Rede von
Dr.
Norbert
Lammert
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Der Kollege
Mark hat seinen Überblick über die Kontinuitäten und
Diskontinuitäten bundesdeutscher Kulturpolitik in der
Verantwortung der rotgrünen Koalition sinngemäß mit
dem Hinweis begonnen, erstmals seit vielen Jahren wür-
den liebgewordene Besitzstände der Kulturpolitik auf
den Prüfstand gestellt, einer Überprüfung und Evaluie-
rung unterzogen.
Dies ist eine fröhliche Beschreibung dessen, was in
der Kulturpolitik seit einem Jahr stattfindet bzw. nicht
stattfindet. Jeder, der in diesen Tagen in den Feuilletons
die Berichterstattung über die Bilanz nach einem Jahr
liest, der wird nicht übersehen können, daß sich nach
den hohen, ausdrücklich geweckten Erwartungen nun
weithin mindestens Ernüchterung, in vielen Fällen auch
große Enttäuschung breitmacht.
Denn aus dem, was mit großer Geste angekündigt war,
ist entweder nichts oder sehr viel weniger geworden, als
vernünftigerweise erwartet werden konnte. Schröders
neue Kleider sind entweder gar nicht vorhanden oder
weit weniger eindrucksvoll als angekündigt.
Nun wissen auch wir, daß sich in Zeiten knapper
Kassen die Kulturpolitik nicht ihrem Beitrag zur Stabili-
sierung öffentlicher Haushalte entziehen kann.
Um so ernster hätte man nehmen müssen, was von sei-
ten der Bundesregierung an Überprüfungen und Be-
standsaufnahmen angekündigt war.
Das ist aber entweder gänzlich ausgeblieben oder hat
sich in eine Richtung lapidarer Auflistung von Maß-
nahmen ohne jede Perspektive und Vision entwickelt.
Meine Damen und Herren, wir haben nicht nur die
berühmte Diskrepanz zwischen Hoffnungen auf die
Ausstattung von Kulturtiteln und tatsächlich verfügbaren
Mitteln,
sondern vor allen Dingen eine politisch zu vertretende
Diskrepanz zwischen Ankündigungen, die die Bundes-
regierung selber vorgenommen hat, und dem, was dar-
aus geworden ist. Dazu zählt insbesondere die Ankündi-
gung, man wolle die mediale Außendarstellung Deutsch-
lands verbessern; daraus ist eine massive Kürzung der
Mittel für die Deutsche Welle geworden. Dazu zählt die
Ankündigung, man wolle die soziale Absicherung der
Künstler verbessern; daraus ist eine massive Streichung
des Bundeszuschusses zur Künstlersozialversicherung
geworden. Ähnliches läßt sich für die Ausstattung vieler
einzelner Institutionen sagen. Das macht den Kern der
Verbitterung und Enttäuschung aus, die bei vielen Be-
troffenen eingetreten sind. Es gehört zur Redlichkeit
einer solchen Haushaltsdebatte, festzuhalten, daß nach
der Verankerung der Zuständigkeit für Kulturpolitik im
Kanzleramt – –