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ID1405001200

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 14/50 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 50. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 1. Juli 1999 I n h a l t : Festlegung der Zahl und Zusammensetzung der zur Mitwirkung an den Sitzungen des Ausschusses für die Angelegenheiten der Eu- ropäischen Union berechtigten Mitglieder des Europäischen Parlaments ................................. 4321 A Erweiterung der Tagesordnung........................ 4321 B Begrüßung der Oberbürgermeisterin von Bonn, Frau Bärbel Dieckmann, sowie des Altbundes- präsidenten Richard von Weizsäcker, der ehemaligen Präsidenten des Deutschen Bun- destages Annemarie Renger und Richard Stücklen, der ehemaligen Vizepräsidenten des Deutschen Bundestages Helmuth Becker, Dieter-Julius Cronenberg, Lieselotte Funcke und Dr. Burkhard Hirsch, des früheren polni- schen Außenministers Professor Wladyslaw Bartuszewski, des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz Bischof Professor Dr. Karl Lehmann, des Metropoliten von Deutschland Augoustinos Labardakis, des früheren Frak- tions- und Parteivorsitzenden der SPD Dr. Hans-Jochen Vogel und des ehemaligen Ober- bürgermeisters von Bonn, Dr. Hans Daniels....... 4325 A, ........................................ 4344 C, 4348 D, 4349 D, 4352 D, Tagesordnungspunkt 14: e) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Überweisungsgesetzes (Drucksachen 14/745, 14/1067, 14/1301) .. 4321 D Zusatztagesordnungspunkt 4: a – h) Beschlußempfehlungen des Petitions- ausschusses Sammelübersichten 59, 60, 61, 62, 63, 64, 65, 66 zu Petitionen (Drucksachen 14/1320, 14/1321, 14/1322, 14/1323, 14/1324, 14/1325, 14/1326, 14/1327) ..................................................... 4322 A Zusatztagesordnungspunkt 5: Erste Beratung des vom Bundesrat einge- brachten Entwurfs eines Dreiunddreißig- sten Gesetzes zur Änderung des La- stenausgleichsgesetzes (Drucksache 14/866) .................................. 4322 C Tagesordnungspunkt 12: Vereinbarte Debatte „50 Jahre Demokratie – Dank an Bonn“ Wolfgang Thierse SPD.................................... 4322 D Dr. Helmut Kohl CDU/CSU............................ 4325 B Dr. Antje Vollmer BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN................................................................. 4332 A Dr. Wolfgang Gerhardt F.D.P.......................... 4334 C Dr. Christa Luft PDS ....................................... 4336 B Wolfgang Clement, Ministerpräsident (Nord- rhein-Westfalen) .............................................. 4337 C Michael Glos CDU/CSU ................................. 4340 A Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ........................................................ 4342 B Dr. Guido Westerwelle F.D.P. ........................ 4344 D Angela Marquardt PDS ................................... 4346 B Iris Gleicke SPD .............................................. 4347 B Wolfgang Gehrcke PDS .................................. 4349 A Hans-Ulrich Klose SPD................................... 4349 D Eberhard Diepgen, Regierender Bürgermeister (Berlin) ................................................................ 4352 D Nächste Sitzung ............................................... 4354 C Berichtigung .................................................... 4354 D II Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 50. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 1. Juli 1999 Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten............ 4355 A Anlage 2 Erklärung des Abgeordneten Hartmut Ko- schyk (CDU/CSU) zur namentlichen Ab- stimmung über den Änderungsantrag der Abgeordneten Wolfgang Schulhoff, Dirk Fischer (Hamburg) und weiterer Abgeor- dneter, Drucksache 14/1269, zu Abschnitt II der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Kultur und Medien (Drucksache 14/ 1238) zu den Anträgen zur Errichtung eines Mahn- mals oder Denkmals für die ermordeten Juden in Europa ......................................................... 4355 C Anlage 3 Erklärung des Abgeordneten Dr. Willfried Penner (SPD) zur namentlichen Schlußab- stimmung über Abschnitt II der Be- schlußempfehlung des Ausschusses für Kultur und Medien (Gestaltungsentwurf II), Druck- sache 14/1238 .................................................. 4355 D Anlage 4 Amtliche Mitteilungen..................................... 4355 D Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 50. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 1. Juli 1999 4321 (A) (C) (B) (D) 50. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 1. Juli 1999 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Berichtigung 49. Sitzung, Seite 4259 B, vorletzter Absatz: In der vor- letzten Zeile ist das Wort „Inflationsrate“ durch das Wort „Lohnsteigerung“ zu ersetzen. Regierender Bürgermeister Eberhard Diepgen (Berlin) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 50. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 1. Juli 1999 4355 (A) (C) (B) (D) Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich Altmann (Aurich), Gila BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 1.7.99 Bleser, Peter CDU/CSU 1.7.99 Dr. Bötsch, Wolfgang CDU/CSU 1.7.99 Friedhoff, Paul K. F.D.P. 1.7.99 Friedrich (Altenburg), Peter SPD 1.7.99 Gebhardt, Fred PDS 1.7.99 Gilges, Konrad SPD 1.7.99 Hartenbach, Alfred SPD 1.7.99 Hovermann, Eike SPD 1.7.99 Hübner, Carsten PDS 1.7.99 Ibrügger, Lothar SPD 1.7.99 Irmer, Ulrich F.D.P. 1.7.99 Klinkert, Ulrich CDU/CSU 1.7.99 Koschyk, Hartmut CDU/CSU 1.7.99 Lensing, Werner CDU/CSU 1.7.99 Ostrowski, Christine PDS 1.7.99 Reiche, Katherina CDU/CSU 1.7.99 Roos, Gudrun SPD 1.7.99 Rübenkönig, Gerhard SPD 1.7.99 Scheffler, Siegfried SPD 1.7.99 Schindler, Norbert CDU/CSU 1.7.99 Dr. Schmidt-Jortzig, Edzard F.D.P. 1.7.99 Schöler, Walter SPD 1.7.99 Schuhmann (Delitzsch), Richard SPD 1.7.99 Schulz (Everswinkel), Reinhard SPD 1.7.99 Schurer, Ewald SPD 1.7.99 Sothmann, Bärbel CDU/CSU 1.7.99 Steiger, Wolfgang CDU/CSU 1.7.99 Uldall, Gunnar CDU/CSU 1.7.99 Anlage 2 Erklärung des Abgeordneten Hartmut Koschyk (CDU/CSU) zur namentlichen Abstimmung über den Ände- rungsantrag der Abgeordneten Wolfgang Schulhoff, Dirk Fischer (Hamburg), und weite- rer Abgeordneter, Drucksache 14/1269, zu Ab- schnitt II der Beschlußempfehlung des Aus- schusses für Kultur und Medien (Drucksache 14/1238) zu den Anträgen zur Errichtung eines Mahn- mals oder Denkmals für die ermordeten Juden in Europa (48. Sitzung, Seite 4129 D ff) Ich habe an der namentlichen Abstimmung zum Än- derungsantrag auf Drucksache 14/1269 während der 48. Sitzung des Deutschen Bundestages am 25. Juni 1999 teilgenommen und mit Ja gestimmt, womit ich den Antrag auf Drucksache 14/1269, der sich für den soge- nannten Richard-Schröder-Entwurf für das geplante Holocaust-Mahnmal in Berlin ausgesprochen hat, unter- stützt habe. Anlage 3 Erklärung des Abgeordneten Dr. Willfried Penner (SPD) zur namentlichen Schlußabstimmung über Ab- schnitt II der Beschlußempfehlung des Aus- schusses für Kultur und Medien (Gestaltungs- entwurf II), Drucksache 14/1238 (48. Sitzung, Seite 4135 A) Im Protokoll des Deutschen Bundestages für o. a. Sit- zung ist für die letzte namentliche Abstimmung (Schlußabstimmung) mein Abstimmungsverhalten mit ungültig vermerkt. Hiermit erkläre ich, daß ich in der letzten namentli- chen Abstimmung (Schlußabstimmung über den Ge- staltungsentwurf II) mit Nein gestimmt habe. Anlage 4 Amtliche Mitteilungen Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu der nachstehenden Vorlage absieht: Innenausschuß – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung an den Deutschen Bun-destag gemäß § 5 Abs. 3 Bundesstatistikgesetz(BStatG) für die Jahre 1997 und 1998 – Drucksachen 14/732, 14/829 Nr. 3 – 4356 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 50. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 1. Juli 1999 (A) (C) (B) (D) Haushaltsausschuß – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 1997 Über- und außerplanmäßige Ausgaben im erstenVierteljahr des Haushaltsjahres 1997 – Drucksachen 13/8299, 14/272 Nr. 73 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 1997 Über- und außerplanmäßige Ausgaben im zweitenVierteljahr des Haushaltsjahres 1997 – Drucksachen 13/8408, 14/272 Nr. 74 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 1997 Über- und außerplanmäßige Ausgaben im drittenVierteljahr des Haushaltsjahres 1997 – Drucksachen 13/9264, 14/272 Nr. 75 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 1997 Über- und außerplanmäßige Ausgaben im viertenVierteljahr des Haushaltsjahres 1997 – Drucksachen 13/9984, 14/272 Nr. 76 – Amtliche Mitteilung ohne Verlesung Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EU- Vorlagen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Parlament zur Kenntnis genommen oder von einer Be- ratung abgesehen hat. Auswärtiger Ausschuß Drucksache 14/488 Nr. 2.47 Innenausschuß Drucksache 14/671 Nr. 2.1 Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Drucksache 14/488 Nr. 2.4Drucksache 14/488 Nr. 2.5Drucksache 14/488 Nr. 2.6Drucksache 14/488 Nr. 2.7Drucksache 14/488 Nr. 2.10Drucksache 14/488 Nr. 2.11Drucksache 14/488 Nr. 2.12Drucksache 14/488 Nr. 2.18Drucksache 14/488 Nr. 2.21 Drucksache 14/488 Nr. 2.23Drucksache 14/671 Nr. 2.6.Drucksache 14/671 Nr. 2.11Drucksache 14/671 Nr. 2.16Drucksache 14/671 Nr. 2.33Drucksache 14/839 Nr. 1.2Drucksache 14/839 Nr. 2.1Drucksache 14/839 Nr. 2.4Drucksache 14/839 Nr. 2.5Drucksache 14/839 Nr. 2.6Drucksache 14/839 Nr. 2.7Drucksache 14/839 Nr. 2.8Drucksache 14/839 Nr. 2.9Drucksache 14/1016 Nr. 2.3Drucksache 14/1016 Nr. 2.4Drucksache 14/1016 Nr. 2.6Drucksache 14/1016 Nr. 2.8Drucksache 14/1016 Nr. 2.13Drucksache 14/1016 Nr. 2.15Drucksache 14/1016 Nr. 2.17Drucksache 14/1016 Nr. 2.21Drucksache 14/1016 Nr. 2.22 Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Drucksache 14/272 Nr. 112Drucksache 14/309 Nr. 2.9Drucksache 14/309 Nr. 2.19Drucksache 14/309 Nr. 2.24Drucksache 14/342 Nr. 1.9Drucksache 14/342 Nr. 2.25Drucksache 14/342 Nr. 2.41Drucksache 14/488 Nr. 2.13 Ausschuß für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen Drucksache 14/272 Nr. 145Drucksache 14/272 Nr. 148Drucksache 14/309 Nr. 1.4Drucksache 14/488 Nr. 1.3Drucksache 14/488 Nr. 2.40Drucksache 14/488 Nr. 2.45Drucksache 14/671 Nr. 2.7Drucksache 14/671 Nr. 2.13 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 14/74 Nr. 1.20Drucksache 14/74 Nr. 2.97Drucksache 14/342 Nr. 2.42Drucksache 14/671 Nr. 1.4Drucksache 14/671 Nr. 2.17Drucksache 14/1016 Nr. 2.20 Ausschuß für Bildung, Forschung undTechnikfolgenabschätzung Drucksache 14/839 Nr. 2.10Drucksache 14/839 Nr. 2.13Drucksache 14/839 Nr. 2.16Drucksache 14/1016 Nr. 2.14 Druck: Bonner Universitäts-Buchdruckerei, 53113 Bonn 53003 Bonn, Telefon: 02 28/3 82 08 40, Telefax: 02 28/3 82 08 44 20
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Michael Glos


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine
    sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte zuvor-
    derst dem Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl, dem wir es
    verdanken, daß Berlin wieder deutsche Hauptstadt und
    Sitz des Parlamentes sein kann, für eine große Rede
    danken.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wir nehmen heute Abschied von Bonn und ziehen in

    den Reichstag nach Berlin. Bonn und Berlin sind Sym-
    bole der jüngeren deutschen Geschichte. Bonn steht für
    den demokratischen Wiederaufbau und für die Rückkehr
    der Deutschen in die Wertegemeinschaft des Westens.
    Berlin, sowohl West-Berlin als auch der Ostteil, stehen
    für den ungebrochenen Willen der Deutschen zur Ein-
    heit in Frieden und Freiheit.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Fünf Jahrzehnte Politik aus Bonn waren alles in
    allem 50 gute Jahre für unser Vaterland. Mit dem Na-
    men Bonn verbindet sich der längste von Frieden und
    Freiheit geprägte Zeitabschnitt in der jüngeren deut-
    schen Geschichte. Bismarcks Reich war lediglich ein
    Lebensalter von 43 Jahren beschieden. Die Weimarer
    Republik brachte es auf 14 Jahre. Das Tausendjährige
    Reich ist nach 12 Jahren in Schutt und Asche gefallen.
    Die mit dem Namen Bonn verknüpfte Bundesrepublik
    Deutschland konnte dagegen ihren 50. Geburtstag in
    Frieden, Freiheit, Wohlstand und in sozialer Sicherheit
    feiern.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Unsere Aufgabe ist, diese Werte auch nach dem Umzug
    vom Rhein an die Spree für die Zukunft sicherzustellen.

    Es hat der Bundesrepublik Deutschland gutgetan, daß
    in ihren Anfängen politische Entscheidungen nicht in
    der unruhigen Atmosphäre einer Metropole gereift sind,
    sondern in dieser schönen Stadt am Rhein. Bescheiden-
    heit, Offenheit, Toleranz und rheinische Liberalität
    zeichnen Bonn bis zum heutigen Tag aus. Ich bin sicher,
    dies wird auch so sein, wenn der Bundestag und die
    Regierung hier weggezogen sind.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Für die langjährige Gastfreundschaft sind wir der

    Stadt Bonn sowie allen Bonnerinnen und Bonnern dau-
    erhaft zu Dank verpflichtet. Deswegen sage ich im Ge-
    gensatz zu anderen: Ich weine der Stadt Bonn schon
    Tränen nach. Mir tut es schon auch leid, daß wir nach
    Berlin umziehen müssen. Aber wenn der liebe Gott ge-
    wollt hätte, daß wir nach hinten schauen, hätte er uns
    hinten Augen wachsen lassen. Ich sehe genauso zuver-
    sichtlich nach vorne, nach Berlin.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die Bayern und hier insbesondere die CSU haben

    sich in Bonn immer wohl gefühlt. Das mag sicher auch
    von historischen Bezugspunkten herrühren, die Bayern
    und das Rheinland miteinander verbinden. In Bonn ha-
    ben die Bayern schon immer eine besondere Rolle ge-
    spielt. Als einst ein Kurfürst in Köln vom katholischen
    ins protestantische Lager gewechselt ist, nahmen ihm
    die Wittelsbacher dies übel


    (Dr. Guido Westerwelle [F.D.P.]: Daran wollen wir aber nicht erinnert werden!)


    und zum Anlaß, die Godesburg zu stürmen und zurück-
    zuerobern, Herr Westerwelle. Das sollten Sie wissen.

    Aber ich möchte Sie an etwas anderes erinnern, näm-
    lich daran, daß man im Rheinland in Erinnerung an die-
    se Herrschaft lange gesagt hat: „Bei Kurfürst Clemens
    August trug man blau und weiß und lebte wie im Para-
    deis.“


    (Heiterkeit bei der F.D.P.)

    Ich will mir jetzt ersparen, alle bayerischen Bezie-

    hungen zu Berlin aufzuzählen. Jedoch auch an der Spree
    waren die Bayern. Es war ja Kaiser Ludwig der Bayer,
    der über die Mark Brandenburg geherrscht hat. Das ging
    allerdings nicht allzu lange gut.


    (Heiterkeit bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Das neue Herrschergeschlecht in der Mark Brandenburg
    waren dann später die Nürnberger Burggrafen aus dem
    Hause Hohenzollern. Inzwischen sind die Bayern so
    liberal, daß sie die Franken voll dazurechnen. Bayern
    hat dadurch den Vorteil, Brandenburg über uns Franken
    reklamieren zu können. Insofern ziehen wir wieder auf
    vertrautes Gelände.

    Die CSU-Landesgruppe hat stets versucht, für die
    Politik in Deutschland eine konstruktive Rolle zu spie-
    len.


    (Eduard Oswald [CDU/CSU]: Das ist gelungen! – Zuruf von der SPD: Sie hat es versucht!)


    Ministerpräsident Wolfgang Clement (Nordrhein-Westfalen)







    (A) (C)



    (B) (D)


    Wir haben unsere Möglichkeiten in Bayern für bürgerli-
    che Mehrheiten voll ausgeschöpft. Wenn wir dies nicht
    getan hätten, wären manche Regierungen, die zum Se-
    gen unseres Landes gewirkt haben, nicht möglich gewe-
    sen.

    Historisch richtig war auch – wir werden dies in Zu-
    kunft fortsetzen –, mit der CDU eine Fraktionsgemein-
    schaft zu gründen, um die getrennt gewonnenen Kräfte
    gemeinsam in die deutsche Politik einzubringen.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Daß die CSU sehr zum Gelingen der deutschen Politik
    beigetragen hat, war von Anfang an Fakt; inzwischen ist
    das historisch unbestritten. Franz Josef Strauß und die
    CSU haben bei den Rhöndorfer Gesprächen die Voraus-
    setzung für die kleine Koalition und damit für die Ein-
    führung der sozialen Marktwirtschaft durch den fränki-
    schen Bayern Ludwig Erhard geschaffen. Gleiches gilt
    für die Westbindung Deutschlands sowie den Beitritt zur
    nordatlantischen Allianz und zur Europäischen Gemein-
    schaft.

    Franz Josef Strauß und Fritz Schäffer haben die Jahre
    des Wiederaufbaus an entscheidender Stelle politisch
    mitgestaltet. Später konnten politische Persönlichkeiten,
    wie Richard Jaeger, Hermann Höcherl, Richard Stück-
    len, Werner Dollinger, Fritz Zimmermann, Theo Waigel
    und Wolfgang Bötsch, um nur ein paar Namen zu nen-
    nen, dieses Werk fortsetzen. Alle haben sie in der politi-
    schen Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland die
    unverkennbare wie auch unverwechselbare Handschrift
    der bayerischen CSU hinterlassen.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Diese Handschrift ist ebenfalls im Stadtbild Bonns hin-
    terlassen worden. Auch im Stadtbild Berlin ist sie schon
    zu sehen.

    Ich möchte an dieser Stelle unseren Freund Oscar
    Schneider erwähnen, der sein Engagement im Bereich
    der Kunst, letztendlich auch durch die Mitgestaltung der
    Kunsthalle in Bonn, sehr stark manifestiert hat. Herr
    Bundeskanzler Kohl hat ihn immer zu Rate gezogen.
    Angesichts dessen, daß wir nach Berlin ziehen und sich
    auf dem Reichstag eine Kuppel befindet, auf die der Ar-
    chitekt, der sie eigentlich verhindern wollte, ganz be-
    sonders stolz ist, muß man auch noch einmal den Namen
    Oscar Schneider


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der F.D.P.)


    und den Kampf der CSU-Landesgruppe innerhalb und
    außerhalb der CDU/CSU-Bundestagsfraktion erwähnen,
    durch den der Bau dieser Kuppel letztendlich ermöglicht
    worden ist. Insofern haben wir nicht nur politische, son-
    dern auch optische Spuren hinterlassen, und tun dies
    auch in Zukunft.

    Bonn war nie ein Name für einen zentralistischen
    Machtanspruch. Herr Bundeskanzler Kohl hat dies vor-
    hin schon erwähnt. Bonn wurde zur Wiege des Födera-
    lismus. Dieser Föderalismus hat ganz entscheidend zum
    Aufstieg unseres Landes und zum Aufstieg der Demo-
    kratie in Deutschland beigetragen. Deswegen müssen

    wir dieses Modell mit nach Europa nehmen und ein
    föderalistisches Europa schaffen.

    Unser Respekt, unsere Sympathie und unsere Zunei-
    gung für das, was hier in Bonn in Jahrzehnten geschaf-
    fen worden ist, was wir in Jahrzehnten erfahren haben,
    werden erhalten bleiben. Hierfür möchte ich den Bon-
    nern im Namen aller Bayern ein herzliches „Vergelt's
    Gott“ zurufen.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der F.D.P.)


    Ich möchte an dieser Stelle auch einmal ganz herzlich
    allen dienstbaren Geistern danken, all denen, die bei uns
    gearbeitet, die uns in unserer Arbeit unterstützt haben,


    (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der F.D.P. und der PDS)


    und zwar – stellvertretend für viele andere – den Mitar-
    beiterinnen und Mitarbeitern der Fraktionen und der
    Abgeordneten, den Pförtnern, den Fahrern und den
    Boten. Sie alle haben eine großartige Arbeit geleistet.

    Zur Bonner Demokratie gehört das Bekenntnis zu
    Europa. An unserer Verpflichtung zur Fortsetzung des
    europäischen Einigungsprozesses darf sich auch nach
    dem Umzug, nach einer weiteren räumlichen Entfernung
    von Brüssel nichts ändern.

    Ich möchte an dieser Stelle insbesondere die großar-
    tige Leistung von Theo Waigel erwähnen, der als einer
    der Väter des Euro dafür gesorgt hat, daß in Europa
    nicht zu verändernde Tatsachen geschaffen worden sind,
    die dieses Europa festigen und zusammenschweißen.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der F.D.P.)


    Der Föderalismus steht für eine Dezentralisierung
    politischer Entscheidungsprozesse, für eine breite Ver-
    teilung der Macht und für eine bürgerliche und vor allen
    Dingen bürgernahe Politik. Deshalb wäre es kontrapro-
    duktiv, würde man in Deutschland einen Schritt zurück
    in Richtung Zentralstaat machen. Wir werden auch in
    Berlin dafür kämpfen, daß dies in Zukunft nicht gesche-
    hen wird.

    Bonn ist eine sehr liebenswerte Stadt, in der ich
    23 Jahre lang ausgesprochen gerne meine Arbeit als Ab-
    geordneter meines unterfränkischen Wahlkreises getan
    habe. – Wir Unterfranken sind sowieso ein Stück weit
    Brücke zwischen Bayern und dem übrigen Deutsch-
    land. – Der Rhein und der Petersberg, das Beethoven-
    Haus und – nicht zu vergessen – die Bayerische Vertre-
    tung mit ihrem legendären Bierkeller, der rheinische
    Frohsinn und die Liberalität der Menschen sind mir sehr
    ans Herz gewachsen.

    Aus dem Provisorium Bonn ist in diesen 50 Jahren
    ein Symbol demokratischer Tradition entstanden, das
    weltweit Anerkennung und Bewunderung hervorgerufen
    hat. Bonn steht für das, was unsere Nachbarn und Part-
    ner heute an Positivem mit der Bundesrepublik
    Deutschland verbinden: historische Verantwortung, mo-
    ralische Rückbesinnung auf christliche Grundsätze,

    Michael Glos






    (B)



    (A) (C)



    (D)


    Fleiß und Leistungsbereitschaft, Eigenverantwortung
    und Solidarität der Menschen, vor allen Dingen das un-
    verbrüchliche Bekenntnis zu parlamentarischer Demo-
    kratie, freiheitlichem Rechtsstaat und sozialer Markt-
    wirtschaft sowie die Garantie für internationale Verläß-
    lichkeit und Bündnistreue.

    Auch wenn wir heute vor neuen Aufgaben und Her-
    ausforderungen stehen und wenn wir heute neue Ant-
    worten und Perspektiven aufzeigen müssen: Es darf
    keine Berliner Republik geben – genausowenig wie es
    eine Bonner Republik gegeben hat. Unser Land muß die
    Bundesrepublik Deutschland bleiben, wie wir sie gebaut
    haben und auch für die Zukunft bewahren wollen.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der F.D.P.)


    Mit bewundernswerter Gelassenheit haben die Men-
    schen in dieser Region den sehr knappen Mehrheitsbe-
    schluß des Deutschen Bundestages vom 20. Juni 1991
    respektiert. Es ist bereits gesagt worden: Bonn braucht
    Verläßlichkeit. Das sind wir dieser Stadt und diesen
    Menschen schuldig. Ein herzliches Wort des Dankes für
    50 Jahre gute Gastfreundschaft!


    (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der F.D.P. sowie des Abg. Dr. Gregor Gysi [PDS])




Rede von Dr. Rudolf Seiters
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Ich gebe dem Kol-
legen Volker Beck, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Volker Beck


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben in
    Bonn 50 Jahre lang unter dem Grundgesetz eine stabile
    Demokratie erlebt. Den Verfassungsvätern und -müttern
    ist 1949 ein großer Wurf gelungen. Sie haben den Rah-
    men gesteckt, in dem sich in fünf Jahrzehnten ein wirk-
    lich freiheitliches demokratisches Gemeinwesen ent-
    wickelt hat.

    Zu unserem Glück gezwungen haben uns damals die
    Alliierten. Auch ihnen sei hier und heute ausdrücklich
    gedankt.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ CSU und der F.D.P.)


    Auf ihre Veranlassung trat der Parlamentarische Rat
    zusammen, kam es zu einer liberalen und demokrati-
    schen Verfassung. Die Alliierten haben sozusagen für
    die Implementierung der Demokratie gesorgt, und das
    mit großem Erfolg. Es ist geradezu ein Gütesiegel für
    unsere Demokratie, daß es seit 1949 keine rechtsextreme
    Partei mehr geschafft hat, in den Bundestag gewählt zu
    werden. Bei den Bundestagswahlen haben die Bürger
    und Bürgerinnen den Ideologen der Ungleichheit, der
    Demokratiefeindlichkeit und des offenen Rassismus re-
    gelmäßig eine Abfuhr erteilt – etwas, worauf wir stolz
    sein können.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Das Grundgesetz als Fundament unserer Demokratie
    ist das klare und radikale Kontrastprogramm zum Na-

    tionalsozialismus: Unantastbarkeit der Menschenwürde
    – nicht der Deutschenwürde –, freie Entfaltung der Per-
    sönlichkeit, Gleichheit vor dem Gesetz, Glaubens-, Ge-
    wissens- und Meinungsfreiheit, Schutz von Ehe und
    Familie vor staatlichen Eingriffen. Nach den zwölf Jah-
    ren des NS-Regimes waren dies damals wahrlich revo-
    lutionäre Grundsätze.

    Doch seien wir ehrlich zu uns: Mit der Verkündung
    des Grundgesetzes waren seine Verheißungen keines-
    wegs automatisch durchgesetzt. Auch heute sind sie
    noch längst nicht vollständig erfüllt. Bei vielen Frei-
    heitsrechten und demokratischen Beteiligungsmöglich-
    keiten haben es die Menschen erst nach und nach ge-
    wagt, sich diese überhaupt anzueignen. Man kann fast
    sagen: 1949 war der Schuh für die gesellschaftliche
    Wirklichkeit noch viel zu groß geschustert. Aber im
    Laufe der Jahre sind die Deutschen langsam in das
    Grundgesetz hineingewachsen.

    Die äußeren Formen der Demokratie haben sich 1949
    schnell etabliert, nach innen aber herrschten weiterhin
    autoritäre Handlungsmuster vor. Die Politik hat das per-
    sönliche Leben der Menschen in einer Weise reglemen-
    tiert, wie man es sich heute kaum noch vorstellen kann:
    Vordemokratische Auffassungen von richtigen Lebens-
    weisen, Sitte und Moral haben zwei Jahrzehnte lang die
    Freiheitsversprechen des Grundgesetzes für viele Bürger
    und Bürgerinnen praktisch außer Kraft gesetzt. Denken
    Sie nur daran, daß laut BGB der Mann das Letztent-
    scheidungsrecht in allen Familienfragen hatte, selbst
    über das Vermögen der Frau! Denken Sie nur an das
    Sittenstrafrecht vor 1969: Die sogenannte Kuppelei und
    der Ehebruch wurden strafrechtlich verfolgt. Die nichte-
    heliche Lebensgemeinschaft galt als Konkubinat.
    Homosexuelle hat das Grundgesetz 20 Jahre lang nicht
    vor menschenrechtswidriger staatlicher Strafverfolgung
    bewahrt.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)


    Meine Damen und Herren, es ist ein großer Schön-
    heitsfleck auf unserer Demokratie, daß solche staat-
    lichen Eingriffe in das Privatleben damals möglich wa-
    ren, gebilligt vom Gesetzgeber, teilweise sogar mit dem
    ausdrücklichen Segen des Bundesverfassungsgerichts
    versehen. Es ist ein großer Erfolg unserer Demokratie,
    daß eine solche Politik heute einfach nicht mehr denkbar
    ist. Die Menschen würden es sich schlichtweg nicht ge-
    fallen lassen; die ehemals so obrigkeitstreuen Deutschen
    haben nämlich den Genuß der Freiheit zu schätzen ge-
    lernt.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der F.D.P.)


    Zu dieser Zivilisierung, zur wachsenden Gelassenheit
    in Fragen der Sitte und Moral hat sicher auch die Kul-
    turgeographie beigetragen, die Lage des Dauerproviso-
    riums Bonn. Nehmen wir nur die rheinischen Lebens-
    weisen „Lewe ond lewe losse“ und „Jeder Jeck ist an-
    ders“. Auch das hat, glaube ich, seine Auswirkungen auf
    die Politik gehabt.

    Michael Glos






    (A) (C)



    (B) (D)


    Gustav Heinemann hat es einmal so ausgedrückt, daß
    die Demokratie an ihrem Umgang mit ihren Minderhei-
    ten gemessen werden müsse. Gleichheit vor dem Gesetz,
    Diskriminierungs- und Willkürverbot – all das ist in
    Art. 3 des Grundgesetzes geregelt. Dieser Art. 3 gehört
    wahrlich zu den Preziosen unserer Verfassung. Deshalb
    will ich bei diesem Kernstück der Demokratie kurz ver-
    weilen.

    Meine Damen und Herren, die Menschen sind nicht
    gleich; sie sind sehr verschieden. Sie haben ganz unter-
    schiedliche Eigenschaften, unterschiedliche Weltan-
    schauungen, Lebensentwürfe und Vorstellungen von
    ihrem ganz persönlichen Glück. Gerade deshalb ist es so
    wichtig, daß unsere Verfassung die Gleichheit vor dem
    Gesetz als Norm gesetzt hat. Das ist von entscheidender
    Bedeutung für ein friedliches Zusammenleben. Wir er-
    leben es auch heute noch: Jedes Merkmal, das den einen
    vom anderen unterscheidet, kann zu Anfeindung und
    Ausgrenzung führen. Wie kaum ein anderer ist dieser
    Art. 3 als Antwort auf die Verbrechen der Nazis formu-
    liert worden. Er ist gleichsam ein verfassungsrechtliches
    „Nie wieder!“.

    Unsere Verfassung leitet von der Verschiedenheit der
    Menschen Gleichheit in den Rechten ab, und nicht Un-
    terschiedlichkeit. Diese Gleichheit ist das Gegenteil von
    Gleichmacherei; sie ist Ausdruck des Respektes vor der
    Würde jedes einzelnen Menschen. Der Verfassungsauf-
    trag, die Gleichheit vor dem Gesetz auch in Rechtswirk-
    lichkeit umzusetzen, gilt auch heute unvermindert fort.
    Um diesem Auftrag gerecht zu werden, haben wir uns
    für diese Wahlperiode noch einiges vorgenommen: ein
    Gleichstellungsgesetz für Frauen, ein Antidiskriminie-
    rungsgesetz, die eingetragene Partnerschaft.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Unsere Demokratie funktioniert nach dem Mehrheits-
    prinzip. Gerade deshalb ist der Schutz von Minderheiten
    ein bleibender Auftrag für den Gesetzgeber.

    Meine Damen und Herren, nochmals ein Blick zu-
    rück. Der kalte Krieg hat lange Zeit auch innenpolitisch
    Vereisungen bewirkt. Der Kabarettist Georg Kreisler hat
    das in den 50er Jahren so auf den Punkt gebracht:

    In der Bundeshauptstadt Bonn am Rhein fürchtet
    sich der Kommunist. Sollte man etwas weiter öst-
    lich sein, fürchtet sich, wer keiner ist.

    Leider hatte die Bundesrepublik nicht immer die Größe,
    der Diktatur in der DDR durch ein klares Bekenntnis zu
    immer mehr Demokratie den Spiegel vorzuhalten. Man
    griff beim Kampf der Systeme leider auch gelegentlich
    zu so untauglichen Mitteln wie Parteienverboten und
    Gesinnungsschnüffelei. Oder denken Sie an die Grund-
    rechtseinschränkungen durch die sogenannten Not-
    standsgesetze. Die Notstandsgesetze haben in den 60er
    Jahren die Gesellschaft heftig und tief gespalten – und
    zwar ohne jede Not.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Horst Kubatschka [SPD])


    Ich erinnere auch an den unseligen sogenannten Radi-
    kalenerlaß. In den 70er Jahren diente die Formel von der

    freiheitlich-demokratischen Grundordnung als Kampf-
    begriff zur Ausgrenzung mißliebiger Kritiker. Anstatt
    Menschen für die Demokratie zu begeistern, haben die
    Adjektive „freiheitlich“ und „demokratisch“ bei vielen
    jungen Leuten seinerzeit Angst und Schrecken erzeugt.
    Das war ein Lehrbeispiel, wie man es nicht machen darf.
    Man hat damit große Teile der kritischen Jugend für
    lange Jahre eben dieser freiheitlich-demokratischen
    Grundordnung von Grund auf entfremdet. Verfassungs-
    treue kann man nicht mit dem Holzhammer erreichen,
    sondern nur durch Diskussion und Überzeugungskraft.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der PDS)


    Nun, unsere Demokratie hat auch diese Fehlent-
    wicklungen überlebt und schließlich überwunden, eben-
    so wie die „Spiegel“-Affäre, die Flick-Affäre und vieles
    mehr.

    Ein wichtiger Garant unserer Freiheitsrechte und
    Wächter der Demokratie war und ist das Bundesverfas-
    sungsgericht. In vielen Fällen schützte es den Bürger
    vor Übergriffen des Gesetzgebers auf die Freiheitsrech-
    te. Es wahrte ebenso die Rechte des Parlaments gegen-
    über der Exekutive und der parlamentarischen Minder-
    heit gegenüber der Mehrheit.

    Dennoch verdient auch das Verhältnis von Politik
    und Rechtsprechung eine kritische Betrachtung. Wir
    müssen uns als Abgeordnete fragen: Soll bei jedem
    Streitfall, bei dem man im Parlament unterlegen ist, das
    Verfassungsgericht angerufen werden? Dürfen wir uns
    über das immer feinmaschigere Netz der Vorgaben vom
    höchsten deutschen Gericht wundern, wenn wir uns
    selbst nicht recht mäßigen können beim Gang nach
    Karlsruhe?


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Meine Damen und Herren, Demokratie lebt vom
    Wandel, nicht nur bei Wahlen, sondern auch bei der
    Verarbeitung gesellschaftlicher wie politischer Prozesse.
    Demokratie bedarf der stetigen Fortentwicklung. Not-
    wendig scheint mir deshalb auch eine Debatte über das
    Bund-Länder-Verhältnis. In den letzten 50 Jahren
    wurden die Länder als Gesetzgeber immer schwächer,
    während das Bundesorgan Bundesrat mehr und mehr
    Gewicht bekam. Der Bundesrat ist aber ein Organ der
    Landesexekutiven, nicht der gewählten Volksvertretun-
    gen. Oft genug hat sich der Bund – auch mit Zustim-
    mung der Landesregierungen – Zuständigkeiten auf
    Kosten der Länder gesichert, aber dem Bundesrat im
    Gegenzug die Zustimmungspflicht zugestanden. Diese
    Entwicklung sollten wir hier im Hause einmal kritisch
    bilanzieren.

    Denn Demokratie braucht Transparenz und Verant-
    wortlichkeit, die der Bürger auch zuordnen kann. Wenn
    der Abgeordnete den Wählerinnen und Wählern im
    Wahlkreis nicht mehr deutlich machen kann, wer für ein
    bestimmtes Gesetz, für eine bestimmte politische Ent-
    scheidung eigentlich die Verantwortung trägt, dann ver-
    liert die repräsentative Demokratie ihre Akzeptanz bei

    Volker Beck (Köln)







    (B)



    (A) (C)



    (D)


    den Bürgerinnen und Bürgern. Die Erneuerung der De-
    mokratie, die Notwendigkeit, Menschen immer wieder
    dafür zu begeistern, die Schaffung weiterer Beteili-
    gungsmöglichkeiten – all das nehmen wir als Aufgabe
    mit nach Berlin.

    In Bonn feiern wir 50 Jahre Demokratie. In den neuen
    Ländern hat das Grundgesetz erst vor neun Jahren Gel-
    tung erlangt. Den Menschen in Ostdeutschland wurde
    die Demokratie nicht geschenkt, sie haben sie sich er-
    kämpft. Ich bedauere es nach wie vor, daß so wenige
    Gedanken aus der Demokratiebewegung der DDR in die
    gesamtdeutsche Verfassung eingeflossen sind.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der PDS sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Wir haben eine Chance verpaßt: die Lebenserfahrung
    der Bürger im Osten für einen gemeinsamen Verfas-
    sungsdiskurs besser zu nutzen. Das ist vielleicht auch
    ein Grund dafür, daß – zumindest laut Meinungsumfra-
    gen – viele Menschen im Osten immer noch eine gewis-
    se Fremdheit gegenüber den Werten der Demokratie und
    Institutionen unseres Staates zeigen.

    Diese Fehler dürfen wir uns bei der notwendigen
    Diskussion um die Stärkung der Demokratie in der
    Europäischen Union nicht noch einmal erlauben.
    Schon die niedrige Wahlbeteiligung bei der Europawahl
    zeigt uns, daß wir uns sehr anstrengen müssen, die Bür-
    gerinnen und Bürger wieder für Europa und für die de-
    mokratische Auseinandersetzung zu gewinnen. Wir
    brauchen eine europäische Grundrechtscharta und eine
    Stärkung des Europäischen Parlaments. Bei diesen Dis-
    kussionen müssen wir die Bürgerinnen und Bürger breit
    beteiligen. Es geht darum, wie wir ein demokratisches
    Zusammenleben in Europa gestalten wollen. Deutsch-
    lands Zukunft liegt in Europa, Europas Zukunft liegt in
    mehr Demokratie.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)


    Meine Damen und Herren, zum Schluß ein Wort als
    Wahlrheinländer. Wir brechen jetzt unsere Zelte in
    Bonn ab. Mir als Kölner blutet das Herz.


    (Beifall der Abg. Kerstin Müller [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


    Mich erfüllt am heutigen Tage Wehmut. Denn Bonn
    war eine gute Wiege für die zweite deutsche Demokratie
    und ist einfach auch eine sympathische Stadt.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der F.D.P. und der PDS)


    Ich hoffe, wir nehmen etwas mit von der rheinischen
    Gelassenheit und Leichtigkeit in das preußische Berlin.
    Berlin ist eine neue Herausforderung an dieses Parla-
    ment und an uns Abgeordnete. Darauf bin ich trotz aller
    Wehmut auch sehr gespannt.

    Aber wenn wir demnächst häufig am Bahnhof Zoo
    aus dem Zug aussteigen werden, dann sollten wir doch

    gelegentlich an das zoologische Museum König in
    Bonn denken. Dort hat unsere zweite deutsche Demo-
    kratie ihren Ausgang genommen, dort hat 1949 der Par-
    lamentarische Rat zwischen ausgestopften Zebras und
    Giraffen unsere Verfassung entworfen. Trotz aller Poli-
    tikverdrossenheit: Auch nach 50 Jahren gibt es noch
    eine ganze Menge junger Leute, die unser Bonner
    Grundgesetz und unsere Demokratie einfach tierisch gut
    finden.

    Vielen Dank.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)