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ID1404102800

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Metadaten
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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 14/41 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 41. Sitzung Bonn, Dienstag, den 8. Juni 1999 I n h a l t : Tagesordnungspunkt 1: a) Abgabe einer Regierungserklärung des Bundeskanzlers Ergebnisse des Europäischen Rates am 3. und 4. Juni 1999 in Köln und zum Stand der Friedensbemühungen im Ko- sovo-Konflikt ............................................ 3483 A b) Antrag der Bundesregierung Deutsche Beteiligung an einer interna- tionalen Sicherheitspräsenz im Kosovo zur Gewährleistung eines sicheren Um- feldes für die Flüchtlingsrückkehr und zur militärischen Absicherung einer Friedensregelung für das Kosovo (Drucksache 14/1111) ................................ 3483 B Gerhard Schröder, Bundeskanzler ................... 3483 B Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU ................. 3488 A Rudolf Scharping, Bundesminister BMVg ...... 3492 C Dr. Wolfgang Gerhardt F.D.P.......................... 3495 D Dr. Ludger Volmer, Staatsminister AA ........... 3497 C Dr. Gregor Gysi PDS....................................... 3501 C Michael Glos CDU/CSU.................................. 3504 B Dr. Helmut Lippelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN................................................... 3505 A Gernot Erler SPD............................................. 3507 D Dr. Helmut Haussmann F.D.P. ........................ 3509 D Dr. Helmut Lippelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN................................................................. 3511 C Dr. Friedbert Pflüger CDU/CSU...................... 3512 B Günter Verheugen, Staatsminister AA............. 3514 B Dr. Norbert Wieczorek SPD ............................ 3516 C Tagesordnungspunkt 2: Aktuelle Stunde betr. Haltung der Bundesregierung zu den Ankündigun- gen einer Mehrwertsteuererhöhung und einer fortlaufenden Erhöhung der Mi- neralölsteuer durch den Bundesfinanz- minister ..................................................... 3519 C Rainer Brüderle F.D.P. .................................... 3519 D Jörg-Otto Spiller SPD...................................... 3520 D Gerda Hasselfeldt CDU/CSU .......................... 3522 A Klaus Wolfgang Müller (Kiel) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN................................................. 3522 D Heidemarie Ehlert PDS.................................... 3524 A Karl Diller, Parl. Staatssekretär BMF.............. 3525 A Friedrich Merz CDU/CSU............................... 3526 C Dr. Reinhard Loske BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN................................................................. 3527 D Dr. Günter Rexrodt F.D.P................................ 3528 D Wolfgang Grotthaus SPD ................................ 3529 D Dietrich Austermann CDU/CSU ..................... 3531 A Lydia Westrich SPD ........................................ 3532 B Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach) CDU/CSU 3533 B Reinhard Schultz (Everswinkel) SPD.............. 3534 C Nächste Sitzung ............................................... 3535 C Berichtigungen................................................. 3535 B Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten ........... 3537 A Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 41. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 8. Juni 1999 3483 (A) (C) (B) (D) 41. Sitzung Bonn, Dienstag, den 8. Juni 1999 Beginn: 9.30 Uhr
  • folderAnlagen
    Berichtigungen 40. Sitzung am Freitag, 7. Mai 1999, Seite 3414 D, na- mentliche Abstimmung zum Entschließungsantrag auf Drucksache 14/997: Abgeordneter Dr. Reinhard Loske (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) hat sich bei der namentli- chen Abstimmung nicht, wie angegeben, der Stim- me enthalten, sondern mit Nein gestimmt. Dement- sprechend ändert sich das endgültige Ergebnis der Abstimmung. Die Zahl der Nein-Stimmen beträgt tatsächlich 567 und der Enthaltungen 8. Im selben Plenarprotokoll ist auf Seite III sowie auf Seite 3473 A jeweils bei Anlage 6 statt Günter Veit ,,Rüdiger Veit“ zu lesen. Bei den unter Anlage 6 aufgeführten Namen gehört die Abgeordnete Claudia Roth (Hamburg) nicht der SPD- Fraktion an, sondern der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Auf Seite 3478 D ist bei dem Rednerkopf Petra Ernstberger statt PDS ,,SPD“ zu lesen. Reinhard Schultz (Everswinkel) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 41. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 8. Juni 1999 3537 (A) (C) (B) (D) Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich Altmann (Aurich), Gila BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 8.6.99 Blank, Renate CDU/CSU 8.6.99 Dr. Böhmer, Maria CDU/CSU 8.6.99 Braun (Augsburg), Hildebrecht F.D.P. 8.6.99 Brinkmann (Hildesheim), Bernhard SPD 8.6.99 Bruckmann, Hans-Günter SPD 8.6.99 Bulmahn, Edelgard SPD 8.6.99 Eichhorn, Maria CDU/CSU 8.6.99 Eppelmann, Rainer CDU/CSU 8.6.99 Fischer (Berlin), Andrea BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 8.6.99 Fischer (Frankfurt), Joseph BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 8.6.99 Frick, Gisela F.D.P. 8.6.99 Friedhoff, Paul K. F.D.P. 8.6.99 Friedrich (Bayreuth), Horst F.D.P. 8.6.99 Friedrich (Altenburg), Peter SPD 8.6.99 Funke, Rainer F.D.P. 8.6.99 Gebhardt, Fred PDS 8.6.99 Dr. Geißler, Heiner CDU/CSU 8.6.99 Gradistanac, Renate SPD 8.6.99 Günther (Plauen), Joachim F.D.P. 8.6.99 Hartenbach, Alfred SPD 8.6.99 Heinrich, Ulrich F.D.P. 8.6.99 Dr. Höll, Barbara PDS 8.6.99 Hoffmann (Wismar), Iris SPD 8.6.99 Hornung, Siegfried CDU/CSU 8.6.99 Hübner, Carsten PDS 8.6.99 Jäger, Renate SPD 8.6.99 Janz, Ilse SPD 8.6.99 Jüttermann, Gerhard PDS 8.6.99 Kalb, Bartholomäus CDU/CSU 8.6.99 Kampeter, Steffen CDU/CSU 8.6.99 Kasparick, Ulrich SPD 8.6.99 Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich Dr. Köster-Lößack, Angelika BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 8.6.99 Kolbow, Walter SPD 8.6.99 Koschyk, Hartmut CDU/CSU 8.6.99 Kumpf, Ute SPD 8.6.99 Leidinger, Robert SPD 8.6.99 Lengsfeld, Vera CDU/CSU 8.6.99 Lensing, Werner CDU/CSU 8.6.99 Leutheusser- Schnarrenberger, Sabine F.D.P. 8.6.99 Mante, Winfried SPD 8.6.99 Dr. Mayer (Siegertsbrunn), Martin CDU/CSU 8.6.99 Meckel, Markus SPD 8.6.99 Dr. Meyer (Ulm), Jürgen SPD 8.6.99 Möllemann, Jürgen W. F.D.P. 8.6.99 Moosbauer, Christoph SPD 8.6.99 Müller (Jena), Bernward CDU/CSU 8.6.99 Müller (Kirchheim), Elmar CDU/CSU 8.6.99 Nahles, Andrea SPD 8.6.99 Neumann (Bremen), Bernd CDU/CSU 8.6.99 Oswald, Eduard CDU/CSU 8.6.99 Otto (Frankfurt), Hans-Joachim F.D.P. 8.6.99 Philipp, Beatrix CDU/CSU 8.6.99 Reiche, Katherina CDU/CSU 8.6.99 Reinhardt, Erika CDU/CSU 8.6.99 Rönsch (Wiesbaden), Hannelore CDU/CSU 8.6.99 Dr. Rössel, Uwe-Jens PDS 8.6.99 Roth (Gießen), Adolf CDU/CSU 8.6.99 Rübenkönig, Gerhard SPD 8.6.99 Schaich-Walch, Gudrun SPD 8.6.99 Schauerte, Hartmut CDU/CSU 8.6.99 Scherhag, Karl-Heinz CDU/CSU 8.6.99 Schmidt-Zadel, Regina SPD 8.6.99 von Schmude, Michael CDU/CSU 8.6.99 Schuhmann (Delitzsch), Richard SPD 8.6.99 Schulhoff, Wolfgang CDU/CSU 8.6.99 3538 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 41. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 8. Juni 1999 (A) (C) (B) (D) Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich Dr. Schwall-Düren, Angelica SPD 8.6.99 Seehofer, Horst CDU/CSU 8.6.99 Späte, Margarete CDU/CSU 8.6.99 Spanier, Wolfgang SPD 8.6.99 Spranger, Carl-Dieter CDU/CSU 8.6.99 Dr. Staffelt, Ditmar SPD 8.6.99 Steiger, Wolfgang CDU/CSU 8.6.99 Tappe, Joachim SPD 8.6.99 Tauss, Jörg SPD 8.6.99 Teuchner, Jella SPD 8.6.99 Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich Uldall, Gunnar CDU/CSU 8.6.99 Voß, Sylvia BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 8.6.99 Weißgerber, Gunter SPD 8.6.99 Wiesehügel, Klaus SPD 8.6.99 Willner, Gert CDU/CSU 8.6.99 Wissmann, Matthias CDU/CSU 8.6.99 Wöhrl, Dagmar CDU/CSU 8.6.99 Wolf, Aribert CDU/CSU 8.6.99 Wolff (Zielitz), Waltraud SPD 8.6.99 Würzbach, Peter Kurt CDU/CSU 8.6.99 Druck: Bonner Universitäts-Buchdruckerei, 53113 Bonn 53003 Bonn, Telefon: 02 28/3 82 08 40, Telefax: 02 28/3 82 08 44 20
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Friedbert Pflüger


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident!
    Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Kollege
    Lippelt hat eben völlig zu Recht einen Dank an die Di-
    plomaten gerichtet. Ich bin für den Europaausschuß in
    Albanien gewesen und habe vor Ort gesehen, was dort
    geleistet worden ist. Ich möchte vor diesem Hintergrund
    vor allen Dingen den Kräften der Bundeswehr, des
    Technischen Hilfswerks und der humanitären Organisa-
    tionen für ihre phantastische Arbeit vor Ort danken.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    In einem Flüchtlingslager in Albanien habe ich eine
    kosovarische Frau Ende 40 kennengelernt. Diese Frau
    hat von serbischen Soldaten erzählt, die sie von ihrem
    Bauernhof vertrieben haben. Sie hatte einen Ehemann,
    einen Sohn und zwei Töchter. Während der Vertreibung
    fanden die serbischen Soldaten die Töchter attraktiv und
    haben sie angefaßt. Der Bruder und der Ehemann haben
    sich vor sie gestellt und versucht, die Töchter zu be-
    schützen. Daraufhin wurden vor den Augen der Frau
    beide kurzerhand mit dem Messer umgebracht und die
    Töchter vergewaltigt. Diese Frau steht jetzt vor einem
    und erzählt einem das. Sie hat Haus und Hof verloren,
    den Ehemann verloren, den Sohn verloren; und die bei-
    den Töchter sind, wenn sie noch leben, in irgendeinem
    Verlies. Das ist die Realität. Das konnte man tausend-
    fach im Kosovo erleben. Angesichts dieses Mordens und
    Vertreibens können wir alle miteinander – bis auf Herrn
    Gysi – feststellen: Das, was wir gemacht haben, war
    richtig und notwendig.


    (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der F.D.P.)


    Diese Frau hat hinzugefügt, sie hoffe, daß die NATO
    nicht auf halbem Wege stehenbleibe und der Westen die
    Nerven behalte. Es war ja abzusehen, daß die Morde und
    die Vertreibungen im Kosovo, die wir nicht im Fernse-
    hen sehen konnten, weil es dort keine Kameras gibt, in
    der innenpolitischen Auseinandersetzung oftmals gerin-
    ger bewertet wurden als die Zivilopfer unter der serbi-
    schen Bevölkerung, die es auch gegeben hat.


    (Wolfgang Gehrcke [PDS]: Beides ist schlimm!)


    – Beides ist schlimm, aber wir müssen auch Ursache
    und Wirkung berücksichtigen, Herr Kollege. Wir müs-
    sen doch einsehen und anerkennen, daß keine Alternati-
    ve dazu bestand – darum ging es hier jetzt vor allen
    Dingen –, militärisch einzugreifen.

    An allererster Stelle beklage und hinterfrage ich bei
    dem jetzigen Friedensschluß, daß der eigentlich Haupt-
    verantwortliche für das Übel auf dem Balkan weiter re-
    giert. Herr Milosevic bleibt an der Macht. Wir haben mit
    ihm diesen Frieden geschlossen. Vielleicht ist das not-
    wendig gewesen, weil wir keine andere Möglichkeit
    hatten, aber ein wenig sollten wir dieses problematisie-
    ren. Berthold Kohler schrieb jedenfalls am 4. Juni in der
    „FAZ“:

    Die Bekämpfung der Hauptursache für Völkermord
    und Vertreibung auf dem Balkan wurde jedoch
    abermals verschoben.

    Wir müssen im Hinterkopf behalten, was wir hier ge-
    macht haben. Ich jedenfalls halte fest, daß ich Herrn
    Milosevic im Rahmen einer Wiederaufbauhilfe und
    eines Stabilitätspaktes nicht gern deutsches Entwick-
    lungsgeld für den Aufbau von Serbien geben möchte.
    Vorher müssen die ihr Land demokratisieren.


    (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der F.D.P.)


    Wir haben in der letzten Woche erlebt, wie die ersten
    Lorbeerkränze geflochten wurden. Es hat an einer Stelle

    Dr. Helmut Lippelt






    (A) (C)



    (B) (D)


    Friedenseuphorie gegeben, wo sie noch nicht angebracht
    war; denn das Morden und das Vertreiben, von dem ich
    eben berichtet habe, hat nicht zu einem einzigen Mo-
    ment aufgehört. Ich bin gerne bereit, allen möglichen
    Leuten, auch der Bundesregierung, zu gratulieren, wenn
    die ersten Flüchtlinge sicher in der Heimat zurück sind,
    aber keine Minute früher. Das Entscheidende ist näm-
    lich, daß sie zurückkehren. Bisher gibt es nirgendwo ei-
    ne Bereitschaft hierfür. Im Gegenteil, wir hören von al-
    len Seiten: Macht jetzt in den nächsten Tagen den Frie-
    den so sicher, daß wir auch wirklich sicher zurückkehren
    können! Wenn ich mir anschaue, was es bei den Ver-
    handlungen in den nächsten Tagen und Wochen noch
    alles zu besprechen gibt, dann kann ich daraus nur ab-
    leiten, daß wir weit davon entfernt sind, von Frieden re-
    den zu können.

    Erster Punkt: In der Hauptfrage gibt es keinen Kon-
    sens. Selbst wenn wir einen UN-Sicherheitsratsbeschluß
    bekommen, bleibt festzuhalten: Die Albaner wollen kein
    Kosovo als Teil der Republik Jugoslawien, während
    sich die NATO darauf festgelegt hat, daß das Kosovo
    integraler Bestandteil Jugoslawiens bleibt. Das heißt, in
    der entscheidenden Frage gibt es Unterschiede. Herr
    Bukoshi – das ist der Chef der Exilregierung der Koso-
    vo-Albaner – sagte diese Woche im „Focus“:

    Eine Autonomie ist eine Beleidigung für die Alba-
    ner, unter serbischer Oberhoheit ist das inakzepta-
    bel.

    Sie werden weiterkämpfen und nicht bereit sein, sich
    von Serbien noch einmal kontrollieren zu lassen.


    (Wolfgang Gehrcke [PDS]: Was heißt das?)

    Zweiter Punkt: Nun sagen die Serben: Wir ziehen ab,

    aber zunächst erst muß die UCK entwaffnet sein. Die
    UCK-Leute sagen: Erst wenn alle bewaffneten serbi-
    schen Formationen abgezogen sind, werden wir uns
    entwaffnen lassen. Allein daraus werden wochenlange
    diplomatische Streitigkeiten entstehen. Herr Milosevic
    hat dadurch wieder die Chance, Zeit zu gewinnen. Es
    wird sehr schwierig sein, das gleichzeitig zu organisie-
    ren. Ich möchte nicht – diese Sorge habe ich; das müs-
    sen wir hier klären, bevor wir zustimmen –, daß die
    deutschen und alliierten Soldaten in Kriege und militäri-
    sche Konfrontationen dieser beiden Seiten hineingezo-
    gen werden. Wir müssen diese Möglichkeit zumindest
    soweit wie möglich minimieren.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


    Dritter Punkt. Es gibt völlig unterschiedliche Auffas-
    sungen über die Kommandostrukturen. Die Russen
    fordern, daß über alles die UNO die Oberhoheit haben
    soll. Wir wollen, daß die UNO formal die NATO beauf-
    tragt, damit dann die NATO Schutztruppen, die unter ih-
    rem Kommando stehen, in den Kosovo entsenden kann.

    Es gibt auch unterschiedliche Einschätzungen dar-
    über, ob sich die Russen einem NATO-Kommando un-
    terstellen oder ein eigenes Kommando haben wollen.
    Wenn die Russen ein eigenes Kommando, vielleicht so-
    gar eine eigene Schutzzone durchsetzen, in der sie die
    maßgebende Kraft sind, dann wird in diese Zone jeden-

    falls kein einziger Kosovo-Albaner zurückkehren. Das
    würde de facto die Teilung des Kosovo und den Erfolg
    der ethnischen Säuberung bedeuten. Bevor wir also
    Friedensschalmeien erklingen lassen, sollten wir bis zum
    letzten Moment besser ganz hart – mit kühlem Kopf und
    ohne Euphorie – verhandeln.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


    Vierter Punkt. Barton Haxhiu, einer der führenden
    Intellektuellen in Albanien, sagt: Die Flüchtlinge werden
    nicht zurückkommen, wenn sie serbische Grenz- und
    Polizeiposten passieren müssen. Aber wir haben in dem
    Papier, über das Herr Ahtisaari und Herr Tscher-
    nomyrdin mit Belgrad verhandelt haben, festgelegt, daß
    einer vereinbarten Zahl serbischer Offizieller zur Auf-
    rechterhaltung einer Präsenz an den Grenzübergängen
    die Rückkehr erlaubt wird. Wie viele von diesen Offizi-
    ellen werden zurückkehren? Wie sieht das aus? Wollen
    wir wirklich den Kosovo-Albanern zumuten, in ihr Land
    wieder an den serbischen Patrouillen vorbei zurückzu-
    kehren, die gerade ihr Land zerstört haben? Ich finde,
    das ist eine äußerst schwierige Sache.


    (Zuruf des Abg. Wolfgang Gehrcke [PDS])

    – Herr Kollege, wir wollen ja, daß es anders wird. – Ich
    hoffe sehr, daß die Bundesregierung, die EU und die
    Vertreter der G-8-Staaten, die im Moment in Köln ta-
    gen, bei ihren Bemühungen Erfolg haben werden. Im
    Moment haben sie sich gerade wieder einmal vertagt
    und ihre Sitzung unterbrochen. Ich möchte nur hinzufü-
    gen: Wir dürfen doch die riesigen Probleme auf dem
    Weg zum Frieden und auch die Probleme für unsere
    Soldaten, die zum Beispiel auch in den Minenfeldern
    bestehen, nicht geringschätzen. Wir haben eine große
    Verantwortung für jeden einzelnen Soldaten, den wir in
    diese Region schicken. Es haben sich einige Leute zu
    früh gefreut und sich zu früh gegenseitig auf die Schul-
    ter geschlagen. Das wird man hier im Deutschen Bun-
    destag vor so wichtigen Entscheidungen noch anspre-
    chen dürfen.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wir lernen aus all dem, so finde ich, daß wir die Er-

    weiterung der Europäischen Union nicht langsamer,
    sondern schneller vorantreiben müssen und daß das Ar-
    gument der Kosten, das wir sehr lange von Ihnen gehört
    haben, vor dem Hintergrund des Jugoslawien-Krieges ad
    absurdum geführt worden ist.


    (Dr. Helmut Haussmann [F.D.P.]: Sehr richtig!)


    Ein Krieg kostet eben sehr viel mehr Geld. Deshalb ist
    es sehr wichtig, die Stabilität der EU zu exportieren, be-
    vor die Instabilität aus anderen Teilen Europas auf uns
    zurückschlägt.

    Ich freue mich, daß sich das offensichtlich herumge-
    sprochen hat. Ich freue mich, daß wir jetzt einen Stabili-
    tätspakt initiieren. Ich hoffe, daß es dabei eine sehr fai-
    re Lastenteilung geben wird und daß die Bundesrepublik
    Deutschland nicht der einzige Staat sein wird, der zahlen
    muß, wenn die CNN-Kameras abgeschaltet werden und

    Dr. Friedbert Pflüger






    (B)



    (A) (C)



    (D)


    die internationale Öffentlichkeit nicht mehr an den Fol-
    gen dieses Krieges interessiert ist. Faire Lastenteilung
    im Rahmen des Stabilitätspaktes ist ein ganz wichtiger
    Punkt, der in den nächsten Wochen besprochen werden
    muß.

    Zuletzt möchte ich noch etwas zu unserer Gemein-
    samen Außen- und Sicherheitspolitik sagen. Ich freue
    mich, daß es in Umsetzung des Amsterdamer Vertrages,
    den Helmut Kohl ausgehandelt hat, eine Gemeinsame
    Außen- und Sicherheitspolitik geben wird. Ich freue
    mich auch, daß mit Herrn Solana ein hochqualifizierter
    Mann an der Spitze der GASP steht. Ich möchte nur vor
    dem Unterton warnen, mit dem man anklingen läßt, daß
    es gut sei, wenn die Europäer jetzt alleine über eine Ge-
    meinsame Außen- und Sicherheitspolitik entscheiden
    könnten; denn die Amerikaner seien ein bißchen zu sehr
    für den Krieg. Die Unterscheidung, daß die Amerikaner
    für den Krieg zuständig sind und die Europäer Frieden
    machen, wofür sie sich feiern lassen, ist das Dümmste
    und Gefährlichste, das wir machen können. Beide haben
    den Krieg geführt. Beide sind auch dafür verantwortlich,
    daß wir den Frieden geschaffen haben.

    Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)




Rede von Dr. Rudolf Seiters
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der
Herr Staatsminister im Auswärtigen Amt, Günter Ver-
heugen.

G
  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Günter Verheugen


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
    Herren! In der Debatte ist in einer vielleicht ein bißchen
    verfrühten Bilanz der deutschen Ratspräsidentschaft eine
    Reihe von Fragen aufgeworfen worden, auf die ich ein-
    gehen möchte und die ich zu beantworten versuchen
    will.

    Wir können heute sagen, daß vier große Themen die-
    se Präsidentschaft bestimmt haben, von denen eines
    nicht vorhersehbar war, nämlich die Krisenbewältigung
    nach innen und nach außen. Die anderen drei aber waren
    die Aufgaben, die wir mit auf den Weg bekommen hat-
    ten, nämlich der innere Reformprozeß der Europäischen
    Union, die Erweiterung und auch die Vertiefung im Sin-
    ne von mehr Gemeinsamkeit auf wichtigen Politikfel-
    dern.

    Was die Krisenbewältigung angeht, so will ich dar-
    auf hinweisen, daß die Verbindung der Präsidentschaf-
    ten – Europäische Union, G 7/G 8 und Westeuropäische
    Union – etwas ist, was uns zwar zugefallen war, dessen
    Ausnutzung, sinnvolle Anwendung und Verbindung al-
    lerdings dazu geführt haben, daß wir in dieser Krisensi-
    tuation in Europa eine wesentlich stärkere Geschlossen-
    heit und Handlungsfähigkeit Europas herstellen konnten
    als in allen anderen Krisen dieser Art zuvor. Das ist eine
    Leistung, die, verglichen mit der Situation in der Bosni-
    en-Krise, wo es nicht möglich war, zu gemeinsamen
    europäischen Positionen zu kommen, und wo die Krise
    nur durch das Eingreifen der USA beendet werden
    konnte, einen beachtlichen qualitativen Unterschied

    aufweist, der in meinen Augen ein Fortschritt für Europa
    ist, den man nicht kleinreden sollte.


    (Beifall bei der SPD)

    Wir haben den politischen Prozeß, der uns dahin ge-
    bracht hat, wo wir heute stehen – ich hoffe, daß wir alle
    gemeinsam glauben, daß wir nur kurz vor dem endgülti-
    gen Durchbruch stehen –, immer wieder neu in Gang
    gesetzt, ihn mit immer neuen Initiativen gespeist, immer
    neue Ideen eingebracht und ihn koordiniert.

    Ein Beispiel ist der Stabilitätspakt, der die Frage be-
    antwortet: Was kommt am Tag danach? Dieser Stabili-
    tätspakt ist wahrscheinlich das größte Unternehmen, das
    wir uns in Europa seit vielen Jahren vorgenommen ha-
    ben. Es geht darum, eine ganze europäische Region,
    Südosteuropa, an die Europäische Union so heranzufüh-
    ren, daß die Ursachen für die Krisen und die Konflikte
    ein für allemal beseitigt werden. Die richtige Konse-
    quenz aus der Krise, die wir erlebt haben, ist doch die,
    jetzt nicht irgend etwas zu machen, was kurzfristig die
    Waffen schweigen läßt, sondern etwas zu machen, was
    dafür sorgt, daß die Ursachen für die Konflikte auf lange
    Sicht verschwinden. Hätten wir in Europa vor neun Jah-
    ren, als die Krise in Jugoslawien anfing, die Fähigkeit
    gehabt, einen solchen Stabilitätspakt zu entwickeln,
    hätten wir den Mut und die Kraft gehabt, diesen Staaten
    die europäische Perspektive zu eröffnen, dann wäre uns
    in Europa in den letzten Jahren vielleicht – ich sage:
    vielleicht – viel erspart geblieben.


    (Beifall bei der SPD)

    Ich möchte dem Kollegen Haussmann sehr deutlich

    sagen: Es ist nicht richtig, daß die Finanzierung des Sta-
    bilitätspakts in einem Wettbewerb mit der Finanzierung
    der Osterweiterung stehen wird. Einer unserer wichtig-
    sten Punkte – und den haben wir auch durchgesetzt –
    war, daß die für die Erweiterung vorgesehenen Mittel in
    der finanziellen Vorausschau ausschließlich für die Er-
    weiterung verwendet werden können. Das sind 80 Milli-
    arden Euro bis 2006. Davon stehen 58 Milliarden Euro
    für die Erweiterung direkt ab 2002 zur Verfügung. Das
    heißt, daß wir bereit und in der Lage sind, ab 2002 die
    ersten neuen Mitglieder aufzunehmen. Wir hoffen sehr –
    und wir tun, was wir können, um diesen Ländern dabei
    zu helfen –, daß den Beitrittskandidaten dies auch gelin-
    gen wird. Aber es ist heute nicht möglich, dies vorherzu-
    sagen. Ich komme gleich noch hierauf zurück.

    Zum Thema Krisenbewältigung noch eines: Es stand
    auch noch nie eine Präsidentschaft vor der Situation, daß
    unmittelbar vor einem wichtigen Gipfel die Kommission
    zurückgetreten ist. Daß daraus keine wirklich tiefe in-
    stitutionelle Krise der Europäischen Union wurde, ist
    dem schnellen und entschlossenen Handeln des Bundes-
    kanzlers zu verdanken, der in der Europäischen Union
    innerhalb weniger Tage in einer Frage eine Überein-
    stimmung herbeigeführt hat, zu deren Entscheidung
    normalerweise Monate, manchmal sogar Jahre ge-
    braucht wurden.


    (Beifall bei der SPD)

    Was den inneren Reformprozeß angeht, so muß ich

    mich ein bißchen darüber wundern, daß Herr Schäuble

    Dr. Friedbert Pflüger






    (A) (C)



    (B) (D)


    heute zu Beginn der Debatte gesagt hat, es habe keine
    Reformen gegeben. Ich kann vielleicht nicht von jedem
    erwarten, daß er die vielen Einzelheiten der Agenda
    2000 kennt. Es scheint bei der Opposition auch noch
    nicht angekommen zu sein, daß die Agenda 2000 – in
    Berlin politisch verabschiedet – inzwischen auch recht-
    lich umgesetzt worden ist. Sie brauchen sich nur einmal
    die von uns zusammen mit dem Europäischen Parlament
    verhandelten und dann entschiedenen Verordnungen an-
    zusehen, um zu erkennen, daß hier eine wirklich tief-
    greifende Reform der europäischen Strukturpolitik er-
    folgt. Wir haben Konzentration, wir haben mehr Effizi-
    enz, wir haben mehr Transparenz bei der Mittelverwen-
    dung – übrigens mit großen Vorteilen für uns selbst. Es
    ist ohne jede Übertreibung die größte Reform im
    Finanzbereich, den die Europäische Union jemals in
    ihrer Geschichte vorgenommen hat.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Was die institutionellen Reformen angeht, standen
    wir vor einer politischen Grundsatzfrage. Die Grund-
    satzfrage war: Versucht man jetzt – nachdem eine Re-
    gierungskonferenz gerade zu Ende gegangen und der
    Vertrag, der daraus entstanden ist, vor wenigen Wochen
    in Kraft getreten war –, alles das, was für Europa schön
    und wünschenswert ist, in eine neue große Regierungs-
    konferenz zu packen, die Jahre dauern würde und mit
    dem Risiko des Scheiterns, behaftet ist? Man braucht
    nur die Frage der Vollparlamentarisierung, die Frage der
    demokratischen Kontrolle und die Frage der Finalität der
    Europäischen Union anzusprechen. Jeder von Ihnen
    weiß, daß es eine Reihe von Mitgliedstaaten gibt, die
    heute nicht in der Lage sind, über diese Fragen über-
    haupt zu reden. Deswegen haben wir das Kluge getan
    und haben uns den Bereich herausgesucht, der jetzt be-
    handelt werden muß, und die Reformen, die notwendig
    sind, damit die Europäische Union nach der Erweiterung
    handlungs- und funktionsfähig bleibt.

    Unser Auftrag in Köln hieß, die Agenda, den Fahr-
    plan und das Verfahren für diese institutionellen Refor-
    men festzulegen. Das ist auf Punkt und Komma erfüllt
    worden. Wir werden im nächsten Jahr eine Regierungs-
    konferenz durchführen, die sich mit ungewöhnlich
    schwierigen Fragen befassen muß, die auch den Bun-
    destag intensiv beschäftigen müssen. Zu nennen sind
    hier Größe und Zusammensetzung der Kommission,
    Stimmengewichtung im Rat, Frage der Ausweitung der
    Mehrheitsentscheidungen, Zusammenwirken der Insti-
    tutionen bis hin zu der Frage, wie man Kommissare los
    wird, die ihren Aufgaben erkennbar nicht gewachsen
    sind.

    Das alles ist auf den Weg gebracht und dazu noch et-
    was, was wir seit vielen Jahren wollen: Eine Versamm-
    lung – ich möchte es einen Konvent nennen –, die im
    wesentlichen aus Vertretern des Europaparlaments und
    der nationalen Parlamente bestehen wird, wird eine
    Grundrechtscharta entwickeln. Auch dies soll bereits im
    nächsten Jahr abgeschlossen werden. Das ist ein wichti-
    ger Beitrag zu dem Erfordernis von Bürgernähe für die
    Europäische Union.


    (Beifall bei der SPD)


    Was die Erweiterung angeht – in meinen Augen ist
    dies die strategische Priorität Nummer eins –, so haben
    wir eine völlig neue Lage. Bei all dem Schrecklichen,
    was der Krieg im Kosovo mit sich gebracht hat, gibt es
    eine Wirkung dieses Krieges, die langfristig positiv sein
    kann. Die gesamteuropäische Perspektive des Integrati-
    onsprozesses ist in den letzten Jahren niemals so deut-
    lich gewesen wie jetzt. Auf einmal ist viel klarer als frü-
    her, daß es bei Europa, so wichtig dies auch ist, nicht so
    sehr um Quoten, um Subventionen und um Wettbe-
    werbsregeln geht, sondern in erster Linie darum, daß aus
    ganz Europa ein Raum der Demokratie, der Freiheit, des
    Rechts und der Prosperität für die Menschen wird.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Die Erweiterungsdynamik hat ungeheuer zugenom-
    men, und zwar in doppelter Hinsicht. Die Völker Euro-
    pas suchen ihren Weg in die Europäische Union. Man
    kann heute ohne Übertreibung sagen: alle Länder, wenn
    ich einmal von der Schweiz, von Island und von Norwe-
    gen absehe.


    (Dr. Helmut Haussmann [F.D.P.]: Leider!)

    Sie alle suchen ihren Weg in die Europäische Union.
    Die Bereitschaft, das zu akzeptieren und ihnen diese
    Perspektive zu eröffnen, ist ebenfalls vorhanden. Wir
    erleben im Augenblick in einigen Hauptstädten Südost-
    europas eine Art Schönheitswettbewerb darum, wer die
    weitreichendsten Versprechungen macht. Ich bin ge-
    spannt, was am Ende eingehalten wird.

    Für uns als Deutsche ist in diesem Zusammenhang
    eines wichtig: Angesichts dessen, daß wir jetzt in den
    Erweiterungsprozeß eine neue Dynamik hineingebracht
    haben und dieser dadurch eine ganz neue Perspektive
    bekommen hat, müssen wir daran festhalten, daß die
    Eintrittsbedingungen nicht variabel sind. Es kann keinen
    politischen Rabatt auf die Beitrittsbedingungen geben.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Die richtige Antwort heißt vielmehr, daß wir jetzt ei-

    ne Strategie entwickeln müssen, die es den Ländern, die
    die Beitrittsbedingungen bei weitem noch nicht erfüllen,
    erlaubt, an deren Erfüllung heranzukommen. Das wie-
    derum ist ein wichtiger Teil des Stabilitätspaktes, bei
    dem es ja auch um Menschenrechte, um Demokratie, um
    Minderheitenschutz, um wirtschaftliche Entwicklung
    und um regionale Zusammenarbeit geht. Das alles sind
    Elemente der Heranführung an die Europäische Union.

    Der Erweiterungsprozeß hat an Tempo und Qualität
    enorm zugenommen. Es hat aber keinen Sinn, die Augen
    vor der Tatsache zu verschließen, daß, obwohl wir jetzt
    am Ende unserer Präsidentschaft schon fast die Hälfte
    aller Verhandlungskapitel – insgesamt sind es 31, wie
    Sie wissen – bearbeitet haben, die erkennbar schwierig-
    sten Kapitel noch nicht abgehandelt sind und noch an-
    stehen.

    Darum ist es in meinen Augen unverantwortlich,
    heute ein Beitrittsdatum festzulegen. Die Bundesregie-
    rung hat sich mehrfach dazu geäußert. Ich wiederhole
    das hier: Sobald erkennbar ist, wieviel Zeit der Ver-

    Staatsminister Günter Verheugen






    (B)



    (A) (C)



    (D)


    handlungsprozeß wirklich noch in Anspruch nehmen
    wird, sollten wir uns ein Beitrittsdatum setzen, und zwar
    als Ansporn für die Beitrittskandidaten, aber auch als
    Selbstverpflichtung für uns.

    Ich muß jedoch darauf hinweisen, daß ein vorgezoge-
    ner Beitritt aus politischen Gründen der Europaidee
    nicht nützen, sondern schaden wird. Es wird uns nicht
    helfen, wenn wir aus politischen Gründen Beitrittsdaten
    festlegen, die sich später als falsch erweisen oder die da-
    zu führen, daß die Probleme nicht gelöst sind und die
    Menschen bei uns Angst zum Beispiel vor einem unfai-
    ren Wettbewerb um Arbeitsplätze und Unternehmensan-
    siedlungen haben.


    (Beifall bei der SPD – Dr. Helmut Haussmann [F.D.P.]: Übergangsfristen!)


    Wir werden – der Kollege Haussmann ruft mir das
    gerade zu – am Ende möglicherweise mit Übergangsfri-
    sten arbeiten müssen. Aber diese Entscheidung trifft
    man dann, wenn es soweit ist. Das braucht man heute
    noch nicht zu tun.

    Mein letzter Punkt: Die Vertiefung der Union ist si-
    cherlich ebenfalls dadurch befördert worden, daß im
    Bewußtsein der Krise allen klargeworden ist, daß Euro-
    pa eine angemessene Antwort auf den Zustand braucht,
    daß mitten in Europa, das eigentlich durch Integration,
    Zusammenwachsen und Partnerschaft gekennzeichnet
    ist, die schrecklichen europäischen Krankheiten wieder-
    auferstanden waren. Die Antwort heißt: Gemeinsame
    Außen- und Sicherheitspolitik sowie Bildung einer Si-
    cherheits- und Verteidigungsunion, die uns in die Lage
    versetzen, Krisenreaktion, Krisenvorsorge und Kon-
    fliktmanagement in Europa mit eigenen Mitteln und in
    eigener Verantwortung zu betreiben – nicht etwa, um
    unsere amerikanischen Verbündeten an den Rand zu
    drängen; ich würde niemandem raten, das zu versuchen,
    denn das würde kaum gelingen –, nicht etwa, um die
    NATO zu schwächen oder überflüssig zu machen, son-
    dern in sinnvoller Ergänzung dessen, was Aufgabe der
    NATO und was Aufgabe unserer Partnerschaft mit den
    Vereinigten Staaten von Amerika ist.

    Die dazu getroffenen Entscheidungen, die Ernennung
    Solanas zum Hohen Beauftragten für die Gemeinsame
    Außen- und Sicherheitspolitik, die erste gemeinsame
    Strategie als ein Pilotprojekt und schließlich die Einbe-
    ziehung der WEU in die Europäische Union und damit
    der Beginn des Aufbaus dieser Sicherheits- und Vertei-
    digungsunion, sind das Ergebnis des Gipfels von Köln
    gewesen.


    (Dr. Helmut Haussmann [F.D.P.]: Leider!)

    Schon dies allein rechtfertigt die Aussage, daß der

    Kölner Gipfel in der Geschichte der Europäischen Union
    einen besonderen, einen historischen Platz einnehmen
    wird.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Insgesamt bestätigt die heutige Debatte das, was mir
    ein Kollege aus einem anderen europäischen Land, mit
    dem ich vor wenigen Tagen am Rande des Gipfels in

    Köln sprach, sagte: Du wirst wahrscheinlich erleben,
    daß alle in Europa die deutsche Präsidentschaft loben
    werden, nur eure Opposition nicht.


    (Dr. Helmut Haussmann [F.D.P.]: Sie lesen zuwenig!)


    Wenn das so ist, kannst du zufrieden sein. Dann
    kannst du sicher sein, daß ihr eine hervorragende Präsi-
    dentschaft hingelegt habt.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)