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ID1403502500

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 14/35 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 35. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 22. April 1999 I n h a l t : Glückwünsche zum Geburtstag des Abgeord- neten Dr. Theodor Waigel.............................. 2761 A Eintritt des Abgeordneten Wolfgang Steiger in den Deutschen Bundestag............................ 2761 A Erweiterung der Tagesordnung.......... 2761 B, 2817 A Absetzung des Punktes 8 von der Tagesord- nung ................................................................. 2762 A Tagesordnungspunkt 5: a) Abgabe einer Regierungserklärung des Bundeskanzlers anläßlich des 50. Jah- restages der Gründung der Nordatlan- tikpakt-Organisation................................ 2762 B b) Antrag der Fraktionen SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN NATO-Gipfel in Washington und Wei- terentwicklung des Bündnisses (Druck- sache 14/599) ............................................. 2762 B c) Antrag der Fraktion der CDU/CSU Die Handlungsfähigkeit der Nordatlan- tischen Allianz für das 21. Jahrhundert sichern (Drucksache 14/316)..................... 2762 B d) Antrag der Fraktion PDS Europäische Sicherheitsarchitektur statt Dominanz der Nordatlantischen Allianz (Drucksache 14/454 (neu)) ........................... 2762 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 2: Antrag der Abgeordneten Hildebrecht Braun (Augsburg), Rainer Brüderle, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion F.D.P. 50 Jahre Nordatlantisches Bündnis (Drucksache 14/792) .................................. 2762 C Gerhard Schröder, Bundeskanzler ................... 2762 C Volker Rühe..................................................... 2766 A Rudolf Scharping, Bundesminister BMVg...... 2770 A Dr. Wolfgang Gerhardt F.D.P.......................... 2773 A Joseph Fischer, Bundesminister AA................ 2776 A Wolfgang Gehrcke PDS .................................. 2779 A Markus Meckel SPD.................................... 2781 B Michael Glos CDU/CSU ................................. 2781 D Gernot Erler SPD............................................. 2784 C Dr. Helmut Lippelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ........................................................ 2786 C Markus Meckel SPD........................................ 2787 C Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) CDU/CSU... 2789 B Angelika Beer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . 2791 B Peter Zumkley SPD ......................................... 2792 D Dr. Christoph Zöpel SPD................................. 2794 B Tagesordnungspunkt 6: Antrag der Abgeordneten Dr. Gerhard Friedrich (Erlangen), Friedrich Merz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion CDU/CSU Deutschland muß verläßlicher Partner in europäischer Raumfahrt bleiben (Drucksache 14/655) .................................. 2795 C Ilse Aigner CDU/CSU..................................... 2795 C Edelgard Bulmahn, Bundesministerin BMBF . 2797 C II Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 35. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 22. April 1999 Thomas Rachel CDU/CSU .......................... 2799 C Dr.Martin Mayer (Siegertsbrunn) CDU/CSU.. 2801 A Edelgard Bulmahn, Bundesministerin BMBF . 2801 B Hans-Josef Fell BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2801 D Jürgen W. Möllemann F.D.P. .......................... 2804 B Jörg Tauss SPD............................................ 2805 C Thomas Rachel CDU/CSU .............................. 2806 D Stephan Hilsberg SPD ................................. 2807 A Lothar Fischer (Homburg) SPD....................... 2809 B Jürgen W. Möllemann F.D.P. ..................... 2809 D Norbert Hauser (Bonn) CDU/CSU .................. 2811 B Bodo Seidenthal SPD....................................... 2812 D Thomas Rachel CDU/CSU .............................. 2815 B Tagesordnungspunkt 15: Überweisungen im vereinfachten Verfahren a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Reform des Staatsangehörig- keitsrechts (Drucksache 14/744)............... 2815 C b) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Über- weisungsgesetzes (Drucksache 14/745) .... 2815 C c) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Abkommen vom 8. Dezem- ber 1997 über wirtschaftliche Partner- schaft, politische Koordinierung und Zusammenarbeit zwischen der Euro- päischen Gemeinschaft und ihren Mit- gliedstaaten einerseits und den Ver- einigten Mexikanischen Staaten ande- rerseits (Drucksache 14/684)..................... 2815 D d) Erste Beratung des vom Bundesrat einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Vereinfachung und Beschleunigung des arbeitsgerichtlichen Verfahrens (Arbeits- gerichtsbeschleunigungsgesetz) (Druck- sache 14/626) ............................................. 2815 D e) Erste Beratung des von den Abgeordneten Wolfgang Dehnel, Dr.-Ing. Joachim Schmidt (Halsbrücke), weiteren Abgeord- neten und der Fraktion CDU/CSU einge- brachten Entwurfs eines Zweiten Geset- zes zur Änderung des Verkehrswege- planungsbeschleunigungsgesetzes (Drucksache 14/544) .................................. 2815 D f) Antrag der Fraktion der CDU/CSU Änderung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (Drucksache 14/542) ....................................................... 2816 A in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 3: Weitere Überweisungen im vereinfachten Verfahren a) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 21. Dezember 1995 über den Beitritt der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schwe- den zu dem Übereinkommen über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen (Drucksache 14/748) .................................. 2816 A b) Antrag der Abgeordneten Hildebrecht Braun (Augsburg), Rainer Brüderle, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion F.D.P. Für eine sofortige Verhängung umfas- sender Handelssanktionen gegen Jugo- slawien (Drucksache 14/793) .................... 2816 A c) Antrag der Abgeordneten Gabriele Fogra- scher, Adelheid Tröscher, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion SPD sowie der Abgeordneten Dr. Angelika Köster- Loßack, Kerstin Müller (Köln), Rezzo Schlauch und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN UN-Sondergeneralversammlung – 5 Jah- re nach der Konferenz für Bevölkerung und Entwicklung in Kairo – Aktive Be- völkerungspolitik in der Entwicklungs- zusammenarbeit (Drucksache 14/797)......... 2816 B d) Antrag der Abgeordneten Fred Gebhardt, Heidi Lippmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion PDS Ausschluß des Eintritts Minderjähriger in die Bundeswehr (Drucksache 14/551) . 2816 B e) Antrag der Abgeordneten Fred Gebhardt, Carsten Hübner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion PDS Einsatz von Kindern als Soldaten wirk- sam verhindern (Drucksache 14/552) ...... 2816 C f) Antrag der Abgeordneten Karin Kort- mann, Brigitte Adler, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion SPD sowie der Ab- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 35. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 22. April 1999 III geordneten Dr. Angelika Köster-Loßack, Hans-Christian Ströbele, Rezzo Schlauch und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Gegen den Einsatz von Kindern als Soldaten in bewaffneten Konflikten (Drucksache 14/806) .................................. 2816 C Tagesordnungspunkt 16: Abschließende Beratungen ohne Aussprache a) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Techno- logie zu der Verordnung der Bundesregie- rung Aufhebbare Einhundertachtunddrei- ßigste Verordnung zur Änderung der Einfuhrliste – Anlage zum Außenwirt- schaftsgesetz – (Drucksachen 14/264, 14/305 Nr. 2.2, 14/729) ....................................................... 2816 D b) Beschlußempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses zu der Unterrich- tung durch die Bundesregierung Privatisierung von Bundesbeteiligungen hier: Veräußerung der Geschäftsan- teile an der Heimstätte Rheinland-Pfalz GmbH, Organ der staatlichen Woh- nungspolitik, Mainz (Drucksachen 14/186, 14/305 Nr. 1.1, 14/657) ....................................................... 2817 A Zusatztagesordnungspunkt 12: a) bis e) Beschlußempfehlungen des Peti- tionsausschusses Sammelübersichten 38, 39, 40, 41, 42 (Drucksachen 14/814, 14/815, 14/816, 14/817 und 14/818) .................................... 2817 B Zusatztagesordnungspunkt 4: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Siebten Gesetzes zur Änderung des Bundessozialhilfegesetzes (Drucksa- chen 14/389, 14/474, 14/820)..................... 2817 C Brigitte Lange SPD.......................................... 2817 D Peter Weiß (Emmendingen) CDU/CSU .......... 2819 B Katrin Göring-Eckardt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN......................................................... 2820 D Dr. Heinrich L. Kolb F.D.P. ........................... 2821 D Dr. Klaus Grehn PDS....................................... 2822 C Zusatztagesordnungspunkt 5: Aktuelle Stunde betr. Haltung der Bundesregierung als Bauherr zu Schwarzarbeit und außertariflicher Be- schäftigung auf den Baustellen des Bundes in Berlin und zu den Auswir- kungen auf die Beschäftigungssituation im Baugewerbe Berlins und Branden- burgs sowie die ostdeutsche Bauwirt- schaft insgesamt ....................................... 2823 D Petra Pau PDS.................................................. 2823 D Achim Großmann, Parl. Staatssekretär BMVB ............................................................. 2825 A Dr.-Ing. Dietmar Kansy CDU/CSU................. 2826 C Franziska Eichstädt-Bohlig BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN................................................. 2827 C Dr. Heinrich L. Kolb F.D.P. ........................... 2828 B Renate Rennebach SPD ................................... 2829 B Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) CDU/CSU...... 2830 C Annelie Buntenbach BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ........................................................ 2831 C Dr. Klaus Grehn PDS ...................................... 2832 D Gabriele Iwersen SPD ..................................... 2833 D Karl-Josef Laumann CDU/CSU ...................... 2834 D Wolfgang Weiermann SPD ............................. 2835 D Konrad Gilges SPD ......................................... 2837 A Karl-Josef Laumann CDU/CSU ...................... 2838 B Tagesordnungspunkt 7: Antrag der Fraktionen SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN Entschuldungsinitiative anläßlich des Weltwirtschaftsgipfels der G-7/G-8- Staaten in Köln (Drucksache 14/794) ...... 2839 A in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 6: a) Antrag der Abgeordneten Klaus-Jürgen Hedrich, Dr. Christian Ruck, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion CDU/CSU Entschuldung armer Entwicklungs- länder – Initiativen zum G-8-Gipfel in Köln (Drucksache 14/785)......................... 2839 A b) Antrag der Abgeordneten Carsten Hübner, Fred Gebhardt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion PDS Umfassender Schuldenerlaß für einen Neuanfang (Drucksache 14/800) .............. 2839 A IV Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 35. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 22. April 1999 Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesministe- rin BMZ ........................................................... 2839 B Klaus-Jürgen Hedrich CDU/CSU.................... 2841 C Dr. R. Werner Schuster SPD........................ 2842 D Hans-Christian Ströbele BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN......................................................... 2844 A Joachim Günther (Plauen) F.D.P. .................... 2845 B Adelheid Tröscher SPD ................................... 2847 A Carsten Hübner PDS........................................ 2848 C Frank Hempel SPD .......................................... 2850 B Dr. Ralf Brauksiepe CDU/CSU ....................... 2851 C Dr. Uschi Eid, Parl. Staatssekretärin BMZ ...... 2853 D Klaus-Jürgen Hedrich CDU/CSU.................... 2854 D Dagmar Schmidt (Meschede) SPD .................. 2855 B Zusatztagesordnungspunkt 7: a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, weiteren Abgeordneten und der Fraktion F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neurege- lung des Schutzes parlamentarischer Beratungen (Drucksache 14/183) ............. 2856 D b) Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Evelyn Kenzler, Sabine Jünger und der Fraktion PDS eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Aufhebung der Bannmeilenregelung (Drucksache 14/516) ....................................................... 2857 A Dr. Hermann Otto Solms F.D.P. ...................... 2857 A Dieter Wiefelspütz SPD................................... 2858 A Dr. Edzard Schmidt-Jortzig F.D.P. .................. 2859 C Dieter Wiefelspütz SPD................................... 2859 D Joachim Hörster CDU/CSU............................. 2860 A Hans-Christian Ströbele BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN......................................................... 2861 B Roland Claus PDS ........................................... 2862 B Dieter Wiefelspütz SPD............................... 2862 D Tagesordnungspunkt 9: Antrag der Abgeordneten Hartmut Büttner (Schönebeck), Margarete Späte, weiterer Abgeordneter und der Fraktion CDU/CSU Beteiligung des Bundes an Gedenkstät- ten und Mahnmalen zur Erinnerung an die beiden deutschen Diktaturen und ihre Opfer (Drucksache 14/656) ............... 2863 D in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 8: Antrag der Abgeordneten Gert Weisskir- chen (Wiesloch), Angelika Krüger-Leiß- ner, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion SPD sowie der Abgeordneten Antje Vollmer, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN Konzeption zur Förderung und Festi- gung der demokratischen Erinnerungs- kultur (Drucksache 14/796) ...................... 2864 A Hartmut Koschyk CDU/CSU .......................... 2864 B Angelika Krüger-Leißner SPD ........................ 2865 D Hans-Joachim Otto (Frankfurt) F.D.P. ........... 2867 D Antje Vollmer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . 2869 A Dr. Heinrich Fink PDS .................................... 2870 D Gert Weisskirchen (Wiesloch) SPD ................ 2871 D Margarete Späte CDU/CSU............................. 2873 C Zusatztagesordnungspunkt 9: a) Antrag der Fraktionen SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN Keine weitere Unterstützung der Atom- kraftwerke Khmelnytsky 2 und Rivne 4 in der Ukraine (Drucksache 14/795) ........ 2875 C b) Antrag der Abgeordneten Angela Mar- quardt, Eva-Maria Bulling-Schröter, Dr. Gregor Gysi und der Fraktion PDS Investitionen der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung in Khmelnystky 2 und Rivne 4 (Drucksa- che 14/708) ................................................ 2875 C c) Antrag der Abgeordneten Kurt-Dieter Grill, Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach), weiterer Abgeordneter und der Fraktion CDU/CSU Festhalten an den Zusagen zum Bau von sichereren Ersatzreaktoren in der Ukraine (Drucksache 14/819) ................... 2875 C Monika Griefahn SPD ..................................... 2875 D Kurt-Dieter Grill CDU/CSU............................ 2876 D Michaele Hustedt BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN................................................................. 2878 A Ulrike Flach F.D.P........................................... 2879 B Eva-Maria Bulling-Schröter PDS .................... 2880 B Horst Kubatschka SPD .................................... 2881 A Tagesordnungspunkt 10: Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Evelyn Kenzler, Roland Claus, weite- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 35. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 22. April 1999 V ren Abgeordneten und der Fraktion PDS eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bürgerlichen Ge- setzbuchs (Verjährung Schadensersatz- forderungen für Zwangsarbeit) (Druck- sache 14/554) ............................................. 2882 B Dr. Evelyn Kenzler PDS.................................. 2882 B Joachim Stünker SPD ...................................... 2883 B Dr. Wolfgang Götzer CDU/CSU ..................... 2885 C Winfried Nachtwei BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN................................................................. 2886 B Rainer Funke F.D.P. ........................................ 2887 C Nächste Sitzung ............................................... 2887 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten ........... 2889 A Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 35. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 22. April 1999 2761 (A) (C) (B) (D) 35. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 22. April 1999 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Winfried Nachtwei Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 35. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 22. April 1999 2889 (A) (C) (B) (D) Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich Binding (Heidelberg), Lothar SPD 22.4.99 Bühler (Bruchsal), Klaus CDU/CSU 22.4.99* Fink, Ulf CDU/CSU 22.4.99 Friedhoff, Paul K. F.D.P. 22.4.99 Dr. Gysi, Gregor PDS 22.4.99 Hasenfratz, Klaus SPD 22.4.99 Ibrügger, Lothar SPD 22.4.99 Dr. Kohl, Helmut CDU/CSU 22.4.99 Kolbow,Walter SPD 22.4.99 Moosbauer, Christoph SPD 22.4.99 Müller (Berlin), Manfred PDS 22.4.99 Müntefering, Franz SPD 22.4.99 Nolte, Claudia CDU/CSU 22.4.99 Dr. Paziorek, Peter CDU/CDU 22.4.99 Polenz, Ruprecht CDU/CSU 22.4.99 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Raidel, Hans CDU/CSU 22.4.99 Ronsöhr, Heinrich-Wilhelm CDU/CSU 22.4.99 Dr. Schäfer, Hansjörg SPD 22.4.99 Schmidbauer (Nürnberg), Horst SPD 22.4.99 Schuhmann (Delitzsch), Richard SPD 22.4.99 Dr. Süssmuth, Rita CDU/CSU 22.4.99 Thiele, Carl-Ludwig F.D.P. 22.4.99 Trittin, Jürgen BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 22.4.99 Weisskirchen (Wiesloch), Gert SPD 22.4.99 Willner, Gert CDU/CSU 22.4.99 Wimmer (Neuss), Willy CDU/CSU 22.4.99 Wissmann, Matthias CDU/CSU 22.4.99 Wolf, Aribert CDU/CSU 22.4.99 –––––––– *) für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates 2890 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 35. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 22. April 1999 (A) (C) (B) (D)
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Karl A. Lamers


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr
    Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Heute,
    50 Jahre nach Gründung der NATO, können wir fest-
    stellen: Die Nordatlantische Allianz ist das erfolgreich-
    ste Bündnis der Geschichte. Sie ist die größte Friedens-
    bewegung.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Es ist schon bemerkenswert, daß sie heute selbst von ih-
    ren einstigen Gegnern gepriesen und hoch gelobt wird,
    also von denen, die mittlerweile in Deutschland regieren
    und für die Handlungsfähigkeit des Bündnisses Verant-
    wortung tragen. Das ist gut so.

    Die NATO ist unstreitig eine Friedens- und Werte-
    gemeinschaft. Sie stand und steht zu Grundsätzen wie
    Freiheit, Recht und Demokratie. Sie steht für den Frie-
    den. Dank schulden wir insbesondere unseren Verbün-
    deten. Durch die entschlossene Friedenspolitik der
    NATO erhielt zunächst der westliche Teil Deutschlands
    die Chance, ein demokratisches, stabiles parlamentari-
    sches Regierungssystem aufzubauen.

    40 Jahre später, in der historischen Stunde 1989 und
    1990, als die Mauer brach und der Eiserne Vorhang fiel,
    waren die Festigkeit und Geradlinigkeit der Freunde in
    NATO und Europäischer Union der Schlüssel dafür, daß
    sich auch im östlichen Teil unseres Vaterlandes Demo-
    kratie, Parlamentarismus, Freiheit und Selbstbe-
    stimmung durchsetzen konnten.

    Aber heute frage ich: Was wäre geschehen, wenn sich
    im Jahre 1983 die damalige Bundesregierung unter
    Helmut Kohl dem Druck der Friedensbewegung gebeugt
    hätte? Er tat es nicht, er stand wie ein Fels in der linken
    Brandung.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Widerspruch bei der PDS)


    – Auch die Damen und Herren der PDS sollten zuhören,
    dann könnten sie aus dieser Geschichtsbetrachtung
    vielleicht noch etwas lernen. – Wie wäre die deutsche
    Geschichte verlaufen, wenn die NATO einseitig abgerü-
    stet hätte, wie Sie es in Ihrem unsäglichen Antrag heute
    wieder fordern?


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)


    Welche Folgen hätte es für Deutschland und Europa ge-
    habt, wenn wir die atomare Bedrohung durch sowjeti-
    sche SS-20-Raketen akzeptiert hätten? Eines ist klar:
    Wir hätten die historische Stunde am vergangenen
    Montag, die Rückkehr des frei gewählten Parlaments
    des wiedervereinigten Deutschlands in den Reichstag in
    Berlin – eine freie Stadt ohne Mauer, ohne Stacheldraht
    und ohne DDR-Schießbefehl – wahrscheinlich nicht er-
    lebt.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Daraus folgt: Festigkeit, nicht Nachgiebigkeit, sichert

    Freiheit. Die NATO kann heute auf eine stolze Bilanz
    verweisen. Ihre Anziehungskraft als Wertegemeinschaft,
    als Stabilitätsraum und als militärischer Integrations-
    faktor ist auch nach 50 Jahren ungebrochen. Deshalb
    sind wir aufgerufen, alles zu tun, um die Attraktivität
    aufrechtzuerhalten und zu steigern.

    Wir sollten uns in dieser Stunde aber auch durchaus
    daran erinnern, daß wir, die CDU/CSU, einen großen
    Anteil an der Geschichte unseres Landes in 36 Jahren
    Regierungsverantwortung tragen und daß wir die
    Grundlage für die NATO und für die Bundeswehr ge-
    schaffen haben, die es sonst so vielleicht gar nicht geben
    würde. Bei besonderen geschichtlichen Entwicklungen
    war die CDU/CSU stets die berechenbare politische
    Kraft in Deutschland. Berechenbarkeit ist ein wichtiger
    Faktor der Politik, national und international.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


    Wir haben Kurs gehalten. Ich frage Sie: Was wäre
    heute, wenn in den entscheidenden Schicksalsjahren
    nach dem zweiten Weltkrieg Rotgrün in tiefer ideologi-
    scher Zerstrittenheit die Vergangenheit gestaltet hätte,
    Herr Außenminister? Könnten Sie dann als Außenmi-
    nister mit der Kraft von heute die Gegenwart meistern
    und die Zukunft gestalten? Ich glaube, nein. Was wäre

    Markus Meckel






    (B)



    (A) (C)



    (D)


    heute in Deutschland – die Frage ist aufgeworfen wor-
    den –, wenn wir in der Regierung und Sie in der Oppo-
    sition wären? Das ist für mich eine Frage der politischen
    Glaubwürdigkeit.


    (Peter Dreßen [SPD]: In den 70er Jahren gab es die NATO auch schon!)


    Für uns gilt, daß wir als Opposition nicht bekämpfen,
    was wir als Regierung für richtig gehalten haben.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


    Wir sind staatstragend.

    (Wolfgang Gehrcke [PDS]: Das hat keiner be zweifelt, daß Sie staatstragend sind!)

    Auf die CDU/CSU kann sich Deutschland verlassen. In
    einer beeindruckenden Rede hat Wolfgang Schäuble,
    unser Fraktionsvorsitzender, die Leitlinien unserer
    Sicherheits- und Außenpolitik auf der Münchener Si-
    cherheitskonferenz dargelegt und definiert.

    Auf dem Weg ins 21. Jahrhundert geht es für die
    NATO um die Wahrung gemeinsamer euro-atlantischer
    Interessen in und für Europa. Das neue strategische
    Konzept muß an den bewährten allianzpolitischen
    Grundsätzen festhalten: kollektive Verteidigung als
    Kernfunktion des Bündnisses, Annahme der großen si-
    cherheitspolitischen Herausforderungen, die Übernahme
    neuer Aufgaben: Kooperation, Stabilitätstransfer und
    Krisenbewältigung. Daß das Bündnis reformfähig ist,
    haben wir mit einem weitreichenden Abrüstungs-, Orga-
    nisations- und Partnerschaftskonzept bewiesen.

    Ich möchte an diesem Tage ausdrücklich auch das
    würdigen, was Volker Rühe in seiner Zeit als Verteidi-
    gungsminister geleistet hat, als er immer wieder mit
    großer Klarheit und Stringenz wertvolle Impulse in das
    Bündnis gegeben hat. Bundeswehr und NATO sind da-
    durch heute für die großen Herausforderungen der Ge-
    genwart und der Zukunft gerüstet.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


    Jetzt brauchen wir ein neues strategisches Konzept.
    Ich frage Sie mit Blick auf die Anträge, die heute vorlie-
    gen: Wo sind die unverrückbaren politischen Überzeu-
    gungen der Grünen und zum Teil auch der SPD? Ich
    meine nicht tagespolitisch bedingte aktuelle Positionen,
    sondern solche, die über den Tag hinaus reichen. Das
    unterscheidet CDU/CSU und – mit Verlaub – F.D.P. von
    den Regierungsfraktionen. Bei uns formt sich Tages-
    politik aus Grundsätzen und Überzeugungen. Ob sich,
    Herr Außenminister, durch Ihre Politik in der Tiefe Ihrer
    grünen Bewegung dauerhaft tragfähige Überzeugungen
    bilden, daran habe ich erhebliche Zweifel. Dafür müssen
    Sie an der Basis noch viel arbeiten.

    Wer wie wir auf dem Boden der Außen- und Sicher-
    heitspolitik der heutigen Regierung steht, darf auch Kri-
    tisches anmerken. Ich nehme Ihnen ab, Herr Außenmi-
    nister, daß Sie für sich persönlich Kasernenbesetzungs-
    und Belagerungsmentalität überwunden haben. Ich frage
    mich aber schon, was eigentlich geschehen ist, und auch

    manche Ihrer Freunde fragen sich das, Freunde, mit de-
    nen Sie vor Jahren und Jahrzehnten vor US-Kasernen
    Fackelwachen abgehalten, Sitzblockaden durchgeführt
    und Protestdemos organisiert haben.


    (Bundesminister Joseph Fischer: Nein! Keine Fackeln!)


    – Ich weiß, wovon ich spreche. Ich komme aus Heidel-
    berg, einer Stadt mit einem US-Hauptquartier, wo wir
    das alles erlebt haben.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Gerade jüngst hat mir einer aus Ihrer Partei gesagt, daß
    er es sich nicht habe träumen lassen,


    (Dr. Christoph Zöpel [SPD]: Alles Vergangenheit!)


    seinen Joschka, wie er sich ausdrückte, einst als Außen-
    minister im feinsten Nadelstreifen zu erleben, garniert
    mit einem Freundschaftskuß für die amerikanische Au-
    ßenministerin Madeleine Albright. Das ist schon ein
    weiter Weg – vom Saulus zum Joschka.


    (Bundesminister Joseph Fischer: Aber Sie muß ich nicht küssen?)


    – Nein, mich sollen Sie auch nicht küssen, das würde ich
    mir verbitten. – Damit Sie mich aber nicht falsch verste-
    hen: Ich finde es gut, daß Sie mit der Übernahme des
    Amtes des Außenministers ein solches Maß an Erkennt-
    nis und neuer Einsicht in das gewonnen haben, was
    politisch und moralisch richtig und notwendig ist. Das
    hat so kaum einer für möglich gehalten. Helmut Kohl,
    meine Damen und Herren, hat einmal gesagt: Europa ist
    eine Sache von Krieg und Frieden. Darauf habe ich von
    Ihrer Seite nur Gelächter gehört. Heute sagen Sie, Herr
    Außenminister, lapidar: Kohl hat recht. – Das finde ich
    in Ordnung.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Günther Friedrich Nolting [F.D.P.])


    Lassen Sie mich zu den Anträgen konkret folgendes
    sagen:

    Erstens. Ich halte es, Herr Außenminister, für absolut
    schädlich und politisch falsch, daß die Bundesregierung
    und insbesondere Sie, Herr Fischer, versucht haben, die
    nukleare Ersteinsatzoption der NATO im neuen stra-
    tegischen Konzept zu verwässern oder gar zu streichen.
    Wir müssen auch in Zukunft einen Angreifer im unge-
    wissen darüber lassen, wie wir als Bündnispartner rea-
    gieren. Nur so gewinnen wir auch in Zukunft Sicherheit
    und Freiheit.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Nach unserer Überzeugung würde eine solche Änderung
    die Abschreckungsfähigkeit des Bündnisses erheblich
    schwächen. Deshalb meine Bitte, an der bewährten Ab-
    schreckungsstrategie des Bündnisses festzuhalten.

    Zweitens. Ein wichtiger Punkt, über den wir im
    Bündnis Konsens erreichen müssen, ist die völker-
    rechtliche Legitimation des Bündnisses für Krisenre-
    aktionseinsätze auch außerhalb des Bündnisgebietes.
    Wie wichtig das ist, zeigt doch der Konflikt im Kosovo.

    Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg)







    (A) (C)



    (B) (D)


    Ich meine, es besteht Einigkeit darüber, daß wir einen
    solchen Einsatz nach Möglichkeit auf einen Beschluß
    des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen stützen
    müssen. Es muß aber auch Einigkeit darüber bestehen,
    daß die NATO, wenn Menschenrechte verletzt werden
    und ihr Handeln im Einklang mit dem Völkerrecht steht,
    handeln muß. Sonst setzt sie sich dem Vorwurf aus, un-
    tätig zuzuschauen. Auch hier erwarten und verlangen
    wir klare Positionen und Aussagen.

    Die NATO ist für uns Friedensgarant. Sie muß mit
    den anderen großen kollektiven Sicherheitssystemen,
    den Vereinten Nationen, der Europäischen Union und
    der WEU, zusammenwirken, denen in diesem Zusam-
    menhang wichtige Aufgaben zukommen. Eine einseitige
    Hervorhebung der OSZE, Herr Minister, lehnen wir al-
    lerdings ab.

    Die NATO muß sich für andere öffnen. Von Wa-
    shington muß das Signal ausgehen, daß die Tür für sol-
    che offenbleibt, die ihre Zukunft in der Nordatlantischen
    Allianz suchen. Dieses klare Signal muß von Washing-
    ton ausgehen.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Lassen Sie mich, meine Damen und Herren, zum

    Schluß sagen, daß wir Europäer aufgerufen sind, für
    eine gerechte Lasten- und Pflichtenverteilung im
    Bündnis mehr Verantwortung zu tragen.

    Heute, zwei Tage vor dem NATO-Gipfel, steht die
    NATO auf dem Balkan vor einer der größten Herausfor-
    derungen seit ihrem Bestehen. Ich bin überzeugt, daß
    wir aus dieser Prüfung gestärkt hervorgehen, wenn wir
    geschlossen sind, wenn wir im Bündnis einig bleiben,
    wenn wir deutlich machen, daß die NATO keine
    Schönwetterorganisation ist, sondern ein Bündnis, das
    über Menschenrechte und Werte nicht nur spricht, son-
    dern diese im Ernstfall auch beherzt verteidigt.

    Auf der Schwelle zum 21. Jahrhundert dürfen Dikta-
    toren, die in zynischer Weise Menschenrechte verletzen
    und sich über das geltende Recht stellen, keine Chance
    haben. Amerika und Europa müssen auch in Zukunft in
    einer Allianz des Friedens und als Garant unserer ge-
    meinsamen Sicherheit zusammenstehen.

    Ich danke Ihnen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)




Rede von Dr. Rudolf Seiters
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Ich gebe das Wort
der Kollegin Angelika Beer, Bündnis 90/Die Grünen.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Angelika Beer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Herr
    Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Das
    strategische Konzept, das in den nächsten Tagen veröf-
    fentlicht werden wird, wird mit Sicherheit nicht der
    Schlußpunkt einer sehr wichtigen Debatte sein, die wir
    auch heute hier führen. Dieses Konzept wird der Aus-
    gangspunkt für die Fortentwicklung der NATO sein, und
    wir werden die Debatte engagiert begleiten.

    Der Gipfel wird – das haben viele gesagt – vom ge-
    genwärtigen Krieg im Kosovo überschattet. Die Folgen

    des Kosovo-Krieges für die zukünftige Entwicklung und
    auch für die Strategie der NATO müssen sorgfältig be-
    obachtet und analysiert und dürfen nicht unterschätzt
    werden.

    Ich sage dies vor dem Hintergrund, daß wir uns aus
    meiner Sicht heute in einer extrem schwierigen Situation
    befinden, und zwar aus zwei Gründen: Erstens. Wir be-
    finden uns, was die internationalen Beziehungen und
    das Völkerrecht betrifft, an einem Wendepunkt. Es geht
    um die Frage der Verrechtlichung der zwischenstaatli-
    chen Beziehungen und der Anerkennung der Tatsache,
    daß die Transnationalisierung auch Folgen für die Wei-
    terentwicklung des Völkerrechts haben wird. Diese ist
    politisch offen, und wir müssen uns in jeder einzelnen
    konkreten Situation entsprechend verhalten, um den
    Zielkonflikt im größtmöglichen Konsens zu lösen.

    Zweitens. Wir, die Bundesrepublik Deutschland und
    die NATO – ich sage das als Grüne ganz bewußt –, sind
    in einem Krieg. Wir sind zum ersten Mal seit 1945 an
    einem Krieg in Europa beteiligt. Dieser Krieg und unser
    Verhalten in diesem Krieg werden Auswirkungen auf
    die europäische Sicherheitsarchitektur und auf die trans-
    atlantischen Beziehungen haben. Die NATO als Werte-
    gemeinschaft und als diejenige Organisation, die inter-
    nationale Sicherheitspolitik effektiv betreiben kann,
    steht hier in einer ganz besonderen Verantwortung. Es
    ist unser Ziel, gestaltend darauf einzuwirken. Ich sage
    hier ganz deutlich: Die Frage der Glaubwürdigkeit wird
    sich nach diesem Krieg stellen, nämlich dann, wenn wir
    – die Bundesregierung, aber auch die NATO – entschei-
    den müssen, wie wir uns ganz ähnlichen Konflikten ge-
    genüber selbst im eigenen Bündnis – ich nenne als Bei-
    spiel das Kurdenproblem in der Türkei – verhalten. Zu-
    künftig wird es ein Verschließen der Augen nicht mehr
    geben können.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)


    Vor diesem historischen Hintergrund möchte ich ei-
    nige Punkte ansprechen, in denen sich die Verantwor-
    tung der NATO für Stabilität, für Vertrauensbildung,
    aber auch für Abrüstung in besonders prägnanter Weise
    ausdrückt.

    Zunächst zu der völkerrechtlichen Frage: Die Luft-
    schläge der NATO, die wir jetzt in der fünften Woche
    durchführen, finden auf einer völkerrechtlich nicht aus-
    reichenden Grundlage statt. Wenn es darum geht, das
    Völkerrecht weiterzuentwickeln, um aus der Sackgasse
    herauszukommen und früher nichtmilitärisch agieren zu
    können, wäre es ein Fehler, so zu tun, als wenn wir jetzt
    eine klare völkerrechtliche Grundlage hätten. Wir haben
    sie nicht. Wir werden das Völkerrecht modifizieren
    müssen, um stärker internationale humane Politik be-
    treiben zu können. Dieses Dilemma möchte ich offen
    ansprechen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Nach dem Gipfel werden wir beginnen müssen, diese
    Diskussion ohne Scheuklappen, aber verantwortlich zu

    Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg)







    (B)



    (A) (C)



    (D)


    führen. Denn wir wissen, daß wir uns damit auf ein
    schwieriges Gebiet der internationalen Diplomatie bege-
    ben.

    Ich will an dieser Stelle auf die internationalen si-
    cherheitspolitischen Institutionen eingehen. Die NATO
    als Wertegemeinschaft ist an den Inhalten, Normen und
    Verfahren der UNO-Charta orientiert. Das ist im Wa-
    shingtoner Vertrag so festgehalten, und er durchzieht
    das strategische Konzept der NATO, das verabschiedet
    wird, wie ein roter Faden. Das ist auch gut so.

    Wir wollen daran festhalten – dafür müssen wir gera-
    destehen –, daß das, was im Kosovo heute nicht ver-
    meidbar ist, eine dezidierte Ausnahme bleibt und nicht
    zum Alltagsgeschäft wird. Wir wollen eine Arbeitstei-
    lung zwischen den Institutionen. Das heißt, wir wollen,
    daß die NATO das macht, was sie können soll und was
    sie können muß. Aber wir wollen natürlich auch, daß
    das Gewaltmonopol der UNO gestärkt, die UNO refor-
    miert und das Vetorecht abgeschafft wird. Denn wir se-
    hen, daß es auf die aktuellen Konflikte und Kriege der
    Zukunft keine Antworten mehr gibt. Wir brauchen die
    Stärkung der OSZE, damit wir sagen können, daß die
    NATO als Militärbündnis erst dann zum Einsatz kommt,
    wenn die internationale Staatengemeinschaft keine In-
    strumente und Antworten mehr findet.


    (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


    Dazu gehört auch die Verantwortung der NATO, ihren
    Weg richtig weiterzugehen, nämlich in Kooperation mit
    Rußland Stabilität in Gesamteuropa zu verfolgen.

    Lassen Sie mich an dieser Stelle – das kann nicht
    ausgelassen werden – auf den Krieg im Kosovo einge-
    hen. Wir führen zur Zeit eine problematische Diskussi-
    on, was den Einsatz von Bodentruppen betrifft. Ich
    glaube, daß es falsch ist, zu sagen „Wir wollen diesen
    Einsatz nicht“ und zu befürchten, daß es dann doch ir-
    gendwann dazu kommt. Ich habe die Sorge, daß durch
    das Unterlassen einer Diskussion über den Einsatz von
    Bodentruppen bzw. durch die Art und Weise, wie diese
    Diskussion möglicherweise doch geführt wird, ein
    wichtiges Fenster für politische Initiativen verengt wird.

    Herr Lamers, wenn Sie die Grünen dahin gehend kri-
    tisieren, sie seien noch nicht in der Realität angekom-
    men, kann ich Ihnen nur antworten: Ich habe Angst da-
    vor, daß wir – ähnlich wie vor fünf Wochen, als wir vor
    der Alternative standen, ethnische Säuberungen oder
    NATO-Luftschläge zu akzeptieren – jetzt vor einer neu-
    en Alternative stehen: vor der Eskalation des Militäri-
    schen, also vor einem militärischen Automatismus, der
    sich – mit allen fatalen Konsequenzen, was die Spaltung
    der Sicherheit Europas betrifft – bis hin zu einem Ein-
    satz von Bodentruppen in Serbien ausdehnen könnte,
    oder aber der Initiative, die die rotgrüne Bundesregie-
    rung im Bündnis nach vorne getrieben hat: Rußland be-
    findet sich wieder mit uns im Dialog. Kofi Annan ist
    wieder Teil der Diplomatie, um diesen Krieg nicht auf
    militärischem Wege, sondern durch einen Waffenstill-
    stand zu beenden. Herr Lamers, die Realität ist, auch
    wenn Sie sie nicht erkennen wollen, anders. Die „Berli-
    ner Zeitung“ schreibt heute: „Europäer wollen Frie-

    densplan Fischers für Kosovo übernehmen“. Das ist es,
    was wir forcieren müssen, nicht eine leichtsinnige De-
    batte, die letztlich dazu führt, daß wir, ohne daß wir es
    überhaupt wollen, in einen Bodenkrieg geraten, den wir
    übrigens auch nicht verantworten können.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Kurt J. Rossmanith [CDU/ CSU]: Kein Mensch hat das so gesagt!)


    Ich komme zum Schluß: Der zentrale Ansatz für eine
    zukunftsfähige Sicherheitspolitik muß ein Konzept prä-
    ventiver Sicherheitspolitik sein. Das heißt, daß Sicher-
    heitspolitik in ihren vielfältigen Dimensionen in ein au-
    ßenpolitisches Konzept eingebunden wird, in dem den
    Vereinten Nationen und der OSZE nicht nur verbal eine
    wichtige Rolle zugewiesen wird nach dem Motto: OSZE
    first. Wir müssen vielmehr zulassen und ermöglichen,
    daß sie diese Rolle tatsächlich spielt.


    (Kurt J. Rossmanith [CDU/CSU]: Das ist doch keine Alternative zur NATO!)


    Ich nenne hier beispielsweise den kooperativen Ansatz
    für Gesamteuropa und Rußland, den rüstungskontroll-
    politischen Ansatz – denn wir dürfen auch dann, wenn
    wir Krieg führen, die Abrüstung nicht vergessen – und
    eine Politik, die auf Grund der bestehenden atomaren
    Gefahr, die möglicherweise wieder näherrückt, abrü-
    stungspolitische Aufgaben vor Augen hat.

    Wenn wir es schaffen, diesen Konsens in Europa zu
    stabilisieren und über Europa hinauszutragen und der
    Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen end-
    lich Einhalt zu gebieten, dann kommen wir vielleicht
    wieder zu dem Punkt zurück, daß wir sagen können, daß
    das Europa der Zukunft friedlich sein wird. Diesen Weg
    gehen wir hoffentlich alle gemeinsam.

    Danke.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)