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    Plenarprotokoll 14/47 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 47. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 24. Juni 1999 I n h a l t : Wahl des Abgeordneten Gerhard Rüben- könig zum Schriftführer .................................. 3907 A Erweiterung der Tagesordnung........................ 3907 A Absetzung des Punktes 10 b von der Tages- ordnung............................................................ 3907 B Änderung einer Ausschußüberweisung ........... 3907 C Tagesordnungspunkt 3: Abgabe einer Erklärung der Bundesre- gierung Deutschland erneuern – Zukunftspro- gramm 2000 .............................................. 3907 D Hans Eichel, Bundesminister BMF.................. 3907 D Friedrich Merz CDU/CSU ............................... 3914 B Oswald Metzger BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN................................................................. 3919 D Friedrich Merz CDU/CSU ............................... 3920 B Joachim Poß SPD ............................................ 3920 C Dr. Günter Rexrodt F.D.P. .............................. 3923 A Oswald Metzger BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN................................................................. 3925 C Dr. Christa Luft PDS................................... 3926 D Dr. Barbara Höll PDS.................................. 3928 A Dr. Uwe-Jens Rössel PDS........................... 3928 B Dr. Gregor Gysi PDS....................................... 3930 D Walter Riester, Bundesminister BMA ............. 3933 D Dr. Hermann Kues CDU/CSU .................... 3936 B Walter Riester, Bundesminister BMA ............. 3936 B Dr. Hermann Kues CDU/CSU .................... 3937 A Dr. Ilja Seifert PDS ..................................... 3937 B Birgit Schnieber-Jastram CDU/CSU ............... 3937 D Walter Riester, Bundesminister BMA............. 3938 D Dr. Bernhard Vogel, Ministerpräsident (Thü- ringen).............................................................. 3938 D Christine Scheel BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN................................................................. 3942 C Dr. Kurt Faltlhauser, Staatsminister (Bayern) . 3942 D Ulrike Höfken BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN ............................................................ 3945 A Rolf Schwanitz, Staatsminister BK ................. 3946 A Manfred Grund CDU/CSU.............................. 3947 A Dr. Klaus Grehn PDS ...................................... 3947 C Rolf Schwanitz, Staatsminister BK ................. 3947 D Carl-Ludwig Thiele F.D.P. ............................. 3948 A Hans Georg Wagner SPD ................................ 3948 B Nicolette Kressl SPD ....................................... 3950 D Tagesordnungspunkt 18: Überweisungen im vereinfachten Verfahren a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Europa-Mittelmeer-Abkom- men vom 24. November 1997 zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und dem Haschemitischen Königreich Jor- danien andererseits (Drucksache 14/ 1006) .......................................................... 3951 D b) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Vertrag vom 21. Dezember II Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 47. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Juni 1999 1995 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Armeni- en über die Förderung und den gegen- seitigen Schutz von Kapitalanlagen (Drucksache 14/1008) ................................ 3952 A c) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Verleihung der Rechts- und Ge- schäftsfähigkeit an die Internationale Kommission zum Schutze des Rheins (Drucksache 14/1017) ................................ 3952 A d) Erste Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu den Änderungen vom 24. April 1998 des Übereinkommens vom 3. September 1976 über die In- ternationale Organisation für mobile Satellitenkommunikation (Inmarsat- Übereinkommen) (Drucksache 14/1089) . 3952 B e) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Abkommen vom 5. Novem- ber 1998 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Arabischen Republik Ägypten über ihre gegenseitigen See- schiffahrtsbeziehungen (Drucksache 14/1090) ..................................................... 3952 B f) Erste Beratung des vom Bundesrat ein- gebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung des Rechtspflege-An- passungsgesetzes (Drucksache 14/1124) .. 3952 B g) Erste Beratung des von den Abgeordneten Gerhard Jüttemann, Angela Marquardt, weiteren Abgeordneten und der Fraktion PDS eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Änderung des Postgesetzes (Drucksache 14/1108) ................................ 3952 C h) Antrag der Abgeordneten Petra Bläss, Ulla Jelpke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion PDS Anerkennung geschlechtsspezifischer Fluchtursachen als Asylgrund (Druck- sache 14/1083) ........................................... 3952 C i) Antrag der Abgeordneten Norbert Geis, Erwin Marschewski, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion CDU/CSU Maßnahmen zur Akustischen Wohn- raumüberwachung – Unterrichtungs- pflicht der Bundesregierung nach Arti- kel 13 Abs. 6 GG und § 100e Abs. 2 StPO (Drucksache 14/1146) ...................... 3952 C Zusatztagesordnungspunkt 2: Weitere Überweisungen im vereinfachten Verfahren a) Antrag der Abgeordneten Wolfgang Börn- sen (Bönstrup), Dietrich Austermann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion CDU/CSU Wirtschaftlicher Ausgleich und Über- gangsregelung für Duty-free (Druck- sache 14/1206) ........................................... 3952 D b) Antrag der Abgeordneten Dirk Fischer (Hamburg), Dr.-Ing. Dietmar Kansy, weiterer Abgeordneter und der Fraktion CDU/CSU Überprüfung von Kraftfahrzeugen nach Unfallreparaturen (Drucksache 14/1207) ..................................................... 3952 D c) Antrag der Abgeordneten Norbert Otto (Erfurt), Dirk Fischer (Hamburg), weiterer Abgordneter und der Fraktion CDU/CSU Realisierung des Verkehrsprojektes Deutsche Einheit (VDE) Nr. 8 Schie- nenneubaustrecke Nürnberg–Erfurt– Halle/Leipzig–Berlin (Drucksache 14/ 1208) .......................................................... 3953 A d) Antrag der Abgeordneten Dirk Fischer (Hamburg), Dr.-Ing. Dietmar Kansy, weiterer Abgeordneter und der Fraktion CDU/CSU Privatisierung öffentlicher Dienstlei- stungen im Fahrerlaubniswesen (Druck- sache 14/1209) ........................................... 3953 A Tagesordnungspunkt 19: Abschließende Beratungen ohne Aussprache a) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Techno- logie zu dem Antrag der Abgeordneten Rolf Kutzmutz, Dr. Christa Luft, weiterer Abgeordneter und der Fraktion PDS Sofortige Wiederaufnahme des Pro- grammes „Förderung der Forschungs- kooperation in der mittelständischen Wirtschaft“ (Drucksachen 14/209, 14/ 672) ............................................................ 3953 B Rolf Kutzmutz PDS (Erklärung nach § 31 GO).................................................................. 3953 B b) Beschlußempfehlung des Rechtsausschus- ses Übersicht 2 über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht (Druck- sache 14/1173) ........................................... 3953 C c) bis g) Beschlußempfehlungen des Petitionsaus- schusses Sammelübersichten 47, 48, 49, 50 und 51 zu Petitionen (Drucksachen 14/1168, 14/1169, 14/1170, 14/1171, 14/1172) ...................................... 3953 D Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 47. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Juni 1999 III Tagesordnungspunkt 4: a) Wahlen zu Gremien – Antrag der Fraktionen SPD, CDU/CSU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und F.D.P. Einsetzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums gemäß § 4 des Ge- setzes über die Parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tä- tigkeit des Bundes – Wahl der Mitglieder des Parlamenta- rischen Kontrollgremiums gemäß § 4 des Gesetzes über die Parlamentari- sche Kontrolle nachrichtendienstli- cher Tätigkeit des Bundes (Drucksachen 14/1218, 14/1220, 14/1221) 3954 B b) Wahl der Mitglieder des Gremiums gemäß § 41 Abs. 5 des Außenwirt- schaftsgesetzes zur Kontrolle der Be- schränkung des Brief-, Post- und Fern- meldegeheimnisses (Drucksache 14/ 1222) .......................................................... 3954 B c) – Antrag der Fraktionen SPD, CDU/CSU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und F.D.P. Einsetzung des Gremiums nach Arti- kel 13 Abs. 6 Grundgesetz – Wahl der Mitglieder des Gremiums nach Artikel 13 Abs. 6 Grundgesetz (Drucksachen 14/1219, 14/1223, 14/1224)...... 3954 C Roland Claus PDS ........................................... 3954 D Wilhelm Schmidt (Salzgitter) SPD.................. 3955 B Ergebnis ........................................................... 3967 B Zusatztagesordnungspunkt 3: Aktuelle Stunde betr. Politische Schluß- folgerungen aus dem Beschluß der Katholischen Bischofskonferenz zur Schwangerschaftskonfliktberatung ........ 3957 C Christa Nickels BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 3957 D Maria Eichhorn CDU/CSU.............................. 3959 A Hanna Wolf (München) SPD........................... 3959 C Ina Lenke F.D.P. ............................................. 3960 D Petra Bläss PDS ............................................... 3961 C Irmingard Schewe-Gerigk BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN......................................................... 3962 B Dorothea Störr-Ritter CDU/CSU..................... 3963 C Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin BMFSFJ........................................................... 3964 B Rita Grießhaber BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN................................................................. 3965 C Norbert Geis CDU/CSU .................................. 3966 B Christine Lehder SPD...................................... 3967 C Hannelore Rönsch (Wiesbaden) CDU/CSU .... 3968 C Renate Gradistanac SPD.................................. 3969 C Annie Brandt-Elsweier SPD............................ 3970 B Tagesordnungspunkt 5: – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (Zweites SGB III- Änderungsgesetz) (Drucksachen 14/873, 14/1066) ..................................................... 3971 B – Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. Heidi Knake- Werner, Dr. Klaus Grehn, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion PDS ein- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Wiederherstellung des Interessen- ausgleichs zwischen Arbeitslosen und Beitragszahlern – Interessenausgleichs- gesetz (Drucksachen 14/208, 14/1205)...... 3971 B Gerd Andres, Parl. Staatssekretär BMA .......... 3971 C Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) CDU/CSU...... 3973 C Dr. Thea Dückert BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN................................................................. 3975 C Johannes Singhammer CDU/CSU .............. 3976 B Dirk Niebel F.D.P. .......................................... 3978 A Dr. Thea Dückert BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.................................................... 3978 A Dr. Klaus Grehn PDS ...................................... 3980 A Adolf Ostertag SPD......................................... 3981 A Wolfgang Meckelburg CDU/CSU .............. 3981 D Dr. Klaus Grehn PDS.................................. 3983 A Heinz Schemken CDU/CSU............................ 3984 A Namentliche Abstimmung............................... 3986 C Ergebnis........................................................... 3986 D Tagesordnungspunkt 6: Entwicklungspolitische Debatte a) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für wirtschaftliche Zusam- menarbeit und Entwicklung – zu dem Antrag der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Unterstützung der demokratischen Entwicklung in Nigeria IV Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 47. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Juni 1999 – zu dem Antrag der Abgeordneten Klaus-Jürgen Hedrich, Dr. Christian Ruck, weiterer Abgeordneter und der Fraktion CDU/CSU Demokratische Entwicklung in Nige- ria unterstützen (Drucksachen 14/315, 14/283, 14/1243) .... 3989 B b) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für wirtschaftliche Zusam- menarbeit und Entwicklung – zu dem Antrag der Abgeordneten Karin Kortmann, Brigitte Adler, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion SPD sowie der Abgeordneten Dr. Angelika Köster- Loßack, Hans-Christian Ströbele, Rez- zo Schlauch und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN Gegen den Einsatz von Kindern als Soldaten in bewaffneten Konflikten – zu dem Antrag der Abgeordneten Erika Reinhardt, Dr. Norbert Blüm, weiterer Abgeordneter und der Fraktion CDU/ CSU Gegen den Mißbrauch von Kindern als Soldaten – zu dem Antrag der Abgeordneten Fred Gebhardt, Carsten Hübner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion PDS Einsatz von Kindern als Soldaten wirksam verhindern (Drucksachen 14/806, 14/310, 14/552, 14/ 1242) .......................................................... 3989 D c) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für wirtschaftliche Zusam- menarbeit und Entwicklung – zu dem Antrag der Abgeordneten Ga- briele Fograscher, Adelheid Tröscher, weiterer Abgeordneter und der Fraktion SPD sowie der Abgeordneten Dr. An- gelika Köster-Loßack, Kerstin Müller (Köln), Rezzo Schlauch und der Frak- tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN UN-Sondergeneralversammlung – 5 Jahre nach der Konferenz für Bevöl- kerung und Entwicklung in Kairo – Aktive Bevölkerungspolitik in der Entwicklungszusammenarbeit – zu dem Antrag der Abgeordneten Mar- lies Pretzlaff, Klaus-Jürgen Hedrich, weiterer Abgeordneter und der Fraktion CDU/CSU 5 Jahre nach Kairo: Umsetzung der Beschlüsse der Konferenz der Ver- einten Nationen zu Weltbevölkerung und Entwicklung 1994 (Drucksachen 14/797, 14/446, 14/1239) .... 3990 A Karin Kortmann SPD....................................... 3990 B Dr. Christian Ruck CDU/CSU......................... 3992 A Dr. Uschi Eid BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN ............................................................ 3992 D Dr. R. Werner Schuster SPD ........................... 3993 D Dr. Angelika Köster-Loßack BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN................................................. 3994 D Gerhard Schüßler F.D.P................................... 3995 D Carsten Hübner PDS........................................ 3997 B Joachim Tappe SPD......................................... 3998 B Marlies Pretzlaff CDU/CSU............................ 3999 B Hans-Christian Ströbele BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ........................................................ 4000 B Erika Reinhardt CDU/CSU.............................. 4001 C Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesministe- rin BMZ........................................................... 4002 C Peter Weiß (Emmendingen) CDU/CSU...... 4003 A Klaus-Jürgen Hedrich CDU/CSU.................... 4003 D Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesministe- rin BMZ........................................................... 4004 B Gabriele Fograscher SPD ................................ 4004 C Tagesordnungspunkt 7: Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes (Drucksachen 14/898, 14/1240) ........................................ 4006 A Regina Schmidt-Zadel SPD............................. 4006 B Annette Wiedmann-Mauz CDU/CSU ............. 4008 B Andrea Fischer, Bundesministerin BMG......... 4010 A Detlef Parr F.D.P. ............................................ 4011 D Dr. Ruth Fuchs PDS ........................................ 4012 D Hubert Hüppe CDU/CSU ................................ 4013 C Tagesordnungspunkt 8: Zweite und dritte Beratung des Entwurfs ei- nes Vierten Gesetzes zur Änderung des Elften Buches Sozialgesetzbuch – 4. SGB XI- Änderungsgesetz (Drucksachen 14/407, 14/580, 14/1203, 14/1204)............................... 4014 A Dr. Martin Pfaff SPD....................................... 4014 B Dr. Ilja Seifert PDS ..................................... 4015 D Ulf Fink CDU/CSU ......................................... 4016 D Dr. Martin Pfaff SPD .................................. 4017 D Andrea Fischer, Bundesministerin BMG......... 4018 C Aribert Wolf CDU/CSU.............................. 4019 B Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 47. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Juni 1999 V Ulf Fink CDU/CSU ......................................... 4020 C Andrea Fischer, Bundesministerin BMG......... 4020 D Dr. Dieter Thomae F.D.P................................. 4021 A Dr. Ilja Seifert PDS.......................................... 4021 D Tagesordnungspunkt 9: a) Antrag der Abgeordneten Jürgen Koppe- lin, Hildebrecht Braun (Augsburg), weite- rer Abgeordneter und der Fraktion F.D.P. Feierliche Gelöbnisse der Bundeswehr in der Öffentlichkeit (Drucksache 14/284 [neu]).......................................................... 4022 D b) Antrag der Abgeordneten Ulrich Adam, Paul Breuer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion CDU/CSU Öffentliche feierliche Gelöbnisse der Bundeswehr (Drucksache 14/641) ............ 4022 D c) Antrag der Abgeordneten Heidi Lipp- mann, Dr. Winfried Wolf, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion PDS Keine feierlichen Gelöbnisse der Bun- deswehr in der Öffentlichkeit (Drucksa- che 14/642)................................................. 4023 A Hildebrecht Braun (Augsburg) F.D.P. ............. 4023 A Johannes Kahrs SPD........................................ 4024 A Hildebrecht Braun (Augsburg) F.D.P. ........ 4025 C Werner Siemann CDU/CSU ............................ 4026 C Angelika Beer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . 4028 C Heidi Lippmann PDS....................................... 4030 B Rainer Arnold SPD .......................................... 4032 B Dr. Barbara Höll PDS ...................................... 4033 D Kurt J. Rossmanith CDU/CSU ........................ 4034 D Tagesordnungspunkt 10 a: Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Wolfgang Lohmann (Lü- denscheid), Wolfgang Zöller, weiteren Abgeordneten und der Fraktion CDU/ CSU eingebrachten Entwurfs eines Zehn- ten Gesetzes zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (Zehntes SGB V-Änderungsgesetz) (Drucksachen 14/ 886, 14/1216) ............................................. 4036 C Wolfgang Lohmann (Lüdenscheid) CDU/ CSU ................................................................. 4036 D Dr. Martin Pfaff SPD .................................. 4037 D Klaus Kirschner SPD....................................... 4038 D Dr. Dieter Thomae F.D.P. ............................... 4040 C Katrin Göring-Eckardt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN......................................................... 4041 B Dr. Ruth Fuchs PDS ........................................ 4043 A Wolfgang Zöller CDU/CSU ............................ 4043 D Tagesordnungspunkt 11: Beschlußempfehlung und Bericht des In- nenausschusses – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Christian Ruck, Hans-Peter Repnik, weiterer Abgeordneter und der Fraktion CDU/CSU Hilfsmaßnahmen der Bundesregie- rung anläßlich der Hochwasserka- tastrophe Pfingsten 1999 in Süd- deutschland – zu dem Antrag der Abgeordneten Birgit Homburger, Hildebrecht Braun (Augs- burg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion F.D.P. Hilfsmaßnahmen der Bundesregie- rung anläßlich der Hochwasserka- tastrophe in Süddeutschland (Drucksachen 14/1144, 14/1152, 14/1244) 4044 B Ilse Aigner CDU/CSU..................................... 4044 D Klaus Barthel (Starnberg) SPD ................... 4045 C Harald Friese SPD ........................................... 4046 A Dr. Gerd Müller CDU/CSU ........................ 4046 D Birgit Homburger F.D.P. ................................. 4048 C Dr. Gerd Müller CDU/CSU ........................ 4049 B Karl Diller SPD........................................... 4049 D Hans-Josef Fell BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 4050 A Eva-Maria Bulling-Schröter PDS .................... 4051 B Klaus Brähmig CDU/CSU............................... 4052 A Albert Schmidt (Hitzhofen) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN............................................ 4053 A Tagesordnungspunkt 12: Antrag der Abgeordneten Wolfgang Börn- sen (Bönstrup), Eduard Lintner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion CDU/CSU Nationale Verkehrssicherheitskampagne – Sonderprogramm für junge Autofah- rerinnen und Autofahrer zur Verhinde- rung von alkohol- und drogenbedingten Verkehrsunfällen (Drucksache 14/659) ..... 4054 B Tagesordnungspunkt 13: Antrag der Fraktionen SPD, CDU/CSU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und F.D.P. Beilegung des Westsaharakonflikts (Drucksache 14/1151) ................................ 4054 C VI Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 47. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Juni 1999 Tagesordnungspunkt 14: Antrag der Abgeordneten Dr. Ilja Seifert, Dr. Gregor Gysi und der Fraktion PDS Vorlage eines Gesetzes zur Sicherung der vollen Teilhabe von Menschen mit Behin- derungen oder chronischen Krankheiten am Leben der Gemeinschaft, zur deren Gleichstellung und zum Ausgleich behin- derungsbedingter Nachteile (Teilhabe- sicherungsgesetz – ThSG) (Drucksache 14/827) ....................................................... 4054 D Dr. Ilja Seifert PDS.......................................... 4055 A Silvia Schmidt (Eisleben) SPD ........................ 4056 A Dr. Ilja Seifert PDS ..................................... 4057 A Claudia Nolte CDU/CSU................................. 4058 D Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN......................................................... 4059 C Dr. Heinrich L. Kolb F.D.P. ........................... 4060 C Tagesordnungspunkt 15: Antrag der Abgeordneten Birgit Hombur- ger, Ulrike Flach, weiterer Abgeordneter und der Fraktion F.D.P. Erhöhung der Attraktivität des freiwil- ligen Umweltaudits durch Deregulie- rung (Drucksache 14/570) ......................... 4061 C Tagesordnungspunkt 16: Antrag der Abgeordneten Dr. Evelyn Kenzler, Kersten Naumann, Dr. Gregor Gysi und der Fraktion PDS Vererblichkeit von Bodenreformeigen- tum (Drucksache 14/1063 ) ....................... 4061 D Dr. Evelyn Kenzler PDS.................................. 4061 D Nächste Sitzung ............................................... 4062 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten............ 4063 A Anlage 2 Liste der Abgeordneten, die an der Wahl der Mitglieder des Parlamentarischen Kontroll- gremiums gemäß § 4 des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle nachrichten- dienstlicher Tätigkeit des Bundes teilgenom- men haben........................................................ 4063 B Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Carsten Hübner (PDS) zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent- wicklung zu dem Antrag der Fraktion SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN UN-Sondergeneralversammlung – 5 Jahre nach der Konferenz für Bevölkerung und Entwicklung in Kairo – Aktive Bevölke- rungspolitik in der Entwicklungszusammen- arbeit sowie zu dem Antrag der Fraktion CDU/CSU 5 Jahre nach Kairo: Umsetzung der Beschlüs- se der Konferenz der Vereinten Nationen zu Weltbevölkerung und Entwicklung 1994 (Tagesordnungspunkt 6 c) ............................... 4066 B Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert (PDS) zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion CDU/CSU zum Entwurf eines Vierten Geset- zes zur Änderung des Elften Buches Sozial- gesetzbuch (Tagesordnungspunkt 8) ............... 4066 D Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zum Antrag des Abgeordneten Wolfgang Börnsen (Bönstrup), weiterer Abgeordneter und der Fraktion CDU/CSU: Nationale Verkehrssicherheits- kampagne – Sonderprogramm für junge Autofahrerinnen und Autofahrer zur Ver- hinderung von alkohol- und drogenbe- dingten Verkehrsunfällen (Tagesordnungs- punkt 12) Wolfgang Börnsen (Bönstrup) CDU/CSU ....... 4067 B Hans-Günter Bruckman SPD .......................... 4069 A Albert Schmidt (Hitzhofen) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ......................................................... 4070 B Dr. Karlheinz Guttmacher F.D.P. .................. 4071 B Eva-Maria Bulling-Schröter PDS.................... 4071 D Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zum Antrag der Fraktionen SPD, CDU/CSU, BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN und F.D.P.: Beilegung des Westsaharakonflikts (Tagesordnungs- punkt 13) Dr. Eberhard Brecht SPD ............................... 4072 B Dr. Andreas Schockenhoff CDU/CSU ............. 4073 C Ulrich Irmer F.D.P. ........................................ 4074 A Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 47. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Juni 1999 VII Carsten Hübner PDS ....................................... 4074 C Dr. Ludger Volmer, Staatsminister AA ............ 4075 B Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zum Antrag der Abgeordneten Birgit Homburger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion F.D.P.: Erhö- hung der Attraktivität des freiwilligen Um- weltaudits durch Deregulierung (Tagesord- nungspunkt 15) Marion Caspers-Merk SPD ............................. 4076 B Bernward Müller (Jena) CDU/CSU ................ 4077 B Winfried Hermann BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN ................................................................. 4078 C Birgit Homburger F.D.P. ............................... 4079 C Eva-Maria Bulling-Schröter PDS.................... 4080 A Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zum Antrag der Abgeordneten Dr. Evelyn Kenzler, weiterer Abgeordneter und der Fraktion PDS: Vererb- lichkeit von Bodenreformeigentum (Tages- ordnungspunkt 16) Rainer Fornahl SPD ........................................ 4080 B Dr. Michael Luther CDU/CSU ........................ 4081 C Steffi Lemke BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ...... 4082 C Jürgen Türk F.D.P. ......................................... 4083 D Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 47. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Juni 1999 3907 (A) (C) (B) (D) 47. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 24. Juni 1999 Beginn: 9.00 Uhr
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    Dr. Evelyn Kenzler Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 47. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Juni 1999 4063 (A) (C) (B) (D) Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich Altmann (Aurich), Gila BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 24.6.99 Balt, Monika PDS 24.6.99 Behrendt, Wolfgang SPD 24.6.99 * Bindig, Rudolf SPD 24.6.99 * Dr. Böhmer, Maria CDU/CSU 24.6.99 Bühler (Bruchsal), Klaus CDU/CSU 24.6.99 * Bulmahn, Edelgard SPD 24.6.99 Deligöz, Ekin BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 24.6.99 Friedrich (Altenburg), Peter SPD 24.6.99 Gebhardt, Fred PDS 24.6.99 Großmann, Achim SPD 24.6.99 Dr. Hornhues, Karl-Heinz CDU/CSU 24.6.99 * Hornung, Siegfried CDU/CSU 24.6.99 * Jäger, Renate SPD 24.6.99 * Kanther, Manfred CDU/CSU 24.6.99 Kolbow, Walter SPD 24.6.99 Lensing, Werner CDU/CSU 24.6.99 Lörcher, Christa SPD 24.6.99 * Dr. Lucyga, Christine SPD 24.6.99 * Maaß (Wilhelmshaven), Erich CDU/CSU 24.6.99 * Marquardt, Angela PDS 24.6.99 Müller (Berlin), Manfred PDS 24.6.99 * Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich Neumann (Gotha), Gerhard SPD 24.6.99 * Opel, Manfred SPD 24.6.99 Dr. Pick, Eckhart SPD 24.6.99 Reiche, Katherina CDU/CSU 24.6.99 Ronsöhr, Heinrich-Wilhelm CDU/CSU 24.6.99 Rübenkönig, Gerhard SPD 24.6.99 Schenk, Christina PDS 24.6.99 Schloten, Dieter SPD 24.6.99 * von Schmude, Michael CDU/CSU 24.6.99 * Schuhmann (Delitzsch), Richard SPD 24.6.99 Schulz (Leipzig), Werner BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 24.6.99 Spranger, Carl-Dieter CDU/CSU 24.6.99 Dr. Staffelt, Ditmar SPD 24.6.99 Stübgen, Michael CDU/CSU 24.6.99 Dr. Thalheim, Gerald SPD 24.6.99 Trittin, Jürgen BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 24.6.99 Voßhoff, Andrea CDU/CSU 24.6.99 Weisheit, Matthias SPD 24.6.99 Dr. Wodarg, Wolfgang SPD 24.6.99 * Dr. Wolf, Winfried PDS 24.6.99 Zierer, Benno CDU/CSU 24.6.99 * Dr. Zöpel, Christoph SPD 24.6.99 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versamm- lung des Europarates Anlage 2 Liste der Abgeordneten, die an der Wahl der Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums gemäß § 4 des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes teilgenommen haben SPD Brigitte Adler Gerd Andres Rainer Arnold Hermann Bachmaier Ernst Bahr Doris Barnett Dr. Hans Peter Bartels Eckhardt Barthel (Berlin) Klaus Barthel (Starnberg) Ingrid Becker-Inglau Dr. Axel Berg Hans-Werner Bertl Friedhelm Julius Beucher Petra Bierwirth Lothar Binding (Heidelberg) Kurt Bodewig Klaus Brandner Anni Brandt-Elsweier Willi Brase Dr. Eberhard Brecht Rainer Brinkmann (Detmold) Bernhard Brinkmann (Hildesheim) Hans-Günter Bruckmann Ursula Burchardt Dr. Michael Bürsch Hans Martin Bury Hans Büttner (Ingolstadt) Marion Caspers-Merk Wolf-Michael Catenhusen Dr. Peter Danckert Dr. Herta Däubler-Gmelin Christel Deichmann Karl Diller Peter Dreßen Rudolf Dreßler Detlef Dzembritzki Dieter Dzewas Dr. Peter Eckardt Sebastian Edathy Ludwig Eich Marga Elser Peter Enders 4064 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 47. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Juni 1999 (A) (C) (B) (D) Gernot Erler Petra Ernstberger Annette Faße Lothar Fischer (Homburg) Gabriele Fograscher Iris Follak Norbert Formanski Rainer Fornahl Hans Forster Lilo Friedrich (Mettmann) Harald Friese Arne Fuhrmann Monika Ganseforth Konrad Gilges Iris Gleicke Günter Gloser Uwe Göllner Renate Gradistanac Günter Graf (Friesoythe) Angelika Graf (Rosenheim) Dieter Grasedieck Monika Griefahn Wolfgang Grotthaus Karl-Hermann Haack (Extertal) Hans-Joachim Hacker Klaus Hagemann Manfred Hampel Christel Hanewinckel Alfred Hartenbach Anke Hartnagel Klaus Hasenfratz Nina Hauer Hubertus Heil Reinhold Hemker Frank Hempel Rolf Hempelmann Dr. Barbara Hendricks Gustav Herzog Monika Heubaum Uwe Hiksch Reinhold Hiller (Lübeck) Stephan Hilsberg Gerd Höfer Jelena Hoffmann (Chemnitz) Walter Hoffmann (Darmstadt) Iris Hoffmann (Wismar) Frank Hofmann (Volkach) Ingrid Holzhüter Eike Hovermann Christel Humme Lothar Ibrügger Barbara Imhof Brunhilde Irber Gabriele Iwersen Jann-Peter Janssen Ilse Janz Dr. Uwe Jens Volker Jung (Düsseldorf) Johannes Kahrs Sabine Kaspereit Susanne Kastner Hans-Peter Kemper Klaus Kirschner Marianne Klappert Siegrun Klemmer Hans-Ulrich Klose Fritz Rudolf Körper Karin Kortmann Anette Kramme Nicolette Kressl Volker Kröning Angelika Krüger-Leißner Horst Kubatschka Ernst Küchler Helga Kühn-Mengel Ute Kumpf Konrad Kunick Werner Labsch Christine Lambrecht Brigitte Lange Christian Lange (Backnang) Detlev von Larcher Christine Lehder Waltraud Lehn Robert Leidinger Dr. Elke Leonhard Eckhart Lewering Götz-Peter Lohmann (Neubrandenburg) Erika Lotz Dr. Christine Lucyga Dieter Maaß (Herne) Winfried Mante Dirk Manzewski Tobias Marhold Lothar Mark Ulrike Mascher Christoph Matschie Ingrid Matthäus-Maier Heide Mattischeck Markus Meckel Ulrike Mehl Ulrike Merten Angelika Mertens Dr. Jürgen Meyer (Ulm) Ursula Mogg Christoph Moosbauer Michael Müller (Düsseldorf) Jutta Müller (Völklingen) Christian Müller (Zittau) Franz Müntefering Andrea Nahles Volker Neumann (Bramsche) Dr. Edith Niehuis Dr. Rolf Niese Dietmar Nietan Günter Oesinghaus Eckhard Ohl Leyla Onur Holger Ortel Adolf Ostertag Kurt Palis Albrecht Papenroth Dr. Willfried Penner Dr. Martin Pfaff Georg Pfannenstein Johannes Pflug Joachim Poß Karin Rehbock-Zureich Margot von Renesse Renate Rennebach Bernd Reuter Dr. Edelbert Richter Reinhold Robbe Gudrun Roos René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Michael Roth (Heringen) Birgit Roth (Speyer) Marlene Rupprecht Thomas Sauer Dr. Hansjörg Schäfer Gudrun Schaich-Walch Rudolf Scharping Bernd Scheelen Dr. Hermann Scheer Siegfried Scheffler Horst Schild Otto Schily Horst Schmidbauer (Nürnberg) Ulla Schmidt (Aachen) Silvia Schmidt (Eisleben) Dagmar Schmidt (Meschede) Wilhelm Schmidt (Salzgitter) Regina Schmidt-Zadel Heinz Schmitt (Berg) Carsten Schneider Dr. Emil Schnell Walter Schöler Olaf Scholz Karsten Schönfeld Fritz Schösser Dr. Mathias Schubert Brigitte Schulte (Hameln) Volkmar Schultz (Köln) Ilse Schumann Ewald Schurer Dr. R. Werner Schuster Dietmar Schütz (Oldenburg) Dr. Angelica Schwall-Düren Ernst Schwanhold Rolf Schwanitz Bodo Seidenthal Erika Simm Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Dr. Cornelie Sonntag- Wolgast Wieland Sorge Wolfgang Spanier Dr. Margrit Spielmann Jörg-Otto Spiller Antje-Marie Steen Ludwig Stiegler Rolf Stöckel Rita Streb-Hesse Dr. Peter Struck Joachim Stünker Joachim Tappe Jörg Tauss Jella Teuchner Wolfgang Thierse Franz Thönnes Uta Titze-Stecher Adelheid Tröscher Hans-Eberhard Urbaniak Rüdiger Veit Günter Verheugen Simone Violka Ute Vogt (Pforzheim) Hans Georg Wagner Hedi Wegener Dr. Konstanze Wegner Wolfgang Weiermann Reinhard Weis (Stendal) Gunter Weißgerber Gert Weisskirchen (Wiesloch) Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker Jochen Welt Dr. Rainer Wend Hildegard Wester Lydia Westrich Inge Wettig-Danielmeier Dr. Margrit Wetzel Helmut Wieczorek (Duisburg) Jürgen Wieczorek (Böhlen) Dr. Norbert Wieczorek Heidemarie Wieczorek-Zeul Dieter Wiefelspütz Heino Wiese (Hannover) Klaus Wiesehügel Brigitte Wimmer (Karlsruhe) Engelbert Wistuba Barbara Wittig Verena Wohlleben Hanna Wolf (München) Waltraud Wolff (Zielitz) Uta Zapf Peter Zumkley CDU/CSU Ilse Aigner Peter Altmaier Dietrich Austermann Norbert Barthle Dr. Wolf Bauer Günter Baumann Brigitte Baumeister Meinrad Belle Dr. Sabine Bergmann-Pohl Otto Bernhardt Hans-Dirk Bierling Dr. Joseph-Theodor Blank Renate Blank Dr. Heribert Blens Peter Bleser Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 47. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Juni 1999 4065 (A) (C) (B) (D) Dr. Norbert Blüm Sylvia Bonitz Jochen Borchert Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Wolfgang Bosbach Dr. Wolfgang Bötsch Klaus Brähmig Dr. Ralf Brauksiepe Paul Breuer Monika Brudlewsky Hartmut Büttner (Schönebeck) Cajus Caesar Manfred Carstens (Emstek) Peter H. Carstensen (Nordstrand) Leo Dautzenberg Wolfgang Dehnel Hubert Deittert Albert Deß Renate Diemers Thomas Dörflinger Hansjürgen Doss Marie-Luise Dött Maria Eichhorn Rainer Eppelmann Ilse Falk Dr. Hans Georg Faust Ulf Fink Ingrid Fischbach Dirk Fischer (Hamburg) Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) Herbert Frankenhauser Dr. Gerhard Friedrich (Erlangen) Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) Erich G. Fritz Jochen-Konrad Fromme Hans-Joachim Fuchtel Dr. Jürgen Gehb Norbert Geis Dr. Heiner Geißler Georg Girisch Michael Glos Dr. Reinhard Göhner Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Kurt-Dieter Grill Hermann Gröhe Manfred Grund Carl-Detlev Freiherr von Hammerstein Gottfried Haschke (Großhennersdorf) Gerda Hasselfeldt Norbert Hauser (Bonn) Hansgeorg Hauser (Rednitzhembach) Klaus-Jürgen Hedrich Ursula Heinen Manfred Heise Siegfried Helias Hans Jochen Henke Ernst Hinsken Peter Hintze Klaus Hofbauer Martin Hohmann Klaus Holetschek Josef Hollerith Hubert Hüppe Peter Jacoby Susanne Jaffke Georg Janovsky Dr.-Ing. Rainer Jork Dr. Harald Kahl Bartholomäus Kalb Steffen Kampeter Dr.-Ing Dietmar Kansy Irmgard Karwatzki Volker Kauder Eckart von Klaeden Ulrich Klinkert Dr. Helmut Kohl Manfred Kolbe Norbert Königshofen Eva-Maria Kors Hartmut Koschyk Thomas Kossendey Rudolf Kraus Dr. Martina Krogmann Dr.-Ing. Paul Krüger Dr. Hermann Kues Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) Karl Lamers Dr. Norbert Lammert Dr. Paul Laufs Karl-Josef Laumann Vera Lengsfeld Peter Letzgus Ursula Lietz Walter Link (Diepholz) Dr. Manfred Lischewski Wolfgang Lohmann (Lüdenscheid) Julius Louven Dr. Michael Luther Erwin Marschewski Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn) Wolfgang Meckelburg Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Friedrich Merz Hans Michelbach Meinolf Michels Bernward Müller (Jena) Elmar Müller (Kirchheim) Dr. Gerd Müller Bernd Neumann (Bremen) Claudia Nolte Günter Nooke Franz Obermeier Friedhelm Ost Eduard Oswald Norbert Otto (Erfurt) Dr. Peter Paziorek Anton Pfeifer Dr. Friedbert Pflüger Beatrix Philipp Ronald Pofalla Ruprecht Polenz Marlies Pretzlaff Dr. Bernd Protzner Dieter Pützhofen Thomas Rachel Dr. Peter Ramsauer Helmut Rauber Peter Rauen Christa Reichard (Dresden) Erika Reinhardt Hans-Peter Repnik Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Franz Romer Hannelore Rönsch (Wiesbaden) Dr. Klaus Rose Kurt J. Rossmanith Adolf Roth (Gießen) Dr. Christian Ruck Volker Rühe Dr. Jürgen Rüttgers Anita Schäfer Dr. Wolfgang Schäuble Hartmut Schauerte Heinz Schemken Karl-Heinz Scherhag Gerhard Scheu Norbert Schindler Dietmar Schlee Bernd Schmidbauer Christian Schmidt (Fürth) Dr.-Ing. Joachim Schmidt (Halsbrücke) Andreas Schmidt (Mülheim) Hans Peter Schmitz (Baesweiler) Birgit Schnieber-Jastram Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Rupert Scholz Reinhard Freiherr von Schorlemer Wolfgang Schulhoff Clemens Schwalbe Dr. Christian Schwarz- Schilling Wilhelm-Josef Sebastian Horst Seehofer Heinz Seiffert Rudolf Seiters Werner Siemann Johannes Singhammer Bärbel Sothmann Margarete Späte Carl-Dieter Spranger Wolfgang Steiger Erika Steinbach Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten Dorothea Störr-Ritter Max Straubinger Matthäus Strebl Thomas Strobl Dr. Rita Süssmuth Edeltraut Töpfer Dr. Hans-Peter Uhl Gunnar Uldall Arnold Vaatz Angelika Volquartz Dr. Theodor Waigel Peter Weiß (Emmendingen) Gerald Weiß (Groß-Gerau) Annette Widmann-Mauz Heinz Wiese (Ehingen) Hans-Otto Wilhelm (Mainz) Klaus-Peter Willsch Willy Wimmer (Neuss) Matthias Wissmann Werner Wittlich Dagmar Wöhrl Aribert Wolf Elke Wülfing Wolfgang Zeitlmann Wolfgang Zöller BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Marieluise Beck (Bremen) Volker Beck (Köln) Angelika Beer Matthias Berninger Annelie Buntenbach Ekin Deligöz Dr. Thea Dückert Franziska Eichstädt-Bohlig Dr. Uschi Eid Hans-Josef Fell Andrea Fischer (Berlin) Joseph Fischer (Frankfurt) Katrin Göring-Eckardt Rita Grießhaber Winfried Hermann Antje Hermenau Kristin Heyne Ulrike Höfken Michaele Hustedt Monika Knoche Dr. Angelika Köster-Loßack Steffi Lemke Dr. Helmut Lippelt Dr. Reinhard Loske Oswald Metzger Klaus Wolfgang Müller (Kiel) Kerstin Müller (Köln) Winfried Nachtwei Christa Nickels 4066 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 47. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Juni 1999 (A) (C) (B) (D) Cem Özdemir Simone Probst Claudia Roth (Augsburg) Christine Scheel Irmingard Schewe-Gerigk Rezzo Schlauch Albert Schmidt (Hitzhofen) Christian Simmert Christian Sterzing Hans-Christian Ströbele Dr. Antje Vollmer Dr. Ludger Volmer Sylvia Voß Helmut Wilhelm (Amberg) Margareta Wolf (Frankfurt) F.D.P. Hildebrecht Braun (Augsburg) Ernst Burgbacher Jörg van Essen Ulrike Flach Gisela Frick Paul K. Friedhoff Horst Friedrich (Bayreuth) Rainer Funke Dr. Wolfgang Gerhardt Hans-Michael Goldmann Joachim Günther (Plauen) Dr. Karlheinz Guttmacher Klaus Haupt Dr. Helmut Haussmann Walter Hirche Birgit Homburger Dr. Werner Hoyer Ulrich Irmer Dr. Klaus Kinkel Dr. Heinrich L. Kolb Gudrun Kopp Jürgen Koppelin Ina Lenke Sabine Leutheusser- Schnarrenberger Jürgen W. Möllemann Dirk Niebel Günther Friedrich Nolting Hans-Joachim Otto (Frankfurt) Detlef Parr Cornelia Pieper Dr. Günter Rexrodt Dr. Edzard Schmidt-Jortzig Gerhard Schüßler Dr. Irmgard Schwaetzer Marita Sehn Dr. Hermann Otto Solms Dr. Max Stadler Carl-Ludwig Thiele Dr. Dieter Thomae Dr. Guido Westerwelle PDS Dr. Dietmar Bartsch Petra Bläss Maritta Böttcher Eva-Maria Bulling-Schröter Roland Claus Heidemarie Ehlert Dr. Heinrich Fink Wolfgang Gehrcke Dr. Klaus Grehn Dr. Gregor Gysi Dr. Barbara Höll Ulla Jelpke Sabine Jünger Gerhard Jüttemann Dr. Evelyn Kenzler Dr. Heidi Knake-Werner Rolf Kutzmutz Heidi Lippmann Ursula Lötzer Dr. Christa Luft Kersten Naumann Christine Ostrowski Petra Pau Dr. Uwe-Jens Rössel Gustav-Adolf Schur Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Carsten Hübner (PDS) zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammen- arbeit und Entwicklung zu dem Antrag der Fraktion SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN UN-Sondergeneralversammlung – 5 Jahre nach der Konferenz für Bevölkerung und Entwick- lung in Kairo – Aktive Bevölkerungspolitik in der Entwicklungszusammenarbeit sowie zu dem Antrag der Fraktion CDU/CSU 5 Jahre nach Kairo: Umsetzung der Beschlüsse der Konferenz der Vereinten Nationen zu Weltbevölkerung und Entwicklung 1994 (Tagesordnungspunkt 6c) Ich lehne die Anträge ab. Sie enthalten zwar einige im Detail für Frauen und damit die Bevölkerung der Entwicklungsländer positive Maßnahmen, sind aber in ein grundsätzlich falsches Konzept eingebettet, das in seiner Gesamtheit fatale Folgen hat. Auch ist nicht zu erwarten, daß die Folgekonferenz von Kairo ’94 jetzt zur Umsetzung der Maßnahmen führt, die bereits 1994 beschlossen wurden. Statt dessen wird die zugrunde lie- gende Idee unhinterfragt weitertransportiert, die Ursache der Probleme liege in Bevölkerungszahlen und könne durch Reduzierung von Kinderzahlen beseitigt werden. Dem kann ich nicht zustimmen. Ich lehne die Anträge zudem ab, weil diese Argu- mentation nicht nur falsch ist, sondern auch noch zu einer Verschiebung auf die Verantwortungsebene führt: Nicht mehr die Industriestaaten, nicht mehr eine global ungerechte Ressourcen- und Reichtumsverteilung sind zumindest mitverantwortlich für Hunger, Elend und Unterentwicklung, sondern die große Zahl der Men- schen, die darunter leiden. Probleme wie Arbeitslosig- keit, fehlende soziale Sicherungssysteme, Armut, Hun- ger oder Flucht, Wasserknappheit oder Wohnungs- mangel werden nur noch in diesem Sinne interpretiert und damit die Suche nach Lösungen in eine falsche Richtung gelenkt. Eine solche Sichtweise kann ich nur ablehnen. Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert (PDS) zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion CDU/CSU zum Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Elften Bu- ches Sozialgesetzbuch (Tagesordnungspunkt 8) Dr. Ilja Seifert (PDS): Der allgemeine Aufsichts- und Betreuungsbedarf bei altersdementen, geistig behinder- ten und psychisch kranken Menschen bedarf dringend einer Lösung. Übrigens gilt das auch für chronisch Kranke, wie z.B. bei Asthma, Rheuma, Stoffwechsel- krankheiten u.a. Weil es mir um Sachpolitik geht, habe ich bei allen vorhandenen Zweifeln und Kritiken dem CDU/CSU- Entschließungsantrag zugestimmt. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 47. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Juni 1999 4067 (A) (C) (B) (D) Dennoch weise ich darauf hin, daß der Grundsatz im Entschließungsantrag letztlich wiederum vom Geld und nicht von den Betroffenen ausgeht, sich die Positionen von Vereinigungen und Verbänden, wie von der Lebens- hilfe e.V., der Bundesarbeitsgemeinschaft Hilfe für Be- hinderte e.V., der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege e.V., des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes (DPWV) u. a., nicht genügend wiederfinden, in die vorbereitende Gesetzesdiskussion nicht explizit Vertreterinnen von Wohlfahrts- und Be- hindertenverbänden sowie der Pflegedienste einbezogen werden sollen. Grundsätzlich brauchen wir einen anderen Pflegebe- griff. Im Mittelpunkt müssen dabei aktivierende Anlei- tung und Assistenz, pädagogisch-soziale Begleitung so- wie Beaufsichtigung stehen. Anleitung und Beaufsichti- gung sind bedarfsgerecht zu vergüten, um auch Fremd- und Eigengefährdung der Betroffenen auszuschließen. Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zum Antrag des Abgeordneten Wolfgang Börn- sen (Bönstrup), weiterer Abgeordneter und der Fraktion CDU/CSU: Nationale Verkehrssicher- heitskampagne – Sonderprogramm für junge Autofahrerinnen und Autofahrer zur Verhin- derung von alkohol- und drogenbedingten Ver- kehrsunfälle (Tagesordnungspunkt 12) Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU): Es ge- schah in der Nacht von Samstag auf Sonntag: Ein 19jähriger ist mit seiner Freundin vom Besuch einer Diskothek auf dem Weg nach Hause. Er hat getrunken! Er fährt zu schnell in eine Linkskurve, kommt vom Grünstreifen ab. Das Fahrzeug knallt gegen einen Baum. Mit Schneidbrennern werden die Verunglückten aus dem Pkw befreit und mit schwersten Verletzungen ins Schleswiger Martin-Luther-Krankenhaus gebracht. Die Beifahrerin verstirbt wenig später. Die Unfallursachen sind eindeutig: nicht angepaßte Geschwindigkeit und Alkohol. Jürgen F. gehört zur gefährdetsten Altersgruppe im Straßenverkehr: Fast 2 000 junge Menschen im Alter zwischen 18 und 24 Jahren sterben jährlich auf unseren Straßen – dreimal mehr als ihr Anteil an der Gesamtbe- völkerung. An diesen Verkehrstoten sind junge Männer mit 78 Prozent, junge Frauen mit 22 Prozent beteiligt. Jeder fünfte Verunglückte und fast jeder vierte Getötete gehört zu den sieben Jahrgängen zwischen 18 und 24 Jahren. Unangepaßte Geschwindigkeit, kein Sicherheits- abstand, Vorfahrtsfehler und immer wieder Alkoholein- fluß sind die Hauptverursacher. Fast 50 Prozent verun- glücken außerhalb, über 40 Prozent in geschlossenen Ortschaften und auf den Autobahnen acht Prozent. Vor- wiegend nachts und durchweg am Wochenende sind die Unfälle. Die größte Risikogruppe im Straßenverkehr sind die jungen Fahrer. Imponiergehabe, Abenteuerlust, Suche nach Anerkennung gehören zu den bestimmenden Moti- ven ihres aggressiven Verkehrsverhaltens. Es ist eine Minderheit unter den jungen Autofahrern, die besonders auffällig fährt, deren Kern seit Jahren konstant bleibt und die sich und andere im höchsten Maße gefährden; deshalb ist eine nationale Verkehrssicherheitskampagne, die sich dieser besonderen Zielgruppe annimmt, notwen- dig. Nach wie vor ist aber der Unfalltod als Beifahrerin bei den jungen Frauen die häufigste Todesursache – trotz Abnahme der Zahl alkoholbedingter Unfälle. Das ist eine traurige Tatsache. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat deshalb in ei- nem Entschließungsantrag die Bundesregierung aufge- fordert, eine nationale Verkehrssicherheitskampagne für junge Autofahrerinnen und Autofahrer in Form eines Sonderprogramms „Schutzengel“ aufzulegen und zu fi- nanzieren. Die der dänischen „Schutzengel-Kampagne“ entliehene deutsche Aktion „Darauf fahr ich ab . . . Nur nüchtern am Steuer“ zur Verminderung der Zahl von Alkoholfahrten in der Altersgruppe der 18- bis 25jähri- gen muß unbedingt im Sinne einer nachhaltigen Präven- tion fortgesetzt werden! Die Kampagne macht nach Ansicht von Fachleuten nur Sinn, wenn sie kontinuierlich neu aufgelegt wird: Neue junge Leute kommen in das Alter, und für sie gilt der Ansatz wie für die Alten: Sie müssen überzeugt wer- den, daß es nicht „cool“ ist zu trinken und anschließend zu fahren. Dieser Gedanke muß auch nach Ansicht der Experten aus Dänemark fest in den Köpfen insbesondere der jungen Männer verankert werden. Ihr mehrjähriges Projekt dort führte zur Halbierung der Zahl der Unfall- toten in dieser Region. So muß es auch bei uns werden! Doch obwohl die Bundesanstalt für Straßenwesen (BAST) die 1997 mit der Untersuchung der mehrmona- tigen Sicherheitsaktion beauftragt war, der Kampagne einen deutlichen Erfolg bescheinigt hat – in der Aktions- region Flensburg/Schleswig konnte die Zahl der alko- holbedingten Verkehrsunfälle mit Personenschaden um 39,5 Prozent gesenkt werden – und obwohl die Bundes- regierung sich von der Zielgruppenmaßnahme überzeugt gezeigt hat, lehnt die Bundesregierung bisher eine aktive Rolle des Bundes bei der Unterstützung dieser einmali- gen Verkehrssicherheitsaktion in ganz Deutschland ab. Statt dessen befürwortet sie lediglich eine Fortsetzung unter der Regie der Länder und Kommunen – falls daran Interesse besteht. Das ist zu wenig! Eine derartige Verschiebung von politischer wie finanzieller Verantwortung zu Lasten aller Verkehrsteilnehmer in Deutschland ist nicht hin- nehmbar. Wir brauchen jetzt eine neue Initiative, die die Schutzengel-Aktion auf nationaler Ebene fortsetzt! Nochmals: Das bisher bei den Jugendlichen erreichte Umdenken kann nur gesichert werden, wenn kontinuier- lich auf die Gefahren des Fahrens unter Alkoholeinfluß und Drogen hingewiesen wird! Die Regel ist: 98 Prozent aller Erwachsenen und 91 Prozent aller 14- bis 25jähri- gen fahren ohne Alkohol. Hier geht es um die schwarzen Schafe! Im Jahr 1998 gab es erstmals einen deutlichen Rück- gang bei der Zahl der Verkehrsunfalltoten in den Alters- gruppen der 21- bis 24jährigen (minus elf Prozent). 4068 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 47. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Juni 1999 (A) (C) (B) (D) Auch bei den 25- bis 34jährigen konnten minus 16 Pro- zent verzeichnet werden. Als Gründe dafür werden ne- ben der guten und gezielten vorbeugenden Aufklärungs- arbeit vor allem die Kampagnen der großen Verkehrs- sicherheitsorganisationen und der Polizei über die Ge- fahren von Alkohol und Drogen beim Führen eines Kfz genannt. Wesentlich hat da auch die neue 0,5-Promille- Regelung dazu beigetragen. Eine große Mehrheit im Deutschen Bundestag hat ihr zugestimmt. Unterschiedli- che Auffassungen gab es nicht bei der Grenzwertfestle- gung, sondern bei der Ahndung. Kommt man ohne den Denkzettel „Fahrverbot“ aus? Oder genügen Bußgeld und Punkteeintrag beim KBA in Flensburg? Die bisheri- gen Resultate sind ermutigend und bestätigen die, die an Mitverantwortung appellieren. Die drastische Bestrafung setzt bei 0,8 Promille an. Damit bleibt man bei einer sachgerechten Zielorientierung. Denn neun von zehn Alkoholunfällen finden jenseits der 0,8-Promille-Grenze statt. Wer 0,0 Promille fordert, ist praxisfern und krimi- nalsiert somit weitgehend gesetzestreue Bürger. Man verstieße auch gegen das Verfassungsgebot der Verhält- nismäßigkeit der Mittel. In den Ländern – besonders in Ost- und Mitteleuropa –, wo man die 0,0 Promille prak- tizierte, war die Anzahl der alkoholbedingten Verkehrs- unfälle sogar höher als in den Staaten, die die 0,8- Promille-Grenze haben. Um insbesondere die Zahl der Trunkenheitsfahrten zu senken und junge Frauen und Männer für diese Thema zu sensibilisieren, hat die frühere Bundesregierung in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Verkehrssicher- heitsrat und mit Unterstützung der Deutschen Ver- kehrswacht in drei Modellkreisen (Flensburg/Schleswig, niederschlesischer Oberlausitzkreis und Stadtverband Saarbrücken) die Verkehrssicherheitskampagne „Darauf fahr ich ab . . . Nur nüchtern am Steuer“ ins Leben geru- fen. Sie ist der sogenannten „Schutzengel-Kampagne“ angelehnt, mit der im dänischen Nordjütland die Zahl der alkoholbedingten Verkehrsunfälle mit tödlichem Ausgang binnen weniger Jahre nahezu halbiert werden konnte. Insgesamt 65 000 junge Frauen und Männer der gefährdeten Altersgruppe wurden im Dezember 1997 in den drei Modellkreisen persönlich angeschrieben und erhielten eine Informationsbroschüre mit Argumenta- tionshilfen. Zudem wurden Alternativen aufgezeigt, um alkoholisierte Fahrten zu vermeiden. Jede junge Frau er- hielt außerdem eine Telefonkarte, mit der sie beispiels- weise ein Taxi oder Bekannte anrufen konnte, um sie abzuholen. Nicht die sanfte Tour wurde in der Ansprache der Zielgruppe praktiziert, sondern knallhart den jungen Verkehrsteilnehmern vor Augen geführt: Im nächsten Sarg könntest du liegen, die nächste Tote könnte deine Freundin sein! Die BAST bescheinigt der Kampagne einen deutli- chen Erfolg: Während die Zahl alkoholbedingter Ver- kehrsunfälle mit Personenschäden im Vergleichszeitraum ein Jahr zuvor beispielsweise in Schleswig-Holstein noch um 12,3 Prozent zugenommen hatte, konnte die Zahl gleichartiger Unfälle in der Aktionsregion Flens- burg/Schleswig um 39,5 Prozent verringert werden. Änhlich gute Ergebnisse erzielten bislang auch die beiden anderen Modellregionen im Saarland und im Oberlausitzkreis. Insgesamt ist die Zahl der alkohol- bedingten Unfälle in den Modellregionen, in denen die Vekehrsaufklärungsaktion stattgefunden hat, um 27,5 Prozent gesunken. Man bestellte verstärkt von der Disco aus ein Taxis, bildete Fahrgemeinschaften oder ließ sich von der Familie oder Freunden abholen. Die Pilotaktion ist nicht nur bei den Jugendlichen in den Modellkreisen auf großes Interesse gestoßen und hat bewirkt, daß das Thema „Alkohol und Fahren“ zum Ge- sprächsstoff unter den Gleichaltrigen geworden ist und viele das eigene Handeln überdenken. Dies zeigt sich eindrucksvoll auch in der Reaktion von gesellschaftlich relevanten Gruppen. So zählten zu den Förderern der Kampagne neben den Vizemeistern im Bundesliga- Handball, der SG Flensburg-Handewitt, sowie den Har- risleer Handballerinnen aus der zweiten Bundesliga auch die Schleswiger Rockformation „Illegal 2001“. Ein noch bedeutenderes Ergebnis in den drei Modell- kreisen allerdings ist, daß ein hoher Anteil der jungen Frauen und Männer den Untersuchungen der BAST zu- folge aktiv versucht hat, alkoholisierte Fahrer vom Fah- ren abzuhalten. Zudem wurden stärker als bisher durch Absprache mit Gleichaltrigen „alkoholfreie Heimfahr- ten“ organisiert. Auch die Mediendarstellung der Kam- pagne ist überdurchschnittlich gut wahrgenommen wor- den. Die Plakate wurden verstanden und gleichzeitig als „nicht belehrend“ akzeptiert. Anerkennung gebührt an dieser Stelle auch der vorbildlichen Verkehrsbehörde in Schleswig-Flensburg, der Polizei, dem ADAC, den Organisationsträgern in Saarbrücken und in der Ober- lausitz und der Verkehrswacht in den Modellkreisen für eine gelungene, konzentrierte Kampagne. Die bundesweite Ausweitung der Aktion unter Regie des Bundes und der Länder wäre nicht nur ein wichtiger Schritt für mehr Aufklärung über die Folgen alkoholbe- dingten Fahrens, sondern auch für mehr Verkehrssicher- heit; auch wenn ein solches Projekt teuer wäre. Die bisherigen Erfolge geben berechtigten Anlaß zu der zwingenden Forderung, die Verkehrssicherheitsakti- on in den Modellregionen fortzusetzen, um weitere Er- fahrungen zu sammeln, aber auch zu der Schlußfolge- rung, sie unter der Regie des Bundes sowie in Abstim- mung mit den Ländern und Kommunen in ganz Deutschland als nationale Kampagne fortzuführen. Die- ser Anspruch deckt sich außerdem mit den Haus- haltsüberlegungen der neuen Bundesregierung zum Be- reich der Verkehrssicherheit. Danach sollen eingesetzte zusätzliche Haushaltsmittel „stärker für gefährdete Ziel- gruppen und für Bundesmaßnahmen bereitgestellt wer- den“, wie es in der Begründung heißt. Ich appelliere an die Bundesregierung, so zu handeln, wie sie es ange- kündigt hat. Die Erhöhung der Fördersumme für die Verkehrs- sicherheit durch die Bundesregierung verdient Anerken- nung; das gilt auch für den besonderen Einsatz des DVR bei den Pilotvorhaben. Eine erfolgreiche Verkehrs- sicherheitsmaßnahme abzubrechen, weil Union und F.D.P. sie begonnen haben, wäre kleinkariert und stieße Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 47. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Juni 1999 4069 (A) (C) (B) (D) bei den Menschen unseres Landes auf Unverständnis. Leider deuten die bisher hinhaltenden Antwortbriefe aus dem Verkehrsministerium in diese Richtung. Man will die Aufgabe auf die Länder abschieben. Das wäre eine Flucht aus der Verantwortung! Erinnern Sie sich: Die Altersgruppe der 18- bis 24jährigen ist die größte Risikogruppe unter den Ver- kehrsteilnehmern! Es sind auch bei diesen jungen Autofahrern besonders die „schwarzen Schafe“, um die es geht. Der große Teil der jungen Generation fährt verantwortungsbewußt; das gilt besonders für junge Frauen. Unterstützen sie die Initiative der CDU/CSU- Bundestagsfraktion; sorgen wir alle mit für eine weiter verbesserte Vekehrssicherheit durch Mitverantwortung! Hans-Günter Bruckmann (SPD): Jeder Beitrag zur Verbesserung der Sicherheit im Straßenverkehr wird von uns begrüßt. Uns ist klar, daß bei steigender Mobi- lität auch neue Herausforderungen in der Verkehrssi- cherheit auf uns zukommen. Wir brauchen im Verkehr Regeln die von allen akzeptiert und beachtet werden. Entscheidend für deren Wirksamkeit ist die Einsicht in die Vernunft. Deswegen ist das Ziel aller Maßnahmen unserer Verkehrspolitik, diese Einsicht zu fördern. Im Mittelpunkt stehen dabei positive Motivation, gezielte Verkehrserziehung und -aufklärung und eine wirksame Förderung von Fairness und Rücksichtnahme. Die Er- folge dieser Politik sind unbestreitbar. Im Jahre 1998 er- reichten wir einen historischen Tiefstand bei der Zahl der Getöteten im Straßenverkehr. Diese sinkende Ten- denz hat sich in den ersten Monaten des Jahres 1999 fortgesetzt. Dennoch kamen 7 772 Menschen im Stra- ßenverkehr ums Leben. Zehntausende Menschen wur- den schwer verletzt. Deshalb kann man natürlich mit diesen Zahlen nicht zufrieden sein. Ich glaube, jedem von uns ist klar, daß vor allem die schweren Unfälle und deren Folgen gemindert werden müssen. Daß der bisherige Rückgang an Verkehrstoten trotz gestiegenem Verkehrsaufkommen möglich war, ist vie- len Faktoren zu verdanken: technischen Neuerungen am Auto, einer verbesserten Infrastruktur, dem medizini- schen Fortschritt, der Verkehrserziehung und der Be- wußtseinsänderung durch Aufklärung. Wir sind heraus- gefordert, die Situation weiter zu verbessern. Die Bun- desregierung arbeitet daher mit wissenschaftlicher Un- terstützung und im Konsens mit den Verkehrssicher- heitsheitsverbänden an einem neuen Straßenverkehrssi- cherheitsprogramm 2000. Franz Müntefering hat am 12. Mai 1999 die Eck- punkte unserer nationalen Verkehrssicherheitspolitik bekanntgegeben, die wir in dieser Legislaturperiode Schritt für Schritt umsetzen werden. Dabei hat Unfall- verhütung oberste Priorität. Zusammen mit den Ver- kehrssicherheitsverbänden, den Fahrlehrerverbänden und den Verkehrsclubs werden Maßnahmen entwickelt, die in erster Linie auf Verhaltensänderungen der Ver- kehrsteilnehmer und Verbesserungen in der aktiven und passiven Sicherheit abzielen, wie zum Beispiel Verbes- serung der Verkehrserziehung an Schulen, problembe- wußte Ausbildung in Fahrschulen, Verbesserung der Verkehrssicherheit für schwache Verkehrsteilnehmer, technische Innovationen im Fahrzeugbau, im Verkehrs- management und in der Telematik, und eine Öffentlich- keitsarbeit, die über eine Bewußtseinsänderung zu einer Verhaltensänderung im Straßenverkehr führt. Wir haben weiterhin Gesetzesinitiativen zur Herab- setzung der Promillegrenze von 0,8 auf 0,5 Promille eingeleitet. Galt es vor 20 Jahren noch als Kavaliersde- likt, sich nach ein paar Glas Bier ans Steuer zu setzen, so wird heute zunehmend das Verhalten von Personen, die alkoholisiert fahren, nicht toleriert. Darauf zielt auch die Kampagne „Darauf fahr ich ab“. Analysiert man die Statistiken der letzten Jahre, so stellt man fest, daß es in der Tat die in dieser Kampagne angesprochene Zielgruppe ist, die einen überpropor- tional hohen Anteil an tödlich verunglückten Auto- fahrern ausmacht. Es handelt sich um junge Menschen im Alter von 18 bis 25 Jahren, bei denen verschiedene Faktoren zu einer erhöhten Beteiligung an Kfz-Unfällen führen. Eine entscheidende Ursache ist Alkoholkonsum bei Diskotheken- und Kneipenbesuchen. Ein anderer Grund für die in dieser Altersgruppe hohe Anzahl an Verletzten und Getöteten ist die Tatsache, daß die Insassenzahl in den Unfallfahrzeugen während der Heimfahrten nach Disko- oder Kneipenbesuchen überdurchschnittlich hoch ist. In Kombination mit dem Konsum von Alkohol führt die Anwesenheit von Beifahrern – anders als bei sonst allen anderen Altersgruppen – nicht zu einer Senkung, sondern zu einer Erhöhung des Unfallrisikos. Weil sich das Verhalten dieser jungen Menschen so deutlich von dem der anderen Altersgruppen unterschei- det, ist es richtig und wichtig, gerade für diese Zielgrup- pe besondere, auf ihre Bedürfnisse abgestimmte Projekte fortzuführen. Insoweit stimmten wir mit den Zielen des Antrages der CDU/CSU-Fraktion überein. Allerdings sind wir der Auffassung, daß diese Programme sinnvol- lerweise im Verbund mit Ländern, Kommunen und Ver- bänden initiiert und finanziert werden sollten. Dabei soll dem Bund durchaus die politische Moderatorenrolle zu- fallen, indem er beispielsweise auf die Ergebnisse der laufenden Pilotprojekte zurückgreift, um so positive Er- fahrungen zu transportieren und Synergieeffekte zu schaffen. Bei der weiteren Ausgestaltung von Sicherheitspro- grammen im Straßenverkehr sind die Länder, Kommu- nen und Verbände, die durch ihre Nähe zum jeweiligen Geschehen die größte Kompetenz besitzen, gleicherma- ßen gefordert. Es wäre sinnlos, nach dem Gießkannen- prinzip quasi „von oben herab“ Geldmittel und Pro- gramme flächendeckend über das Land zu streuen, die den spezifischen örtlichen und regionalen Situationen der Länder nicht gerecht würden. Die Situation in den alten Bundesländern ist eine an- dere als die in den neuen. 40 Prozent aller registrierten schweren nächtlichen Freizeitunfälle ereignen sich in den neuen Bundesländern. Die von der CDU/CSU- Fraktion geforderte nationale Sicherheitskampagne wür- de diesen besonderen regionalen Gegebenheiten nur un- zureichend gerecht. 4070 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 47. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Juni 1999 (A) (C) (B) (D) Um es noch einmal klarzustellen: Wir halten jede Initiative für sinnvoll, die dazu beiträgt, Menschen- leben zu retten, und unterstützen den Grundgedanken des Antrags. Wir sind aber der Meinung, daß die Organisation und Abwicklung dieser Maßnahmen in die Hand derjenigen gehört, die dies am besten leisten können. Wir teilen die Einschätzung der Bundesregierung, daß die Fortsetzung dieser Kampagne unter der Regie der Länder und Kommunen der richtige Weg ist. Der föderative Weg hat sich bewährt. Länder und Kommu- nen wissen besser, wie, wann, wo und mit welchem Mittelansatz die Verbesserung der Straßenverkehrs- sicherheit für die genannte Altersgruppe durchgeführt werden kann und soll. Für eine bundesweite Durchführung der Kampagne würden bei dem aufwendigen Konzept der drei Modell- regionen – bei Kosten von 11 bis 12 DM je angeschrie- benem Teilnehmer und über 6,3 Millionen Menschen in dieser Altersgruppe – Finanzmittel von zirka 70 Millio- nen DM notwendig. Sie wissen natürlich genauso gut wie wir, daß diese Summe derzeit nicht zur Verfügung steht – nicht zur Verfügung stehen kann. Ich werde die Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU-Fraktion des- halb nicht befragen, warum denn dieser Antrag nicht schon zu ihrer Regierungszeit gestellt wurde. Ich stelle aber fest, daß unsere neue Bundesregierung gehandelt und im Haushalt 1999 die Finanzmittel für Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrssicherheit überproportio- nal um 18 Prozent von 22 Millionen DM auf 26 Millio- nen DM gesteigert hat. Die Kampagne „Darauf fahr ich ab“ wird 1999 mit einem Mittelansatz von 3 Millionen DM fortgeführt und soll langfristig in 15 Landkreisen vom Bund angescho- ben und in eigener Regie der Länder, Kommunen und mit privater Beteiligung fortgeführt werden. Den hier vorliegenden Antrag der CDU/CSU- Fraktion werden wir ablehnen. Wir sind aber mit Ihnen darin einer Meinung, daß das Ministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen einen Ergebnisbericht über die drei Modellvorhaben im zuständigen Ausschuß vor- legen und die notwendigen Konsequenzen für Bund, Land und Kommunen aufzeigen soll. Wir wissen: Verkehrssicherheit ist Lebensqualität. Albert Schmidt (Hitzhofen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Verkehrssicherheit ist ohne Zweifel ein wichtiges Thema, denn durch Unfälle auf unseren Stra- ßen entsteht täglich großes menschliches Leid, und die Verbesserung der Verkehrssicherheit lohnt jede An- strengung. Der Antrag der Union, der heute in erster Le- sung zur Debatte steht, verfolgt daher ein richtiges und unterstützenswertes Ziel. Die Problemanalyse des Antrags ist, auch wenn sie nichts gravierend Neues enthält, sicher zutreffend: Auf- klärung, so der Kern der Botschaft, hilft, Unfälle ver- meiden – auch durch Sicherheitskampagnen und Son- derprogramme gerade für junge Menschen, gerade zur Verhinderung von alkoholbedingten Unfällen. Das in Ihrem Antrag beschriebene Projekt dafür in den drei genannten Modellgebieten wurde allerdings, liebe Kolleginnen und Kollegen, von der früheren Bun- desregierung nach immerhin 15 Regierungsjahren erst im Dezember 1997 als lobenswerte Kampagne auf den Weg gebracht, ein Dreivierteljahr vor Ihrer Abwahl. Ehe ich den Antrag selbst bewerte, gestatten Sie mir bitte Bemerkungen. Erstens. Bei Unfällen vor allem junger Männer ist fast immer Alkohol mit daraus folgender Selbstüber- schätzung im Spiel. Wir Bündnisgrünen haben darauf immer schon die verkehrspädagogisch richtigste und eindeutigste Reaktion als Antwort verlangt: Die Null- Promille-Regel. „Drink or drive“ – wer trinken möchte, sollte anschließend nicht mehr Auto fahren. Eine 0,0- Promille-Regel wäre die einfachste Lösung des Pro- blems – ohne „Herantrinken“ an irgendeine immer mehr oder weniger fragwürdige Grenze. Doch selbst der Vor- schlag, die Promillegrenze von 0,8 wenigstens auf 0,5 abzusenken, hat ja in der vergangenen Wahlperiode un- ter der CDU/CSU-geführten Regierung zu schier endlo- sen Diskussionen und schließlich nur zu einem sehr halbherzigen Kompromiß geführt: Promillegrenze 0,5 im Prinzip ja, aber richtig ernst wird es doch erst ab 0,8. Die SPD-bündnisgrüne Regierungskoalition ist in ihrer Koalitionsvereinbarung wenigstens einen Schritt konse- quenter und wird demnächst für eine klare Grenze bei 0,5 Promille sorgen – mit voller Sanktionierung bei Überschreitungen. Zweitens. Unfälle junger Männer ereignen sich vor allem in den Wochenendnächten von Freitag auf Sams- tag und von Samstag auf Sonntag; es handelt sich um die bekannten „Disko-Unfälle“. Oft sind nicht nur die durch Alkohol, möglicherweise Drogen oder einfach auch nur durch gute Stimmung enthemmten Fahrer be- troffen, sondern gleich mehrere Mitfahrerinnen und Mit- fahrer. Woran liegt das? Diskos und ähnliche Lokale sind häufig nur mit dem Auto erreichbar – einfach des- halb, weil es eine Busverbindung, die eine sichere Wei- terfahrt zur nächsten Disko oder eine sichere Heimfahrt bietet, nicht gibt. Um dieses Defizit ursächlich zu behe- ben, braucht man bessere ÖPNV-Angebote, gerade im ländlichen Raum. Bis heute gibt es leider nur inselhaft gute Angebote von Nacht-, Mitternachts- und Diskobus- sen, eventuell ergänzt von Anrufsammeltaxis, die nicht nur weibliche Nachtschwärmerinnen sicher bis vor die Haustür bringen. Nehmen wir das Beispiel Münsterland, also ganz bewußt ein großes, weithin ländliches Gebiet, wo angeblich das Angebot Diskobus nicht machbar oder nicht finanzierbar ist. In Wahrheit existieren dort bereits 16 Nachtbuslinien, und jede zweite Gemeinde hat ein Anrufsammeltaxi. Nachtschwärmer finden also ein fast flächendeckendes ÖPNV-Angebot vor. Die Finanzierung solcher Nachtbusse ist mit einiger Kreativität kein Problem. Im Münsterland gilt etwa fol- gende Faustformel: Ein Drittel der Kosten der Busse, die in der wichtigsten Wochenendnacht, von Samstag auf Sonntag, von 19 bis 3 Uhr alle zwei Stunden fahren, tra- gen die Fahrgäste. Ein weiteres Drittel wird von Sponso- ren wie Versicherungen aufgebracht. Denkbar sind in dieser Rolle auch die Diskotheken selbst oder die Braue- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 47. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Juni 1999 4071 (A) (C) (B) (D) reien –, und das letzte Drittel steuern die Kommunen bei, die mit dem Nachtbus erschlossen werden. Diese zahlen in der Regel nicht mehr als eine bis zwei DM pro Einwohner und Jahr – ein Bagatellbetrag, der sich schon dann „rechnet“, wenn nur alle fünf bis zehn Jahre ein einziger schwerer Unfall vermieden wird. Die Nachtbus- se, also die Fahrzeuge selbst, sind – weil ohne gutes, of- fensives Marketing auch im öffentlichen Verkehr nichts geht – die wichtigsten Marketinginstrumente und mit den Symbolen des Nachtlebens phantasievoll lackiert. Natürlich fahren sie auch tagsüber, machen also eigent- lich ständig Werbung in eigener Sache und zeigen so ganz klar: Ein gutes Angebot von Bus und Bahn ist ein differenziertes Angebot für fast jeden Mobilitätswunsch. Was ist die Quintessenz? Es kommt nicht allein auf Aufklärung und auf freiwilligen Verzicht an. Mindestens ebenso wichtig sind die Alternativen. Insofern ist nicht immer der in Ihrem Antrag propagierte Ruf nach dem Staat als Geldgeber zielführend. Im übrigen ist bei die- sem Thema natürlich nicht nur der Bund, sondern es sind auch die kommunale und die Landespolitik in der Verantwortung. In einer Pressekonferenz hat der Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen am 12. Mai dieses Jahres umfangreiche Initiativen für mehr Verkehrssi- cherheit vorgestellt und dabei zu Recht den Kreis der kooperierenden Verantwortlichen deutlich erweitert. Neben Bund, Bundesländern und Kommunen sollten sich auch Diskos und Brauereien, Verkehrssicherheits- und Fahrlehrerverbände, Auto- und Verkehrsclubs ge- meinsam engagieren. Liebe Kolleginnen und Kollegen, der jetzt von den Unionsfraktionen vorgelegte Antrag gibt uns die Mög- lichkeit, in den Ausschüssen über einen wichtigen Aspekt der Verkehrssicherheit konstruktiv miteinander zu beraten. Dort ist dann auch Raum und Zeit dafür, mögliche Verbesserungen zu erörtern und zu beschließen. Dr. Karlheinz Guttmacher (F.D.P.): Die Verkehrs- sicherheit im Straßenverkehr war, ist und bleibt eine ge- samtgesellschaftliche Aufgabe. Die Verantwortlichen aus Verbänden und Politik ha- ben durch unterschiedliche Sicherheitskonzepte die Ver- kehrssicherheit stetig verbessert. Dennoch gibt es eine Zielgruppe – die Verkehrsteilnehmer der Altersgruppe zwischen 18 und 25 Jahren –, die an 22% aller Ver- kehrsunfälle beteiligt ist und 23% aller Verkehrstoten ergibt. Der Anteil der jungen Verkehrsteilnehmer an der Gesamtbevölkerung beträgt aber lediglich 8%. Diese hohe Unfallstatistik der Jugendlichen im Stra- ßenverkehr hat mehrere Gründe. So können technische Fehler an den zum großen Teil älteren, kostengünstige- ren Fahrzeugen zu häufigen Unfällen führen. Aber auch die subjektive Einstellung zu Alkohol, Drogen und Me- dikamenten im Zusammenhang mit der eigenen Benut- zung eines Kraftfahrzeugs begründet oftmals den Ver- kehrsunfall. Die Verkehrsteilnehmer der Zielgruppe zwischen 18 und 25 Jahren fahren 40% der Fahrzeuge, die älter als neun Jahre sind. Alte Autos aber sind mängelanfällig. Gefährlich wird es, wenn es Lenkung, Bremsen oder an- dere für die Fahrzeugsicherheit wichtige Teile betrifft. Um die Gefahr zu erkennen und zu bannen, hat die deutsche Verkehrswacht mit freundlicher Unterstützung der DEKRA Automobil AG und den deutschen Auto- versicherern für junge Fahrer die Aktion „safety check“ auf die Beine gestellt. „Safety check“ tourt seit Herbst 1998 durch Deutschland. Die Teilnahme am „safety check“ ist ko- stenfrei und völlig unverbindlich. Das heißt: Wer bei safety check dabei ist, zeigt Verantwortung für sich, sei- ne Mitfahrer und andere Verkehrsteilnehmer. Aber auch die gute und gezielte, vorbeugende Auf- klärungsarbeit, vor allem die Kampagnen über die Ge- fahren von Alkohol und Drogen beim Führen eines Kfz, wie sie durch die frühere Bundesregierung in Zusam- menarbeit mit dem Deutschen Verkehrssicherheitsrat mit Unterstützung der Deutschen Verkehrswacht durch mehrere Modellprojekte durchgeführt wurden, zeigen, wie die Unfallstatistik besonders bei schweren Ver- kehrsunfällen signifikant verbessert werden konnte. Ein weiteres, noch bedeutsames Ergebnis in den Pro- jektkreisen konnte durch die Bundesanstalt für Straßen- wesen in der Form angegeben werden, daß ein hoher Anteil der jungen Frauen und Männer aktiv versucht ha- ben, alkoholisierte Fahrer vom Fahren abzuhalten. Ebenso wurden stärker als bisher durch Absprache mit Gleichaltrigen „alkoholfreie Heimfahrten“ organisiert. Dieses Sonderprogramm für junge Verkehrsteilneh- mer, wie „Darauf fahr ich ab … Nur nüchtern am Steuer“, sollte verlängert und bundesweit ausgedehnt werden. Wir halten es für zwingend notwendig, daß die Bun- desregierung bereits zum Ende dieses Jahres einen er- sten Zwischenbericht vorlegt, der die Entwicklung der zielgruppenorientierten, nationalen Verkehrssicherheits- kampagne darlegt und weiteren Handlungsbedarf auf- zeigt. Eva-Maria Bulling-Schröter (PDS): Die Union hat dieses Hohe Haus mit einem Antrag zu einer „Nationa- len Verkehrssicherheitskampagne“ beglückt. Der Bun- destag wolle beschließen: „Die Verbesserung der Ver- kehrssicherheit ist eine andauernde gesamtgesellschafts- politische Aufgabe.“ Wer wollte dem widersprechen? Besonders die Gesamtgesellschaftspolitik gefällt uns sehr. Bei genauerer Betrachtung geht es aber in diesem Antrag weniger um die gesamte Gesellschaft als um eine bestimmte Bevölkerungsgruppe. Zu Recht verweisen die Antragsteller – einschließlich der beiden Antragstelle- rinnen – darauf, daß von allen Bevölkerungsgruppen eine weit überproportional am Unfallgeschehen auf unseren Straßen beteiligt ist: männliche Heranwachsende, die im alkoholisierten Zustand mit überhöhter Geschwindigkeit sich und andere gefährden. Dezenterweise spricht die CDU/CSU nur von jungen Leuten allgemein und schließt in der Risikogruppe somit auch die jungen Frauen ein. So sehr wir es begrüßen, wenn die Union die Gleichberechtigung der Geschlech- 4072 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 47. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Juni 1999 (A) (C) (B) (D) ter für sich entdeckt, in diesem Falle hätte es gereicht, bei den Herren der Schöpfung zu bleiben, denn protzen- des Männlichkeitsgehabe spielt eine große Rolle bei den jedes Wochenende zu beklagenden Autoverkehrsunfäl- len. Aber es sind ja nicht nur die Heranwachsenden, auch Herren im gesetzteren Alter sind nicht ohne Fehl. So entnehmen wir jüngst der Presse, daß der bayerische Ju- stizminister Alfred Sauer bei einem Selbstversuch mit 0,3 Promille im Blut im Fahrsimulator ein – simuliertes – Reh und ein anderes Auto anfuhr und sodann Fahrer- flucht beging. Fahrerflucht in einem Fahrsimulator ist immerhin eine beachtliche Leistung. Auch der für das Verkehrswesen im Freistaat zuständige Staatsminister Wiesheu hat bekanntlich einschlägige Erfahrungen mit den Fahrten unter Alkohol. Wenn die Kollegen Dr. Schäuble und Glos eine „zielgruppenorientierte nationale Verkehrssicherheits- kampagne“ wollen, läge es nahe, Mitglieder und Funk- tionsträger der CSU ins Auge zu fassen. Dabei könnten wir auch eine Menge Geld sparen. Statt der im Antrag geforderten vier Millionen DM bräuchten wir nur für 140 000 CSU-Mitglieder je drei Mark Porto. Ob eine solche Aktion einen ähnlichen großen Erfolg hätte wie der Modellversuch in Schleswig, vermag ich freilich nicht zu sagen. Aber im Ernst: Staatsminister Sauer zog immerhin die Konsequenz, schärfere Strafen für das Fahren unter Alkohol zu fordern. Davon lesen wir in diesem Antrag nichts. Auch nichts von einer Verbesserung des öffentli- chen Verkehrsangebots im ländlichen Raum. Stattdessen sollen Telefonkarten an junge Frauen verschickt werden, mit denen sie ein Taxi bestellen können. Und wer be- zahlt dann die Taxifahrt? Meine jungen Damen und Herren von der Union, warum sind Sie nicht konsequent und fordern mit uns die Einführung der 0,0-Promille-Grenze im Straßenver- kehr? Wenn schon ein gestandener bayerischer Staats- minister nachweislich mit 0,3 Promille fahrunfähig ist, was erwarten Sie dann von jungen Fahranfängern, denen Sie gesetzlich 0,5 oder gar 0,8 Promille zubilligen? Sie sehen „berechtigten Anlaß zu der zwingenden Forderung“, die Verkehrssicherheitskampagne fortzu- setzen. Wir dagegen sehen zwingenden Anlaß zu der be- rechtigten Forderung nach 0,0 Promille im Straßenver- kehr und lehnten Ihren Antrag ab. Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zum Antrag der Fraktionen SPD, CDU/CSU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und F.D.P.: Bei- legung des Westsaharakonflikts (Tagesordnungspunkt 13) Dr. Eberhard Brecht (SPD): Nicht zum erstenmal erörtert der Deutsche Bundestag die notwendigen Schritte zu einer dauerhaften Konfliktlösung in der Westsahara. Wir alle hoffen, daß wir nicht dem Gesetz der Serie unterworfen sind, sondern daß der von der UNO betriebene Friedensprozeß endlich vorankommt. Niemand vermag heute zu sagen, ob die nun erreichten Vereinbarungen von beiden Konfliktparteien auch tat- sächlich eingehalten werden und ob der neue Frie- densplan der UNO ohne große Verzögerungen wirklich umgesetzt werden kann. Es lag nicht an den bisherigen Bemühungen der UNO und einzelner engagierter Länder, daß der Friedens- prozeß immer wieder ins Stocken geriet. Erst die Rück- schläge bei den Vermittlungsbemühungen hatten die Re- signation der internationalen Gemeinschaft hervorgeru- fen und schließlich dazu geführt, daß die UN-Friedens- mission MINURSO personell und materiell verklei- nert wurde und daß man sogar über einen Abzug der MINURSO-Kräfte nachdachte. Dies mußte und muß den Konfliktparteien, dem Königreich Marokko und der Polisario, deutlich gesagt werden: die internationale Gemeinschaft ist nur in dem Maß bereit, sich personell und materiell bei dem langen Weg in Richtung Frieden zu engagieren, als eine solche Bereitschaft bei den Kon- fliktparteien selbst auch erkennbar wird. Mit dem vorliegenden fraktionsübergreifenden An- trag bringt der Bundestag seine volle Unterstützung für den Plan zur Beilegung des Konflikts zum Ausdruck, so wie er vom Generalsekretär der Vereinten Nationen für die Westsahara vorgeschlagen wurde. Das Ziel, ein frei- es, gerechtes und unparteiisches Referendum durchzu- führen, ist nach wie vor richtig, um der Selbstbestim- mung der Bevölkerung der Westsahara Geltung zu ver- schaffen. Damit unterstützen wir die Voten des Interna- tionalen Gerichtshofs, der UNO, der Organisation der Afrikanischen Einheit, OAU und der EU. Mit den Ver- einten Nationen treten wir für eine gerechte und dauer- hafte Lösung des Konfliktes in der Westsahara ein. Der von Kofi Annan vorgelegte Zeitplan ist reali- stisch: Identifizierung der Wahlberechtigten: Juni bis November 1999, Behandlung der Einsprüche: Juni 1999 bis Februar 2000, Übergangsperiode: Februar 2000, Re- ferendum: Juli 2000. Allerdings hängt die Realisierung dieses Zeitplans davon ab, ob das Identifizierungsprogramm strikt durch- geführt wird, ohne daß sich die bekannten Verzögerun- gen oder sogar Unterbrechungen wiederholen, und ob etwa die Einspruchsverfahren zu einer zweiten Identifi- zierungsphase führen werden. Damit ist der entscheidende Punkt angesprochen: Beide Konfliktparteien müssen sich strikt an die vorge- gebenen Verfahren des Friedensplans halten. Andere Fragen, wie die nach der staatlichen (Ko-) Existenz, dem Umgang mit Minderheiten, einer denkbaren Autonomie und ähnliches sind zu einem späteren Zeitpunkt zu be- handeln. Jetzt geht es erst einmal darum, die Vorausset- zungen für das Referendum zu schaffen und dieses dann auch abzuhalten. Die Flüchtlingsfrage ist ein entscheidendes Element des Friedensplans. Es ist zu hoffen, daß die laufenden Gespräche beider Parteien mit dem UNHCR rasch zu einem Abkommen führen. Erst dann können Maßnah- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 47. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Juni 1999 4073 (A) (C) (B) (D) men getroffen werden, die eine Rückkehr der Flüchtlin- ge ermöglichen. Wer die Flüchtlingslager in der Sahara kennt, weiß, daß die Lebensbedingungen dort extrem schlecht sind. Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft hat in ihrer Er- klärung vom Montag dieser Woche auf die Bedeutung vertrauensbildender Maßnahmen hingewiesen. Der Deutsche Bundestag hatte schon in seinem letzten An- trag darauf aufmerksam gemacht, daß die andauernde Notlage der Kriegsgefangenen schnellstmöglich beendet werden muß. Die wenigsten Bürger unseres Landes wis- sen, daß fast 20 Jahre nach dem Kriegsende in der West- sahara noch immer etliche Hundert marokkanische Kriegsgefangene in der Wüste gefangengehalten wer- den. Der Unterausschuß Vereinte Nationen hat hier zu helfen versucht und die Öffentlichkeit mehrfach über deren erbarmungswürdiges Schicksal unterrichtet, um Druck auf die Konfliktparteien auszuüben. Eine ab- schließende Lösung dieses humanitären Problems mah- nen wir auch heute wieder an. Dem Königreich Marokko muß von dieser Stelle aus gesagt werden, daß es die eingetretenen Verzögerungen im Friedensprozeß in erheblichem Maße zu verantwor- ten hat. Es geht nicht an, daß auf der einen Seite hohe Vertreter der marokkanischen Regierung gegenüber un- serer Regierung erklären, Marokko stehe zum Referen- dum und werde das Ergebnis anerkennen, andererseits aber erkennbar versucht wird, das Verfahren zu verzö- gern. Die Veröffentlichung der angeblich neuen Kritik des spanischen Oberst Cuevas am Zensus von 1974 ist dafür eindrucksvolles Beispiel. Auch die Begleit- umstände des jüngsten Besuchs des UNO-Generalsekre- tärs Annan sind sicher kein ermutigendes Zeichen dafür, daß sich Marokko in der Westsahara-Frage wirklich be- wegt. Vertreter der Polisario beklagten mir gegenüber das geringe Engagement der Europäischen Union. Diese Sicht ist nicht ganz falsch, da es einige Mitgliedsländer gibt, die sich parteilich zugunsten von Marokko ver- halten. Die EU sollte jedoch ein vitales Interesse an Sicherheit und Stabilität in der Region haben. Sie kann nicht tatenlos zusehen, wenn sich der Westsahara- Konflikt erneut zuspitzt und der Maghreb weiter desta- bilisiert wird. Deutschland genießt nach wie vor einen guten Ruf in der Region. Keine der Konfliktparteien muß eine einsei- tige Parteinahme Deutschlands befürchten. Bei den Ge- sprächen, die die Mitglieder des Unterausschusses VN in Marokko und in der Westsahara vor einiger Zeit ge- führt haben, haben sich die Polisario und das Königreich für ein stärkeres deutsches Engagement beim Westsaha- ra-Konflikt ausgesprochen. Das Angebot der Bundesre- gierung – der alten wie der neuen – an die Vereinten Nationen findet unsere Unterstützung, zur Verwirkli- chung des Friedensplans bis zu 5 Militärbeobachter und 10 Polizisten zu entsenden. Dies setzt allerdings deutli- che Fortschritte beim Identifizierungsprozeß der Wahl- berechtigten voraus. Wir fordern das Königreich Ma- rokko und die Frente Polisario daher auf, mit den Ver- einten Nationen uneingeschränkt und konstruktiv zu- sammenzuarbeiten. Dr. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU): Wir haben in den vergangenen Jahren ja mehrfach hier über die Beilegung des Westsaharakonflikts debattiert. Der Tenor dieser Debatten war immer der gleiche und unter allen Fraktionen des Hauses unstrittig: Wir haben den Frie- densplan des UN-Sicherheitsrates für die Westsahara vom 29. April 1991 begrüßt. Wir haben darauf hinge- wiesen, daß dieser Friedensplan von beiden Kon- fliktparteien, dem Königreich Marokko und der Frente Polisario, akzeptiert wurde. Wir haben unserer Hoffnung Ausdruck gegeben, daß der Friedensplan schnell umge- setzt werde, daß die Konfliktparteien den Krieg beenden und einen dauerhaften Frieden erreichen würden. Und wir haben mit zunehmender Dauer unsere Enttäuschung zum Ausdruck gebracht, daß nichts geschieht. Die Polisario redete von Unabhängigkeit, die marok- kanische Regierung von Gesprächen über eine Autono- mieregelung, der Dialog trat auf der Stelle, das Referen- dum, in dem die Saharaouis über ihre Zukunft abstim- men sollten, fand wegen des Streits über die Stimmbe- rechtigten nicht statt. Die UNO geriet zunehmend in ein unerträgliches Dilemma. Sie stand vor der Wahl, ihre Westsaharamission für gescheitert zu erklären und die Blauhelme abzuziehen oder aber ihre Machtlosigkeit zu akzeptieren und in der Westsahara zu bleiben, ohne et- was zu tun. Beides wäre für die Glaubwürdigkeit der UNO verheerend gewesen. Deshalb geht es in der West- sahara nicht nur um das Schicksal der Saharaouis, um den Frieden in der Region, sondern mit zunehmender Dauer des Konfliktes mehr und mehr um die Autorität der Vereinten Nationen und um ihre Fähigkeit, interna- tionale Konflikte zu schlichten. Deshalb war es wichtig, daß der neue Kompromiß- vorschlag von UN-Generalsekretär Kofi Annan im De- zember letzten Jahres wieder Bewegung in den Prozeß gebracht hat. Wir begrüßen, daß nach der Polisario und Algerien nun auch Marokko dem Verfahren zur Auf- stellung der Wählerlisten zugestimmt hat und beide Konfliktparteien sich auf Kriterien geeinigt haben, nach denen die UNO in Streitfällen entscheiden wird. Wir erwarten einmal mehr von allen Beteiligten, daß das Re- ferendum jetzt zügig vorbereitet und durchgeführt wird. Bei aller Erleichterung über die jetzt erzielte Eini- gung wissen wir, daß erneute Verzögerungen und Un- terbrechungen des vereinbarten Prozesses unweigerlich zu einer neuen Eskalation des Konfliktes führen und einen irreparablen Schaden für die Vereinten Nationen verursachen würden. Deshalb muß die UNO stärker als in den vergangenen Jahren auf die Konfliktparteien Druck ausüben, die Vereinbarungen Punkt für Punkt einzuhalten, den Streit über die Wählerlisten schnell beizulegen, die Planung zur Rückführung der Flüchtlin- ge umgehend wieder aufzunehmen und einen konkreten Zeitplan mit überprüfbaren Teilzielen auf dem Weg zu einem umfassenden Frieden zu erarbeiten. Nur so kön- nen die Glaubwürdigkeit der Vereinten Nationen und ih- re Handlungsfähigkeit zur Friedenssicherung gewahrt werden. Um den Westsaharakonflikt endgültig beizulegen, müssen auch andere internationale Akteure im Rahmen ihrer Zuständigkeit auf beide Konfliktparteien einwir- 4074 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 47. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Juni 1999 (A) (C) (B) (D) ken, etwa die Europäische Union im Rahmen ihrer Mit- telmeerpolitik. Das gleiche gilt selbstverständlich für nationale Regierungen im Rahmen der bilateralen Be- ziehungen, wie wir es in unserem Antrag ja gegenüber der Bundesregierung zum Ausdruck bringen. Die CDU/CSU unterstützt den vorgelegten Antrag und hofft, daß wir heute unsere letzte Debatte über den letzten Dekolonialisierungskonflikt in Afrika führen. Ulrich Irmer (F.D.P.): Seit nunmehr über acht Jahren bemüht sich die Staatengemeinschaft um eine Lösung des Westsaharakonfliktes. Wer Bundestagsdebatten zu diesem Thema in den letzten Jahren verfolgt hat, wird feststellen, daß sich trotz der intensiven Bemühungen der Vereinten Nationen, trotz wiederholter Verhand- lungsmissionen und trotz der von beiden Seiten ständig beteuerten grundsätzlichen Bereitschaft zu einer friedli- chen Konfliktbeilegung bis heute kaum etwas bewegt hat. Zwar haben beide Seiten inzwischen das UNHCR- Statut unterschrieben. Ein Austausch der seit Jahren un- ter menschenunwürdigen Bedingungen festgehaltenen Kriegsgefangenen ist in nennenswertem Umfang jedoch bislang noch nicht zustande gekommen. Zwar haben sich beide Seiten grundsätzlich auf ein Referendum ver- ständigt. Bei dem entscheidenden Problem der Identifi- zierung der Wahlberechtigten gibt es jedoch trotz inten- siver Vermittlungsbemühungen des früheren US- Außenministers James Baker bis heute keine wesentli- chen Fortschritte. Marokko insistiert nach wie vor auf die Anerkennung von zirka 65 000 Angehörigen um- strittener Volksstämme als Sahraouis. Die Folge ist eine schon fast ritualisierte Verschiebung des Termins für das Referendum sowie die Verlängerung des MINURSO- Mandats. Nachdem der auf Dezember letzten Jahres festgelegte Termin nicht eingehalten werden konnte, ist er nunmehr auf Juli 2000 verschoben worden. Dennoch gibt es zu dem von den Vereinten Nationen eingeleiteten Friedensprozeß keine Alternative. Ein Ab- zug der UNO-Mission würde die Parteien wieder sich selbst überlassen – ohne Perspektive für eine friedliche Einigung. Dies birgt die Gefahr eines Wiederauflebens der Kämpfe. Eine Destabilisierung der gesamten Region könnte die Folge sein. So hat zum Beispiel Mauretanien erkennen lassen, daß es einen Abzug von MINURSO als den Beginn einer realen Drohung empfinden würde, nicht zuletzt wegen der zu erwartenden Flüchtlings- ströme. Die Staatengemeinschaft darf sich daher trotz aller Rückschläge nicht aus den Bemühungen um eine politi- sche Lösung des Westsaharakonfliktes zurückziehen. Die F.D.P.-Bundestagsfraktion begrüßt nachdrücklich die in dem Antrag zum Ausdruck kommende fortge- setzte Unterstützung für die Bemühungen des UNO- Generalsekretärs. Wir hoffen, daß seine jüngsten Bemü- hungen, dem Friedensprozeß neue Impulse zu verleihen, zum Erfolg führen. Der neu ernannte Sonderbeauftragte des Generalsekretärs für Westsahara, Botschafter Eagle- ton, sowie der neue Vorsitzende der Identifizierungs- kommission, Vetere, haben unsere volle Unterstützung. Wir erwarten von den Konfliktparteien, insbesondere vom Königreich Marokko, daß sie die nunmehr erneut verlängerte Frist nutzen, um die Hindernisse auf dem Weg zum Referendum zu beseitigen. Dabei ist die Frage des Kriegsgefangenenaustausches aus unserer Sicht prioritär. Eine Lösung dieses gravierenden humanitären Problems wäre eine vertrauensbildende Maßnahme, die für den weiteren Friedensprozeß eine zentrale Signal- wirkung haben könnte. Carsten Hübner (PDS): Einmal mehr steht heute der Westsahara-Konflikt auf der Tagesordnung. Seit der letzten Behandlung des Themas in diesem Haus hat sich nicht viel getan: Das Referendum ist erneut verschoben worden; laut aktuellem Zeitplan soll es nun Mitte näch- sten Jahrs stattfinden, ob dieser Zeitplan eingehalten werden kann, steht angesichts der Tatsache, daß der UN- Friedensplan seit 1991 seiner Umsetzung harrt, weiter in den Sternen. Daß der Dekolonisierungsprozeß der Westsahara nach über zwanzig Jahren noch nicht abgeschlossen ist und sich ins nächste Jahrtausend ziehen wird, ist dem of- fensichtlichen Desinteresse der internationalen Gemein- schaft an einer Regelung des Konflikts geschuldet. Nur zu bereitwillig hat man Marokkos völkerrechtswidrige Okkupation des Gebiets der Westsahara hingenommen und großzügig darüber hinweggesehen, daß Marokko trotz seiner Zustimmung zur Abhaltung eines Referen- dums bislang keine Gelegenheit ausgelassen hat, den Friedensplan der UN zu sabotieren. Die Position der Bundesrepublik Deutschland war da wahrlich keine Ausnahme. Nach außen hin betonte man die eigene Neutralität und das Interesse an einer Regelung des Konflikts. Allerdings wurden die besten Beziehungen, die man mit Marokkos König Hassan pflegte, nie durch einen Hinweis auf den ungelösten Westsahara-Konflikt und die von Marokko betriebene Obstruktionspolitik ge- genüber der UN getrübt. Die in regelmäßigen Abständen vom Bundestag ver- abschiedeten Resolutionen, mit denen der Friedenspro- zeß mit einem nichtssagenden Appell an beide Seiten unterstützt werden sollte, waren nicht mehr als Lippen- bekenntnisse, da sie vornehmlich darauf abzielten, Ma- rokko bloß nicht auf die Füße zu treten. Auch der jetzt vorliegende Antrag besticht nicht gerade durch deutliche Worte, jedoch ist der Halbsatz, daß die Bundesregierung ihren Einfluß „insbesondere auf das Königreich Marok- ko“ geltend machen sollte, eine positive Entwicklung, die mehr als überfällig ist. Schließlich geht es darum, den Friedensplan der UN vor dem endgültigen Scheitern zu retten, und dies wird nur durch entsprechenden Druck auf Marokko gelingen. Die PDS unterstützt die in dem Antrag enthaltene Forderung und wird ihm zustimmen. Wir sehen dabei darüber hinweg daß es wieder einmal offensichtlich unmöglich war, die PDS in den interfrak- tionellen Antrag zu integrieren. Wir sollten uns noch einmal vor Augen halten, wor- um es geht: Marokko hat 1975 das Gebiet der Westsaha- ra besetzt, obwohl der Internationale Gerichtshof in Den Haag festgestellt hatte, daß es keinerlei historischen An- spruch Marokkos auf das Territorium gibt. Der größte Teil der Bevölkerung der Westsahara wurde aus dem Gebiet vertrieben. 170 000 Sahrauis leben bis heute in Flüchtlingslagern in der algerischen Wüste. Die Demo- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 47. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Juni 1999 4075 (A) (C) (B) (D) kratische Arabische Republik Sahara, die von der Frente Polisario ausgerufen wurde, ist Mitglied der OAU und wird von 70 Staaten anerkannt. Es gibt einen UN- Friedensplan, der darauf abzielt, ein Referendum über die Zukunft der Westsahara abzuhalten. Kurz und gut, es geht darum, eine Minimalforderung durchzusetzen: nach über zwanzig Jahren dem sahrauischen Volk zu seinem Recht zu verhelfen, über die eigene Zukunft zu ent- scheiden. Dem Friedensplan der UN hat sogar Marokko zuge- stimmt, wenn es auch gleichzeitig klar gemacht hat, daß es ein anderes Ergebnis als eine Bestätigung der Marok- kanität der Westsahara nicht hinnehmen würde. Von dieser Position ist es seitdem nicht abgewichen. Es ist erbärmlich, daß die internationale Gemeinschaft und auch die Bundesregierung Deutschlands wenig Engage- ment gezeigt hat, Marokko zu einer Aufgabe seiner Ma- ximalforderung zu bewegen. Offensichtlich war es im- mer wichtiger, die Beziehungen zu König Hassans Re- gime zu stärken, als eine mögliche Änderung des Status quo in Kauf zu nehmen. Schließlich profitierte man von der Zusammenarbeit: Die Bundesregierung lieferte in den letzten zwei Jahrzehnten Rüstungsgüter im Wert von etwa einer Milliarde DM an Marokko. Daß Marok- ko Krieg führte, war hier genauso unerheblich wie für die Entscheidung, Marokkos Militär im Rahmen der Ausstattungshilfe zu fördern. Im Vordergrund der Be- ziehungen stand die Bemühung, Marokko als Bollwerk gegen das Eindringen afrikanischer Flüchtlinge in die Festung Europa auszubauen. Da schaute man über Krieg und massive Menschenrechtsverletzungen gerne hinweg. Es steht abzuwarten, wie die neue Regierung ihre Poli- tik gegenüber Marokko gestalten wird. Sie ist angetre- ten, um Menschenrechten mehr Geltung zu verschaffen und um das Völkerrecht und die UN zu stärken. Bislang hat sie mit ihrer Politik genau das Gegenteil erreicht. Im Fall der Westsahara hätte sie eine Chance, ihren Einfluß einzusetzen, um einer friedlichen Lösung eines langwäh- renden Konflikts im Rahmen eines UN-Friedensplans zum Durchbruch zu verhelfen. Sie sollte diese Chance nutzen und ihre Worte durch deutliche Gesten unter- mauern. Dazu gehört auch die sofortige Einstellung der Ausstattungshilfe. Darüber hinaus erwarten wir, daß die neue Regierung ihr Bekenntnis zu den Menschenrechten umsetzt und in sämtlichen Gesprächen mit Marokko auf bilateraler und multilateraler Ebene alle problematischen Felder anspricht, sowohl in bezug auf die Westsahara als auch in bezug auf alle weiteren Felder, in denen Marokko die Menschenrechte verletzt. Dr. Ludger Volmer, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Im Namen der Bundesregierung begrüße ich den Entschließungsantrag, auf den sich die Fraktionen der SPD, CDU/CSU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der F.D.P. im deutschen Bundestag geeinigt haben. Die im Antrag dargelegten Positionen werden von der Bundes- regierung geteilt. Ich möchte diese Gelegenheit zunächst nutzen, um dem Generalsekretär der Vereinten Nationen Kofi Annan und den Vertretern der Vereinten Nationen in der Westsahara unsere Unterstützung und Anerkennung für ihre schwierige Arbeit auszusprechen und ihnen Erfolg für die Zukunft wünschen. Auf ihre Amtsführung wird es jetzt wesentlich ankommen. Die Westsaharaproblematik dauert nun schon über zwanzig Jahre an, und eine endgültige Lösung wurde immer wieder hinausgeschoben. 1991 haben die Bemü- hungen der Vereinten Nationen und anderer dazu ge- führt, daß ein Waffenstillstand zustande kam und somit dem Blutvergießen Einhalt geboten werden konnte. Nun mehren sich die Anzeichen dafür, daß der VN- vermittelte Lösungsplan letztendlich wirksam umgesetzt werden kann. Mit dem Beginn der Identifizierung der sogenannten „umstrittenen Stämme“ Anfang Juli geht der Lösungsplan in eine entscheidende Phase. Äußerun- gen der Konfliktparteien und ihre grundsätzliche Zu- stimmung zum VN-Friedensplan geben Anlaß zu Hoff- nung, daß trotz der immer wieder auftretenden Schwie- rigkeiten das Referendum, das endgültig über die Zu- kunft der Westsahara entscheiden wird, noch im Jahr 2000 stattfinden kann. Die Bundesregierung hat sich in enger Abstimmung mit unseren Partnern in der EU stets um Fortschritte im Lösungsprozeß bemüht und sich vor allem auch mit der Bereitstellung von Polizeibeamten an der MINURSO- Mission in der Vergangenheit konkret beteiligt. Aus Haushaltsgründen werden wir aber bedauerlicherweise jetzt nicht mehr in der Lage sein, erneut Militärbeob- achter und Polizisten den Vereinten Nationen zur Verfü- gung zu stellen. Ich bedauere dies sehr, hoffe aber, daß es uns zumindest mittelfristig wieder möglich sein wird, uns auch in diesem Bereich – wie bisher – zu engagieren. Die Europäische Union hat sich in ihren Erklärungen zur Westsahara vom 29. Dezember 1998 und zuletzt auf unsere Initiative vom 21. Juni 1999 voll und ganz hinter die Bemühungen der Vereinten Nationen gestellt. Das MINURSO-Mandat wurde vom Sicherheitsrat der Ver- einten Nationen mit Sicherheitsratsresolution 1 238 vom 14. Mai 1999 noch einmal bis zum 14. September 1999 verlängert. Die Bundesregierung hofft, daß Fortschritte bei der Durchführung des Lösungsplans künftig weitere Verlängerungen des MINURSO-Mandates durch den Sicherheitsrat bis zu einem erfolgreichen Abschluß des Verfahrens ermöglichen werden. In ihrer Erklärung vom 21. Juni 1999 hat die Europäi- sche Union noch einmal verdeutlicht, wo wir unsere Prio- rität sehen: nämlich in der Durchführung eines freien, gerechten und unparteiischen Referendums, mit dem das Selbstbestimmungsrecht der Bevölkrung der Westsahara verwirklicht werden soll. Diese Selbstbestimmung des saharaouischen Volkes werden wir respektieren. Wir begrüßen in diesem Zusammenhang die Einigung zur weiteren Umsetzung des Lösungsplans der Verein- ten Nationen. Wir hoffen, daß der Zeitplan, insbesonde- re beim Berufungsverfahren der Wähleridentifizierung, eingehalten wird. Die Europäische Union hat beide Parteien zur umfas- senden Zusammenarbeit bei der Identifizierung der Wähler und im Berufungsverfahren zu dieser Wähler- identifizierung aufgerufen. Nur rasche Erfolge auf die- sen beiden Gebieten werden die für Juli 2000 in Aus- sicht gestellte Volksabstimmung sichern. 4076 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 47. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Juni 1999 (A) (C) (B) (D) Für die praktische Abwicklung der Folgen dieses langanhaltendes Konflikts werden aber auch in Zukunft große Anstrengungen der Vereinten Nationen und der internationalen Gemeinschaft nötig sein. Dabei darf die internationale Gemeinschaft nicht im Abseits stehen, um so die Sicherheit und Stabilität in der Westsahara wäh- rend der Übergangsperiode zu garantieren. Auch die schwierige Aufgabe der Minenräumung muß energisch angegangen werden. Die Rückkehr der Flüchtlinge im Einklang mit den Grundsätzen des Hochkommissars der Vereinten Natio- nen für Flüchtlingsfragen ist ein entscheidendes Element des Plans zur Beilegung des Konflikts. Die andauernden diesbezüglichen Gespräche beider Parteien mit dem UNHCR sind positiv zu bewerten. Wir hoffen, daß diese Konsultationen es rasch ermöglichen, die für die Rück- kehr der Flüchtlinge erforderlichen Maßnahmen im Ein- klang mit den international akzeptierten Grundsätzen des UNHCR zu treffen. Ein ganz wichtiger Punkt ist für uns in diesem Zu- sammenhang die Erleichterung der andauernden Notlage der Kriegsgefangenen aus Marokko, besonders derjeni- gen, die dringend einer ärztlichen Behandlung bedürfen. Wir erwarten, daß alle betroffenen Parteien ihr Möglich- stes tun werden, damit in naher Zukunft eine Lösung für dieses humanitäre Problem gefunden wird, und bekräfti- gen unsere volle Unterstützung für die vom Internatio- nalen Komitee des Roten Kreuzes unternommenen Be- mühungen. Lassen Sie mich zum Abschluß noch einmal betonen, daß es zum Lösungsplan der VN keine Alternative gibt und wir deshalb uneingeschränkt die Bemühungen der Vereinten Nationen unterstützen. Unser Bestreben muß es sein, die Autorität der Vereinten Nationen und des Generalsekretärs Kofi Annan weiter zu stärken und alle unsere Schritte vorher sorgfältig mit den Vereinten Na- tionen abzustimmen. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und für Ihr konstruktives Engagement in dieser schwierigen Frage. Seien sie versichert, daß die Bundesregierung mit den Partnern in der EU ihren Teil dazu beitragen wird, den Friedensprozeß zu einem erfolgreichen Abschluß zu bringen. Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zum Antrag der Abgeordneten Birgit Hombur- ger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion F.D.P.: Erhöhung der Attraktivität des freiwil- ligen Umweltaudits durch Deregulierung (Tagesordnungspunkt 15) Marion Caspers-Merk (SPD): Das vor rund vier Jah- ren eingeführte Öko-Audit ist insgesamt positiv zu be- werten und nach wie vor ein geeignetes Instrument für eine integrierte Umweltpolitik. Auch wenn sich das Umwelt-Audit-Gesetz in erster Linie an die Unterneh- men in der produzierenden Industrie und des verarbei- tenden Gewerbes richtete, ist das Verfahren jetzt aus- drücklich auch für Handel und Dienstleistungsunter- nehmen offen. Daß im Bereich Handel und Dienstlei- stungsunternehmen noch Defizite sind, zeigt uns die Statistik. Bis Ende 1997 haben sich in der Bundesrepublik 1 900 Unternehmensstandorte im Rahmen des Öko- Auditsystems registrieren lassen. Davon sind am stärk- sten Unternehmen des Ernährungsgewerbes und der chemischen Industrie mit jeweils 11,9% betroffen, ge- folgt vom Stahl- und Leichtmetallbau mit 8,9%, dem Maschinenbau mit 8,6%, der Kunststoffherstellung so- wie der Automobilindustrie mit 6,1%. Aus diesen Berei- chen kommen monatlich circa 40 Registrierungen hinzu. Mit diesen Zahlen, meine Damen und Herren, hat Deutschland allein mehr registrierte Standorte als alle übrigen Länder zusammen. Damit nimmt die Bundesre- publik mit 75% der Registrierungen in Europa eine Vor- reiterrolle ein. Das bundesdeutsche und europäische Öko-Audit kann aber nur dann wirklich erfolgreich sein, wenn eu- ropaweit einheitliche Kriterien und Maßstäbe geschaffen werden und wenn das Instrument auch bei den europäi- schen Nachbarn mehr Akzeptanz erhält. Dies soll nun mit einem Verordnungsvorschlag des Rates geschehen. Der Verordnungsvorschlag hat mehrere Ziele: 1. Die Verbesserung des Beitrages von EMAS zu einer nachhaltigen Entwicklung; 2. Die Klärung der Beziehungen zwischen EMAS und internationalen Normen im Bereich des Umwelt- managements; 3. Die stärkere Einbeziehung der Arbeitnehmer; 4. Mehr Öffentlichkeitswirksamkeit; 5. Mehr Kohärenz bei der Umsetzung in den Mitglied- staaten. Dieser Vorschlag wurde bereits in der Umweltaus- schußsitzung am 24. März und 21. April beraten und eine Entschließung dazu mit Mehrheit beschlossen. In der Beschlußempfehlung haben wir uns u. a. dafür ausgesprochen, die Norm ISO 14 001 in das EMAS- System zu integrieren, aber die hohen Ansprüche an EMAS beizubehalten. Gleichzeitig wollen wir die Ak- zeptanz von EMAS dadurch erhöhen, daß man ein Logo einführt. Und, jetzt aufgepaßt bei der F.D.P, ich zitiere aus der Entschließung: Wir haben ebenfalls eine Über- prüfung gefordert, wie die „EMAS-Registrierung bei der Anwendung und Kontrolle von Umweltgesetzen genutzt werden kann. Die Nutzung von Daten bzw. Schlußfolge- rungen aus der Zertifizierung ist erforderlich, um eine Entbürokratisierung durch die Vermeidung von Doppe- lungen hinsichtlich Protokoll-, Dokumentations- und Mitteilungspflichten zu erreichen.“ Diesem Punkt, meine Damen und Herren, haben Sie in Einzelabstimmung im Ausschuß zugestimmt. Warum heute also Ihren Antrag diskutieren und an den Aus- schuß überweisen, wo bereits vor Wochen alles zu die- sem Bereich gesagt wurde? Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 47. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Juni 1999 4077 (A) (C) (B) (D) Es ist verständlich, daß Sie sich mit einem Antrag zum Umweltaudit und Deregulierung profilieren möch- ten, aber in der Beschlußempfehlung sind Ihre Forde- rungen teilweise enthalten, und teilweise sind sie auch aus gutem Grund nicht aufgenommen worden. Denn schauen wir uns Ihren Antrag doch einmal ge- nau an. Mit dem Schlagwort „Deregulierungsinitiative“ werden von der F.D.P. weithin Forderungen an die Bun- desregierung gerichtet, die eigentlich an die Länder zu richten wären; die Anwendung und Umsetzung der Umweltgesetze ist nun einmal Sache der Länder. Zu ei- nigen Ihrer Forderungen eine kurze Bewertung: Zur Doppelarbeit: In vielen Ländern werden vernünf- tige Regelungen zur Vermeidung von Doppelarbeit der zertifizierten Betriebe bei Protokoll-, Dokumentations- und Mitteilungspflichten schon jetzt angewendet. Eine Klarstellung hierzu ist im Ersten Buch des Umweltge- setzbuches im Zusammenhang mit der integrierten Vor- habengenehmigung vorgesehen. Zu den Umweltbeauftragten: Zur Bestellung und den Aufgaben der Umweltbeauftragten in den Betrieben halten wir eine einheitliche und klare Regelung im Um- weltgesetzbuch für sinnvoller, als für die verschiedenen Gewässer-, Abfall- und Immissionsschutzbeauftragten in zertifizierten Betrieben Sonderregelungen zu fordern. Entbürokratisieren, meine Damen und Herren von der F.D.P., das wollen Sie doch auch immer. Ihre weitergehenden Forderungen bei Genehmi- gungsverfahren, bei Kontrolle und Überwachung der Betriebe sind mit den Regelungen und Erfahrungen mit dem Öko-Audit nicht zu begründen und werden deshalb von uns abgelehnt. Was bleibt, meine Damen und Herren, ist ein Antrag, der in der Sache keine neuen, praktikablen Vorschläge für eine Erhöhung der Attraktivität des freiwilligen Umweltaudits bringt. Schade, man hätte die Zeit besser nutzen können. Bernward Müller (Jena) (CDU/CSU): Der Bericht der letzten Bundesregierung an den Deutschen Bundes- tag über die Erfahrungen mit dem Vollzug des Um- weltauditgesetzes zieht eine positive Bilanz. Über 1 700 Unternehmen in Deutschland, vom Kleinstbetrieb bis hin zum Großkonzern, beteiligen sich am Öko-Audit. Das sind rund drei Viertel aller in Europa registrierten Standorte. Diese Beteiligung bricht nachweislich mit der alten, immer wieder gepflegten ideologischen Vorstel- lung, Wirtschaft sei nur profitorientiert und von daher nicht freiwillig zum nachhaltig ökologischen Handeln bereit. Im Gegenteil, die Unternehmen in Deutschland suchen selbst nach Wegen, Umweltschutz über das ge- setzlich geforderte Niveau hinaus zu realisieren. Nach dem erfolgreichen Start des Öko-Audits in Deutschland vor vier Jahren ist heute eine gewisse Er- nüchterung festzustellen. Die Beteiligung am Öko- Audit-System ist weit davon entfernt, eine Selbstver- ständlichkeit zu sein. Auch bei den „Pionierunterneh- men“ steht das Öko-Audit-Management auf dem Prüf- stand. So haben sich zum Beispiel im September 1998 nur noch 34 Standorte neu registrieren lassen. Bezeich- nend ist der Vergleich mit der internationalen Norm ISO 14001. In Deutschland stieg die Beteiligung am Öko- Audit in der zweiten Jahreshälfte 1998 nur um rund 10 Prozent, die Beteiligung an ISO 14001 dagegen um rund 30 Prozent. In den allermeisten Ländern der EU, Deutschland ausgenommen, rangiert ISO 14001 schon jetzt an erster Stelle. Japan hat fast so viele ISO 14001 Registrierungen, wie Öko-Audit-Beteiligungen in Deutschland erfaßt sind. Dies ist schon deshalb bemerkenswert, da ISO 14001 erst viel später in Kraft trat. Klar ist: ISO 14001 ist einfacher und billiger zu ha- ben. Die Betriebe müssen sich nicht registrieren lassen, brauchen keine öffentlich bestellten Gutachter und müs- sen auch keine Umwelterklärung veröffentlichen. Es ist daher nur verständlich zu fragen: Wo steckt der Nutzen eines Unternehmens bei einer Beteiligung am Öko- Audit? Ohne Zweifel, bei der ersten Teilnahme zeigen sich erhebliche Vorteile: z.B. Kosteneinsparungen im Energie- und Abfallbereich, Imageverbesserung, Erhö- hung der Sicherheit im Unternehmen. Doch wenn das System erst einmal installiert ist, läuft es quasi von al- lein weiter. Stellen wir die Frage einmal anders: Worüber bekla- gen sich registrierte Unternehmen? Eine von DIHT und BDI durchgeführte Umfrage belegt: Viele Teilnehmer sind enttäuscht über das mangelnde Interesse der Öf- fentlichkeit. Viele beteiligte Unternehmen bemängeln vor allem das Ausbleiben staatlicher Deregulierungs- maßnahmen im Ordnungsrecht. Konkrekt: Die Entlastung registrierter Betriebe von behördlicher Kontrolle und Überwachung ist nicht in Sicht. Vor diesem Hintergrund steht für mich zukünftig die Beteiligung der Unternehmen an ISO 14001 außer Fra- ge. Die wirkliche Frage lautet: Verpflichten sich die Fir- men zu ISO 14001, und nehmen sie hierüber hinaus noch am Öko-Audit teil? Wenn Öko-Audit die Oberklasse darstellt, wenn wir die Beteiligung der Unternehmen am Öko-Audit wirk- lich wollen, müssen entsprechende politische Weichen- stellungen umgehend erfolgen. Die Fraktion der CDU/CSU begrüßt daher alle Be- strebungen, das Öko-Audit nutzerfreundlicher zu ge- stalten. Ein Schritt hierzu ist die beabsichtigte Verbin- dung von ISO 14001 und Öko-Audit dahin gehend, daß die Norm ISO 14001 als Baustein, als Werkzeug für Öko-Audit genutzt werden kann. Dies erspart den Un- ternehmen Doppelarbeit bei gleichzeitiger Nutzung bei- der Systeme. Die CDU/CSU-Fraktion begrüßt auch alle Bestre- bungen, das Öko-Audit in der Öffentlichkeit bekannter zu machen. Die Möglichkeiten der Kommunikation mit der Öffentlichkeit müssen verbessert werden. Die Ein- führung eines Öko-Audit-Zeichens bietet die Chance einer verbesserten öffentlichen Wahrnehmung. Die er- 4078 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 47. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Juni 1999 (A) (C) (B) (D) weiterten Forderungen von SPD und Grünen, wie zum Beispiel die Bereitstellung der Umwelterklärung in Form von gedruckten Exemplaren nach Verlangen der Bürger, lehnen wir hingegen ab. Wir begrüßen ferner die Bestrebungen, – was immer das im Konkreten heißt – registrierten Unternehmen einen echten Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Das ist aus meiner Sicht der wichtigste Punkt. Dieser Wettbewerbsvorteil entsteht, kann entstehen, wenn wir das Öko-Audit als Chance für mehr Umwelt- schutz mit weniger Bürokratie verstehen. Ich bin fest davon überzeugt, daß die freiwillige Selbstverpflichtung den rechtskonformen Betrieb eines Unternehmens eher sicherstellt als Kontroll- und Über- wachungsmaßnahmen der Behörden. Vor allem aber ist wichtig: Das Öko-Audit umfaßt letztlich alle Mitarbeiter eines Unternehmens. Umwelt- schutz ist in die Aufgaben eines jeden einzelnen inte- griert und nicht nur die Aufgabe von Spezialisten. Auditierten Unternehmen gebührt daher ein Vertrau- ensvorschuß bei ihrer Behandlung durch die Behörden. Dieser Vorteil hat sich indes bisher nicht eingestellt. Ansatzpunkte gibt es jedoch genügend: – Abbau von Doppelarbeit bei der Melde- und Be- richtspflicht – Verminderung der Aufgaben von Betriebsbeauftrag- ten – Rücknahme behördlicher Überwachung und Kon- trollen zugunsten der Eigenüberwachung – Vereinfachung bei Genehmigungsverfahren – als Denkanstoß für Rotgrün: Wenn Sie schon die deutschen Unternehmen mit Ihrer unsäglichen Öko- Steuer „beglücken“, sollten Sie vielleicht einmal dar- über nachdenken, gerade auditierte Betriebe zu be- günstigen. Alle Bestrebungen laufen ins Leere, wenn Unterneh- men an Stelle von Erleichterungen und Anreizen weitere Verschärfungen befürchten müssen. So sind bisher die Teilnehmer am Öko-Audit verpflichtet, ihr Konzept jährlich fortzuschreiben und alle drei Jahre von externen Gutachtern überprüfen zu lassen. Nicht zuletzt wegen der entstehenden Kosten sehen die Beteiligten die im Rahmen der EMAS-Novellierung angestrebte jährliche Validierung der Umwelterklärungen besonders negativ. Dem Bundesumweltminister ist dieses Problem bekannt. Eine klare Positionierung blieb bis heute aus – mit der Folge: Unsicherheit, Unklarheit bei auditierten und au- ditierungswilligen Unternehmen. Wir brauchen aber nicht nur Anreize für diejenigen, die ohnehin ISO 14001 und Öko-Audit umsetzen oder umsetzen wollen. Wir brauchen auch Angebote für die- jenigen Unternehmen, die bei guter Absicht das Geld für einen Umweltgutachter und die Umwelterklärung nicht zur Verfügung haben. Gerade in den neuen Bundeslän- dern gibt es bestimmt eine große Anzahl davon. Auch für diese Unternehmen muß die Beteiligung an Öko- Audit ermöglicht werden. Eine Möglichkeit sehe ich z.B. in der Befreiung die- ser Unternehmen von Eintragungskosten, wie dies in Frankreich, Belgien und Spanien der Fall ist. Ich möchte schließen mit einem Appell an die neue Bundesregierung: Handeln tut auch auf diesem Gebiet dringend not. Die alte Regierung hatte die Weichen in Richtung Erleichterungen zugunsten öko-auditierter Be- triebe im Hinblick auf Genehmigungsverfahren und im Bereich der Überwachung gestellt. Im Wahlkampf, wur- de versprochen, nicht alles neu, aber vieles besser zu machen. Vom „Bessermachen“ ist heute nicht mehr die Rede. Aber handeln Sie! Setzen Sie den vorgegebenen Weg fort! Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das Umweltmanagementsystem „Öko-Audit“ hat sich in der Zwischenzeit in Deutschland erfolgreich entwickelt. Über 2000 registrierte Unternehmensstandorte beweisen, daß Teile der Wirtschaft und Verwaltung inzwischen die Notwendigkeit einer ökologischen Betriebsführung er- kannt haben. Dank der Erweiterungsverordnung vom letzten Jahr – die hatten wir bereits 1994 bei den Beratungen zum Umwelt-Auditgesetz gefordert – kommen neue Dienst- leistungsbereiche hinzu: Erst im Februar hatte sich ein großer deutscher Konzern als erste Versicherung regi- strieren lassen. Das war die erste Versicherung in Euro- pa! Aber diese absolute Spitzenstellung im europäischen Vergleich tritt hinter der geringen Gesamtzahl der regi- strierten Standorte in den europäischen Nachbarstaaten zurück. 75 Prozent aller Registrierungen in Europa erfolgen in Deutschland. Und dies ist nicht allein auf die Konkur- renz durch die internationale ISO-Norm 14001 zurück- zuführen – die ihre eigenen Akzeptanzprobleme hat –, sondern auf fehlende Anreize. Erst im Frühjahr hatte der Umweltausschuß einver- nehmlich eine stärkere Kompatibilität zwischen dem EG-Audit und der internationalen Norm gefordert – eine Forderung, die der Umweltminister übrigens ebenso gerne aufgegriffen hat wie die Europäische Kommission wiederum den Vorschlag des Umweltministers. Um das Profil von EMAS – wie das Öko-Audit europäisch abgekürzt wird – zu schärfen, möchte die Kommission die ISO-Norm in einem Anhang der EG-Verordnung übernehmen, sozusagen als deren Bau- stein. Damit wäre aber auch schon die wichtigste Forderung des vorliegenden Antrags erfüllt, denn eines muß klar sein: Deregulierung taugt nicht für ein besseres Öko- Audit. Die damit verbundene Verschlechterung der Umweltstandards fällt früher oder später zum Schaden auf das Öko-Audit zurück. Entbürokratisierung statt Deregulierung – so läßt sich unsere Politik auf eine kurze und prägnante Formel bringen. Wo Doppelarbeit vermeidbar ist, da soll sie vermieden werden. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 47. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Juni 1999 4079 (A) (C) (B) (D) Wo Verfahren bürokratisch und ineffizient sind, sol- len sie entbürokratisiert werden. Wenn aber ökologische Standards abgebaut und staatliche Überwachung zu- rückgefahren werden sollen, wie von der F.D.P. gemein- sam mit der Wirtschaft gefordert wird, sagen wir nein, nein zu Überwachungs- und Kontrolldefiziten, den Defi- ziten nämlich, über die auch die Freidemokraten gerne dann klagen, sobald wieder einmal ein Abfallskandal, eine Gewässerverseuchung oder ein Produktionsstörfall die Mediengemüter beschäftigt. Solche Skandale entste- hen ja gerade aufgrund von Schlamperei und fehlender unabhängiger Kontrolle. Deshalb soll ein Unterhemen zwar gern die Kalibrie- rung seiner Meßgeräte übernehmen, es soll auch gern eigene Messungen und Auswertungen vornehmen kön- nen, aber die Notwendigkeit einer staatlichen und damit unabhängigen Aufsicht und Überprüfung kann dadurch nicht ersetzt werden, schon gar nicht die Unabhängigkeit und Erfahrung externer Sachverständiger. Gerade diese aber möchte die F.D.P. bei der Begutachtung des lau- fenden Betriebs und nun auch schon bei Genehmigungs- verfahren von Anlagen gestrichen haben. Der Deregulierungsvorschlag, die Informationspflich- ten auditierter Unternehmen gegenüber den Behörden abzubauen, wie etwa bei Abfallbilanzen oder Emissi- onserklärungen, ist wenig einsichtig, denn solche Bilan- zen und Erklärungen haben solche Unternehmen ohnhin schon und können sie leicht übermitteln. Sie, meine Damen und Herren von der F.D.P., beto- nen zwar immer die freiwillige Selbstverantwortung der Unternehmen, aber gerade Sie fordern nun eine Be- schneidung der Aufgaben der Umweltbeauftragten in registrierten Unternehmen. Damit aber wollen Sie ein wesentliches Instrument innerbetrieblicher Arbeits- und Umweltschutzvorsorge aushebeln – und daran können wir wirklich kein Interesse haben. Sie sehen also selbst, eine Deregulierung des Ord- nungsrechts, die die Beteiligung der Öffentlichkeit schwächt und Umweltstandards abbaut, taugt nicht zur Erhöhung der Attraktivität des Öko-Audits. Deregulierung gegen Auditierung ist ein äußerst fragwürdiger Handel. Schließlich soll das Öko-Audit die Einhaltung des geltenden Ordnungsrechts fördern. Die Einhaltung selbst garantiert sie jedoch nicht. Das Öko- Audit garantiert noch nicht einmal die Erfüllung eines hohen ökologischen Standards, sondern lediglich die Pflicht zur ständigen Verbesserung des betrieblichen Umweltschutzes. Attraktivität kommt vielmehr durch Bekanntheit zu- stande: Die Umweltprüfung muß bekannter, sie muß so- zusagen ein werbewirksames Qualitätssiegel für ökolo- gisch geführte Unternehmen werden. Intensive Werbe und Aufklärungskampagnen der Mi- nisterien in Bund und Ländern, der Industrie- und Han- delskammern und vor allem der Handwerkskammern können dabei nur den Anfang bilden: „Ohne ausreichen- de Bekanntheit und Akzeptanz in der Öffentlichkeit kann das Öko-Audit daher auf Dauer keinen Bestand haben“, wie auch der Vorsitzende des Umweltgutachter- ausschusses zu Recht feststellt. Fazit: Der F.D.P.-Antrag enthält zwar einige Anre- gungen zur Verbesserung des Öko-Audits, die wir auch im Rahmen der Erarbeitung des Umweltgesetzbuches aufgreifen werden, im großen und ganzen jedoch halten wir die Vorschläg zur Deregulierung für ökologisch kontraproduktiv. Wir sagen nein zur Absenkung ökologischer Stan- dards, aber wir sagen ja zum Abbau von Bürokratie. Birgit Homburger (F.D.P.): Mit dem Umwelt-Audit haben wir in der letzten Legislaturperiode mit großem Erfolg ein neues Instrument im Umweltschutz einge- führt. Mit dem Umweltaudit-Gesetz haben wir den Rahmen für mehr Eigenverantwortung durch ein frei- williges, integriertes betriebliches Umweltmanagement gesetzt und eine dynamische Entwicklung eingeleitet. Mehr Betriebsstandorte als in allen anderen europäi- schen Staaten zusammen haben sich in Deutschland dem freiwilligen Umwelt-Audit unterzogen. Mit dem Instrument des freiwilligen Umweltschutzes wurde mehr erreicht, als es staatliche Behörden je hätten erreichen können: In 89 Prozent der Fälle wurden Um- weltverbesserungen verwirklicht. Etwa die Hälfte der Betriebe hat dadurch auch deutliche Einspareffekte er- reicht. Umweltschutz muß eben nicht immer teuer sein. Der anfängliche Schwung wurde aber abgebremst. Das hat zwei Gründe: Zum einen steht das Umwelt- Audit in zunehmender Konkurrenz zu den Zertifizierun- gen nach der ISO-Norm 14001. Letztere erfreut sich aufgrund ihrer höheren Praktikabilität, ihrer geringeren Umweltanforderungen und ihrer weltweiten Verbreitung immer größerer Beliebtheit. Aus diesem Grunde sind ei- ne Aufwertung des Umwelt-Audits und die Verstärkung der Anreise zur Teilnahme erforderlich. Im einzelnen sollte Doppelarbeit zwischen Umwelt-Audit und der Zertifizierung nach der ISO-Norm 14001 vermieden werden. Es sollte sichergestellt werden, daß mit dem Erwerb des Umwelt-Audits auch eine Zertifizierung nach der ISO-Norm 14001 erworben wird. Zum anderen haben versprochene Entlastungen der Unternehmen von bürokratischen Vorschriften an ande- rer Stelle nicht stattgefunden. Es bedarf neuer Impulse, um das Umwelt-Audit zu retten. Die F.D.P. sieht diese Impulse vor allem in Entlastungs- und Deregulierungs- maßnahmen. Die F.D.P. hat immer schon gefordert, die Unternehmen, die durch Beteiligung am Umwelt-Audit einen besonderen Überwachungs- und Berichtsaufwand haben und die Einhaltung gesetzlicher Bestimmungen nachweisen, zu entlasten. Deshalb fordern wir in unse- rem Antrag von der Bundesregierung umfangreiche Er- leichterungen bei Genehmigungsverfahren, Berichts- pflichten, Nachweisverfahren und Überwachungen für Unternehmen, die sich dem Umwelt-Audit unterziehen. Nur so entstehen für das umweltpolitisch sinnvolle In- strument des Umwelt-Audits neue Impulse. Nach den bisher von Rotgrün vorgetragenen Vor- stellungen ist zu befürchten, daß statt Erleichterungen zusätzliche bürokratische Auflagen ins Haus stehen. Das Instrument des Umwelt-Audits würde so kaputt ge- macht. Ich fordere die Bundesregierung auf, das Instru- 4080 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 47. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Juni 1999 (A) (C) (B) (D) ment des Umwelt-Audits durch Deregulierungsmaß- nahmen zu fördern. Mehr Regelung heißt nämlich an dieser Stelle weniger Umweltschutz. Eva-Maria Bulling-Schröter (PDS): Aus guten Gründen hat die PDS am 22. Juni 1999 gegen das Um- welt-Auditgesetz gestimmt. Begründet hat dies damals mein Kollege Bierstedt u.a. damit, daß die Umweltauf- sicht im Sinne der Allgemeinheit nicht von privater Seite wahrgenommen werden sollte. Wir plädierten da- mals für eine Aufsicht durch das Bundesumweltamt. Weiterhin kritisierten wir die mangelnde Beteiligung der Öffentlichkeit, also ein Demokratiedefizit. Am 14. März 1996 und am 27. Juni 1996 hielt ich hier eine Rede gegen die sogenannten Beschleunigungsgesetze, die Schutzrechte und die Beteiligungsrechte der Bürgerin- nen und Bürger beschneiden. Wenn wir uns jetzt den vorgelegten Antrag der F.D.P. ansehen, vermag jede und jeder zu begreifen, wie recht die PDS damals hatte. Ich frage mich, warum Sie nicht einen Antrag auf er- satzlose Streichung des BImSchG stellen. Ihrer Meinung nach sollte sich wohl die Daseinsvorsorge des Staates auf die Herstellung optimaler Standortbedingungen für die Industrie beschränken. Aber eines haben Sie ja dann doch gemerkt: Ihr Antrag ist so hanebüchen, daß Sie so- gar auf eine Begründung verzichtet haben. Im Umweltausschuß hatten wir in Richtung Öko- Audit und der Integration der ISO 14001 in das Eco Management and Audit Scheme (EMAS) einen guten Kompromiß erreicht. Dahinter fällt Ihr Vorschlag zu- rück, und ebenso fällt er zurück hinter alles, was im Rahmen des Einheitlichen Umweltgesetzbuches in Richtung UVP und Öffentlichkeitsbeteiligung – Stich- wort Verbandsklage – diskutiert wird. Da wird eine gute Richtung vorgegeben. Ihr Antrag ist leider völlig kon- traproduktiv. Ich kann für die PDS hier nur feststellen: Wir sind für die Selbstverpflichtung der Industrie, allerdings ober- halb der vom Ordnungsrecht festzulegenden Mindest- standards. Wir sind für die Überprüfung der Einhaltung dieser Standards und entsprechende positive bzw. nega- tive Sanktionierung von Staats wegen, und wir sind für eine möglichst weitgehende Öffentlichkeitsbeteiligung. Hierfür werden wir im Rahmen der Novellierung des Öko-Audits in Richtung EMAS II, die ja noch vor 2001 kommen soll, auch eintreten. Ihren Antrag können wir hier nur ablehnen. Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zum Antrag der Abgeordneten Dr. Evelyn Kenzler, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion PDS: Vererblichkeit von Bodenreform- eigentum (Tagesordnungspunkt 16) Rainer Fornahl (SPD): Wir stehen zwar alle unter dem gleichen Himmel, sehen aber sehr unterschiedliche Horizonte. Dieser Spruch stammt zwar aus dem Munde Adenauers, läßt sich aber trotzdem zur Charakterisie- rung des hier anhängigen Antrages verwenden. Unter dem Himmel der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland seit dem 3. Oktober 1990 war eine Neuord- nung der Eigentumsverhältnisse für die Vermögenswerte in der ehemaligen DDR zu gestalten. Dazu gehörte auch das Bodenreformland. Eine Vorbemerkung: Schon in der ersten frei ge- wählten Volkskammer der DDR hat die SPD ohne Wenn und Aber den Bestand der Bodenreform 1945/1949 garantiert. In dieser Kontinuität steht heute und in Zukunft die SPD. Wir werden an den Ergebnis- sen der Bodenreform grundsätzlich nicht rühren lassen. Diese Haltung steht in voller Übereinstimmung mit den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes. Kommen wir nun zur Ausgangsmetapher zurück und zu den Horizonten: Die Bodenreform war aus der Sicht der damaligen Entscheidungsträger mit der politisch- ideologisch gewollten Enteignung landwirtschaftlicher Flächen die Voraussetzung für die Entstehung bäuerli- cher Landwirtschaft. Die hat es zwar am Ende der DDR in keinster Weise mehr gegeben, weil die zweite poli- tisch-ideologisch motivierte Enteignung in Zusammen- hang mit der Bildung der Landwirtschaftlichen Produk- tionsgenossenschaft eine andere land- und forstwirt- schaftliche Struktur hinterlassen hat. Nichtsdestotrotz finden wir heute, nach schmerzhaften Jahren eines drit- ten Strukturwandels, eine leistungsfähige Landwirtschaft in den neuen Ländern, die sich sehen lassen kann und weniger staatliche Zuschüsse braucht als die Landwirt- schaft der alten Länder. Dagegen werden keine noch so großen Anzeigenkampagnen und Initiativen von Alt- eigentümern – aus der Zeit vor der Bodenreform – je etwas ausrichten. Bodenreformland war in der ehemaligen DDR im ju- ristischen Sinne nicht als Volleigentum eingestuft, son- dern lediglich als „Arbeitseigentum“. Es unterlag damit besonderen gesetzlichen Beschränkungen. Bodenre- formgrundstücke wurden mit der Einschränkung zuge- teilt, daß sie weder geteilt, ganz oder teilweise verkauft, verpachtet oder verpfändet werden durften. Dies ergab sich aus den jeweiligen Besitzwechselverordnungen über Bodenreformwirtschaften aus den Jahren 1951, 1956, 1975 und 1988. Nach diesen Vorschriften hatten die Räte der Kreise abschließend zu entscheiden, an wen bei Abgabe des Bodenreformeigentums (auch im Erb- fall) unter Beachtung der persönlichen Voraussetzungen eine Neuvergabe erfolgte oder ob es in den staatlichen Bodenfonds zurückgeführt wurde. Mit dem noch von der Volkskammer erlassenen Ge- setz vom 15. März 1990 (Modrow-Gesetz) wurden alle Verfügungsbeschränkungen bei Bodenreformgrundstük- ken aufgehoben. Das Gesetz vom 15. März 1990 ist je- doch lückenhaft ausgestaltet worden, weil es keine erb- rechtlichen Regelungen bzw. Übergangsvorschriften in Erbrechtsfällen enthält. Diese Regelungslücke stellt sich vor allem in den Fällen als besonders problematisch dar, in denen zum Zeitpunkt des Stichtages 15. März 1990 eine nicht mehr lebende Person als Bodenreformberech- tigte im Grundbuch eingetragen war, die bei Beachtung Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 47. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Juni 1999 4081 (A) (C) (B) (D) der Bodenreformvorschriften im Grundbuch hätte ge- löscht werden müssen. Für diese Fälle hat der Gesetzgeber mit dem § 12 Abs. 2 EGBGB eine Lösung geschaffen, die sich an den früheren Besitzwechselverordnungen (also an früherem DDR-Recht) orientiert. Man nennt dies auch „Nach- zeichnungslösung“. Berechtigte an dem Bodenreform- land sind demnach in folgender Reihenfolge: erstens diejenige Person, der das Grundstück oder der Grund- stücksteil nach den Vorschriften über die Bodenreform oder dem Besitzwechsel bei Grundstücken aus der Bo- denreform förmlich zugewiesen oder übergeben worden ist, auch wenn der Besitzwechsel nicht im Grundbuch eingetragen worden ist, zweitens der Erbe des zuletzt im Grundbuch aufgrund einer Entscheidung nach den Vor- schriften über die Bodenreform oder über die Durchfüh- rung des Besitzwechsels eingetragenen Eigentümers, der zuteilungsfähig ist – zuteilungsfähig ist derjenige, der bei Ablauf des 15. März 1990 in dem Gebiet der ehema- ligen DDR in der Land-, Forst- oder Nahrungsgüterwirt- schaft tätig war oder wer vor Ablauf des 15. März 1990 in dem Gebiet der ehemaligen DDR in der Land-, Forst- oder Nahrungsgüterwirtschaft insgesamt 10 Jahre lang tätig war und im Anschluß an diese Tätigkeit keiner an- deren Erwerbstätigkeit nachgegangen ist und einer sol- chen voraussichtlich auf Dauer nicht nachgehen wird –, drittens der Fiskus des Landes, in dem das Grundstück liegt. Für diese „Nachzeichnungslösung“ hat sich der Ge- setzgeber deshalb entschieden, weil anders eine gerechte Behandlung aller Beteiligten nicht zu erreichen gewesen wäre. Hätte der Gesetzgeber eine reine Erbschaftslösung geschaffen, dann hätte er in großem Umfang Bürgern Grundeigentum kostenlos übertragen, denen dies sach- lich (nach den Vorschriften der ehemaligen DDR) nicht zustand. Er hätte damit diese Gruppe von Bürgern ge- genüber denjenigen bevorzugt, bei denen die Vorschrif- ten über die Behandlung der Bodenreformgrundstücke ordnungsgemäß angewendet worden waren. Zusammenfassend ist aus meiner Sicht festzustellen: Der im PDS-Antrag unterstellte Vorwurf der Enteignung einerseits und der Bereicherung des Fiskus der Neuen Länder andererseits geht ins Leere. Denn, die Feststel- lung einer Berechtigung auf Eigentum erfolgt richtiger- weise auf der Basis der Rechtslage der damaligen DDR. Damit steht man übrigens im Einklang mit anderen Be- reichen der Vermögensneuordnung für das ehemalige Volkseigentum in der DDR. Deshalb ist aus jetziger Sicht eine Initiative des Ge- setzgebers im Sinne des Antragstellers nicht gegeben, wie dies im übrigen auch das Bundesministerium der Ju- stiz für die SPD-Fraktion festgestellt hat. Und auch der Bundesgerichtshof hält in seinen Urteilen vom 17. De- zember 1998 den Art. 233 §§ 11–16 EGBGB nach wie vor für verfassungsgemäß, so daß diese Urteile auf die weitere Abwicklung der Bodenreform keine Auswir- kungen haben. Dieser Einsicht ist die Regierung Meck- lenburg-Vorpommerns, der ja die PDS angehört, gefolgt und verzichtet ausdrücklich auf eine Gesetzesinitiative. Im Koalitionsvertrag steht zu lesen – ich zitierte aus Ka- pitel IV, Punkt 73 –: „Die Landesregierung wird Hand- lungsspielräume im EGBGB nutzen, um in Härtefällen Erleichterungen zu gewähren. Dazu werden Einzelfall- prüfungen durchgeführt.“ Meine Damen und Herren von der PDS-Fraktion, nehmen sie sich ein Beispiel an der partiell erkennbaren Realitätsbezogenheit ihrer mecklenburg-vorpommer- schen Parteigenossen, und verzichten Sie wegen der vorgetragenen überzeugenden Argumente gegen eine Gesetzesinitiative in Sachen Bodenreform-Reform auf die Aufrechterhaltung ihres Antrages. Dr. Michael Luther (CDU/CSU): Die PDS hat mit ihrem Antrag zum Thema Vererblichkeit von Bodenre- form-Eigentum einen interessanten juristischen Exkurs vorgelegt, der mich sehr an die intensiven Auseinander- setzungen in der letzten Legislaturperiode erinnert. Auch damals wurde im Zuge der Erstellung des Wohnraum- modernisierungssicherungsgesetzes auf Rechtsauffas- sungen Bezug genommen, die von Frau Grün erdacht worden sind. Das sind meist kluge Gedanken. Allein ich kann den Schlußfolgerungen von Frau Grün nicht folgen und komme bei meiner Betrachtung des Sachverhalts zu demselben Ergebnis wie der BGH in seinen angespro- chenen Urteilen vom 17. Dezember 1998 V/ZR 200/97 und V/ZR 341/97. Insoweit verweise ich auch auf die Antworten der Bundesregierung – Drucksache 14/723 – auf die Kleine Anfrage der PDS-Fraktion, die letztend- lich die bislang getroffenen sachlichen Entscheidungen aufgrund des Zweiten Vermögensrechtsänderungsgeset- zes bestätigen. Damit sehe ich keinen Handlungsbedarf für den Deutschen Bundestag, etwas an den bestehenden Regelungen zu ändern. Trotzdem lassen Sie mich den Tagesordnungspunkt heute zum Anlaß nehmen, einmal etwas zur Gesamtbe- wertung der Angelegenheit zu sagen: Tatsache ist, daß das Bodenreform-Eigentum im Zuge der Bodenreform den damaligen ländlichen Betrieben und den Neubauern als Arbeitseigentum übergeben worden ist, was nicht in vollem Maße, sondern eingeschränkt vererbbar war. Die Besitzwechselverordnung regelte, daß dann das Boden- reform-Eigentum an den volkseigenen Bodenfonds zu- rückfällt, wenn der Erbe nicht in der Landwirtschaft be- schäftigt war. Mit dem Beschluß der letzten undemo- kratisch ins Amt gekommenen Volkskammer wurden dann im Frühjahr 1990 alle Eigentümer von Bodenre- form-Eigentum zu Volleigentümern erklärt. Diese Entscheidung, die auch auf Anregung des Runden Tisches entstanden ist, war richtig. Allerdings hat man sich damals über einige grundsätzliche Fragen keine Gedanken gemacht. Wollte man eine andere Re- gelung als die jetzt bestehende finden, so hätte man einige Punkte aber berücksichtigen müssen. Tatsache ist nämlich, daß in vielen Grundbüchern 1990 noch der verstorbene ehemalige Eigentümer von Bodenreform- Eigentum stand. Die Verwaltungspraxis der DDR hatte es nicht für nötig erachtet, das Grundbuch zu pflegen und Unrichtigkeiten zu bereinigen. Das machte in der Regel auch keinen praktischen Sinn, da dieses Boden- reform-Land ja ursprünglich, und zwar 1949, den Bau- ern übertragen worden ist; später sind sie jedoch alle in die LPG gezwungen worden. Mit dem LPG-Gesetz der 4082 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 47. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Juni 1999 (A) (C) (B) (D) DDR war der Bodeneigentümer nicht mehr über sein Grundstück verfügungsberechtigt, lediglich die LPG konnte uneingeschränkt verfügen. Aus diesem Grund machte es auch wenig praktischen Sinn, das Grund- buch nachzuzeichnen, um den möglichen Erben in das Grundbuch einzutragen, der doch nicht über seinen Grund und Boden hätte verfügen können. Das hätte diese Volkskammer wissen müssen, hat es aber geflis- sentlich ignoriert. Damit ergibt sich nun der Zustand, daß viele Bürger meinten, daß sie Erben seien und damit Bodenreform- Land nun als Volleigentum erben könnten. Die Vor- stellung von Frau Grün, wenn ich sie richtig verstehe, besteht nun lediglich darin, daß die jetzigen Erben nicht vom Erbe ausgeschlossen sind. Die spannende Frage ist aber, ob nun noch im nachhinein das DDR- Recht – also die Besitzverordnung – anzuwenden wäre oder nicht. Hätte der Gesetzgeber mit dem Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetz nicht so gehandelt, wie er gehandelt hat, und die Nachzeichnung gesetzlich geregelt, hätte dies zu Verwerfungen geführt. Das Er- gebnis wäre ansonsten: Wer im Grundbuch zu DDR- Zeiten die Erbfolge hat nicht eintragen lassen, könnte somit heute auf den ursprünglichen Erben verweisen und würde jetzt zum Eigentümer. Derjenige, der aber versucht hat, korrekt zu handeln, und sich als Erbe an- gemeldet hat, wurde nicht im Grundbuch eingetragen, wenn er nicht in der Landwirtschaft beschäftigt war, weil zu DDR-Zeiten die Besitzwechselverordnung Anwendung gefunden hätte. Dieses Land wäre an den volkseigenen Bodenfonds zurückgefallen. Diejenigen also, die sich ordnungsgemäß verhalten haben, würden keinen Bezug zu dem Grundstück mehr haben, und diejenigen, die sich ruhig verhalten haben, würden heute zu Bodeneigentümern. In diesem Sinne ist die Regelung des Zweiten Ver- mögensrechtsänderungsgesetzes, die letztendlich durch den BGH bestätigt worden ist, eine gerechte Lösung, weil sie regelt, daß nur diejenigen tatsächlich heute Volleigentümer sind, die im Sinne der Bodenreformre- gelung und der Besitzwechselverordnung der DDR auch noch 1990 Eigentümer des Arbeitseigentums waren. Bei allen anderen, die nach der Besitzwechselverordnung der DDR nicht als Erbe ins Grundbuch hätten eingetra- gen werden können, weil sie nicht in der Landwirtschaft gearbeitet haben, fallen die Grundstücke demzufolge dem volkseigenen Bodenfonds und damit dem Rechts- nachfolger, also dem Fiskus, zu. Ich verstehe, daß viele Menschen damit nicht glück- lich sind, weil sie 1990 der Meinung waren, daß sie nun tatsächlich Volleigentümer von Land geworden sind. Mich hat es persönlich immer geärgert, mit welcher harten Konsequenz der Landesfiskus der fünf neuen Bundesländer diesen Grundstücken nachgegangen ist. Allerdings glaube ich, daß ein Rechnungshof nie etwas anderes hätte verlangen können. In diesem Sinne haben sich die Länder korrekt verhalten. Ich weiß auch, daß man hier vielen Eigentümern entgegengekommen ist, um allzu große Härten auszugleichen. Würde der Gesetzgeber zu dem Ergebnis kommen, hier eine andere gerechte Lösung finden zu wollen, was bedeuten würde, auch die Altfälle aus DDR-Zeiten in die Überlegung einzubinden, bin ich gern zu Gesprächen bereit. Der Antrag, den die PDS gestellt hat, ist völlig unzureichend und führt zu ungerechten Lösungen. Die PDS würde dann willkürlich diejenigen belohnen, die letztendlich schlicht durch Untätigkeit in der DDR den vermeintlichen Erbzustand hergestellt haben. Richtiger- weise müßte man dann eben aus Gerechtigkeitsgründen natürlich auch all diejenigen Erbfälle in eine solche Re- gelung einbeziehen, die von 1949 bis 1990 nach DDR- Recht ordnungsgemäß behandelt worden sind. Ich mei- ne, auch das wäre eine gerechte Lösung und auch eine gute Lösung, weil das privates Eigentum schafft. Ich bin gerne bereit, im Rahmen der Ausschußberatungen über dieses Thema noch einmal nachzudenken, und bin auf die fachliche Argumentation seitens der PDS sehr ge- spannt. Wenn wir zu solch einer Lösung kommen soll- ten, gebe ich natürlich auch zu bedenken, was das für einen unheimlichen Verwaltungsaufwand mit sich bringt. Auch die entstehenden Kosten sollten nicht außer acht bleiben. Allerdings befürchte ich auch, daß eine solche Lösung neue Verwerfungen mit sich bringen würde. Steffi Lemke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es ist nicht das erste Mal, daß wir uns hier mit dem Thema Bodenreform und den Auswirkungen der Gesetzgebung, die seit Anfang der 90er Jahre zu diesem schwierigen Themenkomplex beschlossen wurde, auseinandersetzen – und die Vermutung, daß dies auch nicht die letzte De- batte sein wird, liegt nahe. Neben dem parlamentarisch gesetzten Recht gibt es inzwischen eine Fülle von Gerichtsurteilen bis hin zur höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesge- richtshofes und des Bundesverfassungsgerichts, die Klä- rung in strittigen Fragen bezüglich der Bodenreform herbeiführen sollten. Dabei gilt für die Koalitionsfrak- tionen und die Bundesregierung zunächst der Grundsatz, daß die Ergebnisse der Bodenreform Bestand haben. Wenn man diesen Grundsatz vertritt – und ich gehe da- von aus, daß auch die PDS noch dieser Überzeugung ist – dann muß man doch einmal herunterbrechen, was dies in der Praxis konkret bedeutet. Auf der einen Seite haben wir den Anteil der Boden- reformflächen, die in Volkseigentum überführt wurden und jetzt von der Treuhandnachfolgegesellschaft ver- waltet werden. Derzeit arbeitet die Bundesregierung an einer Lösung für das im Dezember vergangenen Jahres von der EU-Kommission kritisierte Verfahren der Pri- vatisierung dieser Flächen nach dem Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz. Im Zentrum unserer Bemühungen steht dabei, daß Nachteile für die vor Ort wirtschaftenden Betriebe vermieden werden sollen. Hier streben wir kurzfristig eine einvernehmliche Lösung mit der EU-Kommission an. Auf der anderen Seite aber – und das ist der Perso- nenkreis, dem diese Debatte heute gilt – haben wir den Anteil der Bodenreformflächen, der vor Einsetzen der Kollektivierung in der DDR vorwiegend an Landlose und Vertriebene aus den Ostgebieten verteilt wurde. Die Neubauern wurden damit zwar zu Eigentümern an den Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 47. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Juni 1999 4083 (A) (C) (B) (D) Bodenreformgrundstücken, aber ihr Eigentum war klar an die landwirtschaftliche Tätigkeit gekoppelt. Später, nach dem in vielen Fällen unfreiwilligen Einbringen der Flächen in die LPGen, spielte die Eigentumsfrage eine völlig andere Rolle als in den westdeutschen Ländern; denn es gab keinerlei Möglichkeit, dieses formal zwar bestehende Eigentum auch in der Weise zu realisieren, daß eine freie Verfügbarkeit darüber bestanden hätte. Diese Situation war den Betroffenen klar. So gab es bei den Erben der Neubauern in der Regel auch keine Be- strebungen, ihr Erbe formal sichern zu lassen, etwa durch Eintragung im Grundbuch. Das „Gesetz über die Rechte der Eigentümer aus der Bodenreform“, das sogenannte Modrow-Gesetz, das die Volkskammer der DDR am 6. März 1990 verabschie- dete, hob sämtliche Verfügungsbeschränkungen über die Bodenreformgrundstücke auf. Damit entfielen die Be- sitzwechselvorschriften für Bodenreformgrundstücke, die das Eigentumsrecht und damit die Vererbbarkeit überlagert hatten. Offen blieb jedoch die Frage: Wer ist Eigentümer eines Bodenreformgrundstückes? Genau das ist der Punkt, den zu klären das Modrow-Gesetz ver- säumt hatte und der mit dem Zweiten Vermögensrechts- änderungsgesetz von 1992 geklärt worden ist. Es ging dabei nicht nur darum, eine formale Regelungslücke zu schließen, es ging vielmehr darum, eine Gleichbehand- lung zu erreichen, zwischen denjenigen Neubauern- Erben, die bereits zu DDR-Zeiten ihr Bodenreform- grundstück verloren hatten, weil die zuständigen Behör- den die Besitzwechselvorschriften konsequent ange- wandt haben, und denjenigen Personen, bei denen die Behörden auf Grund der praktischen Bedeutungslosig- keit des Privateigentums an Grund und Boden eine kon- sequente Löschung im Grundbuch vernachlässigt haben. Es geht also um die Frage: Welche Lösung hat der bun- desdeutsche Gesetzgeber, welche Lösung hat also dieses Parlament gewählt, um ein inkonsistentes und willkürli- ches Handeln der DDR-Behörden im nachhinein unter Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes zu korri- gieren? Unter diesen Vorzeichen war die „Nachzeichnungslö- sung“, die die alte Bundesregierung damals traf, ein gangbarer Weg. Kein Neubauern-Erbe sollte dadurch benachteiligt sein, daß die DDR-Behörden die Besitz- wechselvorschriften konsequent umgesetzt haben, bzw. umgekehrt: Kein Neubauern-Erbe sollte dadurch einen Vorteil gewinnen, daß die DDR-Behörden die Besitz- wechselvorschriften nachlässig angewendet haben. Es ging hier also darum, den durch die Willkür der DDR- Behörden entstandenen Zustand nach dem Gleichbe- handlungsgrundsatz aufzulösen. Dies war über die Nachzeichnungslösung möglich, mit der das Kriterium der Zuteilungsfähigkeit in das bundesdeutsche Recht eingefügt wurde. Diese Regelung ist zweimal vom Bundesverfas- sungsgericht als verfassungskonform bestätigt worden. Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom Juli 1998 das Kriterium der Zuteilungsfähigkeit sogar noch einmal eingeschränkt. Wenn der Bundesgerichts- hof in seinem Urteil vom Dezember 1998 nun feststellt, daß die Vererbbarkeit von Bodenreformgrundstücken nach den Vorschriften des BGB auch in der DDR formal nie aufgehoben wurde, so mag dies formaljuristisch stimmen – praktisch erlangte diese Vererbbarkeit aber keinerlei Bedeutung, da sie dem sozialistischen Eigen- tumsbegriff zuwiderlief und durch die Besitzwechsel- verordnungen überlagert war. Der Bundesgerichtshof stellt daher in der Konsequenz die geltende gesetzliche Regelung auch nicht in Frage. Bei der Bewertung der Tragweite der geltenden ge- setzlichen Regelungen nach Art. 233, §§ 11 bis 16 Ein- führungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch sollten wir uns einmal die konkreten Zahlen vor Augen führen: In Mecklenburg-Vorpommern befindet sich der größte Anteil an Bodenreformflächen; es geht hier um 49 000 Grundstücke. Diese wurden in den vergangenen Jahren konsequent überprüft mit folgendem Ergebnis: In 95 Prozent der Fälle waren die Eigentümer bzw. ihre Erben die Berechtigten an dem Bodenreformgrundstück. Das heißt, Ansprüche des Landes sind ausgeschlossen, die Erben dürfen ihre Grundstücke behalten und als Volleigentum im Sinne des Art. 14 Grundgesetz darüber verfügen. Nur in 5 Prozent der Fälle ist das Land Bes- serberechtigter im Sinne des § 12 Absatz 2 Nr. 2 Buch- stabe c. Die infolgedessen mit einer Auflassungsforde- rung des Landes konfrontierten Personen kritisieren die- se Lösung verständlicherweise, aber sie hätten bei Fort- dauer und konsequenter Anwendung der Besitzwechsel- verordnung für Bodenreformgrundstücke das Eigentum über diese nie erlangt. Die Bundesländer haben die Möglichkeit, dieser komplizierten Rechtslage durch eine weitgefaßte Härte- fallregelung Rechnung zu tragen. Dabei werden wir sie im Interesse der Betroffenen unterstützen. Jürgen Türk (F.D.P.): Als Mitglied der F.D.P.- Bundestagsfraktion, die Partei für privates Eigentum er- greift, kann die Schlußfolgerung nur sein: Wenn Boden- reformland vererbbar ist, gehört das Bodenreformland auch in die Hände der Erben. Die Vererbbarkeit von Bodenreformland spielte in der DDR soweit keine Rolle, da die Bauern ihr Land sowieso in die LPGs einbringen mußten und durch Zwangskollektivierung ihre Eigen- tümerrechte nicht wahrnehmen konnten. So war den Eigentümern von Bodenreformland verboten, ihr Land an Erben aufzuteilen, zu verkaufen, zu verpachten, zu verpfänden oder an Dritte, die keine Erben waren, zu übertragen. War der Eigentümer zum Bewirtschaften nicht mehr bereit oder nicht in der Lage, sollte das Land in den staatlichen Bodenfonds zurückgeführt werden. Nur wenn der Erbe in der LPG arbeitete, konnte er auch das Bodenreformland erben. Da Recht und Gesetz jedenfalls bei Eigentumsfragen in der DDR nicht einmal das Papier wert war, auf dem es geschrieben stand, kam es häufig gar nicht zur Rück- überführung in den Bodenfonds und damit zur Neuver- teilung. Aber auch das Vererben an Nachkommen, die in der LPG arbeiteten, hatte keine Bedeutung. Warum auch? Da das Bodenreformland faktisch der vollständigen Nutzung der LPGs diente, war es auch egal, ob der Eigentümer nun Schultze, Meier oder Mül- ler heißt. 4084 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 47. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Juni 1999 (A) (C) (B) (D) Nun kommt aber das Kuriose. In den letzten Tagen der Modrow-Regierung beschloß die noch nicht frei gewählte Volkskammer, daß Bodenreformland nicht mehr den staat- lichen Bodenfonds zuzuführen ist. Das heißt, auch Erben, die keine Bauern waren, konnten Bodenreformland erben. Nach der Einheit urteilte der Bundesgerichtshof, BGH, nun zuerst, daß die Volkskammer gar nicht wußte, welche eigentumsrechtlichen Konsequenzen dieser Beschluß hatte. Darum sollte weiterhin Bodenre- formland nicht vererbbar sein und in der Hand des Staates bleiben. Dann urteilte der BGH: Jawohl, Bodenreformland ist vererbbar, aber es muß vom Fiskus nicht den Erben zu- rückgegeben werden. Die Begründung des BGH dafür ist so diffus, daß ich mir gerade als juristischer Laie er- spare, diese zu bewerten. Fazit bleibt: Bodenreform ist vererbbar, und darum haben die Erben ein Anrecht auf das Land. Alles andere wäre auch Unsinn. Der Gesetzgeber ist deshalb gefor- dert, das Einführungsgesetz des BGB in der Form zu ändern, daß die Erben von Bodenreformland auch zu ih- rem Recht kommen.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Antje Vollmer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Frau Ministe-
    rin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen
    Wolf?



Rede von Andrea Fischer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ja.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Aribert Wolf


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Die Botschaft hör‘ ich
    wohl, allein mir fehlt der Glaube. Frau Ministerin, wie
    passen Ihre Ausführungen dazu, daß Sie Herrn Eichel
    oder Herrn Riester – ganz, wie Sie wollen –, obwohl für

    die Pflegeversicherung so viele neue Aufgaben anste-
    hen, jetzt 500 Millionen oder 600 Millionen DM – dar-
    über läßt sich trefflich streiten; jedenfalls beachtlich viel
    Geld – schenken? Früher bestand in diesem Haus Kon-
    sens darüber, daß die Rücklagen der Pflegeversicherung
    allein den Pflegebedürftigen zugute kommen und daß
    damit keine Haushaltslöcher gestopft werden sollen.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Diesen Konsens verlassen Sie mit diesen Beschlüssen.
    Wie passen Ihre Sorgen um die Pflegeversicherung und
    um ihre künftigen Aufgaben dazu, daß Sie dieses Geld
    jetzt einfach weggeben?