Dr. Heidi Knake-Werner
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 52. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. September 1999 4475
(A) (C)
(B) (D)
Anlagen zum Stenographischen Bericht
Anlage 1
Liste der entschuldigten Abgeordneten
Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich
Beucher, Friedhelm Julius SPD 8.9.99
Dr. Bötsch, Wolfgang CDU/CSU 8.9.99
Ehlert, Heidemarie PDS 8.9.99
Fischbach, Ingrid CDU/CSU 8.9.99
Gebhardt, Fred PDS 8.9.99
Gleicke, Iris SPD 8.9.99
Hovermann, Eike SPD 8.9.99
Ibrügger, Lothar SPD 8.9.99
Jacoby, Peter CDU/CSU 8.9.99
Leidinger, Robert SPD 8.9.99
Marhold, Tobias SPD 8.9.99
Möllemann, Jürgen W. F.D.P. 8.9.99
Oswald, Eduard CDU/CSU 8.9.99
Rauber, Helmut CDU/CSU 8.9.99
Ronsöhr, Heinrich-
Wilhelm CDU/CSU 8.9.99
Dr. Rüttgers, Jürgen CDU/CSU 8.9.99
Dr. Schmidt (Halsbrücke),
Joachim CDU/CSU 8.9.99
Thönnes, Franz SPD 8.9.99
Dr. Thomae, Dieter F.D.P. 8.9.99
Dr. Westerwelle, Guido F.D.P. 8.9.99
Wolff (Zielitz), Waltraud SPD 8.9.99
Anlage 2
Zu Protokoll gegebene Reden
zum Antrag der Abgeordneten Horst Friedrich,
Michael Goldmann, Dr. Karlheinz Guttmacher
und der Fraktion F.D.P.: CO2-Ausstoß im Ge-bäudebereich senken
Hans-Michael Goldmann (F.D.P.): CO2-Ausstoß imGebäudebereich senken, so lautet die Kernaussage, die
Überschrift unseres Antrages, den ich ihnen jetzt kurz
vorstellen möchte.
Wir sind sicher alle darin einig, und wir unterstützen
ja nachdrücklich das Ziel der Bundesregierung, den
CO2-Ausstoß in Deutschland bis zum Jahr 2005 um 25Prozent zu senken. Ich glaube, wir alle begrüßen sehr
nachdrücklich die bisher getroffenen Maßnahmen zur
CO2-Minderung, insbesondere – und ich betone das –die freiwillige Selbstverpflichtung der Industrie zur
Verminderung ihres CO2-Ausstoßes. Wir sind erfreutüber die Entwicklung der Automobilindustrie, die große
Anstrengungen unternimmt, um die Fahrzeugflotten so
weiterzuentwickeln, daß eine Senkung des Kraftstoff-
verbrauches – wiederum auf der Basis von Eigenver-
antwortung und der eigenen Entscheidung des Kunden –
zum Tragen kommt. Wir müssen aber auch feststellen,
liebe Kolleginnen und Kollegen, daß unser gemeinsa-
mes, unser ehrgeiziges Ziel, eine 25prozentige CO2-Minderung nur dann erreicht werden kann, wenn der
Gebäudebereich und hier ganz besonders der Gebäude-
bestand über das bisherige Maß hinausgehend in ein Ge-
samtkonzept zur Senkung des CO2-Ausstoßes einbezo-gen wird. Dabei ist für uns Freie Demokraten der Wär-
meenergieverbrauch von ganz zentraler Bedeutung.
Wir alle wissen, daß die zum 1. Januar 1995 in Kraft
getretene Wärmeschutzverordnung nicht mehr dem ent-
spricht, was unter Ausnutzung der technischen Möglich-
keiten zu erreichen wäre. An dieser Stelle kann man
viele Wünsche äußern, wie Sie, Frau Eichstädt-Bohlig,
das ja auch in der „GRE inform“ tun, wenn Sie sagen,
Sie möchten gern 500 Millionen DM haben, um die Be-
standsförderung voranzutreiben. Man kann auch den
politischen Wunsch haben, daß die Bundesregierung
selbst größte Anstrengungen in den Bereichen Verkehr
und Bau unternimmt, denn schließlich ist ja auch sie
dem bekannten CO2-Minderungsziel verpflichtet. Ja,hier wären zielgerichtete Strategien und ein konkreter
Handlungsrahmen äußerst wünschenswert, damit sowohl
der Verkehr wie auch der Gebäudebestand ihren Beitrag
zur CO2-Minderung leisten können.
Es ist der falsche Weg, wenn die Bundesregierung im
Verkehrsbereich auf Stabilisierung des Verbrauchs setzt
und die stufenweise Mineralölsteuererhöhung und die
neue Stromsteuer zur Füllung der Rentenkasse benutzt.
Und die Grünen? Sie wollen heute nichts mehr von der
Abschaffung der Kfz-Steuer und der Umlegung des
Volumens auf die Mineralölsteuer wissen, obwohl auch
in diesem Bereich ein ausformulierter Gesetzentwurf der
F.D.P.-Bundestagsfraktion dem Bundestag vorliegt.
Es ist zu wenig, wenn sich die Aktivitäten der Bun-
desregierung darauf reduzieren, die Wärmeschutzver-
ordnung aus dem Jahr 1995 weiterzuentwickeln. Das ist
zunächst mal sicherlich ein lobenswertes Ziel, es betrifft
allerdings nur einen Teil des gesamten Handlungsspek-
trums. Insofern ist es berechtigt, wenn ich Rotgrün vor-
halte, sie betreiben Schmalspurökologie.
Was ist nun das Ziel unseres Antrages? Die F.D.P.
will mit dem Antrag drei Dinge erreichen.
Zuerst soll durch die parlamentarische Initiative ver-
hindert werden – und das ist mir wichtig –, daß sich die
Bundesregierung in Sachen Energiesparverordnung mit
sich selbst und dem Bundesrat beschäftigt und in diesem
Bereich den Deutschen Bundestag außen vor läßt. Sie
wissen, daß das formal möglich wäre. Auch die zum
Teil schlechte Informationspolitik des BMVBW in
Richtung der Opposition gibt Anlaß zu solchen Be-
fürchtungen.
Zweitens soll der Antrag dazu zwingen, die Frage der
CO2-Einsparung im Gebäudebereich auf breiterer Basiszu debattieren, als es die Bundesregierung bisher tut.
Die einzelnen Abgeordneten des Hauses werden zur Zeit
seitens Institutionen und Verbänden mit einer Fülle
4476 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 52. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. September 1999
(A) (C)
(B) (D)
technischer Details befaßt, die eine Vielzahl einzelner
Interessenvertreter vorbringen, um wertvolle Anregun-
gen zu geben, aber auch um die eigenen Marktchancen
in Zukunft zu erweitern oder zumindest zu sichern. Das
ist legitim und wird natürlich auch von uns Liberalen
unterstützt. Denn hinter Maßnahmen, die von den Inter-
essenvertretern vorgetragen werden, stehen natürlich
auch die Chancen zur Sicherung und Schaffung neuer
Arbeitsplätze. Wir wissen spätestens aus den Zahlen des
Verbändeparlamentarierbriefes – Bundestagswahl 98 –,
daß die Investitions- und Arbeitsplatzchancen, in Ver-
bindung mit den ökologischen Chancen den CO2-Ausstoß im Gebäudebereich zu senken, enorm sind. Die
Zahlen – 500 000 Modernisierungsmaßnahmen pro Jahr
schaffen auf Dauer 175 000 Arbeitsplätze neu –, sind
beeindruckend und sollten uns mit hoher Bereitschaft an
diese Aufgabenstellung – für mich parteigrenzenüber-
greifend – herangehen lassen. Aber eine Energiespar-
verordnung, die einzig eine Weiterentwicklung der
Wärmeschutzverordnung aus dem Jahre 1995 – ich sage
mal, die einfach ein bißchen technischer, ein bißchen
fachlicher ist – kann den Anforderungen nicht gerecht
werden. Es darf der Blick für das Ganze nicht verloren
gehen, für die riesigen Chancen und die Verzahnungen,
die sich in diesem Bereich ergeben. Dabei muß der Ge-
danke der Eigenverantwortung gestärkt werden und der
Ordnungsrahmen auf das unbedingt notwendige Maß
beschränkt bleiben.
Deshalb legt die F.D.P. – und das ist für mich der
dritte Punkt – mit ihrem Antrag ihre Position für einen
großen Handlungsrahmen zu CO2-Einsparungen im Ge-bäudebereich vor. Sie macht mit diesem Antrag einen
konstruktiven Vorschlag. Den einseitigen und techni-
schen Details verhafteten Schmalspurplänen der Bun-
desregierung setzen wir Liberale die Einbeziehung der
Einsparpotentiale im Gebäudebestand und den Abbau
bürokratischer und juristischer Hemmnisse entgegen.
Beim Mietrecht eröffnet sich die Chance der individu-
ellen Verbrauchsabrechnung. Mit dem Wunsch nach
Aufklärung und öffentlicher Information fordern wir ein
breites Informationsangebot, das darauf abzielt, den
CO2-Ausstoß im Gebäudebereich zu senken.
Sehr erfreulich ist – und ich will es hier noch mal
betonen – daß Maßnahmen zur Senkung des CO2-Ausstoßes neben dem hochgradigen ökologischen Nut-
zen einen hohen Beschäftigungseffekt haben. Sie sind
für die Gesamtbereiche des mittelständischen Bau- und
Ausbaugewerbes wie auch für die entsprechenden tech-
nischen Branchen Arbeitsplatz- und Ausbildungsplatz-
schaffer.
Die Bundesregierungen haben seit mehreren Jahren
Vorbereitungen zur Novellierung der Wärmeschutzver-
ordnung getroffen. Die Grunddaten bilden eine Basis,
aufgrund der bereits in Kürze ein Maßnahmepaket zur
Senkung des Energieverbrauchs im Gebäudebereich
vorgelegt werden könnte. Wir Freien Demokraten er-
warten, daß der Kern der Maßnahmen zur Energieein-
sparung im Gebäudebereich zum 1. Januar 2000 in Kraft
tritt. Aus ökonomischen und ökologischen Gründen ist
konstruktive Eile geboten. Ich hoffe, daß wir zu einer
schnellen Lösung kommen.
Norbert Formanski (SPD): Zu Recht wird im Antrag
der F.D.P. festgestellt, daß im Baubereich erhebliche
CO2-Einsparpotentiale vorhanden sind. In Gesamt-deutschland werden bei der Heizung von Gebäuden –
Raumwärme und Warmwasser – jährlich 270 Millionen
Tonnen Kohlendioxid freigesetzt. Die Enquete-Kom-
mission „Schutz der Erdatmosphäre“ bezifferte das Ein-
sparpotential im Gebäudesektor auf mindestens 50 Pro-
zent in besonderen Fällen auf bis zu 90 Prozent.
Es ist erfreulich, daß auch die F.D.P. sich jetzt diesem
Thema stellt.
Denn bereits 1990 hatte die alte Bundesregierung be-
schlossen, die Kohlendioxid-Emissionen in den alten
Bundesländern um mindestens 25 Prozent und in den
neuen Bundesländern um einen noch deutlich höheren
Prozentsatz zu reduzieren. Seitdem wurde viel über
Klimaschutzmaßnahmen geredet; getan wurde aber so
gut wie nichts.
Außer einer kümmerlichen Wärmeschutz-Verord-
nung – Januar 1995 –, die weit hinter den Standards an-
derer Länder zurückbleibt, haben Sie nicht Konkretes
vorzuweisen.
Die von Ihnen „insbesondere … begrüßte Selbstver-
pflichtung“ – November 1996 – der deutschen Wirt-
schaft zur Klimavorsorge ist und bleibt ein reiner Eti-
kettenschwindel. Es wurden keine besonderen Anstren-
gungen der Wirtschaft zur Erreichung des gesteckten
Ziels einer 25prozentigen CO2-Reduktion unternommen,sondern nur Maßnahmen ergriffen, die aus Gründen des
Wettbewerbs oder aus technischen Erwägungen ohnehin
durchgeführt worden wären.
Bei Nichteinhaltung der Zusagen durch die Unter-
nehmen standen keine Bußgelder, Strafen oder Zwangs-
maßnahmen zur Verfügung. Die Selbstbeschränkungs-
erklärung wurde ohne sogenannten Rechtsfolgewillen
abgegeben.
So konnte das CO2-Minderungsziel nicht erreichtwerden. Es sind konkrete Maßnahmen in allen Ver-
brauchssektoren notwendig, um das angestrebte Ziel zu
erreichen.
Besonderes Augenmerk richten wir Sozialdemokraten
dabei darauf, daß diese Maßnahmen auch einen positi-
ven Effekt auf den Arbeitsmarkt haben. Dies ist insbe-
sondere im Gebäudebereich der Fall.
Schätzungen auf der Basis von Untersuchungen des
Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung haben er-
geben, daß durch Verbesserungen von Wärmedämmung
und Heizungstechnik, vor allem durch eine umfassende
energetische Sanierung des Gebäudebestandes, bis zu
150 000 neue Arbeitsplätze entstehen können.
Wir werden dafür sehr zügig die erforderlichen Rah-
menbedingungen schaffen. Dies wird ein aufeinander
abgestimmtes Bündel von Vorschriften, flankierenden
Förderprogrammen sowie Informationskampagnen sein.
Dabei ist in erster Linie die neue Energieeinsparver-
ordnung zu nennen, mit der die Wärmeschutzverord-
nung unter Einbeziehung der Heizungsanlagen-Verord-
nung fortgeschrieben wird. Mit der Energieeinsparver-
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 52. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. September 1999 4477
(A) (C)
(B) (D)
ordnung wird das Niedrigenergiehaus mit einem Heiz-
energiebedarf von sieben Litern Heizöl pro Quadratme-
ter Wohnfläche und Jahr zum Standard im Neubaube-
reich.
Neubauten werden dann im Schnitt 30 Prozent weni-
ger Heizenergie benötigen als heute. Einbau von moder-
nen Brennwertgeräten einschließlich der Abgas- und
Neutralisationsanlagen, Einbau von Anlagen zur Wär-
mespeicherung und Wärmerückgewinnung für die
Raumheizung und die Warmwasserbereitung, Einbau
von Solaranlagen für Licht, Raumheizung und Warm-
wasserbereitung, Einbau von brennstoffbetriebenen
Wärmepumpen einschließlich Abgasanlagen, Maßnah-
men zur Wärmedämmung und -isolierung – um nur
einige Punkte zu nennen – sind heute technisch ausge-
reift und sowohl im Neubaubereich als auch im Altbe-
stand an der Schwelle zur Wirtschaftlichkeit. Auch die
Anforderungen an Altbauten werden wir anheben. Dabei
wird die Einführung von Energiekennzahlen dafür sor-
gen, daß energetisch ungünstige Gebäude künftig
schneller erkannt und verbessert werden können.
Während im Neubaubereich heute schon die Normen
der noch geltenden Wärmeschutzverordnung übertroffen
werden, liegen die Dinge bei Altbauten im argen. Ob-
wohl sie bei fast allen großen Modernisierungsobjekten
inzwischen berücksichtigt werden müßte, spielt die Ver-
ordnung kaum eine Rolle, da sie nicht überprüft und
deshalb auch nicht eingehalten wird.
Von der „Altbausanierung aus einem Guß“, bei der
Handwerker aus verschiedenen Bereichen koordiniert an
einem Strang ziehen, ist der Bausektor weit entfernt.
Auch das Augenmerk der Architekten richtet sich immer
noch auf den Neubau, denn damit stehen die Chancen
auf die Titelseite der Architekturzeitschriften zu gelan-
gen, weit besser als mit einer gelungenen energetischen
Ertüchtigung eines Altbaus.
Deshalb ist es notwendig, die neue Energiesparver-
ordnung durch eine breit angelegte Informations- und
Weiterbildungskampagne den Bauherren, Planern und
Handwerkern nahe zu bringen.
Dreh- und Angelpunkt ist das – fehlende – Know-
how. Voraussetzung für eine ökologische Ausrichtung
von Neubauten und die Sanierung von Altbauten ist da-
her die Weiterbildung von Handwerkern und Architek-
ten. Das erfolgreiche Beispiel des REN-Impuls-
Programms – Rationelle Energienutzung – in Nordrhein-
Westfalen, bei dem unter Beteiligung der Bauwirtschaft
und zahlreicher Fachleute Weiterbildungsveranstaltun-
gen mit hoher inhaltlicher und didaktischer Qualität er-
stellt werden, sollte bundesweit Schule machen.
Oft erstickt der modernisierungswillige Eigentümer
in einer Flut von verschiedenen Veröffentlichungen und
Broschüren und kann letztlich kaum entscheiden, welche
Maßnahme die ökologisch sinnvollste wäre. Die Kennt-
nisse über ökologisches Modernisieren sollten durch ei-
ne flächendeckende und neutrale Beratung an die Ei-
gentümer und Mieter weitergegeben werden.
Ein Markenzeichen für bestimmte ökologische Stan-
dards wäre eine weitere geeignete Entscheidungshilfe.
Denn ohne Kennzeichnung der Produkte ist keine In-
formation möglich. Die ökologischen Daten für einzelne
Baustoffe, von der Zusammensetzung bis hin zu Infor-
mationen über die Entsorgungsproblematik, müssen auf
den Tisch. Was heute verbaut wird, finden unsere Kin-
der und Kindeskinder im Bauschutt wieder.
Daher ist der Gebäudepaß nicht nur für Neubauten,
sondern auch für renovierte Altbauten notwendig. Durch
einen speziellen Wärmepaß für Altbauten könnten sich
die Mieter zudem besser über zu erwartende Heizkosten
informieren.
Durch finanzielle Anreize für die Bauherren werden
wir die Bereitschaft, energierelevante Modernisierungs-
maßnahmen durchzuführen, verstärken.
Besonders hervorzuheben sind hier die zinsverbillig-
ten Darlehen der Kreditanstalt für Wiederaufbau. Das
Darlehensvolumen wurde bereits um 2,5 Milliarden DM
– jetzt 7,5 Milliarden DM – aufgestockt, und die För-
dertatbestände wurden in unserem Sinne erweitert. Mit
diesen Mitteln schaffen wir die Anreize, tatsächlich in
die Schonung der Umwelt zu investieren, und schaffen
obendrein noch zusätzlich Arbeitsplätze.
Eine Verschärfung des Mietrechts bei der Frage der
Umlage von Investitionen auf die Miete – wie von Ihnen
gefordert –, ist in diesem Zusammenhang übrigens nicht
notwendig, da die bisherige Regelung sowohl die Mieter
vor Luxus-Modernisierung schützt als auch den Ver-
mietern Rechtssicherheit gewährleistet.
Hansjürgen Doss (CDU/CSU): Gegen die Senkung
des CO2-Ausstoßes, gegen die Senkung von Energiever-brauch kann schlechterdings niemand sein. Die Frage ist
nur, wie und mit welchen Mitteln man dieses Ziel an-
steuert.
Grundsätzlich gibt es folgende Alternativen: Man
kann staatlich regulieren. Man kann aber auch auf die
Vernunft der Menschen setzen, die schon aus Kosten-
gründen ein Eigeninteresse an geringerem Energiever-
brauch haben. Zusätzlich kann man positive Anreize zu
energiesparenden Investitionen setzen, etwa Zinsverbil-
ligungsprogramme oder steuerliche Vorteile.
In diesem Sinne bin ich auch einig mit den Kollegen
von der F.D.P. und begrüße wie sie vor allem auch die
freiwilligen Anstrengungen der Industrie zur Verminde-
rung ihres CO2-Ausstoßes. Dasselbe gilt für die erhebli-chen Fortschritte bei der Entwicklung von Baustoffen.
Das heißt verbesserte Wärmedämmung, geringerer Ener-
gieverbrauch, niedriger CO2-Ausstoß. Zum Beispiel gibtes heute schon Ziegelsteine mit einem Lambda-Wert von
0,11 gegenüber üblichen Werten von zirka 0,16.
Bei dem allgemein gestiegenen Umweltbewußtsein
werden Hersteller nicht nur über den Preis, sondern auch
über entsprechende günstige Wärmedämmwerte ihrer
Produkte Wettbewerbsvorteile am Markt erzielen kön-
nen.
Daneben ist aber auch die Weiterentwicklung der al-
ten Wärmeschutzverordnung erforderlich. Da sind wir
uns letztlich alle einig, einschließlich der betroffenen
Wirtschaftsverbände.
4478 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 52. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. September 1999
(A) (C)
(B) (D)
Die Bundesregierung muß allerdings darauf achten,
daß angesichts des bisher schon hohen Niveaus der
Wärmedämmung im Gebäudebereich die zusätzlichen
Anforderungen und damit auch die Kosten einer Ver-
ordnung zu dem erzielten Effekt noch in einem ange-
messenen Verhältnis stehen.
Der jetzt gewählte Ansatz, Wärmeschutz- und Hei-
zungsanlagen-Verordnung zusammenzufassen, ist dabei
im Grunde der richtige Weg. Dieser integrierte Ansatz
verbessert die Möglichkeit für eine optimale energeti-
sche Planung und Ausführung von Gebäuden. Die
Grundlagen für diese neue Energieeinspar-Verordnung
wurden allerdings schon von der letzten Bundesregie-
rung entwickelt.
Nach wie vor gibt es aber einige kritische Punkte, die
ich hier erneut ansprechen will. Es gibt unterschiedliche
Auffassungen, auch in den betroffenen Branchen, ob das
Bauteilverfahren oder das Energiebilanzverfahren die
richtige Methode zum Nachweis der geforderten Wär-
medämmung ist. Insbesondere die Ziegelindustrie steht
dem Bauteilverfahren kritisch gegenüber.
Entscheidend ist aus meiner Sicht, daß es ein verein-
fachtes Nachweisverfahren geben muß, das auch ein
vereinfachtes Bilanzverfahren sein kann. Möglichkeiten
dazu gibt es.
Einen weiteren kritischen Punkt sehe ich im Bereich
der Nachrüstung bei bestehenden Gebäuden. Hier wer-
den von den Hauseigentümern zum Teil erhebliche In-
vestitionen verlangt. Das ist der Punkt, wo wir nicht al-
lein mit dem Ordnungsrecht arbeiten sollten, sondern
zumindest parallel dazu mit positiven finanziellen An-
reizen. Hier müssen Zinsverbilligungsprogramme her
oder steuerliche Anreize, um auch dem Durchschnitts-
verdiener diese Investitionen zu erleichtern.
Zweiter Kritikpunkt in diesem Zusammenhang ist die
Frage der Kontrolle. Es führt zu nichts, Nachrüstungs-
pflichten in eine Verordnung zu schreiben und die Frage
der Überwachung völlig offen zu lassen. Nimmt man
aber Überwachung ernst, müßten am Ende ganze Heer-
scharen von Mitarbeitern aus den Bauämtern aus-
schwärmen, um die Dämmung von obersten Geschoß-
decken oder Decken zum unbeheizten Keller zu über-
prüfen.
Viel besser wären hier: keine Nachrüstungspflicht per
Verordnung, statt dessen finanzielle Anreize zur Nach-
rüstung, keine staatliche Kontrolle durch Baubeamte,
vielmehr Bescheinigung durch private Sachverständige,
etwa die „Geprüfte Gebäude-Energieberater im Hand-
werk“, als Voraussetzung für Zinsverbilligung bzw.
Steuervorteile.
Eines steht in jedem Fall fest: Die Verordnung muß
nach der Anhörung vom vergangenen Freitag überar-
beitet und dann noch einmal mit den Verbänden abge-
stimmt werden.
Franziska Eichstädt-Bohlig (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN): Wir diskutieren heute über den Antrag der
F.D.P.-Fraktion zur CO2-Minderung im Gebäudebe-stand. Lieber Herr Goldmann, lieber Herr Friedrich, Sie
haben recht, wenn Sie feststellen, daß wir zusätzliche
Anstrengungen brauchen, um das Ziel 25 Prozent weni-
ger CO2-Ausstoß bis zum Jahr 2005 zu erreichen. Ichteile auch Ihre Ansicht, daß ein Schlüsselbereich für eine
schnelle CO2-Reduktion der Gebäudebereich ist, genau-er gesagt: im Bestand.
Aber, liebe Kollegen von der F.D.P., wir sollten uns
nichts in die Tasche lügen. Wir müßten diese Debatte
nicht führen, wenn die bisherigen Instrumente – wie die
freiwilligen Selbstverpflichtungen der Industrie oder der
Autohersteller – so erfolgreich gewesen wären, wie Sie
behaupten. Zwei wesentliche Gründe haben seit 1990
zur Reduktion der CO2-Emmissionen beigetragen: dieDeindustrialisierung in Ostdeutschland und die
Verbreitung von Erdgas zur Wohnungsheizung. Die
niedrigeren Flottenverbräuche in der Autoindustrie wur-
den bisher fast vollständig durch die höhere Zahl an
Neuzulassungen „aufgezehrt“. Und so richtig eine Libe-
ralisierung des Strommarktes ist, der Preisrutsch birgt
auch die Gefahr, daß die Anreize zum Energiesparen ge-
ringer werden.
Ich denke auch, wir können – in der Umweltpolitik
insgesamt und in der Klimaschutzdebatte – freiwillige
Selbstverpflichtungen nicht gegen das Ordnungsrecht
und Förderprogramme nicht gegen die Ökosteuer aus-
spielen. Es gibt inzwischen eine ganze Reihe großer
wissenschaftlicher Untersuchungen zur CO2-Minderung,und alle gehen davon aus, daß ein Instrumentenmix
notwendig ist. Selbstverpflichtungen sind richtig und
begrüßenswert, aber um tatsächliche Erfolge beim Kli-
maschutz zu erzielen, brauchen wir auch das Ordnungs-
recht. Wir brauchen – lesen Sie das nach, verehrte Kol-
leginnen und Kollegen von der Opposition – stetig und
berechenbar steigende Energiesteuern, wir brauchen
mehr Markttransparenz, und wir brauchen in gewissem
Umfang Förderung vor allem für Gebäudeerneuerung,
regenerative Energien und den öffentlichen Nahver-
kehr.
Die neue Bundesregierung hat seit ihrem Amtsantritt
vor nicht einmal einem Jahr eine ganze Menge auf den
Weg gebracht. Ich will hier nur das 100 000-Dächer-
Programm für erneuerbare Energien, die Aufstockung
des Wohnraummodernisierungsprogramms Ost und des
CO2-Minderungsprogramms nennen. Wir haben den –für den Klimaschutz sehr wichtigen – Einstieg in
die ökolgisch-soziale Steuerreform geschafft, auch
wenn ich nicht verhehlen will, daß wir Grünen uns an
diesem Punkt ein bißchen mehr Mut gewünscht hätten.
Und in Kürze werden wir im Ausschuß gemeinsam
den Entwurf der Energieeinsparverordnung disku-
tieren, die nach dem Bundesrats- und dem EU-Noti-
fizierungsverfahren so schnell wie möglich in Kraft
treten soll.
Mit der Einführung des Niedrig-Energiehaus-
Standards im Neubau und Nachrüstpflichten für den
Altbau, der Zusammenführung von baulichen und anla-
gentechnischen Anforderungen sowie der Einbeziehung
des Primärenergiebedarfs ist der vorliegende Entwurf
ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 52. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. September 1999 4479
(A) (C)
(B) (D)
Bei der weiteren Diskussion um dieses Thema ist
meiner Fraktion zweierlei sehr wichtig:
Erstens. Gerade für die CO2-Minderung ist die Einbe-ziehung des Primärenergieaufwands ein großer Schritt.
Dies sollten wir nicht durch Ausnahmen, zum Beispiel
für Strom, schmälern oder entwerten.
Zweitens. Wir alle wissen, daß der Gebäudebestand
der entscheidende Sektor für eine rasche Minderung
der CO2-Emissionen ist, denn hier gibt es die größten,kurzfristig mobilisierbaren Einsparpotentiale. So wich-
tig hier Nachrüstpflichten sind, sie werden unseres Er-
achtens allein nicht ausreichen. Wir wollen deswegen
Energieverbrauchszahlen für den Wohnungsbestand ein-
führen und jedem Mieter oder Eigentümer zusammen
mit der Heizkostenabrechnung zur Verfügung stellen.
Wir müssen dahin kommen, daß in Wohnungsanzeigen
und Verkaufsprospekten der Energieverbrauch genauso
selbstverständlich ausgewiesen wird wie heute für
Waschmaschinen oder Kühlschränke. Mit dieser Zertifi-
zierungspflicht könnten wir ohne große Bürokratie
„über den Markt“ neue Investitionsanreize schaffen.
Umweltschutz ist hier auch ein Stück Verbraucher-
schutz.
Klimaschutz ist eine gesamtgesellschaftliche und eine
ressortübergreifende Aufgabe. So wichtig der Gebäude-
bereich ist, erst wenn es uns gelingt, auch die Emissio-
nen im Verkehr, in der Landwirtschaft und bei der Ener-
gieerzeugung zu senken, haben wir einen tatsächlichen
Erfolg erreicht.
Christine Ostrowski (PDS): Die Energieverordnung
ist auf dem Weg, von daher scheint Ihr Antrag entbehr-
lich. Aber Verordnungen lassen das Parlament außen
vor, obwohl sie in ihren Wirkungen manche Gesetze
durchaus übertreffen. Und während die Verbände hef-
tigst über die Verordnung debattieren, herrschte hier oh-
ne Ihren Antrag absolute Stille.
Es ist unstrittig, daß das hohe Energieeinsparpotential
im Gebäudebestand erschlossen werden muß – zügig,
konsequent –, wenn das Klimaziel erreicht werden soll.
Die Verordnung der Regierung geht weitere Schritte in
diese Richtung, läßt aber auch Wünsche offen. Aller-
dings beabsichtige ich jetzt keine Analyse, sondern be-
nenne einen Konflikt, der öffentlich kaum thematisiert
wird, auch in Ihrem Antrag nicht.
Neulich erläuterte mir ein Beamter mit beeindrucken-
der Kompetenz und großem Enthusiasmus die Maßnah-
men, die an Gebäuden zur Energiesenkung notwendig
sind. Ich fragte: Wissen Sie, daß die Kosten für diese
Maßnahmen anteilig auf die Mieter umgelegt werden?
Er, erstaunt: Ach so? Das ist Mietrecht, daß muß das Ju-
stizministerium machen. – Aber Nachhaltigkeit, meine
Damen und Herren, ist nur im Ganzen zu haben. Ökolo-
gische und soziale Nachhaltigkeit sind zwei Seiten einer
Medaille.
Man muß also vorher mitdenken, ob die erwünschte
Energieeinsparung einerseits und die Mieterhöhung an-
dererseits am Ende zu einer realen Kostenersparnis beim
Mieter führen, konstantes bzw. sinkendes Verbraucher-
verhalten vorausgesetzt. Ansonsten wird zwar ein öko-
logisches Problem gelöst, aber ein soziales hervorgeru-
fen – wie bei der Ökosteuer. Ökologie rangiert vor dem
Sozialen und in Wahrheit das Fiskalische vor dem
Ökologischen. Solches Herangehen diskreditiert zudem
die ökologische Idee: Warum sparen, wenn man dafür
bestraft wird, wenn es sich im Wortsinn nicht lohnt? Ich
weiß, wovon ich rede. Ich kann Ihnen als Dresdner
Stadträtin leider viele Fälle nachweisen, bei denen nach
durchgeführter Wärmedämmung bei sinkendem Privat-
verbrauch die gelieferte Energiemenge anstieg und die
Mieter am Ende eine zweifache Teuerung bezahlten: er-
höhte Miete nach Modernisierung und höhere Energie-
kosten.
Noch ein gerade in Ostdeutschland deutlich zu beo-
bachtendes Problem: Mit fortschreitender Sanierung
der Gebäude sinkt die bei den Energieversorgern abge-
nommene Energiemenge. Die Fixkosten der Versorger
sinken jedoch nicht oder nicht im gleichen Verhältnis.
Die Folge sind Einnahmeverluste der Unternehmen, die
Reaktion: Erhöhung des spezifischen Preises pro Ener-
gieeinheit zur Kompensation der Verluste. Die Ge-
bäudesanierung führt zum Beispiel in Dresden mittel-
fristig zu einem Einnahmeverlust des Stadtwerkes um
20 Prozent. Mit Neuanschlüssen ist der nicht auszu-
gleichen, weitere Preissteigerungen sind bereits ange-
dacht.
Noch einmal: Ressourcen sind endlich. Zur Ver-
brauchssenkung gibt es keine Alternative, die Politik
muß alle ihre Möglichkeiten dazu nutzen. Aber ebenso
unmißverständlich: Die Politik ist verpflichtet, über der
Ökologie das Soziale nicht zu vergessen. Denn Nach-
haltigkeit gibt es nur ganz – oder gar nicht.
Dr. Michael Meister (CDU/CSU): Die Klimaschutz-
politik der rotgrünen Bundesregierung kann als ein be-
sonders anschauliches Beispiel in die Materialsammlung
„Vor der Wahl – und nach der Wahl“ eingehen. Was ha-
ben bis zum September letzten Jahres Kolleginnen und
Kollegen der damaligen Opposition gegen die Klima-
schutzpolitik Klaus Töpfers und Angela Merkels gemä-
kelt! Die Klimaschutzziele insgesamt seien nicht ange-
messen, um die globale Katastrophe zu verhindern.
Deutschland müsse seiner Rolle als Industrienation ge-
recht werden.
Es ist bemerkenswert, daß die neue Bundesregierung
nahtlos die Zielsetzungen der Klimaschutzpolitik der
Union übernommen hat, jedenfalls werden keine weiter-
gehenderen Forderungen gestellt. Das spricht sicher ge-
gen die Kritiker von damals und nicht gegen die Inhalte
der Klimaschutzpolitik. Aber man muß auch bedauernd
feststellen, daß weiterführende Initiativen der Bundesre-
gierung nicht zu verzeichnen sind, obwohl sie doch ge-
rade in diesem Bereich auf dem Prüfstand der Glaub-
würdigkeit steht. Hier sind die beiden betroffenen
Fachminister ihrer Verantwortung nicht gerecht gewor-
den. Der Umweltminister verstrickt sich lieber in seinem
unter klimaschutzpolitischen Aspekten besonders unver-
antwortlichen Ausstiegsszenarien zur Kernenergie. Der
4480 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 52. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. September 1999
(A) (C)
(B) (D)
Bauminister hat es in seinem gesamten Ressort vermie-
den, weiterführende Akzente zu setzen. Insofern ver-
wundert es nicht, daß der Entwurf zur Energieeinspar-
verordnung gerade einmal in der ersten Beratungsphase
ist und deshalb zum 1. Januar 2000 nicht in Kraft treten
kann. Der Bauminister konnte sich offenbar darauf ver-
lassen, daß vom Umweltminister kein allzu großer
Druck gemacht wird.
Dies ist um so verständlicher, als bekanntlich der Ge-
bäudebereich eines der wichtigsten Handlungsfelder ist,
wenn es um Reduzierung des CO2-Ausstoßes geht. Ge-rade im Gebäudebereich gibt es nur rationelle Energie-
verwendung und Investition in die Energieeffizienz als
Möglichkeiten zur CO2-Einsparung. Deshalb begrüßenwir es, daß der Ansatz, in einer Energieeinsparverord-
nung die isolierte Betrachtung von Gebäudehülle und
Anlagentechnik zu einer energetischen Gesamtschau zu
leisten, prinzipiell auch von dieser Regierung bestätigt
wird.
Die Union hat in ihrer Regierungsverantwortung die
notwendigen ordnungspolitischen Maßnahmen wie die
Anpassung der in diesem Zusammenhang wichtigen
Standards an den Stand der Technik mit marktwirt-
schaftlichen Instrumenten verknüpft, um Anreize für In-
vestitionen in die CO2-Einsparung zu schaffen. Dies istim Gebäudebereich notwendig, da insbesondere im Be-
stand wärmetechnische Sanierungen nur im Zusammen-
hang mit ohnehin anstehenden Sanierungen wirtschaft-
lich sinnvoll darstellbar sind. Die Bauminister der Union
haben diesen Umstand mit Zinsverbilligungsprogram-
men und dem Programm der KfW Rechnung getragen;
auch der Ökobonus in der Eigenheimzulage zeigt in
diese Richtung. Hier wurden nicht wie bei der Ökosteuer
neue Abkassiermodelle eingeführt, sondern Umwelt-
schutz, Baukonjunktur und Arbeitsplätze gefördert.
Energiesparen im Wohnungsbau – dies ist heute bereits
ein wichtiges Marketinginstrument für Wohnungsbauer.
Dieser Aspekt soll mit der Energiesparverordnung ge-
stärkt werden.
Möglich wird dies nur sein, wenn die dort festge-
setzten Anforderungen nicht nur in Expertengremien
diskutiert und nachvollzogen werden können, sondern
für Otto Normalhäuslebauer verstehbar werden. Der
Energiepaß soll nicht ein weiteres bürokratisches Er-
fordernis werden, sondern muß auf den ersten Blick
und für jeden verständlich die energetische Qualität
eines Gebäudes abbilden, wie dies bei Kraftfahrzeu-
gen schon längst möglich und üblich ist. Über das
künftige 7-Liter/Haus muß ebenso selbstverständlich
diskutiert werden wie über das 3-Liter-Auto. Und nicht
zuletzt erweist sich die Qualität einer neuen Energie-
einsparverordnung auch darin, ob die festgelegten
Anforderungen auch kontrolliert werden, ohne daß
hierfür zusätzliche Amtsschimmel auf die Weide ge-
schickt werden. Die unionsgeführte Bundesregierung
hat gezeigt, daß diese Kombination von ordnungspoli-
tischen Elementen und marktwirtschaftlichen Instru-
menten sowie der engen Zusammenarbeit mit Wirt-
schaft und Wissenschaft die Klimaschutzpolitik voran-
gebracht hat.
Anlage 3
Zu Protokoll gegebene Reden
zum
Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des
Dritten Buches Sozialgesetzbuch (§ 146)
(Tagesordnungspunkt 7)
Ute Kumpf (SPD): Die „Chancengleichheit der Ta-
rifvertragsparteien zu sichern“, das ist uns als SPD ein
großes Anliegen, formuliert auch als Arbeitsauftrag im
Koalitionsvertrag.
Wir haben heute in zweiter Lesung über einen Ge-
setzentwurf der PDS zur Änderung des § 146 SGB III –
die alte Bezeichnung des Streikparagraphen § 116 geht
mir besser über die Lippen – zu entscheiden. Ich kann
schon an dieser Stelle für die SPD sagen, daß wir dem
Entwurf der PDS nicht zustimmen werden; nicht weil
wir die jetzige Fassung des § 146 SGB III und den damit
verbundenen Zustand für richtig befinden und alles beim
alten belassen wollen, so wie es F.D.P. und CDU/CSU
sehen, sondern weil die PDS mit ihrem Antrag zu kurz
springt. Es reicht schlicht nicht aus, alte Texte abzu-
schreiben oder alte Anträge wieder aus der Schublade zu
ziehen.
Die Kolleginnen und Kollegen der PDS sind fleißig,
viel Papier und viele, viele Einzelvorschläge zur Ände-
rung des Arbeitsförderungsrechts werden eingebracht,
oft von alten Gesetzestexten abgeschrieben. Die PDS
meint, 16 Jahre Abbau von Arbeitnehmerrechten könn-
ten mit diesen Einzelvorschlägen unschädlich gemacht
werden – eine durchsichtige, populistische Strategie. Ei-
nige Korrekturen, ein bißchen Rumwerkeln am Gesetz
und das Schwören auf die Vergangenheit stellen noch
keine neue Politik dar. Der heute in zweiter Lesung zu
beratende Gesetzentwurf soll die Neutralität der Bun-
desanstalt für Arbeit bei Arbeitskämpfen wiederherstel-
len. Diese Neutralität wurde ohne Not 1986 durch die
alte Bundesregierung mit der Neufassung des § 116
AFG verletzt, trotz heftigen Widerstands, kontroverser
Debatten, Millionen von Unterschriften in den Betrie-
ben, Massendemonstrationen. Mit der damaligen Ände-
rung des § 116 AFG schlug sich die Regierung Kohl –
nebst Kollege Blüm – auf die Seite der Arbeitgeber.
Mit der damaligen Änderung des § 116 AFG wurde
die Chancengleichheit der Tarifvertragsparteien bei
Arbeitskämpfen verletzt und damit auch die Tarifauto-
nomie, eine der tragenden Säulen unserer sozialen De-
mokratie.
Die SPD hat sich mit allen Mitteln gewehrt. Gegen
die Aushöhlung des Streikrechts zogen SPD-
Bundestagsfraktion wie die SPD-regierten Bundesländer
vor das Bundesverfassungsgericht. Die Verfassungs-
richter haben im Juli 1995 ein Gerade-noch-Urteil ge-
sprochen. Wie in keinem anderen Urteil wird die ange-
fochtene Rechtsnorm mit dem Etikett „gerade noch ver-
fassungsgemäß“ versehen. Eine feststellbare „graduelle
Gefährdung der Tarifautonomie“ kann schnell in eine
strukturelle Gefährdung umschlagen. Die Richter ver-
weisen darauf, daß strukturelle Ungleichgewichte zu La-
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 52. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. September 1999 4481
(A) (C)
(B) (D)
sten einer Tarifpartei verfassungsrechtlich nicht hinge-
nommen werden können.
Das Urteil enthält zwar keine ausdrückliche Auffor-
derung an den Gesetzgeber, den § 116 AFG (§ 146 SGB
III) zu korrigieren, wohl aber einen deutlichen Hinweis,
dies zu tun. Und diesen höchstrichterlichen Rat nehmen
wir ernst. Wir werden, wie im Koalitionsvertrag fest-
gehalten, die Sicherung der Chancengleichheit von Ge-
werkschaften und Arbeitgebern in Gesetze gießen, nicht
isoliert, sondern eingebettet in ein Gesamtkonzept. Im
ersten Schritt ging es uns darum, die gröbsten Verlet-
zungen von Arbeitnehmerrechten, verursacht durch die
Kohl-Ära, zu heilen: Wir haben den Kündigungsschutz
wieder zum Schutz-Recht ausgestaltet, die Lohnfort-
zahlung im Krankheitsfalle wieder gesichert, kleine Be-
schäftigungsverhältnisse sozial abgesichert, den Wild-
wuchs bei der Scheinselbständigkeit beschnitten, die
wesentlichen Ungereimtheiten im Arbeitsförderungsge-
setz – die Hinterlassenschaft von 16 Jahren
CDU/CSU/F.D.P.-Politik – wurden im Vorschaltgesetz
auf den Weg gebracht, das Verbesserungen für Arbeits-
lose wie Arbeitnehmer bedeutet.
Im Jahr 2000 wollen wir die grundlegende Reform
der Arbeitsförderung und in diesem Zusammenhang
auch die Novellierung des „Streikparagraphen“ angehen.
Bei der Ausgestaltung der Tarifautonomie sind popu-
listische Schnellschüsse wenig hilfreich. Es mag zur PR-
Kampagne der PDS gehören, hilft aber den Kolleginnen
und Kollegen in den Betrieben herzlich wenig. Für rei-
nen Populismus sind diese Rechtsgüter zu wichtig, und
im Interesse der Kolleginnen und Kollegen in den Be-
trieben, im Interesse von Gewerkschaften wie Arbeitge-
bern, sollten sie nicht vor den parteipolitischen Karren
gespannt werden.
Der vorgelegte Entwurf der PDS, der im Wortlaut die
Regelung vor 1986 beinhaltet, bietet nur eine Scheinlö-
sung. Der PDS-Antrag will die Entscheidung der Frage,
wer wann unter welchen Bedingungen Leistungen er-
hält, im Gesetz offenlassen und wieder an die Selbst-
verwaltung der Bundesanstalt für Arbeit delegieren.
Aber gerade dieses dürfte nach dem Bundesverfas-
sungsgerichtsurteil nicht mehr zu halten sein, weil es um
Entscheidungen geht, die den Kernbereich der Grund-
rechte Tarifautonomie und Eigentum betreffen. Daher
kann der Gesetzgeber diese Entscheidungen nicht der
Verwaltung überlassen.
In der Praxis dürfte es illusorisch sein, zu erwarten,
daß sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer in der Selbst-
verwaltung auf eine neue „Neutralitäts-Anordnung“
einigen.
Der Vorschlag der PDS läuft darauf hinaus, daß die
öffentliche Bank in der Selbstverwaltung der Bundesan-
stalt für Arbeit den Ersatzgesetzgeber spielen müßte.
Dieses kann nicht funktionieren. Vielleicht fehlt der
PDS schlichtweg die Erfahrung von großen Streiks.
Einfach einmal ein Blick zurück: Als die IG Metall
1984 um die 35-Stunden-Woche kämpfte, 57 000 Kolle-
ginnen und Kollegen in den Tarifgebieten Nordwürt-
temberg/Nordbaden und Hessen für diese Forderung
streikten, sperrten die Arbeitgeber im Gegenzug 180 000
Beschäftigte heiß aus. Im Zuge dieser Aussperrung, be-
dingt durch die engen Zulieferbeziehungen, den rollen-
den Lagern auf der Straße, wurden mehr als 372 000 Be-
schäftigte „kalt ausgesperrt“. Mangels Zulieferung
schickten die Arbeitgeber die Beschäftigten nach Hause.
372 000 standen ohne Lohnzahlung vor verschlossenen
Toren.
Unterstellt, die Regelung des aktuell geltenden § 116
AFG/146 SGB III wäre damals in Kraft gewesen, hätte
die Gewerkschaft in allen Tarifgebieten dieselbe Haupt-
forderung erhoben, nämlich die nach der 35-Stunden-
Woche, und die kalt ausgesperrten Arbeitnehmer hätten
keine Gelder erhalten.
Das hätte wiederum für die IG Metall zur Folge ge-
habt, daß sie zusätzlich zu der halben Milliarde DM, die
sie an die heiß Ausgesperrten zahlte, noch einmal die-
selbe Summe an die kalt ausgesperrten Mitglieder hätte
zahlen müssen, was ihr nicht möglich war. Der Arbeits-
kampf hätte abgebrochen werden müssen.
Das genau war das Ziel des sogenannten Franke-
Erlasses vom 18. Mai 1984, der im Schnellverfahren
von den Sozialgerichten korrigiert wurde.
Wir müssen gesetzlich dafür sorgen, daß ein Arbeits-
kampf nicht auf die Vernichtung des Gegners abstellt,
sondern den gestörten Arbeitsfrieden wiederherzustellen
hat. Die kalte Aussperrung verstößt gegen dieses
Grundprinzip, da sie den sozialen Großkonflikt ermög-
licht, auf diesen tendenziell sogar abzielt. Streikrechte
zu knebeln, indem finanzielle Handschellen angelegt
werden, ist ein demokratisch zweifelhafter Weg und
eine Gefahr für die soziale Demokratie. Ich will hier
Manfred Rommel zitieren, der anläßlich des 100. Ge-
burtstages von Willi Bleicher es auf den Punkt brachte,
indem er sagte: „Viele, vor allem aus meiner Partei,
lieben den Streik nicht, aber manchmal ist er schlicht
notwendig“.
Wir müssen das Arbeitkampfrecht modernisieren,
aber nicht nach dem Schnittmuter CDU und auch nicht
nach der Häkelanleitung der PDS. Die Parität von Ge-
werkschaften und Arbeitgebern muß gewahrt werden
vor dem Hintergrund einer gewandelten betrieblichen
und gesellschaftlichen Realität.
Das Arbeitskampfrecht in Deutschland ist mal wieder
ein typisch deutsches, eine „weiße Krähe“ im europäi-
schen Vergleich. Man muß wirklich intensiv suchen, um
in Europa ein Land zu finden, in dem das Streikrecht so
stark einschränkenden Regularien unterworfen ist und
zugleich die Aussperrung zugelassen oder jedenfalls
praktiziert wird. Das gilt bereits für die heiße Aussper-
rung.
Die kalte Aussperrung als zusätzliches Arbeits-
kampfmittel der Arbeitgeber stößt in unseren Nachbar-
staaten auf völliges Unverständnis.
Und es bedarf schon großer didaktischer Fähigkeiten,
zu vermitteln, welche vielfältigen Wahlmöglichkeiten
die Arbeitgeber als Reaktion auf Streik in der Bundesre-
publik haben.
4482 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 52. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. September 1999
(A) (C)
(B) (D)
Dabei sind wir ein äußerst wirtschaftsfriedliches
Land. Während Spanien – ein Land mit hoher Investiti-
onsquote – die Arbeitskampfstatistik anführt mit 523
verlorenen Arbeitstagen je 1 000 Beschäftigten im Zeit-
raum von 1987 bis 1996, liegt dagegen Deutschland mit
14 Tagen an viertletzter Stelle.
Und noch ein Hinweis, wichtig nicht nur für die
F.D.P. Die jetzige Regelung ist mittelstandsfeindlich.
Die Gewerkschaften haben bislang auf Grund der exi-
stierenden Regelung ihren Kopf aus der Schlinge gezo-
gen, indem sie kleinere und mittlere Unternehmen be-
streikten oder notgedrungen auf Betriebe zielten, die
Endprodukte herstellen und in möglichst geringem Um-
fang mit anderen Betrieben verflochten sind (1994 Bay-
ern, 1996 Niedersachsen).
Die Neufassung des Streikparagraphen wirkt prak-
tisch als Sondergesetz gegen mittelständische Unter-
nehmen. Denn Großunternehmen sind nunmehr – abge-
sehen von kurzfristigen Warnstreiks – unbestreikbar
geworden.
Das alles sind Argumente für eine Änderung des
§ 146 SGB III. Wir stehen für diese Änderungen, und
werden diese nicht im Schnellschuß, sondern mit der
entsprechenden, von so vielen Seiten hier im Hause ge-
forderten handwerklichen Sorgfalt erarbeiten und im
Jahr 2000 auf den gesetzgeberischen Weg bringen.
Heinz Schemken (CDU/CSU): Die CDU-geführte
Bundesregierung hat mit dem Arbeitsförderungsreform-
gesetz im § 146 SGB III die alte Regelung des „Streik-
paragraphen“ 116 AFG im wesentlichen übernommen.
Danach ist die Bundesanstalt für Arbeit bei Arbeits-
kämpfen zur Neutralität verpflichtet. Durch die Gewäh-
rung von Arbeitslosengeld darf daher nicht in die Ar-
beitskämpfe eingegriffen werden.
Gleiches gilt für den praktisch häufigeren Fall der
Gewährung von Kurzarbeitergeld. Das Arbeitslosengeld
ruht deshalb für Arbeitnehmer, die infolge eines Ar-
beitskampfes arbeitslos werden, wenn sie selbst streiken
oder ausgesperrt sind.
Worum geht es eigentlich in Wirklichkeit? Es geht
hier um die Substanz der Tarifautonomie: Die Zulassung
von Arbeitskämpfen soll ein Verhandlungsgleichge-
wicht herstellen. Deshalb verbietet es sich, daß der Staat
in einen Arbeitskampf eingreift, indem er ihn durch Lei-
stungen zugunsten einer einzigen Kampfpartei beein-
flußt. Daraus ergibt sich, daß der Staat zur Nichteinmi-
schung und Unparteilichkeit verpflichtet ist. Die jetzige
Regelung gewährleistet das. Sie befindet sich auf dem
Boden des Grundgesetzes, und da muß sie auch bleiben.
Das Geld der Bundesanstalt für Arbeit ist in erster Linie
für die Arbeitslosen da, nicht für die Arbeitsplatzbesit-
zer. Deswegen erhalten auch jene Arbeitnehmer Unter-
stützung, die infolge eines Arbeitskampfes keine Arbeit
haben, aber weder selbst streiken noch vom Arbeits-
kampf profitieren.
Für diejenigen allerdings, die vom Arbeitskampfer-
gebnis profitieren, kann das Arbeitsamt ebensowenig
Unterstützung zahlen wie für die Streikenden selber.
Deswegen geht der Streit im Kern nur um die Frage:
Wann sind Arbeitnehmer streikbeteiligt? Die Antwort
liegt auf der Hand: Streikbeteiligte sind neben den Strei-
kenden selbst diejenigen, für die stellvertretend mitge-
streikt wird, für die eine gleiche Hauptforderung erhoben
wird und für die das Streikergebnis in deren Fachbereich
übernommen werden soll. Damit wird die grundgesetzlich
gebotene Neutralität der Bundesanstalt für Arbeit vor
Umgehung geschützt. Und vor allen Dingen folgt daraus,
daß außerhalb des bestreikten Fachbereichs immer gezahlt
wird, und zwar unabhängig davon, ob gleiche oder unter-
schiedliche Forderungen gestellt werden.
Was bedeutet das in der Praxis? Ich will das einmal
an drei Beispielen klarmachen: Wenn Stahlkocher strei-
ken, erhalten die Automobilarbeiter selbstverständlich
Leistungen der Bundesanstalt, denn sie gehören einem
anderen Fachbereich an. Wenn Zulieferbetriebe in der
Metallverarbeitung streiken, erhalten beispielsweise
Werftarbeiter ebenfalls Leistungen der Bundesanstalt für
Arbeit, denn auch sie gehören einem anderen Fachbe-
reich an. Wenn beispielsweise Arbeitnehmer in der Zuk-
kerindustrie streiken, dann wird in der Süßwarenindu-
strie ebenfalls Arbeitslosen- oder Kurzarbeitergeld bei
Bedarf gezahlt.
Was hat der neue § 116 AFG klargestellt? Er hat im
Grunde nur das klargestellt, was in der alten Neutrali-
tätsanordnung enthalten war, und er betrifft nur die mit-
telbaren Folgen des Streiks. Klar ist: Außerhalb des
Fachgebiets wird immer gezahlt. So war es, und so
bleibt es. Die Behauptung der Gewerkschaft, das Streik-
recht werde dezimiert, trifft einfach nicht zu, oder für
die Folgen werde überhaupt nicht gezahlt. Innerhalb des
Kampfgebietes ist im selben Fachbereich nie gezahlt
worden.
Wenn die Metaller in Nordbaden streiken, erhält im
Kampfgebiet, im selben Tarifgebiet niemand Streikun-
terstützung. Der einzige Streitfall ist: Außerhalb des
räumlichen Kampfgebiets, aber im selben Fachgebiet.
Hier handelt es sich um einen Stellvertreterstreik. Hier
ist die Frage, ob ein Stellvertreterstreik durch die öffent-
lichen Kassen, durch die Beitragskasse der Arbeits-
losenversicherung gezahlt werden soll. Ich glaube, das
will hier wohl niemand, denn das wäre die Unterstüt-
zung einer Minimax-Streik-Taktik, die heute in ganz an-
derer Weise möglich ist als früher.
Gegenüber den Streikgewohnheiten vor 100 Jahren
hat sich etwas geändert. In einer vernetzten Gesellschaft
ohne Lagerhaltung brauchen Sie sich nur die strategi-
schen Punkte auszusuchen. Wenn Sie diese bestreiken,
legen Sie den Rest der Volkswirtschaft innerhalb weni-
ger Tage lahm. Wollen Sie den Rest dann von der Bun-
desanstalt für Arbeit bezahlen lassen? Das kann nie-
mand, der wie ich für das Streikrecht der Gewerkschaf-
ten eintritt, so wollen.
Auch das Bundesverfassungsgericht hat die Gültig-
keit des § 116 AFG klargestellt. Seine grundsätzliche
Bedeutung liegt darin, daß er die staatliche Verantwor-
tung für die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie sehr
akzentuiert und damit die Tarifautonomie deutlich einer
staatlichen Regelung unterstellt.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 52. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. September 1999 4483
(A) (C)
(B) (D)
Nach wie vor gilt, daß die Tarifautonomie den staatli-
chen Machtanspruch im Wirtschaftsleben zurücknimmt.
Das Bundesverfassungsgericht hat darauf hingewie-
sen, daß § 116 AFG die Neutralitätspflicht der Bundes-
anstalt für Arbeit nicht verletzt.
Wie bereits in den Ausschußberatungen festgestellt,
sieht die CDU/CSU keinen Handlungsbedarf für eine
Änderung des § 146 SGB III. Die geltende Regelung hat
sich bewährt. Die Berufung im Gesetzentwurf auf das
ILO-Abkommen ist überholt, da seit den fünfziger Jah-
ren die Produktionsverflechtungen eine internationale
Abhängigkeit der Betriebe untereinander geschaffen ha-
ben, die eine nationale Sonderregelung ausschließt. Daß
die PDS aus ihrem eigenen überkommenen Verständnis
von einer Verfassung ausgeht, die unserer staatlichen
und gesellschaftlichen Tradition nicht entspricht, insbe-
sondere was die Ausgestaltung der Koalitionsfreiheit
und der Wahrung der Tarifautonomie angeht, ist uns
klar.
Das Grundrecht aus Art. 9 Abs. 3 Grundgesetz ist in
erster Linie ein Freiheitsrecht. Dazu gehört auch die
Wahl der Mittel, die die Koalition zur Errichtung ihres
Zweckes für geeignet hält. Das Grundrecht schützt als
koalitionsmäßige Betätigung auch Arbeitskampfmaß-
nahmen, die auf den Abschluß von Tarifverträgen ge-
richtet sind, jedenfalls soweit sie erforderlich sind, um
eine funktionierende Tarifautonomie sicherzustellen.
Insofern lehnen wir von der CDU/CSU den Gesetz-
entwurf der PDS eindeutig ab.
Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Die Chancengleichheit der Tarifvertragsparteien ist eine
zentrale Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit des
Tarifrechts in der Bundesrepublik. Und genau dieses
wieder herzustellen hat sich die rotgrüne Koalition in
den Koalitionsvereinbarungen vorgenommen. In Tarif-
auseinandersetzungen muß ein gleichgewichtiges Kräf-
teverhältnis zwischen den Tarifparteien hergestellt wer-
den, dazu gehört auch die Neutralitätspflicht der Bun-
desanstalt für Arbeit. Der § 146 SGB III ist hier überaus
unzureichend und birgt in der Tat die Gefahr der kalten
Aussperrung und der Verzerrung der Kräfteverhältnisse
in den Tarifauseinandersetzungen. Wir brauchen eine
Novelle, allerdings nicht im Schnellverfahren, sondern
eingebettet in die umfassende Novelle des Arbeitsförde-
rungsrechtes am 1. Januar 2001.
Der § 146 SGB III ist verfassungsrechtlich höchst be-
denklich und hat vom Bundesverfassungsrecht 1995 die
gelbe Karte bekommen. Er schießt über das Ziel hinaus,
wenn er Stellvertreterstreiks verhindern will. Er ist mit
dem Etikett „gerade noch verfassungsgemäß“ versehen.
Es geht um die Wahrung der Neutralitätspflicht der
BA im Arbeitskampf. Die Geschichte zeigt, daß diese
Neutralitätspflicht mit dem § 146 direkt in Frage gestellt
wurde. Er war als politischer Streich gegen die Streikfä-
higkeit der Gewerkschaften gedacht. Er wurde 1985 in
direkter Reaktion auf den damals rechtswidrigen „Fran-
ke-Erlaß“ (damaliger Präsident der BA) von 1984 ent-
wickelt. Die Abschaffung des alten § 116 AFG war die
direkte Reaktion auf die für die IG Metall erfolgreichen
Streiks zur 35 Stunden-Woche. Aber, die Rückkehr zum
AFG § 116 von 1969 – wie die PDS es vorschlägt –
bietet nun überhaupt keine Lösung. Dies ist eine rein
populistische Eintagsfliege – wie wir sie hier jede Ple-
narsitzung wieder erleben. Die Rückkehr zum § 116
AFG funktioniert nicht, denn er war damals schon mit
Rechtsunsicherheiten behaftet.
Ärgerlicher und unseriös aber ist der Antrag der PDS,
weil er keine Auseinandersetzung mit den sachlichen
Problemen enthält, die mit der Neutralitätspflicht der BA
verbunden sind. Der einzige magere Kern des Vorschla-
ges der PDS ist die Rückkehr zum alten Zustand, in dem
die Selbstverwaltung der BA wieder die Entscheidung
über die Neutralität von Lohnersatzzahlungen treffen
soll: Erstens dürfte dies rechtlich gar nicht mehr möglich
sein, zweitens und wichtiger ist es, hier festzustellen,
daß sich die PDS darum drückt, selbst Stellung zu be-
ziehen und nicht die Problemlösung einfach zu delegie-
ren – in diesem Fall an die Bundesanstalt für Arbeit.
Es geht bei der Wahrung der Chancengleichheit und
der Neutralitätspflicht um die wirklich schwierige Be-
urteilung, wie in einer zunehmend vernetzten Wirtschaft
die mittelbare Streikbetroffenheit oder auch die kalte
Aussperrung zu definieren sind. Hier müssen Kriterien
entwickelt werden, die auch zeitgemäß sind. Die
Rechtslage von 1969, die die PDS herstellen will, hilft
hier nicht weiter. Diese inhaltliche Auseinandersetzung
muß geführt werden.
Die rot-grüne Koalition wird die Chancengleichheit
zwischen den Tarifparteien wiederherstellen, aber in
einem ordentlichen Reformvorhaben mit einer ausführ-
lichen Debatte und nicht in einem Schnellschuß.
Dirk Niebel (F.D.P.): Mit diesem Gesetzentwurf
sollte nach der Vorstellung der PDS eine „unvertretbare
Einschränkung“ des Streikrechts zurückgenommen wer-
den. Aus unserer Sicht der Dinge geht es hier aber nicht
um eine Einschränkung des Streikrechts, sondern ein-
deutig darum, den Gewerkschaften noch mehr Einfluß
zu verschaffen. Damit würde die 1986 herbeigeführte
und seitdem bestehende Chancengleichheit von Gewerk-
schaften und Arbeitgebern in Tarifverhandlungen unter-
graben.
Die F.D.P. sieht für den § 146 keinen Handlungs- und
Änderungsbedarf. Das Bundesverfassungsgericht hat be-
stätigt, daß durch die bestehende Regelung die Neutra-
lität der Bundesanstalt für Arbeit nicht verletzt wird.
Nach der bestehenden Gesetzgebung ist gewährleistet,
daß durch die Gewährung von Arbeitslosengeld nicht in
Arbeitskämpfe eingegriffen wird. Erst die heutige Re-
gelung stellt die Neutralität der Bundesanstalt für Arbeit
sicher. Es liegt in unser aller Interesse, das Gleichge-
wicht zwischen den Tarifpartnern zu erhalten. Aber auch
die finanziellen Auswirkungen einer Änderung wären
nicht unerheblich. Die Bundesanstalt für Arbeit hätte mit
deutlichen Mehrausgaben für Arbeitslosengeld zu rech-
nen.
In der Ausschußsitzung wurde der Antrag mit breiter
Mehrheit abgelehnt. Die Novellierung war 1986 not-
wendig geworden, damit die Gewerkschaften nicht mit
4484 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 52. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. September 1999
(A) (C)
(B) (D)
wenigen und die Streikkasse schonenden Schwerpunkt-
maßnahmen die Wirkung auf mittelbar betroffene Wirt-
schaftsbereiche stärker ausfallen lassen als auf die un-
mittelbar beteiligten im Tarifbezirk. Sinn der Sache war
es, daß nicht die Allgemeinheit dafür zahlen muß, wenn
Schwerpunktstreiks bei einem 100-Mann-Betrieb einen
10 000-Mann-Betrieb lahm legen. Dies ist der Verant-
wortungsbereich der streikenden Gewerkschaft. Deshalb
darf die BA nicht eine Seite finanzieren. Wir wollen
auch in Zukunft dazu beitragen, den Arbeitsfrieden am
Wirtschaftsstandort Deutschland zu sichern.
Da der Gesetzentwurf nicht von den Sozialdemokra-
ten eingebracht wurde, haben sie ihn abgelehnt. Sie ver-
süßen diese vermeintlich bittere Pille aber mit dem
scheinheiligen Versprechen, eine Änderung im Rahmen
einer umfassenden Novellierung des Arbeitsförderungs-
rechts anzugehen.
Die PDS-Politik „Mit Riesenschritten rückwärts“, der
sich die Regierungsparteien zwar nicht bei diesem An-
trag anschließen, aber zumindest angekündigt haben,
daß sie es halt später tun werden, können wir nicht gut-
heißen. Im übrigen steht zu befürchten, daß das Bündnis
für Arbeit durch derartige Änderungen zerstört wird.
Damit, Herr Riester, wollten sie doch die Arbeitslosig-
keit abbauen. Abgesehen davon, daß in dieser Richtung
leider keine Fortschritte, sondern Verschlechterungen
erzielt wurden, erinnere ich daran: Das ist das Ziel, an
dem sich diese Regierung jederzeit messen lassen will.
Ganz egal, welche Fraktion diesen Antrag einge-
bracht hat, die F.D.P.-Fraktion lehnt den Gesetzentwurf
aus inhaltlichen Gründen ab, weil hier wieder einmal die
Weichen in die falsche Richtung gestellt werden wür-
den.
Anlage 4
Antwort
der Parl. Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks auf die
Fragen des Abgeordneten Leo Dautzenberg
(CDU/CSU) (Drucksache 14/1528 Fragen 7 und 8):
Trifft es zu, daß § 2b Einkommensteuergesetz (NegativeEinkünfte aus der Beteiligung an Verlustzuweisungsgesell-schaften und ähnlichen Modellen) durch das Steuerbereini-gungsgesetz 1999 verändert werden soll (vgl. Die Welt vom 20.August 1999)?
Wenn ja, bezieht sich die Veränderung auf eine Streichungoder eine Modifizierung – in welcher Form – des § 2b Einkom-mensteuergesetz?
Zu Frage 7:
Im Entwurf des Steuerbereinigungsgesetzes 1999
(Bundesrat-Drucksache 475/99) ist eine Änderung des
§ 2b EStG nicht vorgesehen. Die Bundesregierung beab-
sichtigt zur Zeit auch nicht, die Regelung, die erst mit
dem Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 in das
Einkommensteuergesetz aufgenommen worden ist, zu
streichen oder zu ändern. Sollten die bevorstehenden
Erörterungen der Regelung mit den Ländern zu Ände-
rungsvorschlägen führen, werden diese geprüft und ggf.
in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht werden.
Zu Frage 8:
Da die Bundesregierung derzeit keine Streichung
oder Änderung des § 2b EStG plant, kann sie hierzu in-
haltlich auch nicht Stellung nehmen.
Anlage 5
Antwort
der Parl. Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks auf die
Frage des Abgeordneten Hans Michelbach (CDU/CSU)
(Drucksache 14/1528 Frage 10):
Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, daß das produ-zierende Gewerbe im Rahmen der beabsichtigten Lenkungs-funktion der Ökosteuer in nicht sachgerechter Art und Weisebevorzugt wird, und wird die Bundesregierung darauf hinwir-ken, daß allen Wirtschaftsbranchen die gleiche Vergünstigunggewährt wird?
Das Gesetz zum Einstieg in die ökologische Steuerre-
form ist am 1. April 1999 in Kraft getreten. Es wurde ein
System entwickelt, das sowohl für die Wirtschaft als
auch für die Verwaltung mit einem vertretbaren Auf-
wand handhabbar ist und gleichzeitig der besonderen
internationalen Wettbewerbssituation des Produzieren-
den Gewerbes sowie der Land- und Forstwirtschaft
Rechnung trägt.
Der zurückliegende Zeitraum ist zu kurz, um aus der
Praxis fundierte Erkenntnisse über Optimierungsmög-
lichkeiten gewinnen zu können.
Ob eine Modifikation der bestehenden Regelungen
angestrebt werden sollte, wird auf der Basis der künfti-
gen Erfahrungen beurteilt werden.
Anlage 6
Antwort
der Parl. Staatssekretärin Brigitte Schulte auf die Fragen
des Abgeordneten Werner Siemann (CDU/CSU)
(Drucksache 14/1528 Fragen 13 und 14):
Welche Auswirkungen haben die Kürzungen im Verteidi-gungshaushalt auf die Beschaffung des TransporthubschraubersNH-90 und auf das Beschaffungsvorhaben eines gepanzertenTransportpanzers mit einer unter Panzerschutz bedienbaren Waf-fe der Bundeswehr?
Wie beurteilt die Bundesregierung die im Rahmen der Er-probung aufgetretenen Mängel beim Transportpanzer FuchsKRK, und wann kann mit einer Einführung in die Truppe ge-rechnet werden?
Zu Frage 13:
Die Kürzungen des Verteidigungshaushalts zwingen
dazu, alle Rüstungsinvestitionen auf den Prüfstand zu
stellen und neu zu priorisieren.
Die Verbesserung der Lufttransportfähigkeit ist eine
der vorrangigen Aufgaben der Streitkräfte. Der Trans-
porthubschrauber NH-90, ein zentrales europäisches
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 52. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. September 1999 4485
(A) (C)
(B) (D)
Kooperationsvorhaben mit Frankreich, Italien und den
Niederlanden fällt in die Kategorie der konzeptionell
hochpriorisierten Vorhaben, mit denen die Lücken in
diesem Aufgabenfeld geschlossen werden sollen.
In der Frage der Finanzierbarkeit werden wir im Zuge
der parlamentarischen Beratung des Haushaltsentwurfs
2000 mehr Klarheit erhalten.
Der Bundesminister der Verteidigung beabsichtigt,
im NH 90-Programm möglichst rasch zu Ergebnissen
mit Blick auf den Eintritt in die Beschaffung zu kom-
men. Dieses Ziel konkretisiert sich in der Absicht, die
internationalen Ressortvereinbarungen über die Produk-
tion der beschaffungsreifen NH 90-Version, Leichter
Transporthubschrauber, und die entsprechenden Verträ-
ge mit der Industrie zügig unter Dach und Fach zu brin-
gen. Darüber wird zur Zeit verhandelt.
Wenn Sie gestatten, Herr Kollege, würde ich den
zweiten Teil Ihrer Frage im Zusammenhang mit Ihrer
zweiten Frage beantworten.
Zu Frage 14:
Das Beschaffungsvorhaben eines gepanzerten Trans-
portpanzers mit einer unter Panzerschutz bedienbaren
Waffe auf Basis der sogenannten KRK-Füchse wird
durch die zuständigen Abteilungen des Hauses leider als
technisch gescheitert betrachtet.
Die in der Erprobung und im Truppenversuch festge-
stellten Mängel der durch den Hersteller wiederholt
nachgebesserten Prototypen sind insgesamt so gravie-
rend, daß die Einführungsgenehmigung nicht erteilt
werden kann. Die Bundesregierung will weitere Mittel
in die Produktverbesserung nicht investieren. Es gilt aus
meiner Sicht die Empfehlung, den Transportpanzer
Fuchs KRK nicht zu beschaffen.
Untersuchungen zu möglichen Alternativen werden
zur Zeit durchgeführt.
Anlage 7
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Lothar Ibrügger auf die Frage
der Abgeordneten Ulrike Flach (F.D.P.) (Drucksache
14/1528 Frage 15):
Welche Planungen mit welchen Zeitvorgaben verfolgt dieBundesregierung hinsichtlich des Aus- bzw. Neubaus der B 474,insbesondere in Bezug auf den Bau von Ortsumgehungen inDülmen und Ölfen?
Die Planungen für die B 474 richten sich nach den
gesetzlichen Vorgaben des Bedarfsplanes für die Bun-
desfernstraßen. Dieser sieht derzeit folgende Maßnah-
men im „Vordringlichen Bedarf“ vor:
– Ortsumgehung Dülmen (Südabschnitt) (L 551 –
südlich K 45)
– Ortsumgehung Olfen (Südabschnitt) (B 58 – B 235)
– nördlich Datteln (B 235) – Waltrop (L 609)
– Waltrop (L 609) – AK Dortmund/Nordwest
Im „Weiteren Bedarf“ ist der Nordabschnitt der
Ortsumgehung Olfen von der Ortsumgehung Dülmen
bis zum Südabschnitt der Ortsumgehung Olfen enthal-
ten.
Für die Ortsumgehung Dülmen ist das Planfeststel-
lungsverfahren eingeleitet worden und der Erörterungs-
termin soll noch in diesem Jahr stattfinden. Bei den an-
deren Maßnahmen ist aufgrund des Planungsstandes
derzeit eine Realisierung noch nicht absehbar.
Gemäß der Koalitionsvereinbarung soll der Bundes-
verkehrswegeplan zügig überarbeitet werden. Im Rah-
men dieser Überarbeitung wird auch die Wirtschaftlich-
keit der Maßnahmen an der B 474 geprüft, wobei auf der
Basis modernisierter Bewertungsverfahren und aktuali-
sierter Prognosen die Dringlichkeit und Finanzierbarkeit
im einzelnen festgelegt werden.
Anlage 8
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Lothar Ibrügger auf die Fragen
des Abgeordneten Peter Weiß (Emmendingen)
(CDU/CSU) (Drucksache 14/1528 Fragen 16 und 17):
Welche Folgerungen zieht die Bundesregierung aus der Aus-sage des Karlsruher Bahnsprechers in einem Interview mit derBadischen Zeitung vom 1. September 1999, nach der der Aus-bau der Rheintalbahn zwischen Offenburg und Basel derzeitkein Thema sei, und will die Bundesregierung von der Absichtabrücken, in diesem Jahr mit dem Planfeststellungsverfahren zubeginnen?
Was hat ggf. den Sinneswandel der Bundesregierung herbei-geführt, nach dem Parlamentarischer Staatssekretär beim Bun-desminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, LotharIbrügger, im Januar 1999 schriftlich die Zusage gegeben hat,1999 für die gesamte Strecke Offenburg-Basel durchgängig dieerforderlichen Planrechtsverfahren einzuleiten?
Zu Frage 16:
Keine. Das Vorgehen zum Ausbau der Strecke Of-
fenburg–Basel ist nicht gefährdet, sondern liegt wei-
terhin im Zeitplan. Die Bundesregierung hat immer
deutlich gemacht, daß für den Ausbau der Strecke
Offenburg–Basel ein Stufenkonzept verfolgt wird. Nach
Untersuchungen einer deutsch-schweizerischen Arbeits-
gruppe aus Vertretern der Ministerien und Bahnen bei-
der Länder sind zur Bewältigung des Aufkommens
nachstehende, in einer Ressortvereinbarung mit der
Schweiz berücksichtigte Maßnahmen notwendig:
1. Stufe: Erhöhung der Leistungsfähigkeit der vorhan-
denen zweigleisigen Strecke (um rd. 30 Pro-
zent) durch Einbau moderner Betriebs-
Signaltechnik (CIR-ELKE)
2. Stufe: Erhöhung der Leistungsfähigkeit der vorhan-
denen zweigleisigen Strecke durch ab-
schnittsweisen viergleisigen Ausbau zur Be-
seitigung kapazitiver Engpässe
3. Stufe: Durchgehender viergleisiger Ausbau zwi-
schen Karlsruhe und Basel im Hinblick auf
eine Vollauslastung der NEAT
4486 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 52. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. September 1999
(A) (C)
(B) (D)
Abgesehen von der 1. Stufe (Inbetriebnahme CIR-
ELKE Mai 1999; Investition: 250 Millionen DM) sind
die weiteren Ausbauschritte nicht an einen festen Zeit-
plan gebunden. Vielmehr soll das Abkommen mit der
Schweiz die Handhabe dafür liefern, flexibel und wirt-
schaftlich auf Änderungen des Verkehrsaufkommens
reagieren zu können. Die Minister haben zu diesem
Zweck einen Lenkungsausschuß eingesetzt, dessen Auf-
gabe u.a. die Abstimmung der jeweils kapazitiv notwen-
digen Maßnahmen ist.
Nach derzeitigem Sachstand ist davon auszugehen,
daß durch den Einbau von CIR-ELKE mittelfristig aus-
reichende Kapazitäten geschaffen werden, so daß zu-
sätzliche Ausbaumaßnahmen im Zeitraum des Fünfjah-
resplanes für den Ausbau der Schienenwege des Bundes
1998–2002 nicht erforderlich sind. Für den Abschnitt
„Schliengen–Eimeldingen (Katzenbergtunnel)“, womit
als erstes ein Engpaß aufgehoben werden könnte, ist das
Verfahren schon weit fortgeschritten.
Die konkreten Termine zur Einleitung der noch offe-
nen Planrechtsverfahren, auch dies hat die Bundesregie-
rung immer deutlich gemacht, hängen von den zur Zeit
noch laufenden Arbeiten zur Überprüfung des Bedarfs-
planes Schiene gemäß § 4 Bundesschienenwegeausbau-
gesetz („Spätestens nach Ablauf von jeweils fünf Jahren
prüft das Bundesministerium für Verkehr, ob der Be-
darfsplan der zwischenzeitlich eingetretenen Wirt-
schafts- und Verkehrsentwicklung anzupassen ist.“) und
deren Abstimmungen mit den Strategievorstellungen der
Deutschen Bahn AG ab. Mit Ergebnissen wird für
Herbst gerechnet.
Zu Frage 17:
Die Bundesregierung hat keine Zusage gegeben,
sondern in besagtem Schreiben den Sachstand mitge-
teilt, daß die DB AG das Ziel verfolgt, im Jahr 1999
für die gesamte Strecke Offenburg–Basel durchgängig
die erforderlichen Planrechtsverfahren eingeleitet zu
haben.
Anlage 9
Antwort
des Staatsministers Dr. Ludger Volmer auf die Frage des
Abgeordneten Hartmut Koschyk (CDU/CSU) (Druck-
sache 14/1528 Frage 18):
Wie beurteilt die Bundesregierung die Sicherheitssituationder deutschen Minderheit in der mittelasiatischen Republik Kir-gistan angesichts der militärischen Auseinandersetzung zwi-schen Regierungstruppen und moslemischen Rebellen, und istdie Bundesregierung zu einem vereinfachten Ausreiseverfahrenfür aussiedlungswillige Angehörige der deutschen Minderheitaus den Unruheregionen bereit?
Von dem Einfall einer bewaffneten usbekischen
Oppositionsgruppe aus Tadschikistan nach Kirgistan ist
in erster Linie der Batgenbezirk betroffen. Durch den
Batgenbezirk geht die kürzeste Verbindung Tadschiki-
stan und Usbekistan über kirgisisches Gebiet. Die an
diesen Bezirk angrenzenden Regionen Laylarskii und
Kadamschai sowie Tschon-Alai können als potentiell
unsicher eingestuft werden.
In diesem Gebiet leben kaum Angehörige der deut-
schen Minderheit. Eine unmittelbare Gefährdung ist we-
gen der kirgisischen Sicherheitsmaßnahmen in den städ-
tischen Zentren dieser Gebiete nach Ansicht der Bundes-
regierung nicht gegeben.
Der Bundesregierung sind bisher keine Fälle bekannt,
in denen die Bitte um ein beschleunigtes und verein-
fachtes Ausreiseverfahren wegen der Sicherheitslage in
Kirgistan durch deutschstämmige Bürger an die Bot-
schafter herangetragen worden ist. Eine generelle Ge-
fährdung der deutschstämmigen Bevölkerung Kirgistans
durch den Einfall der usbekischen Oppositionsgruppe im
Süden des Landes, der ein vereinachtes Ausreisefahren
für alle aussiedlungswilligen Angehörigen der deutschen
Minderheit erforderlich machen könnte, ist zur Zeit
nicht erkennbar.
Für den Fall, daß eine Gefährdungslage für Angehö-
rige der deutschen Minderheit bekannt wird, wird die
Bundesregierung die Notwendigkeit entsprechender
Maßnahmen prüfen.
Druck: Bonner Universitäts-Buchdruckerei, 53113 Bonn
53003 Bonn, Telefon: 0228/3 82 08 40, Telefax: 0228/3 82 08 44
20