Rede:
ID1406300400

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 8
    1. Ich: 1
    2. erteile: 1
    3. das: 1
    4. Wortdem: 1
    5. Kollegen: 1
    6. Jürgen: 1
    7. Meyer,: 1
    8. SPD-Fraktion.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 14/63 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 63. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 28. Oktober 1999 I n h a l t : Gedenkworte für die Opfer des Terroran- schlages auf das Parlament von Armenien....... 5569 A Erweiterung der Tagesordnung........................ 5569 B Absetzung der Tagesordnungspunkte 10, 15 und 16 .............................................................. 5569 C Glückwünsche zum Geburtstag der Abg. Frau Gabriele Iwersen ............................................ 5570 A Tagesordnungspunkt 3: Abgabe einer Erklärung der Bundes- regierung zu den Ergebnissen der Son- dertagung des Europäischen Rates in Tampere am 15./16. Oktober 1999 Joseph Fischer, Bundesminister AA ................ 5570 B Dr. Jürgen Rüttgers CDU/CSU........................ 5573 B Dr. Jürgen Meyer (Ulm) SPD .......................... 5576 B Dr. Helmut Haussmann F.D.P. ........................ 5578 C Claudia Roth (Augsburg) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN......................................................... 5579 D Ulla Jelpke PDS............................................... 5581 C Dr. Herta Däubler-Gmelin, Bundesministerin BMJ ................................................................. 5583 A Manfred Kanther CDU/CSU............................ 5585 C Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN......................................................... 5587 B Sabine Leutheusser-Schnarrenberger F.D.P. ... 5588 D Otto Schily, Bundesminister BMI.................... 5590 A Peter Altmaier CDU/CSU................................ 5592 D Otto Schily SPD........................................... 5593 B Peter Altmaier CDU/CSU................................ 5593 C Otto Schily SPD........................................... 5593 D Peter Altmaier CDU/CSU................................ 5593 D Marieluise Beck (Bremen) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ........................................................ 5595 B Michael Stübgen CDU/CSU............................ 5596 C Otto Schily SPD........................................... 5597 D Michael Stübgen CDU/CSU............................ 5598 A Otto Schily SPD........................................... 5598 C Michael Stübgen CDU/CSU............................ 5598 D Tagesordnungspunkt 4: Antrag der Abgeordneten Erich G. Fritz, Wolfgang Börnsen (Bönstrup), weiterer Abgeordneter und der Fraktion CDU/CSU Für eine umfassende multilaterale Ver- handlungsrunde über eine weitere Li- beralisierung im Welthandel (Drucksache 14/1664) ................................ 5599 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 2: Antrag der Abgeordneten Ursula Lötzer, Carsten Hübner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion PDS Zukunftsfähiger Handel und umfassen- de Reform der WTO (Drucksache 14/1834) ................................ 5599 C in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 3: Antrag der Fraktionen SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN Verbesserung der Kohärenz von EU- Agrarpolitik und Entwicklungspolitik II Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 63. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Oktober 1999 im Rahmen der WTO-II-Verhandlun- gen (Drucksache 14/1860) ................................ 5599 D in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 4: Antrag der Abgeordneten Dr. Sigrid Skar- pelis-Sperk, Dr. Norbert Wieczorek, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion SPD sowie der Abgeordneten Margareta Wolf (Frankfurt), Dr. Uschi Eid, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Transparenz, offene Märkte, Fairness und nachhaltige Entwicklung: Für eine umfassende Weiterentwicklung des Welthandelssystems (Drucksache 14/1861) ................................ 5599 D Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk SPD....................... 5600 A Dr. Heinz Riesenhuber CDU/CSU................... 5602 A Dr. Reinhard Loske BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN......................................................... 5605 A Rainer Brüderle F.D.P. .................................... 5606 D Dr. Reinhard Loske BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN................................................... 5608 A Rainer Brüderle F.D.P. .................................... 5608 B Dr. R. Werner Schuster SPD........................ 5608 D Rainer Brüderle F.D.P. .................................... 5609 A Hans Büttner (Ingolstadt) SPD .................... 5609 B Rainer Brüderle F.D.P. .................................... 5609 B Ursula Lötzer PDS........................................... 6509 D Dr. Werner Müller, Bundesminister BMWi .... 5610 D Erich G. Fritz CDU/CSU................................. 5612 D Dr. Angelika Köster-Loßack BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN............................................ 5614 C Ulrich Heinrich F.D.P...................................... 5615 D Rolf Hempelmann SPD ................................... 5616 D Dr. Reinhard Göhner CDU/CSU ..................... 5618 A Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk SPD................... 5618 C Dr. Reinhard Göhner CDU/CSU ..................... 5618 D Reinhold Hemker SPD..................................... 5619 D Tagesordnungspunkt 17: Überweisungen im vereinfachten Verfah- ren a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Abkommen vom 18. Mai 1999 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Kuwait zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Ein- kommen und vom Vermögen und zur Belebung der wirtschaftlichen Bezie- hungen (Drucksache 14/1841) ................................ 5621 A b) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Drit- ten Gesetzes zur Änderung des Betäu- bungsmittelgesetzes (Drucksache 14/1830) ................................ 5621 B c) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Neuordnung der Statistiken der Schiffahrt und des Güterverkehrs (Drucksache 14/1829) ................................ 5621 B d) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu der Vereinbarung vom 19. Mai 1998 zwischen der Regierung der Bun- desrepublik Deutschland und der Re- gierung des Fürstentums Liechtenstein über das Verwaltungsverfahren bei der Anmeldung neuer Stoffe (Drucksache 14/1710) ................................ 5621 B e) Antrag der Abgeordneten Dr. Winfried Wolf, Christine Ostrowski und der Frak- tion PDS Bau- und Betriebsordnung für Regio- nale Eisenbahnstrecken (Drucksache 14/998) .................................. 5621 C f) Antrag der Abgeordneten Hartmut Koschyk, Christian Schmidt (Fürth) und der Fraktion CDU/CSU Versöhnung durch Ächtung von Ver- treibung (Drucksache 14/1311) ................................ 5621 C g) Antrag der Abgeordneten Dr. Margrit Wetzel, Hans-Günter Bruckmann, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion SPD sowie der Abgeordneten Albert Schmidt (Hitzhofen), Kerstin Müller (Köln) und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜ- NEN Verbot des Mitführens von Radar- und Laserwarngeräten in Kraftfahrzeugen (Drucksache 14/1351) ................................ 5621 C h) Antrag der Abgeordneten Dr. Evelyn Kenzler, Roland Claus, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion PDS Zeitweilige Aussetzung der Möglichkeit zur Erhöhung der Nutzungsentgelte (Drucksache 14/1718) ................................ 5621 D Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 63. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Oktober 1999 III i) Unterrichtung durch die Bundesregie- rung Bericht über die Wirkungen der Nut- zungsentgeltverordnung sowie zu not- wendigen Änderungen (Drucksache 14/1479) ................................ 5621 D in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 5: Weitere Überweisungen im vereinfachten Verfahren a) Erste Beratung des von den Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Düngemittelgesetzes (Drucksache 14/1857) ................................ 5622 A b) Antrag der Fraktionen SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN Weiterentwicklung der deutsch-tsche- chischen Beziehungen (Drucksache 14/1873) ................................ 5622 A Tagesordnungspunkt 18: Abschließende Beratungen ohne Aussprache a) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau- und Woh- nungswesen zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 91/440/ EWG zur Entwicklung der Eisenbahn- unternehmen der Gemeinschaft Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 95/18/EG über die Erteilung von Genehmigungen an Eisenbahnunternehmen Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Zuweisung von Fahrwegkapa- zitäten, die Erhebung von Wegeentgel- ten im Eisenbahnverkehr und die Si- cherheitsbescheinigung Arbeitsunterlage der Kommission Erläuterungen zu den einzelnen Arti- keln des Vorschlags für eine Richtlinie über die Zuweisung von Fahrwegkapa- zität, die Erhebung von Wegeentgelten im Eisenbahnverkehr und die Sicher- heitsbescheinigung (Drucksachen 14/74, Nr. 2.102, 14/1332 (neu)).......................................................... 5622 B b) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirt- schaft und Forsten zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag für eine Verordnung (EG) des Rates Festlegung der Modalitäten und Bedin- gungen für die Strukturmaßnahmen im Fischereisektor (Drucksachen 14/488 Nr. 2.3, 14/1570)..... 5622 C c) – f) Beschlußempfehlungen des Petitions- ausschusses Sammelübersichten 84, 85, 86, 87 zu Petitionen (Drucksachen 14/1722, 14/1723, 14/1724, 14/1725) ..................................................... 5622 D Weitere Beratungen mit Aussprache Tagesordnungspunkt 5: Bericht des Petitionsausschusses Bitten und Beschwerden an den Deut- schen Bundestag Die Tätigkeit des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages im Jahr 1998 (Drucksache 14/1390) ................................ 5623 A Christel Deichmann SPD................................. 5623 B Hubert Deittert CDU/CSU............................... 5625 A Günther Friedrich Nolting F.D.P. .................... 5626 C Helmut Wilhelm (Amberg) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN............................................ 5628 B Heidemarie Lüth PDS...................................... 5630 B Marlene Rupprecht SPD.................................. 5632 A Katherina Reiche CDU/CSU ........................... 5633 D Christa Nickels, Parl. Staatssekretärin BMG... 5635 A Aribert Wolf CDU/CSU .................................. 5636 B Christa Nickels, Parl. Staatssekretärin BMG... 5637 D Aribert Wolf CDU/CSU .................................. 5638 B Heidemarie Wright SPD.................................. 5638 D Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) CDU/CSU . 5640 C Heidemarie Lüth PDS...................................... 5642 A Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) CDU/CSU . 5642 C Dieter Dzewas SPD ......................................... 5642 D Zusatztagesordnungspunkt 6: Aktuelle Stunde betr. Haltung der Bundesregierung zu For- derungen, das Sofortprogramm gegen Jugendarbeitslosigkeit zu streichen Iris Gleicke SPD .............................................. 5644 D Dr. Hermann Kues CDU/CSU......................... 5645 C IV Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 63. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Oktober 1999 Christian Simmert BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN................................................................. 5646 D Dirk Niebel F.D.P. ........................................... 5648 B Sabine Jünger PDS........................................... 5649 C Edelgard Bulmahn, Bundesministerin BMBF . 5650 C Klaus Hofbauer CDU/CSU.............................. 5652 D Ekin Deligöz BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ... 5653 D Andrea Nahles SPD ......................................... 5654 D Karl-Josef Laumann CDU/CSU ...................... 5656 B Gerd Andres, Parl. Staatssekretär BMA .......... 5657 C Dr.-Ing. Rainer Jork CDU/CSU....................... 5659 B Engelbert Wistuba SPD ................................... 5660 C Hans Forster SPD............................................. 5662 B Heinz Schmitt (Berg) SPD............................... 5663 B Tagesordnungspunkt 6: Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Fortentwicklung der Altersteil- zeit (Drucksache 14/1831) ................................ 5664 B Gerd Andres, Parl. Staatssekretär BMA .......... 5664 B Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) CDU/CSU...... 5665 D Dr. Thea Dückert BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN................................................................. 5667 B Dr. Heinrich L. Kolb F.D.P. ............................ 5669 A Dr. Reinhard Göhner CDU/CSU ..................... 5670 C Dr. Heinrich L. Kolb F.D.P. ............................ 5670 D Monika Balt PDS............................................. 5671 B Renate Rennebach SPD ................................... 5672 C Wolfgang Meckelburg CDU/CSU................... 5673 B Tagesordnungspunkt 7: Erste Beratung des von den Abgeordneten Norbert Geis, Ronald Pofalla, Dr. Jürgen Rüttgers, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Beschleu- nigung von Strafverfahren (Strafver- fahrensbeschleunigungsgesetz) (Drucksache 14/1714) ................................ 5675 C Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten CDU/CSU 5675 C Hermann Bachmaier SPD................................ 5677 A Jörg van Essen F.D.P. ...................................... 5678 D Hans-Christian Ströbele BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN......................................................... 5679 C Dr. Evelyn Kenzler PDS.................................. 5680 C Tagesordnungspunkt 8: Antrag der Abgeordneten Dirk Niebel, Dr. Irmgard Schwaetzer, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion der F.D.P. Abschaffung der Arbeitserlaubnispflicht (Drucksache 14/1335) ................................ 5681 A Dirk Niebel F.D.P............................................ 5681 B Olaf Scholz SPD.............................................. 5682 C Dirk Niebel F.D.P. ....................................... 5683 B Olaf Scholz SPD.............................................. 5683 B Dirk Niebel F.D.P. ....................................... 5684 B Olaf Scholz SPD.............................................. 5684 B Heinz Schemken CDU/CSU............................ 5685 A Marieluise Beck (Bremen) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ........................................................ 5686 A Tagesordnungspunkt 9: – Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Wolfgang Dehnel, Dr.-Ing. Joachim Schmidt (Halsbrücke), Günter Baumann, weiteren Abgeordneten und der Fraktion CDU/CSU eingebrachten Ent- wurfs eines Zweiten Gesetzes zur Än- derung des Verkehrswegeplanungsbe- schleunigungsgesetzes (Drucksache 14/544) .................................. 5687 A – Zweite und dritte Beratung des vom Bun- desrat eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung des Verkehrs- wegeplanungsbeschleunigungsgesetzes (Drucksache 14/1517) ................................ 5687 B – Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Cornelia Pieper, Dr. Karl- heinz Guttmacher, weiteren Abgeordneten und der Fraktion F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Verkehrswegeplanungs- beschleunigungsgesetzes (Drucksache 14/1540) ................................ 5687 B Beschlußempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Verkehr, Bau- und Wohnungs- wesen (Drucksache 14/1876)...................................... 5687 B Wolfgang Dehnel CDU/CSU .......................... 5687 C Wieland Sorge SPD......................................... 5689 B Dr. Karlheinz Guttmacher F.D.P. .................... 5691 A Albert Schmidt (Hitzhofen) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN................................................. 5691 C Dr. Winfried Wolf PDS ................................... 5692 C Helmut Wilhelm (Amberg) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN................................................. 5693 B Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 63. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Oktober 1999 V Tagesordnungspunkt 11: a) Beschlußempfehlung und Bericht des Fi- nanzausschusses zu dem Antrag der Ab- geordneten Dr. Barbara Höll, Dr. Christa Luft, weiterer Abgeordneter und der Fraktion PDS Besteuerung von Luxusgegenständen (Drucksachen 14/27, 14/1613) ................... 5694 B b) Beschlußempfehlung und Berichts des Fi- nanzausschusses zu dem Antrag der Wiedererhebung der Vermögensteuer (Drucksachen 14/11, 14/1614) ................... 5694 B Dr. Barbara Höll PDS ...................................... 5694 C Jörg-Otto Spiller SPD ...................................... 5695 C Dr. Gregor Gysi PDS ................................... 5696 A Jörg-Otto Spiller SPD ...................................... 5696 A Dr. Gregor Gysi PDS....................................... 5697 D Jörg-Otto Spiller SPD ...................................... 5698 A Hans Michelbach CDU/CSU ........................... 5698 B Klaus Wolfgang Müller (Kiel) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN................................................. 5700 A Dr. Barbara Höll PDS .................................. 5700 D Klaus Wolfgang Müller (Kiel) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN................................................. 5700 D Gisela Frick F.D.P. .......................................... 5701 B Namentliche Abstimmung (Ergebnis siehe 64. Sitzung) ............................ 5702 C Zusatztagesordnungspunkt 7: Erste Beratung des von den Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Verarbeitung und Nutzung der zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 820/97 des Rates erhobenen Daten und zur Änderung des Rind- fleischetikettierungsgesetzes (Drucksache 14/1856) ................................ 5702 C Nächste Sitzung ............................................... 5702 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten ........... 5703 A Anlage 2 Antwort der Parl. Staatssekretärin Christa Nickels auf die Fragen 33 und 34 (Drucksa- che 14/1836) .................................................... 5703 D Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Rede zum Antrag über die Abschaffung der Arbeitserlaubnispflicht (Tagesordnungspunkt 8) Ulla Jelpke PDS .............................................. 5704 C Anlage 4 Zu Protokoll abgegebene Reden zum Entwurf eines Gesetzes über die Verarbeitung und Nutzung der zur Durchführung der Verord- nung (EG) Nr. 820/97 des Rates erhobe- nen Daten und zur Änderung des Rindfleisch- etikettierungsgesetzes (Zusatztagesordnungs- punkt 7) Jella Teuchner SPD ......................................... 5705 A Franz Obermeier CDU/CSU ........................... 5706 A Ulrike Höfken BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ... 5706 D Kersten Naumann PDS .................................... 5707 B Karsten Schönfeld SPD ................................... 5707 D Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 63. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Oktober 1999 5569 (A) (C) (B) (D) 63. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 28. Oktober 1999 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    *) Anlage 4 Gisela Frick Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 63. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Oktober 1999 5703 (A) (C) (B) (D) Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich Adam, Ulrich CDU/CSU 28.10.99 * Altmaier, Peter CDU/CSU 28.10.99 Austermann, Dietrich CDU/CSU 28.10.99 Balt, Monika PDS 28.10.99 Behrendt, Wolfgang SPD 28.10.99 * Bleser, Peter CDU/CSU 28.10.99 Böttcher, Maritta PDS 28.10.99 Brudlewsky, Monika CDU/CSU 28.10.99 Bühler (Bruchsal), Klaus CDU/CSU 28.10.99 * Dr. Eid, Uschi BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 28.10.99 Enders, Peter SPD 28.10.99 Friedhoff, Paul K. F.D.P. 28.10.99 Friedrich (Altenburg), Peter SPD 28.10.99 Gebhardt, Fred PDS 28.10.99 Dr. Geißler, Heiner CDU/CSU 28.10.99 Herzog, Gustav SPD 28.10.99 Homburger, Birgit F.D.P. 28.10.99 Hovermann, Eike SPD 28.10.99 Dr. Kahl, Harald CDU/CSU 28.10.99 Kalb, Bartholomäus CDU/CSU 28.10.99 Knoche, Monika BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 28.10.99 Dr. Kohl, Helmut CDU/CSU 28.10.99 Kors, Eva-Maria CDU/CSU 28.10.99 Kumpf, Ute SPD 28.10.99 Kutzmutz, Rolf PDS 28.10.99 Leidinger, Robert SPD 28.10.99 Dr. Lippold (Offenbach), Klaus W. CDU/CSU 28.10.99 Maaß (Wilhelmshaven), Erich CDU/CSU 28.10.99 * Nolting, Günther F.D.P. 28.10.99 Reinhardt, Erika CDU/CSU 28.10.99 Prof. Dr. Riesenhuber, Heinz CDU/CSU 28.10.99 Roos, Gudrun SPD 28.10.99 Rühe, Volker CDU/CSU 28.10.99 Dr. Schäfer, Hansjörg SPD 28.10.99 Scherhag, Karl-Heinz CDU/CSU 28.10.99 Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich Schily, Otto SPD 28.10.99 Schloten, Dieter SPD 28.10.99 Schmitz (Baesweiler), Hans Peter CDU/CSU 28.10.99 Dr. Schockenhoff, Andreas CDU/CSU 28.10.99 Dr. Schwaetzer, Irmgard F.D.P. 28.10.99 Dr. Schwall-Düren, Angelica SPD 28.10.99 Schwanhold, Ernst SPD 28.10.99 Dr. Frhr. von Stetten, Wolfgang CDU/CSU 28.10.99 Tauss, Jörg SPD 28.10.99 Dr. Uhl, Hans-Peter CDU/CSU 28.10.99 Wettig-Danielmeier, Inge SPD 28.10.99 Wieczorek (Böhlen), Jürgen SPD 28.10.99 Wissmann, Matthias CDU/CSU 28.10.99 Wolf (Frankfurt), Margareta BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 28.10.99 Zierer, Benno CDU/CSU 28.10.99 * ————— *) für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlage 2 Antwort der Parl. Staatssekretärin Christa Nickels auf die Fragen des Abgeordneten Karl-Josef Laumann (CDU/CSU) (Drucksache 14/1836 Fragen 33 und 34): Gibt es bei der Bundesregierung Überlegungen, körperlichPflegebedürftigen den Zugang zu Leistungen der Pflegeversi-cherung zu erschweren, um die erwünschte Hilfe für Demenz-kranke gegenzufinanzieren, und wenn ja, wie soll das gesche-hen? Wie haben sich die Leistungen der Pflegeversicherung imVergleich zu den Leistungen der Beihilfe bei vergleichbarenPflegefällen entwickelt, zum einen bei der ambulanten Pflege,zum anderen bei der stationären Hilfe? Zu Frage 33: Die Bundesregierung beabsichtigt nicht, körperlich Pflegebedürftigen den Zugang zu Leistungen der Pfle- geversicherung zu erschweren. Jedoch sind der Bundes- regierung Pressemitteilungen bekannt, wonach eine Verbesserung der Hilfe für Demenzkranke durch einen erschwerten Zugang zu Leistungen der Pflegeversiche- rung für rein körperlich Pflegebedürftige erreicht wer- den solle. 5704 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 63. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Oktober 1999 (A) (C) (B) (D) Die Sozialdemokratische Partei Deutschland und Bündnis 90/Die Grünen haben in der Koalitionsverein- barung vom 20. Oktober 1998 vereinbart zu prüfen, wie die Betreuung vor allem Demenzkranker bei der Fest- stellung der Pflegebedürftigkeit berücksichtigt werden kann. In diesem Zusammenhang wurden im Bundesmi- nisterium für Gesundheit Gespräche mit verschiedenen Beteiligten geführt. Dabei kam auch der in der Presse zitierte Vorschlag zur Sprache. Diesen hat sich das Bun- desministerium für Gesundheit jedoch nicht zu eigen gemacht. In der Koalitionsvereinbarung haben sich SPD und Bündnis 90/Die Grünen zum Ziel gesetzt, die Qualität der Pflege und Betreuung zu erhalten und angesichts be- grenzter Finanzspielräume weiter zu verbessern. Dazu sollen verschiedene Maßnahmen ergriffen werden. So soll geprüft werden, wie die Menschen mit einem höhe- ren Beaufsichtigungs- und Betreuungsumfang bei der Festlegung der Pflegebedürftigkeit besser als bisher be- rücksichtigt werden können. Damit nimmt die Bundes- regierung die immer wieder geäußerte Kritik ernst, daß die Pflegeversicherung den Belangen psychisch kranker und altersverwirrter Menschen nicht hinreichend Rech- nung trage. Wegen der möglichen finanziellen Auswirkungen der Einbeziehung eines höheren Beaufsichtigungs- und Be- treuungsumfangs Demenzkranker in der Feststellung der Pflegebedürftigkeit ist die Prüfung noch nicht abge- schlossen. Zu Frage 34: Die Leistungen der Pflegeversicherung sind – ausge- nommen die Leistungen für Tages- und Nachtpflege – seit Inkrafttreten der Pflegeversicherung nicht erhöht worden. Dies gilt auch für die Beihilfeleistungen bei Pflegebedürftigkeit. Im Rahmen der ambulanten Pflege unterscheiden sich die Sachleistungen der sozialen Pflegeversicherung von der Beihilfe dadurch, daß Sach- leistungen je nach Pflegestufe bis zu festgelegten Leistungsbeträgen in Anspruch genommen werden kön- nen, während in der Beihilfe eine bestimmte Zahl von Einsätzen – bezogen auf die Pflegestufe 30, 60 oder 90 Pflegesätze – festgelegt ist. Dies kann dazu führen, daß aufgrund von Preissteigerungen bei den Einsätzen ambulanter Pflegedienste Pflegebedürftige, die in der sozialen Pflegeversicherung versichert sind, wenige Einsätze einkaufen können, während in der Beihilfe trotz Preissteigerungen die Zahl der Einsätze konstant bleibt. Zur Preisentwicklung bei den ambulanten Pflegedien- sten läßt sich keine allgemeine Aussage treffen. Sie dif- feriert zwischen den Bundesländern und darüber hinaus innerhalb der Bundesländer regional und zwischen den Pflegediensten. Die künftige Ausgestaltung des Beihilferechts wird, wie schon bei den bisherigen Änderungen des SGB XI jeweils zeitnah und in möglichst enger Anlehnung an die Vorgaben der Pflegeversicherung erfolgen. Das ist in- zwischen bewährte Praxis. Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Rede zum Antrag über die Abschaffung der Arbeits- erlaubnispflicht (Tagesordnungspunkt 8) Ulla Jelpke (PDS): Die Fraktion der PDS wird den vorliegenden Antrag der F.D.P. unterstützen. Die Ab- schaffung des rassistischen sog. Inländerprivilegs bei der Arbeitsaufnahme und Arbeitsvermittlung ist seit langem eine Forderung der PDS. Deshalb gehen wir selbstver- ständlich mit, wenn dieses Anliegen nun auch von der F.D.P. übernommen wird. Wir unterstützen auch, daß die F.D.P. damit das noch zu ihren Regierungszeiten erlassene Arbeitsverbot für Asylbewerberinnen und Asylbewerber wieder abschaf- fen will. Selbstkritik ist immer etwas gutes. Wie ich hö- re, prüft die Regierung auch gerade, ob sie dieses Verbot nicht wieder aufhebt. Vielleicht gelingt es uns ja, die Prüfung durch die Regierung zu beschleunigen und zu einem guten Ende zu führen. Die Millionen Migrantinnen und Migranten aus den EU-Ländern und den sog. „Drittstaaten“ werden uns eine solche überfällige Gleichstellung sicher danken. Im übrigen erfüllt eine solche Änderung auch eine der Maßgaben von Tampere, über die wir heute vormittag gesprochen haben, nämlich den Auftrag, bei dem Recht auf Aufnahme einer selbständigen oder unselbständigen Arbeitsaufnahme, die sog. „Drittstaatenangehörigen“ gleichzustellen mit EU-Bürgerinnen und Bürgern. Ein bißchen Wasser muß ich ihnen von der F.D.P. aber doch in den Wein gießen. Alle Beamtenstellen im öffent- lichen Dienst, an Schulen, in der Sozialarbeit, bei Polizei, Bundesgrenzschutz, Finanzämtern und dergleichen, sowie alle Berufe, bei denen eine Approbation erforderlich ist, Apotheker, Zahnärzte, Tierärzte, sogar Psychotherapeuten bleiben auch nach der hier geforderten Änderung weiter „deutschen Staatsbürgern“ vorbehalten. Eine wirklich freie Berufswahl, ein wirklich „freier Zugang zum Arbeitsmarkt“, wie es in der Begründung heißt, soll also trotz des sonst begrüßenswerten Antrags auch in Zukunft nur echten, kernigen Deutschen vorbe- halten sein. Noch ärgerlicher finde ich, das will ich hier auch sa- gen, einige Passagen in der Begründung ihres Antrags. Wenn sie schreiben, Arbeitgeber könnten Arbeits- plätze nicht besetzen, weil angeblich inländische Arbeits- kräfte „zu wenig motiviert“ seien, weil die Arbeit zu ge- ringe intellektuelle Ansprüche erfüllt, zu hohe körperli- che Belastungen mit sich bringt, so ist das ein starkes Stück. Erstens haben wir in diesem Land 4 Millionen offi- zielle Arbeitslose, denen es aufgrund der von ihnen in vielen Jahren beschlossenen Sozialkürzungen oft so schlecht geht, daß sie schon lange von Sozialhilfe leben, während die von ihnen so mitfühlend geschilderten Ar- beitgeber an der Börse eine Schampusparty nach der nächsten feiern. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 63. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Oktober 1999 5705 (A) (C) (B) (D) Zweitens erwecken sie den Eindruck, als seien Mi- grantinnen und Migranten besonders geeignet, wenn es um schwere und intellektuell einfache Arbeit geht. Ich finde das Rassismus pur. Arbeit ist ein Menschenrecht – für alle Menschen. Freie Berufswahl ist ein Menschenrecht – für alle Men- schen. Warum können sie es nicht einfach dabei be- lassen, statt das rassistische Klagelied von den armen Arbeitgebern, vom faulen deutschen Arbeitslosen und vom dummen, aber starken Ausländer anzustimmen? Noch einmal: Wir werden Ihrem Antrag zustimmen, trotz der Begründung, die sie damit verbinden. Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zum Entwurf eines Gesetzes über die Verarbei- tung und Nutzung der zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 820/97 des Rates erho- benen Daten und zur Änderung des Rind- fleischetikettierungsgesetzes (Zusatztagesord- nungspunkt 7) Jella Teuchner (SPD): Wir sind dabei, eine Daten- bank einzurichten, die es ermöglicht, ein Rind eindeutig zu identifizieren und seine Herkunft, seine Aufent- haltsorte und seine bisherigen Halter zurückzuverfolgen. Die Daten sollen zur Bekämpfung von Tierseuchen, zur Abwicklung der gemeinschaftsrechtlichen Beihilfere- gelungen und für die Etikettierung von Rindfleisch und Rindfleischerzeugnissen verwendet werden. Die rechtlichen Grundlagen für die Datenerhebung liegen mittlerweile vor. Seit dem 26. 9. 1999 müssen Rinderhalter Angaben zum Bestand und zu Veränderun- gen in ihrem Bestand melden. Der vorliegende Gesetz- entwurf regelt nun die Verarbeitung und Nutzung dieser Daten. Er regelt den Zugriff der zuständigen Behörden insbesondere auf die Daten, die nicht in ihrem Zu- ständigkeitsbereich erhoben worden sind. Er regelt die Auskunftsrechte der einzelnen Tierhalter, die auch auf Daten ausgeweitet werden, die er nicht selbst gemeldet hat, an denen er jedoch ein berechtigtes Interesse hat. Er paßt das Rindfleischetikettierungsgesetz an die Vor- schriften der Rinder- und Schafprämien-Verordnung an und trägt insoweit den Erfordernissen Rechnung, diese Daten zu Etikettierungszwecken verwenden zu können. Primär dient diese Datenbank der Tierseuchenbe- kämpfung und der Herkunftssicherung. Die Datenbank erlaubt es, bei Ausbruch einer Rinderseuche eventuelle Kontaktbetriebe rasch ausfindig zu machen und die ent- sprechenden Maßnahmen unverzüglich ergreifen zu können. Spätestens seit der BSE-Krise wurde deutlich, daß Herkunftsbezeichnungen von Rindern und damit für die von ihnen stammenden Erzeugnisse ein ganz ent- scheidendes Kriterium ist, das Vertrauen der Ver- braucherinnen und Verbraucher zu gewinnen. Mit dem Gesetzentwurf wird die Rückverfolgbarkeit national ab nächstem Jahr sichergestellt. Nutznießer dieser Her- kunftssicherung sind alle Marktteilnehmer, vom Land- wirt bis zum Verbraucher. Die Bekämpfung von Tier- seuchen wird erleichtert, die Sicherheit für Verbrauche- rinnen und Verbraucher erhöht und damit die Vermark- tung von Rindfleisch unterstützt. Wir haben mit dieser Datenbank verschiedene Bau- steine. Die Auszahlung von Prämien und deren Kon- trolle wird erleichtert, mit dem gesicherten Herkunfts- nachweis leisten wir einen wichtigen Beitrag zur Be- kämpfung von Tierseuchen, und den Verbraucherinnen und Verbrauchern geben wir eindeutige Informationen über das von ihnen gekaufte Fleisch. Mit diesem Ge- setzentwurf setzen wir die Bausteine zusammen und machen die Daten nutzbar. Ein Verzicht auf die Ver- wendung der Daten würde die Prämienzahlung und de- ren Kontrolle erschweren. Die Tierseuchenbekämpfung und den Verbraucherschutz würde er empfindlich tref- fen. Wir schaffen die Grundlage für die Sicherheit und für das Vertrauen der Verbraucherinnen und Verbraucher in die Qualität des gekauften Fleisches. Darauf aufbauend brauchen wir allerdings ein wirksames und möglichst einheitliches Etikettierungssystem, das die Verbraucher objektiv informiert und den Landwirten und Verarbei- tern die Chance bietet, ihre Kunden von der Qualität ih- rer Produkte zu überzeugen. Mit den vorgesehenen Aus- kunftspflichten und Erhebungsmöglichkeiten könnte zwar das „gläserne Rind“ für die Produzenten und für die Behörden Wirklichkeit werden, darüber hinaus ha- ben aber auch die Verbraucherinnen und Verbraucher einen Anspruch darauf, zu erfahren, von welchem Rind das Fleisch stammt, um entscheiden zu können, was sie essen wollen. Der Erfolg der bei uns praktizierten freiwilligen Eti- kettierung macht deutlich, daß eine transparente Kenn- zeichnung von Rindfleisch von den Verbraucherinnen und den Verbrauchern gewünscht und honoriert wird. Wir haben uns bisher dafür eingesetzt und werden uns auch in Zukunft dafür einsetzen. Auf nationaler Ebene bedeutet dies, daß wir an der freiwilligen Etikettierung festhalten. Regionale Herkunftsbezeichnungen liegen im Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher und werden von diesen auch gewünscht. Auf europäischer Ebene bedeutet dies, daß wir uns dafür stark machen, daß eine obligatorische Kennzeichnung für Rindfleisch nicht auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben wird. Eine zögerliche Umsetzung von EU-Recht durch ein- zelne Mitgliedstaaten darf nicht dazu führen, daß der Herkunftsnachweis für Rinder nicht mehr geführt wer- den kann. Eine EU-weite, obligatorische Herkunfts- kennzeichnung darf nicht verhindert und damit das Ver- trauen der Verbraucherinnen und Verbraucher in Rind- fleischprodukte verspielt werden. Die Herkunftsbe- zeichnung „EU“ ist dazu nicht ausreichend. Der heute vorgelegte Gesetzentwurf regelt zwar le- diglich die Verwendung von Daten, die bereits erhoben wurden. Ich denke, daß wir damit aber ein wichtiges verbraucherpolitisches Projekt auf den Weg bringen. Wir sind damit noch nicht am Ziel, ohne dieses Gesetz können wir es jedoch nicht erreichen. 5706 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 63. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Oktober 1999 (A) (C) (B) (D) Franz Obermeier, (CDU/CSU): Es ist richtig, daß die jetzige Bundesregierung den von Bundeslandwirt- schaftsminister Borchert eingeschlagenen Weg zu mehr Verbraucherschutz fortführt. Dies gilt insbesondere nach dem BSE-Rinderskandal für den Fleischbereich. Und leider gibt es schon wieder aktuelle Meldungen, wonach es in Großbritannien erkrankte Rinder gibt. Die Bürgerinnen und Bürger haben ein Recht darauf, daß der Sonntagsbraten rundherum zum Genuß wird – dafür sind die Köche verantwortlich – und der Ge- sundheit nicht schadet – dafür sind die Landwirte und wir, die Politiker, verantwortlich –. Deshalb muß der Weg jedes frischen, gekühlten oder gefrorenen Stückes Fleisch vom Ursprung bis zur Ladentheke lückenlos zu- rückverfolgt werden können. Diesem Ziel dient bereits das erste Rindfleischetikettierungsgesetz, das auf eine Initiative von Minister Borchert zurückgeht und erstmals eine EU-weite Rindfleischetikettierung zur Folge hatte. In Deutschland ist ein dem Rinderpaß vergleichbares Begleitpapier übrigens bereits seit Oktober 1995 vorge- schrieben. Folgerichtig sieht der vorliegende Gesetzentwurf jetzt vor, daß Deutschland – wie alle EU-Länder – eine zen- trale elektronische Datenbank einrichtet, die zur kom- menden Jahrtausendwende voll betriebsfähig sein muß. Als bayerischer Abgeordneter freut mich natürlich ganz besonders daß dieser HIT – in diesem Falle (Herkunfts- sicherungs- und Informationssystem für Tiere) – bei uns in München im bayerischen Landwirtschaftsministerium ansässig ist. Schon deshalb hege ich keinerlei Zweifel und es wurde mir auch so bestätigt, daß diese Vorgabe von deutscher Seite bis zum Jahresende voll und ganz erfüllt wird. Es mag Landwirte geben, die in der Meldepflicht nur einen weiteren Mühlstein um ihren Hals erkennen. In Versammlungen ist das Stichwort Bürokratie stets ein Anlaß für mittleren bis schweren Aufruhr – auch in länd- licher Umgebung. Es bleibe, so die Klagen, bald nichts mehr übrig als sich den Computer in den Stall zu stellen. Ich erwidere: So ist der Lauf der Zeit. Der Landwirt von heute ist nicht mehr der Bauer von gestern. Angesichts von etwa 15 Millionen Rindern in Deutschland kann die vollständige und lückenlose Erfassung auf Dauer nur mit Hilfe eines automatisierten Verfahrens erreicht werden. Ich denke, es ist auch eine Chance für den einzelnen, sich der Technik von heute nicht verschließen zu können und einfach mit zu müssen. Ein Aspekt ist mir besonders wichtig: Es geht hier nicht um überzogenen Verbraucherschutz. Es geht um die Gesundheit. Aber es geht auch um die Zukunft der Landwirte. Was war geschehen, als in England Rinder plötzlich BSE-verseucht waren? In Deutschland ging der Fleischabsatz dramatisch zurück. Leidtragende waren die deutschen Erzeuger, die deutschen Metzger. Um den existenzbedrohenden Nachfragerückgang zu stoppen, mußte der Vertrauensverlust der Verbraucher gestoppt und – viel schwerer noch – zurückgewonnen werden. Hier spielt die Rindfleischetikettierung eine Schlüssel- rolle. Mit ihr wird ein Maximum an Transparenz und Si- cherheit beim Rindfleischkauf gewährleistet. Daß das Vertrauen der Verbraucher in das hochwertige Lebens- mittel Rindfleisch wiedergekehrt ist, zeigen die Absatz- zahlen, auch wenn sich der Rindfleischmarkt im BSE- freien Deutschland bis heute noch nicht wieder ganz er- holt hat. Also lohnt sich der Aufwand in mehrfacher Hinsicht, gerade auch für die Landwirtschaft. Mit der EU-weiten Regelung kann zukünftig der komplette Lebensweg eines Rindes auch über Länder- grenzen hinweg umfassend und schnell ermittelt werden. Die Verbraucherinnen und Verbraucher können erken- nen und selbst bestimmen, was sie kaufen. EU-Querelen um Importverbote behindern nicht mehr die notwendige Transparenz und verhindern Kaufverweigerung. Gewünschte Nebeneffekte sind auch die Tierseu- chenbekämpfung und die Kontrolle unberechtigt bezo- gener landwirtschaftlicher Prämien. Auch dies sind Faktoren, die sowohl den Landwirten selbst als auch der Allgemeinheit zugute kommen. Denn schließlich zahlen wir alle drauf, wenn Existenzen durch Tierkrankheiten (wie beispielsweise bei der Rinderseuche) aufs Spiel ge- setzt werden oder Steuermittel in die falschen Taschen fließen. Es gibt auch hier einen unmittelbaren positiven Effekt für die Landwirte: Da eine Verbindung zu den Daten für die Prämiensysteme hergestellt werden kann, wird zu- künftig bei der Abrechnung der Schlachtprämien ein vereinfachtes Antragsverfahren genügen, eine Arbeits- und Kostenersparnis für die Betriebe. So sehr ich inhaltlich diese EU-weite Regelung be- grüße möchte ich doch auf einen Punkt hinweisen, der ebenfalls die Herkunftsbezeichnung betrifft und mir Sorge bereitet. Die Europäische Union erarbeitet derzeit Leitlinien, die unter dem Rubrum freier und gleicher Wettbewerb unsere regionalen Qualitätssiegel „Bayeri- scher Weidemastbulle aus bäuerlichem Familienbetrieb“ oder ähnliches – bedrohen. Das halte ich für falsche Gleichmacherei. Wenn schon Transparenz, dann konse- quent. Ich fasse zusammen: Unsere deutschen Landwirte produzieren hochwertiges Rindfleisch. Es gibt keine Alternative zur umfassenden verbrauchergerechten Rindfleischetikettierung und zur zentralen Datenbank. Sie dient den Verbrauchern und der Landwirtschaft. Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es ist ein Skandal, daß die EU-Mitgliedsstaaten die Kenn- zeichnungs- und Etikettierungsvorschriften zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor BSE von 1997 nicht ausreichend umgesetzt haben – insbesondere auch im BSE-Ursprungsland Großbritannien, obwohl doch Kommissionspräsident Romano Prodi den Ver- braucherschutz zum höchsten Ziel erklärt hat. Vor allem der Tierpaß ist hier von Bedeutung. Auch in Großbritan- nien ist die Herkunft der Tiere nicht lückenlos nachzu- vollziehen. Die zuständigen EU-Kommissare halten es aber für unumgänglich, die Umsetzungsfrist für die Kennzeichnungs- und Etikettierungsrichtlinie, die eigent- lich bis zum 31. Dezember 1999 läuft, um weitere drei Jahre zu verlängern. Das Bundeslandwirtschaftsministe- rium hat diese Entwicklung nachdrücklich bedauert. In dieser Frage wird erstaunlicherweise kein Vertragsver- letzungsverfahren eingeleitet. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 63. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Oktober 1999 5707 (A) (C) (B) (D) Dabei ist es übrigens wahrlich erstaunlich, wenn die Fleischindustrie sich gegen die Umsetzung der Etikettie- rung sträubt. Die Bezeichnung „Herkunft: EG“ oder „Herkunft: EG und Drittlandserzeugnis“ dürfte kaum besondere Anstrengungen verlangen. Eher sind die Vorlagen der EU-Kommission Anlaß, Verbesserungen und Konkretisierungen einzufordern. Gleichzeitig sollen die Exportverbote für britisches Rindfleisch wieder fallen. Dafür allerdings ist die Zeit noch nicht reif. Die Verbraucherinnen und Verbraucher – und die Bundesländer, die einer solchen Aufhebung des Importverbots zustimmen müßten – sind gegenwär- tig gegen die Einfuhr britischen Rindfleischs. Das Ver- trauen in die Produkte ist noch nicht wiederhergestellt. Kein Wunder angesichts der immer neuen Dioxinfunde und immer neuer Futtermittelskandale, die die Futter- mittel sämtlich diskreditieren. Wenn durch die EU-Kommission nicht einmal die Voraussetzungen für eine bessere Kontrolle durch die Herkunftskennzeichnung geschaffen werden, dann kann den Verbraucherinnen und Verbrauchern die Aufhebung des Importverbots wohl kaum zugemutet werden. Die Lösung des britisch-europäischen Handelskonflikts sollte im Schulterschluß mit Frankreich und den Bun- desländern erfolgen. Die Grenzöffnung allerdings müßte abhängig gemacht werden von der Umsetzung der EU- Kennzeichnung und Etikettierungsrichtlinie. Erst dann kann der Verbraucher die Herkunft der Produkte nach- vollziehen. Was übrigens nicht geht, ist, daß Großbri- tannien die Richtlinie zur Kennzeichnungs- und Etiket- tierung nicht erfüllt und bloß Exportprodukte kenn- zeichnen will. Das ist dann wieder ein Einfallstor für Mißbrauch und Intransparenz. Ebenso hat Großbritannien seine Bereitschaft erklärt, BSE-Tests durchzuführen, wie sie die nordrhein- westfälische Landwirtschaftsministerin Bärbel Höhn einsetzt. Hier liegen Möglichkeiten zu Kompromissen mit Großbritannien. Mit der heutigen Erweiterung des Rindfleischetiket- tierungsgesetzes schafft Deutschland die notwendige Voraussetzung zur fristgerechten Umsetzung der EU- Richtlinie. Die Bundesregierung sollte jetzt die obligato- rische Kennzeichnung und Etikettierung zum 1. Januar 2000 national umsetzen und darauf hinwirken, daß der bisherige Vorschlag der Kommission weiter verbessert und auf andere Tierarten ausgedehnt wird. Ebenso ist die Forschung bezüglich der Optimierung der Tests EU-weit zu intensivieren. Die Fleischwirtschaft hatte drei Jahre Zeit zur Vorbe- reitung. Die Landwirtschaft hat ihre Hausaufgaben mit erheblichen Aufwendungen gemacht und die Tierpässe und Ohrmarken längst eingeführt. Mit der Verabschie- dung dieses Gesetzes werden auch die Voraussetzungen für mehr Transparanz und damit Kontrollmöglichkeiten geschaffen. Kersten Naumann (PDS): Eine Debatte zu den Pro- blemen der Rindfleischetikettierung halte ich für drin- gend notwendig, besonders wenn ich an die nicht ab- reißenden und gerade wieder heiß debattierten BSE- Meldungen und den Streit über die Aufhebung des Im- portverbots denke. Die Meldung der letzten Tage über die Absicht der EU-Kommission, die obligatorische Rindfleischetiket- tierung um drei Jahre zu verschieben, trägt zwar den un- genügenden Vorbereitungsmaßnahmen in verschiedenen EU-Ländern Rechnung. Diese Absicht ist aber nicht vereinbar mit den Interessen der Verbraucher, die Si- cherheit beim Einkauf von Rindfleisch fordern. Wir halten die Ansicht von Minister Funke für abwe- gig, trotz kostenintensiver Vorbereitungen auch in Deutschland die obligatorische Etikettierung zu ver- schieben. Auch in drei Jahren gilt sicher noch sein Ar- gument, eine lückenlose Rückverfolgung der Herkunft sei nicht vollständig gesichert. Um so dringender ist es, erstens möglichst schnell mit einem funktionsfähigen System Erfahrungen zu sammeln und zweitens die un- vermeidlichen Schwachstellen zu finden. Ein Kernproblem ist doch der ständig zunehmende Rindertourismus. Und Fakt bleibt, daß Produktionskapa- zitäten weder mit Schlachtkapazitäten noch mit dem Be- darf der Verbraucher übereinstimmen. Doch die Libera- lisierung der Agrarmärkte wird nicht nur die Disparität weiter verschärfen, sondern auch weitere Schlupflöcher für den Herkunftsnachweis schaffen. Sie wird eine wei- tere Bürokratisierung der Rinderproduktion nach sich ziehen, wenn es nicht gelingt, die Produktion und die Verarbeitung auf regionale Versorgung auszurichten. Nicht zuletzt soll der Herkunftsnachweis nicht nur dem Schutz vor BSE, Dioxin und vor hormonbehandel- tem Fleisch dienen. Die Produzenten von Rindfleisch brauchen den regionalen und nationalen Herkunfts- nachweis auch zur Werbung für die Qualität ihrer Pro- dukte. Denn immer mehr Verbraucher wollen mit ihrer gezielten Kaufentscheidung auch einen Beitrag für tier- gerechte Haltung und den Schutz der Umwelt leisten. Aus all diesen Gründen treten wir für die terminge- rechte Einführung der obligatorischen Rindfleischeti- kettierung ein. Für die Verbraucher erhöht sich damit die Ernährungssicherheit, und mit ihrem bewußten Kauf- verhalten festigt sich das Vertrauensverhältnis zu den Produzenten. Die Verschiebung des Einführungstermins würde er- stens das Vertrauen der Verbraucher aufs Spiel setzen. Zweitens zu unnötigen Spekulationen Anlaß geben und drittens natürlich die Glaubwürdigkeit in die Politik be- schädigen. Unter der Bedingung der planmäßigen Ein- führung der Etikettierung wird auch die termingerechte und zuverlässige Dokumentation der Daten notwendig, wie sie mit dem vorliegenden Durchführungsgesetz zur Verordnung (EG) Nr. 820/97 geregelt werden soll. Und auch hier sollten wir keine Verschiebung der parlamen- tarischen Behandlung zulassen. Karsten Schönfeld (SPD): zunächst möchte ich Ih- nen, meine Damen und Herren von der Opposition, herzlich für die Gelegenheit danken, über eine der we- sentlichsten Fragen bundesdeutscher Politik debattieren zu können. Ich greife diese Gelegenheit gerne auf, weil die ganze Debatte sehr entlarvend ist für Ihr Verständnis 5708 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 63. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 28. Oktober 1999 (A) (C) (B) (D) von Oppositionspolitik. Es geht Ihnen nicht um sachli- che Verbesserungsvorschläge; es geht Ihnen ausschließ- lich darum, angebliche Versäumnisse der Bundesregie- rung öffentlich breitzutreten. Weil sie in anderen Politik- bereichen offensichtlich nicht einmal Ansätze für unsach- liche, an den Haaren herbeigezogene Kritik sehen, muß jetzt das Rindfleischetikettierungsgesetz debattiert wer- den. In diesem Zusammenhang möchte ich ausdrücklich Ihren neuen Realitätssinn loben, denn unsere Bundesre- gierung ist einfach gut und sachlich kaum zu kritisieren. Zur Sache: Seit dem 1. Januar 1998 haben unsere Landwirte die rechtliche Möglichkeit, einen vollständi- gen Herkunftsnachweis für Rindfleisch auf dem Etikett aufzuführen. Jede Verbraucherin und jeder Verbraucher kann ihre bzw. seine individuelle Kaufentscheidung dar- an ausrichten, wo und unter welchen Bedingungen das Rindfleisch erzeugt worden ist. Das ist ein großer Fort- schritt für den Verbraucherschutz. Und es gibt unseren Landwirten die Möglichkeit, ihre regional erzeugten ge- sunden Nahrungsmittel auch als solche auszuzeichnen. Die Landwirte erzielen in aller Regel und zu Recht auch einen besseren Preis für die regional erzeugten Produkte, als es mit billiger und nicht ausgezeichneter Massenware möglich wäre. Wir Sozialdemokraten setzen uns gezielt für die För- derung regional erzeugter Nahrungsmittel ein und haben das auch als einen neuen Fördergrundsatz bei der Ge- meinschaftsinitiative aufgenommen. Um es deutlich zu sagen, die SPD-Bundestagsfraktion und die Bundesre- gierung – sind für eine obligatorische Etikettierung von Rindfleisch. Außerdem – daran besteht kein Zweifel – muß die Herkunftsregion auch künftig eindeutig auf den Etiketten aufgeführt werden. In dieser Frage sind wir uns mit den Verbraucherverbänden vollständig einig. Wir setzen – auch bei der Rindfleischetikettierung – auf die Marktkräfte und auf mündige Verbraucherinnen und Verbraucher. Die freiwillige Etikettierung ist eine sinn- volle Maßnahme. Schon heute kann jede Verbraucherin und jeder Verbraucher eine individuelle Kaufentschei- dung an der Ladentheke treffen. Jetzt fordert die F.D.P. eine rasche und, wie viele meinen, überstürzte Umsetzung eines Etikettierungs- zwangs. Die Begründung dafür ist dürftig, und ein Nut- zen ist weder für die Erzeuger noch für die Konsumen- ten zu erkennen. Der Deutsche Raiffeisenverband hat erst kürzlich in einer Pressemitteilung betont, daß eine Verschiebung der obligatorischen Etikettierung eine sinnvolle Maßnahme ist. Meine Damen und Herren von der Opposition, ich erkenne Sie nicht wieder. Sie sprechen in Sonntagsreden immer gerne von Eigenverantwortung, Freiheit der Un- ternehmer, Abbau überflüssiger Bürokratie, Sie reden in aller Regel einer Globalisierung ohne große Einschrän- kungen das Wort, und jetzt fordern Sie uns auf, in der Landwirtschaft möglichst rasch mehr und eventuell so- gar überflüssige Bürokratie aufzubauen. Wir haben einen Gesetzentwurf vorgelegt, der die Dinge regelt, die jetzt zu regeln sind. Meine Kollegin, Frau Teuchner, hat alles Notwendige dazu gesagt. Die Verbraucherinnen und Verbraucher in unserem Land sind – und das will ich nochmals ausdrücklich be- tonen – in aller Regel gut informiert und können selb- ständig und eigenverantwortlich beurteilen, welche Nah- rungsmittel sie verbrauchen wollen. Das sagt auch ein Bericht der Europäischen Kommission. Die Verbrauche- rinnen und Verbraucher in unserem Land beurteilen die freiwillige Rindfleischetikettierung in ihrer jetzigen Ausgestaltung positiv. Eine Verlängerung der bestehenden Regelung bis zum 31. Dezember 2000 ist deshalb in meinen Augen unproblematisch. Jedenfalls wäre diese zeitliche Ver- schiebung, sollte sie denn tatsächlich kommen, kein Grund für hektische Aktivitäten der Opposition im Par- lament. Druck: Bonner Universitäts-Buchdruckerei, 53113 Bonn 53003 Bonn, Telefon: 02 28/3 82 08 40, Telefax: 02 28/3 82 08 44 20
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Jürgen Rüttgers


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident!
    Werte Kolleginnen und Kollegen! Als ich der Regie-
    rungserklärung zugehört habe, habe ich mich gefragt:
    Was will der Außenminister uns mit dieser Regierungs-
    erklärung eigentlich sagen, was wir nicht schon in den
    letzten 14 Tagen durch regierungsamtliche Verlautba-

    rungen zur Kenntnis genommen haben? Was will der
    Dichter uns eigentlich sagen? Wahrscheinlich gar nichts.
    Er will nur davon ablenken, daß er in dieser Woche eine
    verheerende Niederlage erlitten hat.


    (Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Oh! – Kerstin Müller [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zum Thema! – Zuruf von der SPD: Was wollen Sie denn sagen?)


    Er ist angeschlagen, und das ist der Grund, weshalb er
    hier geredet hat.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Herr Außenminister, was haben Sie vor einem guten

    Jahr – damals noch als Oppositionspolitiker – im Parla-
    ment nicht alles kritisiert! Aber jetzt merken Sie: Man
    muß nicht nur regieren wollen, sondern man muß es
    auch können. Aber Sie können es offensichtlich nicht.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


    Dieser Außenminister bringt es tatsächlich fertig, einen
    Staat wie die Türkei zum offiziellen Beitragskandidaten
    für die Europäische Union – immerhin ein Raum der
    Freiheit, der Sicherheit und des Rechts – zu befördern
    und ihn zugleich für nicht vertrauenswürdig genug zu
    halten, ihm als NATO-Partner einen Testpanzer zu über-
    senden.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Helmut Lippelt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da haben Sie den Mechanismus nicht verstanden!)


    Dieser Widerspruch, Herr Außenminister, ist auch durch
    noch soviel diplomatische Finesse Ihrer Mitarbeiterin-
    nen und Mitarbeiter nicht aufzulösen.

    Es ist wohl wahr: Die Menschenrechtslage in der
    Türkei ist zu kritisieren, ebenso die mangelnde demo-
    kratische Verfaßtheit. Aber gerade deshalb ist die Ent-
    scheidung für den Beitrittskandidatenstatus so riskant
    und kann in der Türkei zu einer noch größeren Enttäu-
    schung führen. Sie spielen ein doppeltes Spiel, und das
    weiß die Türkei. Deshalb muß sie mißtrauisch sein ob
    der Ernsthaftigkeit des Beitrittskandidatenstatus und der
    Rüstungskooperation. Ihre Türkei-Politik, Herr Außen-
    minister, ist jedenfalls nicht nur ohne Konzept, sie ist
    nach dieser Woche nur noch ein Trümmerhaufen.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Sie haben auch Ihrer eigenen Glaubwürdigkeit zu-

    tiefst geschadet, und zwar nicht nur durch Ihr Verhalten
    im Bundessicherheitsrat. Was hat sich Joschka Fischer
    früher bei jedem Rüstungsexport hier aufgeregt! Noch
    nie hat es ein Außenminister geschafft, innerhalb eines
    Jahres zunächst gegen eine Verschärfung der Export-
    richtlinien für Kriegswaffen im Bundessicherheitsrat zu
    sein und dann einen Beschluß des gleichen Bundessi-
    cherheitsrats in Frage zu stellen, solange diese Export-
    richtlinien nicht verschärft sind.

    Zu guter Letzt erklärt die Koalition: Wir liefern zwar
    einen Testpanzer; ob wir aber bereit sind, der Türkei

    Bundesminister Joseph Fischer






    (B)



    (A) (C)



    (D)


    Panzer zu verkaufen, steht auf einem ganz anderen Blatt.
    Einladender, liebe Kolleginnen und Kollegen, geht's
    nimmer! Der Automann Schröder weiß ja sicherlich, daß
    man dann, wenn man einen Wagen anbietet, auch bereit
    sein muß, ihn zu verkaufen. So verspielt man auf jeden
    Fall außenpolitische Glaubwürdigkeit, Herr Außenmi-
    nister.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Nun war Tampere ein innenpolitischer Gipfel. Die

    insgesamt mageren und enttäuschenden Ergebnisse die-
    ses Sondergipfels – das sage ich ausdrücklich – sind
    nicht nur dem Innenminister anzulasten. Die Zeiten, in
    denen es auf das, was Deutschland sagte, ankam und in
    denen der deutsch-französische Motor Impulse für die
    europäische Entwicklung gegeben hat, sind vorbei.


    (Zuruf von der SPD: Quatsch!)

    Die Zeiten, in denen Kanzler wie Helmut Kohl und
    Helmut Schmidt bei ihrer Vision einer immer engeren
    Union der Völker Europas ihre Kollegen mitgerissen
    haben und sie dafür begeistern konnten, sind ebenso
    vorbei. Sie sind vorbei, seit Rotgrün Deutschland in Eu-
    ropa repräsentiert.


    (Lachen bei der SPD)

    Es reicht eben nicht, statt einer funktionsfähigen Regie-
    rung eine regierende Bastelgruppe zu haben.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Werte Kolleginnen und Kollegen, wir stehen heute

    vor einem Desaster in den deutsch-französischen Be-
    ziehungen. Generationen von Kanzlern und Außenmini-
    stern haben hierauf besonders geachtet. Mißverständnis-
    se, Desinteresse und Ärger bestimmen die Beziehungen
    zwischen Schröder und Jospin.


    (Lachen bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    – Ich wäre vorsichtig, hierüber nur zu lachen. Ich halte
    Ihnen nur einmal vor, was „Die Woche“ gerade ge-
    schrieben hat: „Die Kernachse Europas steht vor dem
    Zusammenbruch.“ Und Ihr ehemaliger Bundeskanzler
    Helmut Schmidt spricht in der „Zeit“ vom 12. August
    1999 von einer „gefährlichen Entwicklung“.


    (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: So ist es!)


    Das ist leider die Realität. Angesichts dessen nützt es
    auch nichts, daß der Außenminister versucht, nach ei-
    nem Treffen mit seinem französischen Kollegen so zu
    tun, als sei alles wieder im Lot. Die Zeit des Einflusses,
    die Zeit der Impulse ist leider vorbei. Die Europapolitik
    droht unter dieser Regierung zu einem europapolitischen
    Klein-Klein zu werden. Schade!

    Selbst auf die Gefahr hin, daß ich mir vom Kollegen
    Schily wieder die erregte Zwischenfrage einhandle, ob
    ich bereit sei, zur Kenntnis zu nehmen, daß in a, b, c, d,
    e, f und g kleine Fortschritte erzielt worden seien, daß in
    Tampere hier und da eine etwas gewagtere Formulie-
    rung gefunden worden sei und daß die Schröder-
    Regierung auch nichts dafür könne, daß in Europa alles

    so kompliziert sei, möchte ich hier feststellen: Viel war
    ja nicht in Tampere, nicht wahr?

    Zwei konkrete Punkte: Eurojust und Grundrechte-
    konvent; ansonsten nur Absichtserklärungen und Ar-
    beitsaufträge, aber keine Vereinbarung für eine gerechte
    Lastenverteilung in der Flüchtlingsfrage, keine Harmo-
    nisierung der asylrechtlichen Standards, sondern nur
    noch Mindestbedingungen, kein europäisches System
    zur Registrierung von Fingerabdrücken, keine europäi-
    sche Staatsanwaltschaft.


    (Dr. Helmut Lippelt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hat es nicht schon einmal Gipfel gegeben, bei denen viel weniger herausgekommen ist?)


    Das Projekt Grundrechtekonvent gehört in meinen
    Augen zu den positiven Aspekten von Tampere – ich
    unterstreiche das ausdrücklich –, und meine Fraktion
    will in diesem Projekt mitarbeiten. Es stellt eines der
    großen Ziele dar, die wir uns in den letzten Jahren ge-
    setzt haben. Doch schon beim Thema „burden sharing“
    konnte keinerlei Einvernehmen mit den Partnern über
    eine gerechte Lastenverteilung erzielt werden. Mit der
    immer proklamierten Berücksichtigung deutscher Inter-
    essen hat das Ergebnis von Tampere in dieser Frage nun
    wahrlich nichts zu tun.

    Es sollte ja ein europäischer Rechtsraum geschaf-
    fen werden; so hat man vor diesem Gipfel regierungs-
    amtlich angekündigt. Wir hatten, um noch einmal daran
    zu erinnern, in den Art. 61 ff. der Amsterdamer Verträge
    Regelungen zum Aufbau eines Raumes der Freiheit, der
    Sicherheit und des Rechts eingefügt. Leider ist in Tam-
    pere nichts Konkretes hinzugekommen. Ich überfliege
    jetzt einmal mit Ihnen, wenn Sie gestatten, den Text in
    Abschnitt VI der Schlußfolgerungen von Tampere im
    Bereich der Verben: „würden“, „sollte“, „sollte“, „for-
    dert“, „sollte“, „würden“, „könnte“, „sollten“, „sollten“,
    „ersucht“, „sollte“, „sollten“.


    (Zuruf von der SPD: Das haben Sie jahrelang so gemacht!)


    Ich kann mir schon richtig vorstellen: Da zittern die
    Kriminellen Europas, wenn sie das lesen.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Viel Wortgeklingel, aber nichts Konkretes im Bereich
    der inneren Sicherheit. Es ist gut, daß Europol jetzt sei-
    ne Arbeit aufgenommen hat. Aber wir dürfen bei dem
    Erreichten nicht stehenbleiben. Das muß weiterentwik-
    kelt werden. Am Ende der Entwicklung – da bin ich
    ganz sicher – muß es so etwas wie ein europäisches FBI
    geben. Europol muß operative Befugnisse haben. Es
    muß operationell tätig werden, vor allem im Sinne einer
    Koordinierung und Initiierung von konkreten nationalen
    und grenzüberschreitenden Ermittlungsmaßnahmen.

    Das heißt, ausländische Ermittlungskräfte müssen
    sich unter nationaler Leitung aktiv an Ermittlungsmaß-
    nahmen beteiligen dürfen, an Durchsuchungen, an Be-
    schlagnahmen, an Auswertungen von Gesprächen im
    Rahmen einer Telefonüberwachung usw. Die deutsche
    Strafprozeßordnung muß insofern europäisch ergänzt
    und geöffnet werden. Dazu hat es keine nennenswerten

    Dr. Jürgen Rüttgers






    (A) (C)



    (B) (D)


    Initiativen unter der deutschen Präsidentschaft gegeben.
    Eingefahren wurde also die Ernte, die wir gesät haben,
    ansonsten herrscht Stillstand.


    (Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Ein weiteres Thema – der Außenminister hat es ange-
    sprochen – war die Erweiterung der Europäischen
    Union um die Staaten des östlichen Mitteleuropa, übri-
    gens ein Punkt, der sehr viel mit innerer Sicherheit zu
    tun hat. Denn die Europäische Union greift mit der
    Osterweiterung in Regionen ein, die Herkunfts- und
    Transitländer organisierter Kriminalität und illegaler
    Migration sind. Ich will die Risiken, die diese Öffnung
    der Europäischen Union nach Osten für die innere
    Sicherheit der Mitgliedstaaten der Europäischen Union
    birgt, nicht überzeichnen. Aber ich finde, wir müssen
    ganz deutlich sagen: Wir werden nicht erwarten können,
    daß die Beitrittskandidaten die Verpflichtungen, die sich
    zum Beispiel aus dem Schengener Vertragswerk zur
    inneren Sicherheit und zur Grenzsicherheit ergeben, aus
    dem Stand und ohne Hilfestellung erfüllen können.

    Zu den größten Herausforderungen der Mitgliedstaa-
    ten gehört es deshalb, die Beitrittskandidaten auf diesem
    Weg aktiv zu begleiten und zu fördern, ja – das ist ein
    Vorschlag, den ich hier heute unterbreite –, sie bereits
    jetzt zu beteiligen und einzubeziehen, damit sie die
    Chance haben, überhaupt dieses Niveau zu erreichen.
    Die Bundesregierung hat sich während der deutschen
    Präsidentschaft dieser Aufgabe nicht gestellt. Das Ver-
    säumte ist wahrscheinlich schwer nachholbar.

    Aber es gibt natürlich gerade auch in diesem Zusam-
    menhang wichtige, ja, zentrale Fragen. Wir wollen an
    der Schwelle zur Erweiterung der Europäischen Union
    nicht vergessen, daß die Frage der europäischen
    Flüchtlingskonzeption nicht gelöst, noch nicht einmal
    in der Sache angegangen ist. Wir wissen aus unseren
    Debatten über die Innenpolitik und die Ausländerpolitik,
    wie wichtig es ist, ein konkretes Integrationskonzept zu
    erarbeiten, dafür zu sorgen, daß ein Konzept vorliegt,
    das eben nicht zu ungeordneter Zuwanderung und Über-
    belastung führt, sondern verhindert, daß bei uns die
    Integrationsbereitschaft sinkt und damit die Integrati-
    onsbedingungen schwieriger werden. Es kann nicht da-
    bei bleiben, daß es kein europäisches Flüchtlingskonzept
    gibt, das nicht Deutschland den Hauptteil der Lasten und
    Kosten beläßt und zugleich das humanitärste Land der
    Union, nämlich die Bundesrepublik Deutschland, als Ort
    der Fremdenfeindlichkeit erscheinen läßt.

    Es hat nennenswerte Fortschritte zu einer europäi-
    schen Lastenverteilung in bezug auf Flüchtlinge in
    Tampere nicht gegeben. Nun lese ich heute mit großem
    Interesse, daß der Bundesinnenminister in einem Inter-
    view an seiner Auffassung festhält, in Deutschland seien
    die Grenzen der Belastbarkeit durch Zuwanderung über-
    schritten. Ja, dann frage ich: Warum haben Sie in Tam-
    pere nicht versucht, konkreter weiterzukommen, anstatt
    hier in Deutschland Interviews zu geben, in denen Sie
    die Zuwanderung beklagen und sagen, die Grenze der
    Belastbarkeit sei überschritten?


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


    Wahrscheinlich werden wir die Frage auch einmal
    von der anderen Seite betrachten müssen. Ich glaube,
    nach den Erfahrungen von Tampere ist es an der Zeit, zu
    fragen, woran es denn eigentlich liegt, daß Deutschland
    in diesem Bereich in Europa sehr, sehr einsam dasteht.
    Unsere europäischen Partner haben doch nicht in jeder
    Hinsicht Unrecht, wenn sie zögern, Deutschland Lasten
    in der Asyl- und Flüchtlingspolitik abzunehmen. Ist es
    denn, werte Kolleginnen und Kollegen, so falsch, wenn
    unsere europäischen Partner sagen: „Wenn Deutschland
    den größten Teil aller Asylbewerber und Flüchtlinge der
    Europäischen Union abbekommt, dann lockt es offenbar
    mehr als andere Staaten diese Menschen an? Deutsch-
    land ist selbst schuld, daß durch sein Sozialhilferecht für
    Asylbewerber der größte Teil nach Deutschland
    kommt.“


    (Zuruf von der SPD: Was schlagen Sie denn vor?)


    Alle unsere europäischen Partnerländer sind, wie wir
    wissen, Gott sei Dank, offene westliche Demokratien
    und Rechtsstaaten. Wenn es trotzdem den überwiegen-
    den Teil aller nach Europa kommenden Asylbewerber
    nach Deutschland zieht, dann muß das doch andere
    Gründe haben. Das hat offensichtlich etwas mit unserem
    Leistungsniveau zu tun.


    (Gernot Erler [SPD]: Die wollen alle Ihre Reden hören!)


    Wieso eigentlich sollen die anderen Europäer ihr jewei-
    liges Asylrecht dem deutschen Recht anpassen oder
    Teile der deutschen Lasten übernehmen? „Burden sha-
    ring“, Lastenteilung, ist ja für die weniger Belasteten
    Lastenaufbürdung. Nicht das Recht der anderen EU-
    Partner führt zu Problemen, sondern das deutsche, und
    nicht die europäischen Partner bringen das europäische
    Gleichgewicht durcheinander, sondern Deutschland mit
    seinem überaus großzügigen Asyl- und Sozialrecht.


    (Zuruf von der SPD: Das ist ja Wahnsinn!)

    Müßte man nicht umgekehrt geradezu fordern, daß
    Deutschland von seinen europäischen Nachbarn lernt
    und die Sozialleistungen für Asylbewerber endlich dem
    europäischen Standard anpaßt? Niemand wird die Art,
    wie Staaten wie Dänemark oder Österreich, wie Portugal
    oder Irland, wie Frankreich oder Großbritannien mit
    Flüchtlingen umgehen, als inhuman bezeichnen. Warum
    kann Deutschland sich das denn nicht zum Vorbild
    nehmen? frage ich. Wir müssen uns endlich freimachen
    von dem Ansatz, am deutschen Asylrechtswesen müsse
    die Welt genesen. Ich glaube, das wird noch zu einer
    schwierigen Debatte führen.

    Denjenigen, die jetzt auf der linken Seite des Hauses
    Zwischenrufe gemacht haben, empfehle ich, das Inter-
    view des Herrn Bundesinnenministers zu lesen. Wenn
    ich das richtig verstanden habe, dann ist er bereit, über
    die Leistungen für Asylbewerber nicht nur kontrovers zu
    diskutieren und sie auf europäisches Niveau herunterzu-
    fahren, sondern gleichzeitig im Bereich des Asylrechts
    auf der Basis der Genfer Flüchtlingskonvention über die
    Frage der Grundrechtsabsicherung nachzudenken. Wir
    sind bereit, diese Diskussion zu führen, weil es zu einer

    Dr. Jürgen Rüttgers






    (B)



    (A) (C)



    (D)


    europäischen Angleichung bei der Belastung mit
    Flüchtlingen und Asylbewerbern kommen muß.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, diese Debatte findet ja in

    einer Woche statt, in der auch über einen Jahrestag dis-
    kutiert wird, nämlich über ein Jahr rotgrüne Regierung.
    Ich weiß nicht, ob Ihnen aufgefallen ist, daß der Bun-
    deskanzler auf einer Krisenveranstaltung der SPD am
    Dienstag in Moers gesagt hat:

    Das ist schon ein ziemlich schwerer Job. Ich frage
    mich manchmal, warum ich damals am Tor des
    Kanzleramts gerüttelt habe.

    Richtig, Herr Bundeskanzler! Das fragt sich das deut-
    sche Volk seit einem Jahr.


    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)


    Hätten Sie sich das früher gefragt, wäre Deutschland
    manches erspart geblieben.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)




Rede von Dr. h.c. Wolfgang Thierse
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Ich erteile das Wort
dem Kollegen Jürgen Meyer, SPD-Fraktion.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Prof. Dr. Jürgen Meyer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident!
    Meine sehr geehrten Damen und Herren! Beim Anhören
    der Rede des Vorredners drängte sich mir immer wieder
    die Frage auf, ob Sie, Herr Kollege Rüttgers, überhaupt
    zur Europapolitik oder Tampere reden wollten.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Ich bin froh, daß sich bei Ihnen überhaupt was aufdrängt!)


    Nichts zum Amtsantritt von Solana, nur pauschale und
    neben der Sache liegende Kritik an den großen Fort-
    schritten beim Aufbau eines gemeinsamen Raumes der
    Freiheit, der Sicherheit und des Rechts und sonst fast
    nichts, außer einer erstaunlichen Urheberrechtsbehaup-
    tung zur Grundrechtscharta. Herr Kollege Rüttgers, den-
    ken Sie doch bitte einmal in Ruhe darüber nach,


    (Zuruf von der SPD: Kann der denken?)

    ob es den Interessen unseres Landes dient, wenn Sie
    – im Gegensatz zur früheren Opposition – die Europa-
    politik zum Schlachtfeld innenpolitischer Streitereien
    und landespolitischer Profilierungsversuche machen.


    (Beifall bei der SPD)

    Übrigens zeigt Ihre Sprachkritik an den Formulierungen
    von Tampere, daß Sie bis vor kurzem und während all
    der Jahre der Kohl-Regierung keine europäischen Texte
    gelesen haben können.


    (Beifall bei der SPD)

    In einem Punkt allerdings stimmen wir überein: Der

    Beschluß des Europäischen Rates zur Erarbeitung einer
    Charta der Grundrechte ist eines der erfreulichsten
    Ergebnisse von Tampere. Ich will meine Ausführungen

    auf dieses Thema konzentrieren. Zu den einzelnen
    Schlußfolgerungen für die europäische Justiz- und In-
    nenpolitik werden sich die beiden zuständigen Ressort-
    minister ausführlich äußern. Es ist das Verdienst von
    Otto Schily und Herta Däubler-Gmelin und auch von
    Außenminister Joschka Fischer, daß Tampere insgesamt
    ein großer Erfolg geworden ist.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Der Beschluß des Europäischen Rats zur Grund-
    rechtscharta führte die im März 1999 unter deutscher
    Präsidentschaft verabschiedeten Schlußfolgerungen des
    Kölner Gipfels aus. Dadurch ist ein großer Schritt zur
    Verwirklichung einer Forderung gelungen, die im Deut-
    schen Bundestag erstmals im Juni 1995 von der SPD-
    Fraktion erhoben und ausführlich begründet worden ist.
    Erfreulicherweise haben sich bereits im Dezember 1995
    alle Fraktionen des Deutschen Bundestages dieser For-
    derung angeschlossen. Wir hatten damals auf die ver-
    breitete Europamüdigkeit hingewiesen und die Frage ge-
    stellt, ob nicht eine Vision notwendig sei, mit der wir
    der Union neue Ausstrahlung geben könnten. Deshalb
    haben wir gefordert, dem EU-Vertrag eine Charta euro-
    päischer Menschen- und Bürgerrechte oder – in unserer
    deutschen Terminologie – einen europäischen Grund-
    rechtskatalog voranzustellen. Damit haben wir versucht,
    eine Diskussion wiederzubeleben, die es seit Jahren im
    Europäischen Parlament immer wieder einmal gegeben
    hatte. Ich erinnere nur daran, daß das Europäische Par-
    lament 1984 in seinem Spinelli-Entwurf die Verabschie-
    dung eines Grundrechtskatalogs gefordert hatte. Fünf
    Jahre später verabschiedete das Parlament einen ersten
    Beschluß eines einheitlichen Grundrechtskatalogs, in
    dem sich Menschenrechte, demokratische und soziale
    Grundrechte wiederfinden.

    Die Geschichte und Theorie der Grundrechte zeigt,
    daß es sich bei dem nunmehr unwiderruflich eingeleite-
    ten Prozeß nicht um folgenlose Grundrechtsrhetorik
    handelt. Ein Gemeinwesen, das sich ausdrücklich zum
    Schutz der Grundrechte verpflichtet, gewinnt eine tiefe
    Legitimation. Nur ein solches Gemeinwesen kann mit
    Solidarität und Akzeptanz rechnen. Aber vor allem ha-
    ben Grundrechte eine Konsensfunktion. In ihnen werden
    gemeinsame Wertvorstellungen zum Ausdruck gebracht.
    Eine dem Grundrechtsschutz ausdrücklich und sichtbar
    verpflichtete Europäische Union wird mehr noch als in
    der Vergangenheit eine Signalwirkung nach außen, aber
    auch nach innen hinsichtlich der weiteren Integration
    Europas haben.

    Vor der erwähnten Bundestagsdebatte hatte ich im
    Frühjahr 1995 einen vorläufigen Diskussionsentwurf
    einer Grundrechtscharta erstellt, der in der Folgezeit
    zum Thema von Workshops und Diskussionsveranstal-
    tungen wurde, auf denen ich wertvolle Kritik und viel
    Zustimmung erhalten habe. Aber wir haben darauf ver-
    zichtet, einen solchen Entwurf im Bundestag einzubrin-
    gen und zu einer Bundestagsdrucksache zu machen, weil
    wir den Eindruck vermeiden wollten, daß sich die Deut-
    schen als Oberlehrer in Fragen der Menschen- und Bür-
    gerrechte aufspielen wollen. Diesen Eindruck sollten wir
    tunlichst vermeiden.

    Dr. Jürgen Rüttgers






    (A) (C)



    (B) (D)


    Ich habe keinen Zweifel daran, daß sich das einzuset-
    zende Gremium auch mit unserem Grundgesetz und den
    Grundrechtskatalogen der Verfassungen nicht zuletzt der
    neuen Bundesländer beschäftigen wird. Dieselbe Auf-
    merksamkeit werden auch die Grundrechtskodifikatio-
    nen anderer europäischer Mitgliedstaaten finden. So hat
    etwa Finnland 1995 einen umfangreichen Grundrechts-
    katalog verabschiedet. Ich nenne als weiteres Beispiel
    die Verfassung der Republik Portugal von 1992, die in
    68 Artikeln eine ganze Reihe eindrucksvoll formulierter
    Grundrechte und Grundpflichten enthält. Der Gedanke,
    daß es nicht nur Grundrechte, sondern auch mit ihnen
    korrespondierende Grundpflichten gibt, bedarf nach
    meiner Überzeugung vertiefter Erörterungen. Die prakti-
    sche Bedeutung erschließt sich jedem ohne weiteres, der
    sich zum Beispiel für die Einführung eines sozialen
    Grundrechts auf Arbeit einsetzt.

    Wir alle wissen, daß die skizzierten Forderungen im
    Amsterdamer Vertrag, an den wir 1995 eigentlich ge-
    dacht hatten, nicht realisiert wurden. Es gab lediglich
    eine gewisse Konkretisierung und Erweiterung des frü-
    heren Art. F des EU-Vertrags im heutigen Art. 6 des
    Amsterdamer Vertrags. Von einer Grundrechtscharta
    konnte noch keine Rede sein. Der Durchbruch – hier ge-
    bührt Bundeskanzler Gerhard Schröder ein besonderes
    Verdienst – gelang erst auf dem Kölner Gipfel. Dies ist
    ein bleibendes Verdienst der deutschen Präsidentschaft,
    das auch vom Bundestag vorbehaltlos anerkannt werden
    muß.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Wir haben dann vor wenigen Wochen durch einen
    Beschluß nach § 93a unserer Geschäftsordnung der Re-
    gierung für Tampere Aufträge erteilt, die mit der Ver-
    bindlichkeit nach Art. 23 unserer Verfassung ausgestat-
    tet waren. Was ist aus diesen Aufträgen geworden?

    Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Auch hier ge-
    bührt der Bundesregierung uneingeschränktes Lob. Das
    hätte der Kollege Rüttgers fairerweise auch einmal zum
    Ausdruck bringen können.


    (Zuruf von der SPD: Genau!)

    Ich gehe auf unseren Beschluß ein. Die Anzahl der

    Mitglieder des nunmehr vorgesehenen Gremiums ent-
    spricht bis auf einen zusätzlichen Abgeordneten des
    Europaparlaments, was wir nur begrüßen können, exakt
    unseren Vorstellungen. Die von uns gewünschte Beteili-
    gung der Beitrittskandidaten wird durch den vorgesehe-
    nen Gedankenaustausch zwischen dem Gremium oder
    dem Vorsitzenden und den Beitrittsländern sicherge-
    stellt. Die von uns allen geforderte Transparenz der Be-
    ratungen ist dadurch gewährleistet, daß die Sitzungen
    des Gremiums und die in diesen Sitzungen unterbreite-
    ten Dokumente der Öffentlichkeit zugänglich sein sol-
    len. Außerdem ist vorgesehen, daß neben den Beobach-
    tern der beiden europäischen Gerichte sowie des Euro-
    parates auch sonstige Gremien, gesellschaftliche Grup-
    pen oder Sachverständige gehört werden.

    Am schwierigsten war aber die Durchsetzung unserer
    Forderung, daß das Gremium selbst seinen Vorsitzenden

    wählen sollte. Mit unserer ergänzenden Forderung, der
    Vorsitz solle während der Ausarbeitung der Charta in
    einer Hand bleiben, hatten wir uns gegen einen wech-
    selnden Vorsitz der jeweiligen Präsidentschaft gewandt.
    Deshalb ist es nach anfänglichen Schwierigkeiten noch
    im vorbereitenden allgemeinen Rat äußerst erfreulich,
    daß sich beim Gipfel im Tampere unsere Forderung
    durchgesetzt hat. Das ist von ganz zentraler Bedeutung
    vor allem auch wegen der außerordentlich weitreichen-
    den Rechte, die der Vorsitzende erhalten soll. Er soll
    nämlich bereits dann den Entwurf der Charta dem Euro-
    päischen Rat im Wege des üblichen Verfahrens zuleiten,
    wenn er im engen Benehmen mit seinen Stellvertretern
    zu der Auffassung gelangt, daß der von dem Gremium
    ausgearbeitete Entwurf für alle Seiten zustimmungsfähig
    ist; ein gewiß ungewöhnliches Verfahren, das die Stel-
    lung des Vorsitzenden außerordentlich stark macht.

    Ich erinnere in diesem Zusammenhang an unseren
    Beschluß, wonach dem Europäischen Parlament und den
    nationalen Gesetzgebungsorganen eine hervorragende
    Bedeutung bei der Ausarbeitung der Grundrechtscharta
    zukomme – ich zitiere aus unserem Beschluß –, „weil es
    sich hierbei um eine Aufgabe der Volksvertretungen
    handelt“. Daraus folgt für mich, daß das Gremium, das
    aus 46 Parlamentariern und aus 16 weiteren Mitgliedern,
    also zu etwa drei Vierteln aus Abgeordneten besteht,
    auch einen Abgeordneten zum Vorsitzenden wählen
    sollte. Nach meiner persönlichen Meinung sollte dies ein
    Abgeordneter des Europäischen Parlaments sein.


    (Zuruf von der CDU/CSU: Warum denn?)

    Bei aller Freude über das in Tampere Erreichte blei-

    ben selbstverständlich noch etliche Fragen offen. Ich
    will einige nennen.

    Bei einem kürzlichen Treffen von Abgeordneten der
    Europaausschüsse, der nationalen Parlamente der EU
    und des Europaparlaments wurde von einigen Kollegen
    die Auffassung vertreten, es reiche doch eigentlich aus,
    den insbesondere durch die Europäische Menschen-
    rechtskonvention erreichten Grundrechtsschutz nebst
    der dazu ergangenen Rechtsprechung der beiden Euro-
    päischen Gerichtshöfe in einem gut lesbaren Dokument
    zusammenzufassen. Zwar habe der Europäische Ge-
    richtshof festgestellt, daß die EU mangels eigener
    Rechtspersönlichkeit der Europäischen Menschen-
    rechtskonvention nicht beitreten könne. Das verhindere
    aber nicht, daß man diese Konvention gewissermaßen zu
    einem nur leicht modifizierten EU-Vertragsdokument
    macht.

    Meine sehr geehrten Damen und Herren, es kann
    nach meiner Auffassung nicht zweifelhaft sein, daß die
    Konvention eine wichtige Grundlage der zu erarbeiten-
    den Charta sein wird, aber sie reicht keineswegs aus.

    Erstens ist der Grundrechtsschutz der Europäischen
    Menschenrechtskonvention lückenhaft. Sie garantiert
    beispielsweise nicht die Unantastbarkeit der Menschen-
    würde oder das allgemeine Persönlichkeitsrecht oder die
    für eine Kulturgemeinschaft nach meiner Auffassung
    konstitutive Kunst- und Forschungsfreiheit oder das
    Recht auf Schutz vor politischer Verfolgung oder gar

    Dr. Jürgen Meyer (Ulm)







    (B)



    (A) (C)



    (D)


    Grundrechte der sogenannten dritten Generation wie et-
    wa das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.

    Zweitens. Die Europäische Union kann durch die
    mehr oder weniger unveränderte Annahme einer Kon-
    vention des Europarates von 1950 kaum eine un-
    verwechselbare und eigenständige Legitimation gewin-
    nen.

    Drittens. Es geht in der Charta selbstverständlich
    nicht nur um Menschenrechte, sondern auch um Bürger-
    rechte der Bürgerinnen und Bürger der Europäischen
    Union. Als Beispiel nenne ich nur das aktive und passi-
    ve Wahlrecht oder die Freizügigkeit.

    Eine weitere noch klärungsbedürftige Frage betrifft
    die Verbindlichkeit der in der Charta niedergelegten
    Grundrechte. Ohne die Öffnung eines Rechtsweges zum
    Europäischen Gerichtshof in Luxemburg würde das
    ganze Unternehmen zunächst Hoffnungen wecken und
    am Ende in tiefer Enttäuschung enden. Der historische
    Beleg dafür ist die Geschichte der Grundrechte der
    Weimarer Reichsverfassung, die bekanntlich nicht in
    diesem Sinne einklagbar waren.

    Zur Verbindlichkeit der Charta gehört selbstver-
    ständlich auch, daß es nicht eine bloße Resolution wird.
    Die Charta sollte deshalb zum ersten Teil des EU-
    Vertrages gemacht werden. Die praktische Folge wäre,
    daß die europäischen Verträge, wie wir es nennen, ver-
    fassungskonform, also chartakonform ausgelegt werden
    müssen.

    In diesem Zusammenhang muß auch die Reichweite
    der Grundrechtscharta reflektiert werden. Neben der
    bereits erwähnten Funktion als Auslegungsinstrument
    der europäischen Verträge stellt sich nämlich die Frage,
    wer in erster Linie durch die Charta als deren Adressat
    verpflichtet werden soll. Es wird nach meiner Auffas-
    sung wahrscheinlich hilfreich sein, klarzustellen, daß
    dies die europäischen Institutionen sind. Mit der Forde-
    rung, die Bürokratie in Brüssel besser als bisher zu kon-
    trollieren, findet man jedenfalls auch bei denen, die dem
    Unternehmen Grundrechtscharta skeptisch gegenüber-
    stehen, nachhaltige Zustimmung.

    Wer Transparenz fordert, der muß sich auch selbst
    bemühen, sie herzustellen. Diese Aufforderung richtet
    sich nicht nur an das einzurichtende Gremium; vielmehr
    ist es auch Sache der Parteien, der Gewerkschaften, der
    Kirchen und der gesellschaftlichen Institutionen, einen
    öffentlichen Diskussionsprozeß anzustoßen und zu füh-
    ren. Im Bundestag sollten wir eine überfraktionelle Ge-
    sprächsrunde einrichten, die allen daran interessierten
    Abgeordneten Gelegenheit gibt, ihre Beiträge einzubrin-
    gen.

    Nach einem derartigen öffentlichen Diskussions-
    prozeß könnte es durchaus sinnvoll sein, ein EU-wei-
    tes Referendum über die Grundrechtscharta durchzufüh-
    ren.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der PDS)


    Damit könnten alle Bürgerinnen und Bürger der Euro-
    päischen Union zum Ausdruck bringen: Wir sind nicht

    nur eine Wirtschaftsgemeinschaft; vielmehr sind wir alle
    Bürgerinnen und Bürger einer europäischen Wertege-
    meinschaft.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)


    Ich danke Ihnen.