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ID1405612300

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    Plenarprotokoll 14/56 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 56. Sitzung Berlin, Freitag, den 17. September 1999 I n h a l t : Tagesordnungspunkt 1 (Fortsetzung): a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes über die Feststellung des Bundeshaus- haltsplans für das Haushaltsjahr 2000 (Haushaltsgesetz 2000) (Drucksache 14/1400) ..................................................... 4999 A b) Unterrichtung durch die Bundesregierung Finanzplan des Bundes 1999 bis 2003 (Drucksache 14/1401) ................................ 4999 B c) Erste Beratung des von den Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Sanierung des Bundeshaushalts – Haushaltssanierungsgesetz (Drucksache 14/1523) ..................................................... 4999 B Einzelplan 17 Bundesministerium für Familien, Se- nioren, Frauen und Jugend Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin BMFSFJ........................................................... 4999 C Hannelore Rönsch (Wiesbaden) CDU/CSU .... 5003 A Irmingard Schewe-Gerigk BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN......................................................... 5005 A Ina Lenke F.D.P. .......................................... 5006 B Klaus Haupt F.D.P. .......................................... 5007 A Sabine Jünger PDS........................................... 5009 D Hildegard Wester SPD..................................... 5011 B Hannelore Rönsch (Wiesbaden) CDU/CSU .... 5014 A Hildegard Wester SPD..................................... 5014 C Thomas Dörflinger CDU/CSU ........................ 5015 D Christian Simmert BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN................................................................. 5016 D Dr. Ilja Seifert PDS...................................... 5017 D Klaus Holetschek CDU/CSU........................... 5018 C Christa Nickels BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5020 D Klaus Holetschek CDU/CSU........................... 5021 B Dieter Dzewas SPD ......................................... 5021 C Manfred Kolbe CDU/CSU .............................. 5023 D Einzelplan 15 Bundesministerium für Gesundheit Andrea Fischer, Bundesministerin BMG......... 5024 D Manfred Kolbe CDU/CSU .............................. 5028 B Karl Diller SPD ............................................... 5030 A Manfred Kolbe CDU/CSU .............................. 5031 A Dr. Ilja Seifert PDS.......................................... 5032 A Eckhart Lewering SPD .................................... 5032 B Detlef Parr F.D.P. ............................................ 5034 A Dr. Ruth Fuchs PDS ........................................ 5036 C Helga Kühn-Mengel SPD................................ 5037 D Wolfgang Zöller CDU/CSU ............................ 5039 C Katrin Göring-Eckardt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ........................................................ 5041 B Dr. Ilja Seifert PDS...................................... 5041 D Wolfgang Lohmann (Lüdenscheid) CDU/ CSU ................................................................. 5042 C Rudolf Dreßler SPD..................................... 5043 D II Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 56. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. September 1999 Dr. Martin Pfaff SPD....................................... 5045 B Jürgen Koppelin F.D.P................................. 5046 B Wolfgang Zöller CDU/CSU ........................ 5047 C Hans Eichel, Bundesminister BMF.................. 5048 B Dr. Uwe-Jens Rössel PDS............................ 5049 D Dr. Angela Merkel CDU/CSU......................... 5052 B Antje Hermenau BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 5057 D Jürgen Koppelin F.D.P..................................... 5061 A Dr. Uwe-Jens Rössel PDS................................ 5063 D Hans Georg Wagner SPD ................................ 5065 C Dr. Christa Luft PDS ................................... 5057 C Bartholomäus Kalb CDU/CSU.................... 5068 A Nächste Sitzung ............................................... 5069 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten ........... 5071 A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen..................................... 5071 D Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 56. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. September 1999 4999 (A) (C) (B) (D) 56. Sitzung Berlin, Freitag, den 17. September 1999 Beginn: 9.00 Uhr
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    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 56. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. September 1999 5071 (A) (C) (B) (D) Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich Bachmaier, Hermann SPD 17.9.99 Bernhardt, Otto CDU/CSU 17.9.99 Bertl, Hans-Werner SPD 17.9.99 Bläss, Petra PDS 17.9.99 Blank, Renate CDU/CSU 17.9.99 Brudlewsky, Monika CDU/CSU 17.9.99 Bühler (Bruchsal), Klaus CDU/CSU 17.9.99 Bulmahn, Edelgard SPD 17.9.99 Dr. Däubler-Gmelin, Herta SPD 17.9.99 Dautzenberg, Leo CDU/CSU 17.9.99 Dr. Eid, Uschi BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 17.9.99 Ernstberger, Petra SPD 17.9.99 Friedhoff, Paul K. F.D.P. 17.9.99 Fritz, Erich G. CDU/CSU 17.9.99 Gebhardt, Fred PDS 17.9.99 Goldmann, Hans-Michael F.D.P. 17.9.99 Grasedieck, Dieter SPD 17.9.99 Gröhe, Hermann CDU/CSU 17.9.99 Dr. Gysi, Gregor PDS 17.9.99 Hartnagel, Anke SPD 17.9.99 Dr. Haussmann, Helmut F.D.P. 17.9.99 Hiller (Lübeck), Reinhold SPD 17.9.99 Hovermann, Eike SPD 17.9.99 Jacoby, Peter CDU/CSU 17.9.99 Jelpke, Ulla PDS 17.9.99 Dr. Kahl, Harald CDU/CSU 17.9.99 Dr. Knake-Werner, Heidi PDS 17.9.99 Dr. Lamers (Heidelberg), Karl A. CDU/CSU 17.9.99 * Lennartz, Klaus SPD 17.9.99 Müller (Kiel), Klaus Wolfgang BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 17.9.99 Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich Ost, Friedhelm CDU/CSU 17.9.99 Pützhofen, Dieter CDU/CSU 17.9.99 Rossmanith, Kurt J. CDU/CSU 17.9.99 Rühe, Volker CDU/CSU 17.9.99 Schily, Otto SPD 17.9.99 Schmidt-Zadel, Regina SPD 17.9.99 Schmitz (Baesweiler), Hans Peter CDU/CSU 17.9.99 Dr. Schockenhoff, Andreas CDU/CSU 17.9.99 Schuhmann (Delitzsch), Richard SPD 17.9.99 Schulhoff, Wolfgang CDU/CSU 17.9.99 Schultz (Köln), Volkmar SPD 17.9.99 Dr. Stadler, Max F.D.P. 17.9.99 Dr. Frhr. von Stetten, Wolfgang CDU/CSU 17.9.99 Teuchner, Jella SPD 17.9.99 Dr. Thalheim, Gerald SPD 17.9.99 Dr. Waigel, Theodor CDU/CSU 17.9.99 Wiefelspütz, Dieter SPD 17.9.99 Wöhrl, Dagmar CDU/CSU 17.9.99 Dr. Zöpel, Christoph SPD 17.9.99 ————— *) für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versamm- lung Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Vorsitzende des folgenden Ausschusses hat mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EU- Vorlagen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Parlament zur Kenntnis genommen oder von einer Be- ratung abgesehen hat. Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union Drucksache 14/342 Nr. 1.14Drucksache 14/595 Nr. 2.3
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Antje Hermenau


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kolleginnen
    und Kollegen! Frau Merkel, man merkt Ihnen richtig an,

    Dr. Angela Merkel






    (B)



    (A) (C)



    (D)


    wie erleichtert Sie sind, daß Ihre Partei in der Opposi-
    tion jetzt die Chance hat, sich zu erneuern.


    (Beifall des Abg. Jörg Tauss [SPD] – Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Wir haben die Chance wahrgenommen!)


    Ich gönne Ihnen das und wünsche Ihnen die nötige
    Kraft, um das all den alten Männern in Ihrer Partei bei-
    zubringen.


    (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


    Die Schulden müssen runter. In den letzten Tagen
    wurde viel gestritten. CDU und SPD führten einen
    Schlagabtausch darüber, wer die ganzen Schulden ver-
    ursacht hat und wer dafür zuständig ist. Dann wurde
    noch etwas über die sozialliberale Koalition – die war
    schon fast vor meiner Zeit – erzählt; dann wurde etwas
    von einer christlichliberalen Koalition erzählt, die noch
    mehr Schulden angehäuft hat. Das alles ist richtig. Übri-
    gens waren wir Ossis an den ungefähr 750 Milliarden
    DM Schulden, die in der Regierungszeit Kohl angehäuft
    sind, nicht beteiligt; das ist nicht unsere Erblast. Aber
    dazu kommen wir später noch, um die Zahl von 1,5 Bil-
    lionen DM vollzumachen. Egal, wie man das bewertet:
    Sie haben die Schulden nicht gesenkt, und Sie haben
    auch nicht die Nettokreditaufnahme gesenkt. Diese bei-
    den Schritte haben Sie nicht vollzogen.

    Mir ist noch etwas aufgefallen. Es ist eindeutig und
    auch historisch belegt, wer beim Schuldenmachen am
    besten gewesen ist. Die F.D.P. war – einmal mit der
    SPD, einmal mit der CDU – seit 1969 immer an der Re-
    gierung.


    (Zuruf des Abg. Jürgen Koppelin [F.D.P.])

    Es sind auf jeden Fall liberale Schulden, Herr Koppelin.


    (Beifall und Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Es sind auf gar keinen Fall grüne Schulden. Auch das
    steht fest, denn wir sind das erste Mal an der Regierung.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    In der ganzen Debatte wurde immer behauptet, an
    Staatsschulden könne man nicht mit der Denkweise ei-
    nes privaten Schuldners herangehen. Das sei kindisch,
    der Staat sei ganz anders. Sinn macht diese Argumenta-
    tion dann, wenn man auf die Einflüsse der Wirtschaft
    schaut. Aber die Grundprinzipien gelten trotzdem, egal
    ob private oder staatliche Schuldnerschaft. Diese
    Grundprinzipien besagen, daß man einen Kredit nur
    dann aufnehmen darf, wenn man etwas erwirbt, von des-
    sen Nutzung man länger etwas hat, als man Zinsen zah-
    len muß. Das macht doch die Debatte aus, die wir füh-
    ren. Wir reden doch davon, daß es nicht mehr angeht,
    jeden Tag einen Kredit für die Bedürfnisse des täglichen
    Lebens aufzunehmen. Doch das ist das, was wir gerade
    machen. Wir leben über unsere Verhältnisse.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Herr Merz hat sich vor zwei Tagen darin gefallen,
    darzustellen, wie eisern gespart worden sei. Für die Ära
    Stoltenberg ist das auch richtig.


    (Zuruf von der SPD: Na ja!)

    Ich gebe dem Kollegen Merz ausdrücklich recht: Unter
    Stoltenberg wurde versucht, den Haushalt zu konsolidie-
    ren. Im Sommer 1989 kam dann die Wende, aber nicht
    die ostdeutsche und gemeinsame, sondern die Wende in
    der christlich-liberalen Finanzpolitik. Im Sommer 1989,
    also vor der deutschen Einheit, hat Herr Waigel die
    Wende in der Finanzpolitik vorgenommen. Damals sind
    in der mittelfristigen Finanzplanung, bei der Nettokre-
    ditaufnahme und bei der Verschuldung deutliche Erhö-
    hungen vorgesehen worden. Das wurde ein Jahr vor der
    Bundestagswahl 1990 und vor der deutschen Einheit ge-
    plant, um – panem et circenses – die Bundestagswahl zu
    gewinnen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Als Ossi lasse ich es deshalb nicht auf mir sitzen, wir
    seien schuld daran, daß die Schulden nach der Wende so
    stark angestiegen sind. Die Folgen der Wiedervereini-
    gung kommen hinzu; das stimmt.

    Kommen wir zu dem Tafelsilber! Wir müssen uns
    beim Einsparen heute sehr hart anstrengen, weil – so
    leid mir das auch manchmal tut – das ganze Tafelsilber
    bereits verjuxt ist. Sie haben das 1997 und 1998 aufge-
    braucht. Deswegen haben wir gar keine Alternative: Wir
    müssen richtig einsparen, denn wir haben nichts mehr zu
    verkaufen. Sie wissen ganz genau, wie hoch die Risiken
    sind: Wenn die Zinsen um einen Prozentpunkt steigen,
    dann haben wir im Jahr darauf über 3 Milliarden DM
    mehr an Zinsen zu zahlen. Das müssen Sie sich einmal
    überlegen. Deswegen ist es genau richtig, jetzt die Not-
    bremse zu ziehen, bevor wir in die Zahlungsunfähigkeit
    kommen.

    Jetzt sage ich etwas als jemand, der 25 Jahre in dem
    anderen Teil Deutschlands aufgewachsen ist. Ich habe
    einmal erlebt, wie das ist, wenn ein Staat zusammen-
    bricht und nicht mehr handlungsfähig ist. Ich bitte Sie
    herzlich: Tun Sie mir das nicht ein zweites Mal an!


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Es kommt hinzu, daß ich auch noch ein junger Mensch
    bin und eigentlich vorhabe, dieses Land nicht zu verlas-
    sen. Auch da sollten wir uns Chancen erarbeiten.


    (Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Angst ist aber ein schlechter Ratgeber!)


    Nun machen Sie es für mich attraktiv, hier als Rentnerin
    zu leben, hier mehrere Kinder zu bekommen, so daß ich
    mich hier wohlfühlen kann!


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Sie haben das nicht geschafft; ich bin sehr stolz dar-
    auf, daß wir in der Koalition genau diese Fragen, die die

    Antje Hermenau






    (A) (C)



    (B) (D)


    Zukunft betreffen – sie beschäftigen mich auch politisch
    – wirklich anpacken.


    (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


    Ich habe hier in den letzten zwei, drei Tagen von Ihnen
    ständig nur Radio Jerewan gehört: „Im Prinzip sind wir
    dafür, aber…“ Sie haben im Bundesrat die Möglichkeit,
    Ihr gesamtes Aber in kleinen Anträgen vorzulegen. Wir
    werden uns jeden einzelnen anschauen und bewerten.
    Wenn vernünftige Vorschläge dabei sind, glaube ich so-
    gar, daß sie eine Chance haben, durchzukommen.


    (Zuruf von der SPD: Das ist nicht zu erwarten!)


    Die Lage ist verzweifelt, das gebe ich gerne zu. Sich
    hinzustellen und nach dem Sankt-Florians-Prinzip zu
    sagen: „Zünde bitte die andere Hütte an“, das halte ich
    nicht für redlich. Sie haben in den letzten Jahren selber
    eigene Einsparvorschläge gemacht; gegen sie hatten wir
    politisch zum Teil etwas. Das war alles der normale
    Schlagabtausch in der Politik. Aber jetzt unterstellen Sie
    etwas. Sie unterstellen, daß wir nicht wirklich sparen
    wollen. Das ist falsch; das stimmt nicht. Wir meinen es
    ernst, und es ist das Grundprinzip unseres Handelns. Wir
    wollen wirklich sparen, weil wir darin die einzige Mög-
    lichkeit sehen, diesen Staat handlungsfähig zu erhalten.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Sie haben auch – das finde ich ebenfalls unredlich –
    in der Debatte immer wieder darauf hingewiesen, daß
    das ja eigentlich nur die 30 Milliarden DM aus dem La-
    fontaine-Haushalt seien. Das ist zumindest die Auffas-
    sung, die Sie draußen verbreiten; intern wissen es die
    meisten von Ihnen besser. Es ist unredlich, die Auf-
    wüchse aus dem Haushalt 1999 jetzt mit dem Sparpaket
    und dem Haushalt 2000 zu vergleichen. Was wollen Sie
    denn wieder zurücknehmen? Die Bundesergänzungszu-
    weisungen an das Saarland, die Sie nicht ordentlich in
    den Haushalt eingestellt hatten? Nach dem Machtwech-
    sel wahrscheinlich nicht mehr. Wollen Sie die Kinder-
    gelderhöhung zurücknehmen? Da ist das BVG davor.
    Wollen Sie die Postunterstützungskassen verschweigen?
    Die Leute haben einen Rechtsanspruch auf ihr Geld.

    Es wäre eventuell denkbar, daß Sie beim Zuschuß an
    die Bundesanstalt für Arbeit kürzen. Aber dann fiele
    zum Beispiel das JUMP-Programm weg, das gerade
    jungen Menschen eine Chance auf dem Arbeitsmarkt
    geben soll. Das fände ich völlig falsch. Wir stehen dazu,
    daß wir uns für die Zukunft der jungen Leute verschul-
    den. Das ist ordentlich; das ist vernünftig.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Bartholomäus Kalb [CDU/ CSU]: Dafür streichen Sie 30 000 Zivildienststellen! Sind das keine Jugendlichen?)


    Wir können jetzt auch jene Nebelkerzen wegräumen,
    die Sie werfen, wenn Sie sagen, wir würden unsere Ein-
    sparmaßnahmen nicht richtig benennen und die Men-
    schen darüber im dunkeln lassen. Ich meine die globalen
    Minderausgaben, von denen immer die Rede ist. Wir

    lassen Sie über keine einzige globale Minderausgabe im
    unklaren. Ich selber habe gestern im Auswärtigen Amt
    ein Berichterstattergespräch gehabt. Wir haben alles he-
    runtergebrochen, bis auf die letzte müde Mark. Sie wis-
    sen ganz genau, daß das schmerzhafte Prozesse sind.
    Aber es wird jede einzelne Sparmaßnahme


    (Jürgen Koppelin [F.D.P.]: Das stimmt doch gar nicht!)


    in dem Haushalt, den wir als Gesetz verabschieden,
    deutlich belegt und ausgewiesen. So muß es auch sein.
    Denn es ist wichtig, daß die Leute ganz genau einschät-
    zen können, was auf uns alle zukommt.


    (Jürgen Koppelin [F.D.P.]: Dann gucken wir uns mal bei Verteidigung um!)


    Ihnen, meine Damen und Herren von der Opposition,
    werfe ich, ehrlich gesagt, einen gewissen Opportunis-
    mus vor. Auch Sie haben eine demokratische Verant-
    wortung. Ich werde abwarten, wie Sie sie im Bundesrat
    wahrnehmen werden. Eigentlich stehen Sie im Moment
    daneben und reiben sich die Hände. Sie diffamieren die
    Umbruchstimmung auch als Chaos, was ich nicht red-
    lich finde. Sie schämen sich auch nicht für diese zum
    Teil etwas billig errungenen Wahlsiege.


    (Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Das ist ja Wählerbeleidigung, was Sie betreiben!)


    Sie würden doch nur weniges anders machen. Viel-
    leicht haben Sie es nicht immer ehrlich gemeint, wenn
    Sie sagten, daß Sie jetzt gleich an die Macht zurückkeh-
    ren wollen. Denn Sie müßten dann mit jenen Maßstäben
    in der Politik weiter operieren, die wir in diesem Jahr
    setzen. Daran können Sie sich nicht vorbeimogeln; das
    wissen Sie auch. Deswegen glaube ich, daß es sehr in-
    teressant sein wird, zu sehen, was Sie im Bundesrat an-
    zubieten haben.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Ich werde mir dann genausoviel Zeit nehmen wie heute
    und werde in Ruhe auf Ihre Argumente eingehen.


    (Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]:Wenn Sie die Redezeit bekommen!)


    Denn Sie werden dann offenlegen müssen, was substan-
    tielle und tragfähige Vorschläge sind und was nicht.

    Ich komme noch einmal auf den Generationenkon-
    flikt zu sprechen, der manchmal ein wenig unglücklich
    aufgebaut wird. Wenn wir uns einmal anschauen, wie
    hoch die Jugendarbeitslosigkeit in den anderen europäi-
    schen Ländern ist, dann muß ich sagen, daß wir in
    Deutschland sehr gut dastehen. Das hat nicht zuletzt
    damit etwas zu tun, daß wir uns erkühnt haben, Kredite
    dafür aufzunehmen, um den jungen Leuten zusätzliche
    Chancen auf dem Arbeitsmarkt geben zu können. Dieses
    JUMP-Programm für junge Leute ist steuerfinanziert.
    Das stimmt; das steckt im Zuschuß der Bundesanstalt
    für Arbeit. Aber ich finde das völlig in Ordnung – was
    für eine Familie gilt, kann auch in einem Gemeinwesen
    gelten –, wenn die Oma Hilde nun dabei hilft – das ge-
    schieht dadurch, daß wir ihre Rente nur um einen Infla-

    Antje Hermenau






    (B)



    (A) (C)



    (D)


    tionsausgleich erhöhen –, daß ihrem Enkel Mirko nun
    doch noch eine Lehrstelle angeboten werden kann.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Sie wissen ganz genau, wovon ich rede: Es geht um
    Machtpolitik. Die Anzahl der Personen über 65 Le-
    bensjahre beträgt rund 13 Millionen in Deutschland; das
    sind zirka 16 Prozent der Bevölkerung; die Anzahl der
    Personen zwischen 18 und 25 Jahren beträgt 6 Millio-
    nen; das sind rund 7,5 Prozent. Und wir wissen ganz ge-
    nau, wovon wir reden; wir reden von Wählerstimmen.
    Das ist eine ganz einfache Sache. Wir sagen: Hinsicht-
    lich des Generationenkonfliktes muß man sich über die-
    se Bedenken hinwegsetzen. Es ist wichtig, jungen Leu-
    ten eine Zukunft zu geben.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Ich will nun – das ist eine wirklich neue Leistung der
    Bundesregierung – darüber sprechen, wie wir uns über
    den Aufbau Ost unterhalten. Herr Kollege Schwanitz
    hat es in bemerkenswerter Weise geschafft – das ist in
    den letzten zwei Tagen vielleicht untergegangen; aber es
    ist sehr wichtig, dies herauszustellen –, die überzogene
    Darstellung der Transfers zu beerdigen. Das haben Sie
    über Jahre nicht geschafft. Das ist eine hervorragende
    Leistung, für die wir uns beim Kollegen Schwanitz be-
    danken müssen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Ich weiß, daß Herr Biedenkopf, der von allen Seiten
    viel gelobt wird, seit mehreren Jahren durchs Land zieht
    und sagt, man müsse die Kosten redlich berechnen und
    man dürfe die Transfers bei der Rente und beim Ar-
    beitslosengeld nicht hineinrechnen. Dieses Geld steht
    den Menschen doch zu. Wir sollten nur über die wirkli-
    chen Investitionen zum Beispiel in den Infrastrukturbe-
    reich und in den Forschungsbereich reden. Dann kommt
    man nur auf eine Summe von 38 Milliarden DM für die
    Aufbauhilfe Ost. Das ist also mitnichten dieser riesige
    Bruttotransfer, der immer als Popanz aufgebaut worden
    ist.

    Herr Schwanitz hat damit der Diskussion an den
    Stammtischen den Nährboden entzogen. Das ist eine
    wirklich große Leistung. Herr Biedenkopf, der sächsi-
    sche Finanzminister Milbradt, selbst Kollegen aus der
    CDU/CSU-Fraktion wie Herr Kolbe haben für diese
    Sichtweise gekämpft, konnten sich aber nicht durchset-
    zen. Herr Schwanitz hat es aber in einem Dreivierteljahr
    geschafft, Redlichkeit einzuführen. Herr Schröder, ich
    bin froh darüber. Ich hatte nämlich befürchtet, daß wir
    so weitermachen wie bisher, weil es sich gut verkaufen
    läßt zu sagen, der Osten komme uns so furchtbar teuer.
    Ich bin dankbar für die Redlichkeit, für die wir hier ste-
    hen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Ich komme auf die Anregungen der Ländergruppe
    Ost in der Grünen-Fraktion und auf die Erwartungen zu

    sprechen, die wir mit diesem Zukunftsprogramm verfol-
    gen. Wir haben im Osten lange – Herr Gysi hat dies in
    etwas populistischer Art gemacht – über die Ungerech-
    tigkeit im Zusammenhang mit dem Einkommensgefälle
    gesprochen. Es ist schon schwierig, sich damit abfinden
    zu müssen, in fast allen Branchen nur 60 bis 75 Prozent
    des Westgehaltes zu beziehen. Dies ist eine schwierige
    Lebenslage, zumal sie noch Auswirkungen auf die Ren-
    tenansprüche hat.

    Es ist aber, glaube ich, nicht möglich, einen ganz ge-
    nauen Zeitplan festzulegen, wann man die Angleichung
    der Einkommensverhältnisse in Deutschland erreichen
    kann – obwohl dieser Wunsch existiert. Aber eines ist
    möglich: Man kann sich anstrengen, die Wirtschafts-
    struktur zu verbessern. Das ist genau das, was wir vor-
    geschlagen haben, nämlich die Investitionen für die
    wirtschaftsnahe Forschung und für die Infrastruktur im
    Osten zu erhöhen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Wenn man durch diese Maßnahmen die wirtschaftliche
    Situation verbessert, dann haben wir die Chance, die
    Einkommen zu erhöhen.

    In Richtung PDS sage ich: Sie lagen schon einmal
    daneben, die Produktivität nicht als entscheidenden
    Faktor für Lohnzuwächse zugrunde zu legen. Ich
    möchte dies kein zweites Mal erleben. Ich denke, wir
    sind gut beraten, die Wirtschaftskraft der ostdeutschen
    Länder deutlich zu stärken und darauf unser Hauptau-
    genmerk zu legen. Sie wissen selbst, wie heikel Zeitplä-
    ne sind. Die blühenden Landschaften haben sich auch
    nur sehr verzögert eingestellt.

    Ich komme nun auf den zweiten Punkt, der der Län-
    dergruppe Ost von Bündnis 90/Die Grünen sehr am
    Herzen liegt. Es geht darum, die Diskussion über den
    Länderfinanzausgleich von der Diskussion über den
    Aufbau Ost zu entkoppeln. Die Vermischung bei der
    Diskussion hindert uns an unserer Arbeit. Die erste Dis-
    kussion wurde von Herrn Stoiber und Herrn Teufel an-
    gefangen. Sie sagten, daß man den Ostländern nicht so-
    viel bezahlen könne und daß über den Länderfinanzaus-
    gleich – die Neuregelung steht 2004 an – verhandelt
    werden müsse. Die Angst in den ostdeutschen Ländern
    ist natürlich groß. Ich finde es auch nicht in Ordnung,
    daß man schon Jahre vorher mit dem Teufelaustreiben
    beginnt.

    Mein Vorschlag ist, daß wir im nächsten Jahr eine
    Konferenz abhalten, zu der wir die Landesfinanzminister
    und die Landeswirtschaftsminister der ostdeutschen
    Länder zusammen mit dem Bundesfinanzminister und
    dem Bundeswirtschaftsminister einladen. Auf dieser
    Konferenz soll über die Aufbauhilfe Ost gesprochen
    werden; man könnte dann über vier bis fünf Jahre festle-
    gen, wie sie verlaufen soll. Damit würde die Diskussion
    zum Länderfinanzausgleich vom Aufbau Ost entkoppelt
    werden. Damit schaffen wir einen gewissen psychologi-
    schen Rahmen, weil dann die ostdeutschen Bundeslän-
    der damit rechnen können, wie ihnen der Bund zur Seite
    steht. Man könnte dann entspannt in die Diskussion zum
    Länderfinanzausgleich gehen. Wir können uns im näch-

    Antje Hermenau






    (A) (C)



    (B) (D)


    sten Sommer große Meriten verdienen, indem wir den
    ostdeutschen Bundesländern auf die Beine helfen.

    Ein dritter Punkt ist mir wichtig; ich kämpfe schon
    seit Jahren dafür. Der Haushalt für das Jahr 2000 soll
    endlich ein Haushalt sein, bei dem auch die westdeut-
    sche Steinkohle ihren Sparbeitrag leisten muß.


    (Dirk Niebel [F.D.P.]: Hört, hört!)

    Es ist schon fast ein persönliches Anliegen von mir. Wir
    Ostdeutschen erwarten von dem Zukunftspaket, daß
    auch bei der Förderung der westdeutschen Steinkohle
    mindestens ein dreistelliger Millionenbetrag eingespart
    wird. Es kann nicht sein, daß die Steinkohlesubventio-
    nen entgegen den Entwicklungen in anderen Bereichen
    aufrechterhalten werden. Als diese Subventionen damals
    ausgehandelt wurden, herrschten andere Verhältnisse als
    heute. Den Rentnern und Sozialhilfeempfängern sagen
    wir: Heute sind die Verhältnisse anders. Dies müssen
    wir jetzt auch den Bergleuten mitteilen. Da hilft nun al-
    les nichts.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Man wird in zwei Monaten, wenn die abschließende

    Beratung des Haushalts 2000 beginnt, sehen, ob sich die
    Erwartungen von Bündnis 90/Die Grünen an diesen
    Haushalt erfüllt haben. Auf jeden Fall bin ich schon jetzt
    sehr zufrieden und stolz darauf, daß es uns gelungen ist,
    einen redlichen Haushalt aufzustellen. Das ist das erste
    Mal, daß ich dies erlebe, obwohl ich schon seit fünf Jah-
    ren Bundestagsabgeordnete bin.

    Ich bedanke mich bei Ihnen.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)




Rede von Dr. Rudolf Seiters
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Für die F.D.P.
spricht der Kollege Jürgen Koppelin.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. h.c. Jürgen Koppelin


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (F.D.P.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Liebe
    Kolleginnen und Kollegen! Wir haben in dieser Woche
    zum ersten Mal über den von Hans Eichel vorgelegten
    Haushalt beraten. Im Gegensatz zum „Zahlenkünstler“
    Lafontaine haben wir es bei Herrn Eichel mit einem Mi-
    nister zu tun, der sparen möchte. Das ist nichts Schlech-
    tes. Das ist ehrenwert und eigentlich auch die Aufgabe
    des Finanzministers. Es ist richtig, wenn Herr Eichel
    sagt, daß Einsparungen vorgenommen werden müssen
    und der Haushalt entlastet werden muß, damit wir zu-
    künftig Entscheidungsspielräume haben und zukünftige
    Generationen nicht belasten. So weit, so gut.

    Sie, Herr Finanzminister, haben dann aber etwas ge-
    sagt – darauf ist auch schon Frau Merkel eingegangen –,
    das ich nicht akzeptieren kann: Wie können Sie der alten
    Koalition aus CDU/CSU und F.D.P. Vorwürfe über de-
    ren Haushaltspolitik machen? Ich glaube, daß diese
    Politik gar nicht so schlecht gewesen sein kann. Sie ha-
    ben nach der Regierungsübernahme ja alle politischen
    Beamten – das kritisiere ich nicht – ausgewechselt. Aber
    den Staatssekretär, der Herrn Waigel bei der Aufstellung
    seiner Haushalte beraten hat, haben Sie behalten. Da-
    für müssen Sie doch Gründe gehabt haben. Ich vermute

    also, daß unsere Haushaltspolitik gar nicht so schlecht
    war.


    (Beifall bei der F.D.P.)

    Sie, Herr Minister, haben vor einiger Zeit gesagt – in-

    zwischen haben Sie es mehrfach wiederholt –: „Durch-
    mogeln hilft nicht mehr.“ Wenn ich mir jetzt Ihren
    Haushalt anschaue, kann ich Ihnen den Vorwurf nicht
    ersparen: Sie mogeln und tricksen! Es gibt Einsparungen
    in Milliardenhöhe, die nur eine Verlagerung vom Bund
    auf andere öffentliche Haushalte bedeuten. Es werden
    mehr als 5 Milliarden DM den Sozialversicherungen
    aufgebürdet. Beim Wohngeld wird ein Milliardenbetrag
    gestrichen. Dies alles geht zu Lasten der Kommunen.
    Dies ist wirklich nicht die feine Art, Herr Finanz-
    minister.

    Weil Sie denken, daß Ihnen keiner auf die Schliche
    kommt, machen Sie im bisherigen Stil munter weiter.
    Ich nenne das Stichwort globale Minderausgaben. Die
    Kollegin Hermenau verwaltet ja nicht die ganz großen,
    sondern nur die kleineren Etats.


    (Oswald Metzger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Arbeit und Soziales hat sie!)


    Da ist es möglich, daß sie – wie sie gesagt hat – alles bis
    auf die letzte müde Mark herunterrechnen kann. Aber
    ich bin gespannt, wie das im Verteidigungshaushalt und
    in den anderen Etats aussehen soll.

    Ich sage Ihnen folgendes: Im Sozialetat liegt die
    globale Minderausgabe bei 2,4 Milliarden DM. Beim
    Verteidigungsetat ist es fast genauso viel. Das sind
    große Positionen. Zählt man alle zusammen, betragen
    die globalen Minderausgaben 5,8 Milliarden DM. „Glo-
    bale Minderausgaben“ bedeutet doch wohl – wenn ich
    Sie in der bisherigen Haushaltsberatung richtig verstan-
    den habe –: Eichel weiß noch gar nicht, wo er sparen
    will. Das ist die Botschaft, die von diesen großen glo-
    balen Minderausgaben ausgeht. Sie paßt zu Ihrem Spar-
    paket.


    (Beifall bei der F.D.P. sowie der Abg. Dr. Angela Merkel [CDU/CSU])


    Ich möchte Sie auch daran erinnern, was Sie vor der
    Wahl alles den Bürgern versprochen haben, nämlich
    soziale Sicherheit und Gerechtigkeit, den Abbau der
    Arbeitslosigkeit – dazu habe ich von Ihnen bisher wenig
    gehört – und die Erhöhung der Renten. Das waren Ihre
    Hauptversprechen. Den Bürgern wurde das Gefühl ver-
    mittelt, für all diese Wohltaten sei genug Geld vorhan-
    den. Haben Sie mit Ihren Haushältern vorher nie gespro-
    chen? Gerechtigkeitslücken wurden von der SPD aus-
    gemacht. Diese Lücken wollten Sie durch Ihre Umver-
    teilungspolitik schließen. So waren Ihre Aussagen vor
    der Wahl.

    Nun spricht der Bundesfinanzminister von Eigenver-
    antwortung, Risikobereitschaft und Selbstvorsorge. Dies
    muß man loben; denn das sind alles Begriffe, Herr
    Finanzminister, die den Liberalen nicht fremd sind. Aber
    als wir damals von diesen Dingen gesprochen haben,
    wurden wir von der SPD-Fraktion mit Begriffen wie
    „Neoliberalismus“ und „soziale Kälte“ bedacht. Dies

    Antje Hermenau






    (B)



    (A) (C)



    (D)


    waren Ihre Schlagworte. Trotz dieser Vorwürfe haben
    wir nie eine Politik der sozialen Kälte verfolgt. Sie ver-
    folgen eine solche Politik.


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Widerspruch bei der SPD)


    Der Bundeskanzler hat auch in dieser Debatte das
    Sparpaket, aber auch sogenannte Reformen seiner Re-
    gierung als „von historischer Tragweite“ bezeichnet.
    Welche Reformen meint er denn? Spricht er von der
    verkorksten Reform zur Scheinselbständigkeit? Spricht
    er von der verkorksten Reform zu den 630-Mark-Jobs?
    Spricht er von der verkorksten Ökosteuer, die überhaupt
    keine Ökosteuer ist? Spricht er von den rotgrünen Ren-
    tenplänen? Hat all dies historische Tragweite? – Ja, in
    dem Punkt hat er recht: Das hat historische Tragweite.
    Es sind allesamt Anschläge auf die Bürger und ihr
    schwerverdientes Geld. Das hat es in dieser Form bisher
    nicht gegeben; insofern ist es historisch.


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Dazu paßt die Diskussion in der SPD-Fraktion zu die-
    sem sogenannten Sparpaket, die wir in der Sommer-
    pause erlebt haben. Bei einem so unausgewogenen, teil-
    weise richtig chaotischen Paket des Finanzministers ver-
    stehe ich das. Ein vielstimmiger Chor von sozialdemo-
    kratischen Überzeugungstätern versucht sich in Forde-
    rungen, Vorschlägen, Rücknahmen dieser Vorschläge
    und Dementis.

    Wenn der Bundeskanzler im Plenum des Bundestages
    erklärt, die Koalition stehe hinter dem Sparpaket – ich
    nehme einmal an, das ist so –, dann sagen Sie doch bitte
    den Kolleginnen und Kollegen vor allem der SPD-
    Fraktion, daß sie auch in den Wahlkreisen dazu stehen
    sollen. Bis jetzt mußte ich jede Woche in irgendeinem
    Wahlkreis von irgendeinem SPD-Abgeordneten lesen,
    daß er gegen dieses Paket und deshalb gegen die Politik
    des Bundeskanzlers sei. Ihre Kollegen sollen in den
    Wahlkreisen dazu stehen. Wenn das geschieht, dann
    wird unser Geschäft als Opposition, mit diesen Abge-
    ordneten über das Sparpaket zu diskutieren, etwas einfa-
    cher.


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Während des Sommertheaters hatte ein richtiger
    Knüller Uraufführung. Ich meine die Äußerungen des
    SPD-Fraktionsvorsitzenden Struck. Er hat laut über das
    Steuersystem nachgedacht. Herr Finanzminister, die
    Diskussion um das Sparpaket allein reicht nicht. Die
    Diskussion um die steuerlichen Rahmenbedingungen
    kam dazu. Herr Struck ist zu ganz tollen Erkenntnissen
    gekommen. Ich zitiere ihn wörtlich:

    Ich glaube nicht, daß die alte Position einer Arbei-
    terpartei, von den Reichen nehmen, um es den Ar-
    men zu geben, die Politik in unserer modernen Ge-
    sellschaft ist.

    Einen weiteren Satz von Herrn Struck will ich Ihnen
    nicht vorenthalten, auch wenn sie ihn kennen:

    Was die F.D.P. in der Steuerpolitik vorschlägt, ist
    doch völlig richtig.


    (Beifall bei der F.D.P. – Cornelia Pieper [F.D.P.]: Hört! Hört!)


    Herr Struck hat recht. Ich kann ihn nur auffordern, seine
    Anstrengungen in diese Richtung fortzuführen. Wir, die
    Freien Demokraten, werden ihn dabei selbstverständlich
    gern unterstützen.

    Mit unserem Konzept wird etwas für Deutschland ge-
    schaffen, was von enormer Bedeutung ist. Das hat Herr
    Struck erkannt. Mit unserem Konzept werden die Bürger
    entlastet, es werden Arbeitsplätze geschaffen – ich finde,
    in dieser Haushaltsdebatte haben wir darüber viel zuwe-
    nig gesprochen – und unser Steuerrecht wird vereinfacht.
    Hinzu kommt etwas, was Sie uns vielleicht gar nicht zu-
    trauen: Auch wir wollen den Abbau von Vergünstigungen
    und den Abbau von Subventionen betreiben. Würde un-
    ser Steuerkonzept umgesetzt, dann wäre das gerecht.


    (Beifall bei der F.D.P.)

    Die Umsetzung eines solchen Steuerkonzepts würde

    dazu führen, Herr Bundesfinanzminister, daß Sie nicht
    so stark streichen müßten, weil die Einnahmen kräftig
    sprudelten, ohne daß Sie Steuererhöhungen vornehmen
    müßten. Das ist der entscheidende Punkt. Durch dieses
    Konzept würde die Abgabenlast der Bürger reduziert,
    und die Unternehmen würden entlastet. Für die Unter-
    nehmen würden Anreize geschaffen, mehr Menschen in
    Lohn und Brot zu bringen. In Ihrem Haushalt besteht
    das Problem, daß Sie unglaublich viel Geld wegen der
    großen Zahl an Arbeitslosen ausgeben müssen. Wir
    müssen die Zahl der Arbeitslosen senken, damit es die
    entsprechenden Einsparungen gibt.


    (Beifall bei der F.D.P.)

    Entscheidend ist: Wenn Sie die Steuern radikal sen-

    ken, dann werden Menschen eingestellt und dann haben
    die Unternehmen die Möglichkeit, Gewinne zu erzielen
    und wieder zu investieren. Vor allem sprudelt dann die
    Steuerquelle. Andere Länder haben uns das vorgemacht.


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Wenn wir während der Debatte der letzten Tage ge-
    sagt haben, die Grünen und vor allem die SPD hätten in
    der letzten Legislatur jede Möglichkeit eines Steuer-
    kompromisses verhindert, dann haben Sie das immer
    bestritten. Die Kollegin Hermenau hat eben vom Berg-
    bau gesprochen. Ich möchte Ihnen ein Zitat des damali-
    gen SPD-Fraktionsvorsitzenden Rudolf Scharping aus
    dem Jahre 1997 vorlesen – es ist gerade zwei Jahre alt;
    es gibt bergeweise Aussagen von Sozialdemokraten,
    warum sie die Steuerreform verhindert haben –:

    Für meine Partei gibt es derzeit Wichtigeres als die
    Steuerverhandlungen mit der Koalition.

    – Das waren damals wir. –
    Eine Fortsetzung der Steuergespräche kommt erst
    in Frage, wenn die Zukunft des Bergbaus ohne be-
    triebsbedingte Kündigungen gesichert ist.

    Jürgen Koppelin






    (A) (C)



    (B) (D)


    Man muß sich einmal vorstellen, auf welchem Niveau
    damals gesprochen wurde. Solche Vermischungen ha-
    ben Sie vorgenommen.

    Der Bundeskanzler hat in der Debatte gesagt: Wir
    ziehen unser Programm jetzt so durch, und die Koalition
    steht dazu. Herr Bundesfinanzminister, ich frage mich,
    was Ihr Wort überhaupt wert ist, wenn Sie der Oppositi-
    on Gespräche anbieten. Was stimmt denn? Ziehen Sie
    Ihr Vorhaben durch, oder wollen Sie mit uns wirklich
    Gespräche führen? Wir sind zu Gesprächen bereit.

    Herr Finanzminister, Ihre heutige Rede hat ebenso
    wie Ihre Einbringungsrede gezeigt, daß Sie Ehrenmit-
    glied des PEN-Clubs werden sollten: Ich habe lang nicht
    mehr so viel Lyrik in Reden gehört wie bei Ihnen.


    (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das müssen gerade Sie sagen! Ausgerechnet aus Ihrem Munde!)


    Sie sind nicht konkret geworden, Sie sind nicht auf die
    Fakten eingegangen. Warum sagen Sie nicht, das Kon-
    zept sei ganz furchtbar, aber als Finanzminister müßten
    Sie Einschnitte machen, auch wenn es Ihnen leid tue?
    Dann könnten Sie auch in aller Deutlichkeit sagen, wen
    Sie schröpfen und wo Sie abkassieren.

    Sie bedienen sich bei der Landwirtschaft, womit Sie
    es sich sehr einfach machen, weil die Landwirte keine
    Chance haben, ihre Produkte zu ändern oder ins Ausland
    zu gehen. Die Landwirtschaft können sie kräftig schröp-
    fen. Sie schröpfen die Bundeswehr, Sie kassieren beim
    Meister-BAföG, Sie kassieren beim Wohngeld. Sie kas-
    sieren sogar bei den sozialen Verbänden in Deutschland,
    weil Sie sich von denen den Zivildienst künftig bezahlen
    lassen. Das muß man sich einmal vorstellen: Manchmal
    waren wir doch froh, daß überhaupt Zivildienststellen
    von den Sozialverbänden geschaffen wurden. Ich bin
    fest davon überzeugt, daß es da einen Rückgang geben
    wird.

    Sie streichen bei der Forschung.

    (Jörg Tauss [SPD]: Was?)


    Sie nehmen das BaföG aus dem Bundeshaushalt heraus.
    Das tollste Ding ist, daß der BGS als Bahnpolizei künf-
    tig von der Bahn AG bezahlt werden soll. Ich will jetzt
    nicht sagen, daß der BGS zu einer Söldnertruppe wird.
    Aber eines frage ich mich wirklich, Herr Eichel: Warum
    lassen sie sich dann nicht auch von den Bundesligaver-
    einen den BGS-Einsatz bezahlen?


    (Beifall bei der F.D.P.)

    Sie wälzen Milliardenbeträge auf die Kommunen ab.

    Damit rede ich gar nicht einmal von dem Verkauf der
    Eisenbahnerwohnungen; in diesem Zusammenhang gibt
    es ja noch ein Loch in Ihrem Haushalt. Dies alles zeigt,
    daß Sie sich nur durchmogeln. Ihr Etat ist wirklich nicht
    seriös.

    Nun möchte ich darauf zurückkommen, daß Sie uns
    aufgefordert haben, unsere Alternativen vorzulegen. Wir
    haben unsere Alternativen vorgelegt, und zwar nicht nur
    ein Steuerkonzept. Wir von der F.D.P. haben auf Druck-
    sache 14/1132 einen Antrag eingereicht, der – ich sage

    Ihnen das, falls Sie nicht wissen, wovon ich rede – das
    Schröder-Blair-Papier beinhaltet. Das sind die richti-
    gen Rahmenbedingungen. Warum ist die Koalition nicht
    bereit, über das Papier, das von Ihrem Bundeskanzler
    kommt, und, was Sie ja zugeben, in großen Teilen von
    der F.D.P. abgeschrieben ist, auch mit uns, der F.D.P.,
    zu diskutieren? Wir sind dazu bereit; denn das, was in
    diesem Papier steht, ist vollkommen in Ordnung.


    (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das ist ein Papier für die Parteiarbeit und nicht für den Bundestag! Typisch Koppelinscher Unsinn!)


    – Wir werden es in die Diskussion um den Haushalt ein-
    bringen.

    Ich freue mich auf die Haushaltsberatungen. Aber,
    Herr Eichel, kommen Sie nicht nur mit Ihrem Konzept.
    Wenn Sie wirklich gesprächsbereit sind, dann lassen Sie
    uns beispielsweise über die Steuerreform und auch ein-
    mal über das Schröder-Blair-Papier reden. Ich bin ge-
    spannt, was Sie zu diesem Papier sagen und ob Sie unse-
    rem Antrag, dem Schröder-Blair-Papier, dazu zustim-
    men werden.

    Ich danke Ihnen für Ihre Geduld und wünsche Ihnen
    ein schönes Wochenende.


    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)