Rede:
ID1405001800

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 9
    1. die: 2
    2. Als: 1
    3. nächste: 1
    4. Red-nerin: 1
    5. spricht: 1
    6. für: 1
    7. SPD-Fraktion: 1
    8. Kollegin: 1
    9. IrisGleicke.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 14/50 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 50. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 1. Juli 1999 I n h a l t : Festlegung der Zahl und Zusammensetzung der zur Mitwirkung an den Sitzungen des Ausschusses für die Angelegenheiten der Eu- ropäischen Union berechtigten Mitglieder des Europäischen Parlaments ................................. 4321 A Erweiterung der Tagesordnung........................ 4321 B Begrüßung der Oberbürgermeisterin von Bonn, Frau Bärbel Dieckmann, sowie des Altbundes- präsidenten Richard von Weizsäcker, der ehemaligen Präsidenten des Deutschen Bun- destages Annemarie Renger und Richard Stücklen, der ehemaligen Vizepräsidenten des Deutschen Bundestages Helmuth Becker, Dieter-Julius Cronenberg, Lieselotte Funcke und Dr. Burkhard Hirsch, des früheren polni- schen Außenministers Professor Wladyslaw Bartuszewski, des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz Bischof Professor Dr. Karl Lehmann, des Metropoliten von Deutschland Augoustinos Labardakis, des früheren Frak- tions- und Parteivorsitzenden der SPD Dr. Hans-Jochen Vogel und des ehemaligen Ober- bürgermeisters von Bonn, Dr. Hans Daniels....... 4325 A, ........................................ 4344 C, 4348 D, 4349 D, 4352 D, Tagesordnungspunkt 14: e) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Überweisungsgesetzes (Drucksachen 14/745, 14/1067, 14/1301) .. 4321 D Zusatztagesordnungspunkt 4: a – h) Beschlußempfehlungen des Petitions- ausschusses Sammelübersichten 59, 60, 61, 62, 63, 64, 65, 66 zu Petitionen (Drucksachen 14/1320, 14/1321, 14/1322, 14/1323, 14/1324, 14/1325, 14/1326, 14/1327) ..................................................... 4322 A Zusatztagesordnungspunkt 5: Erste Beratung des vom Bundesrat einge- brachten Entwurfs eines Dreiunddreißig- sten Gesetzes zur Änderung des La- stenausgleichsgesetzes (Drucksache 14/866) .................................. 4322 C Tagesordnungspunkt 12: Vereinbarte Debatte „50 Jahre Demokratie – Dank an Bonn“ Wolfgang Thierse SPD.................................... 4322 D Dr. Helmut Kohl CDU/CSU............................ 4325 B Dr. Antje Vollmer BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN................................................................. 4332 A Dr. Wolfgang Gerhardt F.D.P.......................... 4334 C Dr. Christa Luft PDS ....................................... 4336 B Wolfgang Clement, Ministerpräsident (Nord- rhein-Westfalen) .............................................. 4337 C Michael Glos CDU/CSU ................................. 4340 A Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ........................................................ 4342 B Dr. Guido Westerwelle F.D.P. ........................ 4344 D Angela Marquardt PDS ................................... 4346 B Iris Gleicke SPD .............................................. 4347 B Wolfgang Gehrcke PDS .................................. 4349 A Hans-Ulrich Klose SPD................................... 4349 D Eberhard Diepgen, Regierender Bürgermeister (Berlin) ................................................................ 4352 D Nächste Sitzung ............................................... 4354 C Berichtigung .................................................... 4354 D II Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 50. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 1. Juli 1999 Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten............ 4355 A Anlage 2 Erklärung des Abgeordneten Hartmut Ko- schyk (CDU/CSU) zur namentlichen Ab- stimmung über den Änderungsantrag der Abgeordneten Wolfgang Schulhoff, Dirk Fischer (Hamburg) und weiterer Abgeor- dneter, Drucksache 14/1269, zu Abschnitt II der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Kultur und Medien (Drucksache 14/ 1238) zu den Anträgen zur Errichtung eines Mahn- mals oder Denkmals für die ermordeten Juden in Europa ......................................................... 4355 C Anlage 3 Erklärung des Abgeordneten Dr. Willfried Penner (SPD) zur namentlichen Schlußab- stimmung über Abschnitt II der Be- schlußempfehlung des Ausschusses für Kultur und Medien (Gestaltungsentwurf II), Druck- sache 14/1238 .................................................. 4355 D Anlage 4 Amtliche Mitteilungen..................................... 4355 D Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 50. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 1. Juli 1999 4321 (A) (C) (B) (D) 50. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 1. Juli 1999 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Berichtigung 49. Sitzung, Seite 4259 B, vorletzter Absatz: In der vor- letzten Zeile ist das Wort „Inflationsrate“ durch das Wort „Lohnsteigerung“ zu ersetzen. Regierender Bürgermeister Eberhard Diepgen (Berlin) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 50. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 1. Juli 1999 4355 (A) (C) (B) (D) Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich Altmann (Aurich), Gila BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 1.7.99 Bleser, Peter CDU/CSU 1.7.99 Dr. Bötsch, Wolfgang CDU/CSU 1.7.99 Friedhoff, Paul K. F.D.P. 1.7.99 Friedrich (Altenburg), Peter SPD 1.7.99 Gebhardt, Fred PDS 1.7.99 Gilges, Konrad SPD 1.7.99 Hartenbach, Alfred SPD 1.7.99 Hovermann, Eike SPD 1.7.99 Hübner, Carsten PDS 1.7.99 Ibrügger, Lothar SPD 1.7.99 Irmer, Ulrich F.D.P. 1.7.99 Klinkert, Ulrich CDU/CSU 1.7.99 Koschyk, Hartmut CDU/CSU 1.7.99 Lensing, Werner CDU/CSU 1.7.99 Ostrowski, Christine PDS 1.7.99 Reiche, Katherina CDU/CSU 1.7.99 Roos, Gudrun SPD 1.7.99 Rübenkönig, Gerhard SPD 1.7.99 Scheffler, Siegfried SPD 1.7.99 Schindler, Norbert CDU/CSU 1.7.99 Dr. Schmidt-Jortzig, Edzard F.D.P. 1.7.99 Schöler, Walter SPD 1.7.99 Schuhmann (Delitzsch), Richard SPD 1.7.99 Schulz (Everswinkel), Reinhard SPD 1.7.99 Schurer, Ewald SPD 1.7.99 Sothmann, Bärbel CDU/CSU 1.7.99 Steiger, Wolfgang CDU/CSU 1.7.99 Uldall, Gunnar CDU/CSU 1.7.99 Anlage 2 Erklärung des Abgeordneten Hartmut Koschyk (CDU/CSU) zur namentlichen Abstimmung über den Ände- rungsantrag der Abgeordneten Wolfgang Schulhoff, Dirk Fischer (Hamburg), und weite- rer Abgeordneter, Drucksache 14/1269, zu Ab- schnitt II der Beschlußempfehlung des Aus- schusses für Kultur und Medien (Drucksache 14/1238) zu den Anträgen zur Errichtung eines Mahn- mals oder Denkmals für die ermordeten Juden in Europa (48. Sitzung, Seite 4129 D ff) Ich habe an der namentlichen Abstimmung zum Än- derungsantrag auf Drucksache 14/1269 während der 48. Sitzung des Deutschen Bundestages am 25. Juni 1999 teilgenommen und mit Ja gestimmt, womit ich den Antrag auf Drucksache 14/1269, der sich für den soge- nannten Richard-Schröder-Entwurf für das geplante Holocaust-Mahnmal in Berlin ausgesprochen hat, unter- stützt habe. Anlage 3 Erklärung des Abgeordneten Dr. Willfried Penner (SPD) zur namentlichen Schlußabstimmung über Ab- schnitt II der Beschlußempfehlung des Aus- schusses für Kultur und Medien (Gestaltungs- entwurf II), Drucksache 14/1238 (48. Sitzung, Seite 4135 A) Im Protokoll des Deutschen Bundestages für o. a. Sit- zung ist für die letzte namentliche Abstimmung (Schlußabstimmung) mein Abstimmungsverhalten mit ungültig vermerkt. Hiermit erkläre ich, daß ich in der letzten namentli- chen Abstimmung (Schlußabstimmung über den Ge- staltungsentwurf II) mit Nein gestimmt habe. Anlage 4 Amtliche Mitteilungen Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu der nachstehenden Vorlage absieht: Innenausschuß – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung an den Deutschen Bun-destag gemäß § 5 Abs. 3 Bundesstatistikgesetz(BStatG) für die Jahre 1997 und 1998 – Drucksachen 14/732, 14/829 Nr. 3 – 4356 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 50. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 1. Juli 1999 (A) (C) (B) (D) Haushaltsausschuß – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 1997 Über- und außerplanmäßige Ausgaben im erstenVierteljahr des Haushaltsjahres 1997 – Drucksachen 13/8299, 14/272 Nr. 73 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 1997 Über- und außerplanmäßige Ausgaben im zweitenVierteljahr des Haushaltsjahres 1997 – Drucksachen 13/8408, 14/272 Nr. 74 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 1997 Über- und außerplanmäßige Ausgaben im drittenVierteljahr des Haushaltsjahres 1997 – Drucksachen 13/9264, 14/272 Nr. 75 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 1997 Über- und außerplanmäßige Ausgaben im viertenVierteljahr des Haushaltsjahres 1997 – Drucksachen 13/9984, 14/272 Nr. 76 – Amtliche Mitteilung ohne Verlesung Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EU- Vorlagen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Parlament zur Kenntnis genommen oder von einer Be- ratung abgesehen hat. Auswärtiger Ausschuß Drucksache 14/488 Nr. 2.47 Innenausschuß Drucksache 14/671 Nr. 2.1 Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Drucksache 14/488 Nr. 2.4Drucksache 14/488 Nr. 2.5Drucksache 14/488 Nr. 2.6Drucksache 14/488 Nr. 2.7Drucksache 14/488 Nr. 2.10Drucksache 14/488 Nr. 2.11Drucksache 14/488 Nr. 2.12Drucksache 14/488 Nr. 2.18Drucksache 14/488 Nr. 2.21 Drucksache 14/488 Nr. 2.23Drucksache 14/671 Nr. 2.6.Drucksache 14/671 Nr. 2.11Drucksache 14/671 Nr. 2.16Drucksache 14/671 Nr. 2.33Drucksache 14/839 Nr. 1.2Drucksache 14/839 Nr. 2.1Drucksache 14/839 Nr. 2.4Drucksache 14/839 Nr. 2.5Drucksache 14/839 Nr. 2.6Drucksache 14/839 Nr. 2.7Drucksache 14/839 Nr. 2.8Drucksache 14/839 Nr. 2.9Drucksache 14/1016 Nr. 2.3Drucksache 14/1016 Nr. 2.4Drucksache 14/1016 Nr. 2.6Drucksache 14/1016 Nr. 2.8Drucksache 14/1016 Nr. 2.13Drucksache 14/1016 Nr. 2.15Drucksache 14/1016 Nr. 2.17Drucksache 14/1016 Nr. 2.21Drucksache 14/1016 Nr. 2.22 Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Drucksache 14/272 Nr. 112Drucksache 14/309 Nr. 2.9Drucksache 14/309 Nr. 2.19Drucksache 14/309 Nr. 2.24Drucksache 14/342 Nr. 1.9Drucksache 14/342 Nr. 2.25Drucksache 14/342 Nr. 2.41Drucksache 14/488 Nr. 2.13 Ausschuß für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen Drucksache 14/272 Nr. 145Drucksache 14/272 Nr. 148Drucksache 14/309 Nr. 1.4Drucksache 14/488 Nr. 1.3Drucksache 14/488 Nr. 2.40Drucksache 14/488 Nr. 2.45Drucksache 14/671 Nr. 2.7Drucksache 14/671 Nr. 2.13 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 14/74 Nr. 1.20Drucksache 14/74 Nr. 2.97Drucksache 14/342 Nr. 2.42Drucksache 14/671 Nr. 1.4Drucksache 14/671 Nr. 2.17Drucksache 14/1016 Nr. 2.20 Ausschuß für Bildung, Forschung undTechnikfolgenabschätzung Drucksache 14/839 Nr. 2.10Drucksache 14/839 Nr. 2.13Drucksache 14/839 Nr. 2.16Drucksache 14/1016 Nr. 2.14 Druck: Bonner Universitäts-Buchdruckerei, 53113 Bonn 53003 Bonn, Telefon: 02 28/3 82 08 40, Telefax: 02 28/3 82 08 44 20
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Angela Marquardt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (PDS)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS)

    Herr Präsident! Liebe
    Kolleginnen und Kollegen! Kollege Westerwelle, so be-
    rechtigt Ihre Kritik an der Bundesregierung gewesen ist,
    so kann ich, Frau Oberbürgermeisterin Dieckmann,
    wenn ich mir den gesamten Saal ansehe,


    (Dr. Guido Westerwelle [F.D.P.]: Das ist wohl wahr!)


    hoffentlich davon ausgehen, daß es sich bei der Abwe-
    senheit von Kolleginnen und Kollegen weniger um Un-

    dankbarkeit handelt als darum, daß diese in anderer
    Form und an anderer Stelle – wahrscheinlich in der Stadt
    – ihre Dankbarkeit zum Ausdruck bringen.


    (Beifall bei der PDS)

    Wie Sie wissen, hatte ich keine Möglichkeit, 50 Jahre

    Bundesrepublik und damit Demokratie live zu erleben.
    Dafür bin ich zu jung. Aus dem Osten komme ich auch
    noch. Die BRD überkam mich erst 1989 mit der Wende.
    Vielleicht überrascht es einige, aber ich habe den
    Mauerfall und das Ende der DDR als ein sehr positives
    Ereignis empfunden. Gerade für mich bedeutete das Ab-
    danken des Politbüros einen enormen Zugewinn an per-
    sönlicher Freiheit und auch einen Zugewinn an Demo-
    kratie.

    Wenn Sie mich heute fragen, was ich mit Bonn ver-
    binde, dann ist es vor allem die große Demonstration
    gegen die faktische Abschaffung des Asylrechts im
    Jahre 1993.


    (Beifall bei der PDS)

    Fast 350 000 Menschen waren auf der Straße und nah-
    men ihr Recht in Anspruch, laut nein zu sagen. Doch
    was nutzte es? Eine übergroße Koalition strich, davon
    unbeeindruckt, ein wesentliches Grundrecht aus der Ver-
    fassung.

    Wenn wir heute 50 Jahre Demokratie feiern, dann
    sage ich Ihnen: Dies waren und sind auch 50 Jahre der
    Nichtachtung von außerparlamentarischer Opposition
    und damit von einem wichtigen demokratischen Enga-
    gement der Bürgerinnen und Bürger.


    (Beifall bei der PDS)

    Um so erstaunlicher ist es für mich, daß CDU/CSU ge-
    rade jetzt außerparlamentarischen Widerspruch pflegen,
    ja fast schon plebiszitäre Elemente zumindest praktisch
    einführen. Denn Helmut Kohl war es, der als Kanzler
    sagte: „Die demonstrieren, wir regieren.“ Jede Form von
    Arroganz der Macht läßt bei Engagierten Zweifel am
    Sinn demokratischer Freiheiten wie dem Demonstra-
    tionsrecht aufkommen. Gerade dieses ist natürlich den-
    noch besonders schützenswert.

    Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir heute
    über die Bundesrepublik reden, dann reden wir über
    einen Staat, in dem es Menschen mit unterschiedlichen
    Rechten gibt: Menschen, die wählen dürfen, und sol-
    chen, denen dies untersagt ist, Menschen, die hier leben
    dürfen, und solchen, die an der Grenze zurückgewiesen
    bzw. abgeschoben werden, und das nur, weil sie einen
    falschen Paß haben. Wachsender Rechtsextremismus,
    wachsender Rassismus in der Gesellschaft, die un-
    menschliche Flüchtlingspolitik und eine oft schweigende
    Mehrheit, die rassistischen Pogromen wie zum Beispiel
    in Rostock zuschaut – das alles ist wenig ermutigend.
    Dennoch will ich meine Hoffnung zum Ausdruck brin-
    gen, daß – nach 50 Jahren und mit dem Beginn der so-
    genannten Berliner Republik – die kommenden Jahre
    der rechtlichen und faktischen Gleichstellung aller
    Menschen gehören werden, so wie es in unserem
    Grundgesetz vorgesehen ist. Das wäre für mich konse-

    Dr. Guido Westerwelle






    (A) (C)



    (B) (D)


    quenter als ein billiger Kompromiß zur doppelten
    Staatsbürgerschaft.


    (Beifall bei der PDS)

    Aber zur Freiheit gehören auch soziale Gerechtigkeit

    und Perspektiven für Jugendliche. Jeder Jugendliche
    ohne Berufsausbildung, jeder Mensch ohne Arbeit kann
    nur begrenzt am gesellschaftlichen Leben teilnehmen.
    Deshalb ist die gesellschaftliche Realität nicht nur unso-
    zial, sondern faktisch auch undemokratisch. Nicht nur
    zwischen den materiellen Möglichkeiten der Kinder von
    Bundestagsabgeordneten und der Kinder alleinerziehen-
    der Sozialhilfeempfängerinnen liegen mehr als tausend
    Welten, sondern auch zwischen ihren realen Chancen,
    an den gesellschaftlichen und damit an den demokrati-
    schen Mitgestaltungsmöglichkeiten teilzuhaben.


    (Beifall bei der PDS)

    Gerade auch aus diesem Grunde möchte ich zum

    Schluß die Gelegenheit nutzen, einmal nicht den Politi-
    kerinnen und Politikern zu danken, sondern all denen,
    die draußen auf der Straße oder einfach mitten in der
    Gesellschaft immer wieder den Mut und die Kraft fin-
    den, nein zu sagen, wenn es nein zu sagen gilt, denen,
    die sich gegen Intoleranz und Krieg, gegen soziale Un-
    gerechtigkeit und Sexismus engagieren.

    Ich möchte den Menschen danken, die sich vergebens
    auf Demonstrationen die Füße wundgelaufen haben, sich
    in Bürgerinitiativen, in Antifa-Gruppen oder in gewerk-
    schaftlichen Initiativen engagieren, allen, die sich nicht
    damit begnügen wollen, alle vier Jahre wählen zu gehen.
    Ohne diese Menschen, ohne diese außerparlamentari-
    sche Opposition wäre dieses Land und wäre die Demo-
    kratie ärmer.

    Ob in Bonn oder in Berlin, wir Parlamentarierinnen
    und Parlamentarier müssen uns bewußt sein, daß Demo-
    kratie Mitbestimmung heißt. Das sollte in allen gesell-
    schaftlichen Bereichen gelten.

    Danke.

    (Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)




Rede von Dr. Rudolf Seiters
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Als nächste Red-
nerin spricht für die SPD-Fraktion die Kollegin Iris
Gleicke.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Iris Gleicke


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Liebe Kollegin-
    nen und Kollegen! Liebe Oberbürgermeisterin Bärbel
    Dieckmann! Liebe Bonnerinnen und Bonner! Wir alle
    haben Bonn dafür zu danken, daß es in den letzten
    50 Jahren das Parlament und damit das Herzstück der
    deutschen Demokratie beherbergt hat.

    Aus meiner Perspektive, aus der Perspektive einer
    ostdeutschen Abgeordneten, die dem Bundestag seit
    1990 angehört, möchte ich es persönlicher formulieren:
    Ich bin froh und dankbar dafür, daß ich hier in Bonn in
    den vergangenen neun Jahren bei der Gestaltung der
    Demokratie mitwirken durfte. Sicherlich war für uns

    Ostdeutsche Bonn auch in den Jahrzehnten vor dem Fall
    der Mauer ein Begriff. Bonn, das war für uns ein anderer
    Name für die westdeutsche Demokratie und für die
    westdeutsche Gesellschaft. Das Westfernsehen brachte
    den „Bericht aus Bonn“ in die gute Stube, und nach je-
    der Wahl gab es die „Bonner Runde“.

    Alles das, was da in der westdeutschen Hauptstadt
    passierte, war für die meisten der DDR-Bürger sehr nah.
    Trotzdem war es ganz weit weg und unerreichbar; denn
    es gab ja eine unüberwindbare Grenze.

    Wir hatten unsere eigene Hauptstadt. Sie lag in unse-
    rem eigenen Teil Deutschlands. Im Westen wurde sie
    Ost-Berlin genannt. Auf den Schildern an den Tran-
    sitstrecken stand: Berlin, Hauptstadt der DDR.

    Bonn, das war damals für uns das andere, das Frem-
    de. Es lag vor allem für die Jüngeren in einem unbe-
    kannten Land. Von diesem anderen Deutschland hatten
    wir im Osten viele richtige, aber auch viele falsche Vor-
    stellungen. Umgekehrt gab es auch hier im Westen viele
    richtige und viele falsche Vorstellungen über das Land,
    in dem wir gelebt haben.

    Durch eine glückliche Wendung der Geschichte und
    aus eigener Kraft haben wir Ostdeutschen die Diktatur
    abgeschüttelt. Die Mauer ist gefallen. Die DDR gibt es
    nicht mehr. Geblieben ist für uns alle die gemeinsame
    Aufgabe, uns von unseren deutsch-deutschen Vorurtei-
    len zu lösen. Erst wenn uns das gelungen ist – davon bin
    ich überzeugt –, können und werden wir nicht mehr in
    den Kategorien von Ost und West denken, fühlen und
    handeln. Das geht nicht von gestern auf heute und nicht
    von heute auf morgen. Das ist ein andauernder Prozeß.

    Ich schließe nicht aus, daß es unseren Kindern und
    Kindeskindern vorbehalten bleibt, die vielzitierte Mauer
    in den Köpfen und damit die deutsche Teilung wahrhaf-
    tig zu überwinden. Aber daß es diese Perspektive gibt,
    daß wir uns dieser Herausforderung gemeinsam stellen
    dürfen, dazu hat diese kleine Stadt am Rhein einen gro-
    ßen, ihren eigenen Beitrag geleistet.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der F.D.P. sowie der Abg. Angela Marquardt [PDS])


    Auch für mich ganz persönlich hat die Stadt Bonn
    eine wichtige, eine große Rolle bei der alltäglichen
    Überwindung der Teilung Deutschlands gespielt. So
    sehr wir Politiker uns auch abrackern: Der Politik wird
    man vorwerfen, daß ihr etwas Abstraktes anhaftet. Men-
    schen hingegen und ihre Beziehungen zueinander sind
    immer sehr konkret.

    Diese Einsicht habe ich für mich gewonnen, als ich
    im Dezember 1990 als sehr junge Abgeordnete nach
    Bonn kam und die Stadt und ihre Menschen kennenzu-
    lernen begann. Ich war damals gerade 26 Jahre alt und
    habe mich hier ziemlich fremd, manchmal auch etwas
    verloren gefühlt. Das ist nicht lange so geblieben, denn
    ich habe in Bonn Hilfsbereitschaft, Wärme und Freund-
    lichkeit gefunden: zunächst bei den Kolleginnen und
    Kollegen – übrigens über die Parteigrenzen hinweg –,
    sehr bald auch bei den Menschen, die in dieser Stadt

    Angela Marquardt






    (B)



    (A) (C)



    (D)


    leben und arbeiten. Ich habe das Rheinland schätzen
    gelernt, und zwar nicht nur die rheinische Frohnatur,
    sondern auch die Leichtigkeit und freundliche Weltof-
    fenheit, den Charme und die fast südländisch anmutende
    Lebensweise.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der F.D.P. und der PDS – Dr. Guido Westerwelle [F.D.P.]: Laßt uns hierbleiben!)


    In Bonn stellen die Gastwirte die Tische und Stühle auf
    die Straßen und Plätze, sobald die Sonne anfängt zu
    scheinen.


    (Dr. Irmgard Schwaetzer [F.D.P.]: Leider nur bis 10 Uhr!)


    Man hat bisweilen vom „Raumschiff Bonn“ gespro-
    chen, in dem den Politikerinnen und Politikern jeder Be-
    zug zum realen Leben abhanden zu kommen droht. Da
    mag ein bißchen dran sein, aber ich habe Bonn als Stadt
    so nicht erlebt. Es fällt mir nicht ganz leicht, zu be-
    schreiben, warum mir diese Stadt in den vergangenen
    neun Jahren so ans Herz gewachsen ist. Es gibt so viele
    Erinnerungen und Begegnungen, aus denen sich mein
    Bonn zusammensetzt. Ich lasse in Bonn viel mehr zu-
    rück als nur einen leeren Sessel in diesem Plenarsaal.
    Ich denke an die Freundschaften, die ich geschlossen
    habe und die mir lieb und teuer sind. Ich denke daran,
    daß mein Sohn einen Teil seiner Kindheit in Bonn erlebt
    hat. Ich denke an unsere gemeinsamen Spaziergänge
    von unserer Wohnung in der Nordstadt bis zum Grau-
    rheindorfer Hafen. Ich erinnere mich an lange Abende in
    gemütlichen Kneipen und Weinstuben, wo ich mit Leu-
    ten ins Gespräch gekommen bin, die mir unverblümt ih-
    re Meinung gesagt haben und mit denen ich mich nach
    Herzenslust streiten konnte. Dabei ist es keineswegs
    immer nur um Politik gegangen. Bisweilen waren diese
    Abende so lang, daß es nicht immer ganz leicht war, am
    nächsten Morgen pünktlich in der Arbeitsgruppe oder im
    Plenum zu sein.


    (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Norbert Blüm [CDU/CSU])


    Unvergeßlich ist für mich meine erste Begegnung mit
    Willy Brandt, den ich hier in Bonn kennenlernen durf-
    te. Unvergeßlich sind die ersten Begegnungen mit ande-
    ren großen Politikerinnen und Politikern aus der Bonner
    Bühne. Aber ebenso nachdrücklich bleiben mir die vie-
    len kleinen freundlichen Begegnungen im Alltag mit
    den Bürgerinnen und Bürgern der Stadt in Erinnerung.
    Ein unvergeßliches Erlebnis war meine nächtliche
    Rundfahrt auf einem großen Löschwagen der freiwilli-
    gen Feuerwehr, von der ich bis heute nicht genau weiß,
    ob sie so ganz legal war. Deshalb verrate ich auch nicht,
    in welchem Bonner Ortsteil sie stattgefunden hat.


    (Dr. Guido Westerwelle [F.D.P.]: Das wird hier nicht verfolgt! – Hans-Ulrich Klose [SPD]: Das gehört hier dazu!)


    Auch die beiden Hochwasserkatastrophen, die ich
    miterlebt habe, werde ich so schnell nicht vergessen.
    Seitdem lege ich gesteigerten Wert auf ein Büro, das
    nicht im Erdgeschoß liegt. Oder der Bonner Rosen-

    montagszug! Mehr als einmal habe ich an der Straße
    gestanden, gemeinsam mit den anderen Jecken nach
    Kammelle gerufen und das Prinzenpaar bejubelt. Wenn
    ich dabei aus lauter Übermut statt „Bonn alaaf!“ „Slusia
    helau!“ gerufen habe, weil das in meiner Heimatstadt
    Schleusingen nun einmal so heißt und weil wir in Thü-
    ringen auch Karneval feiern, dann hat mir das niemand
    übelgenommen.


    (Dr. Guido Westerwelle [F.D.P.]: Das stimmt aber nicht! – Heiterkeit)


    Das will durchaus etwas heißen in einer Stadt, für die
    der Karneval ein großes und wichtiges Ereignis und da-
    mit auch eine ernste Angelegenheit ist. Herr Wester-
    welle, zumindest bin ich nicht verprügelt worden!

    Hier im Rheinland habe ich von den Bonnerinnen und
    Bonnern gelernt, was „Leben und leben lassen!“ heißt.
    Et kütt wie et kütt, und et hätt noch immer jootjejange!


    (Beifall im ganzen Hause)

    Wohl auch deshalb konnte sich das politische Leben in
    Bonn weitgehend unverkrampft entfalten. Wohl auch
    deshalb hat Bonn dieser Demokratie so gutgetan. Ich bin
    froh darüber, daß ich das parlamentarische Handwerk in
    dieser Atmosphäre von Toleranz und Lebensfreude
    erlernen durfte. Ich weiß von vielen Kolleginnen und
    Kollegen, die ganz ähnliche Erfahrungen mit dieser
    Stadt gemacht haben und denen es ähnlich geht wie mir.
    Auch in ihrem Namen möchte ich der Stadt danken für
    die schöne Zeit, die wir in ihr verbringen durften. Wir
    werden Bonn vermissen.


    (Beifall bei der SPD und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der PDS)


    In diesem Frühjahr sind mir die blühenden Bäume in
    der Rheinaue besonders aufgefallen – und ganz beson-
    ders die wunderschönen roten Kastanien.


    (V o r s i t z : Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms)


    Ich habe beschlossen: Eine solche Kastanie will ich mir
    zu Hause in meinen Garten pflanzen; sie soll in mir die
    Sehnsucht an eine kleine große Stadt in Deutschland
    wachhalten, die ein Teil meines Lebens und meiner
    Heimat geworden ist.

    Schönen Dank.

    (Beifall im ganzen Hause)