Plenarprotokoll 14/69
Deutscher Bundestag
Stenographischer Bericht
69. Sitzung
Berlin, Donnerstag, den 11. November 1999
I n h a l t :
Glückwünsche zum Geburtstag der Abgeord-
neten Brigitte Lange ....................................... 6103 A
Eintritt des Abgeordneten Albrecht Feibel in
den Deutschen Bundestag ................................ 6103 A
Erweiterung der Tagesordnung ....................... 6103 B
Absetzung der Tagesordnungspunkte 9 und 13 6104 A
Tagesordnungspunkt 3:
a) Regierungserklärung des Bundeskanz-
lers zum Stand der Deutschen Einheit .... 6104 A
b) Unterrichtung durch die Bundesregierung
Jahresbericht 1999 der Bundesregie-
rung zum Stand der Deutschen Einheit
(Drucksache 14/1825) ................................ 6104 A
c) Antrag der Abgeordneten Dr. Michael
Luther, Dr.-Ing. Paul Krüger, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion CDU/CSU
Weiterführung des Jahresberichtes der
Bundesregierung zum Stand der Deut-
schen Einheit (Drucksache 14/1715) ........ 6104 A
d) Beschlußempfehlung und Bericht des
Ausschusses für die Angelegenheiten der
neuen Länder
– zu dem Antrag der Fraktionen SPD
und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN
Die wirtschaftliche Stärkung der
neuen Länder – Voraussetzung für
die Gestaltung der Deutschen Ein-
heit
– zu dem Antrag der Abgeordneten Dr.
Michael Luther, Dr. Angela Merkel,
weiterer Abgeordneter und der Frak-
tion CDU/CSU
Aufbau Ost endlich wieder richtig
machen
– zu dem Antrag der Abgeordneten Jür-
gen Türk, Rainer Brüderle, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion F.D.P.
Aufbau Ost muß weitergehen
– zu dem Antrag der Fraktion PDS
Fahrplan zur Angleichung der Le-
bensverhältnisse und zur Herstel-
lung von mehr Rechtssicherheit in
Ostdeutschland – „Chefsache Ost“
(Drucksachen 14/1210, 14/1277,
14/1542, 14/1551, 14/2032) ................. 6104 B
e) Beschlußempfehlung und Bericht des
Ausschusses für Verkehr, Bau- und Woh-
nungswesen
– zu dem Antrag der Abgeordneten Nor-
bert Otto (Erfurt), Dirk Fischer (Ham-
burg), weiterer Abgordneter und der
Fraktion CDU/CSU
Realisierung des Verkehrsprojektes
Deutsche Einheit (VDE) Nr. 8
Schienenneubaustrecke Nürnberg-
Erfurt-Halle/Leipzig-Berlin
– zu dem Antrag der Abgeordneten Cor-
nelia Pieper, Dr. Karlheinz Guttma-
cher, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion F.D.P.
Verkehrsprojekte Deutsche Einheit
müssen zügig realisiert werden
(Drucksachen 14/1208, 14/1543,
14/2047) ............................................... 6104 C
Gerhard Schröder, Bundeskanzler ................... 6104 D
Arnold Vaatz CDU/CSU ................................. 6110 A
II Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 69. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. November 1999
Dr. Peter Struck SPD ........................................ 6113 C
Dr. Wolfgang Gerhardt F.D.P. ......................... 6117 A
Werner Schulz (Leipzig) BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN ......................................................... 6120 D
Dr. Michael Luther CDU/CSU .................... 6122 D
Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU ............. 6125 A
Dr. Gregor Gysi PDS........................................ 6126 B
Dr. Harald Ringstorff, Ministerpräsident
(Mecklenburg-Vorpommern) .......................... 6130 B
Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU.................. 6132 B
Rolf Schwanitz, Staatsminister BK .................. 6135 D
Cornelia Pieper F.D.P. ...................................... 6138 C
Markus Meckel SPD ........................................ 6140 A
Hannelore Rönsch (Wiesbaden) CDU/CSU. 6141 C
Katherina Reiche CDU/CSU ........................... 6142 D
Franziska Eichstädt-Bohlig BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN ................................................. 6145 A
Günter Nooke CDU/CSU ................................ 6146 A
Sabine Kaspereit SPD ...................................... 6147 D
Dr. Michael Luther CDU/CSU ........................ 6149 C
Frank Hempel SPD .......................................... 6152 D
Dr.-Ing. Paul Krüger CDU/CSU ...................... 6155 C
Frank Hempel SPD .......................................... 6156 A
Tagesordnungspunkt 4:
Große Anfrage der Abgeordneten Maria
Eichhorn, Hannelore Rönsch (Wiesba-
den), weiterer Abgeordneter und der
Fraktion CDU/CSU
Lebenssituation von Seniorinnen und
Senioren in der Bundesrepublik
Deutschland (Drucksachen 14/679,
14/1717) ..................................................... 6157 A
Hannelore Rönsch (Wiesbaden) CDU/CSU .... 6157 B
Christel Hanewinckel SPD .......................... 6159 A
Dr. Klaus Grehn PDS ...................................... 6160 A
Hannelore Rönsch (Wiesbaden) CDU/CSU .... 6160 A
Dr. Edith Niehuis, Parl. Staatssekretärin
BMFSFJ ........................................................... 6160 B
Ina Lenke F.D.P. .............................................. 6162 B
Dr. Edith Niehuis SPD ..................................... 6164 C
Hannelore Rönsch (Wiesbaden) CDU/CSU .... 6164 D
Dr. Edith Niehuis SPD ..................................... 6165 A
Irmingard Schewe-Gerigk BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN ......................................................... 6165 B
Dr. Ilja Seifert PDS ......................................... 6167 A
Arne Fuhrmann SPD ....................................... 6168 B
Gerald Weiß (Groß-Gerau) CDU/CSU ........... 6171 A
Kurt Bodewig SPD .......................................... 6172 C
Erika Reinhardt CDU/CSU ......................... 6173 D
Katrin Göring-Eckardt BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN ........................................................ 6174 B
Renate Diemers CDU/CSU ............................. 6175 C
Christa Lörcher SPD ....................................... 6177 B
Erika Reinhardt CDU/CSU ......................... 6178 D
Vizepräsident Rudolf Seiters ........................... 6172 D
Tagesordnungspunkt 14:
Überweisungen im vereinfachten Ver-
fahren
a) Erste Beratung des von der Bundesregie-
rung eingebrachten Entwurfs eines Geset-
zes zur Änderung und Ergänzung ver-
mögensrechtlicher und anderer Vor-
schriften (Vermögensrechtsergänzungs-
gesetz) (Drucksache 14/1932) ................... 6179 D
b) Erste Beratung des von den Abgeordneten
Fred Gebhardt, Dr. Heinrich Fink, weite-
ren Abgeordneten und der Fraktion PDS
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
über den Tag des Gedenkens an
die Befreiung vom Nationalsozialis-
mus (Drucksache 14/1002) ....................... 6179 D
in Verbindung mit
Zusatztagesordnungspunkt 2:
Weitere Überweisung im vereinfachten
Verfahren
Antrag der Abgeordneten Ursula Bur-
chardt, Monika Griefahn, weiterer Abge-
ordneter und der Fraktion SPD sowie der
Abgeordneten Angelika Beer, Matthias
Berninger, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Förderung der Friedens- und Konflikt-
forschung (Drucksache 14/1963) ............. 6180 A
Tagesordnungspunkt 15:
a) Zweite und dritte Beratung des von der
Bundesregierung eingebrachten Entwurfs
eines Zehnten Gesetzes zur Änderung
des Außenwirtschaftsgesetzes (Drucksa-
chen 14/1415, 14/2017) ............................. 6180 A
b) Zweite und dritte Beratung des von der
Bundesregierung eingebrachten Entwurfs
eines Gesetzes zur Änderung des Me-
liorationsanlagengesetzes (Drucksachen
14/1832, 14/2045) ...................................... 6180 C
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 69. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. November 1999 III
c) Zweite und dritte Beratung des von den
Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes über die Verarbeitung und
Nutzung der zur Durchführung der
Verordnung (EG) Nr. 820/97 des Rates
erhobenen Daten und zur Änderung des
Rindfleischetikettierungsgesetzes (Ver-
ordnung (EG) Nr. 820/97 – Durchfüh-
rungsgesetz) (Drucksachen 14/1856,
14/2001) ..................................................... 6180 D
d) Zweite und dritte Beratung des von den
Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes zur Änderung des Dünge-
mittelgesetzes (Drucksachen 14/1857,
14/2002) ..................................................... 6181 A
e) Zweite Beratung und Schlußabstimmung
des von der Bundesregierung eingebrach-
ten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Pro-
tokoll zur Änderung des Übereinkom-
mens vom 23. Juli 1990 über die Besei-
tigung der Doppelbesteuerung im Falle
von Gewinnberichtigungen zwischen
verbundenen Unternehmen (Drucksa-
chen 14/1653, 14/1846, 14/1897) .............. 6181 B
f) Zweite Beratung und Schlußabstimmung
des von der Bundesregierung eingebrachten
Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkom-
men vom 3. Dezember 1997 zwischen
der Bundesrepublik Deutschland und
der Republik Belarus über den Luftver-
kehr (Drucksache 14/1026, 14/1964) ......... 6181 C
g) Zweite Beratung und Schlußabstimmung
des von der Bundesregierung eingebrach-
ten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Ab-
kommen vom 23. April 1998 zwischen
der Regierung der Bundesrepublik
Deutschland und der Regierung der
Tschechischen Republik über den Luft-
verkehr (Drucksachen 14/1025, 14/1965) 6181 D
h) Zweite Beratung und Schlußabstimmung
des von der Bundesregierung eingebrach-
ten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Ab-
kommen vom 29. Mai 1998 zwischen
der Regierung der Bundesrepublik
Deutschland und der Regierung der
Mongolei über den Fluglinienverkehr
(Drucksachen 14/1024, 14/1966) ............... 6181 D
i) Zweite Beratung und Schlußabstimmung
des von der Bundesregierung eingebrach-
ten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Ab-
kommen vom 10. März 1998 zwischen
der Bundesrepublik Deutschland und
der Republik Südafrika über den Luft-
verkehr (Drucksachen 14/1023, 14/1967) 6182 A
j) Zweite Beratung und Schlußabstimmung
des von der Bundesregierung eingebrach-
ten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Pro-
tokoll vom 12. November 1997 zur Er-
gänzung des Abkommens vom 2. No-
vember 1987 zwischen der Bundesre-
publik Deutschland und Neuseeland
über den Luftverkehr (Drucksachen
14/1022, 14/1968) ...................................... 6182 A
k) Zweite Beratung und Schlußabstimmung
des von der Bundesregierung eingebrach-
ten Entwurfs eines Gesetzes zu dem
Protokoll vom 15. Juni 1998 zur Ergän-
zung des Luftverkehrsabkommens vom
2. März 1994 zwischen der Bundesre-
publik Deutschland und den Vereinig-
ten Arabischen Emiraten (Drucksachen
14/1021, 14/1969) ...................................... 6182 B
l) Zweite Beratung und Schlußabstimmung
des von der Bundesregierung eingebrach-
ten Entwurfs eines Gesetzes zu dem
Abkommen vom 4. Mai 1998 zwischen
der Regierung der Bundesrepublik
Deutschland und der Regierung der
Republik Armenien über den Luftver-
kehr (Drucksachen 14/1020, 14/1970) ..... 6182 C
m) Zweite Beratung und Schlußabstimmung
des von der Bundesregierung eingebrach-
ten Entwurfs eines Gesetzes zu den Än-
derungen vom 24. April 1998 des Über-
einkommens vom 3. September 1976
über die Internationale Organisation
für mobile Satellitenkommunikation
(Inmarsat-Übereinkommen) (Drucksa-
chen 14/1089, 14/1974) ............................. 6182 C
n) Zweite Beratung und Schlußabstimmung
des von der Bundesregierung eingebrach-
ten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Ver-
trag vom 21. Dezember 1995 zwischen
der Bundesrepublik Deutschland und
der Republik Armenien über die
Förderung und den gegenseitigen
Schutz von Kapitalanlagen (Drucksa-
chen 14/1008, 14/1975) ............................. 6182 D
o) Zweite Beratung und Schlußabstimmung
des von der Bundesregierung eingebrach-
ten Entwurfs eines Gesetzes zu dem
Europa-Mittelmeer-Abkommen vom
24. November 1997 zur Gründung einer
Assoziation zwischen den Europäischen
Gemeinschaften und ihren Mitglied-
staaten einerseits und dem Haschemiti-
schen Königreich Jordanien anderer-
seits (Drucksachen 14/1006, 14/1976) ...... 6183 A
p) Beschlußempfehlung und Bericht des Aus-
schusses für Wirtschaft und Technologie zu
der Verordnung der Bundesregierung
Aufhebbare Sechsundneunzigste Ver-
ordnung zur Änderung der Ausfuhrli-
ste – Anlage AL zur Außenwirtschafts-
verordnung – (Drucksachen 14/1414,
14/1616 Nr. 2.1, 14/2034) ......................... 6183 B
IV Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 69. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. November 1999
q) Bericht des Ausschusses für Wahlprüfung,
Immunität und Geschäftsordnung zu den
Verfahren nach § 44b Abgeordnetengesetz
Überprüfung auf Tätigkeit oder politi-
sche Verantwortung für das Ministe-
rium für Staatssicherheit/Amt für Na-
tionale Sicherheit der ehemaligen
Deutschen Demokratischen Republik
(Drucksache 14/1900) ................................ 6183 C
r) und s)
Beschlußempfehlungen des Petitionsaus-
schusses
Sammelübersichten 92 und 93 zu Peti-
tionen (Drucksachen 14/1980, 14/1981) ... 6183 C
Zusatztagesordnungspunkt 3:
Weitere abschließende Beratung ohne
Aussprache
Zweite und dritte Beratung des von den
Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes zur Änderung des Gesetzes
zur Entlastung des Bundesfinanzhofs
(Drucksachen 14/1666, 14/2038) ............... 6183 D
Tagesordnungspunkt 5:
– Zweite und dritte Beratung des Ent-
wurfs eines Gesetzes zur Fortfüh-
rung der ökologischen Steuerreform
(Drucksachen 14/1524, 14/1668,
14/2027, 14/2044, 14/2049, 14/2050) .. 6184 A
– Zweite und dritte Beratung des von
den Abgeordneten Dr. Hermann Otto
Solms, Hildebrecht Braun (Augsburg),
weiteren Abgeordneten und der Frak-
tion F.D.P. eingebrachten Entwurfs ei-
nes Gesetzes über eine ökologisch
wirklich wirksame Umstellung der
Besteuerung ohne Mehrbelastung
für Bürger und Wirtschaft (Druck-
sachen 14/399, 14/2027, 14/2044,
14/2049, 14/2050) ................................ 6184 A
Reinhard Schultz (Everswinkel) SPD .............. 6184 C
Hartmut Schauerte CDU/CSU ..................... 6185 B
Heinz Seiffert CDU/CSU ................................ 6187 D
Ulrich Heinrich F.D.P. ................................. 6188 D
Reinhard Schultz (Everswinkel) SPD .......... 6189 B
Hans Michelbach CDU/CSU ....................... 6189 C
Dr. Reinhard Loske BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN ......................................................... 6190 C
Jürgen W. Möllemann F.D.P. ........................... 6192 D
Michaele Hustedt BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN ................................................................. 6194 C
Reinhard Schultz (Everswinkel) SPD ............. 6195 A
Jürgen W. Möllemann F.D.P. .......................... 6195 B
Dr. Gregor Gysi PDS ....................................... 6195 D
Peter Rauen CDU/CSU ................................... 6197 B
Horst Kubatschka SPD .................................... 6198 D
Birgit Homburger F.D.P................................... 6200 C
Dr. Jürgen Rüttgers CDU/CSU ....................... 6201 A
Joachim Poß SPD ............................................ 6202 B
Dr. Reinhard Loske BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN ........................................................ 6202 D
Dr. Jürgen Rüttgers CDU/CSU ....................... 6203 B
Dr. Hermann Scheer SPD (Erklärung nach
§ 31 GO) .......................................................... 6203 D
Kurt Bodewig SPD (Erklärung nach § 31 GO) 6204 D
Namentliche Abstimmung über den Ände-
rungsantrag der CDU/CSU-Fraktion ............... 6205 A
Ergebnis ........................................................... 6205 D
Namentliche Abstimmung über den Ände-
rungsantrag der F.D.P.-Fraktion ...................... 6208 A
Ergebnis ........................................................... 6208 C
Namentliche Abstimmung über den Ände-
rungsantrag der SPD-Fraktion ......................... 6211 A
Ergebnis ........................................................... 6213 C
Tagesordnungspunkt 6:
a) Erste Beratung des von den Fraktionen
SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Errichtung einer „Stiftung Denk-
mal für die ermordeten Juden Euro-
pas“ (Drucksache 14/2013) ....................... 6211 C
b) Erste Beratung des von den Abgeordneten
Hans-Joachim Otto, Dr. Wolfgang Ger-
hardt, weiteren Abgeordneten und der
Fraktion F.D.P. eingebrachten Entwurfs
eines Gesetzes über die Gründung einer
„Stiftung Denkmal für die ermordeten
Juden Europas“ (Drucksache 14/1996) ... 6211 D
c) Antrag der Fraktionen SPD und BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN
„Stiftung Denkmal für die ermordeten
Juden Europas“ (Drucksache 14/2014) ... 6211 D
Monika Griefahn SPD ..................................... 6212 A
Dr. Norbert Lammert CDU/CSU .................... 6215 B
Dr. Antje Vollmer BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN ................................................................. 6217 D
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig F.D.P. ................. 6218 D
Dr. Heinrich Fink PDS .................................... 6220 B
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 69. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. November 1999 V
Michael Roth (Heringen) SPD ......................... 6220 D
Dr. Norbert Lammert CDU/CSU ................. 6221 A
Dr. Rita Süssmuth CDU/CSU ......................... 6222 A
Christa Nickels BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN ............................................................. 6222 D
Dr. Antje Vollmer BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN ..................................................... 6223 B
Dr. Michael Naumann, Staatsminister BK ...... 6224 B
Dr. Rita Süssmuth CDU/CSU ..................... 6225 B
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig F.D.P. .................. 6226 A
Dr. Michael Naumann, Staatsminister BK ....... 6226 B
Eckhardt Barthel (Berlin) SPD ........................ 6226 D
Zusatztagesordnungspunkt 4:
Aktuelle Stunde betr. Pläne der Bun-
desregierung zur Erhöhung der Erb-
schaftssteuer .............................................. 6226 D
Carl-Ludwig Thiele F.D.P. .............................. 6228 A
Joachim Poß SPD ............................................ 6229 C
Elke Wülfing CDU/CSU ................................. 6230 C
Klaus Wolfgang Müller (Kiel) BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN ............................................ 6231 D
Dr. Barbara Höll PDS ...................................... 6233 A
Gisela Frick F.D.P. .......................................... 6234 B
Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin
BMF ................................................................. 6235 C
Otto Bernhardt CDU/CSU ............................... 6237 A
Christine Scheel BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN ................................................................. 6238 B
Jörg-Otto Spiller SPD ...................................... 6239 C
Hansgeorg Hauser (Rednitzhembach) CDU/
CSU .................................................................. 6240 D
Nicolette Kressl SPD ....................................... 6242 A
Hans Michelbach CDU/CSU ........................... 6243 A
Reinhard Schultz (Everswinkel) SPD .............. 6244 B
Tagesordnungspunkt 7:
Erste Beratung des von den Abgeordneten
Dr. Guido Westerwelle, Günther Friedrich
Nolting, weiteren Abgeordneten und der
Fraktion F.D.P. eingebrachten Entwurfs
eines Gesetzes zur Änderung des
Grundgesetzes (Artikel 12a) (Drucksa-
che 14/1728 (neu)) ..................................... 6245 B
Ina Lenke F.D.P. .............................................. 6245 C
Anni Brandt-Elsweier SPD .............................. 6246 D
Irmgard Karwatzki CDU/CSU ........................ 6249 A
Irmingard Schewe-Gerigk BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN ........................................................ 6250 C
Birgit Homburger F.D.P. ............................. 6251 A
Birgit Homburger F.D.P. ................................. 6252 C
Irmingard Schewe-Gerigk BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN ........................................................ 6253 A
Petra Bläss PDS ............................................... 6253 C
Cornelia Pieper F.D.P. ................................. 6253 D
Horst Friedrich (Bayreuth) F.D.P. ............... 6254 C
Verena Wohlleben SPD ................................... 6254 D
Paul Breuer CDU/CSU .................................... 6256 A
Verena Wohlleben SPD ................................... 6256 C
Annette Widmann-Mauz CDU/CSU ............... 6256 C
Tagesordnungspunkt 8:
Beschlußempfehlung und Bericht des
Ausschusses für Verkehr, Bau- und Woh-
nungswesen zu dem Antrag der Abgeord-
neten Dr. Winfried Wolf, Monika Balt,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der PDS
Kein Bau einer Magnetschwebebahn
Hamburg-Berlin – Transrapid-För-
derung einstellen (Drucksachen 14/38,
14/339) ....................................................... 6258 A
Dr. Winfried Wolf PDS ................................... 6258 B
Reinhard Weis (Stendal) SPD ......................... 6259 A
Georg Brunnhuber CDU/CSU ........................ 6260 C
Albert Schmidt (Hitzhofen) BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN ............................................ 6262 C
Horst Friedrich (Bayreuth) F.D.P. ................... 6264 A
Zusatztagesordnungspunkt 5:
Beschlußemfehlung und Bericht des Aus-
wärtigen Ausschusses
– zu dem Antrag der Fraktionen SPD,
CDU/CSU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN und F.D.P.
OSZE-Gipfel in Istanbul – für eine
Stärkung der Handlungsfähigkeit
der OSZE
– zu dem Antrag der Fraktion PDS
Neue europäische Sicherheitsarchi-
tektur (Drucksachen 14/1771,
14/1959) ............................................... 6265 A
Tagesordnungspunkt 10:
Große Anfrage der Abgeordneten Ulla
Lötzer, Rolf Kutzmutz, weiterer Abgeord-
neter und der Fraktion PDS
Internationales Kartellrecht, Unter-
nehmensfusionen und -konzentrationen
(Drucksachen 14/1403, 14/1824) .............. 6265 C
VI Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 69. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. November 1999
Nächste Sitzung ............................................... 6265 C
Anlage 1
Liste der entschuldigten Abgeordneten ........... 6267 A
Anlage 2
Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten
Leo Dautzenberg (CDU/CSU) zur Abstim-
mung über den Änderungsantrag der Fraktion
CDU/CSU zum Entwurf eines Gesetzes zur
Fortführung der Ökologischen Steuerreform
Drucksache 14/2065 (Tagesordnungspunkt 5) 6267 C
Anlage 3
Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten
Ulrich Adam (CDU/CSU) zur Abstimmung
über den Änderungsantrag der Fraktion
CDU/CSU zum Entwurf eines Gesetzes zur
Fortführung der Ökologischen Steuerreform
Drucksache 14/2065 (Tagesordnungspunkt 5) 6267 D
Anlage 4
Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten
Norbert Formanski, Volker Jung (Düssel-
dorf), Jutta Müller (Völklingen), Ulla Bur-
chardt, Christel Humme, Reinhard Schultz
(Everswinkel), Nicolette Kressl, Jörg-Otto
Spiller, Jochen Welt, Uwe Göllner, Michael
Müller (Düsseldorf), Hans-Eberhard Urbani-
ak, Dieter Grasedieck, Dieter Dzewas, Adolf
Ostertag, Hans-Günter Bruckmann, Wolfgang
Weiermann, Hans-Peter Kemper, Klaus Ha-
senfratz, Marianne Klappert, Dagmar Schmidt
(Meschede), Rainer Fornahl, Dr. Angelica
Schwall-Düren, Ingrid Arndt-Brauer, Fried-
helm Julius Beucher, Rolf Hempelmann,
Walter Schöler, Ingrid Becker-Inglau, Peter
Enders und Waltraud Lehn (alle SPD) zur
namentlichen Abstimmung über den Entwurf
eines Gesetzes zur Fortführung der ökologi-
schen Steuerreform (Tagesordnungspunkt 5) .. 6268 A
Anlage 5
Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten
Anni Brandt-Elsweier, Kurt Bodewig, Regina
Schmidt-Zadel, Klaus Brandner, Reinhold
Hemker, Rolf Stöckel, Dr. Rainer Wend,
Wolfgang Grotthaus, Hans-Werner Bertl,
Willi Brase, Helga Kühn-Mengel, Fritz
Schösser, Lilo Friedrich (Mettmann), Karin
Kortmann, Dagmar Freitag, Bernd Scheelen,
Dietmar Nietan (alle SPD) zur namentlichen
Abstimmung über den Entwurf eines Geset-
zes zur Fortführung der ökologischen Steuer-
reform (Tagesordnungspunkt 5) ...................... 6268 B
Anlage 6
Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten
Ulrich Adam (CDU/CSU), Barbara Wittig
(SPD), Klaus Lennartz (SPD) zur Abstim-
mung über den Änderungsantrag der Fraktion
CDU/CSU zum Entwurf eines Gesetzes
zur Fortführung der Ökologischen Steuerre-
form Drucksache 14/2065 (Tagesordnungs-
punkt 5) ............................................ 6268 C
Anlage 7
Erklärung des Abgeordneten Hans-Peter
Kemper (SPD) zur Abstimmung über den
Entwurf eines Gesetzes zur Fortführung der
ökologischen Steuerreform (Tagesordnungs-
punkt 5) ............................................................ 6270 B
Anlage 8
Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung
der Beschlußempfehlung und des Berichts zu
den Anträgen:
– OSZE-Gipfel in Istanbul – für eine Stär-
kung der Handlungsfähigkeit der OSZE
und
– Neue europäische Sicherheitsarchitektur
(Zusatztagesordnungspunkt 5)
Uta Zapf SPD .................................................. 6270 C
Dr. Andreas Schockenhoff CDU/CSU ............. 6271 B
Rita Grießhaber (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN ................................................................. 6271 D
Walter Hirche F.D.P. ...................................... 6272 B
Wolfgang Gehrcke PDS ................................... 6273 A
Dr. Antje Vollmer BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN ................................................................. 6273 D
Anlage 9
Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung
der Großen Anfrage: Internationales Kartell-
recht, Unternehmensfusionen und -konzentra-
tionen (Tagesordnungspunkt 10)
Ursula Lötzer PDS .......................................... 6274 D
Dr. Uwe Jens SPD ........................................... 6275 C
Werner Schulz (Leipzig) BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN ......................................................... 6276 A
Gudrun Kopp F.D.P ......................................... 6277 A
Siegmar Mosdorf SPD ..................................... 6277 B
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 69. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. November 1999 6103
(A) (C)
(B) (D)
69. Sitzung
Berlin, Donnerstag, den 11. November 1999
Beginn: 9.00 Uhr
*) Anlage 9
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 69. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. November 1999 6267
(A) (C)
(B) (D)
Anlagen zum Stenographischen Bericht
Anlage 1
Liste der entschuldigten Abgeordneten
Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich
Andres, Gerd SPD 11.11.99
Balt, Monika PDS 11.11.99
Beck (Köln), Volker BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
11.11.99
Böttcher, Maritta PDS 11.11.99
Büttner (Ingolstadt),
Hans
SPD 11.11.99
Ehlert, Heidemarie PDS 11.11.99
Friedrich (Altenburg),
Peter
SPD 11.11.99
Gebhardt, Fred PDS 11.11.99
Dr. Geißler, Heiner CDU/CSU 11.11.99
Dr. Götzer, Wolfgang CDU/CSU 11.11.99 *
Gröhe, Hermann CDU/CSU 11.11.99
Haupt, Klaus F.D.P. 11.11.99
Dr. Hendricks, Barbara SPD 11.11.99
Hovermann, Eike SPD 11.11.99
Dr.-Ing. Jork, Rainer CDU/CSU 11.11.99
Dr. Lamers (Heidelberg),
Karl A.
CDU/CSU 11.11.99 *
Lippmann, Heidi PDS 11.11.99
Nietan, Dietmar SPD 11.11.99
Oesinghaus, Günter SPD 11.11.99
Ohl, Eckhard SPD 11.11.99
Otto (Frankfurt),
Hans-Joachim
F.D.P. 11.11.99
Pflug, Johannes SPD 11.11.99
Polenz, Ruprecht CDU/CSU 11.11.99
Rachel, Thomas CDU/CSU 11.11.99
Rühe, Volker CDU/CSU 11.11.99
Schöler, Walter SPD 11.11.99
Dr. Scholz, Rupert CDU/CSU 11.11.99
Simm, Erika SPD 11.11.99
Dr. Waigel, Theodor CDU/CSU 11.11.99
—————
*) für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versamm-
lung der NATO
Anlage 2
Erklärung nach § 31 GO
des Abgeordneten Leo Dautzenberg (CDU/
CSU)
zur Abstimmung über den Änderungsantrag
der Fraktion CDU/CSU zum Entwurf eines
Gesetzes zur Fortführung der Ökologischen
Steuerreform – Drucksache 14/2065 –
(Tagesordnungspunkt 5)
Durch den vorliegenden Antrag der Fraktion der
CDU/CSU soll die Begünstigung (völlige Befreiung
von der Heizstoffsteuer) gestrichen werden. Dies
betrifft ausnahmslos GuD-Anlagen. Durch die be-
sondere Situation meines Wahlkreises Heinsberg in
Bezug zu Garzweiler II kann ich diesen Punkt nicht
mittragen. Da ich die Ökosteuer in der vorliegenden
Form für falsch halte, enthalte ich mich deshalb der
Stimme.
Anlage 3
Erklärung nach § 31 GO
des Abgeordneten Ulrich Adam (CDU/CSU)
zur Abstimmung über den Änderungsantrag
der Fraktion CDU/CSU zum Entwurf eines
Gesetzes zur Fortführung der Ökologischen
Steuerreform – Drucksache 14/2065 –
(Tagesordnungspunkt 5)
Die im Gesetzentwurf der Bundesregierung festge-
legte Beschränkung der Steuerentlastung auf Kraftwerke
mit einem Wirkungsgrad der Energieausnutzung von
57,5 Prozent könnte erhebliche Auswirkungen auf das in
Lubmin bei Greifswald in Mecklenburg-Vorpommern
geplante Großkraftwerk haben. Entgegen dem eigent-
lichen Vorschlag wurde der Monatsnutzungsgrad von
den ursprünglich vorgesehenen 57 Prozent auf 57,5 Pro-
zent angehoben. Es dürfte schwierig sein, ein Unter-
nehmen auszumachen, das den sehr hohen Wirkungs-
grad von 57,5 Prozent zu ökonomisch vertretbaren
Konditionen garantieren könnte. Dies könnte den Fort-
gang des Projektes um Monate aufhalten bzw. ganz ge-
fährden.
Die im Änderungsantrag nur geplante nochmalige
Erhöhung des Monatsnutzungsgrades auf mindestens
70 Prozent macht die 400-Milliarden-Investition am
Standort Lubmin faktisch unmöglich. Daher lehne ich
diesen Änderungsantrag ab.
6268 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 69. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. November 1999
(A) (C)
(B) (D)
Anlage 4
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Norbert Formanski, Volker
Jung (Düsseldorf), Jutta Müller (Völklingen),
Ulla Burchardt, Christel Humme, Reinhard
Schultz (Everswinkel), Nicolette Kressl, Jörg-
Otto Spiller, Jochen Welt, Uwe Göllner,
Michael Müller (Düsseldorf), Hans-Eberhard
Urbaniak, Dieter Grasedieck, Dieter Dzewas,
Adolf Ostertag, Hans-Günter Bruckmann,
Wolfgang Weiermann, Hans-Peter Kemper,
Klaus Hasenfratz, Marianne Klappert, Dagmar
Schmidt (Meschede), Rainer Fornahl, Dr.
Angelica Schwall-Düren, Ingrid Arndt-Brauer,
Friedhelm Julius Beucher, Rolf Hempelmann,
Walter Schöler, Ingrid Becker-Inglau, Peter
Enders und Waltraud Lehn (alle SPD)
zur namentlichen Abstimmung über den Ent-
wurf eines Gesetzes zur Fortführung der ökolo-
gischen Steuerreform
(Tagesordnungspunkt 5)
Die Unterzeichner der Erklärung stimmen der Fort-
führung der ökologischen Steuerreform zu, weil sie die
Maßnahmen zur Verteuerung des Energieverbrauchs bei
gleichzeitiger Entlastung der Kosten der Arbeit für rich-
tig und zukunftsweisend halten.
Hinter dieser Bewertung muß die Ablehnung der in
dem Gesetz vorgesehenen Befreiung von hochwirk-
samen GuD-Kraftwerken von der Mineralölsteuer auf
Erdgas zurückstehen. Diese Steuerbefreiung begünstigt
Verstromung von Gas in der Grundlast zulasten von
Braun- und Steinkohle.
Die Unterzeichner erklären, daß sie einer Nachfolge-
regelung für diesen zeitlich befristeten Beihilfetatbe-
stand nicht zustimmen werden.
Anlage 5
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Anni Brandt-Elsweier, Kurt
Bodewig, Regina Schmidt-Zadel, Klaus Brand-
ner, Reinhold Hemker, Rolf Stöckel, Dr. Rainer
Wend, Wolfgang Grotthaus, Hans-Werner
Bertl, Willi Brase, Helga Kühn-Mengel, Fritz
Schösser, Lilo Friedrich (Mettmann), Karin
Kortmann, Dagmar Freitag, Bernd Scheelen,
Dietmar Nietan (alle SPD)
zur namentlichen Abstimmung über den Ent-
wurf eines Gesetzes zur Fortführung der ökolo-
gischen Steuerreform
(Tagesordnungspunkt 5)
Die Unterzeichner dieser Erklärung stimmen der
Fortführung der ökologischen Steuerreform zu, weil sie
die Maßnahmen zur Verteuerung des Energieverbrauchs
bei gleichzeitiger Entlastung der Kosten der Arbeit für
richtig und zukunftsweisend halten.
Hinter dieser Bewertung muß die Ablehnung der in
dem Gesetz vorgesehenen Befreiung von hochwirk-
samen GuD-Kraftwerken von der Mineralölsteuer auf
Erdgas zurückstehen. Diese Steuerbefreiung begünstigt
Verstromung von Gas in der Grundlast möglicherweise
zulasten von Braun- und Steinkohle.
Die Unterzeichner erklären, daß sie einer Nachfolge-
regelung für diesen zeitlich befristeten Beihilfetatbe-
stand nicht zustimmen werden.
Anlage 6
Erklärung nach § 31 GO
Zur Abstimmung über den Entwurf eines
Gesetzes zur Fortführung der ökologischen
Steuerreform
(Tagesordnungspunkt 5)
Ulrich Adam (CDU/CSU): Im Hinblick auf die 2./3.
Lesung des von den Fraktionen SPD und Bündnis 90/
Die Grünen eingebrachten Entwurfs eines „Gesetzes zur
Fortführung der ökologischen Steuerreform“ gebe ich
bekannt, daß ich einerseits aufgrund der bekannten Ar-
gumente der CDU/CSU-Fraktion gegen dieses Gesetz
stimmen werde, andererseits aber vor allem auch hin-
sichtlich der nach den Gesetzentwürfen der Koalitions-
fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen sowie
der Bundesregierung geplanten Begünstigung (Vergü-
tung der vollen Heizstoffsteuer) in Anlagen mit Gastur-
binen von netto mindestens 57,5 Prozent. Entgegen dem
eigentlichen Vorschlag wurde die Beschränkung der
Steuerentlastung auf Kraftwerke mit einem Wirkungs-
grad der Energieausnutzung von den ursprünglich vor-
gesehenen 57 Prozent auf 57,5 Prozent angehoben. Der
nun im Gesetzentwurf festgelegte Wirkungsgrad von
57,5 Prozent könnte erhebliche Auswirkungen auf das in
Lubmin bei Greifswald in Mecklenburg-Vorpommern
geplante Großkraftwerk haben.
Es dürfte schwierig sein, ein Unternehmen auszuma-
chen, das den sehr hohen Wirkungsgrad von 57,5 Pro-
zent zu ökonomisch vertretbaren Konditionen garantie-
ren könnte. Dies könnte den Fortgang des Projektes um
Monate aufhalten bzw. ganz gefährden.
Barbara Wittig (SPD): Eine Befreiung von GuD-
Anlagen von der Mineralölsteuer hat meines Erachtens
mittel- und langfristig folgenschwere Konsequenzen,
insbesondere für die ostdeutsche Braunkohlewirtschaft
und die Verstromung der Braunkohle. Ich kann nicht
nachvollziehen, daß auf sichere heimische Energieträger
zugunsten einer stärkeren Importabhängigkeit verzichtet
werden soll. Wenn GuD-Anlagen mit einer wesentlich
geringeren Beschäftigungsintensität in der Gesamtkette
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 69. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. November 1999 6269
(A) (C)
(B) (D)
gegenüber der Braunkohleverstromung diese mittel- und
langfristig zurückdrängt oder ablöst, stellt sich für mich
die Frage der Kompensation, d.h. es muß geklärt wer-
den, wie entsprechende Arbeitsplatzverluste kompen-
siert werden und Strukturprobleme in den betroffenen
Braunkohleregionen gelöst werden sollen.
Verschärft wird die Beschäftigungslage in den betrof-
fenen ostdeutschen Ländern noch durch das am 22. Ok-
tober dieses Jahres von den VEAG-Eignern, deren Vor-
stand und Bundeswirtschaftsminister Müller ausgehan-
delte Modell hinsichtlich der Verstromung der ostdeut-
schen Braunkohle. Dies ist zwar ein Schritt in eine
mögliche Richtung im Zusammenhang mit der Anpas-
sung der Strompreise in Ost und West. Mit dem Ver-
zicht auf den Gesprächsbereich Vermarktung wird aber
in Wirklichkeit die unternehmerische Eigenständigkeit
und Handlungsfähigkeit der VEAG drastisch reduziert,
und ein weiterer erheblicher Abbau von Arbeitsplätzen
ist vorprogrammiert.
Ostdeutsche Bundesländer wären also doppelt betrof-
fen. Das kann ich angesichts einer Arbeitslosigkeit von
durchschnittlich 25 Prozent im Lausitzer Revier nicht
mittragen.
Klaus Lennartz (SPD): Das Gesetz zur Fortführung
der ökologischen Steuerreform beinhaltet die Mineral-
ölsteuerbefreiung für Gas- und Dampfkraftwerke mit
einem Wirkungsgrad von 57,5 Prozent. Da dieser Wir-
kungsgrad nach dem heutigen Stand der Technik bereits
erreicht werden kann, handelt es sich hierbei um eine
Subventionszahlung, ohne daß damit technologische In-
novationen verbunden wären. Um tatsächliche technolo-
gische Erneuerungen bei GuD-Anlagen auszulösen,
hätte das Erreichen des Wirkungsgrads von 57,5 Prozent
(elektrisch) von dem Jahresnutzungsgrad abhängig ge-
macht werden müssen. Dieser Konsens war innerhalb
der Koalition nicht zu erzielen, da in dieser Frage Bünd-
nis 90/Die Grünen keinerlei Kompromißbereitschaft
zeigten und nicht bereit waren, sachliche und fachliche
Argumente zu akzeptieren.
Durch die Mineralölsteuerbefreiung von GuD-
Anlagen mit einem Wirkungsgrad von 57,5 Prozent ent-
steht ein Kostenvorteil von 0,7 Pfennig je Kilowatt-
stunde bei den Brennstoffkosten, was die Wettbewerbs-
situation aller anderen Stromerzeugungsarten, d.h. auch
KWK und regenerative Energien, verschlechtern wird.
Dies hätte nach internen Kostenabschätzungen des
Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie zur
Folge, daß GuD-Anlagen bis in den oberen Grundlast-
bereich wirtschaftlich wären. Dadurch wird ein Ver-
drängungswettbewerb eingeleitet, der insbesondere zu
Lasten der ost- und westdeutschen Braunkohle gehen
wird. Fakt ist, daß bereits jetzt eine GuD-Anlage von
2 500 MW in Greifswald geplant ist, die den Wirkungs-
grad von 57,5 Prozent nach Auffassung aller Experten
bereits nach dem heutigen Stand der Technik erreichen
kann. Ein weiterer Ausbau entsprechender Anlagen wird
folgen, ohne daß damit technologische Innovationen
verbunden sind. Tatsächlich handelt es sich hierbei um
steuerliche Mitnahmeeffekte zu Lasten der Steuerzahler
durch einseitige Subventionierung.
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuwei-
sen, daß die Braunkohle in den neuen Bundesländern
einen beispiellosen Anpassungsprozeß hinter sich hat.
Seit der Wiedervereinigung ging die Braunkohle von
300 Mio. t/a auf jetzt 64 Mio. t/a zurück. Die Zahl der
Beschäftigten sank von 130 000 um 90 Prozent auf jetzt
13 000. Diese verbliebenen Arbeitsplätze konzentrieren
sich auf strukturschwache Gebiete und bilden dort den
industriellen Rückhalt. Durch die steuerlichen Subven-
tionen der geplanten GuD-Anlagen sind diese 13 000
Arbeitsplätze in Gefahr.
Auch im rheinischen Revier steht die Braunkohle
unter einem enormen Anpassungs- und Wettbewerbs-
druck. Die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen
hat mit den Unternehmen RWE und Rheinbraun ein
20-Milliarden-Programm vereinbart, daß Braunkohle-
kraftwerke mit der BoA-Technik nachgerüstet werden,
damit einerseits ein höherer Wirkungsgrad und anderer-
seits eine erhebliche Reduktion von Schadstoffen erzielt
werden können. Dieses umfangreiche Investitionsvor-
haben zur Effizienzsteigerung der Braunkohlekraft-
werke wird die Wettbewerbssituation der heimischen
Braunkohle erheblich verbessern und Arbeitsplätze
sichern. Insgesamt sind bei den Unternehmen Rhein-
braun 11 000 Menschen und bei RWE allein im Kraft-
werksbereich 6 000 Menschen beschäftigt. Unter Be-
rücksichtigung der Sekundärarbeitsplätze, die mittelbar
und unmittelbar von der Braunkohle abhängen, sind ca.
40 000 Arbeitsplätze betroffen. Zählt man die Familien
der Beschäftigten hinzu, sind somit rund 100 000 Men-
schen betroffen. Für die westdeutsche Steinkohle gilt
das im verschärften Umfang. Auch hier steht die
Existenz von 100 000 Menschen auf dem Spiel.
Die Befreiung von GuD-Anlagen von der Mineral-
ölsteuer wird auch nach Einschätzung des Bundes-
ministeriums für Wirtschaft und Technologie – wie im
Schreiben vom 10. September 1999 mitgeteilt – mittel-
und langfristig folgenschwere Konsequenzen für die
rheinische Braunkohle und deutsche Steinkohle haben.
Nach meiner Überzeugung muß es das erste Ziel jeder
Bundesregierung sein, Arbeitsplätze zu erhalten und zu
schaffen. Dies gilt selbstverständlich für die alten und
neuen Bundesländer.
Aufgrund der Gesamtsituation muß man die Äuße-
rungen der betroffenen Unternehmen RWE und Rhein-
braun, die aufgrund der Steuerbefreiung für GuD-
Anlagen ihre Investitionsvorhaben und unternehmeri-
schen Planungen auf den Prüfstand stellen wollen, sehr
ernst nehmen. Im Klartext bedeutet das, daß die Er-
schließung von Garzweiler II und die Durchführung des
Modernisierungsprogramms auf dem Prüfstand stehen.
Denn auch Unternehmen brauchen sichere und verläßli-
che Rahmenbedingungen für ihre Investitionsentschei-
dungen.
Durch die einseitige steuerliche Bevorteilung ist da-
von auszugehen, daß der Anteil des Erdgases an der
Stromerzeugung deutlich steigen wird. Bei der politi-
schen Betrachtungsweise ist jedoch die Frage der Liefer-
sicherheit und Preisstabilität außer acht gelassen wor-
den. Die Erdgasversorgung in der Bundesrepublik ist
von drei Lieferantenländern abhängig. Dies sind die
6270 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 69. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. November 1999
(A) (C)
(B) (D)
Niederlande, Norwegen und Rußland. Wie die Ent-
wicklung im Osten sein wird, ist nicht vorauszusehen.
Insofern ist eine Liefersicherheit nicht gewährleistet.
Dies gilt auch für die Preissicherheit. Durch die enge
Anbindung der Erdgaspreise an das Öl ist auch hier kei-
ne langfristige Kalkulation möglich. In der Konsequenz
bedeutet das für den Endverbraucher ein erhebliches
Preisrisiko.
Neben den erwähnten ökonomischen Nachteilen
kommen die ökologischen Aspekte hinzu. Für den Fall,
daß das Unternehmen RWE ganz oder teilweise aus
dem Modernisierungsprogramm aussteigt, bleiben die
alten Kraftwerke mit einem geringen Wirkungsgrad von
35 Prozent und einem relativ hohen Schadstoffausstoß
erhalten. Bei der Durchführung des Modernisierungs-
programms hingegen wird durch eine verbesserte Tech-
nologie eine drastische Reduzierung des Schadstoffaus-
stoßes erzielt und die Effizienzsteigerung der Kraftwer-
ke bei der Stromerzeugung auf 46 bis 51 Prozent erhöht.
Persönlich bin ich der Auffassung, daß die Politik, wenn
sie für eine Steuerbefreiung eintritt, die Frage be-
antworten muß, wie drohende Arbeitsplatzverluste kom-
pensiert und Strukturprobleme gelöst werden können.
Mein Ziel ist es, Arbeitsplätze zu schaffen und nicht zu
vernichten.
Aus diesen Gründen und weil ich die Existenz von
Arbeitsplätzen und vielen Familien unmittelbar bedroht
sehe, ist es für mich eine Gewissensentscheidung, diesem
Gesetz nicht zuzustimmen. Meinen Kolleginnen und
Kollegen von der CDU sei ins politische Stammbuch
geschrieben, daß ich eine solche abgrundtiefe Heuchelei
in dieser Frage selten erlebt habe. Im Finanzausschuß
des Deutschen Bundestages haben die CDU/CSU-
Abgeordneten von einem Investitionsverhinderungsge-
setz gesprochen und gefordert, den Wirkungsgrad her-
abzusetzen. In diesem Zusammenhang ist anzumerken,
daß die Forderung der CDU/CSU nach einer Herabset-
zung des Wirkungsgrades in der Tat der Braunkohle den
Todesstoß versetzt hätte. Diese Forderung wird von dem
NRW-Landesvorsitzenden der CDU, Jürgen Rüttgers,
tunlichst verschwiegen. Abschließend anzumerken ist,
daß durch Drängen der SPD im Finanzausschuß der
Wirkungsgrad von 55 auf 57,5 Prozent angehoben wor-
den ist.
Anlage 7
Erklärung
des Abgeordneten Hans-Peter Kemper (SPD)
zur Abstimmung über den Entwurf eines Ge-
setzes zur Fortführung der ökologischen Steu-
erreform
(Tagesordnungspunkt 5)
Bei der namentlichen Abstimmung habe ich verse-
hentlich mit Ja gestimmt.
Mein Votum lautet Nein.
Anlage 8
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung der Beschlußempfehlung und des
Berichts zu den Anträgen:
– OSZE-Gipfel in Istanbul – für eine Stärkung
der Handlungsfähigkeit der OSZE und
– Neue europäische Sicherheitsarchitektur
(Zusatztagesordnungspunkt 5)
Uta Zapf (SPD): Der Istanbuler Gipfel der OSZE
steht kurz bevor. Vor einer Woche haben wir dieses
Thema schon einmal diskutiert. Dabei sind unsere Sor-
gen deutlich geworden, ob dieser Gipfel ein Erfolg sein
wird. Die Sorgen sind eher größer geworden. Das
Problem des Krieges in Tschetschenien bedrückt uns.
Die Situation in Tschetschenien ist nicht besser ge-
worden. Zwar kann sich mittlerweile eine Mission der
OSZE mit der Lage in Tschetschenien befassen, aber
eine Bereitschaft Rußlands, die militärischen Opera-
tionen einzustellen, die ja vor allem die Zivilbevöl-
kerung treffen, zeichnet sich nicht ab. Rußland verstößt
mit diesem Krieg massiv gegen die Prinzipien der
OSZE, die wir auch auf diesem Gipfel gestärkt sehen
wollen.
Der Krieg in Tschetschenien zeigt auch, daß Instru-
mente der Krisenprävention immer noch nicht ausrei-
chend ausgebaut sind, um Gewalteskalation zu verhin-
dern.
Wir haben in der letzten Woche ausdrücklich das
Recht eines Staates unterstrichen, den Terrorismus zu
bekämpfen. Aber in Tschetschenien sehen wir einem
Drama zu, in dem ein ganzes Volk bekämpft wird, um
Terroristen zu treffen. Wir sehen ein neues Beispiel, wie
Mißachtung von Menschenrechten, Diskriminierung von
Minderheiten und das Schüren ethnischer und religiöser
Konflikte zu Krieg führen können. Die instabilen staatli-
chen Strukturen in den ehemaligen Staaten der Sowjet-
union und der mangelhaft fortschreitende Prozeß der
Demokratie sind ein zusätzliches Krisenrisiko. Kann
man den Vertrag zur konventionellen Abrüstung in Eu-
ropa und neue politische Grundsätze wie die Sicher-
heitscharta unterschreiben, wenn gleichzeitig ein Ver-
tragspartner den Vertrag und die politischen Prinzipien
der OSZE massiv verletzt?
Welche Folgen hätte ein Scheitern des Gipfels? Ein
Scheitern würde die OSZE als Organisation entschieden
schwächen, eine Organisation, die zur Stabilität in Euro-
pa beigetragen hat, die zur Entspannung und gemeinsa-
men Sicherheit beigetragen hat durch Vertrauensbil-
dung, Transparenz, Abrüstung und Rüstungskontrolle,
eine Organisation, die einen Beitrag zur Demokrati-
sierung und zur Achtung und Rüstungskontrolle, eine
Organisation, die einen Beitrag zur Demokratisierung
und zur Achtung der Menschenrechte geleistet hat, der
nicht hoch genug eingeschätzt werden kann, eine Orga-
nisation, die sich Krisenprävention und Friedenserhal-
tung auf die Fahnen geschrieben hat und dafür Institu-
tionen und Instrumente entwickelt hat und weiterent-
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 69. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. November 1999 6271
(A) (C)
(B) (D)
wickelt, eine Organisation, die schon oft erfolgreich ge-
wirkt hat. Diese Organisation darf nicht destabilisiert
werden.
Deshalb stimmen wir, glaube ich, alle überein, daß
wir alles tun müssen, um den Gipfel nicht zu gefährden.
Deshalb ist es auch richtig, daß die Regierung gestern
im Kabinett dem KSE-Vertrag zugestimmt hat. Dieser
Vertrag ist in unserem ureigensten Interesse. Wir ver-
binden damit auch die Hoffnung, daß die russische Un-
terschrift unter den Vertrag ein Mittel in die Hand gibt,
zu einer politischen Lösung im Tschetschenien-Konflikt
zu kommen.
Der Vertrag trägt den neuen sicherheitspolitischen
Bedürfnissen in Europa Rechnung. Nach dem Ende der
Blockkonfrontation und der NATO-Osterweiterung
führt er zu angepaßten Strukturen, die Stabilität in Euro-
pa sichern.
Ein wichtiges Instrument des Krisenmanagements
sind die Missionen der OSZE. Es ist zu begrüßen, daß
Rußland jetzt eine solche Mission in Tschetschenien
zuläßt. Wir wollen dieses Instrument stärken, und der
Gipfel wird einen Beitrag dazu leisten, indem er erste
Schritte zum Aufbau eines Pools qualifizierten Personals
für diese Aufgaben macht. Wir haben dies lange gefor-
dert, weil nur gut geschulte Missionsteilnehmer die
schwere und verantwortungsvolle Aufgabe der Ver-
mittlung in Konflikten leisten können.
Auch die Sicherheitscharta, die in Istanbul beschlos-
sen werden soll, wäre ein Fortschritt. Sie soll als poli-
tisch bindendes Dokument die Zusammenarbeit der Si-
cherheitsorganisationen stärken und die bestehenden rü-
stungskontrollpolitischen sowie vertrauens- und sicher-
heitsbildenden Maßnahmen verbessern und festigen.
Damit wird kooperative Sicherheit in Europa gestärkt.
Wir sind auf diese Kooperation angewiesen, weil wir
mit Rußland, der Ukraine und allen anderen Staaten
vertrauensvoll zusammenarbeiten wollen. Besonders
wichtig ist es, neue Trennlinien in Europa zu vermei-
den, die nach der NATO-Erweiterung zu entstehen
drohten.
Auch und gerade weil innerstaatliche Konflikte in
Europa zugenommen haben, bleibt die Stärkung und
Fortentwicklung der OSZE wichtig. Ein kooperatives
System der Konfliktprävention kann eher den virulenten
Gegensatz des Völkerrechtes zwischen Souveränitäts-
rechten des Staates und dem Selbstbestimmungsrecht
der Völker ausgleichen. Nichteinmischung in innere
Angelegenheiten und Schutz der Menschenrechte dürfen
nicht länger unversöhnliche Prinzipien bleiben. Ange-
sichts des Konfliktpotentials in Europa, insbesondere in
den Transformationsstaaten, ist eine Stärkung der OSZE
als kooperativer Sicherheitsorganisation wichtiger denn
je.
Dr. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU): Das Gip-
feltreffen der OSZE in Istanbul findet zu einem Zeit-
punkt statt, zu dem das massive Vorgehen der russischen
Armee in Tschetschenien gegen die Zivilbevölkerung
mit großer Brutalität andauert. Es handelt sich nicht um
gezielte Aktionen gegen terroristische Aktivitäten, son-
dern um eine Strategie der Vertreibung der Bevölkerung
durch Bombenangriffe, die hohe Verluste unter Zivili-
sten zur Folge haben. Damit wird nicht nur die Genfer
Konvention mißachtet, sondern auch die von der OSZE
selbst aufgestellten Regeln.
Wir begrüßen es, daß eine OSZE-Beobachtermission
jetzt in Tschetschenien tätig wird, wenn auch reichlich
spät. Das neue Sicherheitskonzept, das in Istanbul auf
der Tagesordnung steht, wird allerdings durch die Art
dieser Mission von Anfang an unglaubwürdig. Künftig
soll die OSZE eigenständig friedenserhaltende Maß-
nahmen durchführen können. Die Regierung in Moskau
hat der OSZE-Mission in Tschetschenien jedoch nur
unter der Bedingung zugestimmt, daß sie auf rein huma-
nitäre Aufgaben und die Betreuung von Flüchtlingen be-
schränkt bleibt. Der Gipfel droht daher zu einer Doku-
mentation der Diskrepanz zwischen Anspruch und
Wirklichkeit der OSZE zu werden. Das kann uns nicht
gleichgültig sein, weil die Autorität der OSZE als Orga-
nisation, die mehr Sicherheit und Stabilität in Europa
ermöglichen soll, einmal mehr nachhaltig beschädigt
wird.
Wird der neue KSE-Vertrag nächste Wochen nun
unterzeichnet oder nicht? Wir können diese Frage heute
nicht beantworten. Können wir uns überhaupt wün-
schen, daß ein Vertrag unterzeichnet wird, der schon bei
der Unterschrift ad absurdum geführt wird? Das Argu-
ment, Abrüstung sei ein langfristiges Thema, deshalb
bräuchten wir einen Erfolg in Istanbul, obwohl Rußland
mit seinem Krieg den OSZE-Regeln Hohn spricht, ist
gefährlich. Um die OSZE zu stärken, brauchen wir kei-
nen Erfolg auf dem Papier, sondern eine handlungsfähi-
ge Organisation, die Krisenprävention und Krisenreak-
tion im Ernstfall leisten kann, weil sie einen gemein-
samen politischen Willen hat, die erforderlichen politi-
schen und militärischen Instrumente gemeinsam einzu-
setzen.
Diese Handlungsfähigkeit besitzt heute nur die
NATO. Wir hoffen, daß der OSZE-Gipfel in Istanbul
dazu benutzt wird, unserem Partner Rußland eindring-
lich klarzumachen, daß er seinen eigenen Interessen
schadet, wenn der Vernichtungskrieg in Tschetschenien
fortgesetzt wird.
Rita Grießhaber (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die
Zweifel, ob der Istanbuler OSZE-Gipfel gelingen kann,
sind in den letzten Tagen nicht weniger geworden. Die
Bilder aus den Flüchtlingslagern vermitteln eine Ahnung
von dem Ausmaß des Elends, das der Tschetschenien-
krieg verursacht. Genaueres werden wir leider in näch-
ster Zukunft nicht erfahren. Es ist kein gutes Zeichen,
daß Rußland heute der OSZE-Delegation die Einreise
nach Tschetschenien verweigert hat.
Um so wichtiger ist es – und wir unterstützen die
Bundesregierung darin –, weiterhin diplomatischen
Druck auf Rußland auszuüben, damit dieser Krieg so
schnell wie möglich beendet wird.
Wir appellieren auch heute noch einmal an die russi-
sche Staatsduma, sich für eine Verhandlungslösung ein-
zusetzen.
6272 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 69. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. November 1999
(A) (C)
(B) (D)
Daß unsere Möglichkeiten, auf Rußland einzuwirken,
sehr begrenzt sind, ist kein Geheimnis. Wir wissen auch,
daß Rußland im Nordkaukasus die Flankenobergrenzen
überschreitet und die OSZE-Konvention verletzt. Aber
deshalb in Istanbul den KSE-Anpassungsvertrag nicht
zu unterzeichnen wäre ein Fehler.
Wir müssen uns weiterhin für Rüstungskontrolle und
Abrüstung einsetzen. Und dafür ist die jetzige Anpas-
sung des KSE-Vertrags ein wichtiger Schritt.
Bei allen Bedenken wegen des Zeitpunkts und der
Umstände möchte ich Sie eines fragen: Wären wir in
Abrüstungsfragen je so weit gekommen, wenn bei den
Vorgängerverträgen den damals noch größeren Zweifeln
nachgegeben worden wäre?
Ich denke, wir sollten die Unterzeichnung des Ver-
trags – hoffentlich auch durch Rußland – nutzen, um
dann Druck zu machen: Zum einen, daß Rußland ratifi-
ziert, und zum anderen, daß es sich dann auch an das
hält, was es unterschrieb. Die Erfahrung hat uns doch
gezeigt, wie wichtig die Berufungsmöglichkeit auf un-
terschriebene Verträge war, um Fortschritte zu erzielen,
beispielsweise im Helsinki-Prozeß bei Menschenrechts-
fragen.
Wir dürfen bei aller aktuellen Sorge um die Ent-
wicklung in Tschetschenien – oder gerade auch deshalb
– nicht vergessen, wie wichtig dieser Gipfel in Istanbul
für eine neue europäische Sicherheitsarchitektur ist.
Es bleibt eine Herkulesaufgabe, die Rolle der OSZE
im Prozeß hin zu einer gesamteuropäischen Friedens-
ordnung zu stärken. Die OSZE ist die einzige -euro-
asiatische Organisation, die in diesem Raum durch be-
harrlichen Einsatz für die Durchsetzung der verbrieften
Menschen-, Minderheiten- und demokratischen Rechte
steht. Und diese bilden die Wurzeln für Frieden und
Sicherheit.
Der Hauptverdienst der OSZE lag bisher in ihrer
dialogischen Struktur. Manche bezeichnen das als ihre
Schwäche. Es könnte aber, indem sie in Istanbul klare
Worte gegenüber Rußland findet, auch ihre Stärke sein.
Walter Hirche (F.D.P.): Der vorliegende gemeinsa-
me Antrag der Fraktionen von SPD, CDU/CSU, Bünd-
nis 90/Die Grünen und F.D.P. soll der Bundesregierung
breite Unterstützung des Bundestages signalisieren,
wenn sie sich in Istanbul für eine neue europäische
Sicherheitsarchitektur einsetzt. Es ist nach Auffassung
der F.D.P. in bestem deutschen Interesse, die Fortent-
wicklung der Systeme kooperativer Sicherheit wie UNO
und OSZE gemeinsam zu betreiben – gut wäre es, wenn
dies auch für die Systeme kollektiver Verteidigung wie
NATO und WEU gelten würde, wo sich aber insbeson-
dere die Grünen schwertun.
Für Istanbul gilt, wenn schon die UN-Reform auf der
Stelle tritt, kommt hoffentlich die OSZE Schritte voran.
Gerade die Ereignisse im Kosovo haben uns ja gelehrt,
wie wichtig es ist, die OSZE handlungsfähiger zu ma-
chen. Deshalb ist es gut, daß die Bundesregierung den
KSE-Änderungsvertrag unterzeichnen will. Zugleich
macht die Tragödie in Tschetschenien schneidend klar,
welche Gratwanderungen die Bundesregierung hier
geht. Weder die Diskussionen über den KSE-Vertrag
noch der Gipfel von Istanbul hindern Rußland offenkun-
dig daran, in Tschetschenien die eigenen Bürger mit
Krieg zu überziehen und das als innere Angelegenheit
zu betrachten.
Ist es nicht eine Farce, wenn dieser Krieg unbehelligt
fortgesetzt wird, aber gleichzeitig ein Dokument für Be-
grenzung von Streitkräften unterschrieben wird? Man
schaudert bei der Erinnerung an den alten Satz: Papier
ist geduldig. Aber so paradox und schwierig es ist, wir
werden dieses Risiko auf dem Weg zu einer neuen euro-
päischen Sicherheitsarchitektur wohl eingehen müssen.
Denn wenn Istanbul scheiterte, würde sich in Tsche-
tschenien nichts ändern. Es ist eher umgekehrt. Die
Fortsetzung de OSZE-Verhandlungen bringt immerhin
für die Zukunft eine Chance, solche Vorgänge beein-
flussen oder unterbinden zu können. Daß Rußland jetzt
der Entsendung einer OSZE-Mission in die abtrünnige
Kaukasusrepublik zugestimmt hat, ist ein Hoffnungs-
schimmer. Die Tür ist offen geblieben, wir sollten sie
nicht zuschlagen.
Positiv ist auch die Zulassung des Zutritts internatio-
naler Hilfsorganisationen wie Internationales Rotes
Kreuz, Cap Anamur und UN-Flüchtlingshilfswerk. Da-
mit können wir natürlich nicht zufrieden sein. Der freie
Zugang von Medienvertretern muß folgen.
Vor allem besteht die F.D.P. darauf, daß die Bundes-
regierung in Istanbul eine offizielle Diskussion des
Tschetschenienkonflikts durchsetzt. Die Bundesregie-
rung muß auch in Istanbul offiziell auf einen Stopp des
russischen Krieges gegen die eigenen Bürger dringen.
Wir erwarten klare Worte und Taten und ein entspre-
chendes Schlußdokument. Wir alle sind uns sicher be-
wußt, daß die deutsche OSZE-Politik eine schwierige
Gratwanderung ist: Notwendig ist es, Istanbul zu nutzen,
um einen gesamteuropäischen Sicherheitsraum ohne
Trennlinien zu schaffen, eine – wie es im Vorspann des
Antrags heißt – europäische Sicherheitscharta, die alle
OSZE-Teilnehmerstaaten „zur Förderung der Men-
schenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit“ ver-
pflichtet.
Ich will auch daran erinnern, daß zu Beginn wie zur
Mitte des KSZE-Prozesses niemand das Schlußergebnis
für möglich gehalten hätte. Von daher nährt sich meine
Hoffnung, daß Istanbul die OSZE ein Stück voranbringt.
„Der Prozeß, den Menschen in den Mittelpunkt des Völ-
kerrechts zu rücken“, wie es mein Kollege Werner Hoy-
er am 4. November hier im Plenum formuliert hat, kann
vielleicht in Istanbul ein Stück vorankommen. Ein Stopp
wäre ein Schritt zurück.
Die F.D.P. erhofft und erwartet von Istanbul:
1. Die Unterzeichnung des KSE-Änderungsvertrages.
2. Die Verabschiedung der Europäischen Sicherheits-
charta.
3. Die Stärkung der OSZE als Institution, damit zum Bei-
spiel künftig ein kriegerischer Konflikt wie in Tsche-
tschenien nicht mehr als innere Angelegenheit eines
Staates angesehen werden kann. Dazu muß eine Re-
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 69. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. November 1999 6273
(A) (C)
(B) (D)
form kommen, die bei Beschlüssen das Konsens-
Minus-Eins-Prinzip durchsetzt, um gegen einen Völ-
kerrechtsverbrecher vorgehen zu können.
4. In Istanbul sollte der Tschetschenienkonflikt klar zur
Sprache kommen.
5. Schließlich hoffen wir, daß nach Istanbul ein positive-
res Verhältnis von OSZE und NATO gefunden wird.
Hoffentlich gibt es auch dabei eine große Gemein-
samkeit in diesem Hause.
Wolfgang Gehrcke (PDS): In den Absichtserklärun-
gen unterscheiden sich die beiden vorliegenden Anträge
zum OSZE-Gipfel nur graduell. Wesentlich unterschei-
den sie sich in ihrem Geist; ihnen liegt eine unterschied-
liche strategische Konzeption zugrunde. Die liegt in der
Frage: Begnügt sich der Bundestag, begnügt sich die
deutsche Außenpolitik in Fragen eines zukunftsfähigen
Sicherheitssystems mit Absichtserklärungen, oder drängt
sie auf eine Verrechtlichung der internationalen Sicher-
heitsbeziehungen? Also Völkerrecht, rechtsverbindliche
Normen oder mehr oder weniger guter Wille?
Die guten Vorsätze reichen nicht aus, sie können sich
in den Grauzonen zwischen Völkerrecht und guter Ab-
sicht verirren. Jene Grauzonen sind nur ein beschöni-
gender Ausdruck für einen rechtsfreien Raum oder zu-
gespitzt: für einen Raum ohne Recht, für ein Terrain, in
dem Willkür oder die Opportunität des Augenblicks
herrschen kann. Sie muß nicht herrschen, aber sie kann
es. Deshalb ist meine Fraktion für die strikte Verrechtli-
chung internationaler Beziehungen, und sei es wegen
der einfachen Einsicht, daß es so – wie wir Norddeut-
schen sagen – kein Vertun gibt.
Die Alternativen zu unserem Antrag sind bereits prä-
sent. An ihnen wird gearbeitet, und sie sind derzeit stär-
ker, weil sie die Macht des Faktischen in die Waag-
schale werfen. Sie sind schon da als starke Organisatio-
nen. Die NATO ist schon da. In den Sicherheitskonzep-
ten der anderen im Bundestag vertretenen Parteien
nimmt die NATO einen zentralen Platz ein, auch und
gerade die neue NATO, die sich selbst mandatiert.
Kein Zweifel: Sie buchstabieren Sicherheit noch im-
mer militärisch. Es heißt bei Ihnen immer: NATO first.
Aber die NATO ist und bleibt ein Militärbündnis. Kol-
legen haben hier in der Debatte auf den Unterschied
zwischen Verteidigungsbündnis und kollektivem Sicher-
heitssystem verwiesen. Der ist mir wohl bewußt. Eben
deshalb plädiere ich für die Perspektive eines europäi-
schen Systems mit russischer und transatlantischer
Komponente, das den Sicherheitsbedürfnissen der euro-
päischen Staaten primär durch zivile, politische und
ökonomische Potentiale gerecht wird.
Hier ist die grundlegende Logik eine zivile und damit
auch nachhaltigere, als es die in einem völlig anders
strukturierten und orientierten Militärbündnis ist, daß
sich bei ausreichendem Sicherheitsgefühl dann wirklich
erübrigte. Das ist unser eigentlicher Dissens. Wir
möchten die OSZE so stabil gestalten – auch rechtlich –,
daß sie Sicherheit umfassend gewährleistet. Auch wenn
es den einen Schlüssel, den Stein der Weisen im System
der europäischen Sicherheit nicht gibt, so gibt es doch
Prioritäten, es gibt Organe, deren Stärkung andere Pro-
zesse positiv beeinflussen könnte. Und in diesem be-
scheidenen Sinne fordern wir: OSZE first.
Strukturen sind auch da in der Europäischen Union.
Die EU hat längst das Stadium einer EWG, einer Wirt-
schaftsgemeinschaft hinter sich gelassen, als die sie in
den Römischen Verträgen noch konzipiert war. Die EU
wird zu einer europäischen Wirtschafts-, Währungs- und
– so ist meine Hoffnung – vielleicht auch Sozialunion.
Sie steht aber vor der Gefahr, tagespolitisch instrumen-
talisiert und militarisiert zu werden. Über die Hintertür
soll eine EU-Militärorganisation entstehen und die
NATO einen Platz in der EU finden. Damit wird eine
nicht militärische Organisation in Europa in Militär-
strukturen eingebunden. Damit würde die EU ihren
Charakter als Wirtschafts- und Sozialunion verlieren.
Und dagegen sind wir.
Ich denke, daß wir im PDS-Antrag zur konkreten
Ausgestaltung der OSZE Vorschläge gemacht haben.
Genau dies – das Fehlen konkreter Vorschläge zur Stär-
kung der OSZE – ist ein Mangel des vorliegenden inter-
fraktionellen Antrages. Deshalb werden wir uns bei der
Abstimmung der Stimme enthalten.
In bezug auf den anstehenden Gipfel in Istanbul spielt
natürlich auch die Frage der KSE-Anpassung eine große
Rolle. Wir begrüßen, daß es hier zu einer Vereinbarung
kommt. Dennoch müssen wir uns darüber im klaren
sein, daß damit Festlegungen getroffen werden, die im
wesentlichen nur den derzeitigen Realitäten entsprechen.
Es findet also real keine Abrüstung statt. Und ein Ab-
rüstungsprozeß wird ebensowenig eingeleitet. Auch
deshalb haben wir in unserem Antrag eine Politik des
guten Beispiels gefordert, einseitige Abrüstungsschritte,
die hier beschlossen werden können, und die Abrüstung
als Prozeß wieder in Gang zu bringen. Das wäre auch
ein guter Beitrag zur Unterstützung des Verhandlungs-
systems bei der OSZE.
Dr. Ludger Volmer, Staatsminister im Auswärtigen
Amt: Vor einer knappen Woche hat dieses Hohe Haus
unter reger Beteiligung aller Fraktionen über Stand und
Zukunft der OSZE debattiert. Ich konnte dabei erfreut
feststellen, daß wir uns in den grundlegenden Gesichts-
punkten durchaus einig sind. Daher begrüße ich den ge-
meinsamen Antrag von SPD, CDU/CSU, Bünd-
nis 90/Die Grünen und F.D.P. zum Gipfel in Istanbul
und zur Stärkung der Handlungsfähigkeit der OSZE.
Dieser Antrag beschreibt den Charakter der OSZE als
einzigartiger übergreifender Sicherheitsarchitektur euro-
päischer und nichteuropäischer Staaten. Er legt die
Möglichkeiten dar, die die effiziente Nutzung und der
Ausbau dieses Instruments bieten. Der Antrag macht
verständlich, welch hohe Bedeutung die Bundesregie-
rung wie auch dieses Haus dem OSZE-Gipfel in Istanbul
am 17./18. November 1999 beimessen. Wir setzen große
Hoffnungen in ihn.
Leider überschattet der Tschetschenien-Konflikt den
Gipfel; auch dazu habe ich mich vor diesem Hause in
der letzten Woche geäußert. In der Zwischenzeit hat sich
aber zu unser aller Sorge weder der massive militärische
6274 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 69. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. November 1999
(A) (C)
(B) (D)
Gewalteinsatz Rußlands vermindert, der sogar eine im-
mer weiter steigende Zahl ziviler Opfer fordert, noch hat
sich die aus Flucht und Flüchtenden resultierende huma-
nitäre Notlage im Nordkaukasus, und insbesondere in
Inguschetien, gebessert.
Seit Beginn des Konflikts hat die Bundesregierung im
Interesse der betroffenen Menschen immer wieder zu
einer Deeskalation der Kämpfe und zum politischen
Dialog aufgerufen und darauf gedrängt, rasch ausrei-
chende humanitäre Hilfe zuzulassen. Die Bundesregie-
rung begrüßt daher ausdrücklich, daß eine Delegation
der OSZE unter Leitung des norwegischen OSZE-Vor-
sitzes in diesen Tagen sich ein eigenes Bild von der
Lage vor Ort machen konnte. Um so enttäuschter sind
wir, daß sich die in die Mission gesetzten Erwartungen
nicht erfüllen konnten, weil der Beobachtergruppe eine
Einreise nach Tschetschenien selbst nicht möglich war.
Wir warten jetzt auf den Bericht der Gruppe. Es wäre
fatal, die Unterstützung der OSZE auszuschlagen, die
bereit ist, kurzfristig zur humanitären Hilfe und zur
Beendigung der Gewalt, langfristig auch zum Aufbau
demokratischer und rechtsstaatlicher Strukturen beizu-
tragen.
Die Bundesregierung wird auch weiterhin in Zusam-
menarbeit mit ihren Partnern alles tun, um zu einer Bei-
legung des Konflikts zu kommen. Aber die russische
Regierung muß wissen, daß die OSZE-Staats- und Re-
gierungschefs in Istanbul mit ihrer Autorität nicht
Rechte und Prinzipien bekräftigen können, die zugleich
im OSZE-Gebiet massiv verletzt werden. Die Gebote, in
einem Konflikt nicht übermäßige Gewalt anzuwenden,
humanitäre Hilfe zu erleichtern und ernsthaft eine fried-
liche Lösung anzustreben, gehören zum Kernbestand
von Verpflichtungen, die auch Rußland im Rahmen der
OSZE eingegangen ist. Ich appelliere daher an dieser
Stelle erneut eindringlich an Rußland: Stellen Sie den
unverhältnismäßigen Einsatz von Gewalt ein, der das
Leben so vieler unschuldiger Zivilisten fordert und
nehmen Sie einen politischen Dialog auf. Nur dadurch
kann eine dauerhafte Lösung gefunden werden. Aller-
dings dürfen wird nicht vergessen: Es geht in Istanbul,
über den Konflikt in Tschetschenien hinaus, darum, Sta-
bilität und Sicherheit in Europa voranzutreiben. Beide
sind untrennbar miteinander verbunden.
Wir haben die Chance, eine wirksame europäische
Sicherheitscharta zu erreichen, die Rolle der OSZE in
Krisenprävention, Demokratisierung und Aufbau von
Zivilgesellschaften zu stärken. Konkrete Fortschritte im
Bereich von Rüstungskontrolle und Abrüstung scheinen
greifbar nahe: Unser Ziel ist ein erfolgreicher Abschluß
der Verhandlungen zur Anpassung des Wiener Doku-
ments über Vertrauensbildende Maßnahmen und die
Anpassung des KSE-Vertrags. Wir haben ein unmittel-
bares Interesse an einer neuen Vereinbarung mit Ruß-
land, das derzeit die zukünftig vorgesehenen KSE-
Flankenobergrenzen überschreitet. Die Bundesregierung
will diesen Kurs halten, denn für die europäische Si-
cherheit insgesamt und für das internationale Rüstungs-
kontrollsystem steht viel auf dem Spiel: Eine Nichtun-
terzeichnung des KSE-Änderungsvertrags wäre ein emp-
findlicher Rückschlag in den weltweiten Bemühungen
um Abrüstung und Rüstungskontrolle.
Der neue KSE-Vertrag wird hingegen die konventio-
nelle Stabilität in ganz Europa durch ein historisch bei-
spielloses Begrenzungssystem und durch erhöhte Trans-
parenz erheblich stärken. Die bei den Wiener Verhand-
lungen noch offenen Fragen sind bei gutem Willen aller
Beteiligten lösbar. Dies entspricht in hohem Maße unse-
ren nationalen Interessen. Wir können dies über die
Parteigrenzen hinweg mit Zufriedenheit feststellen.
Die Bundesregierung bekräftigt ihr Bekenntnis zur
Stärkung der OSZE als zentralen Pfeiler der multilate-
ralen Bemühungen bei Konfliktprävention, Krisenmana-
gement und bei der Wiederherstellung demokratischer
und ziviler Institutionen. Die in Istanbul zu verabschie-
dende Sicherheitscharta soll diese Zielrichtung und
Rolle der OSZE innerhalb der europäischen Sicherheits-
architektur zum gemeinsamen Anliegen machen. Wir
haben mit dem Programm zur Ausbildung von zivilem
Friedenspersonal, das zur schnellen Krisenreaktionsfä-
higkeit beitragen soll, einen ersten Schritt zur Stärkung
dieses Pfeilers getan und sehen erfreut, daß andere Län-
der ebenfalls in diese Richtung denken.
Ich bin zuversichtlich, daß die OSZE ihre Rolle in der
europäischen Sicherheitsarchitektur tatsächlich und
wirksam spielen kann, auch wenn die Geschichte seit
1990 ebenfalls Rückschläge aufweist. Am Beispiel
Tschetschenien sehen wir erneut, daß wir auf dem Weg
zu einem gemeinsamen Sicherheitsraum in Europa, ge-
gründet auf die Achtung und Umsetzung gemeinsamer
Werte, noch ein gutes Stück zurückzulegen haben.
Die Bundesregierung wird auch weiterhin alles tun,
um die OSZE nach Kräften zu unterstützen. Daher freue
ich mich besonders über den breiten Konsens in diesem
Hause zu diesem Antrag und zu dieser Thematik.
Anlage 9
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung der Großen Anfrage: Internatio-
nales Kartellrecht, Unternehmensfusionen und
-konzentrationen
(Tagesordnungspunkt 10)
Ursula Lötzer (PDS): Daimler-Chrysler, Deutsche
Bank und Bankers Trust sind bereits Geschichte. Viag
und Veba und viele andere sind aktuell. Jeder redet mit
jedem, und es scheint, als könnte morgen jedes Unter-
nehmen – ja, jeder Arbeitsplatz – mit in den Fusionswir-
bel gezogen werden. Diese Fusionen werfen viele wett-
bewerbsrechtliche Fragen auf, da sind wir uns mit Ihnen
einig. Aber nicht nur diese.
Vor etwa zwei Jahren tagten in Dortmund die höch-
sten Mitbestimmungsgremien über Vorschläge der Ar-
beitnehmervertreter über die Zukunft des Stahlstandorts.
Mitten in diese Gespräche platzte eine Tickermeldung:
Krupp plant mit der Deutschen Bank eine „feindliche
Übernahme“. Alles was in den paritätischen Mitbestim-
mungsgremien verhandelt wurde, war vom Tisch.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 69. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. November 1999 6275
(A) (C)
(B) (D)
Demokratische Verhandlungen über Unternehmens-
entscheidungen unter Berücksichtigung soziales Interes-
sen werden in die Banken und an die Börse verlagert,
wo nur eins zählt, die Rendite.
Wenn die Politik hier nicht handelt, wird ein Stück
sozialer Demokratie auf dem Müllhaufen der Geschichte
entsorgt. Klaus Zwickel forderte bei der Demonstration
der Stahlarbeiter, die Bankenmacht und ihr Mißbrauch
müßten zu einem großen Thema in der Bundesrepublik
und in Europa werden. Die Antwort der Bundesregie-
rung darauf sind Überlegungen zum Schutz der Minder-
heitsaktionäre.
Statt dessen sind Reformen gefragt, die den Schutz
der Beschäftigten, die Wiederherstellung ihrer demo-
kratischen Mitbestimmungsrechte bei „feindlichen“ oder
„freundlichen“ Übernahmen, Maßnahmen zur verstärk-
ten Bankenaufsicht und zur Einschränkung ihrer Macht
in den Aufsichtsräten in den Mittelpunkt stellen. Auch
Ihre Darstellung zu Eurobetriebsräten reicht nicht aus.
Notwendig wäre ein Recht auf Mitbestimmung insbe-
sondre zur Beschäftigungssicherung in die Revision der
Richtlinie einzubringen.
Das würde auch gegen den massiven Arbeitsplatzab-
bau bei Fusionen helfen. Konzentration auf das Kernge-
schäft in weltmarktorientierten Wertschöpfungsketten ist
die Devise. Explodierenden Gewinnen und einer Erhö-
hung der Dividende bei Thyssen/Krupp standen Ar-
beitsplatzabbau und Deregulierung durch Outsourcing,
Verkäufe und jetzt das Aus für den Stahlstandort Dort-
mund gegenüber.
Der Bericht der Monopolkommission weist aus, daß
die 100 größten Unternehmen mit einem Beschäfti-
gungsrückgang von 8,3 Prozent überproportional am
Arbeitsplatzabbau beteiligt sind.
Die Antwort der Bundesregierung, wie sie dem Ab-
bau der Arbeitsplätze bei Fusionen entgegenwirken
wollte, heißt kurz zusammengefaßt, die Bundesregie-
rung werde ihre Politik zur Stärkung der Wettbewerbs-
fähigkeit fortsetzen. Damit wird sie den beschriebenen
Herausforderungen nicht gerecht.
Auch wir sagen, Wettbewerb sorgt für Dynamik,
Kreativität und Innovation. Wettbewerbsfähigkeit ist er-
strebenswert, wenn und soweit sie der Verbesserung der
Lebenschancen dient.
Wenn freilich im Namen von Wettbewerbsfähigkeit
Arbeitsplätze vernichtet werden und der Verlust so-
zialstaatlicher Absicherungen für die meisten Ge-
sellschaftsmitglieder droht, während die Politik
achselzuckend auf die Anpassungszwänge der Glo-
balökonomie verweist, stellt sich die Frage, in wes-
sen Namen Wettbewerbsfähigkeit überhaupt zur
Schicksalsfrage erhoben wird …
Eine Wettbewerbsfähigkeit, aus der nur eine Min-
derheit der Gesellschaft Vorteile zu ziehen vermag,
gefährdet den Zusammenhalt von Gesellschaften,
ja, mehr noch: Die ausschließliche Orientierung am
Ziel Wettbewerbsfähigkeit würde auf Dauer die
Grundlagen demokratischer Legitimation bedrohen
– und damit auch die Demokratie selbst.
Herrn Mosdorf müßten hier zumindest die Ohren
klingeln, denn dieses Zitat stammt von ihm. Ich
wünschte mir, diese Grundsätze würden in die Politik
der Regierung einziehen.
Jospin kündigte in den letzten Wochen gesetzliche
Maßnahmen gegen Konzerne an, die trotz bedeutender
Gewinne Arbeitsplätze abbauen. Im einzelnen reichten
die Vorschläge von der Streichung öffentlicher Gelder
bis hin zur Bestimmung der Beitragshöhe in Abhängig-
keit von der Haltung zu Entlassungen. Wir fordern Sie
auf, solche Maßnahmen in ihre Politik gegenüber Fusio-
nen einzubeziehen.
Dr. Uwe Jens (SPD): Nur vier knappe Bemerkungen
zur Großen Anfrage der PDS:
Erstens. Die PDS beweist mit ihrer Großen Anfrage
deutliche Aversionen gegen die Globalisierung und In-
ternationalisierung der Wirtschaft. Sie benimmt sich wie
Don Quichote und kämpft gegen Windmühlenflügel.
Diese Entwicklung findet statt und ist nicht aufzu-
halten. Wer sich gegen den Strukturwandel stemmt, fällt
zurück, wofür die ehemalige DDR ein lebendiges Bei-
spiel war. Wichtig ist, das Schiff der Volkswirtschaft
mit Geschick durch die sicherlich bewegte See der
Weltwirtschaft zu steuern.
Zweitens. Es ist schon eigenartig, wenn sich die PDS
mit ihrer Anfrage offensichtlich für Wettbewerb und
Marktwirtschaft einsetzt. Wer die Anfrage genauer liest,
erkennt, daß die PDS noch immer der Marxschen Kon-
zentrationstheorie huldigt. Es geht ihr um Kontrolle der
Wirtschaft; die Marktwirtschaft hat für sie keine Zu-
kunft. Dabei ist diese Betrachtung ein uralter Hut. Die
PDS muß endlich erkennen: Auch große Unternehmen
sind wichtig und notwendig. Sie haben zum Teil ekla-
tante Vorteile bei der Produktion und damit bei der Pro-
duktivität. Deshalb ist bei uns Größe oder Marktmacht
per se auch nicht verboten, sondern lediglich der Miß-
brauch. In der Marktwirtschaft, das zeigt die Erfahrung,
wachsen im übrigen die ökonomischen Bäume nie in
den Himmel. Wenn wir nur die Märkte offenhalten,
dann gibt es immer wieder Wettbewerber. Die techni-
sche und innovatorische Entwicklung ist heute so rasant,
daß Monopole nie eine längere Überlebenschance ha-
ben. Mehr Vertrauen in den Markt, mehr Gelassenheit
tut Not!
Drittens. Die PDS verbreitet wie immer auch mit die-
ser Anfrage Mißtrauen gegenüber der Wirtschaft. Sie
will statt Wettbewerb – wie es immer wieder deutlich
wird – mehr Kontrolle über die Wirtschaft. Die PDS
braucht möglichst bald ihr „Godesberg“. Wenn sie von
Wettbewerb und Kontrolle marktbeherrschender Unter-
nehmen spricht, sollte sie sich vorher zum freien Unter-
nehmertum, zum Gewinnprinzip und dem Bemühen um
funktionsfähigen Wettbewerb bekennen. Das sind die
entscheidenden Prinzipien unserer sozialen Marktwirt-
schaft. Aber darüber haben wir von der PDS noch nichts
Entscheidendes gehört.
Viertens. Eine kluge Politik, die Arbeitsplätze erhal-
ten und neue schaffen will, beachtet die Zwänge, in de-
nen die sich globalisierende Wirtschaft steckt. Etwas
6276 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 69. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. November 1999
(A) (C)
(B) (D)
mehr ökonomische Vernunft und Sachkenntnis wäre
manchmal angebrachter. Wenn wir das Ökonomische
bei der Vereinigung der beiden Teile Deutschland vor
zehn Jahren stärker beachtet hätten, würden wir jetzt
nicht über eine gesamtwirtschaftliche Verschuldung von
60 Prozent des Bruttoinlandsproduktes verfügen. Wir
brauchen keine grundlegend neue Wettbewerbs- und
Wirtschaftspolitik; wir müssen nur stärker unsere be-
kannten ordnungspolitischen Grundsätze beachten. Aber
die kennt die PDS gar nicht. Wenn wir stärker diese
Grundsätze der sozialen Marktwirtschaft beachten, wäre
das gut für unsere Volkswirtschaft; wäre das gut für die
Menschen in unserem Lande.
Werner Schulz (Leipzig) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN): Die Antwort auf die Große Anfrage zeigt, daß für
die Bundesregierung der Wettbewerb ein hohes Gut ist.
Dabei ist Wettbewerb kein Wert an sich, sondern ein In-
strument zur Förderung des Gemeinwohls und zur Be-
wahrung der individuellen Freiheiten der Akteure. Auch
für Wettbewerb gilt die Einbindung in einen sozialen
und ökologischen Rahmen. Kartelle bzw. marktbeherr-
schende Unternehmen – wie Microsoft – können Wett-
bewerb und Innovationen behindern und kleine und
mittlere Konkurrenten bedrohen. Gerade die kleinen und
mittleren Unternehmen sind daher im Interesse von
Wettbewerb und Vielfalt zu schützen.
Auch für den von uns angestrebten ökologischen
Strukturwandel der Wirtschaft spielt der Wettbewerbs-
gedanke für technische und soziale Innovationen eine
wichtige Rolle. Er beschleunigt die Entstehung, den Ein-
satz und die Verbreitung von neuen umweltfreundlichen
Produkten und Produktionsverfahren.
Die Erhaltung und Förderung des Wettbewerbs ist
aber nicht nur aus ökonomischen und ökologischen
Gründen wichtig. Es geht auch um den Erhalt und den
Schutz unserer Demokratie. Wir sollten nicht übersehen,
daß Monopole oder monopolähnliche Unternehmen ge-
rade im Zeitalter der Globalisierung durchaus in der La-
ge sind, das Primat der Politik zu gefährden.
Oder, um mit Ludwig Erhard zu schließen: „Den Ge-
genpol der wirtschaftlichen Freiheit stellt die Ausprä-
gung wirtschaftlicher Macht dar. Es ist daher gesetzlich
sicherzustellen, daß die Vorzüge der Wettbewerbswirt-
schaft nicht durch historisch erwiesene Nachteile einer
bedenklichen Machtkonzentration aufgewogen werden.“
Das A und O der Marktwirtschaft ist der Markt.
Durch Konkurrenz und Wettbewerb – so lernt man auf
der Universität – reguliert sich in einer gesunden Wirt-
schaft der Markt selbst. Gleichwohl: Grau ist alle Theo-
rie. Die Praxis nicht nur in Deutschland sieht leider an-
ders aus. Zumindest in einzelnen Branchen – etwa im
Handel, bei den Banken, bei der Energieversorgung oder
beim Tourismus – kann von einem funktionierenden
Wettbewerb nur noch sehr begrenzt gesprochen werden.
Gleichzeitig erleben wir eine Fusions- und Konzentrati-
onswelle ohnegleichen.
Nicht mehr Diversifikation gilt als Ausweis unter-
nehmerischer Tüchtigkeit, sondern die Beschränkung
auf das Kerngeschäft. Und diese Kerne werden durch
Fusionen ständig erweitert. Und zwar nicht nur im Bin-
nenmarkt, sondern grenzüberschreitend. Oder wie im
Falle Daimler-Chrysler gleich interkontinental. Dieser
Entwicklung kann und darf die Politik nicht tatenlos zu-
sehen.
Ich darf daran erinnern, daß eine „antimonopolisti-
sche“ bzw. „antizentralistische“ Wirtschaftspolitik nicht
nur im eher „linken“ Lager Anhänger hat, sondern gera-
de von Ludwig Erhard, dem Vater der sozialen Markt-
wirtschaft, praktiziert wurde. Das Gesetz gegen Wett-
bewerbsbeschränkungen, GWB, wurde von dem dama-
ligen Bundeswirtschaftsminister gegen den erbitterten
Widerstand der Industrie durchgesetzt.
Und es kommt nicht von ungefähr, daß das GWB die
Entwicklung des europäischen Wettbewerbsrechts und
der Rechte in einigen Mitgliedstaaten der EU nachhaltig
beeinflußt hat. Wir teilen die Auffassung der Bundesre-
gierung, daß es ein wichtiges Anliegen ist, einen inter-
nationalen Rahmen für eine angemessene und wirksame
Wettbewerbspolitik zu schaffen. Eine internationale
Kartellbehörde allerdings ist weder durchsetzbar noch
praktikabel. Wir würden damit lediglich ein wettbe-
werbspolitisches Placebo ohne Durchsetzungsvermögen
schaffen.
Mir erscheint es sinnvoller und wirkungsvoller, in der
WTO Grundsätze für wettbewerbliche Vorschriften zu
verankern. Notwendig für einen Rahmen multilateraler
Wettbewerbsregeln wären fundamentale Grundsätze und
gemeinsame Regeln für den Erlaß wettbewerbsrechtli-
cher Vorschriften und vor allem für die Durchsetzung
solcher Vorschriften. Darüber hinaus bedarf es gemein-
samer Lösungsansätze zur Überwindung wettbewerbs-
feindlicher Praktiken sowie Bestimmungen über die in-
ternationale Zusammenarbeit. Ich hoffe, daß die EU die-
sen Punkt zur Zeit in Genf offensiv und mit Nachdruck
vorträgt, damit er Aufnahme in die Regeln der WTO
findet.
Wir wollen auch eine weitere Stärkung des Wettbe-
werbsgedankens in Europa. Das Ende April vorgelegte
Weißbuch der Europäischen Kommission zur Reform
des europäischen Wettbewerbsverfahrensrechts verfolgt
grundsätzlich einen richtigen Ansatz. Das Anmelde- und
Freistellungssystem ist bürokratisch und ineffizient.
Wir stimmen mit der Bundesregierung überein, daß
es notwendig ist, die Effizienz zu steigern, den Unter-
nehmen mehr Rechtssicherheit zu geben und sowohl die
Kommission als auch die Unternehmen von überflüssi-
ger Bürokratie zu entlasten.
Allerdings haben wir Zweifel, ob die Kommission
mit ihren Vorschlägen einer verfahrenstechnischen
Aufweichung des Kartellverbots das richtige Zeichen für
den Schutz des Wettbewerbs setzt. Ein „Kartellverbot
mit Legalausnahme“ ist nicht nur aus formalen Gründen
– Vereinbarkeit mit EG-Vertrag – kritisiert worden, es
gibt auch inhaltliche Bedenken.
So dürfen grundsätzlich alle Kartelle, die der EG-
Vertrag als Beispiele für verbotene Wettbewerbsbe-
schränkungen nennt, zunächst risikolos praktiziert wer-
den. Und die sogenannten „besonders wichtigen Fälle“,
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 69. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. November 1999 6277
(A) (C)
(B) (D)
auf welche sich die Kommission konzentrieren möchte,
könnten sich als Privilegien für industriepolitisch wich-
tige Großunternehmen erweisen. Mir jedenfalls scheint
noch Diskussionsbedarf zu bestehen.
Gudrun Kopp (F.D.P.): Deutsche und ausländische
Unternehmen suchen mehr Wettbewerb durch Kosten-
reduzierung, Kooperation und Fusionen. Aufgabe der
Wettbewerbspolitik ist dabei, das kartellrechtliche In-
strumentarium den neuen Marktanforderungen anzupas-
sen, damit der nationale, europäische und internationale
Wettbewerb erhalten bleibt und gestärkt wird. Weniger
Wettbewerb mindert die Anpassungsnotwendigkeit und
geht zu Lasten von Innovation, zu Lasten der Verbrau-
cher sowie der Gesamtwirtschaft. Als positives Beispiel
für Vorteile durch mehr Wettbewerb nenne ich die Libe-
ralisierung im Bereich der Energie, Telekommunikation
und der Post.
Im Wettbewerbsbereich der EU-Kommission wurde
vorgeschlagen, auf die präventive Kartellkontrolle ganz
zu verzichten. Dies würde jedoch bedeuten, daß das
europäische Wettbewerbsrecht deutlich hinter dem
Anspruch dessen zurückbliebe, was im deutschen Wett-
bewerbsrecht verankert ist.
Was wir brauchen – und das fordert die F.D.P.-Frak-
tion nicht erst seit heute – ist ein von der Kommission
unabhängiges Europäisches Kartellamt. Damit würde
auch die internationale Fusionskontrolle erleichtert. Hier
fehlt ein Regelwerk – eine Selbstverpflichtung –, wo die
wichtigsten Grundsätze des Wettbewerbs verbindlich
festgeschrieben werden. Dafür sind multinationale Ver-
einbarungen erforderlich. Die WTO wäre die geeignete
Institution, um dieses Problem mit viel Sachverstand
und Erfahrungen zu meistern.
Die Bundesregierung ist deshalb gefordert, auf der
Welthandelsrunde in Seattle dem Thema „Internationale
Wettbewerbsregeln“ höchste Priorität einzuräumen.
Denn: Neue Arbeitsplätze in Deutschland werden nur
dann ermöglicht, wenn dem freien internationalen Han-
del der Atem gelassen wird.
Im Rahmen der geplanten Enquete-Kommission
„Globalisierung“ werden wir uns diesem Thema sicher
ausführlich widmen.
Siegmar Mosdorf, Parl. Staatssekretär beim BMWT:
Wir erleben zur Zeit einen Strukturwandel der interna-
tionalen Wirtschaft, wie es ihn in dieser Form noch nie
gab. Die Liberalisierung des Welthandels und die Ver-
flechtung der internationalen Märkte – Stichwort: Glo-
balisierung – schreiten in einem enormen Tempo voran.
Außenhandelsströme und Direktinvestitionen haben sich
mit großer Dynamik entwickelt und sind erheblich
schneller gewachsen als die Weltproduktion. Seit 1985
nahm der Handel mit Waren und Dienstleistungen im
Jahresdurchschnitt um über 10 Prozent zu. Der IWF
rechnet auch im Jahr 2000 wieder mit einem starken
Wachstum von über 6 Prozent.
Auch die internationalen Finanzmärkte weisen hohe
Wachstumsraten auf: Seit 1990 wächst das Finanzkapi-
tal im Jahresdurchschnitt um 18 Prozent.
Wir können uns nicht vor der Globalisierung verstek-
ken. In Deutschland wird fast die Hälfte des Umsatzes
der deutschen Industrie im Ausland erwirtschaftet, und
auch der Inlandsmarkt wird zu über 40 Prozent von
ausländischen Unternehmen bedient. Die vielbeschwo-
rene „Globalisierungsfalle“ würde dann zuschnappen,
wenn wir vor der Globalisierung wegliefen. Nur eine of-
fensive Strategie, sowohl von Unternehmen wie auch
der Politik, kann Wachstum und Beschäftigung sichern.
Vor diesem Hintergrund ist auch die gegenwärtige
Fusionswelle zu sehen. Unternehmenskooperation und
-zusammenschlüsse helfen auch deutschen Unterneh-
men, sich auf dem Weltmarkt aufzustellen, in andere
Märkte vorzudringen und dadurch neue Absatz- und
Wachstumschancen zu bekommen. Dies trägt langfristig
zur Sicherung zukunftsfähiger Arbeitsplätze in Deutsch-
land bei. Denn mittlerweile hängt jeder vierte Arbeits-
platz in der Industrie vom Export ab. Nehmen Sie die
Fälle Daimler-Chrysler oder Deutsche Bank-Bankers
Trust. Diese Fusionen hatten verschiedene Gründe, aber
sicherlich einen gemeinsamen: die Vorbereitung auf den
Weltmarkt.
Umgekehrt gilt natürlich das gleiche für den Markt-
zutritt ausländischer Unternehmen in Deutschland. Aber
auch die Verbraucher profitieren von der internationalen
Präsenz von Unternehmen: Das Leistungsangebot wird
verbessert, der Preiswettbewerb erhöht.
Aufgabe der Wettbewerbspolitik ist es, auf diesen
tiefgreifenden Strukturwandel angemessen zu reagieren.
Zentrales Ziel der Wettbewerbspolitik ist die Gewährlei-
stung offener Märkte. Verantwortungsvolle Wettbe-
werbspolitik muß darin bestehen, die Voraussetzungen
für den Vorstoß aller – und damit auch der deutschen
Unternehmen – in die internationalen Märkte zu verbes-
sern. Die Grenze ist jedoch dann erreicht, wenn Fusio-
nen zur Marktbeherrschung führen oder sie verstärken.
Wird der Wettbewerb durch einen Zusammenschluß von
Unternehmen gefährdet, dann muß das verhindert wer-
den. Verhindern müssen wir auch Beschränkungen des
Wettbewerbs durch Vereinbarungen und Absprachen.
Erst in der letzten Woche haben mehrere Unternehmen
der Bauwirtschaft eine ganz klare Botschaft erhalten:
Kartelle dürfen sich nicht auszahlen.
Wir alle wissen aber: Wettbewerbspolitik darf sich
nicht auf Fusionskontrolle und Kartellbekämpfung be-
schränken. Wirtschaftliche Macht bedarf der Kontrolle.
Wer bereits marktbeherrschend ist, darf seine Macht
nicht mißbrauchen. Das gilt nicht nur für Softwaregi-
ganten, das gilt auch für Stromdurchleitungen auf dem
deutschen Strommarkt.
Ohne funktionierenden Wettbewerb werden kleine
und mittlere Unternehmen verdrängt; haben Existenz-
gründer keine Chance. Ohne funktionierenden Wettbe-
werb zahlen die Verbraucher den Preis für Monopole
und Oligopole. Aufgabe der Wettbewerbspolitik bleibt
es daher auch in Zukunft, einen funktionierenden Wett-
bewerb auf offenen Märkten zu gewährleisten.
Internationaler Wettbewerb braucht einen internatio-
nalen Rahmen. Die Liberalisierung des Welthandels und
die Globalisierung der Märkte bringen keine Vorteile,
6278 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 69. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. November 1999
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(B) (D)
wenn sie gleich wieder durch privat veranlaßte Wettbe-
werbsbeschränkungen ausgehöhlt werden. Dies läßt sich
durch nationale oder regionale Wettbewerbsordnungen
allein nicht verhindern. Wir brauchen daher ein interna-
tionales Regelwerk. Wir werden uns auf der Minister-
konferenz in Seattle dafür einsetzen, daß sich alle WTO-
Partner darauf verständigen, in die nächste WTO-Runde
auch internationale Wettbewerbsregeln einzubeziehen.
Wir unterstützen daher nachdrücklich das 4-Punkte-
Programm, das die Europäische Kommission für die
neue WTO-Runde vorgelegt hat. Damit soll ein Grund-
rahmen internationaler Wettbewerbsregeln geschaffen
werden. Die WTO-Partner sollen gemeinsam gegen
Kartelle und andere wettbewerbsbeschränkende Prakti-
ken vorgehen. Die Regeln für die Zusammenarbeit der
Wettbewerbsbehörden sollen festgelegt werden. Die
WTO-Streitschlichtung soll sicherstellen, daß alle
WTO-Partner die neuen internationalen Regeln respek-
tieren. Damit wäre ein Anfang gemacht: Das Fundament
für eine internationale Wettbewerbsordnung könnte ge-
legt werden.
Aber wir wissen auch, daß wir in Seattle noch nicht
mit einem Durchbruch bei der internationalen Fusions-
kontrolle rechnen können. Hier stehen wir erst am
Anfang der Diskussion. Dennoch erwarte ich, daß auch
hier der Nutzen von international abgestimmten Mecha-
nismen immer besser erkannt wird. Ein erster Schritt ist
sicherlich auch hier eine verstärkte Kooperation der
Wettbewerbsbehörden der hauptsächlich betroffenen
Länder.
Wo verläuft die Grenze zwischen betriebswirtschaft-
lich sinnvollen Strukturanpassungen und bloßem „Fusi-
onsfieber“, der sogenannten „Fusionitis“? Und wer kann
das bewerten? Nach einer Studie der amerikanischen
Unternehmensberatung „Mercer“ ist seit Anfang dieses
Jahrzehnts in den USA fast jede zweite Großfusion ge-
scheitert – mit zum Teil erheblichen Schäden für Kun-
den, Aktionäre, Angestellte und Arbeiter. Umgekehrt
können – wie gesagt – erfolgreiche Unternehmenszu-
sammenschlüsse zukunftsfähige Arbeitsplätze sichern
und schaffen. Die Fusion von DASA und Aerospatiale
ist eine solche Wachstumsfusion. Auch vor diesem
Hintergrund kann ich gut die gemischten Gefühle ver-
stehen, die die Fusionswelle in der Öffentlichkeit aus-
löst. In einer freien Weltwirtschaftsordnung kann es aber
nicht Aufgabe von Staaten oder Regierungsbehörden
sein, die Unternehmen vor falschen Unternehmens-
entscheidungen zu schützen – oder sie von richtigen
Unternehmensentscheidungen abzuhalten. Für die Wett-
bewerbspolitik entscheidend ist die Aufrechterhaltung
des Wettbewerbs als funktionierendes Steuerungs-
instrument – danach sind Unternehmenszusammen-
schlüsse zu beurteilen. Diese Aufgabe hat die Wettbe-
werbspolitik einerseits mit Gelassenheit, andererseits
mit Wachsamkeit zu erfüllen – sowohl auf deutscher
und europäischer wie auch auf internationaler Ebene.
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