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    Plenarprotokoll 14/61 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 61. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 7. Oktober 1999 I n h a l t : Eintritt des Abgeordneten Horst Günther (Duisburg) in den Deutschen Bundestag ......... 5373 A Eintritt des Abgeordneten Uwe Hiksch in die Fraktion PDS ................................................... 5373 A Erweiterung und Abwicklung der Tagesord- nung ................................................................. 5373 B Begrüßung des Präsidenten der Nationalver- sammlung des Königreichs Kambodscha, S. K. H. Norodom Ranariddh, und seine Delegation ........................................................... 5428 A Tagesordnungspunkt 3: Eidesleistung des Bundesministers für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen ...... 5373 C Präsident Wolfgang Thierse............................. 5373 D Reinhard Klimmt, Bundesminister BMVBW.. 5373 D Tagesordnungspunkt 4: Antrag der Fraktionen SPD, CDU/CSU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und F.D.P. Die Rolle der Interparlamentarischen Union (IPU) im Zeitalter der Globali- sierung (Drucksache 14/1567)................... 5374 A Dieter Schloten SPD ........................................ 5374 B Dr. Rita Süssmuth CDU/CSU.......................... 5376 D Dr. Angelika Köster-Loßack BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN................................................. 5377 D Ulrich Irmer F.D.P. .......................................... 5379 B Petra Bläss PDS ............................................... 5380 B Dr. Christoph Zöpel, Staatsminister AA.......... 5381 A Hans Raidel CDU/CSU ................................... 5381 D Tagesordnungspunkt 5: a) Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung der Förderung der ganzjährigen Beschäfti- gung in der Bauwirtschaft (Drucksachen 14/1516, 14/1669, 14/1711, 14/1713) ........ 5383 A b) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu dem Antrag der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Neuregelung zum Schlechtwettergeld noch in dieser Winterperiode (Drucksachen 14/1215, 14/1711) ............... 5383 B Konrad Gilges SPD ......................................... 5383 B Heinz Schemken CDU/CSU............................ 5384 C Peter Dreßen SPD........................................ 5384 D Dr. Thea Dückert BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN................................................................. 5386 C Wolfgang Meckelburg CDU/CSU............... 5387 C Dirk Niebel F.D.P. .......................................... 5388 B Petra Pau PDS.................................................. 5389 D Renate Rennebach SPD ................................... 5390 D Dirk Niebel F.D.P. ...................................... 5391 C Wolfgang Meckelburg CDU/CSU............... 5392 D Dr. Michael Meister CDU/CSU....................... 5393 C Gerd Andres, Parl. Staatssekretär BMA .......... 5395 D Heinz Schemken CDU/CSU............................ 5397 C Gerd Andres, Parl. Staatssekretär BMA .......... 5397 D II Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Oktober 1999 Tagesordnungspunkt 6: a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Norbert Geis, Ronald Pofalla, weiteren Abgeordneten und der Fraktion CDU/ CSU eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Änderung des Gesetzes über Fernmeldeanlagen (Drucksache 14/1315) 5398 C b) Erste Beratung des von den Abgeordneten Norbert Geis, Ronald Pofalla, weiteren Abgeordneten und der Fraktion CDU/ CSU eingebrachten Entwurfs eines dritten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches, der Strafprozeßordnung und des Versamm- lungsgesetzes und zur Einführung einer Kronzeugenregelung bei terroristischen Straftaten (Drittes Kronzeugen-Verlän- gerungs-Gesetz) (Drucksache 14/1107).... 5398 C c) Erste Beratung des vom Bundesrat einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches (§§ 43, 44, 51, 54, 59, 59a StGB) und der Strafprozeßordnung (§§ 153, 267 StPO) – Gesetz zur Verbesserung des strafrechtlichen Sanktionensystems – (Drucksache 14/761) .................................. 5398 D d) Erste Beratung des vom Bundesrat ein- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches (§§ 40a, 51, 79), des Einführungsgeset- zes zum Strafgesetzbuch (Artikel 293) und der Strafprozeßordnung (§§ 407, 459k) – Gesetz zur Einführung der ge- meinnützigen Arbeit als strafrechtliche Sanktion – (Drucksache 14/762) ............... 5398 D e) Erste Beratung des vom Bundesrat ein- gebrachten Entwurfs eines ... Strafrecht- sänderungsgesetzes – Sexueller Miß- brauch von Kindern – (Drucksache 14/1125) ..................................................... 5399 A f) Erste Beratung des vom Bundesrat einge- brachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches und anderer Gesetze – Widerruf der Straf- und Strafrestaussetzung – (... StrÄndG) (Drucksache 14/1467) ................................ 5399 A g) Erste Beratung des vom Bundesrat ein- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Strafvollzugsgesetzes (Drucksache 14/1519) ................................ 5399 A h) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Ge- setzes zur Änderung und Ergänzung des Strafverfahrensrechts – Strafver- fahrensänderungsgesetz 1999 (Druck- sache 14/1484) ........................................... 5399 A Dr. Rupert Scholz CDU/CSU.......................... 5399 B Alfred Hartenbach SPD ................................... 5400 C Jörg van Essen F.D.P. ..................................... 5401 D Hans-Christian Ströbele BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ........................................................ 5403 C Dr. Evelyn Kenzler PDS.................................. 5406 A Dr. Jürgen Meyer (Ulm) SPD.......................... 5407 B Dr. Manfred Weiß, Staatsminister (Bayern) .... 5409 B Anni Brandt-Elsweier SPD.............................. 5410 D Volker Kauder CDU/CSU ............................... 5411 D Dr. Jürgen Meyer (Ulm) SPD...................... 5412 A Erika Simm SPD.............................................. 5413 A Eckart von Klaeden CDU/CSU ....................... 5414 A Dr. Herta Däubler-Gmelin, Bundesministerin BMJ ................................................................. 5415 B Norbert Geis CDU/CSU .................................. 5417 D Hans-Christian Ströbele BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN..................................................... 5418 A Tagesordnungspunkt 11: Überweisungen im vereinfachten Verfahren a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Reform der gesetzlichen Kranken- versicherung ab dem Jahr 2000 (GKV- Gesundheitsreform 2000) (Drucksache 14/1721) ..................................................... 5419 C b) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Sanierung des Bundeshaushalts (Haushaltssanierungsgesetz) (Drucksa- chen 14/1636, 14/1680) ............................. 5419 D c) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Bereinigung von steuerlichen Vorschriften (Steuerbereinigungsgesetz 1999) (Drucksachen 14/1655, 14/1720)..... 5419 D d) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 9. September 1998 zwischen der Regie- rung der Bundesrepublik Deutschland, der Regierung der Französischen Republik, der Regierung der Italienischen Republik und der Regierung des Vereinigten König- reichs Großbritanniens und Nordirland zur Gründung der Gemeinsamen Organi- sation für Rüstungskooperation (Organi- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Oktober 1999 III sation Conjointe de Coopérration en Ma- tière d’Armement) OCCAR (OCCAR- Übereinkommen) (Drucksache 14/1709) . 5419 D e) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes über die Änderung währungsrecht- licher Vorschriften infolge der Einführung des Euro-Bargeldes (Drittes Euro-Ein- führungsgesetz) (Drucksache 14/1673) .... 5420 A f) Erste Beratung des von den Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Ent- lastung des Bundesfinanzhofs (Druck- sache 14/1666) ........................................... 5420 A g) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Protokoll zur Änderung des Übereinkommens vom 23. Juli 1990 über die Beseitigung der Doppelbe- steuerung im Falle von Gewinnberich- tigungen zwischen verbundenen Unter- nehmen (Drucksache 14/1653).................. 5420 B h) Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Neuordnung des Berufsrechts der Rechtsanwälte und der Patentanwälte (Drucksache 14/1661) ................................ 5420 B i) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes über die Umwandlung der Deut- schen Siedlungs- und Landesrenten- bank in eine Aktiengesellschaft (DSL Bank-Umwandlungsgesetz) (Drucksache 14/1672) ..................................................... 5420 B j) Antrag der Abgeordneten Ulla Jelpke, Petra Pau, Dr. Ruth Fuchs und der Frak- tion PDS Entkriminalisierung des Gebrauchs bis- lang illegaler Rauschmittel, Legalisie- rung von Cannabisprodukten, kontrol- lierte Abgabe sogenannter harter Dro- gen (Drucksache 14/1695) ......................... 5420 C Tagesordnungspunkt 12: Abschließende Beratungen ohne Aussprache a) Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Dreiundreißigsten Gesetzes zur Än- derung des Lastenausgleichsgesetzes (Drucksachen 14/866, 14/1729) ................. 5420 D b–f) Beschlußempfehlungen des Petitionsaus- schusses Sammelübersichten 79, 80, 81, 82 und 83 zu Petitionen (Drucksachen 14/1684, 14/1685, 14/1686, 14/1687 und 14/1688) ................................ 5421 A Zusatztagesordnungspunkt 3: Beschlußempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung Deutsche Beteiligung an dem inter- nationalen Streitkräfteverband in Ost- timor (Interfet) zur Wiederherstellung von Sicherheit und Frieden auf der Grundlage der Resolution 1264 (1999) des Sicherheitsrats der Vereinten Na- tionen vom 15. September 1999 (Druck- sachen 14/1719, 14/1754) .......................... 5421 C Joseph Fischer, Bundesminister AA................ 5421 D Karl Lamers CDU/CSU................................... 5423 A Volker Neumann (Bramsche) SPD.................. 5424 B Walter Hirche F.D.P. ...................................... 5426 C Carsten Hübner PDS........................................ 5428 B Hans-Christian Ströbele BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ........................................................ 5430 A Carsten Hübner PDS........................................ 5430 B Rudolf Scharping, Bundesminister BMVg...... 5430 B Carsten Hübner PDS.................................... 5430 C Paul Breuer CDU/CSU.................................... 5433 B Werner Hoyer F.D.P. ...................................... 5434 B Helmut Wieczorek (Duisburg) SPD ................ 5434 C Rudolf Scharping, Bundesminister BMVg...... 5434 D Walter Hirche F.D.P. ...................................... 5435 B Dr. Helmut Lippelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN................................................................. 5435 B Dr. Wolfgang Bötsch CDU/CSU..................... 5436 C Zusatztagesordnungspunkt 4: Vereinbarte Debatte Auswirkungen und Konsequenzen des Unfalls in der Atomanlage in Tokaimura, Japan ......................................................... 5438 A Jürgen Trittin, Bundesminister BMU .............. 5438 B Dr. Paul Laufs CDU/CSU................................ 5439 C Horst Kubatschka SPD .................................... 5440 D IV Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Oktober 1999 Brigit Homburger F.D.P. ................................ 5442 C Eva-Maria Bulling-Schröter PDS .................... 5444 A Michaele Hustedt BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN................................................................. 5445 A Birgit Homburger F.D.P. ................................ 5446 A Michaele Hustedt BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN................................................................. 5446 C Ulrich Klinkert CDU/CSU............................... 5446 D Franziska Eichstädt-Bohlig BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN ............................................. 5447 C Michaele Hustedt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN..................................................... 5448 A Dr. Hermann Scheer SPD ................................ 5448 B Kurt-Dieter Grill CDU/CSU............................ 5450 B Jürgen Trittin, Bundesminister BMU............... 5451 C Dr. Reinhard Loske BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN......................................................... 5452 A Ulrike Mehl SPD ............................................. 5452 D Dr. Paul Laufs CDU/CSU................................ 5453 A Zusatztagesordnungspunkt 5: Aktuelle Stunde betr. Haltung der Bundesregierung zu aktuellen Steuer- vorschlägen; insbesondere unter den Gesichtspunkten sozialer Ausgewogen- heit, Haushaltssolidität und Verfas- sungsmäßigkeit ......................................... 5453 C Joachim Poß SPD ............................................ 5453 D Gerda Hasselfeldt CDU/CSU .......................... 5455 A Christine Scheel BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN................................................................. 5456 B Dr. Hermann Otto Solms F.D.P. ..................... 5457 C Dr. Barbara Höll PDS ...................................... 5458 D Dr. Kurt Faltlhauser, Staatsminister (Bayern).. 5460 A Reinhard Schultz (Everswinkel) SPD.............. 5462 B Dietrich Austermann CDU/CSU...................... 5463 C Klaus Wolfgang Müller (Kiel) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN................................................. 5465 A Horst Schild SPD............................................. 5466 B Elke Wülfing CDU/CSU.................................. 5467 B Hans Eichel, Bundesminister BMF.................. 5468 C Friedrich Merz CDU/CSU ............................... 5471 B Detlev von Larcher SPD .................................. 5472 C Tagesordnungspunkt 8: Erste Beratung des von den Abgeordneten Jörg van Essen, Rainer Funke, weiteren Abgeordneten und der Fraktion F.D.P. eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung der Pressefreiheit (Druck- sache 14/1602) ........................................... 5473 C Jörg van Essen F.D.P. ..................................... 5473 D Dr. Jürgen Meyer (Ulm) SPD.......................... 5474 D Ronald Pofalla CDU/CSU ............................... 5476 B Hans-Christian Ströbele BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ........................................................ 5478 B Jürgen Koppelin F.D.P. .............................. 5478 C Angela Marquardt PDS ................................... 5479 D Tagesordnungspunkt 7: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern 1999 (Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz 1999) (Drucksachen 14/1088, 14/1727, 14/1730) 5480 C Tagesordnungspunkt 9: Bericht des Ausschusses für Bildung, For- schung und Technikfolgenabschätzung ge- mäß § 56a der Geschäftsordnung Technikfolgenabschätzung hier: „Entwicklung und Folgen des Tou- rismus“ Bericht zum Abschluß der Phase II (Drucksache 14/1100) ................................ 5481 A Brigit Roth (Speyer) SPD ................................ 5481 B Klaus Brähmig CDU/CSU............................... 5482 D Birgit Roth (Speyer) SPD ............................ 5484 C Sylvia Voß BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ...... 5485 B Ernst Burgbacher F.D.P. ................................. 5487 B Rosel Neuhäuser PDS...................................... 5488 C Annette Faße SPD ........................................... 5489 C Klaus Brähmig CDU/CSU........................... 5490 A Edeltraut Töpfer CDU/CSU ............................ 5491 D Anita Schäfer CDU/CSU................................. 5492 D Tagesordnungspunkt 10: Erste Beratung des von den Abgeordneten Eva-Maria Bulling-Schröter, Monika Balt, weiteren Abgeordneten und der Fraktion Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Oktober 1999 V PDS eingebrachten Entwurf eines Geset- zes zur Änderung des Atomgesetzes (Drucksache 14/841) .................................. 5494 A Eva-Maria Bulling-Schröter PDS .................... 5494 B Horst Kubatschka SPD .................................... 5495 A Dr. Paul Laufs CDU/CSU................................ 5497 B Michaele Hustedt BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN................................................................. 5498 D Nächste Sitzung ............................................... 5500 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten............ 5501 A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Rudolf Bindig (SPD) zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Auswärtigen Ausschusses: Deutsche Beteiligung an dem internationalen Streitkräfteverband in Ost- timor (Interfet) zur Wiederherstellung von Sicherheit und Frieden auf der Grundlage der Resolution 1264 (1999) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vom 15. September 1999 (Zusatztagesordnungspunkt 3) ................ 5501 C Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Dr. Karl A. Lamers (CDU/CSU) zur Abstim- mung über die Beschlußempfehlung des Auswärtigen Ausschusses: Deutsche Beteili- gung an dem internationalen Streitkräftever- band in Osttimor (Interfet) zur Wiederher- stellung von Sicherheit und Frieden auf der Grundlage der Resolution 1264 (1999) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vom 15. September 1999 (Zusatztagesordnungs- punkt 3)............................................................ 5502 A Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Christian Simmert, Hans-Christian Strö- bele, Claudia Roth (Augsburg), Irmingard Schewe-Gerigk und Sylvia Voß (alle BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstim- mung über die Beschlußempfehlung des Auswärtigen Ausschusses: Deutsche Beteili- gung an dem internationalen Streitkräftever- band in Osttimor (Interfet) zur Wiederher- stellung von Sicherheit und Frieden auf der Grundlage der Resolution 1264 (1999) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vom 15. September 1999 (Zusatztagesordnungs- punkt 3)............................................................ 5502 B Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Friedbert Pflüger, Dr. Michael Meister, Marlies Pretzlaff, Peter Götz, Bernd Schmid- bauer, Ingrid Fischbach, Bärbel Sothmann, Günter Baumann, Dorothea Störr-Ritter, Ilse Falk, Klaus-Jürgen Hedrich, Renate Diemers, Werner Lensing, Thomas Dörflinger, Marie- Luise Dött, Bernward Müller (Jena), Dr. Helmut Kohl, Franz Obermeier, Elmar Müller (Kirchheim), Albert Deß, Dr. Peter Paziorek, Dr. Peter Ramsauer, Dr.-Ing. Dietmar Kansy, Erich G. Fritz, Matthäus Strebl und Leo Dautzenberg (alle CDU/CSU) zur Abstim- mung über die Beschlußempfehlung des Auswärtigen Ausschusses: Deutsche Beteili- gung an dem internationalen Streitkräftever- band in Osttimor (Interfet) zur Wiederher- stellung von Sicherheit und Frieden auf der Grundlage der Resolution 1264 (1999) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 15. September 1999 (Zusatztagesordnungs- punkt 3)............................................................ 5502 D Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zum Ent- wurf eines Gesetzes über die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern 1999 (Tagesordnungspunkt 7) Hans-Peter Kemper SPD ................................. 5503 B Meinrad Belle CDU/CSU ................................ 5504 B Cem Özdemir BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.... 5505 D Rainer Funke F.D.P. ....................................... 5507 B Heidemarie Ehlert PDS ................................... 5508 A Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär BMI 5508 D Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Rede zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Atomgeset- zes (Tagesordnungspunkt 10) Birgit Homburger F.D.P. ............................... 5510 A Anlage 8 Amtliche Mitteilung ........................................ 5510 D Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Oktober 1999 5373 (A) (C) (B) (D) 61. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 7. Oktober 1999 Beginn: 9.00 Uhr
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    ––––––––––––*) Anlage 7 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Oktober 1999 5501 (A) (C) (B) (D) Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich Altmann (Aurich), Gila BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 7.10.99 Beck (Köln), Volker BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 7.10.99 Dr. Blüm, Norbert CDU/CSU 7.10.99 Böttcher, Maritta PDS 7.10.99 Bosbach, Wolfgang CDU/CSU 7.10.99 Buntenbach, Annelie BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 7.10.99 Flach, Ulrike F.D.P. 7.10.99 Frick, Gisela F.D.P. 7.10.99 Friedhoff, Paul K. F.D.P. 7.10.99 Friedrich (Augsburg), Peter SPD 7.10.99 Gebhardt, Fred PDS 7.10.99 Girisch, Georg CDU/CSU 7.10.99 Großmann, Achim SPD 7.10.99 Hauser (Rednitzhembach), Hansgeorg CDU/CSU 7.10.99 Dr. Haussmann, Helmut F.D.P. 7.10.99 Herzog, Gustav SPD 7.10.99 Höfer, Gerd SPD 7.10.99 Hovermann, Eike Maria Anna SPD 7.10.99 Jacoby, Peter CDU/CSU 7.10.99 Dr. Kolb, Heinrich Leonhard F.D.P. 7.10.99 Lamers, Karl CDU/CSU 7.10.99 Leidinger, Robert SPD 7.10.99 Lippmann, Heidi PDS 7.10.99 Dr. Lippold (Offenbach), Klaus W. CDU/CSU 7.10.99 Möllemann, Jürgen W. F.D.P. 7.10.99 Schmidt (Fürth), Christian CDU/CSU 7.10.99 Dr. Schmidt-Jortzig, Edzard F.D.P. 7.10.99 Schmitz (Baesweiler), Hans Peter CDU/CSU 7.10.99 Schörder, Gerhard SPD 7.10.99 Seehofer, Horst CDU/CSU 7.10.99 Dr. Stadler, Max F.D.P. 7.10.99 Dr. Waigel, Theodor CDU/CSU 7.10.99 Wiefelspütz, Dieter SPD 7.10.99 Willner, Gert CDU/CSU 7.10.99 Wissmann, Matthias CDU/CSU 7.10.99 Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Rudolf Bindig (SPD) zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Auswärtigen Ausschusses: Deutsche Beteili- gung an dem internationalen Streitkräftever- band in Osttimor (Interfet) zur Wiederherstel- lung von Sicherheit und Frieden auf der Grundlage der Resolution 1264 (1999) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vom 15. September 1999 (Zusatztagesordnungspunkt 3) Die Ereignisse in Osttimor haben den Einsatz der in- ternationalen Gemeinschaft (UN) erforderlich gemacht. In der UN sind dafür die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen worden. Auch Deutschland sollte dazu einen geeigneten Beitrag erbringen. Für Osttimor wurde und wird bereits humanitäre Hil- fe aus dem Auswärtigen Amt und dem Bundesministeri- um für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwick- lung geleistet in einer Gesamthöhe von ca. 6,4 Millionen DM für Nahrungsmittel, Medikamente, Kranken- hausausstattung und zur Trinkwasserversorgung. Erkun- digungen vor Ort haben ergeben, daß die Wiederher- stellung der Wasserversorgung, Gewährleistung me- diznischer Grundversorgung sowie effizientes Lagerma- nagement gegenwärtig die drängendsten Aufgaben sind. Mit dem vorliegenden Antrag soll der Deutsche Bun- destag jetzt dem Einsatz bewaffneter deutscher Streit- kräfte zur Beteiligung Deutschland an dem internatio- nalen Streitkräfteverband in Osttimor (Interfet) zustim- men. Es geht um Kräfte für medizinische Evakuierung (Medevac) mit erforderlichen Führungs-, Führungsun- terstützungs-, Einsatzunterstützungs- sowie erforderli- chenfalls Sicherheitskräfte und um die Beteiligung an internationalen Hauptquartieren und die Verbindung zu internationalen Organisationen. Unter humanitären Gesichtspunkten vertrete ich die Auffassung, daß der Einsatz eines militärischen Verban- des aus Deutschland zu diesem Zweck nicht bedarfsge- recht und damit nicht erforderlich ist. Der medizinische Bedarf liegt bei der Versorgung der Bevölkerung in Ost- timor auf dem Lande und in den Flüchtlingslagern und nicht bei einem potentiellen Lufttransport von Dili nach Darwin. In Australien stehen zudem genügend kommer- ziell einsetzbare Kapazitäten für Luftkrankentransporte zur Verfügung. Militär solle im humanitären Bereich nur subsidiär eingesetzt werden, wenn die entsprechende Ver- sorgungsleistung nicht durch zivile Institutionen – und noch dazu billiger – erledigt werden kann. Der Einsatz läßt sich daher aus humanitären Notwen- digkeiten nicht begründen. Mit den einzusetzenden Gel- dern von monatlich ca. 5 Millionen DM könnte andere dringendere humanitäre Leistungen in Osttimor erbracht werden. Ein personeller Einsatzbedarf könnte eher beim Aufbau eines inneren Ordnungswesens und beim Auf- bau einer Zivilverwaltung liegen. 5502 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Oktober 1999 (A) (C) (B) (D) Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Dr. Karl A. Lamers (CDU/ CSU) zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Auswärtigen Ausschusses: Deutsche Beteili- gung an dem internationalen Streitkräftever- band in Osttimor (Interfet) zur Wiederherstel- lung von Sicherheit und Frieden auf der Grundlage der Resolution 1264 (1999) des Si- cherheitsrats der Vereinten Nationen vom 15. September 1999 (Zusatztagesordnungspunkt 3) 1. In Osttimor wurde unter Aufsicht der UN eine Volksabstimmung abgehalten mit dem Ergebnis, daß die Mehrheit der Wähler der Unabhängigkeit Osttimors von Indonesien zustimmte. Die daraufhin ausgebrochenen bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen kosteten bisher ca. 7 000 Menschen das Leben; ca. 400 000 Men- schen wurden vertrieben, befinden sich auf der Flucht oder wurden obdachlos. Diese humanitäre Katastrophe erfordert eine Reaktion der Weltgemeinschaft zur Wie- derherstellung der Ordnung, der Rechte der Einwohner und der Menschenrechte. 2. Ich bekenne mich zu den internationalen Ver- pflichtungen, die Deutschland durch den Beitritt zu den kollektiven Sicherheitssystemen der UN, der NATO, der WEU und der OSZE übernommen hat. 3. Im Falle Osttimors muß allerdings auch berück- sichtigt werden, daß die Völker der ostasiatischen Regi- on Mitverantwortung für die Krisenbewältigung in die- sem Raum tragen. Die International Force East Timor (Interfet) sollte deshalb vor allem aus Truppenkontin- genten von Staaten dieser Region zusammengesetzt werden. Erst wenn sich herausstellen sollte, daß der Bürgerkrieg mit den in der Region vorhandenen Mitteln und Kräften nicht gelöst werden kann, ist Europa und somit auch Deutschland gefordert. 4. Vor dem Hintergrund eines erheblich zurückgefah- renen Verteidigungshaushalts sollte die Bundesregie- rung sich Zurückhaltung hinsichtlich weiterer interna- tionaler Verpflichtungen auferlegen. Der Bundeswehr- Einsatz in Bosnien-Herzegowina und Kosovo bindet schon erhebliche Personal-, Material- und Haushaltsres- sourcen. 5. Aus diesen Gründen kann ich dem von der Bundes- regierung beantragten Bundeswehr-Einsatz nicht zu- stimmen. Ich enthalte mich unter Hinweis auf den von meiner Fraktion vorgelegten Entschließungsantrag. Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Christian Simmert, Hans- Christian Ströbele, Claudia Roth (Augsburg), Irmingard Schewe-Gerigk und Sylvia Ingeborg Voß (alle BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Auswärtigen Ausschusses: Deutsche Beteili- gung an dem internationalen Streitkräftever- band in Osttimor (Interfet) zur Wiederherstel- lung von Sicherheit und Frieden auf der Grundlage der Resolution 1264 (1999) des Si- cherheitsrats der Vereinten Nationen vom 15. September 1999 (Zusatztagesordnungspunkt 3) Teile der Begründung des Beschlusses des Deutschen Bundestages vom 7. Oktober 1999 zum Einsatz von Sa- nitätspersonal der Bundeswehr könnten so verstanden werden, daß damit der Einsatz der Bundeswehr im Bombenkrieg gegen Serbien nachträglich gerechtfertigt sind. Solche Rechtfertigungsversuche lehnen wir ab. Kampfeinsätze kommen für Sanitätseinheiten schon gar nicht in Betracht. Wir halten Einsätze von Bundeswehr- einheiten selbst dann, wenn es sich um medizinisches Personal handelt, grundsätzlich für höchst problema- tisch. Sie dürfen nicht zur Normalität werden. Militär und Soldaten könnten damit in Deutschland legitimiert werden und unverzichtbar erscheinen. Wir lehnen dennoch den Einsatz von Bundeswehr- Sanitätseinheiten im Rahmen der UN-Mission in der jet- zigen Situation in Osttimor nicht ab. Wir sehen diesen Einsatz grundsätzlich als gerechtfertigt an, weil ein ein- deutiges UN-Mandat und die Zustimmung der Kon- fliktparteien vorliegt. Nach Auskunft der Bundesregie- rung werden für die UN-Mission in Osttimor Ärzte, Sa- nitätspersonal und ein besonderes Lazarett benötigt. Zi- vile Hilfsorganisationen können diese Hilfe kurzfristig nicht leisten. Der Einsatz der Bundeswehr-Militäreinheit muß die Ausnahme bleiben. Wir werden uns in der rotgrünen Koalition weiter dafür einsetzen, daß zivile Organisatio- nen in die Lage versetzt werden, in Zukunft schnell und wirksam auch die medizinische Hilfe zu leisten, wie sie jetzt wieder benötigt wird und bisher so nur von Bun- deswehreinheiten erbracht werden kann. Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Friedrich Pflüger, Dr. Michael Meister, Marlies Pretzlaff, Peter Götz, Bernd Schmidbauer, Ingrid Fischbach, Bärbel Sothmann, Günter Baumann, Dorothea Störr- Ritter, Ilse Falk, Klaus-Jürgen Hedrich, Renate Diemers, Werner Lensing, Thomas Dörflinger, Marie-Luise Dött, Bernward Müller (Jena), Dr. Helmut Kohl, Franz Obermeier, Elmar Müller (Kirchheim), Albert Deß, Dr. Peter Paziorek, Dr. Peter Ramsauer, Dr.-Ing. Dietmar Kansy, Erich G. Fritz, Matthäus Strebl und Leo Daut- zenberg (alle CDU/CSU) zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Auswärtigen Ausschusses: Deutsche Beteili- gung an dem internationalen Streitkräftever- band in Osttimor (Interfet) zur Wiederherstel- lung von Sicherheit und Frieden auf der Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Oktober 1999 5503 (A) (C) (B) (D) Grundlage der Resolution 1264 (1999) des Si- cherheitsrats der Vereinten Nationen vom 15. September 1999 (Zusatztagesordnungspunkt 3) Internationale Solidarität, Stärkung der Vereinten Nationen, humanitäres Engagement und die Wahrung der Menschenrechte sind wesentliche Ziele deutscher Außenpolitik. Deshalb kann sich unser Land bei der Hil- fe für Osttimor nicht entziehen. Unsere traditionell guten Beziehungen zu Indonesien und die wachsende Bedeu- tung Asiens in der Weltpolitik erfordern ebenfalls unser Engagement in der Region. Der von der Bundesregierung geplante Einsatz von Sanitätern der Bundeswehr in Osttimor ist allerdings äu- ßerst problematisch. Es gibt dort ausreichende medizini- sche Versorgung, so daß der im Jahr 60 Millionen DM kostende Einsatz schwerlich aus humanitären Gründen erforderlich sein kann. Vor allem vor dem Hintergrund der massiven Strei- chungen, die die Bundesregierung im Verteidigungs- haushalt, bei der Entwicklungshilfe und in den Beiträgen für die UNO vorsieht, kann ein solches Engagement kaum begründet werden. Wir können angesichts der Kürzungspläne der Bundesregierung schon unseren Aufgaben in Europa – etwa im Zusammenhang mit dem Aufbau einer europäischen Verteidigungsidentität oder in Bosnien und im Kosovo – kaum noch nachkommen, eine Schwerpunktsetzung nahe. Wir können nicht alle Probleme auf der Welt durch Entsenden von Soldaten lösen. Moral in der Außenpolitik ist wichtig, aber sie darf sich nicht verzetteln. Da in der Fraktion der CDU/CSU ausreichend und in fairer Weise die Gelegenheit zu einer Sachdebatte be- stand in der jedes Mitglied die Möglichkeit der Mei- nungsäußerung hatte, habe ich mich entschlossen, mich in der Abstimmung im Plenum dem Mehrheitsvolumen meiner Fraktion anzuschließen. Ich tue das im Bewußt- sein der Tatsache, daß es auch gute Gründe für ein En- gagement in Osttimor gibt und im Wissen um den Ent- schließungsantrag der CDU/CSU, der für zusätzliche Aufgaben der Bundeswehr zusätzliche Mittel fordert. Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zum Entwurf eines Gesetzes über die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern 1999 (Tagesordnungspunkt 7) Hans-Peter Kemper (SPD): Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf der Bundesregierung werden die Dienst- und Versorgungsbezüge der Beamten, Richter, Soldaten und Versorgungsempfänger in Bund, Ländern und Ge- meinden angepaßt – auf der Basis des Tarifergebnisses für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des öf- fentlichen Dienstes vom 27. Februar 1999. Damit erhalten die öffentlichen Bediensteten Lohn- und Gehaltszuwächse wie seit Jahren nicht mehr. Sie haben das auch verdient. Der öffentliche Dienst, ein- schließlich der Beamten, leistet gute Arbeit. Wir brau- chen eine motivierte und leistungsbereite Beamten- schaft. Es hat sich insbesondere in der Vereinigungspha- se der beiden deutschen Staat gezeigt, wie wichtig ein intakter öffentlicher Dienst als Grundvoraussetzung für ein vernünftiges Funktionieren des Staates ist. Die Besoldungsanpassung erfolgt allerdings mit eini- gen Abweichungen im Beamtenbereich: Der vorliegende Gesetzentwurf sieht eine Anpassung der Besoldungs- und Versorgungsbezüge um 2,9 Prozent vor. Damit ist sie um 0,2 Prozent niedriger als die An- passung im Tarifbereich. Dieser Differenzbetrag wird erstmalig dem Sondervermögen Versorgungsrücklage des Bundes und der Länder zugeführt. Das haben wir in der letzten Legislaturperiode beschlossen. Damit leisten Beamte einen Beitrag zu ihrer eigenen Altersversorgung, wie bereits bei früherer Gelegenheit auch in ganz erheb- lichem Umfang. Abweichend vom Tarifergebnis wird die Bezügeer- höhung für die Beamten, Richter, Soldaten und Versor- gungsempfänger um zwei Monate zeitlich verschoben. Aus dem gleichen Grunde wird die Besoldungserhöhung für die Empfänger von Bezügen aus der Besoldungs- gruppe B und den vergleichbaren C-Gruppen bis Januar 2000 ausgesetzt. Solche Verschiebungen hat es auch schon früher ge- geben, allerdings im Regelfall immer um Haushaltslö- cher zu stopfen. In diesem Fall erfolgt die Verschiebung, um die Kosten der Entscheidung des Bundesverfas- sungsgerichtes zur Alimentation kinderreicher Beamten- familien aufzufangen. Die Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Familienzuschlag für das dritte und jedes weitere Beamtenkind im Rah- men der diesjährigen Anpassungsrunde ist eine Beson- derheit. Deshalb möchte ich noch einmal kurz darauf eingehen. Zunächst einmal ist festzuhalten, daß es sich um eine Entscheidung handelt, die eine Unterlassung der vorigen Bundesregierung betrifft. Sie haben vom Bundesverfas- sungsgericht in kürzester Zeit zwei kräftige Ohrfeigen bekommen, was die Ausstattung von kinderreichen Fa- milien mit Finanzmitteln anbelangt. Weil Sie frühere Hinweise des Verfassungsgerichtes, aber auch von Fa- milienverbänden in den Wind geschlagen haben und untätig geblieben sind, müssen wir auch hier Fehler aus- bügeln, die uns die alte Bundesregierung als kostspieli- ges Erbe hinterlassen hat. Da wir der Meinung sind, daß bei der Finanzierung solcher Aufgaben starke Schultern mehr tragen können und sollen, halten wir die Regelung bei den B- und ver- gleichbaren Gruppen für vertretbar. Die Entscheidung des Verfassungsgerichts hat weit- reichende Folgen: Es hat entschieden, daß es betroffenen Besoldungs- empfängern nicht zuzumuten ist, für den Unterhalt des dritten und jedes weiteren Kindes auf die familienneu- tralen Bezügebestandteile zurückzugreifen. Für verfas- sungskonform werden kinderbezogene Bezügebestand- teile angesehen, die 15 Prozent über dem sozialhilfe- 5504 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Oktober 1999 (A) (C) (B) (D) rechtlichen Gesamtbedarf eines Kindes liegen. Das ko- stet Geld. Sie haben uns neben den ungelösten Problemen im Familien- und vielen anderen Bereichen auch einen ka- tastrophalen Schuldenberg hinterlassen. Sie haben mit 1,5 Billionen DM Schulden die Planungsgrundlagen zer- stört und eine verwüstete Finanzlandschaft hinterlassen. Deshalb gab es für uns keine andere Alternative als die Finanzierung aus dem System heraus. Daher mußten wir die Anpassung der Dienst- und Versorgungbezüge ge- genüber dem Tarifergebnis für den öffentlichen Dienst um zwei Monate verschieben und die Bezügeanpassung für die höheren Besoldungsgruppen aussetzen. Eine an- dere verantwortbare Gegenfinanzierung sehen wir nicht. Die vom Verfassungsgericht vorgegebene nachträgli- che Verbesserung der kinderbezogenen Anteile im Fa- milienzuschlag erhalten nur diejenigen Bezügeempfän- ger, die ihre Ansprüche auf höhere Besoldung durch Einlegen eines Widerspruchs oder Erhebung einer Klage geltend gemacht haben. Die CDU/CSU-Fraktion hat beantragt, in die rück- wirkende Erhöhung der kinderbezogenen Anteile im Familienzuschlag alle Besoldungsempfänger einzube- ziehen. Das wäre uns natürlich auch am liebsten. Aber, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, Sie wis- sen nur zu genau, daß eine solche Regelung mit Kosten von mehreren Milliarden DM für Bund und Länder nicht finanzierbar wäre. Ganz abgesehen davon, daß Sie kei- nen Hinweis zur Gegenfinanzierung geben, ist es zudem im höchsten Maße unglaubwürdig, wenn ausgerechnet die, die während ihrer Regierungsverantwortung den kinderreichen Familien massenhaft und widerrechtlich das ihnen zustehende Geld vorenthalten haben, nunmehr von der Oppositionsbank aus völlig unbezahlbare Forde- rungen stellen. Im übrigen fordert das Bundesverfassungsgericht eine generelle rückwirkende Regelung auch gar nicht. Es geht vielmehr davon aus, daß die Alimentation von Be- amten der Sache nach die Befriedigung eines gegenwär- tigen Bedarfs aus zur Verfügung stehenden Haushalts- mitteln ist. Insofern wird in dem Urteil eine allgemeine gesetzliche Regelung erst ab dem 1. Januar 2000 gefor- dert. Die von uns geplante Verbesserung der Kinderanteile im Familienzuschlag erfordert keine Mehraufwendun- gen für die öffentlichen Haushalte, weil die Mehrkosten zum einen durch die zweimonatige Verschiebung der Besoldungs- und Versorgungsanpassung und zum ande- ren durch die Aussetzung der Anpassung für die Emp- fänger der B-Gruppen- und vergleichbarer Gehälter ge- genfinanziert sind. Ich hätte mir auch eine andere Lösung gewünscht, und keinen von uns erfüllt die jetzt gefundene Regelung mit heller Freude. Wir sehen jedoch keinen anderen se- riösen Weg, die Dauerversäumnisse der Regierung Kohl im Familienbereich, bei dem Finanzchaos, das Sie uns gleichzeitig hinterlassen haben, zu beseitigen. Meinrad Belle (CDU/CSU): Glaubwürdigkeit, Ver- läßlichkeit und Berechenbarkeit sind die wichtigsten Voraussetzungen einer guten Politik. Das war der Rat- schlag eines alten, erfahrenen und angesehenen Bürger- meisters, als ich vor über 30 Jahren in die Politik einge- stiegen bin. Diese Grundsätze haben Sie – von der Re- gierungskoalition – in Ihrer Beamtenpolitik verlassen und damit Ansehen und Vertrauen in der Beamtenschaft und bei den Versorgungsempfängern verspielt. Ich will dies gerne im einzelnen begründen. 1. Der Entwurf des Besoldungs- und Versorgungsan- passungsgesetzes 1999 bringt a) Einmalzahlungen in Höhe von 300,– DM für die Monate März bis Mai 1999 für alle Empfänger von Dienst- und Versorgungsbezügen der Besoldungs- gruppen A1 bis A16 und entsprechenden C- und R- Besoldungen, b) Anhebung der Besoldungs- und Versorgungsbezü- ge um 2,9 Prozent, wobei die Erhöhung um 0,2 Prozent Punkte niedriger ausfällt, weil der Unterschiedsbetrag erstmals dem Sondervermögen „Versorgungsrücklage“ zugeführt wird, c) eine verzögerte Anpassung erst zum 1. Juni 1999 und damit zwei Monate später als im Tarifbereich, d) Erhöhung des Familienzuschlags für dritte und weitere Kinder entsprechend der Vorgabe des Bundes- verfassungsgerichts mit der Sonderregelung für 1999, die durch den Änderungsantrag auch für 2000 festge- schrieben wird, mit einer Erhöhung um je 200 DM mo- natlich brutto, e) Hinausschiebung der Besoldungserhöhung im ent- sprechenden B- und C-Bereich bis 1.1. 2000. 2. Auch wenn formell heute nicht auf der Tagesord- nung, ist das Haushaltssanierungsgesetz hier und jetzt mit anzusprechen, gestern im Innenausschuß abschlie- ßend beraten. In seinem Art. 32 sieht es vor, daß die Dienst- und Versorgungsbezüge in den Jahren 2000 und 2001 nur im Rahmen des Inflationsausgleichs angeho- ben werden sollen. Mit dieser Politik verletzt die Regierungskoalition gröblich ihre Fürsorgepflicht gegenüber den Bedienste- ten und Versorgungsempfängern. Es gibt hiefür keine sachliche oder fachliche Begründung – das ist Sparen in den Kassen Dritter –, man kann diese Politik nur als Umgang mit den Mitarbeitern „nach Gutsherrenart“ be- zeichnen. Ich will Ihnen dies gerne erläutern. Zur Fortentwick- lung des Beamtenrechts im Sinne der Leistungssteige- rung und der Leistungsanreize haben wir in der letzten Legislaturperiode das Dienstrechtsreformgesetz be- schlossen, dem Sie nach verschiedenen Änderungen auch im Vermittlungsausschuß zugestimmt haben. Die- ses Dienstrechtsreformgesetz bringt, bezogen auf das Jahr 2008, Einsparungen für Bund, Länder und Gemein- den in Höhe von 22,8 Milliarden DM. Ab 2008 werden sich dann jährlich 3,8 Milliarden DM Einsparungen er- geben. Daneben sind seit 1991 bis heute weitere Einspa- rungen im Beamtenbereich realisiert worden, die sich auf über 10 Milliarden DM belaufen, zum Beispiel durch Verschiebung der Anpassung der Gehälter von Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Oktober 1999 5505 (A) (C) (B) (D) 1991 bis 1997 – Einsparvolumen 4,4 Milliarden DM – oder durch Einfrieren des Weihnachtsgeldes auf 93 Pro- zent – Einsparvolumen von 1994 bis 1997 allein 2,2 Milliarden DM. Zur Schulterung der Versorgungslasten in Bund, Länder und Gemeinden haben wir gegen Ende der letz- ten Legislaturperiode das Versorgungsreformgesetz be- schlossen, und zwar in Gleichklang mit der von uns gleichzeitig verabschiedeten Rentenreform. Dieses Ver- sorgungsreformgesetz kürzt kurzfristig durch struktu- relle Einzelmaßnahmen die Versorgungsausgaben um jährlich 5 Milliarden DM und hält damit die Versor- gungsquote auch beim heutigen Stand von 1,2 Prozent (Versorgungsquote ist das Verhältnis der Versorgungs- lasten zum voraussichtlichen Bruttoinlandsprodukt). Außerdem wurde zusätzlich durch die Einführung der Versorgungsrücklage erreicht, daß der Versorgungsberg des Jahres 2020 mit ca. 1,65 Prozent Versorgungsquote untertunnelt wird. Insbesondere bringt aber die Versor- gungslücke, parallel zur von uns vorgesehenen Ent- wicklung in der Rentenversicherung, eine dauerhafte Reduzierung der Bezüge der aktiven Beamten wie der Versorgungsempfänger um 3 Prozent. Bei der Verabschiedung dieser Reformgesetze waren wir uns auch mit den Fachleuten Ihrer heutigen Regie- rungskoalition einig, daß für Sonderopfer der Beamten im Hinblick auf diese Einsparungsmaßnahmen kein Raum mehr gegeben sei – auch keine Verschiebung der Besoldungsanpassungen. Nachdem Sie, Herr Staatssekretär Körper, gestern im Innenausschuß so vehement und mit entsprechendem Pathos erklärten: „Wir haben gehalten, was wir verspro- chen haben“, habe ich in den letztjährigen Sitzungspro- tokollen geblättert. Zur Auffrischung Ihres Langzeitge- dächtnisses will ich Ihnen vorhalten, was ich da gefun- den habe. In Ihrer Rede vor dem Deutschen Bundestag am 16. Januar 1998 formulierten Sie, Herr Staatssekretär Körper, – damals noch als Vorsitzender der Arbeits- gruppe Innen der SPD-Fraktion – völlig zu Recht wie folgt: „Die Tarifergebnisse im Öffentlichen Dienst müs- sen künftig wieder inhalts- und zeitgleich auf den Be- amtenbereich übertragen werden.“ An anderer Stelle fahren Sie fort: „Tatsächlich hat der Öffentliche Dienst seit Amtsantritt der Regierung Kohl einen ganz erheblichen Sparbeitrag geleistet. Vieles ha- ben die Beamtinnen und Beamten in den letzten drei Jahren hinnehmen müssen. Es ist Zeit sich ernsthaft dar- über Gedanken zu machen, wie es um die Motivation der mit immer neuen Sparvorschlägen konfrontierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bestellt ist und wie ein leistungsfähiger Öffentlicher Dienst erhalten werden kann.“ Ich kann nur sagen – Sie hatten völlig recht. Aber leider scheint dies heute offenbar alles vergessen zu sein. Nach der Regierungsübernahme ist dies alles Schnee vom letzten Jahr. Nach Ihrer Regierungsübernahme hatten Sie unsere Rentenreform mit dem demographi- schen Faktor zurückgenommen; die Versorgungsreform blieb unverändert – bis auf das Hinausschieben des Ver- sorgungsabschlages. Insbesondere die dauerhafte Kür- zung der Besoldungs- und Versorgungsbezüge in Höhe von 3 Prozent blieb bestehen. Angesichts dieser Tatsa- che ist die Begründung für die Anpassung der Dienst- und Versorgungsbezüge in Höhe der Inflationsrate als Beitrag, „an der solidarischen Kraftanstrengung der ge- samten Gesellschaft, um den Staat wieder auf eine siche- re Basis zu stellen“, ein Schlag ins Gesicht jedes Beam- ten und Versorgungsempfängers. Im Gegensatz zu allen Bevölkerungsgruppen werden Beamte und Versor- gungsempfänger durch Kürzungen der Dienst- und Ver- sorgungsbezüge über die Versorgungsrücklage um 3 Prozent und der zusätzlichen Reduzierung der Anpas- sung auf die Inflationsrate doppelt belastet – mit insge- samt 6 Prozent. Sie machen heute gerade das Gegenteil dessen, was Sie in der letzten Legislaturperiode verspro- chen haben. So ist das mit der Glaubwürdigkeit Ihrer Politik bestellt. Es sei nur noch am Rande vermerkt, daß Sie mit dieser Politik auch alle Motivations- und Lei- stungsanreize zerstören, die wir gemeinsam mit dem Dienstrechts-Reformgesetz eingeführt haben. Ich kann heute nur abschließend an Sie appellieren, überdenken Sie ernsthaft diese allen Grundsätzen wider- sprechende Politik und kehren Sie zu einer gemeinsa- men, gerechten und verläßlichen Besoldungs- und Ver- sorgungspolitik zurück. Vergessen Sie dabei – nachdem Bundesregierung und Bundestag von Bonn nun nach Berlin umgezogen sind – auch nicht die notwendige Be- soldungsangleichung in Ost und West. Cem Özdemir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der hier vorgelegte Gesetzentwurf über die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern 1999 wird von meiner Fraktion unterstützt. Die Erhöhung der Beamtenbezüge um 2,9 Prozent bedeutet angesichts von 4 Millionen Arbeitslosen wahr- lich keine soziale Härte. Bei aller Kritik an einigen Punkten dieses Gesetzes bin ich froh, daß die Debatte insgesamt doch sachlich und fair geführt wurde. Es ist notwendig, die Erhöhung der Bezüge um 0,2 Prozent abzusenken, um die längst gesetzlich festge- schriebenen Ausführungen an die Versorgungsrücklagen finanzieren zu können. Maßvoll und angemessen ist es auch, die Beamtinnen und Beamten um diesen Anteil an ihrer Altersversorgung zu bitten. Die Belastungen von Bund und Ländern infolge der nicht durch Rücklagen gedeckten Kosten für die Versorgung der Beamtinnen und Beamten sind eine höchst problematische Hypothek für die Zukunft. Wir müssen hier gegensteuern. Das kann nicht ohne eine finanzielle Eigenbeteiligung der Betroffenen selbst gehen. Diese Einsicht hat sich wohl mittlerweile fast überall durchgesetzt. Ich will aber noch bemerken, daß sich die Höhe der Versorgung bei Beamten auch nach dieser Regelung und nach einer Reduzierung der Versorgungsbezüge – um 3 Prozent – immer noch höher liegt als bei Arbeitern und Angestellten, um deren Renten gegenwärtig so hef- tig gestritten wird. Es sei auch daran erinnert, daß Angestellte im öffent- lichen Dienst durch tarifvertraglich vereinbarte Beteili- gung an ihrer Zusatzversicherung zur Altersversorgung 5506 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Oktober 1999 (A) (C) (B) (D) seit dem 1. Januar dieses Jahres Reallohneinbußen von 1,25 Prozent zu verkraften haben. Von daher kann von einem unerträglichen Sonderopfer oder ähnlichem für Beamte ehrlicherweise nicht die Rede sein. Unumgänglich ist schließlich auch die Verschiebung der Besoldungsanpassung um zwei Monate. Die so ein- gesparten 760 Millionen DM sind dringend nötig, um die Mehrkosten infolge der Umsetzung des Bundesver- fassungsurteils vom 24. November 1998 sicherzustellen. Die Neuregelung des besoldungsgesetzlichen Familien- zuschlags muß gegenfinanziert werden. Das geht nur in- nerhalb des Haushaltstitels selbst. die Finanzlage ist der- art angespannt, daß hier keine andere Wahl blieb. Wir müssen handeln und geradebügeln, was die Vor- gängerregierung, gegen die diese erfolgreiche Klage ge- richtet war, unterlassen hat. Wir laufen mit Besen und Kehrblech durch die Republik, um die Scherben der Re- gierung Kohl aufzulesen. Diese Aufgabe ist undankbar. Sie muß aber getan werden, damit wieder finanzielle Spielräume da sind – gerade für soziale Zwecke. Wir wollen noch mehr tun insbesondere auch für Familien mit Kindern. Unsere Sparpolitik ist sozial, weil sie die bröckelnden fiskalischen Fundamente des Sozialstaats erneuert und für die Zukunft bestandsfest macht. Es ist hingegen nicht sozial, Geld, das man nicht hat, auszuge- ben und die nachfolgenden Generationen für die Zinsen zahlen zu lassen. Ich kann mir nur verwundert die Augen reiben, daß die CDU/CSU verlangt, die rückwirkende Nachzahlung des Familienzuschlags allen Betroffenen und nicht nur den Klägern zukommen zu lassen. Sie wissen doch selbst, daß dies in die Milliarden geht: 3 Milliarden DM. In ihrer Regierungszeit provozieren Sie die Entschei- dung des Verfassungsgerichts, um uns dann Ihre Suppe auslöffeln zu lassen. Sie verhalten sich ähnlich populi- stisch wie die PDS in anderen Bereichen. Sie hantieren mit ungedeckten Schecks. Dabei wissen Sie genau, daß das Gericht die nachträgliche Verbesserung der kinder- bezogenen Anteile im Familienzuschlag für dritte und weitere Kinder gerade nicht angeordnet hat. Dabei geht der Bundestag mit diesem hier zur Beschlußfassung an- stehenden Gesetz – und das wissen Sie genau – mit der Gewährung eines pauschalierten monatlichen Erhö- hungsbetrages von 200 DM für jedes dritte und weitere Kind für alle Bezügeempfänger für das Jahr 1999 weit über das hinaus, was das Bundesverfassungsgericht verlangt hat. Die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen sind davon überzeugt, daß ein enger Zusammenhang zwischen der generellen steuerlichen Entlastung von Familien und dem besoldungsrechtlichen Regelungsbe- darf besteht. Diese „große Lösung“ einer umfassenden Neugestaltung des kinderbezogenen Anteils im Famili- enzuschlag kann aber erst nach der Neuregelung des all- gemeinen Familienleistungsausgleichs bewerkstelligt werden. Besonders wichtig und sozial gerecht ist es nach mei- ner festen Überzeugung, daß Empfänger von Amtsbezü- gen wie Minister, Parlamentarische Staatssekretäre so- wie Besoldungs- und Versorgungsempfänger der hohen Besoldungsgruppen auch ihr noch etwas volleres Scherflein beitragen. Die Erhöhung der Gehälter und Versorgungsbezüge für die Besolderungsgruppen B so- wie der Gehälter und Versorgungsbezüge aus den Be- soldungsgruppen B und R 3 bis R 10 und C 4 sollen schließlich nicht ausfallen. Sie werden nur bis zum 1. Januar 2000 geschoben. Was nun die angesprochenen Minister, Parlamentari- schen Staatssekretäre und auch die sogenannten politi- schen Beamten angeht, so müssen natürlich weitere Re- gelungen kommen, um in Jahren und Jahrzehnten ge- wachsene Fehlentwicklungen zu korrigieren. Das kann nicht hier erfolgen, sondern insbesondere durch eine Re- form des Abgeordnetengesetzes und der Beamtengeset- ze. Bündnis 90/Die Grünen haben hier in der vergange- nen Legislaturperiode einen eigenen Gesetzentwurf vor- gelegt, der nach wie vor unsere Position widerspiegelt. Wir können der Öffentlichkeit nicht länger groteske Überversorgung zumuten. Wir können auch nicht länger hinnehmen, daß politi- sche Beamte, die in den einstweiligen Ruhestand ver- setzt wurden, trotz häufig nur sehr kurzer Amtszeit – dies garantieren die geltenden beamtenrechtlichen Re- gelungen – lebenslange Versorgungsansprüche erwer- ben. Unverhältnismäßig ist insbesondere die überlange Zeitdauer von fünf Jahren, in denen 75 vom Hundert der Versorgungsbezüge gewährt werden. Die bisher fünfjäh- rige Übergangsfrist, in der 75 vom Hundert der Dienst- bezüge unter Anrechnung der ruhegehaltsfähigen Zula- gen von den öffentlichen Arbeitgebern im Bund und in den Ländern gezahlt werden, soll deutlich verkürzt wer- den. Die Kriterien für eine erneute Berufung der in den einstweiligen Ruhestand versetzten Beamten könnten durchaus im Rahmen einer Änderung des § 39 Bundes- beamtengesetz in der Weise verändert werden, daß auch eine Beschäftigung bei einem anderen Dienstherrn möglich sein muß. Wir können es gegenüber den ge- werblichen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern nicht länger vertreten, daß ihnen strenge Zumutbarkeitskrite- rien für die Aufnahme einer neuen Beschäftigung auf- erlegt werden, während der gefeuerte politische Beamte im Vollbesitz seiner ungebrochenen Leistungskraft mit Hund durch den Grunewald joggt. Ich glaube nicht, daß ein Universitätsprofessor oder der Präsident eines Landgerichts mit bis zu 40 Richter- planstellen darben muß, weil er sich bis zur Jahrtau- sendwende gedulden muß. Ich darauf hinweisen, daß wir Abgeordneten uns selbst eine wesentlich längere Durst- strecke verordnet haben. Es ist bedauerlich, daß die Öf- fentlichkeit diesen Verzicht bisher kaum zur Kenntnis genommen hat. Die Koalition verfolgt konsequent die Linie, daß Le- ben mit Kindern finanziell zu entlasten. Das muß ange- sichts der Haushaltslage eben auch durch eine Art Um- lage sichergestellt werden. Beamtinnen und Beamten – auch die der höheren Stufen – bekommen den erhöhten Familienzuschlag von 200 DM für jedes dritte und jedes weitere zu berücksichtigende Kind auch für das Jahr 1999. Dafür müssen die anderen Kolleginnen und Kollegen ein gewisses Opfer bringen. Anders geht es nicht. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Oktober 1999 5507 (A) (C) (B) (D) Ich bin weit davon entfernt, gegen diese Beamten und Richter der hohen Besoldungsstufen eine Neidkampagne zu starten. Das wäre unredlich und unseriös. Wir alle wissen als Abgeordnete doch zu gut, wie wichtig die Arbeit dieser Menschen für Staat und Gesellschaft ist. Pflichtbewußtsein und Loyalität mögen hin und wieder von einigen belächelt werden. Wie dringend wir aber – gerade auch in unserer Funktion als Abgeordnete – auf zuverlässige und qualifizierte Beamte angewiesen sind, erleben wir jeden Tag, wenn wir die entsprechende Zu- arbeit und Unterstützung wie selbstverständlich in An- spruch nehmen. Daß dies nicht immer selbstverständlich sein muß, zeigt ein Blick in andere Länder, aber auch in die wachsende Korruptionsproblematik hier bei uns. Nichts wäre fataler, als in dieser dringenden Bitte um einen Solidarbeitrag zugunsten kinderreicher Beamter den Ausdruck von Geringschätzung oder gar Mißach- tung zu sehen. Was ich hier im Zusammenhang mit den hohen Be- amten gesagt habe, meine ich auch ausdrücklich gegen- über den Angehörigen der unteren und mittleren Besol- dungsstufen. Ich kann verstehen, daß die Betroffenen über diese Neuregelung nicht gerade begeistert sind. Das ist menschlich nur zu verständlich. Ich bitte Sie aber herzlich um Verständnis für die finanzielle Notlage der öffentlichen Kassen. Rainer Funke (F.D.P.): Die F.D.P.-Fraktion will in Besoldungsfragen keine Sonderbehandlung der Beam- ten, also keine Bevorzugung gegenüber dem Tarifbe- reich, aber auch keine Sonderopfer der Beamten. An diesem Maßstab gemessen, müssen sich die Bundesre- gierung und die neue Koalition zu Recht vom Vorsit- zenden des Deutschen Beamtenbundes, Erhard Geyer, sagen lassen, daß die gegenwärtige Entwicklung in der Beamtenpolitik auf das schärfste mißbilligt werden muß. Dabei darf man nicht nur das heute zu beratende Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz 1999 ins Auge fassen. Vielmehr ist es die gesamte Art und Weise, wie diese Regierung mit den Beamten um- geht, die Unverständnis und Empörung bei den Betrof- fenen auslöst. Noch ehe die Einkommensrunde 1999 abgeschlossen worden ist, hat die Bundesregierung erklärt, daß sich die Anpassung der Beamtenbesoldung für die Jahre 2000 und 2001 nur noch an der Inflationsrate orientieren wird. Die Absicht ist offenkundig: Mit diesem Vorgehen soll die nächste Tarifrunde präjudiziert werden. Wären Sie noch in der Opposition, würden Sie dies als nicht hin- nehmbaren Eingriff in die Tarifautonomie brandmarken. Ihre entsprechende Kritik an den Gesetzesänderungen der alten Koalition zur Einschränkung der Entgeltfort- zahlung im Krankheitsfalle ist uns noch in frischer Erin- nerung. Einen Mißbrauch des Beamtenrechts zur Durch- setzung von entsprechenden Regelungen auch für Tari- farbeitnehmer haben sie uns damals vorgeworfen. Das wirft die Frage auf: Wo sind denn heute die Verteidiger der Tarifautonomie, insbesondere in den Reihen der so- zialdemokratischen Bundestagsfraktion, wenn die rot- grüne Bundesregierung die Beamten als „Eisbrecher“ für die nächste Tarifrunde benutzt? Und noch eine Anmerkung zu den geplanten beiden Nullrunden: In die Versorgungsrücklage sollen dennoch 0,2 Prozentpunkte per annum abgeführt werden. Wenn also vom bloßen Inflationsausgleich auch noch 0,2 Pro- zentpunkte einbehalten werden, hat Rotgrün nichts ande- res vor als eine echte Besoldungskürzung. Das Ein- kommen der Beamten wird also nicht lediglich eingefro- ren, sondern sogar abnehmen. So sieht die Politik der sozialen Gerechtigkeit der neuen Regierung aus. Aber auch die heute zu behandelnde Besoldungsre- gelung ist mangelhaft. Das, was eigentlich anzustreben wäre, nämlich eine zeit- und inhaltsgleiche Übernahme des Tarifergebnisses für Arbeiter und Angestellte, ist nicht geschehen. Nun wäre eine maßvolle zeitliche Ver- schiebung der Besoldungsanpassung für Beamte und Richter an sich – unter den gegebenen finanziellen Um- ständen der öffentlichen Hände – noch vertretbar. Es gibt aber keinerlei logische Rechtfertigung dafür, die Besoldungsanpassung für einen Teil der Beamtenschaft noch weiter hinauszuschieben, nämlich bis zum 1. Januar 2000. Der Verweis auf frühere analoge Vor- gänge ändert nichts an dieser Feststellung. Schließlich sind Sie als neue Regierungskoalition mit dem Anspruch angetreten, vieles besser zu machen. Bei der Beamten- besoldung haben Sie diese Versprechungen jedenfalls nicht eingehalten. Dies müssen Sie sich nicht nur von der Opposition im Deutschen Bundestag vorhalten lassen, sondern auch von einer so bedeutsamen, Ihnen nahestehenden Organi- sation wie dem Deutschen Gewerkschaftsbund. Es ist interessant, daß gerade der DGB Ihr Verhalten bei der Verzögerung der Besoldungsanpassung für die höheren Beamten und Richter heftig kritisiert hat. Mit Schreiben vom 10. August 1999 an den Vorsitzenden des Innen- ausschusses wirft der DGB-Bundesvorstand der Bundes- regierung vor, daß eine Beteiligung der Spitzenorgani- sationen zu diesem Sachverhalt nicht erfolgt sei. Wört- lich heißt es in dem Schreiben: Ein derartiges Übergehen der Beteiligungsrechte der Spitzenorganisationen ist bisher ohne Beispiel. Die Beteiligungsrechte der Gewerkschaften würden da- mit zur Farce. Ich finde, das ist ein vernichtendes Urteil, das der DGB über die Bundesregierung abgibt. Wir schließen uns auch der Kritik an, die hinsichtlich der Regelungen zur Alimentierung kinderreicher Beam- tenfamilien geübt wird. Hier setzen Sie zwar eine Vorga- be des Bundesverfassungsgerichts um. Daß Sie jedoch den Kreis der Begünstigten auf diejenigen beschränken, die Widerspruch eingelegt oder Klage erhoben hatten, ist nur formaljuristisch in Ordnung. Viele andere Beschwer- deführer haben im Vertrauen auf eine Nachbesserung durch den Gesetzgeber darauf verzichtet, den Rechtsweg weiter zu beschreiten, und werden nun von Ihnen bestraft, indem sie bei den Nachzahlungen leer ausgehen. Schließlich findet sich im Gesetzentwurf keinerlei Perspektive für eine Angleichung der Beamtenbesol- dung in den neuen Bundesländern. Insgesamt ist Ihre Beamtenpolitik und der vorliegen- de Gesetzentwurf für die F.D.P. nicht akzeptabel. 5508 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Oktober 1999 (A) (C) (B) (D) Heidemarie Ehlert (PDS): Wir beraten wieder ein- mal mehr über einen Gesetzentwurf der Bundesregie- rung, der im Feuer der Kritik steht, die diesmal aller- dings nicht von der Wirtschaft kommt, sondern von den Gewerkschaften und den Beamtenvertretungen – und das zu Recht. Obwohl die Einkommensrunde 1999 nicht einmal ab- geschlossen ist, werden bereits Anpassungsmaßnahmen der Jahre 2000 und 2001 initiiert. Unabhängig davon, daß nach § 14 BbesG Besoldung und Versorgung der allgemeinen Entwicklung folgen sollen und nicht umge- kehrt, wenden wir uns gegen alle Versuche, Einfluß auf bevorstehende Tarifverhandlungen zu nehmen oder eine unzureichende Rentenentwicklung mit zu stützen. Denn diese Entscheidung ist ohne die tariflichen Partner ge- troffen worden. Die ohnehin geringen Möglichkeiten der Interessen- vertretung, die das Bundesbeamtengesetz eröffnet, sind nicht respektiert worden. Und mit Blick auf das Haus- haltsanierungsgesetz, Artikel 32 – Anpassung der Dienst- und Versorgungsbezüge in den Jahren 2000 und 2001 –, sollen sich wohl die Betroffenen bereits an eine Farce gewöhnen. Die Bundesregierung hebelt mit dem Haushaltssanierungsgesetz das Tarifrecht aus und schreibt auf „kaltem Wege Lohnleitlinien fest“, wie der DGB zu Recht feststellt. Ein derartiges Übergehen der Beteiligungsrechte der Spitzenorganisationen ist bisher ohne Beispiel. Herr Körper hat im Januar 1998 für seine Fraktion gefordert, die Tarifergebnisse im öffentlichen Dienst künftig wieder inhalts- und zeitgleich auf den Beamten- bereich zu übertragen. Die Verschiebung der Besoldungsanpassung um zwei Monate gegenüber dem Tarifabschluß für alle Beamten, um die aktuellen Folgekosten des Bundesverfassungs- urteils zur Alimentation kinderreicher Beamtenfamilien zu finanzieren, bringt zwar 760 Millionen DM Einspa- rung im Haushalt, steht aber dieser Forderung völlig entgegen. Und durch diese Anpassung an dieses Urteil konnte bereits sehr viel mehr Geld eingespart werden, als wirklich gebraucht wurde. Somit werden die Beam- ten noch einmal für das Fehlverhalten der Regierung be- straft. Keinen Handlungsbedarf sieht die Regierung dagegen bei den Bezügen der Anwärter und Referendare. Auch die Kürzung der Anwärterbezüge als Folge des Versor- gungsreformgesetzes wird nicht zurückgenommen, ob- wohl sie noch im vergangenen Jahr vom jetzigen Staats- sekretär im Innenministerium Fritz Rudolf Körper ab- gelehnt wurde. Alle in diesem Jahr eingestellten Anwärterinnen und Anwärter sowie Referendarinnen und Referendare er- halten drastisch schlechtere Bezüge als ihre Mitstreite- rinnen und Mitstreiter, die 1998 bzw. zuvor eingestellt wurden. Gerade die Schicht der Beamtinnen und Beam- ten auf Widerruf hat nun massive Einbußen bei den Be- zügen. Angeblich sollen damit mehr Ausbildungsplätze geschaffen werden. Wir hätten nichts dagegen, wenn der öffentliche Dienst sich Ausbildungsplätze leistet. Aller- dings sollten die Auszubildenden nach Abschluß der Ausbildung auch in den öffentlichen Dienst übernom- men werden. Allein durch den Abbau der Überstunden im öffentlichen Dienst könnten hier zum Beispiel den jungen Menschen Perspektiven eröffnet werden. Aber soziale Gerechtigkeit wird hier wohl so verstanden, daß die Schwachen wieder solidarisch sein sollen. Auch die Ost-West-Tarifangleichung im öffentlichen Dienst ist erneut auf die lange Bank geschoben. Die Übergangsregelungen für die neuen Länder sind um drei Jahre verlängert worden. Mit Recht weisen der Deut- scher Richterbund und der Deutsche Beamtenbund dar- auf hin, daß es nicht einmal eine mittelfristige Perspek- tive für den schrittweisen Abbau der unterschiedlichen Besoldung gibt. Damit wird die sachlich in keiner Weise zu rechtfertigende Ungleichbehandlung auch neun Jahre nach der Wiedervereinigung festgeschrieben. Nach wie vor erhalten die ostdeutschen Beamten nur 86,5 Prozent der in den alten Bundesländer gewährten Bezüge und nicht, wie Herr Schily meint, 95 Prozent und dürfen dafür auch noch länger arbeiten. Und es ist eben nicht nur eine Sache der Länder und Kommunen, wie Herr Schily meint, die Gehaltsanpassung im öffent- lichen Dienst durchzusetzen. Die finanzielle Ausstattung dieser Körperschaften wird ja gegenwärtig gerade durch das Sparpaket weiter eingeschränkt. Diese Art von Anpassung von Dienst- und Versor- gungsbezügen in Bund und Ländern können wir nicht mittragen. Mit den vorliegenden Kürzungsvorschlägen kommen wir keinen Schritt weiter. Ein einheitliches Dienstrecht im öffentlichen Dienst muß endlich geschaf- fen werden, aber offensichtlich ist sich der Bundesin- nenminister Schily als oberster Dienstherr seiner Für- sorgepflicht gegenüber den Beamten und Beamtinnen nicht bewußt. Fritz Rudolf Körper, Parl Staatssekretär beim Bun- desminister des Innern: Mit dem vorliegenden Gesetz- entwurf werden die Dienst- und Versorgungsbezüge der Beamten, Richter, Soldaten und Versorgungsempfänger in Bund, Ländern und Gemeinden angepaßt. Ausgehend vom Tarifergebnis für die Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes vom 27. Februar 1999 und im Hinblick auf die Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse sieht der Gesetzentwurf der Bundesregierung eine Anpassung der Besoldungs- und Versorgungsbezüge um 2,9 Prozent ab 1. Juni vor. Der Erhöhungssatz des Bundes und der Länder orientiert sich an der Anpassung im Arbeitnehmerbereich, ist je- doch erstmals um 0,2 Prozent vermindert. Dieser Unter- schiedsbetrag wird den Sondervermögen „Versorgungs- rücklage des Bundes und der Länder“ zurückgeführt. Hierbei handelt es sich um eine Umsetzung aus dem Versorgungsreformgesetz vom 29. Juni 1998, das erst- malig die Bildung von Versorgungsrücklagen bei Bund und Ländern vorschreibt. Durch die damit vorgenom- mene dauerhafte Absenkung des Besoldungs- und Ver- sorgungsniveaus gegenüber dem Tarifbereich beteiligen sich die Beamten, Richter, Soldaten und Versorgungs- empfänger an der Finanzierung künftiger Versorgungs- ausgaben. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Oktober 1999 5509 (A) (C) (B) (D) Insgesamt kann sich die von der Bundesregierung vorgeschlagene Bezügeanhebung um 2,9 Prozent – ge- rade auch im Verhältnis zur gewerblichen Wirtschaft – durchaus sehen lassen. Sie ist angesichts der Gesam- tentwicklung und der schwierigen Verhältnisse aller öf- fentlichen Haushalte als solide und in jeder Hinsicht be- friedigend anzusehen. Gemessen an der Preissteige- rungsrate des laufenden Jahres, ergibt sich für die Mitar- beiterinnen und Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes ein deutlicher realer Einkommenszuwachs. Der öffentli- che Dienst hält damit Anschluß an die allgemeine Ent- wicklung. Das beweißt, daß die Bundesregierung ihre Verantwortung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes ernst nimmt. Für die Bundes- regierung ist die Besoldungs- und Versorgungsanpas- sung 1999 nicht nur die Erfüllung einer gesetzlichen Verpflichtung, sondern ein wichtiges politisches Anlie- gen. Verantwortungsvolle und zukunftsorientierte Besol- dungspolitik hat aber auch auf die Situation der öffentli- chen Haushalte zu achten. Solide Staatsfinanzen sind unverzichtbare Grundlage für neue Arbeitsplätze, für eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung und für soziale Stabilität. Deshalb wird es vorrangiges Ziel der nächsten Jahre sein, durch einen strikten Sparkurs auch im öffentlichen Dienst die Staatsfinanzen wieder in Ordnung zu bringen und die finanzpolitischen Voraus- setzungen zur Sicherung von Arbeit und Wohlstand zu schaffen. In den nächsten Jahren wird an einer grundle- genden Konsolidierung kein Weg vorbeiführen. Gerade vor diesem Hintergrund ist die diesjährige lineare Anhe- bung von 2,9 Prozent zum 1. Juni besonders wichtig und sollte auch von den Beamtinnen und Beamten nicht so schnell vergessen werden. Dies gilt in gleicher Weise für die Verbände. Abweichend vom Tarifergebnis wird die Bezügeer- höhung für die Beamten, Richter, Soldaten und Versor- gungsempfänger gegenüber dem Tarifbereich um zwei Monate zeitlich verschoben. Mit der zeitlichen Ver- schiebung der Bezügeanpassung werden die Mittel ein- gespart, die nach den Vorgaben der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24. November 1998 notwendig sind, um zu einer besseren Alimentierung von Beamtinnen und Beamten mit drei oder mehr Kin- dern zu entsprechen. Im Hinblick auf die Neugestaltung des Familienleistungsausgleichs sind die Regelungen auf die Jahre 1999 und 2000 befristet. Lassen Sie mich hier- zu zwei Dinge festhalten: Erstens. Es handelt sich um eine Entscheidung, die auf das jahrelange Unterlassen der vorigen Regierung zurückzuführen ist. Dies müssen wir nun aufarbeiten. Zweitens. Das Bundesverfassungsgericht hat uns in der Sache keinen Spielraum gelassen, sondern die Be- träge sehr genau definiert. Das Bundesverfassungsge- richt hat es jedoch dem Gesetzgeber ausdrücklich freige- stellt, das von der Verfassung vorgegebene Ziel durch eine entsprechende Bemessung der Bruttobezüge, durch Kindergelderhöhung, durch steuerliche Regelungen oder durch eine Verbindung dieser Möglichkeiten zu errei- chen. Insoweit muß die allgemeine Neuregelung des Familienleistungsausgleichs für die besoldungsgesetzli- che Regelung abgewartet werden; sie ist insoweit vor- rangig. Durch die derzeitige Verbesserung des kinderbezoge- nen Familienzuschlags entstehen für die öffentlichen Haushalte keine Mehraufwendungen. Die Mittel werden unmittelbar von den Beamten im eigenen Bezahlungssy- stem aufgebracht, zum einen durch die zweimonatige Verschiebung der Linearanpassung und zum anderen durch die Aussetzung der Bezügeanpassung für die Empfänger der Gehälter der B-Gruppen und vergleich- barer Gehälter. Auch auf diese Gegenfinanzierung im System hat das Bundesverfassungsgericht hingewiesen und als eine Möglichkeit anerkannt. Die Bezügeerhöhung für die Empfänger der Besol- dungsordnung B und vergleichbarer Besoldungsgruppen ist um 7 Monate – auf den 1. Januar 2000 – verschoben. Mit dieser Verschiebung wird ein wichtiges Zeichen ge- setzt, daß wir besondere Sparanstrengungen nur dort einfordern, wo sie für den einzelnen in ihren wirtschaft- lichen Auswirkungen erträglich sind. Denn Ausgewo- genheit und Gerechtigkeit bei Belastungen und Verbes- serungen sind oberstes Gebot unserer Dienstrechtspoli- tik. Die vorgenommene Verschiebung der Anpassung für die Führungskräfte steht auch in unmittelbarem Zu- sammenhang mit dem von der Bundesregierung be- schlossenen „Zukunftsprogramm 2000“. Mit diesem Ge- samtkonzept zur Sicherung von Arbeit, Wachstum und sozialer Stabilität werden die finanz- und wirtschafts- politischen Voraussetzungen geschaffen für eine grund- legende Konsolidierung des Bundeshaushalts, verbun- den mit strukturellen Reformen und grundlegenden po- litischen Weichenstellungen. Dazu trägt auch die Ver- schiebung der Besoldungs- und Versorgungsanpassung im B-Bereich bei, mit der im Jahre 1999 in allen öffent- lichen Haushalten mehr als 100 Millionen eingespart werden. Es entspricht meinem Verständnis von einem besonderen Dienst- und Treueverhältnis, daß in einer schwierigen Finanzsituation des Staates die hohen Be- amten einen angemessenen Beitrag leisten. Es kommt hinzu, daß es sich nur um eine überschaubare Verschie- bung der Besoldungserhöhung handelt, die nicht dauer- haft in das Besoldungsgefüge eingreift. Mit der Ver- schiebung zum Jahresende sind eine dauerhafte Ab- koppelung und ein negativer Struktureingriff, der sich über die Jahre weiter fortschreiben würde, verhindert worden. Für die Monate März bis Mai 1999 wird allen Emp- fängern von Dienst- und Versorgungsbezügen in auf- steigenden Gehältern – wie im Tarifbereich – eine ein- malige Zahlung in Höhe von 300 DM gewährt. Der Entwurf enthält außerdem Verlängerungen der zum Jahresende auslaufenden besoldungs- und versor- gungsrechtlichen Ermächtigungen für Übergangsrege- lungen in den neuen Ländern. Mit diesen Verlängerun- gen wird sichergestellt, daß auch künftig die Bezüge entsprechend der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Entwicklung angepaßt werden können und der Gleichklang bei der Bezügeentwicklung beibehal- ten werden kann. Eine Festlegung über Tempo und Umfang der künftigen Anpassung ist damit aber nicht verbunden. 5510 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Oktober 1999 (A) (C) (B) (D) Insgesamt bleibt festzustellen, daß die Bundesregie- rung ein ausgewogenes und vertretbares Gesamtpaket vorgelegt hat, das sowohl dem Anspruch der Beamtin- nen und Beamten auf wirtschaftliche Teilhabe gerecht wird, wie es auch die Interessen der Dienstherren be- rücksichtigt. Dies beweist auch die Länderhaltung im er- sten Durchgang im Bundesrat. Die Länder haben gegen den Gesetzentwurf der Bundesregierung keine Einwen- dungen erhoben und unterstützen damit die Dien- strechtspolitik dieser Bundesregierung. Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Rede zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Atomgesetzes (Tagesordnungspunkt 10) Birgit Homburger (F.D.P.): Der vorgelegte Gesetz- entwurf bietet inhaltlich nichts Neues. Wer die Atomausstiegsdebatte seit Bildung der rotgrünen Koali- tion und die bisher erfolglos gebliebenen Anläufe des Ministers Trittin zur alsbaldigen Abschaltung der deut- schen Atomkraftwerke verfolgt hat, kennt die hier vor- geschlagenen Änderungen des Atomgesetzes bereits auswendig. Die Regierungskoalition hat in den ersten zwölf Mo- naten ihres Bestehens die Erfahrung machen müssen, daß populistische Parteitagsbeschlüsse der Verfas- sungswirklichkeit in unserem Lande nicht immer stand- halten und ihre Umsetzung daher im gewünschten Hau- Ruck-Verfahren nicht klappt. Der Förderzweck des geltenden Gesetzes soll in ein Gebot der schnellstmöglichen Abschaltung aller Anla- gen umgeändert werden. So locker geht das aber nicht. Ich habe Verständnis für die Eigentümer und Betreiber der Atomanlagen, die auf ihre grundgesetzlich garan- tierten Eigentumsrechte und bestandskräftige Be- triebserlaubnisse hinweisen. Die Unfallgefahren beim Betrieb atomarer Anlagen werden nach wie vor sehr unterschiedlich bewertet. Der Unfall in Tokaimura vom vergangenen Donnerstag hat wieder Wasser auf die Mühlen der Kernkraftgegner ge- liefert. Einen fachlichen Beitrag zur Anlagensicherheit in Deutschland vermag er nicht zu liefern, weil in keiner deutschen Anlage mit derartig hochangereichertem Uran umgegangen wird. Die Wiederaufarbeitung von Kernbrennstoffen aus deutschen Kraftwerken wollen sie mit Wirkung vom 1. Januar 2000 verbieten. Dabei spielt für sie keine Rol- le, daß mehrjährige Lieferverträge zwischen deutschen Kraftwerksbetreibern und französischen und englischen Wiederaufarbeitungsanlagen bestehen, die durch Regie- rungsabkommen flankiert sind. Natürlich kann man hau ruck auch aus solchen Verträgen aussteigen, wenn man die vereinbarten Zahlungen trotzdem leistet. Die Zeche zahlt sowieso immer der Bürger, sei es in seiner Eigen- schaft als Stromkunde oder als Steuerzahler. Schließlich bekämpfen Sie auch die im geltenden Atomgesetz geregelte Möglichkeit der Übertragung von Aufgaben der Entsorger und Verwahrung nuklearer Ab- fälle auf privatrechtlich verfaßte Betreibergesellschaften. Dabei vergessen Sie vielleicht, daß solche Gesellschaf- ten strenger staatlicher Aufsicht und Kontrolle unterlie- gen und daß solche Kontrolle effektiver sein kann, als wenn eine staatliche Stelle eine andere staatliche Stelle kontrolliert. Ihrem Gesetzentwurf und seiner Begründung fehlt auch ein Hinweis auf die Art der Ersatzkapazitäten, die nach Abschaltung der Kernkraftwerke die Versor- gungslücke schließen sollen. Auf die eingegangenen Verpflichtungen zur Verminderung der Kohlendioxid- Emissionen in Deutschland und Europa sei in diesem Zusammenhang noch einmal besonders hingewiesen. Fazit: Eine vernünftige Langfriststrategie ist eben nicht durch eine kurzfristige Hau-Ruck-Strategie ersetz- bar. Die F.D.P.-Fraktion lehnt diesen Gesetzentwurf ab. Anlage 8 Amtliche Mitteilung Die Fraktion der F.D.P. hat mit Schreiben vom 30. September 1999 ihren Gesetzentwurf zur Förderung der Integration von Kindern dauerhaft in Deutschland lebender Ausländer (Integrationsförderungsgesetz) – Drucksache 14/296 – zurückgezogen. Druck: Bonner Universitäts-Buchdruckerei, 53113 Bonn 53003 Bonn, Telefon: 0228/3 82 08 40, Telefax: 0228/3 82 08 44 20
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Horst Kubatschka


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Sehr geehrte Frau Präsi-
    dentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die SPD lehnt
    den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Atomge-
    setzes der PDS ab. Das heißt aber nicht, daß wir den
    Ausstieg aus der Kernenergie nicht weiterverfolgen. Wir
    setzen uns weiterhin für einen entschädigungsfreien
    Ausstieg aus der Atomenergie ein. Die Koalition wird
    dieses Ziel erreichen.


    (Beifall bei der SPD)

    In diesem Gesetzentwurf sind auch Vorschläge ent-

    halten, die wir für richtig erachten. Dies möchte ich am
    Beispiel des Förderzwecks aufzeigen. Bei der Diskussi-
    on über die Kernenergie wird immer wieder übersehen,
    daß die Atomenergie hoch subventioniert war. Steuer-
    mittel in Milliardenhöhe – in der Größenordnung von
    etwa 50 Milliarden DM – wurden aufgewendet.

    In den 50er Jahren gab es in der Bundesrepublik ein
    Atomministerium. Wenn ich mich richtig erinnere, hieß
    der erste Atomminister Franz Josef Strauß. Es gab ein
    Programm „Atome für den Frieden“. In den 50er und
    60er Jahren hat uns die Wissenschaft vorgegaukelt, mit
    Hilfe der Atomenergie könnten alle Energieprobleme
    gelöst werden. Versprochen und mit leuchtenden Farben
    an die Wand gemalt wurde eine Welt ohne Energiepro-
    bleme. Damals, Anfang der 60er Jahre, saßen wir mit
    leuchtenden Augen in den Vorlesungen und hörten diese
    Versionen. Eine Art Perpetuum mobile wurde uns von
    den Wissenschaftlern beschrieben. Die Realität sah aber
    leider ganz anders aus. Die Wissenschaft hat uns in eine
    Sackgasse geführt. Ich kann mich noch erinnern: Die
    Wörter „Entsorgung“ und „Risiko“ kamen bei den Vor-
    lesungen nicht vor. Sie wurden einfach übergangen oder
    totgeschwiegen. Wenn wir die vielen Steuermilliarden
    dafür aufgewendet hätten, um erneuerbare Energien zu
    fördern, hätten wir unsere Energieversorgungen zu-
    kunftsfähiger gemaht.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt für uns zwei
    gewichtige Gründe, den vorliegenden Gesetzentwurf ab-
    zulehnen. Laut Entwurf soll der Ausstieg aus der Wie-
    deraufbereitung bis zum 1. Januar 2000 vollzogen
    werden. So schnell geht es nicht; nicht in einem Drei-
    vierteljahr, wenn ich vom Datum Ihrer Antragstellung
    ausgehe. Auch wir haben das lernen müssen. Ich möchte
    aber betonen, daß die Wiederaufbereitung von Bren-
    nelementen der falsche Weg ist. Aus diesem Grunde be-
    treiben wir in der Bundesrepublik ja auch keine Wieder-
    aufbereitungsanlage. Deutschland ist aus dieser Tech-
    nologie ausgestiegen. Wir werden aber auch die Wie-
    deraufbereitung von deutschen Brennelementen mittel-
    fristig einstellen. Die direkte Endlagerung ist die billige-
    re Lösung. Nachdem in Deutschland die Brüter-
    Technologie aufgegeben wurde, ist es nicht sinnvoll, die
    Wiederaufbereitung weiterzubetreiben.

    Die im Entwurf des PDS-Gesetzes vorgesehenen Re-
    gelungen passen nicht zu unserem Zeitplan. Die Koaliti-
    on hat verabredet, einen entschädigungsfreien Ausstieg
    erreichen zu wollen. Diesen wollen wir nach Möglich-
    keit im Konsens mit den Betreibern der Atomkraftwerke
    anstreben, aber dieses Vorhaben gestaltet sich schwierig.
    Bisher konnte bei den Verhandlungen immer noch kein
    Durchbruch erreicht werden. Wir haben uns vorgenom-
    men, bis Ende des Jahres einen Konsens zu erzielen.


    (Zuruf von der PDS: Hoffentlich!)

    Sollte dies nicht möglich sein, werden wir den Ausstieg
    per Gesetz regeln. Man kann eigentlich den Betreibern
    der Atomkraftwerke nur raten, einen Konsens anzustre-
    ben. Sie wären damit wirklich gut beraten. Konsens be-
    dingt aber auch Kompromisse; es geht nicht, die Atom-
    kraftwerke bis zu ihrem technischen Ende zu betreiben.
    Die Vorstellungen der Betreiber liegen bei 35 Vol-
    lastjahren; das entspricht einer Betriebsdauer von 50 bis
    60 Kalenderjahren. Man muß sich einmal vorstellen, wie
    überaltert dann die technischen Anlagen sind.

    Konsens bedeutet aber auch, den Stromproduktions-
    standort Deutschland zu erhalten. Wir werden es nicht
    akzeptieren, daß die Betreiber in den goldenen Endbe-
    triebsjahren der Atomkraftwerke, wenn diese praktisch
    abgeschrieben sind, große Kasse machen. Mit dem bei
    uns verdienten Geld würden dann in mittel- und osteu-
    ropäischen Staaten Atomkraftwerke ausgebaut. Über
    Fernleitungen und Koppelanlagen würde dann die dort
    produzierte Energie zu uns importiert werden; die Kon-
    zerne wären nur noch Stromhändler. Den Produktions-
    standort Deutschland zu erhalten heißt aber auch, daß
    wir andere Strukturen brauchen. Zukunftsfähig sind de-
    zentrale Versorgungsstrukturen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)


    Konsens heißt aber auch, in einem überschaubaren
    Rahmen aus der Kernenergie auszusteigen. Überschau-
    barer Rahmen heißt aber auch überschaubare Mengen an
    atomarem Abfall und überschaubare Zeiträume für die
    Zwischenlagerung.

    Liebe Kolleginnen und Kollegen, sollten sich die Be-
    treiber der Atomkraftwerke dem Konsens verweigern,






    (B)



    (A) (C)



    (D)


    werden wir den Ausstieg durch ein Gesetz herbeiführen.
    Das Deutsche Atomforum hat zwar erst vor kurzem
    verkündet, die Stillegung von Atomkraftwerken per Ge-
    setz sei verfassungswidrig. Ich muß dazu sagen: Jede
    andere Stellungnahme des Deutschen Atomforums hätte
    mich verwundert und erstaunt. Dieses Lobby-Argument
    kann ich nicht ernst nehmen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Die Befürworter der Kernenergie behaupten immer,
    die Forderung nach Ausstieg sei ideologische begründet.


    (Manfred Grund [CDU/CSU]: Genauso ist es!)

    Auch heute nachmittag kam ja dieser Vorwurf. Der
    Hinweis auf die Ideologie ist ein herrliches Totschlagar-
    gument. Hierauf müssen Sie zurückgreifen, weil Sie
    sonst keine Argumente haben. Wenn dieses Argument
    stimmen würde, wäre auch die Befürwortung der Atom-
    energie eine ideologische Forderung. Es ist nur ein sehr
    komischer Schluß: Wir verteilen Ideologie, weil wir
    aussteigen wollen. Dagegen betreiben Sie keine Ideolo-
    gie, weil sie dabei bleiben wollen. Das müssen Sie ein-
    mal einem normal und einigermaßen rational denkenden
    Menschen erklären. Mir können Sie das nicht erklären.
    Wahrscheinlich können Sie sich das selber nicht erklä-
    ren.


    (Manfred Grund [CDU/CSU]: Sie würden es auch nicht verstehen, wenn wir es erklären würden!)


    Was nützt dieser Ideologievorwurf? Er bringt uns
    nicht weiter. Es gibt sehr rationale Gründe, aus der
    Kernenergie auszusteigen. Ich möchte sie in aller Kürze
    noch einmal aufzählen:

    Erstens. Es besteht immer ein Restrisiko. Die Si-
    cherheit läßt sich zwar steigern. Damit werden aber die
    Atomkraftwerke unbezahlbar. Das Restrisiko ist uns
    wieder einmal durch den Atomunfall in Japan bestätigt
    worden. Auch in Korea und in Rußland ist etwas pas-
    siert. Drei Unfälle und zwei Abschaltungen in einer Wo-
    che, das ist wirklich sehr viel.

    Zweitens. Für mich ist es erstaunlich, daß die End-
    lichkeit der Uranvorräte bei der Diskussion über die
    Kernenergie keine Rolle spielt. Nachdem der Traum
    vom Schnellen Brüter ausgeträumt ist, ist das Ende der
    Uranvorräte absehbar.

    Drittens. Die Kernenergie ist keine weltweit einsetz-
    bare Energieform. Es ist unvorstellbar, daß Kernkraft-
    werke in Krisengebieten errichtet werden.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Michaele Hustedt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oder auf Erdbebenspalten in der Türkei!)


    – Genau. – Stellen Sie sich einmal vor, in Osttimor wür-
    de ein Kernkraftwerk stehen.


    (Manfred Grund [CDU/CSU]: Stellen Sie sich einmal vor: In der Ukraine stehen welche!)


    Viertens. Durch den Betrieb von Kernkraftwerken
    wird auch atomwaffenfähiges Material hergestellt.

    Wieder eine Horrorvorstellung: Stellen Sie sich vor, im
    Irak würde ein Atomkraftwerk betrieben werden.

    Es sind also ganz rationale Gründe, aus der Atom-
    energie auszusteigen. Dies hat nichts mit Ideologie zu
    tun. Eine Technik, die keinerlei menschliche Fehler und
    keinerlei menschliches Versagen zuläßt, ja diese absolut
    ausschließen muß, ist nicht zukunftsfähig.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Ilja Seifert [PDS] – Zuruf von der CDU/CSU: Das ist nicht wahr!)


    – Herr Kollege, wenn Sie sagen, daß das nicht wahr ist,
    dann sollten Sie einmal nach Japan schauen. Haben Sie
    es immer noch nicht kapiert? Mit einem Stahleimer
    mischt man dort kritische Massen. Dies ist unvorstell-
    bar; dies ist ein Horror. Und es ist so passiert.


    (Dr. Paul Laufs [CDU/CSU]: Ist das unser Standard?)


    – Nein, das ist nicht unser Standard. Sie sollten aber in
    der „Süddeutschen Zeitung“ den Artikel über den Unfall
    in Hanau nachlesen. Sie werden dann verstehen, was
    1971 passiert ist. Ich muß sagen, ich hätte so etwas nicht
    für möglich gehalten.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Wenn menschliches Versagen bzw. menschliche
    Fehler eintreten, kann deren Auswirkung überregional
    und auch global sein. Das unterscheidet die Kernenergie
    von allen anderen Techniken.


    (Dr. Ilja Seifert [PDS]: Richtig!)

    Diese überregionale und globale Auswirkung, die es in
    keiner anderen Technik gibt, zwingt uns dazu, aus der
    Kernenergie auszusteigen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)


    In der Diskussion wird dann immer wieder auf das
    Ausland verwiesen, nämlich darauf, daß es wenig hilf-
    reich sei, bei uns auszusteigen, während dort die Kern-
    energie weiterbetrieben wird. Genau umgekehrt ist es:
    Wir als Hochtechnologieland müssen beweisen, daß ein
    Ausstieg aus der Kernenergie möglich ist.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)


    Wir müssen beweisen, daß die Energieversorgung ohne
    Kernenergie möglich ist. Dies ist eine Herausforderung
    an die Zukunft, der wir uns stellen müssen.

    Liebe Kolleginnen und Kollegen, die vergangene
    Woche hat uns das Risiko der Kernenergie deutlich vor
    Augen geführt. Zuerst passierte der Unfall in Japan: Bei
    der Brennelementeproduktion wurde eine Kettenreak-
    tion ausgelöst. Dann folgte die Nachricht aus Korea, daß
    22 Menschen verstrahlt wurden, und zum Schluß kam
    die Nachricht, daß wieder einmal ein Atomkraftwerk in






    (A) (C)



    (B) (D)


    Rußland abgeschaltet wurde. Wahrscheinlich kam es
    dort zu einem Turbinenbrand.

    Wenn man die lange Liste der Unfälle kennt, weiß
    man: Der nächste Unfall kommt bestimmt. Hoffen wir,
    daß wir wieder einmal glimpflich davonkommen. Wenn
    man aber bedenkt, daß in der Ukraine die Atomkraft-
    werke auf Verschleiß gefahren werden und daß die
    RBMK-Reaktoren sowie die erste Baureihe der WWER-
    Reaktoren als ausgesprochene Risikoreaktoren gelten, so
    weiß man: Das Image der Kernkraft wird nicht besser.
    Die Reihe der Hiobsbotschaften wird in Zukunft nicht
    abreißen.

    Zum Interview der Konzernherren Hartmann und
    Simson im „Spiegel“ vom 4. Oktober 1999 möchte ich
    folgendes sagen: Vielleicht heißt es einmal in nicht allzu
    ferner Zukunft, es sei geradezu provinziell, nicht aus der
    Kernenergie auszusteigen. Für die deutschen Konzern-
    leitungen sei diese Kurzsichtigkeit schon sehr erstaun-
    lich gewesen. Es sei unglaublicher Unfug, sich mit dem
    Betrieb von Kernkraftwerken auseinanderzusetzen.

    Wenn das einmal bei den Managern der großen Ener-
    giekonzerne ankommt, wird es aber für das Image der
    Konzerne bereits zu spät sein. Es ist vorstellbar, daß die
    Kernenergie so viel an Image verliert, daß es für die
    Konzerne ein Risiko wird, Atomkraftwerke zu betrei-
    ben. Kernkraftwerke würden dann bei den Anlegern
    nicht als Pluspunkt, sondern als Negativposten angese-
    hen werden. Das würde die Kurse in Bewegung bringen
    – und zwar nach unten. Dann könnte man sagen, die
    Konzernherren haben den Konsens verschlafen.

    Zum Schluß: Wir werden den Ausstieg aus der Kern-
    energie weiter energisch betreiben; denn die Kernener-
    gie ist nur eine Übergangsenergie. Wir müssen uns von
    ihr verabschieden. Es wäre vernünftig, diesen Abschied
    aus der Kernenergie in Deutschland im Konsens zu be-
    treiben. Wenn dies nicht gelingt, werden wir den Aus-
    stieg per Gesetz schaffen.

    Ich danke für das Zuhören.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)




Rede von Dr. Antje Vollmer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das Wort hat
jetzt der Abgeordnete Dr. Paul Laufs.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Prof. Dr. Paul Laufs


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Frau Präsidentin! Mei-
    ne Damen und Herren! Der vorliegende PDS-
    Gesetzentwurf zur Änderung des Atomgesetzes greift
    das rotgrüne Ausstiegsvorhaben auf. Er übernimmt die
    seit Jahrzehnten von ausstiegsorientierten Aktivisten
    ständig wiederholten Schlagworte. Er spricht von inak-
    zeptablen Risiken, von der ungelösten Endlagerung, von
    dem illegalen Abzweigen waffenfähigen Plutoniums und
    von den technisch unbeherrschten Risiken eines Kern-
    schmelzunfalls.


    (Jörg Tauss [SPD]: Alles schon einmal vorgekommen!)


    Diese Behauptungen werden wie unantastbare Glau-
    benswahrheiten vorangestellt. Daran hat sich seit den

    70er und 80er Jahren bei der Anti-Atomkraft-Bewegung
    nichts geändert. Die in Deutschland stattgefundene
    enorme Weiterentwicklung der Reaktorsicherheit und
    der nuklearen Entsorgung wird einfach nicht zur Kennt-
    nis genommen. Bei uns, Kollege Tauss, laufen die
    Kernkraftwerke seit über 30 Jahren und liefern ein Drit-
    tel unseres Stroms. Es gab noch nicht einen Toten – Gott
    sei Dank.


    (Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    – Damit befinden wir uns in Deutschland im Gegensatz
    zu anderen Ländern. Diese Tatsache muß man doch
    einmal feststellen dürfen.

    Auch in dieser Debatte muß darauf hingewiesen wer-
    den: Viele deutsche Wissenschaftler sahen sich veran-
    laßt, einen neuen Energiedialog anzustoßen, der zu einer
    Neubewertung der Energiepolitik führen sollte. Dabei
    geht es auch um die Risiken – es handelt sich nicht um
    kleine Risiken – einer schleichend zunehmenden, irre-
    versiblen Veränderung der Erdatmosphäre durch offene
    Feuerungsprozesse.

    Von großer Bedeutung ist ebenfalls der liberalisierte
    europäische Energiemarkt, der auf nationale Alleingän-
    ge in einer Weise reagieren wird, die die Ausstiegsab-
    sichten konterkariert. Es wäre ja der Gipfel der Absur-
    dität, wenn man in Deutschland die sichersten Kern-
    kraftwerke abschaltete und dann den Atomstrom aus
    Frankreich oder aus Osteuropa importieren würde.


    (Beifall bei der CDU/CSU – Michaele Hustedt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Frankreich steigt auch aus!)


    In der Atomdebatte heute nachmittag wurde von den
    ausstiegsorientierten Fraktionen der Tokaimura-Unfall
    als Beweis für unkalkulierbare Gefahren und inakzepta-
    ble Restrisiken bemüht.


    (Beifall der Abg. Michaele Hustedt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


    Ich rate zu einer realistischen und differenzierten Be-
    trachtung. Es ist ja wahr: Wir in Deutschland sind nicht
    wenig verwundert und verblüfft, in welchem Ausmaß
    menschliche Fahrlässigkeit bei der Handhabung hochge-
    fährlicher Stoffe, welche Hilflosigkeit bei der Gefahren-
    abwehr und wieviel Fehlverhalten der Unternehmens-
    leitung bei der Schadensbegrenzung im hochindustriali-
    sierten Japan möglich sind.


    (Horst Kubatschka [SPD]: Das ist ja das Schlimme!)


    Dies gilt übrigens nicht nur für den Bereich der Kern-
    energie, sondern auch für Naturkatastrophen, wie wir
    nach dem Erdbeben bei Kobe wissen.

    Ich bin überzeugt: Nirgendwo ist das Problembe-
    wußtsein beim Umgang mit technischen Gefahren-
    potentialen so hoch entwickelt wie in Deutschland.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Diese Wachheit und Empfindlichkeit – man kann ruhig
    sagen: Ängstlichkeit – haben zu einer hochentwickelten






    (B)



    (A) (C)



    (D)


    Sicherheitskultur in Deutschland gerade in der kern-
    technischen Industrie geführt.

    Nun bestreitet kein vernünftiger Mensch, daß es auch
    hier in Deutschland tagtäglich menschliches Versagen,
    technische Fehlleistungen und Störungen gibt. Wer in
    seiner pessimistischen Weltsicht glaubt, daß es dagegen
    keine ausreichenden Sicherheitsmaßnahmen geben kön-
    ne, gleichgültig, wieviel man auch immer unternehme,
    den kann in der Tat nur der Ausstieg aus gefährlicher
    Technik zufriedenstellen. Wenn er redlich ist, muß er
    aber bei gleichen Maßstäben nicht nur aus der Kern-
    technik, sondern auch aus der Chemie, den Gefahrgut-
    transporten,


    (Horst Kubatschka [SPD]: Dann haben Sie nicht zugehört!)


    der Luftfahrt oder auch der Wasserkraft mit großen
    Staudämmen aussteigen, wozu man sich jeweils eben-
    falls verheerende Katastrophenszenarien ausdenken
    kann.


    (Horst Kubatschka [SPD]: Keine regionalen!)

    – Wenn zum Beispiel der Assuan-Staudamm bricht,
    wird ganz Ägypten ins Meer geschwemmt.

    Ich möchte wiederholen, was ich bereits heute nach-
    mittag betont habe: Es kann doch niemand ernsthaft
    vorhaben, aus unserer technischen Zivilisation auszu-
    steigen. Es geht doch vielmehr um die Weiterentwick-
    lung einer weltweit auf hohem Niveau erforderlichen
    technischen Sicherheitskultur.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die in Deutschland eingesetzten aktiv und passiv wir-
    kenden Mehrfachsicherungssysteme und die sorgfältige,
    ständig verbesserte Schulung des Betriebspersonals ha-
    ben sich bestens bewährt.

    Der politische Wille hinter dem zur Debatte stehen-
    den Gesetzentwurf ist klar: Zweck ist die schnellstmög-
    liche, in spätestens fünf Jahren abgeschlossene Ab-
    schaltung der Atomanlagen. Die wichtigsten Fragen in
    diesem Zusammenhang werden allerdings nicht disku-
    tiert. Es wird zwar auf die Kosten der Ersatzbeschaffung
    für die Stromversorgung hingewiesen. Ein Konzept für
    eine sichere, im europäischen Binnenmarkt wettbe-
    werbsfähige und ökologisch akzeptable Energieversor-
    gung ohne Kernkraft gibt es aber nicht – auch nicht von
    der rotgrünen Regierung, die nun schon ein Jahr lang im
    Amt ist. Es ist nichts in Sicht.

    Der heutzutage übliche stolze Hinweis auf das
    100 000-Dächer-Solarprogramm ist nun wirklich nicht
    ausreichend. Von 100 000 Photovoltaik-Anlagen kann
    man maximal 300 Millionen Kilowattstunden Strom pro
    Jahr ernten; das entspricht knapp 3 Prozent der Leistung
    eines modernen Kernkraftblocks.

    Von großer Tragweite im energiepolitischen Zusam-
    menhang ist der Klimaschutz. Wir erleben gegenwärtig
    in Schweden die Unvereinbarkeit von Atomausstieg und
    Zielen der CO2-Minderung. Für Deutschlands Reduk-tionsziel von 25 Prozent bis zum Jahr 2005 ist überhaupt
    nicht sichtbar, wie es ohne Atomkraft erreicht werden

    kann. Schon mit Kernenergie ist dies eine äußerst ehr-
    geizige Absicht.

    Der Gesetzentwurf sieht vor, die Wiederaufarbeitung
    von Brennelementen zum 1. Januar 2000 zu verbieten
    und damit den auf diese Weise gesicherten Entsor-
    gungsnachweis aufzuheben. Kraftwerke müßten wegen
    ihrer mit abgebrannten Brennelementen gefüllten Zwi-
    schenlager deshalb schon bald vom Netz genommen
    werden. Für die Befristung der Betriebsgenehmigungen
    wird trotzdem ein eigenes Gesetz gefordert. Fragen der
    notwendigen Entschädigungsregelungen werden nicht
    angesprochen. Sie lehnen es grundsätzlich ab, darüber
    zu diskutieren, wie Sie gerade ausgeführt haben. Aber
    auch die PDS steht nicht außerhalb unserer Rechtsord-
    nung, auch nicht die Regierung, Herr Kubatschka.


    (Horst Kubatschka [SPD]: Das haben wir nie bezweifelt!)


    Die Vorschriften der Achten Atomnovelle vom
    6. April 1989 sollen rückgängig gemacht werden. Damit
    würden die Erleichterungen für Erkundungsarbeiten im
    Interesse einer möglichst bald verfügbaren Endlagerung
    radioaktiver Abfälle wieder aufgehoben. Es ist einer der
    eklatanten Widersprüche der Anti-Atom-Politik, die so-
    genannte ungelöste Entsorgungsfrage unablässig als
    Ausstiegsargument zu thematisieren und zugleich die
    Erkundungsarbeiten in Gorleben und das Genehmi-
    gungsverfahren für Konrad nach Kräften zu erschweren
    und zu stoppen. Dabei weiß jeder, auch jeder in den Re-
    gierungsfraktionen und in der PDS, daß Deutschland mit
    oder ohne Atomausstieg eine sichere Entsorgung und
    Endlagerung von radioaktiven Reststoffen unabdingbar
    braucht.

    Meine Damen und Herren, der Gesetzentwurf der
    PDS zur Änderung des Atomgesetzes ist voller Wider-
    sprüche und ungeklärter Fragen. Die CDU/CSU lehnt
    seine Zielsetzung und seine Vorschriften im einzelnen
    entschieden ab.


    (Beifall bei der CDU/CSU)