Rede:
ID1404101100

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 11
    1. Herr: 1
    2. Kollege: 1
    3. Gysi,ich: 1
    4. möchte: 1
    5. Sie: 1
    6. bitten,: 1
    7. jetzt: 1
    8. zum: 1
    9. Schluß: 1
    10. zu: 1
    11. kommen.\n: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 14/41 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 41. Sitzung Bonn, Dienstag, den 8. Juni 1999 I n h a l t : Tagesordnungspunkt 1: a) Abgabe einer Regierungserklärung des Bundeskanzlers Ergebnisse des Europäischen Rates am 3. und 4. Juni 1999 in Köln und zum Stand der Friedensbemühungen im Ko- sovo-Konflikt ............................................ 3483 A b) Antrag der Bundesregierung Deutsche Beteiligung an einer interna- tionalen Sicherheitspräsenz im Kosovo zur Gewährleistung eines sicheren Um- feldes für die Flüchtlingsrückkehr und zur militärischen Absicherung einer Friedensregelung für das Kosovo (Drucksache 14/1111) ................................ 3483 B Gerhard Schröder, Bundeskanzler ................... 3483 B Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU ................. 3488 A Rudolf Scharping, Bundesminister BMVg ...... 3492 C Dr. Wolfgang Gerhardt F.D.P.......................... 3495 D Dr. Ludger Volmer, Staatsminister AA ........... 3497 C Dr. Gregor Gysi PDS....................................... 3501 C Michael Glos CDU/CSU.................................. 3504 B Dr. Helmut Lippelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN................................................... 3505 A Gernot Erler SPD............................................. 3507 D Dr. Helmut Haussmann F.D.P. ........................ 3509 D Dr. Helmut Lippelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN................................................................. 3511 C Dr. Friedbert Pflüger CDU/CSU...................... 3512 B Günter Verheugen, Staatsminister AA............. 3514 B Dr. Norbert Wieczorek SPD ............................ 3516 C Tagesordnungspunkt 2: Aktuelle Stunde betr. Haltung der Bundesregierung zu den Ankündigun- gen einer Mehrwertsteuererhöhung und einer fortlaufenden Erhöhung der Mi- neralölsteuer durch den Bundesfinanz- minister ..................................................... 3519 C Rainer Brüderle F.D.P. .................................... 3519 D Jörg-Otto Spiller SPD...................................... 3520 D Gerda Hasselfeldt CDU/CSU .......................... 3522 A Klaus Wolfgang Müller (Kiel) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN................................................. 3522 D Heidemarie Ehlert PDS.................................... 3524 A Karl Diller, Parl. Staatssekretär BMF.............. 3525 A Friedrich Merz CDU/CSU............................... 3526 C Dr. Reinhard Loske BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN................................................................. 3527 D Dr. Günter Rexrodt F.D.P................................ 3528 D Wolfgang Grotthaus SPD ................................ 3529 D Dietrich Austermann CDU/CSU ..................... 3531 A Lydia Westrich SPD ........................................ 3532 B Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach) CDU/CSU 3533 B Reinhard Schultz (Everswinkel) SPD.............. 3534 C Nächste Sitzung ............................................... 3535 C Berichtigungen................................................. 3535 B Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten ........... 3537 A Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 41. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 8. Juni 1999 3483 (A) (C) (B) (D) 41. Sitzung Bonn, Dienstag, den 8. Juni 1999 Beginn: 9.30 Uhr
  • folderAnlagen
    Berichtigungen 40. Sitzung am Freitag, 7. Mai 1999, Seite 3414 D, na- mentliche Abstimmung zum Entschließungsantrag auf Drucksache 14/997: Abgeordneter Dr. Reinhard Loske (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) hat sich bei der namentli- chen Abstimmung nicht, wie angegeben, der Stim- me enthalten, sondern mit Nein gestimmt. Dement- sprechend ändert sich das endgültige Ergebnis der Abstimmung. Die Zahl der Nein-Stimmen beträgt tatsächlich 567 und der Enthaltungen 8. Im selben Plenarprotokoll ist auf Seite III sowie auf Seite 3473 A jeweils bei Anlage 6 statt Günter Veit ,,Rüdiger Veit“ zu lesen. Bei den unter Anlage 6 aufgeführten Namen gehört die Abgeordnete Claudia Roth (Hamburg) nicht der SPD- Fraktion an, sondern der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Auf Seite 3478 D ist bei dem Rednerkopf Petra Ernstberger statt PDS ,,SPD“ zu lesen. Reinhard Schultz (Everswinkel) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 41. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 8. Juni 1999 3537 (A) (C) (B) (D) Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich Altmann (Aurich), Gila BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 8.6.99 Blank, Renate CDU/CSU 8.6.99 Dr. Böhmer, Maria CDU/CSU 8.6.99 Braun (Augsburg), Hildebrecht F.D.P. 8.6.99 Brinkmann (Hildesheim), Bernhard SPD 8.6.99 Bruckmann, Hans-Günter SPD 8.6.99 Bulmahn, Edelgard SPD 8.6.99 Eichhorn, Maria CDU/CSU 8.6.99 Eppelmann, Rainer CDU/CSU 8.6.99 Fischer (Berlin), Andrea BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 8.6.99 Fischer (Frankfurt), Joseph BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 8.6.99 Frick, Gisela F.D.P. 8.6.99 Friedhoff, Paul K. F.D.P. 8.6.99 Friedrich (Bayreuth), Horst F.D.P. 8.6.99 Friedrich (Altenburg), Peter SPD 8.6.99 Funke, Rainer F.D.P. 8.6.99 Gebhardt, Fred PDS 8.6.99 Dr. Geißler, Heiner CDU/CSU 8.6.99 Gradistanac, Renate SPD 8.6.99 Günther (Plauen), Joachim F.D.P. 8.6.99 Hartenbach, Alfred SPD 8.6.99 Heinrich, Ulrich F.D.P. 8.6.99 Dr. Höll, Barbara PDS 8.6.99 Hoffmann (Wismar), Iris SPD 8.6.99 Hornung, Siegfried CDU/CSU 8.6.99 Hübner, Carsten PDS 8.6.99 Jäger, Renate SPD 8.6.99 Janz, Ilse SPD 8.6.99 Jüttermann, Gerhard PDS 8.6.99 Kalb, Bartholomäus CDU/CSU 8.6.99 Kampeter, Steffen CDU/CSU 8.6.99 Kasparick, Ulrich SPD 8.6.99 Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich Dr. Köster-Lößack, Angelika BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 8.6.99 Kolbow, Walter SPD 8.6.99 Koschyk, Hartmut CDU/CSU 8.6.99 Kumpf, Ute SPD 8.6.99 Leidinger, Robert SPD 8.6.99 Lengsfeld, Vera CDU/CSU 8.6.99 Lensing, Werner CDU/CSU 8.6.99 Leutheusser- Schnarrenberger, Sabine F.D.P. 8.6.99 Mante, Winfried SPD 8.6.99 Dr. Mayer (Siegertsbrunn), Martin CDU/CSU 8.6.99 Meckel, Markus SPD 8.6.99 Dr. Meyer (Ulm), Jürgen SPD 8.6.99 Möllemann, Jürgen W. F.D.P. 8.6.99 Moosbauer, Christoph SPD 8.6.99 Müller (Jena), Bernward CDU/CSU 8.6.99 Müller (Kirchheim), Elmar CDU/CSU 8.6.99 Nahles, Andrea SPD 8.6.99 Neumann (Bremen), Bernd CDU/CSU 8.6.99 Oswald, Eduard CDU/CSU 8.6.99 Otto (Frankfurt), Hans-Joachim F.D.P. 8.6.99 Philipp, Beatrix CDU/CSU 8.6.99 Reiche, Katherina CDU/CSU 8.6.99 Reinhardt, Erika CDU/CSU 8.6.99 Rönsch (Wiesbaden), Hannelore CDU/CSU 8.6.99 Dr. Rössel, Uwe-Jens PDS 8.6.99 Roth (Gießen), Adolf CDU/CSU 8.6.99 Rübenkönig, Gerhard SPD 8.6.99 Schaich-Walch, Gudrun SPD 8.6.99 Schauerte, Hartmut CDU/CSU 8.6.99 Scherhag, Karl-Heinz CDU/CSU 8.6.99 Schmidt-Zadel, Regina SPD 8.6.99 von Schmude, Michael CDU/CSU 8.6.99 Schuhmann (Delitzsch), Richard SPD 8.6.99 Schulhoff, Wolfgang CDU/CSU 8.6.99 3538 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 41. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 8. Juni 1999 (A) (C) (B) (D) Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich Dr. Schwall-Düren, Angelica SPD 8.6.99 Seehofer, Horst CDU/CSU 8.6.99 Späte, Margarete CDU/CSU 8.6.99 Spanier, Wolfgang SPD 8.6.99 Spranger, Carl-Dieter CDU/CSU 8.6.99 Dr. Staffelt, Ditmar SPD 8.6.99 Steiger, Wolfgang CDU/CSU 8.6.99 Tappe, Joachim SPD 8.6.99 Tauss, Jörg SPD 8.6.99 Teuchner, Jella SPD 8.6.99 Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich Uldall, Gunnar CDU/CSU 8.6.99 Voß, Sylvia BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 8.6.99 Weißgerber, Gunter SPD 8.6.99 Wiesehügel, Klaus SPD 8.6.99 Willner, Gert CDU/CSU 8.6.99 Wissmann, Matthias CDU/CSU 8.6.99 Wöhrl, Dagmar CDU/CSU 8.6.99 Wolf, Aribert CDU/CSU 8.6.99 Wolff (Zielitz), Waltraud SPD 8.6.99 Würzbach, Peter Kurt CDU/CSU 8.6.99 Druck: Bonner Universitäts-Buchdruckerei, 53113 Bonn 53003 Bonn, Telefon: 02 28/3 82 08 40, Telefax: 02 28/3 82 08 44 20
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (PDS)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Herr Präsident! Meine Da-
    men und Herren! Herr Gerhardt hat in einem Punkt
    recht, nämlich daß der Bundeskanzler, als er sich für den
    Termin für die heutige Debatte entschieden hat, darauf
    gehofft hat, daß das Wesentliche der Verhandlungen
    über den Friedensprozeß in Jugoslawien unter Dach und
    Fach ist, so daß man von einem anderen Ausgangspunkt
    als jetzt erstens über den Antrag hätte beraten können
    und zweitens auch Wahlkampf für die Europawahlen
    hätte machen können. Nun hat sich die Lage anders
    entwickelt, weil sich die Verhandlungen als schwieriger
    dargestellt haben, so daß vieles von dem, was heute ge-
    sagt worden ist, im vagen geblieben ist. Dennoch hoffen
    auch wir, daß es ein baldiges Ende des völkerrechtswid-
    rigen Angriffskrieges ebenso wie ein Ende von Ver-
    treibung, Mord und anderen Repressionen im Kosovo
    geben wird. Das sind die Voraussetzungen, um dort zu
    einem dauerhaften Frieden zu gelangen.


    (Beifall bei der PDS)

    Wenn Sie nach dem Sinn unseres Antrages fragen,

    dann möchte ich darauf hinweisen, daß er zwei ver-
    schiedene Aspekte beinhaltet. Das eine ist die sofortige
    Beendigung der Bombardierungen. Darauf muß die
    Bundesregierung im Rahmen der NATO entsprechend
    hinwirken. Das andere betrifft die Beendigung der Be-
    teiligung der Bundeswehr an den Kriegshandlungen der
    NATO.

    Für unsere Forderung nach Abzug der deutschen
    Truppen aus Jugoslawien gibt es einen einfachen Grund:
    Wir haben immer darauf hingewiesen, daß diejenigen,
    die aktiv an dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg ge-
    gen Jugoslawien beteiligt waren, hinterher nicht als
    Friedensengel in den Kosovo zurückkehren sollen;
    vielmehr sollen neutrale Staaten Truppen nach Jugosla-
    wien entsenden, weil sie nicht durch einen vorherigen
    aktiven Einsatz belastet sind.


    (Beifall bei der PDS)

    Insofern haben wir eine andere Vorstellung über die Zu-
    sammensetzung des Kontingents, das nach Jugoslawien
    geschickt werden soll. Unserer Meinung nach wäre die
    Entsendung von Soldaten durch neutrale Staaten dem
    Frieden dienlicher, weil die Vorbehalte gegen Staaten
    wie Schweden, Finnland und andere viel geringer sind
    als gegenüber den NATO-Staaten, die Jugoslawien über
    Wochen bombardiert haben.

    Wenn Sie von dem menschlichen Leid sprechen,
    dann muß man das Leid der gesamten Zivilbevölkerung
    in Jugoslawien in Betracht ziehen.


    (Beifall bei der PDS)

    Selbstverständlich sind die kosovo-albanischen Kinder,
    die vertrieben worden sind, traumatisiert. Das sieht man
    an ihren Zeichnungen. Aber ich sage Ihnen: Traumati-
    siert sind auch die serbischen Kinder, die seit über 70
    Tagen Nacht für Nacht in Luftschutzkellern zubringen
    müssen. Darüber ist hier so gut wie noch nie gesprochen

    Staatsminister Dr. Ludger Volmer






    (B)



    (A) (C)



    (D)


    worden. Genau deshalb unterscheiden wir bei der Hilfe
    nicht.


    (Beifall bei der PDS)

    Ich finde es auch völlig falsch, schon jetzt anzukün-

    digen, daß man der serbischen Bevölkerung erst dann
    Hilfe zukommen läßt, wenn dort die Leute regieren, die
    man sich wünscht. Ich finde das absurd. Es geht doch
    nicht um einen Diktator oder einen Präsidenten, sondern
    um Menschen, deren Infrastruktur völlig zerstört worden
    ist und die dringend der Hilfe bedürfen.


    (Beifall bei der PDS)

    Herr Staatsminister, ich verstehe überhaupt nicht,

    weshalb die NATO nach den Zugeständnissen Belgrads
    – auch gegenüber dem Sicherheitsrat der Vereinten Na-
    tionen – nicht wenigstens jetzt mit den Bombardierun-
    gen aufhört. Sie können doch das tägliche und nächtli-
    che Bombardement nicht als eine Art Alltagspflicht be-
    handeln, der man sich auf gar keinen Fall entziehen darf,
    bevor es nicht eine Unterschrift gibt.


    (Beifall bei der PDS)

    Es gab übrigens in jedem Krieg auch Nächte, in denen
    nicht bombardiert worden ist. Das ist also überhaupt
    nicht nachvollziehbar.

    Wenn dann gesagt wird, man müsse weitermachen,
    weil man Milosevic mißtraue oder weil der militärische
    Druck nicht nachlassen dürfe: Militärischen Druck gäbe
    es doch auch, wenn Sie jetzt aufhören würden zu bom-
    bardieren. Die Soldaten, die Flugzeuge und die Raketen
    sind doch noch alle da. Sie könnten – leider – theore-
    tisch jeden Tag wieder anfangen. Das heißt, der militäri-
    sche Druck bliebe doch.

    Was hindert Sie denn eigentlich daran, einfach zu sa-
    gen „Wir hören jetzt auf, das Ganze ist auf einem Weg,
    zum Ende zu kommen, und wir werden uns nicht an
    einer Verlängerung des Krieges durch tägliche Bombar-
    dements beteiligen“? Auch letzte Nacht hat es wieder
    zivile Opfer gegeben, zumindest wenn die Informatio-
    nen stimmen, die wir heute dazu bekommen haben.


    (Beifall bei Abgeordneten der PDS)

    Ich sage Ihnen: Die ganzen Ziele dieses Krieges ha-

    ben Sie allein schon durch die Art der Bombardements
    in Frage gestellt. Wasserwerke, Düngemittelfabriken,
    Elektrizitätswerke, Heizkraftwerke, das waren nie mili-
    tärische Objekte, und die Bombardements richteten sich
    auch nie gegen Milosevic, sondern trafen immer nur die
    Zivilbevölkerung. Ich bin überhaupt sehr mißtrauisch,
    gerade was die Angriffe gegen den Mann an der Spitze
    betrifft. Denn war es im Golfkrieg nicht auch so, daß
    immer gesagt wurde, der Krieg richte sich nur gegen
    Saddam Hussein, aber nicht gegen die Zivilbevölke-
    rung? Tatsache ist: Es gibt im Irak inzwischen 100 000
    tote Kinder, aber Saddam Hussein sitzt immer noch si-
    cher im Sattel. Das ist die Wahrheit, die sich nach Jah-
    ren herausstellt.


    (Beifall bei der PDS)

    Natürlich ist das Ergebnis, das bei dem G-8-Gipfel

    beschlossen worden ist, nicht identisch mit den Be-

    schlüssen von Rambouillet, gerade im militärischen
    Teil. Es gibt zwei gravierende Unterschiede. Damals
    ging es nämlich um die Hoheit der NATO über ganz Ju-
    goslawien, jetzt geht es „nur“ um den Kosovo. Damals
    war von der UNO überhaupt keine Rede, während die
    Hoheit heute bei der UNO liegen soll. Das sind schon
    gravierende Unterschiede.

    Auf der anderen Seite haben Sie vieles von Ihren
    Vorstellungen durchgesetzt, was nach einem solchen
    Bombardement auch zu erwarten war. Nur, wenn der
    Bundeskanzler heute gesagt hat, wer nicht bombardiert
    hätte, hätte die größere Schuld auf sich geladen, und
    wenn er meint, daß die Politik der Bundesregierung ins-
    gesamt richtig gewesen sei, dann sage ich Ihnen: Von
    allen Fehlern, die die Bundesregierung bisher begangen
    hat und in dieser Legislaturperiode in Zukunft wahr-
    scheinlich noch begehen wird, war die Beteiligung an
    dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg mit Sicher-
    heit der größte mit den langfristigsten Auswirkungen für
    Europa und für unser Land.


    (Beifall bei der PDS)

    Gerade Sie, Herr Volmer, aber auch Frau Müller,

    Frau Beer und andere haben der Politik einen enorm
    schlechten Dienst erwiesen. Sie haben, Herr Volmer,
    hier heute über den 16. Oktober gesprochen. An diesem
    16. Oktober haben Sie der Androhung der Bombardie-
    rung nicht zugestimmt. Sie haben sich der Stimme ent-
    halten, genau wie Frau Beer, Frau Müller und andere.
    Die Begründung, die Sie damals dazu abgegeben haben,
    lautete: Sie könnten der Androhung nicht zustimmen,
    weil dahinter kein Mandat des Sicherheitsrates der Ver-
    einten Nationen stünde; damit wäre es völkerrechtswid-
    rig, und Sie könnten einer völkerrechtswidrigen Andro-
    hung von Militärmaßnahmen aus Gewissensgründen
    nicht zustimmen. Das war Ihre damalige Erklärung. Drei
    Monate später, als die ersten Bomben fielen, hatte sich
    – ich gehe nur von Ihrer Erklärung aus – an diesem
    Sachverhalt nichts geändert. Es gab noch immer keinen
    Sicherheitsratsbeschluß. Plötzlich haben Sie aber zuge-
    stimmt. Da ging es nicht mehr um die Androhung, son-
    dern um das Abwerfen der Bomben. Damit haben Sie
    – ganz egal, welchen Standpunkt man einnimmt – der
    Politik und der Demokratie deshalb einen so schlechten
    Dienst erwiesen, weil Sie nun für die Bevölkerung der
    lebende Beweis dafür sind, daß man Überzeugungen
    nicht nach dem Gewissen ausrichtet, sondern nach dem
    Amt, das man bekleidet.


    (Beifall bei der PDS)

    Denn der einzige Unterschied war, daß Sie inzwischen
    Staatsminister und die anderen Angehörige einer Regie-
    rungsfraktion waren.

    Sie wissen doch genausogut wie ich: Wenn eine Re-
    gierung aus CDU/CSU und F.D.P. diesen Krieg in ihrer
    Verantwortung beschlossen hätte, wären wir beide
    wahrscheinlich gemeinsam auf Kundgebungen aufge-
    treten und hätten wilde Reden dagegen gehalten.


    (Beifall bei der PDS – Zustimmung bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Dr. Theodor Waigel [CDU/CSU]: Ausnahmsweise richtig!)


    Dr. Gregor Gysi






    (A) (C)



    (B) (D)


    Das ist die Wahrheit. Damit haben Sie Politik dauerhaft
    beschädigt, weil wir uns alle von den Leuten fragen las-
    sen müssen, ob denn auf uns Verlaß wäre, wenn wir ein
    anderes Amt übernähmen, oder ob wir dann auch sofort
    unsere Auffassung entsprechend ändern würden. Sie ha-
    ben nicht nur sich geschadet, sondern Sie haben dem
    Ansehen der Politik überhaupt geschadet. Sie hätten Ihre
    Meinung nicht ändern dürfen, oder Sie hätten von vorn-
    herein einen anderen Standpunkt einnehmen müssen.


    (Beifall bei der PDS)

    Die Folgen des Krieges werden nicht unerheblich

    sein. Eine der schlimmsten Folgen ist meines Erachtens
    ein Hochrüstungsprogramm. Wir werden das in Ruß-
    land und in vielen anderen Staaten erleben. Diktatoren
    ziehen doch nicht die Schlußfolgerung, plötzlich Demo-
    kraten zu werden. Sie werden vielmehr überlegen, wie
    sie militärisch möglichst unangreifbar werden.

    Rußland ist deutlichst vorgeführt worden. Die Ge-
    sten gegenüber Primakow waren diplomatisch natürlich
    eine Katastrophe. Diejenigen, die dieses Verhalten hier
    kritisiert haben, haben völlig recht: So geht man mit ei-
    nem Ministerpräsidenten, den man für eine Politik ge-
    winnen will, nicht um, selbst dann nicht, wenn die Er-
    gebnisse mangelhaft sind.


    (Beifall bei der PDS)

    Das Problem ist, daß man Rußland deutlich gemacht hat,
    daß es nur dann gleichwertig mitsprechen kann, wenn
    es militärisch auch wieder gleichwertig ist. Das heißt:
    Ganz egal, wer Präsident wird, ganz egal, wie die Duma
    zusammengesetzt sein wird, wir werden ein Hoch-
    rüstungsprogramm erleben. Das bedeutet immer die
    Verelendung von Völkern; auch bei uns hat es übrigens
    zu Sozial-, Kultur- und Bildungsabbau geführt.

    Schon zwei Tage nach Beginn des Krieges hat der
    Staatssekretär im Verteidigungsministerium gefordert,
    wir bräuchten eigene Satelliten, nicht nur amerikanische.
    Sie wollen die Westeuropäische Union jetzt aus- und
    aufbauen. Das alles bedeutet mehr Rüstung, es bedeutet,
    viel stärker auf das Militärische zu setzen.

    Machen wir uns doch nichts vor: Die Amerikaner
    wußten natürlich, daß diese Bombardierung auch die eu-
    ropäische Integration um Jahre und Jahrzehnte zurück-
    wirft und sie einen gleichwertigen europäischen Kon-
    kurrenten auf Jahre und Jahrzehnte auf den Weltmärkten
    nicht mehr zu fürchten haben. Wenn Sie mir das nicht
    glauben, dann werfen Sie doch einen Blick auf das Ver-
    hältnis von Euro und Dollar. Sie werden feststellen:
    Der Euro geht in den Keller, der Dollar steigt. Alle An-
    leger investieren in den Dollar.


    (Beifall bei der PDS)

    Deswegen behaupte ich: Alle sozialdemokratischen eu-
    ropäischen Regierungen haben sich schlicht und ergrei-
    fend über den Tisch ziehen lassen, weil sie das im Un-
    terschied zu den Konservativen nicht mit berechnet und
    berücksichtigt haben. Das ist die traurige Wahrheit.


    (Beifall bei der PDS – Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Ein schöner Koalitionspartner!)


    Wenn Sie mit Politikern kleinerer Länder sprechen,
    dann hören Sie plötzlich Argumente, auf die man vorher
    gar nicht gekommen wäre. Zum Beispiel gibt es einen
    Run auf die NATO-Mitgliedschaft, weil diese Länder
    die Situation in der Türkei mit der Situation in Jugosla-
    wien verglichen haben. Aus diesem Vergleich haben sie
    die Schlußfolgerung gezogen: Wenn ich in der NATO
    bin, dann kann ich mir jede Menschenrechtsverletzung
    leisten. Wenn ich draußen bin, dann ist das gefährlich. –
    Diese Logik haben Sie im Ergebnis dieses Krieges mit-
    zuverantworten.


    (Beifall bei der PDS)




Rede von Dr. Rudolf Seiters
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Kollege Gysi,
ich möchte Sie bitten, jetzt zum Schluß zu kommen.


(Zuruf von der CDU/CSU: Die Redezeit ist beendet!)



  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (PDS)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Das war nur ein Mißver-
    ständnis, so etwas kommt gelegentlich vor. – Ich möch-
    te, was die Europapolitik der Bundesregierung betrifft,
    noch auf folgende Dinge eingehen. Lassen Sie mich zu-
    nächst etwas zum Beschäftigungspakt sagen, den der
    Bundeskanzler heute hier so stolz verkündet hat. Ich er-
    innere mich sehr gut an folgende Situation. Als Jospin
    an die Macht kam, wollte er unbedingt einen Beschäfti-
    gungspakt in Europa. Altbundeskanzler Kohl wehrte
    sich zusammen mit Waigel tapfer dagegen und sagte,
    Arbeitsmarktpolitik müsse man im Lande machen und
    nicht in Europa. Deswegen blieb es bei völlig unver-
    bindlichen Absichtserklärungen. Die SPD tobte damals
    zusammen mit uns und mit den Grünen und sagte, in Eu-
    ropa müsse konkrete Beschäftigungspolitik gemacht
    werden. Nun haben wir einen sozialdemokratischen
    Kanzler, und der sagt jetzt auf dem Gipfel: Bloß keine
    konkrete europäische Beschäftigungspolitik, bitte nur
    Absichtserklärungen. – So gesehen hätten wir uns den
    Wechsel des Kanzlers wirklich schenken können. Der
    Ansatz ist derselbe geblieben.


    (Beifall bei der PDS)

    Auf der einen Seite gibt es Dinge, die man vom Land

    nicht nach Europa wegdelegieren darf, um sich nicht aus
    der Verantwortung zu stehlen. Auf der anderen Seite
    gibt es aber natürlich auch Dinge, die man europäisch
    angehen muß: Wir werden in Europa keine Beschäfti-
    gungspolitik ohne eine Steuerharmonisierung hinbe-
    kommen. Wir werden nicht nur in unserem Land, son-
    dern in ganz Europa über den Abbau von Überstunden
    und über Arbeitszeitverkürzungen nachdenken müssen,
    wenn wir Arbeit in der Gesellschaft gerechter verteilen
    wollen. Wir werden über den sogenannten Non-Profit-
    Sektor, also den öffentlich geförderten Beschäftigungs-
    sektor, in unserem Lande, aber auch in ganz Europa
    nachdenken müssen. Außerdem werden wir eine neue
    Struktur für Lohnnebenkosten finden müssen. All das
    gehört dazu.

    Wenn ich dann die Sparpläne der Bundesregierung
    höre, die vor der Wahl allerdings sehr unkonkret blei-
    ben, dann wundere ich mich auch sehr. Alles, was hier

    Dr. Gregor Gysi






    (B)



    (A) (C)



    (D)


    zitiert worden ist, hätte auch die alte Regierung sagen
    können. Im Dezember haben Sie die Senkung des Ren-
    tenniveaus ausgesetzt. Wir haben völlig zu Recht zuge-
    stimmt, obwohl es nicht konsequent genug war. Wir
    hätten gleich die Beseitigung dieser Senkung festschrei-
    ben müssen; Sie wollten zunächst aber nur die Ausset-
    zung. In den letzten Tagen lese ich in den Zeitungen, Ihr
    Finanz- und Ihr Arbeitsminister wollten die Erhöhung
    der Rente im nächsten Jahr um die Hälfte kappen. Das
    soll danach so weitergehen. Dann hätten Sie die Sen-
    kung des Rentenniveaus gleich in Kraft lassen können;
    das ist doch für die Rentnerinnen und Rentner faktisch
    dasselbe.


    (Beifall bei der PDS)

    Es ist nicht hinnehmbar – ich will das deutlich sa-

    gen –: Wenn Sie nicht eine andere Verteilungspolitik
    betreiben und den Reichtum begrenzen – dazu gehört
    Mut –, werden Sie Armut niemals wirksam bekämpfen
    können. Sie haben versprochen, die Vermögensteuer
    einzuführen. Wo bleibt sie denn? Es gibt nicht einmal
    einen entsprechenden Antrag seitens der Regierungs-
    koalition und diesbezüglich auch keine Bemühungen in
    Europa.

    Ich möchte noch andere Versprechen nennen: Die
    Ausgaben für die Bildungspolitik wollten Sie verdop-
    peln. Jetzt sollen sie im nächsten Jahr eingeschränkt
    werden, nachdem sie in diesem Jahr glücklicherweise
    erhöht worden sind. Das alles, gerade was die europäi-
    sche Ebene betrifft, enttäuscht bitter. Hier hätten wir uns
    nicht nur einen Wechsel der Regierung, sondern auch
    einen wirklichen Wechsel der Politik gewünscht. Der ist
    leider ausgefallen.

    Aber das Schlimmste von alledem ist und bleibt der
    Krieg. Deshalb wiederhole ich meinen Appell und mei-
    ne Bitte: Stellen Sie wenigstens heute nacht die Bom-
    bardierung ein! Es gibt keinen Grund mehr, weiter zu
    zerstören. Eines Tages muß alles wieder aufgebaut wer-
    den. Menschen dürfen nicht länger unter diesem Krieg
    leiden, egal welcher Nationalität sie sind.


    (Anhaltender Beifall bei der PDS)