Rede:
ID1405001400

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 47
    1. ich: 3
    2. nunmehr: 3
    3. der: 3
    4. Tribüne: 2
    5. des: 2
    6. die: 2
    7. Stücklen: 2
    8. Meine: 1
    9. Damen: 1
    10. undHerren,: 1
    11. liebe: 1
    12. Kolleginnen: 1
    13. und: 1
    14. Kollegen,: 1
    15. freue: 1
    16. mich,daß: 1
    17. auf: 1
    18. Deutschen: 1
    19. Bun-destages: 1
    20. ehemalige: 1
    21. Präsidentin: 1
    22. Parlaments,Annemarie: 1
    23. Renger,: 1
    24. herzlich: 1
    25. begrüßen: 1
    26. darf.\n: 1
    27. Nachdem: 1
    28. bereits: 1
    29. Bundestagsvizepräsident: 1
    30. Ri-chard: 1
    31. begrüßt: 1
    32. wurde,: 1
    33. darf: 1
    34. auchden: 1
    35. Bundestagspräsidenten: 1
    36. Richard: 1
    37. hier: 1
    38. aufder: 1
    39. begrüßen.\n: 1
    40. Das: 1
    41. Wort: 1
    42. hat: 1
    43. Kollege: 1
    44. Dr.: 1
    45. GuidoWesterwelle: 1
    46. für: 1
    47. F.D.P.-Fraktion.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 14/50 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 50. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 1. Juli 1999 I n h a l t : Festlegung der Zahl und Zusammensetzung der zur Mitwirkung an den Sitzungen des Ausschusses für die Angelegenheiten der Eu- ropäischen Union berechtigten Mitglieder des Europäischen Parlaments ................................. 4321 A Erweiterung der Tagesordnung........................ 4321 B Begrüßung der Oberbürgermeisterin von Bonn, Frau Bärbel Dieckmann, sowie des Altbundes- präsidenten Richard von Weizsäcker, der ehemaligen Präsidenten des Deutschen Bun- destages Annemarie Renger und Richard Stücklen, der ehemaligen Vizepräsidenten des Deutschen Bundestages Helmuth Becker, Dieter-Julius Cronenberg, Lieselotte Funcke und Dr. Burkhard Hirsch, des früheren polni- schen Außenministers Professor Wladyslaw Bartuszewski, des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz Bischof Professor Dr. Karl Lehmann, des Metropoliten von Deutschland Augoustinos Labardakis, des früheren Frak- tions- und Parteivorsitzenden der SPD Dr. Hans-Jochen Vogel und des ehemaligen Ober- bürgermeisters von Bonn, Dr. Hans Daniels....... 4325 A, ........................................ 4344 C, 4348 D, 4349 D, 4352 D, Tagesordnungspunkt 14: e) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Überweisungsgesetzes (Drucksachen 14/745, 14/1067, 14/1301) .. 4321 D Zusatztagesordnungspunkt 4: a – h) Beschlußempfehlungen des Petitions- ausschusses Sammelübersichten 59, 60, 61, 62, 63, 64, 65, 66 zu Petitionen (Drucksachen 14/1320, 14/1321, 14/1322, 14/1323, 14/1324, 14/1325, 14/1326, 14/1327) ..................................................... 4322 A Zusatztagesordnungspunkt 5: Erste Beratung des vom Bundesrat einge- brachten Entwurfs eines Dreiunddreißig- sten Gesetzes zur Änderung des La- stenausgleichsgesetzes (Drucksache 14/866) .................................. 4322 C Tagesordnungspunkt 12: Vereinbarte Debatte „50 Jahre Demokratie – Dank an Bonn“ Wolfgang Thierse SPD.................................... 4322 D Dr. Helmut Kohl CDU/CSU............................ 4325 B Dr. Antje Vollmer BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN................................................................. 4332 A Dr. Wolfgang Gerhardt F.D.P.......................... 4334 C Dr. Christa Luft PDS ....................................... 4336 B Wolfgang Clement, Ministerpräsident (Nord- rhein-Westfalen) .............................................. 4337 C Michael Glos CDU/CSU ................................. 4340 A Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ........................................................ 4342 B Dr. Guido Westerwelle F.D.P. ........................ 4344 D Angela Marquardt PDS ................................... 4346 B Iris Gleicke SPD .............................................. 4347 B Wolfgang Gehrcke PDS .................................. 4349 A Hans-Ulrich Klose SPD................................... 4349 D Eberhard Diepgen, Regierender Bürgermeister (Berlin) ................................................................ 4352 D Nächste Sitzung ............................................... 4354 C Berichtigung .................................................... 4354 D II Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 50. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 1. Juli 1999 Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten............ 4355 A Anlage 2 Erklärung des Abgeordneten Hartmut Ko- schyk (CDU/CSU) zur namentlichen Ab- stimmung über den Änderungsantrag der Abgeordneten Wolfgang Schulhoff, Dirk Fischer (Hamburg) und weiterer Abgeor- dneter, Drucksache 14/1269, zu Abschnitt II der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Kultur und Medien (Drucksache 14/ 1238) zu den Anträgen zur Errichtung eines Mahn- mals oder Denkmals für die ermordeten Juden in Europa ......................................................... 4355 C Anlage 3 Erklärung des Abgeordneten Dr. Willfried Penner (SPD) zur namentlichen Schlußab- stimmung über Abschnitt II der Be- schlußempfehlung des Ausschusses für Kultur und Medien (Gestaltungsentwurf II), Druck- sache 14/1238 .................................................. 4355 D Anlage 4 Amtliche Mitteilungen..................................... 4355 D Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 50. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 1. Juli 1999 4321 (A) (C) (B) (D) 50. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 1. Juli 1999 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Berichtigung 49. Sitzung, Seite 4259 B, vorletzter Absatz: In der vor- letzten Zeile ist das Wort „Inflationsrate“ durch das Wort „Lohnsteigerung“ zu ersetzen. Regierender Bürgermeister Eberhard Diepgen (Berlin) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 50. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 1. Juli 1999 4355 (A) (C) (B) (D) Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich Altmann (Aurich), Gila BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 1.7.99 Bleser, Peter CDU/CSU 1.7.99 Dr. Bötsch, Wolfgang CDU/CSU 1.7.99 Friedhoff, Paul K. F.D.P. 1.7.99 Friedrich (Altenburg), Peter SPD 1.7.99 Gebhardt, Fred PDS 1.7.99 Gilges, Konrad SPD 1.7.99 Hartenbach, Alfred SPD 1.7.99 Hovermann, Eike SPD 1.7.99 Hübner, Carsten PDS 1.7.99 Ibrügger, Lothar SPD 1.7.99 Irmer, Ulrich F.D.P. 1.7.99 Klinkert, Ulrich CDU/CSU 1.7.99 Koschyk, Hartmut CDU/CSU 1.7.99 Lensing, Werner CDU/CSU 1.7.99 Ostrowski, Christine PDS 1.7.99 Reiche, Katherina CDU/CSU 1.7.99 Roos, Gudrun SPD 1.7.99 Rübenkönig, Gerhard SPD 1.7.99 Scheffler, Siegfried SPD 1.7.99 Schindler, Norbert CDU/CSU 1.7.99 Dr. Schmidt-Jortzig, Edzard F.D.P. 1.7.99 Schöler, Walter SPD 1.7.99 Schuhmann (Delitzsch), Richard SPD 1.7.99 Schulz (Everswinkel), Reinhard SPD 1.7.99 Schurer, Ewald SPD 1.7.99 Sothmann, Bärbel CDU/CSU 1.7.99 Steiger, Wolfgang CDU/CSU 1.7.99 Uldall, Gunnar CDU/CSU 1.7.99 Anlage 2 Erklärung des Abgeordneten Hartmut Koschyk (CDU/CSU) zur namentlichen Abstimmung über den Ände- rungsantrag der Abgeordneten Wolfgang Schulhoff, Dirk Fischer (Hamburg), und weite- rer Abgeordneter, Drucksache 14/1269, zu Ab- schnitt II der Beschlußempfehlung des Aus- schusses für Kultur und Medien (Drucksache 14/1238) zu den Anträgen zur Errichtung eines Mahn- mals oder Denkmals für die ermordeten Juden in Europa (48. Sitzung, Seite 4129 D ff) Ich habe an der namentlichen Abstimmung zum Än- derungsantrag auf Drucksache 14/1269 während der 48. Sitzung des Deutschen Bundestages am 25. Juni 1999 teilgenommen und mit Ja gestimmt, womit ich den Antrag auf Drucksache 14/1269, der sich für den soge- nannten Richard-Schröder-Entwurf für das geplante Holocaust-Mahnmal in Berlin ausgesprochen hat, unter- stützt habe. Anlage 3 Erklärung des Abgeordneten Dr. Willfried Penner (SPD) zur namentlichen Schlußabstimmung über Ab- schnitt II der Beschlußempfehlung des Aus- schusses für Kultur und Medien (Gestaltungs- entwurf II), Drucksache 14/1238 (48. Sitzung, Seite 4135 A) Im Protokoll des Deutschen Bundestages für o. a. Sit- zung ist für die letzte namentliche Abstimmung (Schlußabstimmung) mein Abstimmungsverhalten mit ungültig vermerkt. Hiermit erkläre ich, daß ich in der letzten namentli- chen Abstimmung (Schlußabstimmung über den Ge- staltungsentwurf II) mit Nein gestimmt habe. Anlage 4 Amtliche Mitteilungen Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu der nachstehenden Vorlage absieht: Innenausschuß – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung an den Deutschen Bun-destag gemäß § 5 Abs. 3 Bundesstatistikgesetz(BStatG) für die Jahre 1997 und 1998 – Drucksachen 14/732, 14/829 Nr. 3 – 4356 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 50. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 1. Juli 1999 (A) (C) (B) (D) Haushaltsausschuß – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 1997 Über- und außerplanmäßige Ausgaben im erstenVierteljahr des Haushaltsjahres 1997 – Drucksachen 13/8299, 14/272 Nr. 73 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 1997 Über- und außerplanmäßige Ausgaben im zweitenVierteljahr des Haushaltsjahres 1997 – Drucksachen 13/8408, 14/272 Nr. 74 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 1997 Über- und außerplanmäßige Ausgaben im drittenVierteljahr des Haushaltsjahres 1997 – Drucksachen 13/9264, 14/272 Nr. 75 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 1997 Über- und außerplanmäßige Ausgaben im viertenVierteljahr des Haushaltsjahres 1997 – Drucksachen 13/9984, 14/272 Nr. 76 – Amtliche Mitteilung ohne Verlesung Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EU- Vorlagen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Parlament zur Kenntnis genommen oder von einer Be- ratung abgesehen hat. Auswärtiger Ausschuß Drucksache 14/488 Nr. 2.47 Innenausschuß Drucksache 14/671 Nr. 2.1 Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Drucksache 14/488 Nr. 2.4Drucksache 14/488 Nr. 2.5Drucksache 14/488 Nr. 2.6Drucksache 14/488 Nr. 2.7Drucksache 14/488 Nr. 2.10Drucksache 14/488 Nr. 2.11Drucksache 14/488 Nr. 2.12Drucksache 14/488 Nr. 2.18Drucksache 14/488 Nr. 2.21 Drucksache 14/488 Nr. 2.23Drucksache 14/671 Nr. 2.6.Drucksache 14/671 Nr. 2.11Drucksache 14/671 Nr. 2.16Drucksache 14/671 Nr. 2.33Drucksache 14/839 Nr. 1.2Drucksache 14/839 Nr. 2.1Drucksache 14/839 Nr. 2.4Drucksache 14/839 Nr. 2.5Drucksache 14/839 Nr. 2.6Drucksache 14/839 Nr. 2.7Drucksache 14/839 Nr. 2.8Drucksache 14/839 Nr. 2.9Drucksache 14/1016 Nr. 2.3Drucksache 14/1016 Nr. 2.4Drucksache 14/1016 Nr. 2.6Drucksache 14/1016 Nr. 2.8Drucksache 14/1016 Nr. 2.13Drucksache 14/1016 Nr. 2.15Drucksache 14/1016 Nr. 2.17Drucksache 14/1016 Nr. 2.21Drucksache 14/1016 Nr. 2.22 Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Drucksache 14/272 Nr. 112Drucksache 14/309 Nr. 2.9Drucksache 14/309 Nr. 2.19Drucksache 14/309 Nr. 2.24Drucksache 14/342 Nr. 1.9Drucksache 14/342 Nr. 2.25Drucksache 14/342 Nr. 2.41Drucksache 14/488 Nr. 2.13 Ausschuß für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen Drucksache 14/272 Nr. 145Drucksache 14/272 Nr. 148Drucksache 14/309 Nr. 1.4Drucksache 14/488 Nr. 1.3Drucksache 14/488 Nr. 2.40Drucksache 14/488 Nr. 2.45Drucksache 14/671 Nr. 2.7Drucksache 14/671 Nr. 2.13 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 14/74 Nr. 1.20Drucksache 14/74 Nr. 2.97Drucksache 14/342 Nr. 2.42Drucksache 14/671 Nr. 1.4Drucksache 14/671 Nr. 2.17Drucksache 14/1016 Nr. 2.20 Ausschuß für Bildung, Forschung undTechnikfolgenabschätzung Drucksache 14/839 Nr. 2.10Drucksache 14/839 Nr. 2.13Drucksache 14/839 Nr. 2.16Drucksache 14/1016 Nr. 2.14 Druck: Bonner Universitäts-Buchdruckerei, 53113 Bonn 53003 Bonn, Telefon: 02 28/3 82 08 40, Telefax: 02 28/3 82 08 44 20
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Volker Beck


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben in
    Bonn 50 Jahre lang unter dem Grundgesetz eine stabile
    Demokratie erlebt. Den Verfassungsvätern und -müttern
    ist 1949 ein großer Wurf gelungen. Sie haben den Rah-
    men gesteckt, in dem sich in fünf Jahrzehnten ein wirk-
    lich freiheitliches demokratisches Gemeinwesen ent-
    wickelt hat.

    Zu unserem Glück gezwungen haben uns damals die
    Alliierten. Auch ihnen sei hier und heute ausdrücklich
    gedankt.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ CSU und der F.D.P.)


    Auf ihre Veranlassung trat der Parlamentarische Rat
    zusammen, kam es zu einer liberalen und demokrati-
    schen Verfassung. Die Alliierten haben sozusagen für
    die Implementierung der Demokratie gesorgt, und das
    mit großem Erfolg. Es ist geradezu ein Gütesiegel für
    unsere Demokratie, daß es seit 1949 keine rechtsextreme
    Partei mehr geschafft hat, in den Bundestag gewählt zu
    werden. Bei den Bundestagswahlen haben die Bürger
    und Bürgerinnen den Ideologen der Ungleichheit, der
    Demokratiefeindlichkeit und des offenen Rassismus re-
    gelmäßig eine Abfuhr erteilt – etwas, worauf wir stolz
    sein können.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Das Grundgesetz als Fundament unserer Demokratie
    ist das klare und radikale Kontrastprogramm zum Na-

    tionalsozialismus: Unantastbarkeit der Menschenwürde
    – nicht der Deutschenwürde –, freie Entfaltung der Per-
    sönlichkeit, Gleichheit vor dem Gesetz, Glaubens-, Ge-
    wissens- und Meinungsfreiheit, Schutz von Ehe und
    Familie vor staatlichen Eingriffen. Nach den zwölf Jah-
    ren des NS-Regimes waren dies damals wahrlich revo-
    lutionäre Grundsätze.

    Doch seien wir ehrlich zu uns: Mit der Verkündung
    des Grundgesetzes waren seine Verheißungen keines-
    wegs automatisch durchgesetzt. Auch heute sind sie
    noch längst nicht vollständig erfüllt. Bei vielen Frei-
    heitsrechten und demokratischen Beteiligungsmöglich-
    keiten haben es die Menschen erst nach und nach ge-
    wagt, sich diese überhaupt anzueignen. Man kann fast
    sagen: 1949 war der Schuh für die gesellschaftliche
    Wirklichkeit noch viel zu groß geschustert. Aber im
    Laufe der Jahre sind die Deutschen langsam in das
    Grundgesetz hineingewachsen.

    Die äußeren Formen der Demokratie haben sich 1949
    schnell etabliert, nach innen aber herrschten weiterhin
    autoritäre Handlungsmuster vor. Die Politik hat das per-
    sönliche Leben der Menschen in einer Weise reglemen-
    tiert, wie man es sich heute kaum noch vorstellen kann:
    Vordemokratische Auffassungen von richtigen Lebens-
    weisen, Sitte und Moral haben zwei Jahrzehnte lang die
    Freiheitsversprechen des Grundgesetzes für viele Bürger
    und Bürgerinnen praktisch außer Kraft gesetzt. Denken
    Sie nur daran, daß laut BGB der Mann das Letztent-
    scheidungsrecht in allen Familienfragen hatte, selbst
    über das Vermögen der Frau! Denken Sie nur an das
    Sittenstrafrecht vor 1969: Die sogenannte Kuppelei und
    der Ehebruch wurden strafrechtlich verfolgt. Die nichte-
    heliche Lebensgemeinschaft galt als Konkubinat.
    Homosexuelle hat das Grundgesetz 20 Jahre lang nicht
    vor menschenrechtswidriger staatlicher Strafverfolgung
    bewahrt.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)


    Meine Damen und Herren, es ist ein großer Schön-
    heitsfleck auf unserer Demokratie, daß solche staat-
    lichen Eingriffe in das Privatleben damals möglich wa-
    ren, gebilligt vom Gesetzgeber, teilweise sogar mit dem
    ausdrücklichen Segen des Bundesverfassungsgerichts
    versehen. Es ist ein großer Erfolg unserer Demokratie,
    daß eine solche Politik heute einfach nicht mehr denkbar
    ist. Die Menschen würden es sich schlichtweg nicht ge-
    fallen lassen; die ehemals so obrigkeitstreuen Deutschen
    haben nämlich den Genuß der Freiheit zu schätzen ge-
    lernt.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der F.D.P.)


    Zu dieser Zivilisierung, zur wachsenden Gelassenheit
    in Fragen der Sitte und Moral hat sicher auch die Kul-
    turgeographie beigetragen, die Lage des Dauerproviso-
    riums Bonn. Nehmen wir nur die rheinischen Lebens-
    weisen „Lewe ond lewe losse“ und „Jeder Jeck ist an-
    ders“. Auch das hat, glaube ich, seine Auswirkungen auf
    die Politik gehabt.

    Michael Glos






    (A) (C)



    (B) (D)


    Gustav Heinemann hat es einmal so ausgedrückt, daß
    die Demokratie an ihrem Umgang mit ihren Minderhei-
    ten gemessen werden müsse. Gleichheit vor dem Gesetz,
    Diskriminierungs- und Willkürverbot – all das ist in
    Art. 3 des Grundgesetzes geregelt. Dieser Art. 3 gehört
    wahrlich zu den Preziosen unserer Verfassung. Deshalb
    will ich bei diesem Kernstück der Demokratie kurz ver-
    weilen.

    Meine Damen und Herren, die Menschen sind nicht
    gleich; sie sind sehr verschieden. Sie haben ganz unter-
    schiedliche Eigenschaften, unterschiedliche Weltan-
    schauungen, Lebensentwürfe und Vorstellungen von
    ihrem ganz persönlichen Glück. Gerade deshalb ist es so
    wichtig, daß unsere Verfassung die Gleichheit vor dem
    Gesetz als Norm gesetzt hat. Das ist von entscheidender
    Bedeutung für ein friedliches Zusammenleben. Wir er-
    leben es auch heute noch: Jedes Merkmal, das den einen
    vom anderen unterscheidet, kann zu Anfeindung und
    Ausgrenzung führen. Wie kaum ein anderer ist dieser
    Art. 3 als Antwort auf die Verbrechen der Nazis formu-
    liert worden. Er ist gleichsam ein verfassungsrechtliches
    „Nie wieder!“.

    Unsere Verfassung leitet von der Verschiedenheit der
    Menschen Gleichheit in den Rechten ab, und nicht Un-
    terschiedlichkeit. Diese Gleichheit ist das Gegenteil von
    Gleichmacherei; sie ist Ausdruck des Respektes vor der
    Würde jedes einzelnen Menschen. Der Verfassungsauf-
    trag, die Gleichheit vor dem Gesetz auch in Rechtswirk-
    lichkeit umzusetzen, gilt auch heute unvermindert fort.
    Um diesem Auftrag gerecht zu werden, haben wir uns
    für diese Wahlperiode noch einiges vorgenommen: ein
    Gleichstellungsgesetz für Frauen, ein Antidiskriminie-
    rungsgesetz, die eingetragene Partnerschaft.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Unsere Demokratie funktioniert nach dem Mehrheits-
    prinzip. Gerade deshalb ist der Schutz von Minderheiten
    ein bleibender Auftrag für den Gesetzgeber.

    Meine Damen und Herren, nochmals ein Blick zu-
    rück. Der kalte Krieg hat lange Zeit auch innenpolitisch
    Vereisungen bewirkt. Der Kabarettist Georg Kreisler hat
    das in den 50er Jahren so auf den Punkt gebracht:

    In der Bundeshauptstadt Bonn am Rhein fürchtet
    sich der Kommunist. Sollte man etwas weiter öst-
    lich sein, fürchtet sich, wer keiner ist.

    Leider hatte die Bundesrepublik nicht immer die Größe,
    der Diktatur in der DDR durch ein klares Bekenntnis zu
    immer mehr Demokratie den Spiegel vorzuhalten. Man
    griff beim Kampf der Systeme leider auch gelegentlich
    zu so untauglichen Mitteln wie Parteienverboten und
    Gesinnungsschnüffelei. Oder denken Sie an die Grund-
    rechtseinschränkungen durch die sogenannten Not-
    standsgesetze. Die Notstandsgesetze haben in den 60er
    Jahren die Gesellschaft heftig und tief gespalten – und
    zwar ohne jede Not.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Horst Kubatschka [SPD])


    Ich erinnere auch an den unseligen sogenannten Radi-
    kalenerlaß. In den 70er Jahren diente die Formel von der

    freiheitlich-demokratischen Grundordnung als Kampf-
    begriff zur Ausgrenzung mißliebiger Kritiker. Anstatt
    Menschen für die Demokratie zu begeistern, haben die
    Adjektive „freiheitlich“ und „demokratisch“ bei vielen
    jungen Leuten seinerzeit Angst und Schrecken erzeugt.
    Das war ein Lehrbeispiel, wie man es nicht machen darf.
    Man hat damit große Teile der kritischen Jugend für
    lange Jahre eben dieser freiheitlich-demokratischen
    Grundordnung von Grund auf entfremdet. Verfassungs-
    treue kann man nicht mit dem Holzhammer erreichen,
    sondern nur durch Diskussion und Überzeugungskraft.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der PDS)


    Nun, unsere Demokratie hat auch diese Fehlent-
    wicklungen überlebt und schließlich überwunden, eben-
    so wie die „Spiegel“-Affäre, die Flick-Affäre und vieles
    mehr.

    Ein wichtiger Garant unserer Freiheitsrechte und
    Wächter der Demokratie war und ist das Bundesverfas-
    sungsgericht. In vielen Fällen schützte es den Bürger
    vor Übergriffen des Gesetzgebers auf die Freiheitsrech-
    te. Es wahrte ebenso die Rechte des Parlaments gegen-
    über der Exekutive und der parlamentarischen Minder-
    heit gegenüber der Mehrheit.

    Dennoch verdient auch das Verhältnis von Politik
    und Rechtsprechung eine kritische Betrachtung. Wir
    müssen uns als Abgeordnete fragen: Soll bei jedem
    Streitfall, bei dem man im Parlament unterlegen ist, das
    Verfassungsgericht angerufen werden? Dürfen wir uns
    über das immer feinmaschigere Netz der Vorgaben vom
    höchsten deutschen Gericht wundern, wenn wir uns
    selbst nicht recht mäßigen können beim Gang nach
    Karlsruhe?


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Meine Damen und Herren, Demokratie lebt vom
    Wandel, nicht nur bei Wahlen, sondern auch bei der
    Verarbeitung gesellschaftlicher wie politischer Prozesse.
    Demokratie bedarf der stetigen Fortentwicklung. Not-
    wendig scheint mir deshalb auch eine Debatte über das
    Bund-Länder-Verhältnis. In den letzten 50 Jahren
    wurden die Länder als Gesetzgeber immer schwächer,
    während das Bundesorgan Bundesrat mehr und mehr
    Gewicht bekam. Der Bundesrat ist aber ein Organ der
    Landesexekutiven, nicht der gewählten Volksvertretun-
    gen. Oft genug hat sich der Bund – auch mit Zustim-
    mung der Landesregierungen – Zuständigkeiten auf
    Kosten der Länder gesichert, aber dem Bundesrat im
    Gegenzug die Zustimmungspflicht zugestanden. Diese
    Entwicklung sollten wir hier im Hause einmal kritisch
    bilanzieren.

    Denn Demokratie braucht Transparenz und Verant-
    wortlichkeit, die der Bürger auch zuordnen kann. Wenn
    der Abgeordnete den Wählerinnen und Wählern im
    Wahlkreis nicht mehr deutlich machen kann, wer für ein
    bestimmtes Gesetz, für eine bestimmte politische Ent-
    scheidung eigentlich die Verantwortung trägt, dann ver-
    liert die repräsentative Demokratie ihre Akzeptanz bei

    Volker Beck (Köln)







    (B)



    (A) (C)



    (D)


    den Bürgerinnen und Bürgern. Die Erneuerung der De-
    mokratie, die Notwendigkeit, Menschen immer wieder
    dafür zu begeistern, die Schaffung weiterer Beteili-
    gungsmöglichkeiten – all das nehmen wir als Aufgabe
    mit nach Berlin.

    In Bonn feiern wir 50 Jahre Demokratie. In den neuen
    Ländern hat das Grundgesetz erst vor neun Jahren Gel-
    tung erlangt. Den Menschen in Ostdeutschland wurde
    die Demokratie nicht geschenkt, sie haben sie sich er-
    kämpft. Ich bedauere es nach wie vor, daß so wenige
    Gedanken aus der Demokratiebewegung der DDR in die
    gesamtdeutsche Verfassung eingeflossen sind.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der PDS sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Wir haben eine Chance verpaßt: die Lebenserfahrung
    der Bürger im Osten für einen gemeinsamen Verfas-
    sungsdiskurs besser zu nutzen. Das ist vielleicht auch
    ein Grund dafür, daß – zumindest laut Meinungsumfra-
    gen – viele Menschen im Osten immer noch eine gewis-
    se Fremdheit gegenüber den Werten der Demokratie und
    Institutionen unseres Staates zeigen.

    Diese Fehler dürfen wir uns bei der notwendigen
    Diskussion um die Stärkung der Demokratie in der
    Europäischen Union nicht noch einmal erlauben.
    Schon die niedrige Wahlbeteiligung bei der Europawahl
    zeigt uns, daß wir uns sehr anstrengen müssen, die Bür-
    gerinnen und Bürger wieder für Europa und für die de-
    mokratische Auseinandersetzung zu gewinnen. Wir
    brauchen eine europäische Grundrechtscharta und eine
    Stärkung des Europäischen Parlaments. Bei diesen Dis-
    kussionen müssen wir die Bürgerinnen und Bürger breit
    beteiligen. Es geht darum, wie wir ein demokratisches
    Zusammenleben in Europa gestalten wollen. Deutsch-
    lands Zukunft liegt in Europa, Europas Zukunft liegt in
    mehr Demokratie.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)


    Meine Damen und Herren, zum Schluß ein Wort als
    Wahlrheinländer. Wir brechen jetzt unsere Zelte in
    Bonn ab. Mir als Kölner blutet das Herz.


    (Beifall der Abg. Kerstin Müller [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


    Mich erfüllt am heutigen Tage Wehmut. Denn Bonn
    war eine gute Wiege für die zweite deutsche Demokratie
    und ist einfach auch eine sympathische Stadt.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der F.D.P. und der PDS)


    Ich hoffe, wir nehmen etwas mit von der rheinischen
    Gelassenheit und Leichtigkeit in das preußische Berlin.
    Berlin ist eine neue Herausforderung an dieses Parla-
    ment und an uns Abgeordnete. Darauf bin ich trotz aller
    Wehmut auch sehr gespannt.

    Aber wenn wir demnächst häufig am Bahnhof Zoo
    aus dem Zug aussteigen werden, dann sollten wir doch

    gelegentlich an das zoologische Museum König in
    Bonn denken. Dort hat unsere zweite deutsche Demo-
    kratie ihren Ausgang genommen, dort hat 1949 der Par-
    lamentarische Rat zwischen ausgestopften Zebras und
    Giraffen unsere Verfassung entworfen. Trotz aller Poli-
    tikverdrossenheit: Auch nach 50 Jahren gibt es noch
    eine ganze Menge junger Leute, die unser Bonner
    Grundgesetz und unsere Demokratie einfach tierisch gut
    finden.

    Vielen Dank.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)




Rede von Dr. Rudolf Seiters
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und
Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich freue mich,
daß ich nunmehr auf der Tribüne des Deutschen Bun-
destages die ehemalige Präsidentin des Parlaments,
Annemarie Renger, herzlich begrüßen darf.


(Beifall im ganzen Hause)

Nachdem bereits der Bundestagsvizepräsident Ri-

chard Stücklen begrüßt wurde, darf ich nunmehr auch
den Bundestagspräsidenten Richard Stücklen hier auf
der Tribüne begrüßen.


(Beifall im ganzen Hause)

Das Wort hat nunmehr der Kollege Dr. Guido

Westerwelle für die F.D.P.-Fraktion.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Guido Westerwelle


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (F.D.P.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident!
    Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte
    mich als Bonner Abgeordneter bei Ihnen, beim Haus
    und beim Präsidium, sehr herzlich dafür bedanken, daß
    Sie uns mit diesem Tag, auch mit der Vereidigung des
    neuen Bundespräsidenten hier in Bonn, gewissermaßen
    ein Abschiedsgeschenk machen. Ich habe gelesen, daß
    das vom Regierenden Bürgermeister von Berlin sogleich
    ein wenig neidisch beäugt wurde. Wir Rheinländer
    sagen dazu: Man muß auch gönnen können. Deswegen
    mein ganz herzlicher Dank als Bonner an Sie, daß Sie
    uns diese Ehre geben.


    (Beifall bei der F.D.P. und der SPD)

    Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir Bonner

    waren in den letzten 50 Jahren sehr gerne Gastgeber für
    die Bundespolitik. Wir bleiben das auch weiterhin gerne.
    Was nämlich vergessen wird, ist: Wir sind auch in
    Zukunft Gastgeber für die Bundespolitik, wenn auch in
    einem kleineren Rahmen.

    Ich bin als Bonner sehr dankbar dafür, daß meine
    Heimatstadt für mehr als 50 Jahre das Gesicht des de-
    mokratischen Deutschlands mit prägen durfte. Wenn der
    Gastgeber ein gutes Verhältnis zu seinen Gästen hat,
    fällt natürlich auch der Abschied schwer.


    (Michael Glos [CDU/CSU]: Sehr wahr!)

    Deswegen gebe ich ganz offen zu, es schwingt viel

    persönliche Melancholie mit. Ich weiß auch von vielen,
    die hier ihre zweite Heimat gehabt haben, daß sie am

    Volker Beck (Köln)







    (A) (C)



    (B) (D)


    heutigen Tag durchaus melancholisch sind. Man sieht
    die Umzugskartons, fast an jeder Straße stehen Um-
    zugswagen, und man sieht viele leergeräumte Gebäude.
    Bei aller Freude, die mancher im Hinblick auf das neue
    Großstadtleben haben mag, werden Sie verstehen: Wir
    sind natürlich heute auch ein wenig melancholisch.


    (Beifall des Abg. Michael Glos [CDU/CSU])

    Deswegen sage ich ganz offen: Ich fand die Rede des

    Altbundeskanzlers Helmut Kohl nicht nur im Hinblick
    auf das, was er an Historischem gesagt hat, sehr bewe-
    gend, ich bin ihm auch dafür richtig dankbar, daß er die
    passenden Dankesworte an Bonn gefunden hat. Ich
    wünschte mir, auch der neue Bundeskanzler würde in
    dieser Debatte das Wort ergreifen.


    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Das gehört sich so.

    Man mag sich in dieser oder einer anderen Stadt
    wohler fühlen, aber ich glaube, es ist nicht so toll – das
    werden Sie mir nachsehen müssen –, daß an einem sol-
    chen Tag, bei einer solchen Debatte vom ganzen Kabi-
    nett nur ein Minister anwesend ist. Bei allem Respekt
    vor den Staatssekretären – es sind alles großartige Per-
    sönlichkeiten –: Die Bundesregierung hätte an diesem
    Tag wirklich stärker präsent sein können.


    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Das Umfeld, in dem Politik gemacht wird, bleibt nie
    ohne Einfluß auf die Entscheidungen der Politik. Die
    Bescheidenheit Bonns, das freiheitliche Klima unserer
    Universitätsstadt und eine gewisse Portion rheinischen
    Frohsinns haben auf die Bonner Politik im Positiven
    abgefärbt.

    Bonn hat sich weit über ein Provisorium hinaus ent-
    wickelt. Es hat der deutschen Politik meiner Einschät-
    zung nach stets gutgetan, daß in Bonn nicht Politik
    sozusagen aus dem Wartesaal betrieben wurde. Bonn hat
    in diesen fünf Jahrzehnten – 40 Jahre davon zu Zeiten
    der deutschen Teilung und nunmehr beinahe zehn Jahre
    seit dem Fall der Mauer – selbst ein Gewicht in dieser
    Republik bekommen.

    Wenn nun die Bezeichnung „Bonner Republik“
    verwendet wird, so ist dies für die Bonner nur sehr vor-
    dergründig schmeichelhaft; denn im Grunde genommen
    soll mit diesem Begriff eine Tradition abgelegt und die
    sogenannte Berliner Republik eingeläutet werden. Das
    ist sehr gefährlich. Das ist weit mehr als Sprache. Das ist
    Inhalt. Das ist Botschaft: gewissermaßen von der Wei-
    marer Republik kommend über die Bonner Republik in
    der Berliner Republik ankommend, als hätte Geschichte
    einen Endpunkt, als sei die Bonner Republik so unterge-
    gangen, wie die Weimarer Republik untergegangen ist.
    Als ein überzeugter Demokrat sage ich Ihnen: Ich hoffe,
    daß uns allen gemeinsam bewußt ist: Die Bonner Repu-
    blik – das unterscheidet sie von der Weimarer Republik
    – ist nicht untergegangen und gescheitert. Sie wird nicht
    abgelegt. Im Gegenteil, es wird darum gehen, das Beste
    dieser Bonner Zeit nach Berlin mitzunehmen.


    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Das Deutschland, das mit Bonn verbunden wird, ist
    das europäisch eingebundene, regional gegliederte und
    demokratische Deutschland. Das sind die Charakteristi-
    ka für die deutsche Politik in den letzten 50 Jahren ge-
    wesen, und das sollten sie auch in den nächsten 50 Jah-
    ren bleiben. Wer die Berliner Republik ausruft, stellt die
    Grundkoordinaten, die sich in Bonn bewährt haben, in
    Frage. Das ist ein Fehler.


    (Beifall bei der F.D.P. – Iris Gleicke [SPD]: Wer macht das denn?)


    – Das ist nicht nur an diejenigen adressiert, die das in
    der Politik tun. Sehr viele Intellektuelle tun dies, sehr
    viele Feuilletonisten schreiben so etwas. Ich möchte
    nicht, daß sich diese Gedankenwelt in unserem täglichen
    Sprachgebrauch ausdrückt.


    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Unsere Verfassung und unsere Republik bleiben die

    gleichen. Neue Fragen werden mit unserer Verfassung,
    dem bewährten Grundgesetz, beantwortet werden müs-
    sen. Das gilt für vieles gerade in Zeiten der Globalisie-
    rung.

    In Berlin ist alles größer, manchmal geradezu pom-
    pös. Die Sprache spricht Bände. Bonn war stets die
    Bundeshauptstadt. Berlin dagegen wird kurz Haupt-
    stadt genannt. Das ist mehr als Semantik. Es ist zugleich
    auch föderatives Selbstverständnis. Für mich ist Berlin
    immer noch die Bundeshauptstadt, meine sehr geehrten
    Damen und Herren.


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Bonn hat nie den Rest der Republik zur Provinz werden
    lassen. Auch Berlin darf nicht die anderen Teile
    Deutschlands zur Provinz werden lassen.


    (Beifall bei der F.D.P., der SPD, der CDU/ CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Dieses kleine Bonn ist nicht provinziell. Maßvoll ist
    nicht mäßig und erst recht nicht mittelmäßig. Im Ge-
    genteil, es ist eine Tugend.

    Ich habe in dieser Woche einen von mir sehr ge-
    schätzten Intellektuellen, einen Buchautoren, im Fernse-
    hen gehört, der den Umzug mit den Worten kommen-
    tierte, jetzt ziehe der Bundestag zum Volk. Waren wir in
    Bonn nicht beim Volk?


    (Dr. Elke Leonhard [SPD]: Nein!)

    Kann man so tun, als bestünde das deutsche Volk nur
    aus Großstädtern? Wer als Parlamentarier in Bonn das
    Volk nicht treffen wollte, der wird es auch in Berlin
    nicht finden.


    (Beifall bei der F.D.P., der SPD und der CDU/CSU sowie der Abg. Angela Marquardt [PDS])


    Die Fußläufigkeit des Regierungssitzes in Bonn ist
    oft belächelt und bespöttelt worden. Sie wird uns noch
    fehlen: nicht aus Bequemlichkeit, sondern weil die tat-
    sächliche Nähe auch konfliktreduzierend gewirkt hat.
    Man konnte sich in Bonn niemals lange aus dem Wege

    Dr. Guido Westerwelle






    (B)



    (A) (C)



    (D)


    gehen. Das zwang auch nach heftigem Streit zur rheini-
    schen Lösung von manchem Problem.


    (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. – HansChristian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich empfehle das Fahrrad!)


    Kurz gesagt: Ich hoffe, daß wir uns auch in Berlin die
    rheinischen Tugenden, den Pragmatismus und die aus-
    geprägte Toleranzkultur, bewahren werden und daß wir
    uns nicht nur in der „Ständigen Vertretung“ bei rheini-
    schen Köstlichkeiten treffen werden. Die deutsche Poli-
    tik muß auch in Berlin durch Bescheidenheit geziert
    werden. Klaus Bölling hat wunderbar dazu geschrieben:

    Bonn hat der Welt Vertrauen eingeflößt. In Bonn
    hatte die „Wir sind wieder wer“-Mentalität niemals
    eine Chance. Sie darf auch in Berlin keine bekom-
    men.

    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne ten der SPD)

    Wir Bonner werden unsere Zukunft meistern und un-

    sere Chancen nutzen. Die Bonner sind dem Bundestag
    für 50 gute Jahre dankbar. Auch der Bundestag zeigt
    heute seine Dankbarkeit, aber bitte nicht nur an diesem
    Tag. Am überzeugendsten kann dieser Dank nun durch
    die Sicherstellung von Planungssicherheit für die Bon-
    nerinnen und Bonner in Stadt und Umland gezeigt wer-
    den. Dieselbe Einmütigkeit, mit der wir in dieser De-
    batte Bonn danken, ist auch nach dem Umzug bei der
    Einhaltung der Bonn/Berlin-Vereinbarungen nötig.
    Wir hoffen nicht, daß der Bundestag nach dem Umzug
    gewissermaßen nach der Devise handelt: Aus den Au-
    gen, aus dem Sinn. Erinnern Sie sich an Bonn, auch in
    Berlin, und erinnern Sie sich in Berlin auch Ihrer Ver-
    antwortung gegenüber Bonn, meine sehr geehrten Da-
    men und Herren, Kolleginnen und Kollegen!


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Wenn uns in Berlin gelingt, was in Bonn gelang,
    bleibt Deutschland auf einem guten Weg. Bonn wird Sie
    vermissen, und ich bin sicher, Sie werden manches Mal
    noch Bonn vermissen.


    (Beifall bei der F.D.P., der SPD, der CDU/ CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)