergangsjahr ab 1. Januar 2001 ganz ein-
gestellt werden. Die Bundesregierung hält an dieser
Absicht fest, denn der Zivilschutz, und als Teil davon
die Erste-Hilfe-Ausbildung, konnte bei der notwendi-
gen Sanierung des Staatshaushalts von der Lastenver-
teilung nicht ausgenommen werden. Hierüber wurden
die Hilfsorganisationen mit Schreiben vom 23. Juni
1999 unterrichtet.
Die Mittelansätze für die Jahre 2000 und 2001 (Re-
duzierung 2000 auf 3,3 Millionen DM und Einstellung
der Mittelzuwendung des Bundes für die Erste-Hilfe-
Ausbildung ab dem Jahr 2001) sind von Parlament und
Bundesrat bestätigt worden. Mit den für 2000 vorgese-
henen 3,3 Millionen DM soll den Organisationen der
Übergang der Aufgaben im Rahmen der Ausbildung der
Bevölkerung in Erster Hilfe erleichtert werden. Es wird
ferner darüber nachgedacht, ab dem Haushaltsjahr 2001
eine Multiplikatorenausbildung als Kernprogramm fort-
zuführen. Hierzu wurde am 10. dieses Monats ein Ge-
spräch mit den Hilfsorganisationen geführt. Zunächst
sind weitere Gespräche zwischen dem Bundesamt für
Zivilschutz und den Hilfsorganisationen zur Ausgestal-
tung dieses Programms vereinbart.
Schließlich ist zu berücksichtigen, daß die Zuwen-
dungen des Bundes zur Ausbildung in Erster Hilfe
ausschließlich unter dem Gesichtspunkt der Vorberei-
tung der Bevölkerung auf einen eventuellen Verteidi-
gungsfall erfolgen. Da dieser Fall nach derzeitiger
Einschätzung sehr unwahrscheinlich geworden ist,
sind nach der verfassungsrechtlichen Kompetenzver-
teilung zwischen Bund und Ländern in erster Linie die
Länder hinsichtlich einer finanziellen Förderung ge-
fragt.
Darüber hinaus kommt der Bund seiner in § 18
Zivilschutzgesetz geforderten Mitwirkung bei der
Ausbildung der Bevölkerung in Erster Hilfe auch da-
durch nach, daß er in bisheriger Höhe weiterhin Zu-
wendungen zur Ausbildung von Pflegehilfskräften
gewährt.
Anlage 9
Antwort
der Parl. Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks auf die
Fragen des Abgeordneten Ernst Hinsken (CDU/CSU)
(Drucksache 14/2325 Fragen 28 und 29):
Wie viel Liter Kraftstoffe sind vom 1. Januar 1998 bis31. Oktober 1998 und vom 1. Januar 1999 bis 31. Oktober 1999aufgeschlüsselt nach Diesel und den verschiedenen Benzinsortenin Deutschland verkauft worden?
Wie hoch war vom 1. Januar 1998 bis 31. Oktober 1998 undvom 1. Januar 1999 bis 31. Oktober 1999 der durchschnittlicheVerkaufspreis für einen Liter Kraftstoff aufgeschlüsselt nachDiesel und den verschiedenen Benzinsorten und die darin ent-haltene Mineralölsteuer sowie Mehrwertsteuer?
Zu Frage 28:
Kraftstoffabsatz
1998
Januar bis Oktober
– Liter –
1999
Januar bis Oktober
– Liter –
Veränderung in %
Ottokraftstoffe
– Normal ........................................ 12 114 978 11 605 906 – 4,4
– Super Plus ................................... 1 773 680 1 586 201 –11,8
– Super ........................................... 20 052 623 20 572 685 + 2,5
Dieselkraftstoff ............................... 26 892 141 28 090 490 + 4,3
Summe ............................................ 60 833 422 61 855 282 + 1,7
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 1999 7197
(A) (C)
(B) (D)
Zu Frage 29:
Durchschnittliche Tankstellenpreise und darin enthaltene Mineralöl- und Mehrwertsteuer
1998
Januar bis Oktober
1999
Januar bis März
1999
April bis Oktober
Preis
Mineral-
öl-
Steuer
MwSt Preis
Mineral-
öl-
Steuer
MwSt Preis
Mineral-
öl-
Steuer
MwSt
Pf/Liter
Ottokraftstoffe
– Normal ......................................... 154,5 98 21,3 149,1 98 20,6 167,3 104 23,1
– Super Plus .................................... 162,7 98 22,4 157,1 98 21,7 175,3 104 24,2
– Super ............................................ 159,5 98 22,0 154,0 98 21,2 172,1 104 23,7
Dieselkraftstoff ................................ 115,5 62 15,9 109,1 62 15,0 127,0 68 17,5
Anmerkung: 1999 aufgeteilt wegen Mineralölsteuererhöhung zum 1. April 1999
Anlage 10
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Siegmar Mosdorf auf die Frage
des Abgeordneten Jörg van Essen (F.D.P.) (Drucksache
14/2325 Fragen 39 und 40):
Welche Nachteile für die regionale Wirtschaftsförderungwird die „Holzmann-Rettung“ nach sich ziehen angesichts derTatsache, daß der Bundesminister der Finanzen, Hans Eichel,bei Verhandlungen mit der EU-Kommission auf einen Teil derregionalen Wirtschaftsförderung verzichtet hat, und inwieweitwerden dadurch gerade die strukturschwachen neuen Bundes-länder benachteiligt werden?
Welche Subunternehmen, die in den neuen Bundesländernangesiedelt sind, hat die Firma Philipp Holzmann AG, undwelche Zulieferer aus den neuen Bundesländern könnten von der„verschleppten“ Pleite in Zukunft betroffen werden?
Zu Frage 39:
Durch die Holzmann-Rettung entstehen keine Nach-
teile für die regionale Wirtschaftsförderung.
Für die strukturschwachen neuen Bundesländer bringt
der Fall Holzmann schon deshalb keine Nachteile mit
sich, weil diese Förderung im Rahmen der Gemein-
schaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirt-
schaftsstruktur“ bereits vor dem Eintreten der Bundesre-
gierung für die Firma Holzmann von der Europäischen
Kommission bis zum Jahr 2003 antragsgemäß für alle
ostdeutschen Arbeitsmarktregionen genehmigt worden
ist.
BM Eichel hat auch nicht auf einen Teil der regiona-
len Wirtschaftsförderung verzichtet. Vielmehr hat die
Kommission der Europäischen Gemeinschaften im
Rahmen eines beihilferechtlichen Prüfverfahrens und
nach dem Eintreten von BM Eichel für den vom Bund-
Länder-Planungsausschuß verabschiedeten Bevölkerungs-
plafond von 23,4 Prozent mitgeteilt, daß ihrer Ansicht
nach der zur Notifizierung vorgelegte westdeutsche För-
derplafond nicht mit den europäischen beihilferecht-
lichen Bestimmungen vereinbar sei. Sie hat deshalb nur
einen reduzierten Fördergebietsplafond von 17,6 Prozent
der Bevölkerung genehmigt.
Die Bundesregierung hält weiterhin an ihrer Auffas-
sung fest, daß Deutschland ein Anspruch auf ein Förder-
gebiet von 23,4 Prozent der Bevölkerung zusteht, da
dies dem Ergebnis des von der Kommission verwende-
ten Berechnungsverfahrens entspricht. BM Eichel hat
gegenüber Kommissar Monti bei dessen Besuch in Ber-
lin angekündigt, daß sich die Bundesregierung deshalb
eine Klage vor dem EuGH vorbehalte.
Zu Frage 40:
Eine Darstellung der betroffenen Subunternehmen
kann nur zahlenmäßig erfolgen. Auf eine namentliche
Nennung muß aus dem Grund der Währung von Ge-
schäftsgeheimnissen verzichtet werden, aber auch, weil
Unternehmen wirtschaftlicher Schaden drohen könnte,
wenn ihre Namen in der Öffentlichkeit als Nachunter-
nehmen bekannt werden.
Da Holzmann in den neuen Ländern mit den Direk-
tionen Nord, Ost und Mitte tätig ist und dort nahezu ein
Drittel seiner gesamten inländischen Bauleistung erzielt,
wären dort überproportional viele mittelständische Un-
ternehmen von einer Insolvenz Holzmanns betroffen. In
den neuen Bundesländern sind mehr als 2000 Nachun-
ternehmen für Holzmann tätig. Die Anzahl schwankt
bedingt durch Baufortschritt und Auftragslage. Zum
Zeitpunkt der drohenden Insolvenz waren nach Ein-
schätzung von Holzmann ca. 500 Baufirmen mit mehr
als 20 Beschäftigten bedroht, ebenfalls insolvent zu
werden.
Anlage 11
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Siegmar Mosdorf auf die Frage
des Abgeordneten Klaus-Jürgen Hedrich (CDU/CSU)
(Drucksache 14/2325 Frage 41):
Welche Gründe hat die Bundesregierung, im Rahmen des Ver-marktungshilfeprogramms 2000 zur Förderung des Absatzesostdeutscher Produkte im Ausland in ganz Südamerika nur nochBrasilien als Zielland vorzusehen?
7198 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 1999
(A) (C)
(B) (D)
Es trifft zu, daß in der ursprünglichen Ausschreibung
zum Vermarktungshilfeprogramm 2000 als einziges
lateinamerikanisches Zielland Brasilien vorgesehen war.
Inzwischen ist auch Mexiko in das Programm 2000 mit
aufgenommen worden. Beide lateinamerikanischen Ziel-
länder waren bereits im diesjährigen Vermarktungs-
hilfeprogramm vertreten. Brasilien war auch schon in
den Jahren 1996, 1997 und im Jahre 1998 aufgrund des
umfangreichen Marktpotentials berücksichtigt worden.
Im Jahre 1997 waren auch Argentinien und Chile im
Vermarktungshilfeprogramm vertreten; Mexiko dagegen
nicht. Für die Auswahl der Zielmärkte gelten eine Reihe
von Kriterien:
– Maßgeblich sind in erster Linie die Wünsche der
potentiellen ostdeutschen Teilnehmerunternehmen selbst.
Für sie rangieren die west- und osteuropäischen Märkte
mit Abstand an erster Stelle. Starke Nachfrage herrscht
auch nach Unterstützung in den USA und Kanada. Die
asiatischen, afrikanischen und lateinamerikanischen
Märkte folgen erst mit großem Abstand in der Interes-
senskala. Ursächlich hierfür sind u.a. die große Entfer-
nung solcher Länder, der damit verbundene erhebliche
Zeitaufwand und die höheren Reise- und Aufenthaltsko-
sten. Es hat sich in der Vergangenheit gezeigt, daß aus
diesen Gründen eine ausreichende Teilnehmerzahl für
solche Märkte nicht immer zu gewinnen war und man-
gels Interesse Programme sogar abgesagt werden muß-
ten.
– Der Programmumfang wird durch die zur Verfü-
gung stehenden Finanzmittel begrenzt. Von den 20 Mil-
lionen DM, die für die Absatzförderung insgesamt zur
Verfügung stehen, entfallen über 15 Millionen DM auf
die Inlandsmesseförderung und lediglich rund 5 Millio-
nen DM auf das Vermarktungshilfeprogramm für ost-
deutsche Produkte im Ausland. Nach Abdeckung der eu-
ropäischen und nordamerikanischen Zielregionen ver-
bleibt für die anderen internationalen Regionen natur-
gemäß nur ein begrenzter Finanzrahmen.
– Trotz dieser Beschränkungen hat die Bundesregie-
rung beschlossen, in Anbetracht der positiven Erfahrun-
gen in der Vergangenheit im kommenden Jahr Brasilien
und Mexiko wieder in die Zielländer der Vermarktungs-
hilfeprogramme aufzunehmen.
Anlage 12
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Gerd Andres auf die Frage des
Abgeordneten Dr. Hans-Peter Uhl (CDU/CSU) (Druck-
sache 14/2325 Frage 43)
Ist die Bundesregierung bereit, darauf hinzuwirken, daß dieRegelung im Asylbewerberleistungsgesetz abgeschafft wird,wonach an Asylbewerber nach 36 Monaten Aufenthalt inDeutschland – auch ohne daß sie anerkannt worden wären –anstelle von Sachleistungen der auf Inländer anwendbare volleSozialhilfesatz bar ausgezahlt wird, damit im Zuge einerEU-einheitlichen Regelung eine Anpassung der hohen deutschenStandards an die der anderen EU-Partner erfolgen kann?
Aufgrund der Gesetzesinitiative des Landes Hessen
zur Streichung des § 2 Asylbewerberleistungsgesetz
(vgl. BR-Drucksache 641/99) haben inzwischen Gesprä-
che der Länder untereinander stattgefunden. Die Mei-
nungsbildung in den Ländern ist jedoch noch nicht ab-
geschlossen. Dies wurde auch bei den Beratungen des
hessischen Antrags in den Bundesratsausschüssen am
2. Dezember 1999 deutlich.
Die Durchführung des Asylbewerberleistungsgeset-
zes und die Kostentragung fallen in die Verantwortung
der Länder. Die Bundesregierung will deshalb zunächst
ein Votum der Länder abwarten, bevor sie sich zu Fra-
gen im Zusammenhang mit den Leistungen in besonde-
ren Fällen gemäß § 2 des Asylbewerberleistungsgesetzes
äußert.
Bei ihrer abschließenden Meinungsbildung wird die
Bundesregierung berücksichtigen, daß die Frage der
Höhe der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungs-
gesetz ein zentraler Punkt des Asylkompromisses vom
6. Dezember 1992 war und bei längeren Aufenthalten in
der Bundesrepublik Deutschland unvermeidlich Integra-
tionskosten entstehen.
Anlage 13
Antwort
der Parl. Staatssekretärin Brigitte Schulte auf die Fragen
des Abgeordneten Roland Claus (PDS) (Drucksache
14/2325 Fragen 48 und 49):
Wie stellt sich die Bundesregierung zur Ablehnung von Tief-flügen über dem Harz im Allgemeinen und dessen höchstemBerg, dem in einem als Nationalpark ausgewiesenen Gebietliegenden Brocken, im Besonderen, wie sie sowohl durch denInnenminister des Landes Sachsen-Anhalt als auch durch dieKreisverwaltung des Landkreises Wernigerode zum Ausdruckgebracht worden ist?
Welche Gründe haben die Bundesregierung im Herbst 1998bewogen, die Mindestflughöhengrenze von 1500 Metern überLand, die von der Vorgängerregierung festgelegt worden war,aufzuheben?
Zu Frage 48:
Der Harz gehört, wie nahezu das gesamte Gebiet der
Bundesrepublik, zu den Regionen, in denen militärischer
Tiefflug geübt wird.
Der Tiefflug am Tage wird im Grundsatz nach dem
Prinzip der freien Streckenwahl geplant und durchge-
führt, um eine größtmögliche Entflechtung des Flugbe-
triebes zu erreichen. Bei der Auftragserteilung bzw.
Vorbereitung und Durchführung von Tiefflügen wird
dem Gebot der Lärmentlastung besondere Bedeutung
zugemessen.
Die Tiefflugauswertungen zeigen auf, daß der Harz
eine Region ist, die relativ gering durch Lärm belastet
ist, der von militärischem Tiefflugbetrieb verursacht
wird.
Zu Frage 49:
Die Bundesregierung hat keine Entscheidung ihrer
Vorgängerregierung aufgehoben.
Die Mindestflughöhengrenze von 1 500 m beim
Überflug über den Brocken wurde am 11. Oktober 1999
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 1999 7199
(A) (C)
(B) (D)
lediglich auf der Ebene des Führungsstabes der Luftwaf-
fe formal aufgehoben, weil eine dauerhafte Aufrechter-
haltung vor dem Hintergrund vergleichbarer Gebiete in
der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr gerechtfer-
tigt erschien.
Da eine endgültige politische Entscheidung durch
den Bundesminister der Verteidigung ausstand, hat
bisher jedoch kein Tiefflug unterhalb von 1 500 m
stattgefunden. Dies wird auch künftig so bleiben,
nachdem der Bundesminister der Verteidigung festge-
legt hat, daß das Überflugverbot unbefristet weiter
Gültigkeit haben wird.
Über dem Brocken galt seit dem 19. Oktober 1993
ein Überflugverbot für militärische Luftfahrzeuge unter-
halb von 1 500 m über Grund in einem Umkreis von
ca. 3,7 km, um der besonderen Bedeutung der „Öffnung
des Brockengipfels“ nach der Wende und nach über
dreißigjähriger Sperrung des Gebietes Rechnung zu tra-
gen. Ausnahmen waren nur für Such- und Rettungsein-
sätze zulässig.
Der Bundesminister der Verteidigung hat entschie-
den, daß dieses Überflugverbot unbefristet weiter Gül-
tigkeit haben wird. Dies wurde der Regierung von Sach-
sen-Anhalt bereits mitgeteilt.
Anlage 14
Antwort
der Parl. Staatssekretärin Brigitte Schulte auf die Fragen
des Abgeordneten Werner Siemann (CDU/CSU)
(Drucksache 14/2325 Fragen 50 und 51):
Welchen zusätzlichen Finanzbedarf sieht die Bundesregie-rung auf der Basis der beschlossenen mittelfristigen Finanzpla-nung für die Jahre 2000 bis 2003 für die Bundeswehr vor demHintergrund der Aussage des Bundesministers der Verteidigung,Rudolf Scharping (siehe Stuttgarter Zeitung vom 20. Oktober1999), wonach die Bundeswehr einen Investitionsbedarf von30 bis 40 Mrd. DM hat?
Wie beurteilt die Bundesregierung die Empfehlung einerexternen Studie, die im Auftrag der Kommission „GemeinsameSicherheit und Zukunft der Bundeswehr“ erstellt wurde, den Sitzdes Bundesministeriums der Verteidigung nach Berlin zu verle-gen, und beabsichtigt sie, dieser Empfehlung zu folgen?
Zu Frage 50:
Nach Vorliegen der Ergebnisse der Kommission
„Gemeinsame Sicherheit und Zukunft der Bundeswehr“
wird die Bundesregierung über Auftrag, Umfang und
Ausrüstung der Bundeswehr entscheiden.
Dabei wird auch darüber zu befinden sein, über wel-
che Fähigkeiten unsere Streitkräfte zur Erfüllung der ih-
nen gestellten Aufgaben im Rahmen der neuen NATO-
Strategie verfügen müssen und wie sie die Aufgaben der
gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der Euro-
päischen Union wahrzunehmen haben.
Der hierfür erforderliche Finanzbedarf einschließlich
der Kosten zur Bewältigung der notwendigen Struktur-
anpassungen der Bundeswehr läßt sich derzeit noch
nicht beziffern.
Zu Frage 51:
Für das Bundesministerium der Verteidigung sind die
Festlegungen im Bonn/Berlin-Gesetz und der hierzu er-
gangene Beschluß der Bundesregierung maßgebend,
nach denen das Ministerium seinen 1. Dienstsitz in Bonn
hat.
Externe Studien, die im Auftrag der Kommission er-
stellt wurden, können Entscheidungen des Deutschen
Bundestages und der Bundesregierung nicht übergehen.
Allerdings muß es Experten erlaubt sein, alternative Ge-
danken darzustellen, diese hindern aber weder die
Kommission noch den Bundesverteidigungsminister.
Anlage 15
Antwort
des Staatssekretärs Wolfgang Ischinger auf die Frage
des Abgeordneten Martin Hohmann (CDU/CSU)
(Drucksache 14/2325 Fragen 15 und 16):
Ist die Bundesregierung der Meinung, daß angesichts desvon der Russischen Föderation in Tschetschenien geführten„Kolonialkrieges“ (vgl. Bundesaußenminister Joseph Fischer inFrankfurt, Merkur Newsticker vom 9. Dezember 1999 07:15MEZ) und der staatlichen Verbindung der Russischen Födera-tion mit dem Nichtmitglied des Europarates Belorußland, dieMitgliedschaft der Russischen Föderation im Europarat weiteraufrechterhalten werden kann und sollte?
Beabsichtigt die Bundesregierung angesichts der gesteigertenrussischen Aggression eine Regierungserklärung zum Thema„Tschetschenienkrieg“ abzugeben und auf diese Weise dasThema im Deutschen Bundestag zur Sprache zu bringen?
Zu Frage 15:
Rußland ist mit der Mitgliedschaft im Europarat Ver-
pflichtungen zum Menschenrechts- und Minderheiten-
schutz eingegangen, deren Einhaltung vom Europarat
überwacht wird.
Der Europarat hat deshalb zum Tschetschenienkon-
flikt von Anfang an Stellung bezogen; Generalsekretär,
Ministerkomitee und Parlamentarische Versammlung
haben sich mehrfach unmißverständlich zur humanitären
Lage in Tschetschenien geäußert und die russische Re-
gierung aufgefordert, das Prinzip der Verhältnismäßig-
keit beim Einsatz von militärischen Mitteln zu beachten
und nach einer politischen Lösung zu suchen. Zuletzt hat
sich der neugewählte Menschenrechtskommissar des
Europarats, Gil Robles, in der Region aufgehalten, um
sich ein Bild von der Lage der Zivilbevölkerung zu ma-
chen. Er hat am 9. Dezember 1999 dem Ministerkomitee
darüber Bericht erstattet. Am 10. Dezember empfing
Generalsekretär Schwimmer den Innenminister der Rus-
sischen Föderation. Diese Kontakte mit der russischen
Regierung werden fortgesetzt. Dabei verfolgt der Euro-
parat der Russischen Föderation gegenüber prinzipiell
einen kooperativen Ansatz.
Er hat Rußland seine guten Dienste bei der Suche
nach einer politischen Lösung angeboten. Der Europarat
wird hierin von der Bundesregierung unterstützt.
Allerdings hält sich der Europarat auch andere Optio-
nen offen; mittlerweile hat das Präsidium der Parlamen-
7200 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 1999
(A) (C)
(B) (D)
tarischen Versammlung des Europarats Rußland mit der
Suspendierung von der PV gedroht (13. Dezember
1999). Heute (15. Dezember 1999) wird sich das Komi-
tee der Ministerbeauftragten mit dem Tschetschenien-
konflikt befassen und eine Erklärung verabschieden, in
der Rußland noch einmal unmißverständlich aufgefor-
dert werden wird, für den Konflikt eine politische Lö-
sung zu finden.
Zu Frage 16:
Die Bundesregierung hat das Thema ,,Tschet-
schenien“ durch Unterrichtungen im Auswärtigen Aus-
schuß, zuletzt am 15. Dezember 1999 und im Ausschuß
für Menschenrechte seit Beginn der Auseinandersetzun-
gen im September 1999 regelmäßig zur Sprache ge-
bracht und ihre Haltung dargelegt.
Darüber hinaus war ,,Tschetschenien“ wiederholt
Gegenstand von Plenardebatten in diesem Hause (im
Rahmen der OSZE-Debatte am 4. November – Rede
StM Dr. Volmer –; in der Regierungsbefragung am 10.
November – Rede StMK Dr. Zöpel –; im Rahmen der
Haushalts-Debatte zum AA-Haushalt am 24. November
– Rede BM –).
Die Abgabe einer Regierungserklärung ist derzeit
nicht beabsichtigt.
Anlage 16
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Wolfgang Ischinger auf die
Fragen des Abgeordneten Hartmut Koschyk (CDU/
CSU) (Drucksache 14/2325 Fragen 13 und 14):
Ist die Bundesregierung bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daßtschechische Untersuchungsbehörden ihre Ermittlungen über einMassaker an Sudetendeutschen im Mai 1945 im westböhmi-schen Dorf Totzau unter Berufung auf das so genannte Am-nestiegesetz vom 8. Mai 1946 eingestellt haben (vgl. epd-Agenturmeldung vom 25. November 1999), und daß ein Richteram tschechischen Verfassungsgericht bestätigt hat, daß die Be-nesch-Dekrete „weiter gültig und Teil der tschechischen Rechts-ordnung“ seien sowie in Restitutionsstreitigkeiten weiter ange-wendet würden (vgl. Die Welt vom 10. November 1999)?
Ist die Bundesregierung der Auffassung, daß die weiterhinstattfindende Anwendung von Dekreten, die sich auf die Ver-treibung bestimmter Volksgruppen beziehen, in der Tschechi-schen Republik sowie des so genannten Amnestiegesetzes vom8. Mai 1946 gegen Völkerrecht verstößt und unvereinbar wäremit dem gemeinschaftsrechtlichen Besitzstand innerhalb derEuropäischen Union, und was unternimmt die Bundesregierung,um sich angesichts der von ihr begrüßten Feststellung des tsche-chischen Ministerpräsidenten Milos Zeman am 8. Mai 1999 inBonn, „daß bei der Beibehaltung der Rechtskontinuität dertschechischen Rechtsordnung die Wirksamkeit einiger nach demJahre 1945 beschlossener Gesetze bereits erloschen ist“ (vgl.
Antwort des Staatsministers im Auswärtigen Amt, Dr. LudgerVolmer, auf Frage 12 in der Fragestunde am 17. März 1999,Plenarprotokoll 14/26, S. 2097), einen zuverlässigen Überblicküber die Fortgeltung oder Unwirksamkeit von Dekreten, die sichauf die Vertreibung bestimmter Volksgruppen beziehen, in derTschechischen Republik zu verschaffen?
Zu Frage 13:
Der Bundesregierung sind beide von Ihnen erwähnten
Vorgänge bekannt. Was ihre Einordnung betrifft, ver-
weise ich auf Ziffer IV der Deutsch-Tschechischen
Erklärung vom 21. Januar 1997, in der es u.a. heißt, ich
zitiere: „daß jede Seite ihrer Rechtsordnung verpflichtet
bleibt und respektiert, daß die andere Seite eine andere
Rechtsauffassung hat“.
Zu Frage 14:
Der Bundesregierung ist die tschechische Rechtsauf-
fassung auch insoweit bekannt, als sie sich auf die Frage
der Fortgeltung oder Unwirksamkeit bestimmter Dekrete
bezieht.
Die Bundesregierung hat keinen Anlaß, an den Aus-
sagen des tschechischen Ministerpräsidenten am 8. März
1999 in Bonn zu zweifeln. Sein Hinweis auf die Rechts-
kontinuität bezieht sich darauf, daß die bestehende
Eigentumsordnung und Rechtssicherheit in der Tsche-
chischen Republik nicht in Frage gestellt werden sollen.
Auch insoweit verweise ich auf Ziffer IV der Deutsch-
Tschechischen Erklärung mit ihrem Bekenntnis, die
bilateralen Beziehungen nicht mit aus der Vergangenheit
herrührenden politischen und rechtlichen Fragen zu
belasten. Dies gilt auch im Zusammenhang mit dem
bevorstehenden Beitritt der Tschechischen Republik zur
Europäischen Union.
Anlage 17
Erklärung
des Abgeordneten Reinhold Strobl (Amberg)
(SPD)
zur namentlichen Abstimmung über den Ände-
rungsantrag der Fraktion der F.D.P. (Drucksache
14/2247) zu Abschnitt I des Antrags auf Drucksa-
che 14/2139 betr. Einsetzung eines Untersuchungs-
ausschusses (76. Sitzung, Seite 6989 A)
Bei der namentlichen Abstimmung habe ich verse-
hentlich mit Ja gestimmt. Meine politische Absicht war
die Ablehnung des Änderungsantrages. Ich erkläre da-
her, mein Votum lautet „nein“.
Druck: Bonner Universitäts-Buchdruckerei, 53113 Bonn
53003 Bonn, Telefon: 02 28/3 82 08 40, Telefax: 02 28/3 82 08 44
20
Nachtrag zum Plenarprotokoll 14/78
Deutscher Bundestag
Nachtrag zum
Stenographischen Bericht
78. Sitzung
Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 1999
I n h a l t :
Anlage 18
Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung
des Entwurfs eines Einundzwanzigsten Ge-
setzes zur Änderung des Abgeordnetengeset-
zes und eines Achtzehnten Gesetzes zur
Änderung des Europaabgeordnetengesetzes
(Tagesordnungspunkt 5)
Dr. Uwe Küster SPD ........................................ 7201 A
Andreas Schmidt (Mühlheim) CDU/CSU ........ 7202 B
Cem Özdemir BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ... 7202 D
Dr. Hermann Otto Solms F.D.P. ..................... 7203 C
Dr. Barbara Höll PDS ..................................... 7203 D
Anlage 19
Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung
des Entwurfs eines Zehnten Gesetzes zur Än-
derung des Arzneimittelgesetzes (Tagesord-
nungspunkt 6)
Horst Schmidbauer (Nürnberg) SPD .............. 7204 C
Annette Widmann-Mauz CD/CSU ................... 7205 C
Dr. Dieter Thomae F.D.P. ............................... 7207 A
Dr. Ruth Fuchs PDS ........................................ 7207 C
Christa Nickels Parl. Staatssekretärin bei der
BMG ................................................................ 7208 A
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 1999 7201
(A) (C)
(B) (D)
Anlagen zum Stenographischen Bericht
Anlage 18
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Entwurfs eines Einundzwan-
zigsten Gesetzes zur Änderung des Abgeordne-
tengesetzes und eines Achtzehnten Gesetzes zur
Änderung des Europaabgeordnetengesetzes
(Tagesordnungspunkt 5)
Dr. Uwe Küster (SPD):Die Konsolidierung des Bun-
deshaushaltes ist eine unserer vordringlichsten politi-
schen Aufgaben. Dabei steht für uns außer Frage: Nicht
nur die Bürger haben hierfür einen Beitrag zu leisten,
nicht nur die Rentner, Beamte und andere Personen-
gruppen müssen sich mit einem geringeren Einkom-
mensanstieg zufriedengeben. Wer dies von anderen
verlangt, muß selbst einen überzeugenden Sparbeitrag
leisten. Das tun wir mit der von den Fraktionen der SPD
und Bündnis 90/Die Grünen eingebrachten Novelle zur
Änderung des Abgeordnetengesetzes.
Der Präsident des Deutschen Bundestages hat in sei-
nem Schreiben an die Vorsitzenden der Bundestagsfrak-
tionen im April 1999 einen Vorschlag zur Anpassung
der Abgeordnetenentschädigung unterbreitet. Dazu ist er
nach dem Abgeordnetengesetz verpflichtet. Diesen Vor-
schlag haben die Abgeordneten der Koalition jedoch
nicht aufgegriffen, sondern sie haben für dieses Jahr eine
weitere Nullrunde beschlossen. Das ist übrigens die
zehnte Nullrunde für Abgeordnete seit 1977.
Wer bei anderen Verständnis für Einsparungen ein-
fordert, muß mit gutem Beispiel vorangehen. Bei der
letzten Reform des Abgeordnetengesetzes im Jahre 1995
führte die öffentliche Kritik an der Altersversorgung für
ehemalige Abgeordnete des Deutschen Bundestages zu
einer drastischen Kürzung. Aber im Bereich von Über-
gangsgeldern und sonstigen Versorgungen aus öffentli-
chen Kassen konnten die weitergehenden Forderungen
von uns damals als Opposition nicht durchgesetzt wer-
den. Jetzt haben wir die Mehrheit. Jetzt schneiden wir
die Mehrfachversorgungen zurück.
Nicht zu vermitteln war und ist der Bezug von Über-
gangsgeld für ehemalige Bundesminister und Parla-
mentarische Staatssekretäre, wenn sie aus ihrem Amt
ausscheiden, aber ihre politische Arbeit als Abgeordnete
fortsetzen. Für diese wichtige Arbeit beziehen sie ihre
Abgeordnetenentschädigung. Das Übergangsgeld bishe-
riger Regelung verliert hier seinen Sinn. Ab sofort soll
deshalb das Übergangsgeld ab dem zweiten Monat nach
dem Ausscheiden in voller Höhe ruhen. Ein früherer
Bundesminister bezog neben seiner Abgeordnetenent-
schädigung noch ein Übergangsgeld von maximal
244 000 DM. Mit der vorliegenden Regelung kürzen wir
den Höchstbetrag des Übergangsgeldes auf unter
10 Prozent.
Oder nehmen wir ein anderes Beispiel: Einige Kolle-
ginnen und Kollegen unseres Hohen Hauses waren vor-
her als Oberbürgermeister, Landrat oder in einer anderen
Form als kommunaler Wahlbeamter oder politischer Be-
amter tätig. Dafür erhalten sie zu Recht eine Versorgung
aus öffentlichen Kassen. Wären sie nun nicht als Abge-
ordnete, sondern als Beamte tätig, dürften sie nur
20 Prozent hiervon behalten. Abgeordneten verbleiben
hiervon nach jetzigem Recht neben der Abgeordneten-
entschädigung aber 50 Prozent. Wieso sind Abgeordnete
– was die Anrechnung ihrer Versorgungseinkünfte be-
trifft – gegenüber den Beamten privilegiert? Hierfür gibt
es keinen überzeugenden Grund.
Deshalb werden wir zukünftig alle Versorgungsbezü-
ge aus öffentlichen Kassen zu 80 Prozent statt bisher zu
50 Prozent auf die Abgeordnetenentschädigung anrech-
nen. Eine vollständige Anrechnung von Versorgungsbe-
zügen aus öffentlichen Kassen erscheint uns hingegen
nicht gerecht. Es darf eines nicht übersehen werden:
Versorgungsbezüge beruhen auf beruflichen Leistungen.
Die Früchte dieser Leistung genießen den Schutz der
Verfassung.
Ich will Ihnen die Auswirkungen dieser neuen An-
rechnungsregelung einmal an einem Zahlenbeispiel ver-
deutlichen. Erhält ein Abgeordneter neben der Abgeord-
netenentschädigung eine monatliche Amtsversorgung in
Höhe von 9 000 DM, verbleiben ihm hiervon heute noch
4 500 DM. Nach neuem Recht werden neben der Abge-
ordnetenentschädigung nur noch 1 800 DM ausgezahlt.
Zukünftig werden als 2 700 DM weniger ausgezahlt.
Diese verschärfte Anrechnungsregel tritt ab der 15. Wahl-
periode in Kraft.
Im Abgeordnetengesetz besteht eine weitere Rege-
lungslücke. Abgeordnete, die dem Bundestag weniger
als acht Jahre angehören, erwerben keine Altersentschä-
digung. Dies soll auch so bleiben. Hierfür sieht das Ab-
geordnetengesetz eine Versorgungsabfindung vor. Aber
nach bisherigem Recht verfällt der Anspruch eines aus-
geschiedenen Mitglieds des Bundestages auf Versor-
gungsabfindung, wenn es diesen nicht bis zu seinem To-
de geltend macht. Dies ist nicht sachgerecht.
Diese Altersversorgung steht den ehemaligen Abge-
ordneten und nach seinem Tode auch den Hinterbliebe-
nen zu. Viele ehemalige Abgeordnete erhalten aus un-
terschiedlichen Gründen die Entscheidung offen, ob sie
die Nachversicherung oder eine Versorgungsabfindung
beantragen. Ein plötzlicher Tod des ehemaligen Abge-
ordneten in dieser Situation läßt die Ehegatten und die
Kinder nach geltendem Recht unversorgt. Die Antrag-
stellung auf Versorgungsabfindung muß deshalb neu ge-
regelt werden. Künftig können auch der überlebende
Ehegatte oder Kinder von Abgeordneten einen Antrag
auf Versorgungsabfindung stellen, wenn ein Abgeord-
neter diesen Antrag bis zu seinem Tode nicht gestellt
hat.
Eine komplexer werdende Welt, unsere Informati-
onsgesellschaft, stellt ungewöhnlich hohe Anforderun-
gen an die Qualität und Quantität der zu verarbeitenden
Informationen. Es ist eine vordringliche Aufgabe der
Politik, optimale Rahmenbedingungen für den Wandel
ins Informationszeitalter zu schaffen. Dazu muß der
Staat die Akzeptanz der neuen Informations- und Kom-
munikationstechnologien fördern. Dies kann er nur
7202 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 1999
(A) (C)
(B) (D)
glaubwürdig tun, wenn er selbst Vorreiter bei der Nut-
zung moderner Informations- und Kommunikations-
technologien ist.
Es kommt noch ein Weiteres hinzu. Die Ansprüche
der Bürgerinnen und Bürger an die Abgeordneten sind
deutlich gestiegen. Sie erwarten in ihrem Wahlkreis
einen nahezu jederzeit schnell und zuverlässig informie-
renden Abgeordneten. Der Deutsche Bundestag hat in
den vergangenen Jahren eine gemeinsame Informations-
und Kommunikationsplattform geschaffen. Die Nut-
zungsmöglichkeiten des gemeinsamen Informations-
und Kommunikationssystems müssen auch in Zukunft
dem für gute politische Entscheidungen erforderlichen
hohen Informationsbedarf der Abgeordneten gerecht
werden. Der rasante technische Fortschritt darf nicht an
unserem Informations- und Kommunikationssystem
vorbeigehen.
Das geltende Abgeordnetengesetz gewährleistet dies
nicht mehr. Die dortige Regelung zur Nutzung des ge-
meinsamen Informations- und Kommunikationssystems
stammt aus dem Jahre 1987. Dies ist in informations-
technischer Hinsicht das Zeitalter der Postkutschen.
Durch die Novellierung des Abgeordnetengesetzes wird
es künftig schneller als bisher möglich sein, den Fort-
schritt im Bereich der Informations- und Kommunikati-
onstechnologien in der Arbeitsumgebung der Abgeord-
neten einzubeziehen. Diese Modernisierung wird nicht
mit Mehrkosten verbunden sein. Alle Aufwendungen in
diesem Bereich werden aus den bestehenden Haushalts-
ansätzen finanziert.
Ich fasse zusammen: Wir haben konsequent unbe-
rechtigte Mehrfachversorgungen von Abgeordneten ge-
strichen. Wir haben die Arbeitsbedingungen für Abge-
ordnete modernisiert. Damit machen wir unser Parla-
ment für die Herausforderungen der Informationsgesell-
schaft fit. Diese Reformen kosten den Steuerzahlern
keinen Pfennig, im Gegenteil: Wir sparen.
Andreas Schmidt (Mülheim) (CDU/CSU): Ich will
zunächst eine Vorbemerkung machen: Bisher war es
gute Tradition, daß wir bei Gesetzesänderungen bzw.
Gesetzesinitiativen, die die Rechtsstellung der Abgeord-
neten betreffen, den interfraktionellen Konsens gesucht
und sehr oft auch gefunden haben.
Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die Rechts-
stellungskommission in der 13. Wahlperiode unter der
Leitung von Herrn Klose, die im Geiste einer gemein-
samen Verantwortung für unsere parlamentarische Ar-
beit beraten und im Konsens entschieden hat.
Leider hat die neue Mehrheit im Deutschen Bundes-
tag diese Tradition, den Konsens zu suchen, längst auf-
gegeben und an deren Stelle die Arroganz der Mehrheit
oder die Arroganz der Macht gesetzt. SPD und Grüne
können jedenfalls nicht für sich in Anspruch nehmen,
bezüglich der hier vorgelegten Gesetzesänderung den
Konsens mit der CDU/CSU-Fraktion gesucht zu haben.
Jetzt zum Inhalt der vorgeschlagenen Änderungen des
Abgeordnetengesetzes. Zunächst das Positive: Die
CDU/CSU-Fraktion begrüßt ausdrücklich, daß den Ab-
geordneten zukünftig alle mobilen Informations- und
Kommunikationstechniken im Rahmen der Kommuni-
kationspauschale zugänglich gemacht werden sollen.
Dies ist ein richtiger Schritt, der auch verantwortbar ist,
da hierdurch keine höheren Kosten entstehen werden.
Nun zum Thema Übergangsgeld für ausgeschiedene
Minister und Parlamentarische Staatssekretäre. Die hier
angestrebte Änderung scheint mir unter dem Gesichts-
punkt der Gesetzessystematik höchst fragwürdig zu sein.
Die Übergangsgelder ergeben sich aus dem Gesetz über
die Rechtsverhältnisse der Mitglieder der Bundesregie-
rung bzw. aus dem Gesetz über die Rechtsverhältnisse
der Parlamentarischen Staatssekretäre.
Die Ansprüche ergeben sich nicht aus dem Abgeord-
netengesetz. Gesetzessystematisch wäre es daher logisch
und richtig, das Ruhen dieser Übergangsgelder neben
der Abgeordnetenentschädigung auch dort zu regeln, wo
die Ansprüche geregelt sind. Darüber sollten wir in den
anstehenden Ausschußberatungen sehr ausführlich dis-
kutieren.
Der gesetzessystematische Wirrwarr setzt sich auch
beim Thema Anrechnung von Versorgungsbezügen auf
die Abgeordnetenentschädigung fort. Das vorgelegte
Änderungsgesetz differenziert völlig willkürlich ohne
erkennbaren Grund zwischen Versorgungsbezügen aus
einem Amtsverhältnis eines Landes und Versorgungs-
bezügen aus einem Amtsverhältnis des Bundes.
Bei einem Amtsverhältnis des Landes sollen die Ver-
sorgungsbezüge voll gezahlt werden, dafür aber die Ab-
geordnetenentschädigung in Höhe von 80 Prozent der
Versorgungsbezüge ruhen. Bei einem Amtsverhältnis
des Bundes dagegen soll die Abgeordnetenentschädi-
gung voll gezahlt werden. Dafür sollen dann die Versor-
gungsansprüche in Höhe von 80 Prozent neben der voll
zu zahlenden Diät ruhen.
Unter dem Gesichtspunkt der Gesetzessytematik ver-
dient der von Ihnen vorgelegte Gesetzentwurf eher das
Prädikat „liderlich“ als „sauber und durchdacht“.
Da der Komplex Versorgungsansprüche mit Beginn
der 15. Wahlperiode auch für wiedergewählte Abgeord-
nete Geltung erhalten soll, werden in den Ausschußbe-
ratungen auch die Fragen von Vertrauensschutz, Rück-
wirkungsverbot und Bestandssicherheit eine Rolle spie-
len müssen.
Abschließend will ich auf folgenden Punkt aufmerk-
sam machen: In der letzten Wahlperiode haben wir
einvernehmlich in das Abgeordnetengesetz geschrie-
ben, daß sich die Abgeordnetenentschädigung an den
Gehältern B6 bzw. R6 orientieren solle. Gleichzeitig
haben wir uns gesetzlich verpflichtet, über die Anpas-
sung der Abgeordnetenentschädigung innerhalb des
ersten halben Jahres nach der konstituierenden Sitzung
zu entscheiden.
Diesem Postulat sind wir bisher nicht nachgekom-
men. Der vorgelegte Gesetzentwurf enthält dazu keine
Regelung. Die gesetzlich fixierte Orientierungsgröße
R6/B6 rückt damit nicht näher, sondern in weitere
Ferne.
Cem Özdemir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir
erleben gerade in diesen Tagen, daß die Bürgerinnen
und Bürger allen Anlaß haben, an der Seriosität der
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 1999 7203
(A) (C)
(B) (D)
politischen Klasse zu zweifeln. Das Schlimme an dem
Spendenskandal der Union ist, daß er letztlich auf uns
alle zurückschlägt. Dieser Schaden für die Glaubwür-
digkeit der Demokratie insgesamt wird den aktuellen
Schaden für die Union selber längerfristig überholen.
Er schlägt auf uns alle zurück – egal, in welcher Partei
wir sind. Was der frühere Kanzler und seine Mitwisser
in Bund und Land angerichtet haben, wird uns noch
lange zu beschäftigen haben. Real existierendes Patri-
archat, Günstlingswirtschaft und eine verdächtige Nähe
von politischen Entscheidungen mit den entsprechen-
den Spendenquittungen, das ist Ihr Erbe, meine Damen
und Herren von der Union, das Sie uns hinterlassen ha-
ben.
Angesichts der verheerenden Wirkung von Mafia-
methoden bei der Finanzierung des Politikbetriebs müs-
sen wir klare und unmißverständliche Zeichen setzen.
Zeichen setzen heißt: Wir müssen den Menschen deut-
lich machen, daß wir Abgeordneten eben keine habgie-
rigen Schmarotzer sind. Wir haben nun einmal in der
Demokratie die Aufgabe, über die Steuermittel der Bür-
gerinnen und Bürger zu verfügen. Das zwingt uns dazu,
mit diesem Recht in eigener Sache besonders sorgsam
umzugehen.
Gemeinsam mit der SPD haben wir den Entwurf einer
Änderung des Abgeordnetengesetzes im Bundestag ein-
gebracht. Ich bin froh darüber, daß Forderungen meiner
Fraktion, die wir über mehrere Legislaturperioden hin-
weg immer und immer wieder erhoben haben, nunmehr
Gesetz werden.
Wir haben stets gefordert, die Mehrfachversorgung
von Abgeordneten kräftig zusammenzustreichen. Das
wird nun endlich geschehen.
Ab der kommenden Legislaturperiode werden alle
aus öffentlichen Kassen bezogenen Versorgungsbezüge
zu 80 Prozent auf die Diäten angerechnet. Frühere Lan-
desminister und hauptamtliche Bürgermeister dürfen ne-
ben der Abgeordnetenentschädigung nur noch 20 Pro-
zent behalten, was im Beamtenrecht üblich ist.
Das Übergangsgeld für Bundesminister und Parla-
mentarische Staatssekretäre wird künftig ab dem zwei-
ten Monat neben den Abgeordnetendiäten ruhen. Bisher
bekamen sie bis zu drei Jahre Übergangsgeld.
Diese drastischen Kürzungen, gerade bei der öffent-
lich zu Recht heftig kritisierten Doppelalimentation, sind
ein Beitrag zur Haushaltskonsolidierung. Sie sind aber
jenseits des rein Fiskalischen auch ein Zeichen für die
Bereitschaft der rotgrünen Regierungsfraktionen, die
Privilegien in eigener Sache radikal auf den Prüfstand zu
stellen.
In einem sehr engen sachlichen Zusammenhang mit
den anstehenden Neuregelungen im Abgeordnetengesetz
zur Beschneidung von Doppelalimentationen steht die
Versorgung der sogenannten ,,politischen Beamten“.
Die geltenden gesetzlichen Regelungen sind auch in ih-
rer jetzigen Form weder sachlich gerechtfertigt noch ge-
genüber der Öffentlichkeit vertretbar.
Ich weiß, daß hier sofort die alten Grundsätze des
Berufsbeamtentums bemüht werden, um weiter lebens-
lange Versorgungsansprüche auch nach kurzen Amts-
zeiten zu begründen. Wir müssen uns aber die Realität
in der Gesellschaft einmal ansehen. Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmern wird ständig abverlangt, sich auf
völlig veränderte Rahmenbedingungen einzustellen. Sie
sollen im Fall der Arbeitslosigkeit wesentlich geringer
bewertete Tätigkeiten übernehmen, ihren Wohnort ver-
lassen und sich durch anspruchsvolle Umschulungsmaß-
nahmen auf neue berufliche Tätigkeiten vorbereiten
müssen. Diese Flexibilisierung kann auch an den füh-
renden Beamtinnen und Beamten im öffentlichen Dienst
nicht länger spurlos vorbeigehen.
Ich bin froh, daß wir uns hier koalitionsintern geei-
nigt haben, Veränderungen vorzunehmen:
Ob für politische Beamte oder für uns Abgeordnete:
In Zeiten tiefer Einschnitte in Leistungsgesetze können
und dürfen wir vor uns selbst keinen Halt machen. Nur
dann gewinnen wir Glaubwürdigkeit zurück.
Der von uns vorgelegte Koalitionsentwurf zur Ände-
rung des Abgeordnetengesetzes ist ein wichtiger Schritt,
verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen. Ich hoffe, daß
sich auch die Opposition diesem Anliegen nicht ver-
schließt.
Dr. Hermann Otto Solms (F.D.P): Die F.D.P. unter-
stützt die Zielrichtung des Gesetzentwurfs, die Über-
gangsgelder ehemaliger Minister und Staatssekretäre
stärker anzurechnen. Was für Abgeordnete längst gilt,
muß auch für Minister und Staatssekretäre gelten.
Die F.D.P. unterstützt auch die Zielrichtung des Vor-
schlags, Versorgungsbezüge aus einem öffentlichen Amt
stärker anzurechnen. Allerdings gehen beide Vorschläge
nicht weit genug.
Wir werden uns in den Ausschüssen damit und auch
mit der Einbeziehung der Abgeordnetenbüros in das In-
formations- und Kommunikationssystem des Bundesta-
ges genauer befassen.
Nach Auffassung der F.D.P. reichen Korrekturen am
bestehenden Recht nicht aus. Wir halten es für falsch,
Abgeordnete wie Beamte zu behandeln und ihre Diäten
an bestimmte Besoldungsgruppen zu koppeln. Abgeord-
nete sind keine Richter und Beamte und gehören nicht
dem öffentlichen Dienst an. Sie sind allein dem Wähler
gegenüber verantwortlich. Die Entschädigung der Poli-
tiker muß deshalb ebenso reformiert werden wie unsere
Altersversorgung.
Die F.D.P. hat deshalb im Oktober einen Reformvor-
schlag eingebracht. Wir erneuern damit unsere Forde-
rung, beim Bundespräsidenten eine Kommission unab-
hängiger Sachverständiger zu berufen, die dem Bundes-
tag umfassende Vorschläge zur Anpassung der Diäten
vorlegt. Sie soll auch Vorschläge unterbreiten, wie die
Altersvorsorge der Abgeordneten auf ein Versorgungs-
werk umgestellt werden kann, das sich durch Eigenbei-
träge der Abgeordneten selbst finanziert.
Dr. Barbara Höll (PDS) Die erste Lesung des Abge-
ordnetengesetzes erfolgt in einer Zeit, in der die Funk-
tionsweise der demokratischen Strukturen unseres Ge-
7204 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 1999
(A) (C)
(B) (D)
meinwesens gefährdet ist. Offenkundig ist die Politik
seit Jahren nicht mehr in der Lage, die wirklich drän-
genden Probleme der Gesellschaft zu lösen. Die Mas-
senarbeitslosigkeit verharrt auf einem fast gleichblei-
bend hohen Niveau, soziale Probleme häufen sich an,
Armut in der Bevölkerung nimmt zu.
Abgeordnete haben ein denkbar schlechtes Image in
der Bevölkerung: Sie werden zwar hoch bezahlt, bewäl-
tigen jedoch nicht einmal ihre Arbeit und nehmen sie of-
fenkundig auch nicht wahr. In jüngster Zeit aufgedeckte
persönliche Vorteilsnahme von Spitzenpolitikern und
eine halblegale Spendenpraxis, die die Frage aufwerfen,
ob Politik käuflich ist, tragen ein übriges dazu bei. Bür-
ger und Bürgerinnen in der Bundesrepublik fühlen sich
vielfach im Stich gelassen von ihren Abgeordneten. Die
da oben machen scheinbar eh was sie wollen. Das er-
zeugt eine Politik-, ja Demokratieverdrossenheit in der
Bevölkerung.
Vor kurzem wurden durch die Regierungsmehrheit mit
dem Haushaltssanierungsgesetz Regelungen beschlos-
sen, die sozial ungerecht sind. Ob es die Ablösung der
Rentenerhöhung von der Nettolohnentwicklung betrifft
oder die Künstlersozialkasse – die Regelungen sind so,
daß gerade die Ärmsten in der Bevölkerung davon ne-
gativ betroffen sind. Selbst die Familienentlastung, die
für das erste und zweite Kind eine Kindergelderhöhung
beinhaltet, entlastet Familien mit sehr hohem Einkom-
men wesentlich stärker als Familien mit niedrigem Ein-
kommen – alles begründet mit einem Aufruf zum Spa-
ren. Wirbt nun ein Vegetarier für fleischlose Kost oder
ruft ein Asket zum Sparen auf, so ist dies zumindest
glaubwürdig. Wer überzeugt wird, möge dem Beispiel
folgen. Abgeordnete jedoch, die selbst ein sehr gutes
Einkommen haben beschließen Spargesetze, die große
Teile der Bevölkerung belasten, ohne daß sie gleichzei-
tig einen eigenen Beitrag leisten. Und dies ist zutiefst
unglaubwürdig.
Der Verzicht auf Diätenerhöhung war dabei eindeutig
zu wenig. Wer die Hoffnung hatte, daß mit dem vorge-
legten Gesetz eine grundlegende Reform der finanziel-
len Ausstattung der Abgeordneten erfolgen würde, sieht
sich enttäuscht. Das vorgelegte Gesetz beinhaltet nur
einige wenige Punkte, die allerhöchstens die Begren-
zung gröbster Ungerechtigkeit verankern. Diese Schritte
begrüßen wir natürlich, halten sie aber ausdrücklich
nicht für ausreichend.
Die PDS unterstützt die vorgeschlagene Kürzung des
Übergangsgeldes von Ministern und Parlamentarischen
Staatssekretären auf einen Monat, so die entsprechenden
Personen nach Aufgabe ihres Amtes weiter Abgeordnete
bleiben. Dies war schon lange überfällig. Die vorge-
schlagene Regelung, daß ab der 15. Legislaturperiode
Abgeordnete neben ihren Diäten Leistungen aus anderen
Versorgungsansprüchen nur noch zu höchstens 20 Pro-
zent erhalten, ist in diesem Sinne begrüßenswert. Derzeit
werden 50 Prozent der sonstigen Versorgungszahlung
von Abgeordneten mit ihren Diäten verrechnet. Zukünf-
tig sollen es 80 Prozent sein. Damit verbleibt noch im-
mer eine bestimmte Doppelalimentierung. Und wer
meinte, daß in dieser Situation nun endlich auch Abge-
ordnete, Staatssekretäre und Minister gesetzlich ver-
pflichtet werden, solidarisch in alle sozialen Sicherungs-
systeme, eben auch in die Rentenversicherung einzu-
zahlen, sieht sich ebenfalls enttäuscht.
Die PDS wird sich dementsprechend in die Diskus-
sion der gesetzlichen Regelungen einbringen, wobei ich
auch noch klarstellen möchte, daß wir die vorgesehene
Korrektur der Amtsausstattung der Abgeordneten unter-
stützen, aber es muß sichergestellt werden, daß die mit
der Neuformulierung eröffneten Möglichkeiten der
technischen Ausstattung nicht zu einer Mehrbelastung
des Haushaltsbudgets des Deutschen Bundestages füh-
ren. Die Aufgabe einer grundlegenden Reform, mit der
auch mehr Transparenz in der Tätigkeit und der Bezah-
lung der Abgeordneten erreicht werden kann, ist das
Vorgeschlagene aber nicht.
Anlage 19
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Entwurfs eines Zehnten Ge-
setzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes
(Tagesordnungspunkt 6)
Horst Schmidbauer (Nürnberg) (SPD): Ich habe
mich eingangs gefragt, ob denn der Begriff Novelle für
die Aufgaben dieses Gesetzes der richtige Begriff ist.
Mit Novelle verbindet man noch eine Erwartungshal-
tung, die von einem positiven Aspekt ausgeht. Der Titel,
der zu der Aufgabenstellung besser passen würde, wäre
„Erstes Altlastenbereinigungsgesetz“. Es geht nicht
nur um Altlasten, es sind Uraltverpflichtungen, die
zum Handeln verpflichtet haben, ausgehend von der
EU-Richtlinie 65/65 vom 26. Januar 1965, von den
Angleichungen und Vorschriften, gekoppelt mit der
EU-Richtlinie 75/319 vom 20. Mai 1975.
Danach kam 1976 das Arzneimittelgesetz in der Bun-
desrepublik. Das heißt, 23 Jahre hatten die Verantwortli-
chen und die Hersteller in der Bundesrepublik die Ver-
pflichtung, das Thema Altarzneimittel aufzuarbeiten,
aber wie man sieht, ohne Erfolg. Es gibt aber auch Alt-
lasten der alten Bundesregierung, die die Anpassungs-
verpflichtung für die Zulassungsanforderungen bis zum
20. Mai 1990 vorzunehmen hatte. Seit 1990 sind nun
fast zehn Jahre verstrichen, zehn Jahre ausgesessen. Man
hat nicht nur ausgesessen, sondern mit der 2004-
Regelung noch eins draufgesetzt: daß man Altarznei-
mittel ohne Prüfung bis 2004 verkaufen darf, wenn man
auf die Nachzulassung verzichtet.
Aber hinterfragt: Wer hat das Problem auf europäi-
scher Ebene in Bewegung gesetzt?, stellt man fest, daß
es weniger die Kommission war als vielmehr der liebe
Wettbewerb der deutschen Hersteller im europäischen
Markt. Dieser liebe Wettbewerb sah in der laschen deut-
schen Arzneimittelgesetzgebung berechtigterweise eine
Begünstigung der deutschen Hersteller. Was lernt man
daraus? Die kontraproduktive Arzneimittelpolitik der
alten Bundesregierung kehrt wie ein Bumerang zurück.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 1999 7205
(A) (C)
(B) (D)
Aber es geht nicht nur um Altlast, sondern auch um
alte Geschichten, die allerdings noch nicht das Licht der
Öffentlichkeit so recht erblickt haben. Am 17. Februar
1998 lagen alle Rückantworten der Bundesregierung zur
Beanstandung in Brüssel vor. Am 21. Oktober 1998 kam
der Erlaß nach Bonn, Unterschrift: Martin Bangemann.
Bis jetzt ist noch nicht so recht aufgefallen, daß in dem
langen Zeitraum zwischen Februar und Oktober der 27.
September 1998 lag. Ein letzter Freundschaftsdienst an
die alte Regierung mit dem Erlaß, die Bundestagswahl
abzuwarten.
Viele von uns haben die aktuelle Rechtslage noch
nicht so recht wahrgenommen. Mit dem Erlaß vom 21.
Oktober 1998 sind die deutschen Altpräparate nach EU-
Recht illegal auf dem Markt. Sie werden mir zustimmen:
Das ist eine der großen Altlasten, die uns die alte Regie-
rung hinterlassen hat.
In Wirklichkeit bräuchten wir im Kern ein „Scha-
densbegrenzungsgesetz“, denn der Bundesrepublik ist in
dreifacher Weise Schaden zugefügt worden. Der erste
Schaden: Es besteht die große Gefahr, daß wir im Rah-
men eines Vertragsverletzungsverfahrens 2,5 Milliarden
DM Strafe nach Brüssel bezahlen müssen. Der zweite
Schaden trifft den Pharmastandort Deutschland, weil die
Unternehmen, die auf Export angewiesen sind und für
die Innovation ein wichtiger Begriff ist, durch das Ver-
fahren aus Brüssel Ansehensschaden erlitten haben. Der
dritte Schaden ist dem Verbraucher- und Gesundheits-
schutz entstanden, obwohl die Koalition alles daransetzt,
gerade Verbraucher und Gesundheit nachhaltig zu
schützen.
Nun zu den drei Schadensbereichen. Erstens. Auch
mit dem vorliegenden Gesetz ist die Gefahr, schadener-
satzpflichtig zu werden, nicht restlos ausgeräumt. Dies
hängt damit zusammen, daß weder die sogenannten
Monographien noch die 2004-Regelung EU-konform
sind.
Zweitens wäre es besser, wir würden für den Pharma-
standort Deutschland ein neues Kapitel der Arzneimit-
telpolitik aufschlagen, deutlich machen, daß Verbrau-
cherschutz und Standortpolitik ein gutes Begriffspaar
sind.
Drittens. Für den Verbraucher ist Transparenz ange-
zeigt. Die Kennzeichnung für Altarzneimittel, wie sie im
Gesetz vorgesehen ist, ist die Mindestanforderung. Ein
Verbraucher kann ansonsten nicht zwischen einem
zugelassenen und einem fiktiv zugelassenen Arzneimit-
tel unterscheiden.
Die mit der Regelung einhergehenden Risiken in
Brüssel kann der Bundesregierung niemand abnehmen.
Deshalb haben Aufweichungswünsche keine Chance. Im
Gegenteil: Wir müssen, um Risiken ausschließen zu
können, ein Mehr an Klarheit, ein Mehr an Gesetzes-
qualität, ein Mehr an Transparenz schaffen.
Aber wir haben noch eine zweite Altlast zu bewälti-
gen, die gerade von Berlin nach Bonn unterwegs ist und
für ein halbes Jahr zwischengelagert ist. Ich spreche von
dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinpro-
dukte, BfArM. Diese Altlast hat dazu geführt, daß wir
einen Ballast von 14 000 anstehenden Prüfungen vor uns
herschieben. Mit Leistung hat dies alles nichts zu tun.
Input und Output stimmen nicht überein. Dazu im Ver-
gleich: Frankreich hatte 80 000 Präparate in dem Zeit-
raum von 1978 bis 1990 mit acht Personen unter Leitung
von Professor Alexandre aufgearbeitet. In Großbritanni-
en wurde die gleiche Leistung für 25 000 Präparate mit
einer Kommission von 16 Personen bewältigt. In
Deutschland stehen 400 bis 500 Stellen zur Verfügung;
über 70 sollen noch dazukommen, und die Altlast wird
nicht kleiner, sondern größer.
Ich denke, wir sind uns einig: Wir brauchen dringend
einen Umbau beim BfArM, wir brauchen eine aufge-
schlossene, selbstsichere, mit hoher Motivation arbei-
tende Bundesoberbehörde mit einem modernen Mana-
gement.
Ich denke, es ist klargeworden: Das Risiko ist nicht
teilbar. Erstens. Wenn wir den Finanzminister vor einer
Forderung in Höhe von 2,5 Milliarden DM schützen
wollen, dürfen wir Brüssel nicht durch ein ungenügen-
des Gesetz herausfordern. Zweitens. Wenn wir den
Pharmastandort Deutschland schützen wollen, müssen
Transparenz und Qualität großgeschrieben werden.
Drittens. Wenn wir die Verbraucher schützen wollen,
müssen wir ganz schnell das Kapitel Altarzneimittel
abschließen. Wir bleiben sonst auf der Rechnung sit-
zen.
Annette Widmann-Mauz (CDU/CSU): Die Europäi-
sche Kommission rügt die Bundesregierung. Deutsch-
land hat die EU-Richtlinie zur Angleichung des Rechts
im Bereich der Nachzulassung von Arzneimitteln bisher
nicht in nationales Recht umgesetzt. Wenn nicht umge-
hend gehandelt wird, droht ein Vertragsverletzungsver-
fahren, bei dem Deutschland nicht gut aussehen wird. Es
besteht also eine gewisse Eilbedürftigkeit. Und wir alle
wissen: Wenn diese Regierung, wenn Frau Fischer, un-
ter Druck arbeiten muß, gelingen die einfachsten Dinge
nicht. Deshalb lassen sie uns die Sache gemeinsam und
in aller Ruhe angehen!
Worum geht es? 1965 hat die Europäische Gemein-
schaft in einer Richtlinie beschlossen, die Rechts- und
Verwaltungsvorschriften über Arzneimittel zu harmoni-
sieren. Danach darf ein Arzneimittel erst dann auf den
Markt gebracht werden, wenn es gemäß dieser Richtli-
nie von der zuständigen nationalen Behörde genehmigt
worden ist. Neben weiteren Angaben und Unterlagen
sind einem Zulassungsantrag auch die Ergebnisse zahl-
reicher Prüfungen beizufügen. Dabei handelt es sich
vor allem um physikalisch-chemische, biologische und
mikrobiologische Prüfungen, um pharmakologische und
toxikologische Prüfungen sowie um ärztliche und klini-
sche Prüfungen.
Zehn Jahre später, 1975, wurde dann eine weitere
EG-Richtlinie beschlossen, mit der auch die Zulassungs-
anforderungen für Altarzneimittel, also für bereits im
Verkehr befindliche Arzneimittel, angepaßt werden
sollten. Die Übergangsfrist der Rechtsanpassung für die-
se sogenannte Nachzulassung betrug 15 Jahre. Das
heißt, bis spätestens 1990 war die Anpassung des Zulas-
sungsverfahrens für Altarzneimittel vorzunehmen. Eine
entsprechende Rechtsangleichung ist in Deutschland
7206 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 1999
(A) (C)
(B) (D)
– sowohl unter der SPD als auch unter CDU/CSU-
Regierung; übrigens aus ganz unterschiedlichen Grün-
den – bisher nicht erfolgt. Im letzten Jahr nun erfolgte
das Einschreiten der Europäischen Kommission. Jetzt ist
es an der Zeit, daß wir die Kuh vom Eis holen. Mit dem
Entwurf der 10. AMG-Novelle will die Bundesregierung
das Nachzulassungsverfahren von Altarzneimitteln an
die Anforderungen der EG-Richtlinien anpassen. Wir
begrüßen dies ausdrücklich. Wir tragen das Vorhaben
der Rechtsangleichung grundsätzlich mit. Auch begrü-
ßen wir prinzipiell das Bemühen, die Nachzulassung zu
beschleunigen. In der Zielsetzung stimmen wir überein,
allein der Weg, den Sie beschreiten wollen, ist so – beim
besten Willen – nicht gehbar. Sie schießen da mal wie-
der übers Ziel hinaus und gefährden in letzter Konse-
quenz und in dramatischer Weise eine ganze Reihe von
mittelständischen Unternehmen. Ich will Ihnen das an
drei Punkten aufzeigen.
Erstens. Aus Beschleunigungszwecken wollen Sie
Änderungsmöglichkeiten der arzneilich wirksamen Be-
standteile streichen (§ 105 Abs. 3a Satz 2 AMG). Ge-
genwärtig sind solche Änderungen nur möglich, nach-
dem ein Mängelbescheid ergangen ist. Wann dies ge-
schieht, also auf den Zeitpunkt, hat der Antragsteller
keinerlei Einfluß. Nach Ihrem Entwurf sollen solche
Änderungen in Zukunft – mit Ausnahme homöopathi-
scher Arzneimittel – überhaupt nicht mehr möglich sein.
Einem vom Arzneimittelinstitut gerügten Mangel hin-
sichtlich der Zusammensetzung könnte damit nicht mehr
abgeholfen werden, die Zulassung würde quasi automa-
tisch versagt.
Von einer solchen Streichung besonders betroffen
sind vor allem Kombinationspräparate, die bisher zu
einem Großteil noch nicht bearbeitet wurden. Teilweise
konnten die Hersteller noch keine Änderungen vorneh-
men, weil nach wie vor unklar ist, nach welchen Kriteri-
en die Kombination beurteilt werden, so daß eine Ände-
rung der Zusammensetzung im Vorgriff eines Mängel-
bescheids unmöglich war. Die wirtschaftlichen Folgen
wären katastrophal. Betroffen sind etwa 1 800 chemisch
definierte und ein Großteil der 4 500 Kombinationsprä-
parate der besonderen Therapierichtungen, vor allem
pflanzliche und anthroposophische Präparate.
Allein schon dieser Punkt zeigt, welcher Unsinn hier
verzapft wird. Mit dieser Streichung, wie an anderer
Stelle im übrigen auch, machen Sie, Frau Fischer, eine
ganze Palette alternativer Medizinpräparate kaputt. Herr
Dreßler will die Schulmedizin, das wissen wir. Aber
warum gerade die Grünen nach der Positivliste zum
zweitenmal gegen die Alternativmedizin vorgehen, das
müssen Sie den Wählerinnen und Wählern schon einmal
erklären.
Zudem frage ich sie: Warum wollen Sie – nur mal
so nebenbei – Änderungsmöglichkeiten streichen, an-
statt die Kooperation zwischen den Herstellerfirmen
und den staatlichen Behörden zu verbessern? Warum
können wir hier nicht von den USA lernen? Dort ar-
beiten Hersteller und die FDA bereits im Vorgriff eines
möglichen Mängelbescheids konstruktiv zusammen, so
daß es erst gar nicht zu solchen formalen Bescheiden
kommen muß.
Zweitens. Hinzu kommt ein anderer Punkt. Sie
wollen die Frist zur Beseitigung von Mängeln von der-
zeit 18 auf maximal 6 Monate verkürzen (§ 105 Abs. 5
Sätze 2 und 5 AMG). Diese Frist ist viel zu kurz.
Nehmen sie zum Beispiel Bioäquivalenzstudien oder
klinische Studien. Wenn dort in der Zulassungspraxis
Mängel auftauchen, die nicht auf Versäumnisse des
Herstellers zurückzuführen sind, sondern sich auf
Grund der Interpretation des Studienergebnisses durch
die Behörde ergeben, dann sind sechs Monate einfach
zu wenig, um die Mängel zu beheben. Sie können der-
artige Studien nie und nimmer in sechs Monaten quali-
fiziert durchführen.
Die von ihnen vorgeschlagene Verkürzung der Frist
ist völlig willkürlich. Sie beruht weder auf Bedenken der
Europäischen Kommission noch wird damit eine we-
sentliche Beschleunigung des Nachzulassungsverfahrens
erreicht werden. Auch hier droht die Konsequenz, daß
das Arzneimittel nicht nachzugelassen werden kann. Das
Mittel hat dann praktisch keine Chance mehr, auf dem
Markt zu bleiben und damit Patienten zugute zu kom-
men.
Gerade für eine Vielzahl bewährter Naturarzneimittel
und speziell auch Tierarzneimittel sind die geforderten
Unbedenklichkeits- und Wirksamkeitsnachweise nur mit
unverhältnismäßig hohen Kosten zu erbringen. Ange-
sichts bereits vorhandener Probleme bei der Verfügbar-
keit von Tierarzneimitteln ist dies besonders problema-
tisch, wenn es sich um Präparate zum Beispiel für zah-
lenmäßig wenig bedeutende Tierbestände oder Anwen-
dungen handelt. Bei denen stehen Investitionen für not-
wendige Untersuchungen in keinem Verhältnis zu den
Verkaufserlösen.
Sie nehmen damit nicht nur bewußt wirtschaftliche
Nachteile für Arzneimittelhersteller, die Verlagerung
entsprechender Produktionen ins Ausland und sogar eine
Zunahme des illegalen Arzneimittelverkehrs in Kauf,
nein, Sie gefährden möglicherweise die tierärztliche
Versorgung bestimmter Tierbestände und verschärfen
den Therapienotstand in der Tiermedizin. Tierschutz im
Grundgesetz, aber in Detailregelungen keine Spur von
Problembewußtsein!
Drittens. Sie wollen weiter die Kennzeichnung „Alt-
Arzneimittel“ in der Packungsbeilage (§ 109 Abs. 1
AMG). Dies ist ein absolut fragwürdiger Hinweis. Er hat
nichts mit Verbraucherinformation zu tun, sondern stig-
matisiert lediglich Arzneimittel, die noch im Nachzulas-
sungsverfahren und damit lediglich fiktiv zugelassen
sind.
Die Reihenfolge der Bearbeitung von Anträgen liegt
nicht im Ermessen des Antragstellers. Durch den ge-
planten Hinweis wird nicht Aufklärung, sondern Verun-
sicherung betrieben. Es wird der Eindruck erweckt, daß
das Arzneimittel aus Verschulden des Herstellers noch
nicht zugelassen ist. Es besteht die Gefahr, daß der
flüchtige Leser die Qualität des Präparats zu Unrecht
bezweifelt. Die wirtschaftlichen Konsequenzen für den
Hersteller können Sie sich an fünf Fingern abzählen.
Im Entwurf sind zahlreiche weitere Punkte, die
höchst problematisch sind. Ich nenne nur die Stichworte:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 1999 7207
(A) (C)
(B) (D)
„2004er-Regelung“, das an die Fristüberschreitung ge-
koppelte Erlöschen der fiktiven Zulassung oder das Pro-
blem der „doppelten Nachzulassung“. Über diese Punkte
müssen wir noch ausführlich reden. Da muß auf jeden
Fall nachgebessert werden.
Heute kann lediglich festgestellt werden: Das Ziel ist
richtig, der von Ihnen vorgeschlagene Weg ist jedoch
wieder einmal falsch. Angesichts eines drohenden Ver-
tragsverletzungsverfahrens haben Sie – unter hohem
Zeitdruck – praktisch eine patienten- und mittelstands-
feindliche Marktbereinigungskonzeption vorgelegt. So
geht es nicht. Die Konsequenzen wären zum Teil ver-
heerend. Deshalb lassen Sie uns im Ausschuß und in
der Anhörung in Ruhe alle einzelnen Punkte durchgehen
und gemeinsam einen guten Weg finden.
Dr. Dieter Thomae (F.D.P.): Alle Anstrengungen,
die wir seit Jahren unternommen haben, das Arzneimit-
telinstitut dazu zu bewegen, die Nachzulassungen von
Arzneimitteln schnell und effizient abzuwickeln, haben
relativ wenig bewirkt. Zugegeben: Es ist ein Stückchen
besser geworden, aber es reicht nicht aus. Deshalb haben
wir damals zu dem Mittel gegriffen, pharmazeutischen
Unternehmern, die auf die Nachzulassung verzichten,
eine Abverkaufsfrist bis Ende 2004 einzuräumen. Da-
hinter steckte die Hoffnung, dieses trübe Kapitel endlich
abschließen zu können und damit auch die Forderungen
einer weiteren Zulassung für die Aufnahme auf eine
Positivliste ein für allemal ad absurdum zu führen. Ich
bedaure sehr, daß die EU diesen pragmatischen Weg für
nicht zulässig erklärt hat, so daß heute tatsächlich
Handlungsbedarf besteht. Allerdings geht der vorgelegte
Entwurf über das hinaus, was EU-rechtlich notwendig
wäre. So soll zum Beispiel eine Änderung der Hilfsstof-
fe oder der Art und Dauer der Anwendung nur noch
einmal zulässig sein, wenn die zur Behebung mit geteil-
ter Menge erforderlich ist. Das hat zur Folge, daß Arz-
neimittel nicht mehr weiterentwickelt werden können.
Ein zweites Beispiel ist das Entfallen der Möglichkeit,
Art oder Menge der nicht wirksamen Bestandteile zu
ändern. Das bedeutet für ein Kombinationspräparat, daß
die Nachzulassung gescheitert ist, wenn eines seiner Be-
standteile bemängelt wird. Ein gravierender Punkt ist für
mich auch die Verkürzung der Frist, binnen derer Män-
gel beseitigt werden können, auf sechs Monate.
Wir können die pharmazeutische Industrie nicht für
die Versäumnisse des Arzneimittelinstitutes verantwort-
lich machen. Die langen Bearbeitungszeiten dürfen doch
nicht dazu führen, daß für die Mängelbeseitigung ein
Zeitraum gesetzt wird, der kaum noch zu bewältigen ist
und der dementsprechend in vielen Fällen zu einer Ver-
sagung der Zulassung führen wird. Ich halte das nicht
für korrekt. Wir werden uns im Gesundheitsausschuß
ausführlich mit diesen Fragen zu beschäftigen haben,
und ich hoffe sehr, daß wir dann zu einem vernünftigen
Ergebnis kommen. Auch die vorgesehene diskriminie-
rende Kennzeichnung fiktiv zugelassener Präparate als
sogenannte „Altarzneimittel“ muß im Laufe des Gesetz-
gebungsverfahrens zurückgenommen werden. Anderen-
falls wäre es ehrlicher, diese Produkte gleich vollständig
vom Markt zu nehmen.
Dr. Ruth Fuchs (PDS): Mit dem vorliegenden Ände-
rungsgesetz zum Arzneimittelgesetz geht es erneut um
das leidige Problem der Arzneimittelnachzulassungen,
dessen Geschichte weit zurückreicht. Ende der 70er Jah-
re wurden mit dem Arzneimittelgesetz in der Bundesre-
publik die gültigen internationalen Standards für die
staatliche Prüfung und Zulassung von Arzneimitteln
verbindlich eingeführt. Die bereits auf dem Markt be-
findlichen sogenannten Altpräparate erhielten eine fikti-
ve Zulassung. Für ihre nunmehr notwendige Nachzulas-
sung wurde eine sehr großzügig bemessene Aufberei-
tungsphase bis zum Jahre 1990 eingeräumt. Auch hin-
sichtlich der Anforderungen an die Hersteller, im Nach-
zulassungsverfahren die Wirksamkeit und Unbedenk-
lichkeit ihrer Erzeugnisse zu belegen, gab es eine Reihe
wesentlicher Erleichterungen. So wurde keine Ver-
pflichtung der Antragsteller vorgesehen, selbst Unter-
lagen über die erforderlichen pharmakologisch-toxiko-
logischen bzw. klinischen Prüfungen vorzulegen. Um
einen gestellten Antrag überhaupt erst vollständig und
entscheidungsreif werden zulassen, konnten entspre-
chende Materialien noch bis zum Rechtsmittelstreit vor
Gericht nachgereicht werden.
Solche Regelungen entsprachen zwar in generöser
Weise den Interessen der Pharmaindustrie – mit ele-
mentaren Anforderungen an den Schutz der Patienten
vor unzureichend geprüften Arzneimitteln hatten sie al-
lerdings kaum etwas zu tun.
Dies störte die damalige Bundesregierung offensicht-
lich aber nie. Im Gegenteil, mit der 5. Novelle des Arz-
neimittelgesetzes räumte die Regierung Kohl Herstel-
lern, welche bereits gestellte Nachzulassungsanträge zu-
rückzogen, eine noch weiter verlängerte Abverkaufsfrist
für ihre ungeprüften Produkte bis zum Jahre 2004 ein.
Im Ergebnis dessen befinden sich heute immer noch fast
20 000 nicht ordnungsgemäß zugelassene Arzneimittel
auf dem Markt.
Nun ist diese fragwürdige Idylle gestört worden.
Nach Maßgabe der heimischen Kräfteverhältnisse zwi-
schen Regierenden und Pharmaindustrie konnte dies nur
von außen geschehen. Bereits vor zwei Jahren hatte die
Europäische Kommission die skandalösesten Punkte der
deutschen Arzneimittelnachzulassung moniert und ein
Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Inzwischen
droht sie sogar mit Klage vor dem Europäischen Ge-
richtshof. Dabei ist klar: Kommt es zu keinen gesetzli-
chen Änderungen, ist mit einer Verurteilung der Bun-
desrepublik zu rechnen.
Damit befindet sich die jetzige Regierung, die die
entstandene Situation nicht zu verantworten hat, in Zug-
zwang. Handelt sie nicht, steht politischer Schaden ins
Haus. Darüber hinaus besteht die Gefahr, empfindliche
Zwangsgelder in Höhe von täglich etwa 1,5 Millionen
DM zahlen zu müssen. Streicht sie aber – wie es eigent-
lich angebracht wäre – die bis 2004 gültige Abverkaufs-
regelung ohne deutliche Zugeständnisse an die einhei-
mische Arzneimittelindustrie, sind Schadensersatzforde-
rungen der Pharmaunternehmen in voraussichtlich drei-
stelliger Millionenhöhe zu erwarten. Schließlich können
sie sich auf Vertrauensschutz berufen.
7208 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 1999
(A) (C)
(B) (D)
Vor diesem Hintergrund legt die Bundesregierung
heute ein Gesetz vor, welches unzweifelhaft Verbesse-
rungen gegenüber den bisherigen Verhältnissen bringt.
Allerdings ist sie nicht nur bestrebt, den Hauptforderun-
gen der EU-Kommission einigermaßen zu genügen so-
wie das Nachzulassungsverfahren zeitlich zu straffen,
sondern auch der Pharmaindustrie deutliches Entgegen-
kommen zu signalisieren. Der bisherige faule Kompro-
miß soll jetzt in einen etwas weniger faulen umgewan-
delt werden.
Christa Nickel, Parl. Staatssekretärin beim Bundes-
minister für Gesundheit: Wir diskutieren heute über das
Zehnte Änderungsgestz zum Arzneimittelgesetz, mit
dem wir nicht nur das Verfahren für Arzneimittel, die
sich in der Nachzulassung befinden, straffen, sondern
vor allem auch Einwänden der Europäischen Kommis-
sion Rechnung tragen wollen.
Das jetzige Modell der Nachzulassung ist mit dem
Arzneimittelgesetz von 1976 nach eingehender parla-
mentarischer Beratung gesetzlich verankert worden.
Damals wurde den Altpräparaten zunächst eine ,,fiktive
Zulassung“ erteilt. Die Nachzulassung wurde in zwei
Phasen gegliedert. In der Aufbereitungsphase werden
Wirkstoffe und Präparate analysiert. Darüber hinaus
wurde ein Stichtag eingeführt – zuletzt war dies der 30.
April 1990 –, bis zu dem Anträge auf Verlängerung der
fiktiven Zulassung gestellt werden mußten.
Immer wieder wird zu Recht die Frage gestellt: Wes-
halb dauert das Verfahren der Nachzulassung schon so
lange? Der Grund hierfür liegt vor allem im Umfang des
deutschen Arzneimittelmarktes. So waren 1978 über
140 000 Arzneimittel im Verkehr. Zum Stichtag Mai
1990 wurden rund 39 000 Nachzulassungsanträge ge-
stellt. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizin-
produkte wird nach dem Inkrafttreten des Zehnten Än-
derungsgesetzes noch bis zu 20 000 Anträge auf Nach-
zulassung abschließend zu bearbeiten haben. Zeitverzö-
gerungen haben sich auch ergeben, weil das Bundesin-
stitut für Arzneimittel und Medizinprodukte immer wie-
der andere prioritäre Aufgabenstellungen zu bewältigen
hatte.
Es ist an der Zeit, daß wir geeignete Schritte einlei-
ten, um die Nachzulassungen in einem überschaubaren
Zeitraum zum Abschluß zu bringen.
Darüber hinaus hat die Europäische Kommission Be-
denken in bezug auf mangelnde Übereinstimmung eini-
ger Vorschriften mit dem Gemeinschaftsrecht vorge-
bracht. Diesen Bedenken soll mit den Regelungen des
nun vorliegenden Gesetzentwurfes Rechnung getragen
werden. Dies betrifft im wesentlichen zwei Punkte:
Erstens enthält der Gesetzentwurf die von der Kom-
mission geforderte Verpflichtung zur Vorlage der Un-
terlagen und entsprechenden Sachverständigengutachten
zur Unbedenklichkeit und zur Wirksamkeit. Außerdem
sind die erforderlichen Folgeregelungen enthalten, die es
den betroffenen pharmazeutischen Unternehmen er-
möglichen sollen, im gestrafften Verfahren die Nachzu-
lassung für ein den Anforderungen entsprechendes Arz-
neimittel zu erhalten.
Zweitens wird die Regelung zu den sogenannten
2004-Präparaten aufgehoben. Bislang war vorgesehen,
daß die fiktive Zulassung derjenigen Arzneimittel, bei
denen der pharmazeutische Unternehmer den Antrag auf
Verlängerung der Zulassung zurückgenommen hat, mit
Ablauf des Jahres 2004 erlischt. Nach der neuen Rege-
lung kann das Verfahren auf Antrag wieder aufgegriffen
werden. Dies hat für einen noch unbekannten Teil der
2004-Präparate zur Folge, daß das Nachzulassungsver-
fahren weiterzuführen ist. Denjenigen Unternehmen
aber, die auf das Verfahren zur Verlängerung der Nach-
zulassung endgültig verzichten, wird eine Abverkaufs-
frist von zwei Jahren eingeräumt.
Schließlich sind folgende Maßnahmen zur Verkür-
zung des Nachzulassungsverfahrens vorgesehen, die un-
ser Haus auch gegenüber der Stellungnahme des Bun-
desrates nach wie vor für notwendig hält:
Erstens eine kurze Frist für die Vorlage der Unterla-
gen und Verkürzung der Fristen für die Beseitigung von
Mängeln des Antrags auf Neuzulassung. Diese kurzen
Fristen sind zur Straffung des Zulassungsverfahrens
zwingend erforderlich.
Zweitens eine Einschränkung der Änderungsmög-
lichkeiten für Nachzulassungspräparate. Zukünftig kann
der pharmazeutische Unternehmer ein Arzneimittel, das
sich noch in der Nachzulassung befindet, nur begrenzt
verändern, z. B. aufgrund eines fortgeschrittenen Standes
der Erkenntnisse der Wissenschaften oder in den Pak-
kungsgrößen. Darüber hinausgehende Änderungen sol-
len im Interesse einer zügigen Durchführung des Nach-
zulassungsverfahrens nicht mehr möglich sein. Denn das
Präparat soll bis zum Abschluß der Nachzulassung ein-
deutig festgelegt bleiben.
Drittens sieht der Entwurf vor, daß bereits in anderen
EU-Staaten geleistete Bewertungsarbeit für unsere Nach-
zulassung genutzt werden soll. Zulassungen für gleiche
Produkte sollen, soweit möglich, übernommen werden.
Flankierend zu diesen gesetzlichen Maßnahmen konnte
erreicht werden, daß die Zulassungsbehörden in nicht un-
erheblichem Umfang zusätzliche – zeitlich befristete –
Stellen erhalten. Mit dieser personellen Aufstockung ist
die notwendige Voraussetzung dafür geschaffen worden,
daß die vorliegenden Anträge in einem überschaubaren
Zeitraum tatsächlich bewältigt werden können.
Eine wichtige Verbesserung ist auch die geplante
Verbraucherinformation in der Packungsbeilage darüber,
daß sich ein Arzneimittel noch in der Nachzulassung be-
findet, was auch für den Verbraucher transparent sein
muß. Wer weitergehenden Aufklärungsbedarf hat, kann
sich an die Apothekerinnen und Apotheker wenden, sie
haben die Pflicht, die Patientinnen und Patienten zu be-
raten. Von einer Verunsicherung der Verbraucher – wie
von Seiten der Verbände vorgebracht – kann also nicht
die Rede sein. Die Verunsicherung besteht eben darin,
daß bis heute eine Vielzahl von Medikamenten auf dem
Markt sind, die das behördliche Zulassungsverfahren
noch nicht endgültig durchlaufen haben.
Mit diesen vorgeschlagenen Änderungen des Arz-
neimittelgesetzes soll neben der notwendigen Harmo-
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 1999 7209
(A) (C)
(B) (D)
nisierung zum europäischen Recht in erster Linie eine
Arzneimittelversorgung sichergestellt werden, die
dem Gesichtspunkt der Arzneimittelsicherheit Rech-
nung trägt. Es geht nur und ausdrücklich um Qualität
und Unbedenklichkeit der auf dem Markt befind-
lichen Arzneimittel und keinesfalls um Marktbereini-
gung.
Wir werden im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens
noch Gelegenheit haben, Detailfragen zu diskutieren. Im
Interesse der Arzneimittelsicherheit ist zu hoffen, daß
wir bald zu einer gesetzlichen Regelung kommen, die
die notwendige Harmonisierung mit EU-Recht und mehr
Arzneimittelsicherheit für die Patientinnen und Patienten
ermöglicht.
Nachtrag zum Plenarprotokoll 14/78
Deutscher Bundestag
Nachtrag zum
Stenographischen Bericht
78. Sitzung
Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 1999
I n h a l t :
Anlage 18
Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung
des Entwurfs eines Einundzwanzigsten Ge-
setzes zur Änderung des Abgeordnetengeset-
zes und eines Achtzehnten Gesetzes zur
Änderung des Europaabgeordnetengesetzes
(Tagesordnungspunkt 5)
Dr. Uwe Küster SPD ........................................ 7201 A
Andreas Schmidt (Mühlheim) CDU/CSU ........ 7202 B
Cem Özdemir BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ... 7202 D
Dr. Hermann Otto Solms F.D.P. ..................... 7203 C
Dr. Barbara Höll PDS ..................................... 7203 D
Anlage 19
Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung
des Entwurfs eines Zehnten Gesetzes zur Än-
derung des Arzneimittelgesetzes (Tagesord-
nungspunkt 6)
Horst Schmidbauer (Nürnberg) SPD .............. 7204 C
Annette Widmann-Mauz CD/CSU ................... 7205 C
Dr. Dieter Thomae F.D.P. ............................... 7207 A
Dr. Ruth Fuchs PDS ........................................ 7207 C
Christa Nickels Parl. Staatssekretärin bei der
BMG ................................................................ 7208 A
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 1999 7201
(A) (C)
(B) (D)
Anlagen zum Stenographischen Bericht
Anlage 18
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Entwurfs eines Einundzwan-
zigsten Gesetzes zur Änderung des Abgeordne-
tengesetzes und eines Achtzehnten Gesetzes zur
Änderung des Europaabgeordnetengesetzes
(Tagesordnungspunkt 5)
Dr. Uwe Küster (SPD):Die Konsolidierung des Bun-
deshaushaltes ist eine unserer vordringlichsten politi-
schen Aufgaben. Dabei steht für uns außer Frage: Nicht
nur die Bürger haben hierfür einen Beitrag zu leisten,
nicht nur die Rentner, Beamte und andere Personen-
gruppen müssen sich mit einem geringeren Einkom-
mensanstieg zufriedengeben. Wer dies von anderen
verlangt, muß selbst einen überzeugenden Sparbeitrag
leisten. Das tun wir mit der von den Fraktionen der SPD
und Bündnis 90/Die Grünen eingebrachten Novelle zur
Änderung des Abgeordnetengesetzes.
Der Präsident des Deutschen Bundestages hat in sei-
nem Schreiben an die Vorsitzenden der Bundestagsfrak-
tionen im April 1999 einen Vorschlag zur Anpassung
der Abgeordnetenentschädigung unterbreitet. Dazu ist er
nach dem Abgeordnetengesetz verpflichtet. Diesen Vor-
schlag haben die Abgeordneten der Koalition jedoch
nicht aufgegriffen, sondern sie haben für dieses Jahr eine
weitere Nullrunde beschlossen. Das ist übrigens die
zehnte Nullrunde für Abgeordnete seit 1977.
Wer bei anderen Verständnis für Einsparungen ein-
fordert, muß mit gutem Beispiel vorangehen. Bei der
letzten Reform des Abgeordnetengesetzes im Jahre 1995
führte die öffentliche Kritik an der Altersversorgung für
ehemalige Abgeordnete des Deutschen Bundestages zu
einer drastischen Kürzung. Aber im Bereich von Über-
gangsgeldern und sonstigen Versorgungen aus öffentli-
chen Kassen konnten die weitergehenden Forderungen
von uns damals als Opposition nicht durchgesetzt wer-
den. Jetzt haben wir die Mehrheit. Jetzt schneiden wir
die Mehrfachversorgungen zurück.
Nicht zu vermitteln war und ist der Bezug von Über-
gangsgeld für ehemalige Bundesminister und Parla-
mentarische Staatssekretäre, wenn sie aus ihrem Amt
ausscheiden, aber ihre politische Arbeit als Abgeordnete
fortsetzen. Für diese wichtige Arbeit beziehen sie ihre
Abgeordnetenentschädigung. Das Übergangsgeld bishe-
riger Regelung verliert hier seinen Sinn. Ab sofort soll
deshalb das Übergangsgeld ab dem zweiten Monat nach
dem Ausscheiden in voller Höhe ruhen. Ein früherer
Bundesminister bezog neben seiner Abgeordnetenent-
schädigung noch ein Übergangsgeld von maximal
244 000 DM. Mit der vorliegenden Regelung kürzen wir
den Höchstbetrag des Übergangsgeldes auf unter
10 Prozent.
Oder nehmen wir ein anderes Beispiel: Einige Kolle-
ginnen und Kollegen unseres Hohen Hauses waren vor-
her als Oberbürgermeister, Landrat oder in einer anderen
Form als kommunaler Wahlbeamter oder politischer Be-
amter tätig. Dafür erhalten sie zu Recht eine Versorgung
aus öffentlichen Kassen. Wären sie nun nicht als Abge-
ordnete, sondern als Beamte tätig, dürften sie nur
20 Prozent hiervon behalten. Abgeordneten verbleiben
hiervon nach jetzigem Recht neben der Abgeordneten-
entschädigung aber 50 Prozent. Wieso sind Abgeordnete
– was die Anrechnung ihrer Versorgungseinkünfte be-
trifft – gegenüber den Beamten privilegiert? Hierfür gibt
es keinen überzeugenden Grund.
Deshalb werden wir zukünftig alle Versorgungsbezü-
ge aus öffentlichen Kassen zu 80 Prozent statt bisher zu
50 Prozent auf die Abgeordnetenentschädigung anrech-
nen. Eine vollständige Anrechnung von Versorgungsbe-
zügen aus öffentlichen Kassen erscheint uns hingegen
nicht gerecht. Es darf eines nicht übersehen werden:
Versorgungsbezüge beruhen auf beruflichen Leistungen.
Die Früchte dieser Leistung genießen den Schutz der
Verfassung.
Ich will Ihnen die Auswirkungen dieser neuen An-
rechnungsregelung einmal an einem Zahlenbeispiel ver-
deutlichen. Erhält ein Abgeordneter neben der Abgeord-
netenentschädigung eine monatliche Amtsversorgung in
Höhe von 9 000 DM, verbleiben ihm hiervon heute noch
4 500 DM. Nach neuem Recht werden neben der Abge-
ordnetenentschädigung nur noch 1 800 DM ausgezahlt.
Zukünftig werden als 2 700 DM weniger ausgezahlt.
Diese verschärfte Anrechnungsregel tritt ab der 15. Wahl-
periode in Kraft.
Im Abgeordnetengesetz besteht eine weitere Rege-
lungslücke. Abgeordnete, die dem Bundestag weniger
als acht Jahre angehören, erwerben keine Altersentschä-
digung. Dies soll auch so bleiben. Hierfür sieht das Ab-
geordnetengesetz eine Versorgungsabfindung vor. Aber
nach bisherigem Recht verfällt der Anspruch eines aus-
geschiedenen Mitglieds des Bundestages auf Versor-
gungsabfindung, wenn es diesen nicht bis zu seinem To-
de geltend macht. Dies ist nicht sachgerecht.
Diese Altersversorgung steht den ehemaligen Abge-
ordneten und nach seinem Tode auch den Hinterbliebe-
nen zu. Viele ehemalige Abgeordnete erhalten aus un-
terschiedlichen Gründen die Entscheidung offen, ob sie
die Nachversicherung oder eine Versorgungsabfindung
beantragen. Ein plötzlicher Tod des ehemaligen Abge-
ordneten in dieser Situation läßt die Ehegatten und die
Kinder nach geltendem Recht unversorgt. Die Antrag-
stellung auf Versorgungsabfindung muß deshalb neu ge-
regelt werden. Künftig können auch der überlebende
Ehegatte oder Kinder von Abgeordneten einen Antrag
auf Versorgungsabfindung stellen, wenn ein Abgeord-
neter diesen Antrag bis zu seinem Tode nicht gestellt
hat.
Eine komplexer werdende Welt, unsere Informati-
onsgesellschaft, stellt ungewöhnlich hohe Anforderun-
gen an die Qualität und Quantität der zu verarbeitenden
Informationen. Es ist eine vordringliche Aufgabe der
Politik, optimale Rahmenbedingungen für den Wandel
ins Informationszeitalter zu schaffen. Dazu muß der
Staat die Akzeptanz der neuen Informations- und Kom-
munikationstechnologien fördern. Dies kann er nur
7202 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 1999
(A) (C)
(B) (D)
glaubwürdig tun, wenn er selbst Vorreiter bei der Nut-
zung moderner Informations- und Kommunikations-
technologien ist.
Es kommt noch ein Weiteres hinzu. Die Ansprüche
der Bürgerinnen und Bürger an die Abgeordneten sind
deutlich gestiegen. Sie erwarten in ihrem Wahlkreis
einen nahezu jederzeit schnell und zuverlässig informie-
renden Abgeordneten. Der Deutsche Bundestag hat in
den vergangenen Jahren eine gemeinsame Informations-
und Kommunikationsplattform geschaffen. Die Nut-
zungsmöglichkeiten des gemeinsamen Informations-
und Kommunikationssystems müssen auch in Zukunft
dem für gute politische Entscheidungen erforderlichen
hohen Informationsbedarf der Abgeordneten gerecht
werden. Der rasante technische Fortschritt darf nicht an
unserem Informations- und Kommunikationssystem
vorbeigehen.
Das geltende Abgeordnetengesetz gewährleistet dies
nicht mehr. Die dortige Regelung zur Nutzung des ge-
meinsamen Informations- und Kommunikationssystems
stammt aus dem Jahre 1987. Dies ist in informations-
technischer Hinsicht das Zeitalter der Postkutschen.
Durch die Novellierung des Abgeordnetengesetzes wird
es künftig schneller als bisher möglich sein, den Fort-
schritt im Bereich der Informations- und Kommunikati-
onstechnologien in der Arbeitsumgebung der Abgeord-
neten einzubeziehen. Diese Modernisierung wird nicht
mit Mehrkosten verbunden sein. Alle Aufwendungen in
diesem Bereich werden aus den bestehenden Haushalts-
ansätzen finanziert.
Ich fasse zusammen: Wir haben konsequent unbe-
rechtigte Mehrfachversorgungen von Abgeordneten ge-
strichen. Wir haben die Arbeitsbedingungen für Abge-
ordnete modernisiert. Damit machen wir unser Parla-
ment für die Herausforderungen der Informationsgesell-
schaft fit. Diese Reformen kosten den Steuerzahlern
keinen Pfennig, im Gegenteil: Wir sparen.
Andreas Schmidt (Mülheim) (CDU/CSU): Ich will
zunächst eine Vorbemerkung machen: Bisher war es
gute Tradition, daß wir bei Gesetzesänderungen bzw.
Gesetzesinitiativen, die die Rechtsstellung der Abgeord-
neten betreffen, den interfraktionellen Konsens gesucht
und sehr oft auch gefunden haben.
Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die Rechts-
stellungskommission in der 13. Wahlperiode unter der
Leitung von Herrn Klose, die im Geiste einer gemein-
samen Verantwortung für unsere parlamentarische Ar-
beit beraten und im Konsens entschieden hat.
Leider hat die neue Mehrheit im Deutschen Bundes-
tag diese Tradition, den Konsens zu suchen, längst auf-
gegeben und an deren Stelle die Arroganz der Mehrheit
oder die Arroganz der Macht gesetzt. SPD und Grüne
können jedenfalls nicht für sich in Anspruch nehmen,
bezüglich der hier vorgelegten Gesetzesänderung den
Konsens mit der CDU/CSU-Fraktion gesucht zu haben.
Jetzt zum Inhalt der vorgeschlagenen Änderungen des
Abgeordnetengesetzes. Zunächst das Positive: Die
CDU/CSU-Fraktion begrüßt ausdrücklich, daß den Ab-
geordneten zukünftig alle mobilen Informations- und
Kommunikationstechniken im Rahmen der Kommuni-
kationspauschale zugänglich gemacht werden sollen.
Dies ist ein richtiger Schritt, der auch verantwortbar ist,
da hierdurch keine höheren Kosten entstehen werden.
Nun zum Thema Übergangsgeld für ausgeschiedene
Minister und Parlamentarische Staatssekretäre. Die hier
angestrebte Änderung scheint mir unter dem Gesichts-
punkt der Gesetzessystematik höchst fragwürdig zu sein.
Die Übergangsgelder ergeben sich aus dem Gesetz über
die Rechtsverhältnisse der Mitglieder der Bundesregie-
rung bzw. aus dem Gesetz über die Rechtsverhältnisse
der Parlamentarischen Staatssekretäre.
Die Ansprüche ergeben sich nicht aus dem Abgeord-
netengesetz. Gesetzessystematisch wäre es daher logisch
und richtig, das Ruhen dieser Übergangsgelder neben
der Abgeordnetenentschädigung auch dort zu regeln, wo
die Ansprüche geregelt sind. Darüber sollten wir in den
anstehenden Ausschußberatungen sehr ausführlich dis-
kutieren.
Der gesetzessystematische Wirrwarr setzt sich auch
beim Thema Anrechnung von Versorgungsbezügen auf
die Abgeordnetenentschädigung fort. Das vorgelegte
Änderungsgesetz differenziert völlig willkürlich ohne
erkennbaren Grund zwischen Versorgungsbezügen aus
einem Amtsverhältnis eines Landes und Versorgungs-
bezügen aus einem Amtsverhältnis des Bundes.
Bei einem Amtsverhältnis des Landes sollen die Ver-
sorgungsbezüge voll gezahlt werden, dafür aber die Ab-
geordnetenentschädigung in Höhe von 80 Prozent der
Versorgungsbezüge ruhen. Bei einem Amtsverhältnis
des Bundes dagegen soll die Abgeordnetenentschädi-
gung voll gezahlt werden. Dafür sollen dann die Versor-
gungsansprüche in Höhe von 80 Prozent neben der voll
zu zahlenden Diät ruhen.
Unter dem Gesichtspunkt der Gesetzessytematik ver-
dient der von Ihnen vorgelegte Gesetzentwurf eher das
Prädikat „liderlich“ als „sauber und durchdacht“.
Da der Komplex Versorgungsansprüche mit Beginn
der 15. Wahlperiode auch für wiedergewählte Abgeord-
nete Geltung erhalten soll, werden in den Ausschußbe-
ratungen auch die Fragen von Vertrauensschutz, Rück-
wirkungsverbot und Bestandssicherheit eine Rolle spie-
len müssen.
Abschließend will ich auf folgenden Punkt aufmerk-
sam machen: In der letzten Wahlperiode haben wir
einvernehmlich in das Abgeordnetengesetz geschrie-
ben, daß sich die Abgeordnetenentschädigung an den
Gehältern B6 bzw. R6 orientieren solle. Gleichzeitig
haben wir uns gesetzlich verpflichtet, über die Anpas-
sung der Abgeordnetenentschädigung innerhalb des
ersten halben Jahres nach der konstituierenden Sitzung
zu entscheiden.
Diesem Postulat sind wir bisher nicht nachgekom-
men. Der vorgelegte Gesetzentwurf enthält dazu keine
Regelung. Die gesetzlich fixierte Orientierungsgröße
R6/B6 rückt damit nicht näher, sondern in weitere
Ferne.
Cem Özdemir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir
erleben gerade in diesen Tagen, daß die Bürgerinnen
und Bürger allen Anlaß haben, an der Seriosität der
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 1999 7203
(A) (C)
(B) (D)
politischen Klasse zu zweifeln. Das Schlimme an dem
Spendenskandal der Union ist, daß er letztlich auf uns
alle zurückschlägt. Dieser Schaden für die Glaubwür-
digkeit der Demokratie insgesamt wird den aktuellen
Schaden für die Union selber längerfristig überholen.
Er schlägt auf uns alle zurück – egal, in welcher Partei
wir sind. Was der frühere Kanzler und seine Mitwisser
in Bund und Land angerichtet haben, wird uns noch
lange zu beschäftigen haben. Real existierendes Patri-
archat, Günstlingswirtschaft und eine verdächtige Nähe
von politischen Entscheidungen mit den entsprechen-
den Spendenquittungen, das ist Ihr Erbe, meine Damen
und Herren von der Union, das Sie uns hinterlassen ha-
ben.
Angesichts der verheerenden Wirkung von Mafia-
methoden bei der Finanzierung des Politikbetriebs müs-
sen wir klare und unmißverständliche Zeichen setzen.
Zeichen setzen heißt: Wir müssen den Menschen deut-
lich machen, daß wir Abgeordneten eben keine habgie-
rigen Schmarotzer sind. Wir haben nun einmal in der
Demokratie die Aufgabe, über die Steuermittel der Bür-
gerinnen und Bürger zu verfügen. Das zwingt uns dazu,
mit diesem Recht in eigener Sache besonders sorgsam
umzugehen.
Gemeinsam mit der SPD haben wir den Entwurf einer
Änderung des Abgeordnetengesetzes im Bundestag ein-
gebracht. Ich bin froh darüber, daß Forderungen meiner
Fraktion, die wir über mehrere Legislaturperioden hin-
weg immer und immer wieder erhoben haben, nunmehr
Gesetz werden.
Wir haben stets gefordert, die Mehrfachversorgung
von Abgeordneten kräftig zusammenzustreichen. Das
wird nun endlich geschehen.
Ab der kommenden Legislaturperiode werden alle
aus öffentlichen Kassen bezogenen Versorgungsbezüge
zu 80 Prozent auf die Diäten angerechnet. Frühere Lan-
desminister und hauptamtliche Bürgermeister dürfen ne-
ben der Abgeordnetenentschädigung nur noch 20 Pro-
zent behalten, was im Beamtenrecht üblich ist.
Das Übergangsgeld für Bundesminister und Parla-
mentarische Staatssekretäre wird künftig ab dem zwei-
ten Monat neben den Abgeordnetendiäten ruhen. Bisher
bekamen sie bis zu drei Jahre Übergangsgeld.
Diese drastischen Kürzungen, gerade bei der öffent-
lich zu Recht heftig kritisierten Doppelalimentation, sind
ein Beitrag zur Haushaltskonsolidierung. Sie sind aber
jenseits des rein Fiskalischen auch ein Zeichen für die
Bereitschaft der rotgrünen Regierungsfraktionen, die
Privilegien in eigener Sache radikal auf den Prüfstand zu
stellen.
In einem sehr engen sachlichen Zusammenhang mit
den anstehenden Neuregelungen im Abgeordnetengesetz
zur Beschneidung von Doppelalimentationen steht die
Versorgung der sogenannten ,,politischen Beamten“.
Die geltenden gesetzlichen Regelungen sind auch in ih-
rer jetzigen Form weder sachlich gerechtfertigt noch ge-
genüber der Öffentlichkeit vertretbar.
Ich weiß, daß hier sofort die alten Grundsätze des
Berufsbeamtentums bemüht werden, um weiter lebens-
lange Versorgungsansprüche auch nach kurzen Amts-
zeiten zu begründen. Wir müssen uns aber die Realität
in der Gesellschaft einmal ansehen. Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmern wird ständig abverlangt, sich auf
völlig veränderte Rahmenbedingungen einzustellen. Sie
sollen im Fall der Arbeitslosigkeit wesentlich geringer
bewertete Tätigkeiten übernehmen, ihren Wohnort ver-
lassen und sich durch anspruchsvolle Umschulungsmaß-
nahmen auf neue berufliche Tätigkeiten vorbereiten
müssen. Diese Flexibilisierung kann auch an den füh-
renden Beamtinnen und Beamten im öffentlichen Dienst
nicht länger spurlos vorbeigehen.
Ich bin froh, daß wir uns hier koalitionsintern geei-
nigt haben, Veränderungen vorzunehmen:
Ob für politische Beamte oder für uns Abgeordnete:
In Zeiten tiefer Einschnitte in Leistungsgesetze können
und dürfen wir vor uns selbst keinen Halt machen. Nur
dann gewinnen wir Glaubwürdigkeit zurück.
Der von uns vorgelegte Koalitionsentwurf zur Ände-
rung des Abgeordnetengesetzes ist ein wichtiger Schritt,
verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen. Ich hoffe, daß
sich auch die Opposition diesem Anliegen nicht ver-
schließt.
Dr. Hermann Otto Solms (F.D.P): Die F.D.P. unter-
stützt die Zielrichtung des Gesetzentwurfs, die Über-
gangsgelder ehemaliger Minister und Staatssekretäre
stärker anzurechnen. Was für Abgeordnete längst gilt,
muß auch für Minister und Staatssekretäre gelten.
Die F.D.P. unterstützt auch die Zielrichtung des Vor-
schlags, Versorgungsbezüge aus einem öffentlichen Amt
stärker anzurechnen. Allerdings gehen beide Vorschläge
nicht weit genug.
Wir werden uns in den Ausschüssen damit und auch
mit der Einbeziehung der Abgeordnetenbüros in das In-
formations- und Kommunikationssystem des Bundesta-
ges genauer befassen.
Nach Auffassung der F.D.P. reichen Korrekturen am
bestehenden Recht nicht aus. Wir halten es für falsch,
Abgeordnete wie Beamte zu behandeln und ihre Diäten
an bestimmte Besoldungsgruppen zu koppeln. Abgeord-
nete sind keine Richter und Beamte und gehören nicht
dem öffentlichen Dienst an. Sie sind allein dem Wähler
gegenüber verantwortlich. Die Entschädigung der Poli-
tiker muß deshalb ebenso reformiert werden wie unsere
Altersversorgung.
Die F.D.P. hat deshalb im Oktober einen Reformvor-
schlag eingebracht. Wir erneuern damit unsere Forde-
rung, beim Bundespräsidenten eine Kommission unab-
hängiger Sachverständiger zu berufen, die dem Bundes-
tag umfassende Vorschläge zur Anpassung der Diäten
vorlegt. Sie soll auch Vorschläge unterbreiten, wie die
Altersvorsorge der Abgeordneten auf ein Versorgungs-
werk umgestellt werden kann, das sich durch Eigenbei-
träge der Abgeordneten selbst finanziert.
Dr. Barbara Höll (PDS) Die erste Lesung des Abge-
ordnetengesetzes erfolgt in einer Zeit, in der die Funk-
tionsweise der demokratischen Strukturen unseres Ge-
7204 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 1999
(A) (C)
(B) (D)
meinwesens gefährdet ist. Offenkundig ist die Politik
seit Jahren nicht mehr in der Lage, die wirklich drän-
genden Probleme der Gesellschaft zu lösen. Die Mas-
senarbeitslosigkeit verharrt auf einem fast gleichblei-
bend hohen Niveau, soziale Probleme häufen sich an,
Armut in der Bevölkerung nimmt zu.
Abgeordnete haben ein denkbar schlechtes Image in
der Bevölkerung: Sie werden zwar hoch bezahlt, bewäl-
tigen jedoch nicht einmal ihre Arbeit und nehmen sie of-
fenkundig auch nicht wahr. In jüngster Zeit aufgedeckte
persönliche Vorteilsnahme von Spitzenpolitikern und
eine halblegale Spendenpraxis, die die Frage aufwerfen,
ob Politik käuflich ist, tragen ein übriges dazu bei. Bür-
ger und Bürgerinnen in der Bundesrepublik fühlen sich
vielfach im Stich gelassen von ihren Abgeordneten. Die
da oben machen scheinbar eh was sie wollen. Das er-
zeugt eine Politik-, ja Demokratieverdrossenheit in der
Bevölkerung.
Vor kurzem wurden durch die Regierungsmehrheit mit
dem Haushaltssanierungsgesetz Regelungen beschlos-
sen, die sozial ungerecht sind. Ob es die Ablösung der
Rentenerhöhung von der Nettolohnentwicklung betrifft
oder die Künstlersozialkasse – die Regelungen sind so,
daß gerade die Ärmsten in der Bevölkerung davon ne-
gativ betroffen sind. Selbst die Familienentlastung, die
für das erste und zweite Kind eine Kindergelderhöhung
beinhaltet, entlastet Familien mit sehr hohem Einkom-
men wesentlich stärker als Familien mit niedrigem Ein-
kommen – alles begründet mit einem Aufruf zum Spa-
ren. Wirbt nun ein Vegetarier für fleischlose Kost oder
ruft ein Asket zum Sparen auf, so ist dies zumindest
glaubwürdig. Wer überzeugt wird, möge dem Beispiel
folgen. Abgeordnete jedoch, die selbst ein sehr gutes
Einkommen haben beschließen Spargesetze, die große
Teile der Bevölkerung belasten, ohne daß sie gleichzei-
tig einen eigenen Beitrag leisten. Und dies ist zutiefst
unglaubwürdig.
Der Verzicht auf Diätenerhöhung war dabei eindeutig
zu wenig. Wer die Hoffnung hatte, daß mit dem vorge-
legten Gesetz eine grundlegende Reform der finanziel-
len Ausstattung der Abgeordneten erfolgen würde, sieht
sich enttäuscht. Das vorgelegte Gesetz beinhaltet nur
einige wenige Punkte, die allerhöchstens die Begren-
zung gröbster Ungerechtigkeit verankern. Diese Schritte
begrüßen wir natürlich, halten sie aber ausdrücklich
nicht für ausreichend.
Die PDS unterstützt die vorgeschlagene Kürzung des
Übergangsgeldes von Ministern und Parlamentarischen
Staatssekretären auf einen Monat, so die entsprechenden
Personen nach Aufgabe ihres Amtes weiter Abgeordnete
bleiben. Dies war schon lange überfällig. Die vorge-
schlagene Regelung, daß ab der 15. Legislaturperiode
Abgeordnete neben ihren Diäten Leistungen aus anderen
Versorgungsansprüchen nur noch zu höchstens 20 Pro-
zent erhalten, ist in diesem Sinne begrüßenswert. Derzeit
werden 50 Prozent der sonstigen Versorgungszahlung
von Abgeordneten mit ihren Diäten verrechnet. Zukünf-
tig sollen es 80 Prozent sein. Damit verbleibt noch im-
mer eine bestimmte Doppelalimentierung. Und wer
meinte, daß in dieser Situation nun endlich auch Abge-
ordnete, Staatssekretäre und Minister gesetzlich ver-
pflichtet werden, solidarisch in alle sozialen Sicherungs-
systeme, eben auch in die Rentenversicherung einzu-
zahlen, sieht sich ebenfalls enttäuscht.
Die PDS wird sich dementsprechend in die Diskus-
sion der gesetzlichen Regelungen einbringen, wobei ich
auch noch klarstellen möchte, daß wir die vorgesehene
Korrektur der Amtsausstattung der Abgeordneten unter-
stützen, aber es muß sichergestellt werden, daß die mit
der Neuformulierung eröffneten Möglichkeiten der
technischen Ausstattung nicht zu einer Mehrbelastung
des Haushaltsbudgets des Deutschen Bundestages füh-
ren. Die Aufgabe einer grundlegenden Reform, mit der
auch mehr Transparenz in der Tätigkeit und der Bezah-
lung der Abgeordneten erreicht werden kann, ist das
Vorgeschlagene aber nicht.
Anlage 19
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Entwurfs eines Zehnten Ge-
setzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes
(Tagesordnungspunkt 6)
Horst Schmidbauer (Nürnberg) (SPD): Ich habe
mich eingangs gefragt, ob denn der Begriff Novelle für
die Aufgaben dieses Gesetzes der richtige Begriff ist.
Mit Novelle verbindet man noch eine Erwartungshal-
tung, die von einem positiven Aspekt ausgeht. Der Titel,
der zu der Aufgabenstellung besser passen würde, wäre
„Erstes Altlastenbereinigungsgesetz“. Es geht nicht
nur um Altlasten, es sind Uraltverpflichtungen, die
zum Handeln verpflichtet haben, ausgehend von der
EU-Richtlinie 65/65 vom 26. Januar 1965, von den
Angleichungen und Vorschriften, gekoppelt mit der
EU-Richtlinie 75/319 vom 20. Mai 1975.
Danach kam 1976 das Arzneimittelgesetz in der Bun-
desrepublik. Das heißt, 23 Jahre hatten die Verantwortli-
chen und die Hersteller in der Bundesrepublik die Ver-
pflichtung, das Thema Altarzneimittel aufzuarbeiten,
aber wie man sieht, ohne Erfolg. Es gibt aber auch Alt-
lasten der alten Bundesregierung, die die Anpassungs-
verpflichtung für die Zulassungsanforderungen bis zum
20. Mai 1990 vorzunehmen hatte. Seit 1990 sind nun
fast zehn Jahre verstrichen, zehn Jahre ausgesessen. Man
hat nicht nur ausgesessen, sondern mit der 2004-
Regelung noch eins draufgesetzt: daß man Altarznei-
mittel ohne Prüfung bis 2004 verkaufen darf, wenn man
auf die Nachzulassung verzichtet.
Aber hinterfragt: Wer hat das Problem auf europäi-
scher Ebene in Bewegung gesetzt?, stellt man fest, daß
es weniger die Kommission war als vielmehr der liebe
Wettbewerb der deutschen Hersteller im europäischen
Markt. Dieser liebe Wettbewerb sah in der laschen deut-
schen Arzneimittelgesetzgebung berechtigterweise eine
Begünstigung der deutschen Hersteller. Was lernt man
daraus? Die kontraproduktive Arzneimittelpolitik der
alten Bundesregierung kehrt wie ein Bumerang zurück.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 1999 7205
(A) (C)
(B) (D)
Aber es geht nicht nur um Altlast, sondern auch um
alte Geschichten, die allerdings noch nicht das Licht der
Öffentlichkeit so recht erblickt haben. Am 17. Februar
1998 lagen alle Rückantworten der Bundesregierung zur
Beanstandung in Brüssel vor. Am 21. Oktober 1998 kam
der Erlaß nach Bonn, Unterschrift: Martin Bangemann.
Bis jetzt ist noch nicht so recht aufgefallen, daß in dem
langen Zeitraum zwischen Februar und Oktober der 27.
September 1998 lag. Ein letzter Freundschaftsdienst an
die alte Regierung mit dem Erlaß, die Bundestagswahl
abzuwarten.
Viele von uns haben die aktuelle Rechtslage noch
nicht so recht wahrgenommen. Mit dem Erlaß vom 21.
Oktober 1998 sind die deutschen Altpräparate nach EU-
Recht illegal auf dem Markt. Sie werden mir zustimmen:
Das ist eine der großen Altlasten, die uns die alte Regie-
rung hinterlassen hat.
In Wirklichkeit bräuchten wir im Kern ein „Scha-
densbegrenzungsgesetz“, denn der Bundesrepublik ist in
dreifacher Weise Schaden zugefügt worden. Der erste
Schaden: Es besteht die große Gefahr, daß wir im Rah-
men eines Vertragsverletzungsverfahrens 2,5 Milliarden
DM Strafe nach Brüssel bezahlen müssen. Der zweite
Schaden trifft den Pharmastandort Deutschland, weil die
Unternehmen, die auf Export angewiesen sind und für
die Innovation ein wichtiger Begriff ist, durch das Ver-
fahren aus Brüssel Ansehensschaden erlitten haben. Der
dritte Schaden ist dem Verbraucher- und Gesundheits-
schutz entstanden, obwohl die Koalition alles daransetzt,
gerade Verbraucher und Gesundheit nachhaltig zu
schützen.
Nun zu den drei Schadensbereichen. Erstens. Auch
mit dem vorliegenden Gesetz ist die Gefahr, schadener-
satzpflichtig zu werden, nicht restlos ausgeräumt. Dies
hängt damit zusammen, daß weder die sogenannten
Monographien noch die 2004-Regelung EU-konform
sind.
Zweitens wäre es besser, wir würden für den Pharma-
standort Deutschland ein neues Kapitel der Arzneimit-
telpolitik aufschlagen, deutlich machen, daß Verbrau-
cherschutz und Standortpolitik ein gutes Begriffspaar
sind.
Drittens. Für den Verbraucher ist Transparenz ange-
zeigt. Die Kennzeichnung für Altarzneimittel, wie sie im
Gesetz vorgesehen ist, ist die Mindestanforderung. Ein
Verbraucher kann ansonsten nicht zwischen einem
zugelassenen und einem fiktiv zugelassenen Arzneimit-
tel unterscheiden.
Die mit der Regelung einhergehenden Risiken in
Brüssel kann der Bundesregierung niemand abnehmen.
Deshalb haben Aufweichungswünsche keine Chance. Im
Gegenteil: Wir müssen, um Risiken ausschließen zu
können, ein Mehr an Klarheit, ein Mehr an Gesetzes-
qualität, ein Mehr an Transparenz schaffen.
Aber wir haben noch eine zweite Altlast zu bewälti-
gen, die gerade von Berlin nach Bonn unterwegs ist und
für ein halbes Jahr zwischengelagert ist. Ich spreche von
dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinpro-
dukte, BfArM. Diese Altlast hat dazu geführt, daß wir
einen Ballast von 14 000 anstehenden Prüfungen vor uns
herschieben. Mit Leistung hat dies alles nichts zu tun.
Input und Output stimmen nicht überein. Dazu im Ver-
gleich: Frankreich hatte 80 000 Präparate in dem Zeit-
raum von 1978 bis 1990 mit acht Personen unter Leitung
von Professor Alexandre aufgearbeitet. In Großbritanni-
en wurde die gleiche Leistung für 25 000 Präparate mit
einer Kommission von 16 Personen bewältigt. In
Deutschland stehen 400 bis 500 Stellen zur Verfügung;
über 70 sollen noch dazukommen, und die Altlast wird
nicht kleiner, sondern größer.
Ich denke, wir sind uns einig: Wir brauchen dringend
einen Umbau beim BfArM, wir brauchen eine aufge-
schlossene, selbstsichere, mit hoher Motivation arbei-
tende Bundesoberbehörde mit einem modernen Mana-
gement.
Ich denke, es ist klargeworden: Das Risiko ist nicht
teilbar. Erstens. Wenn wir den Finanzminister vor einer
Forderung in Höhe von 2,5 Milliarden DM schützen
wollen, dürfen wir Brüssel nicht durch ein ungenügen-
des Gesetz herausfordern. Zweitens. Wenn wir den
Pharmastandort Deutschland schützen wollen, müssen
Transparenz und Qualität großgeschrieben werden.
Drittens. Wenn wir die Verbraucher schützen wollen,
müssen wir ganz schnell das Kapitel Altarzneimittel
abschließen. Wir bleiben sonst auf der Rechnung sit-
zen.
Annette Widmann-Mauz (CDU/CSU): Die Europäi-
sche Kommission rügt die Bundesregierung. Deutsch-
land hat die EU-Richtlinie zur Angleichung des Rechts
im Bereich der Nachzulassung von Arzneimitteln bisher
nicht in nationales Recht umgesetzt. Wenn nicht umge-
hend gehandelt wird, droht ein Vertragsverletzungsver-
fahren, bei dem Deutschland nicht gut aussehen wird. Es
besteht also eine gewisse Eilbedürftigkeit. Und wir alle
wissen: Wenn diese Regierung, wenn Frau Fischer, un-
ter Druck arbeiten muß, gelingen die einfachsten Dinge
nicht. Deshalb lassen sie uns die Sache gemeinsam und
in aller Ruhe angehen!
Worum geht es? 1965 hat die Europäische Gemein-
schaft in einer Richtlinie beschlossen, die Rechts- und
Verwaltungsvorschriften über Arzneimittel zu harmoni-
sieren. Danach darf ein Arzneimittel erst dann auf den
Markt gebracht werden, wenn es gemäß dieser Richtli-
nie von der zuständigen nationalen Behörde genehmigt
worden ist. Neben weiteren Angaben und Unterlagen
sind einem Zulassungsantrag auch die Ergebnisse zahl-
reicher Prüfungen beizufügen. Dabei handelt es sich
vor allem um physikalisch-chemische, biologische und
mikrobiologische Prüfungen, um pharmakologische und
toxikologische Prüfungen sowie um ärztliche und klini-
sche Prüfungen.
Zehn Jahre später, 1975, wurde dann eine weitere
EG-Richtlinie beschlossen, mit der auch die Zulassungs-
anforderungen für Altarzneimittel, also für bereits im
Verkehr befindliche Arzneimittel, angepaßt werden
sollten. Die Übergangsfrist der Rechtsanpassung für die-
se sogenannte Nachzulassung betrug 15 Jahre. Das
heißt, bis spätestens 1990 war die Anpassung des Zulas-
sungsverfahrens für Altarzneimittel vorzunehmen. Eine
entsprechende Rechtsangleichung ist in Deutschland
7206 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 1999
(A) (C)
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– sowohl unter der SPD als auch unter CDU/CSU-
Regierung; übrigens aus ganz unterschiedlichen Grün-
den – bisher nicht erfolgt. Im letzten Jahr nun erfolgte
das Einschreiten der Europäischen Kommission. Jetzt ist
es an der Zeit, daß wir die Kuh vom Eis holen. Mit dem
Entwurf der 10. AMG-Novelle will die Bundesregierung
das Nachzulassungsverfahren von Altarzneimitteln an
die Anforderungen der EG-Richtlinien anpassen. Wir
begrüßen dies ausdrücklich. Wir tragen das Vorhaben
der Rechtsangleichung grundsätzlich mit. Auch begrü-
ßen wir prinzipiell das Bemühen, die Nachzulassung zu
beschleunigen. In der Zielsetzung stimmen wir überein,
allein der Weg, den Sie beschreiten wollen, ist so – beim
besten Willen – nicht gehbar. Sie schießen da mal wie-
der übers Ziel hinaus und gefährden in letzter Konse-
quenz und in dramatischer Weise eine ganze Reihe von
mittelständischen Unternehmen. Ich will Ihnen das an
drei Punkten aufzeigen.
Erstens. Aus Beschleunigungszwecken wollen Sie
Änderungsmöglichkeiten der arzneilich wirksamen Be-
standteile streichen (§ 105 Abs. 3a Satz 2 AMG). Ge-
genwärtig sind solche Änderungen nur möglich, nach-
dem ein Mängelbescheid ergangen ist. Wann dies ge-
schieht, also auf den Zeitpunkt, hat der Antragsteller
keinerlei Einfluß. Nach Ihrem Entwurf sollen solche
Änderungen in Zukunft – mit Ausnahme homöopathi-
scher Arzneimittel – überhaupt nicht mehr möglich sein.
Einem vom Arzneimittelinstitut gerügten Mangel hin-
sichtlich der Zusammensetzung könnte damit nicht mehr
abgeholfen werden, die Zulassung würde quasi automa-
tisch versagt.
Von einer solchen Streichung besonders betroffen
sind vor allem Kombinationspräparate, die bisher zu
einem Großteil noch nicht bearbeitet wurden. Teilweise
konnten die Hersteller noch keine Änderungen vorneh-
men, weil nach wie vor unklar ist, nach welchen Kriteri-
en die Kombination beurteilt werden, so daß eine Ände-
rung der Zusammensetzung im Vorgriff eines Mängel-
bescheids unmöglich war. Die wirtschaftlichen Folgen
wären katastrophal. Betroffen sind etwa 1 800 chemisch
definierte und ein Großteil der 4 500 Kombinationsprä-
parate der besonderen Therapierichtungen, vor allem
pflanzliche und anthroposophische Präparate.
Allein schon dieser Punkt zeigt, welcher Unsinn hier
verzapft wird. Mit dieser Streichung, wie an anderer
Stelle im übrigen auch, machen Sie, Frau Fischer, eine
ganze Palette alternativer Medizinpräparate kaputt. Herr
Dreßler will die Schulmedizin, das wissen wir. Aber
warum gerade die Grünen nach der Positivliste zum
zweitenmal gegen die Alternativmedizin vorgehen, das
müssen Sie den Wählerinnen und Wählern schon einmal
erklären.
Zudem frage ich sie: Warum wollen Sie – nur mal
so nebenbei – Änderungsmöglichkeiten streichen, an-
statt die Kooperation zwischen den Herstellerfirmen
und den staatlichen Behörden zu verbessern? Warum
können wir hier nicht von den USA lernen? Dort ar-
beiten Hersteller und die FDA bereits im Vorgriff eines
möglichen Mängelbescheids konstruktiv zusammen, so
daß es erst gar nicht zu solchen formalen Bescheiden
kommen muß.
Zweitens. Hinzu kommt ein anderer Punkt. Sie
wollen die Frist zur Beseitigung von Mängeln von der-
zeit 18 auf maximal 6 Monate verkürzen (§ 105 Abs. 5
Sätze 2 und 5 AMG). Diese Frist ist viel zu kurz.
Nehmen sie zum Beispiel Bioäquivalenzstudien oder
klinische Studien. Wenn dort in der Zulassungspraxis
Mängel auftauchen, die nicht auf Versäumnisse des
Herstellers zurückzuführen sind, sondern sich auf
Grund der Interpretation des Studienergebnisses durch
die Behörde ergeben, dann sind sechs Monate einfach
zu wenig, um die Mängel zu beheben. Sie können der-
artige Studien nie und nimmer in sechs Monaten quali-
fiziert durchführen.
Die von ihnen vorgeschlagene Verkürzung der Frist
ist völlig willkürlich. Sie beruht weder auf Bedenken der
Europäischen Kommission noch wird damit eine we-
sentliche Beschleunigung des Nachzulassungsverfahrens
erreicht werden. Auch hier droht die Konsequenz, daß
das Arzneimittel nicht nachzugelassen werden kann. Das
Mittel hat dann praktisch keine Chance mehr, auf dem
Markt zu bleiben und damit Patienten zugute zu kom-
men.
Gerade für eine Vielzahl bewährter Naturarzneimittel
und speziell auch Tierarzneimittel sind die geforderten
Unbedenklichkeits- und Wirksamkeitsnachweise nur mit
unverhältnismäßig hohen Kosten zu erbringen. Ange-
sichts bereits vorhandener Probleme bei der Verfügbar-
keit von Tierarzneimitteln ist dies besonders problema-
tisch, wenn es sich um Präparate zum Beispiel für zah-
lenmäßig wenig bedeutende Tierbestände oder Anwen-
dungen handelt. Bei denen stehen Investitionen für not-
wendige Untersuchungen in keinem Verhältnis zu den
Verkaufserlösen.
Sie nehmen damit nicht nur bewußt wirtschaftliche
Nachteile für Arzneimittelhersteller, die Verlagerung
entsprechender Produktionen ins Ausland und sogar eine
Zunahme des illegalen Arzneimittelverkehrs in Kauf,
nein, Sie gefährden möglicherweise die tierärztliche
Versorgung bestimmter Tierbestände und verschärfen
den Therapienotstand in der Tiermedizin. Tierschutz im
Grundgesetz, aber in Detailregelungen keine Spur von
Problembewußtsein!
Drittens. Sie wollen weiter die Kennzeichnung „Alt-
Arzneimittel“ in der Packungsbeilage (§ 109 Abs. 1
AMG). Dies ist ein absolut fragwürdiger Hinweis. Er hat
nichts mit Verbraucherinformation zu tun, sondern stig-
matisiert lediglich Arzneimittel, die noch im Nachzulas-
sungsverfahren und damit lediglich fiktiv zugelassen
sind.
Die Reihenfolge der Bearbeitung von Anträgen liegt
nicht im Ermessen des Antragstellers. Durch den ge-
planten Hinweis wird nicht Aufklärung, sondern Verun-
sicherung betrieben. Es wird der Eindruck erweckt, daß
das Arzneimittel aus Verschulden des Herstellers noch
nicht zugelassen ist. Es besteht die Gefahr, daß der
flüchtige Leser die Qualität des Präparats zu Unrecht
bezweifelt. Die wirtschaftlichen Konsequenzen für den
Hersteller können Sie sich an fünf Fingern abzählen.
Im Entwurf sind zahlreiche weitere Punkte, die
höchst problematisch sind. Ich nenne nur die Stichworte:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 1999 7207
(A) (C)
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„2004er-Regelung“, das an die Fristüberschreitung ge-
koppelte Erlöschen der fiktiven Zulassung oder das Pro-
blem der „doppelten Nachzulassung“. Über diese Punkte
müssen wir noch ausführlich reden. Da muß auf jeden
Fall nachgebessert werden.
Heute kann lediglich festgestellt werden: Das Ziel ist
richtig, der von Ihnen vorgeschlagene Weg ist jedoch
wieder einmal falsch. Angesichts eines drohenden Ver-
tragsverletzungsverfahrens haben Sie – unter hohem
Zeitdruck – praktisch eine patienten- und mittelstands-
feindliche Marktbereinigungskonzeption vorgelegt. So
geht es nicht. Die Konsequenzen wären zum Teil ver-
heerend. Deshalb lassen Sie uns im Ausschuß und in
der Anhörung in Ruhe alle einzelnen Punkte durchgehen
und gemeinsam einen guten Weg finden.
Dr. Dieter Thomae (F.D.P.): Alle Anstrengungen,
die wir seit Jahren unternommen haben, das Arzneimit-
telinstitut dazu zu bewegen, die Nachzulassungen von
Arzneimitteln schnell und effizient abzuwickeln, haben
relativ wenig bewirkt. Zugegeben: Es ist ein Stückchen
besser geworden, aber es reicht nicht aus. Deshalb haben
wir damals zu dem Mittel gegriffen, pharmazeutischen
Unternehmern, die auf die Nachzulassung verzichten,
eine Abverkaufsfrist bis Ende 2004 einzuräumen. Da-
hinter steckte die Hoffnung, dieses trübe Kapitel endlich
abschließen zu können und damit auch die Forderungen
einer weiteren Zulassung für die Aufnahme auf eine
Positivliste ein für allemal ad absurdum zu führen. Ich
bedaure sehr, daß die EU diesen pragmatischen Weg für
nicht zulässig erklärt hat, so daß heute tatsächlich
Handlungsbedarf besteht. Allerdings geht der vorgelegte
Entwurf über das hinaus, was EU-rechtlich notwendig
wäre. So soll zum Beispiel eine Änderung der Hilfsstof-
fe oder der Art und Dauer der Anwendung nur noch
einmal zulässig sein, wenn die zur Behebung mit geteil-
ter Menge erforderlich ist. Das hat zur Folge, daß Arz-
neimittel nicht mehr weiterentwickelt werden können.
Ein zweites Beispiel ist das Entfallen der Möglichkeit,
Art oder Menge der nicht wirksamen Bestandteile zu
ändern. Das bedeutet für ein Kombinationspräparat, daß
die Nachzulassung gescheitert ist, wenn eines seiner Be-
standteile bemängelt wird. Ein gravierender Punkt ist für
mich auch die Verkürzung der Frist, binnen derer Män-
gel beseitigt werden können, auf sechs Monate.
Wir können die pharmazeutische Industrie nicht für
die Versäumnisse des Arzneimittelinstitutes verantwort-
lich machen. Die langen Bearbeitungszeiten dürfen doch
nicht dazu führen, daß für die Mängelbeseitigung ein
Zeitraum gesetzt wird, der kaum noch zu bewältigen ist
und der dementsprechend in vielen Fällen zu einer Ver-
sagung der Zulassung führen wird. Ich halte das nicht
für korrekt. Wir werden uns im Gesundheitsausschuß
ausführlich mit diesen Fragen zu beschäftigen haben,
und ich hoffe sehr, daß wir dann zu einem vernünftigen
Ergebnis kommen. Auch die vorgesehene diskriminie-
rende Kennzeichnung fiktiv zugelassener Präparate als
sogenannte „Altarzneimittel“ muß im Laufe des Gesetz-
gebungsverfahrens zurückgenommen werden. Anderen-
falls wäre es ehrlicher, diese Produkte gleich vollständig
vom Markt zu nehmen.
Dr. Ruth Fuchs (PDS): Mit dem vorliegenden Ände-
rungsgesetz zum Arzneimittelgesetz geht es erneut um
das leidige Problem der Arzneimittelnachzulassungen,
dessen Geschichte weit zurückreicht. Ende der 70er Jah-
re wurden mit dem Arzneimittelgesetz in der Bundesre-
publik die gültigen internationalen Standards für die
staatliche Prüfung und Zulassung von Arzneimitteln
verbindlich eingeführt. Die bereits auf dem Markt be-
findlichen sogenannten Altpräparate erhielten eine fikti-
ve Zulassung. Für ihre nunmehr notwendige Nachzulas-
sung wurde eine sehr großzügig bemessene Aufberei-
tungsphase bis zum Jahre 1990 eingeräumt. Auch hin-
sichtlich der Anforderungen an die Hersteller, im Nach-
zulassungsverfahren die Wirksamkeit und Unbedenk-
lichkeit ihrer Erzeugnisse zu belegen, gab es eine Reihe
wesentlicher Erleichterungen. So wurde keine Ver-
pflichtung der Antragsteller vorgesehen, selbst Unter-
lagen über die erforderlichen pharmakologisch-toxiko-
logischen bzw. klinischen Prüfungen vorzulegen. Um
einen gestellten Antrag überhaupt erst vollständig und
entscheidungsreif werden zulassen, konnten entspre-
chende Materialien noch bis zum Rechtsmittelstreit vor
Gericht nachgereicht werden.
Solche Regelungen entsprachen zwar in generöser
Weise den Interessen der Pharmaindustrie – mit ele-
mentaren Anforderungen an den Schutz der Patienten
vor unzureichend geprüften Arzneimitteln hatten sie al-
lerdings kaum etwas zu tun.
Dies störte die damalige Bundesregierung offensicht-
lich aber nie. Im Gegenteil, mit der 5. Novelle des Arz-
neimittelgesetzes räumte die Regierung Kohl Herstel-
lern, welche bereits gestellte Nachzulassungsanträge zu-
rückzogen, eine noch weiter verlängerte Abverkaufsfrist
für ihre ungeprüften Produkte bis zum Jahre 2004 ein.
Im Ergebnis dessen befinden sich heute immer noch fast
20 000 nicht ordnungsgemäß zugelassene Arzneimittel
auf dem Markt.
Nun ist diese fragwürdige Idylle gestört worden.
Nach Maßgabe der heimischen Kräfteverhältnisse zwi-
schen Regierenden und Pharmaindustrie konnte dies nur
von außen geschehen. Bereits vor zwei Jahren hatte die
Europäische Kommission die skandalösesten Punkte der
deutschen Arzneimittelnachzulassung moniert und ein
Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Inzwischen
droht sie sogar mit Klage vor dem Europäischen Ge-
richtshof. Dabei ist klar: Kommt es zu keinen gesetzli-
chen Änderungen, ist mit einer Verurteilung der Bun-
desrepublik zu rechnen.
Damit befindet sich die jetzige Regierung, die die
entstandene Situation nicht zu verantworten hat, in Zug-
zwang. Handelt sie nicht, steht politischer Schaden ins
Haus. Darüber hinaus besteht die Gefahr, empfindliche
Zwangsgelder in Höhe von täglich etwa 1,5 Millionen
DM zahlen zu müssen. Streicht sie aber – wie es eigent-
lich angebracht wäre – die bis 2004 gültige Abverkaufs-
regelung ohne deutliche Zugeständnisse an die einhei-
mische Arzneimittelindustrie, sind Schadensersatzforde-
rungen der Pharmaunternehmen in voraussichtlich drei-
stelliger Millionenhöhe zu erwarten. Schließlich können
sie sich auf Vertrauensschutz berufen.
7208 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 1999
(A) (C)
(B) (D)
Vor diesem Hintergrund legt die Bundesregierung
heute ein Gesetz vor, welches unzweifelhaft Verbesse-
rungen gegenüber den bisherigen Verhältnissen bringt.
Allerdings ist sie nicht nur bestrebt, den Hauptforderun-
gen der EU-Kommission einigermaßen zu genügen so-
wie das Nachzulassungsverfahren zeitlich zu straffen,
sondern auch der Pharmaindustrie deutliches Entgegen-
kommen zu signalisieren. Der bisherige faule Kompro-
miß soll jetzt in einen etwas weniger faulen umgewan-
delt werden.
Christa Nickel, Parl. Staatssekretärin beim Bundes-
minister für Gesundheit: Wir diskutieren heute über das
Zehnte Änderungsgestz zum Arzneimittelgesetz, mit
dem wir nicht nur das Verfahren für Arzneimittel, die
sich in der Nachzulassung befinden, straffen, sondern
vor allem auch Einwänden der Europäischen Kommis-
sion Rechnung tragen wollen.
Das jetzige Modell der Nachzulassung ist mit dem
Arzneimittelgesetz von 1976 nach eingehender parla-
mentarischer Beratung gesetzlich verankert worden.
Damals wurde den Altpräparaten zunächst eine ,,fiktive
Zulassung“ erteilt. Die Nachzulassung wurde in zwei
Phasen gegliedert. In der Aufbereitungsphase werden
Wirkstoffe und Präparate analysiert. Darüber hinaus
wurde ein Stichtag eingeführt – zuletzt war dies der 30.
April 1990 –, bis zu dem Anträge auf Verlängerung der
fiktiven Zulassung gestellt werden mußten.
Immer wieder wird zu Recht die Frage gestellt: Wes-
halb dauert das Verfahren der Nachzulassung schon so
lange? Der Grund hierfür liegt vor allem im Umfang des
deutschen Arzneimittelmarktes. So waren 1978 über
140 000 Arzneimittel im Verkehr. Zum Stichtag Mai
1990 wurden rund 39 000 Nachzulassungsanträge ge-
stellt. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizin-
produkte wird nach dem Inkrafttreten des Zehnten Än-
derungsgesetzes noch bis zu 20 000 Anträge auf Nach-
zulassung abschließend zu bearbeiten haben. Zeitverzö-
gerungen haben sich auch ergeben, weil das Bundesin-
stitut für Arzneimittel und Medizinprodukte immer wie-
der andere prioritäre Aufgabenstellungen zu bewältigen
hatte.
Es ist an der Zeit, daß wir geeignete Schritte einlei-
ten, um die Nachzulassungen in einem überschaubaren
Zeitraum zum Abschluß zu bringen.
Darüber hinaus hat die Europäische Kommission Be-
denken in bezug auf mangelnde Übereinstimmung eini-
ger Vorschriften mit dem Gemeinschaftsrecht vorge-
bracht. Diesen Bedenken soll mit den Regelungen des
nun vorliegenden Gesetzentwurfes Rechnung getragen
werden. Dies betrifft im wesentlichen zwei Punkte:
Erstens enthält der Gesetzentwurf die von der Kom-
mission geforderte Verpflichtung zur Vorlage der Un-
terlagen und entsprechenden Sachverständigengutachten
zur Unbedenklichkeit und zur Wirksamkeit. Außerdem
sind die erforderlichen Folgeregelungen enthalten, die es
den betroffenen pharmazeutischen Unternehmen er-
möglichen sollen, im gestrafften Verfahren die Nachzu-
lassung für ein den Anforderungen entsprechendes Arz-
neimittel zu erhalten.
Zweitens wird die Regelung zu den sogenannten
2004-Präparaten aufgehoben. Bislang war vorgesehen,
daß die fiktive Zulassung derjenigen Arzneimittel, bei
denen der pharmazeutische Unternehmer den Antrag auf
Verlängerung der Zulassung zurückgenommen hat, mit
Ablauf des Jahres 2004 erlischt. Nach der neuen Rege-
lung kann das Verfahren auf Antrag wieder aufgegriffen
werden. Dies hat für einen noch unbekannten Teil der
2004-Präparate zur Folge, daß das Nachzulassungsver-
fahren weiterzuführen ist. Denjenigen Unternehmen
aber, die auf das Verfahren zur Verlängerung der Nach-
zulassung endgültig verzichten, wird eine Abverkaufs-
frist von zwei Jahren eingeräumt.
Schließlich sind folgende Maßnahmen zur Verkür-
zung des Nachzulassungsverfahrens vorgesehen, die un-
ser Haus auch gegenüber der Stellungnahme des Bun-
desrates nach wie vor für notwendig hält:
Erstens eine kurze Frist für die Vorlage der Unterla-
gen und Verkürzung der Fristen für die Beseitigung von
Mängeln des Antrags auf Neuzulassung. Diese kurzen
Fristen sind zur Straffung des Zulassungsverfahrens
zwingend erforderlich.
Zweitens eine Einschränkung der Änderungsmög-
lichkeiten für Nachzulassungspräparate. Zukünftig kann
der pharmazeutische Unternehmer ein Arzneimittel, das
sich noch in der Nachzulassung befindet, nur begrenzt
verändern, z. B. aufgrund eines fortgeschrittenen Standes
der Erkenntnisse der Wissenschaften oder in den Pak-
kungsgrößen. Darüber hinausgehende Änderungen sol-
len im Interesse einer zügigen Durchführung des Nach-
zulassungsverfahrens nicht mehr möglich sein. Denn das
Präparat soll bis zum Abschluß der Nachzulassung ein-
deutig festgelegt bleiben.
Drittens sieht der Entwurf vor, daß bereits in anderen
EU-Staaten geleistete Bewertungsarbeit für unsere Nach-
zulassung genutzt werden soll. Zulassungen für gleiche
Produkte sollen, soweit möglich, übernommen werden.
Flankierend zu diesen gesetzlichen Maßnahmen konnte
erreicht werden, daß die Zulassungsbehörden in nicht un-
erheblichem Umfang zusätzliche – zeitlich befristete –
Stellen erhalten. Mit dieser personellen Aufstockung ist
die notwendige Voraussetzung dafür geschaffen worden,
daß die vorliegenden Anträge in einem überschaubaren
Zeitraum tatsächlich bewältigt werden können.
Eine wichtige Verbesserung ist auch die geplante
Verbraucherinformation in der Packungsbeilage darüber,
daß sich ein Arzneimittel noch in der Nachzulassung be-
findet, was auch für den Verbraucher transparent sein
muß. Wer weitergehenden Aufklärungsbedarf hat, kann
sich an die Apothekerinnen und Apotheker wenden, sie
haben die Pflicht, die Patientinnen und Patienten zu be-
raten. Von einer Verunsicherung der Verbraucher – wie
von Seiten der Verbände vorgebracht – kann also nicht
die Rede sein. Die Verunsicherung besteht eben darin,
daß bis heute eine Vielzahl von Medikamenten auf dem
Markt sind, die das behördliche Zulassungsverfahren
noch nicht endgültig durchlaufen haben.
Mit diesen vorgeschlagenen Änderungen des Arz-
neimittelgesetzes soll neben der notwendigen Harmo-
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Dezember 1999 7209
(A) (C)
(B) (D)
nisierung zum europäischen Recht in erster Linie eine
Arzneimittelversorgung sichergestellt werden, die
dem Gesichtspunkt der Arzneimittelsicherheit Rech-
nung trägt. Es geht nur und ausdrücklich um Qualität
und Unbedenklichkeit der auf dem Markt befind-
lichen Arzneimittel und keinesfalls um Marktbereini-
gung.
Wir werden im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens
noch Gelegenheit haben, Detailfragen zu diskutieren. Im
Interesse der Arzneimittelsicherheit ist zu hoffen, daß
wir bald zu einer gesetzlichen Regelung kommen, die
die notwendige Harmonisierung mit EU-Recht und mehr
Arzneimittelsicherheit für die Patientinnen und Patienten
ermöglicht.