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ID1403501900

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 14/35 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 35. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 22. April 1999 I n h a l t : Glückwünsche zum Geburtstag des Abgeord- neten Dr. Theodor Waigel.............................. 2761 A Eintritt des Abgeordneten Wolfgang Steiger in den Deutschen Bundestag............................ 2761 A Erweiterung der Tagesordnung.......... 2761 B, 2817 A Absetzung des Punktes 8 von der Tagesord- nung ................................................................. 2762 A Tagesordnungspunkt 5: a) Abgabe einer Regierungserklärung des Bundeskanzlers anläßlich des 50. Jah- restages der Gründung der Nordatlan- tikpakt-Organisation................................ 2762 B b) Antrag der Fraktionen SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN NATO-Gipfel in Washington und Wei- terentwicklung des Bündnisses (Druck- sache 14/599) ............................................. 2762 B c) Antrag der Fraktion der CDU/CSU Die Handlungsfähigkeit der Nordatlan- tischen Allianz für das 21. Jahrhundert sichern (Drucksache 14/316)..................... 2762 B d) Antrag der Fraktion PDS Europäische Sicherheitsarchitektur statt Dominanz der Nordatlantischen Allianz (Drucksache 14/454 (neu)) ........................... 2762 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 2: Antrag der Abgeordneten Hildebrecht Braun (Augsburg), Rainer Brüderle, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion F.D.P. 50 Jahre Nordatlantisches Bündnis (Drucksache 14/792) .................................. 2762 C Gerhard Schröder, Bundeskanzler ................... 2762 C Volker Rühe..................................................... 2766 A Rudolf Scharping, Bundesminister BMVg...... 2770 A Dr. Wolfgang Gerhardt F.D.P.......................... 2773 A Joseph Fischer, Bundesminister AA................ 2776 A Wolfgang Gehrcke PDS .................................. 2779 A Markus Meckel SPD.................................... 2781 B Michael Glos CDU/CSU ................................. 2781 D Gernot Erler SPD............................................. 2784 C Dr. Helmut Lippelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ........................................................ 2786 C Markus Meckel SPD........................................ 2787 C Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) CDU/CSU... 2789 B Angelika Beer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . 2791 B Peter Zumkley SPD ......................................... 2792 D Dr. Christoph Zöpel SPD................................. 2794 B Tagesordnungspunkt 6: Antrag der Abgeordneten Dr. Gerhard Friedrich (Erlangen), Friedrich Merz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion CDU/CSU Deutschland muß verläßlicher Partner in europäischer Raumfahrt bleiben (Drucksache 14/655) .................................. 2795 C Ilse Aigner CDU/CSU..................................... 2795 C Edelgard Bulmahn, Bundesministerin BMBF . 2797 C II Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 35. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 22. April 1999 Thomas Rachel CDU/CSU .......................... 2799 C Dr.Martin Mayer (Siegertsbrunn) CDU/CSU.. 2801 A Edelgard Bulmahn, Bundesministerin BMBF . 2801 B Hans-Josef Fell BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2801 D Jürgen W. Möllemann F.D.P. .......................... 2804 B Jörg Tauss SPD............................................ 2805 C Thomas Rachel CDU/CSU .............................. 2806 D Stephan Hilsberg SPD ................................. 2807 A Lothar Fischer (Homburg) SPD....................... 2809 B Jürgen W. Möllemann F.D.P. ..................... 2809 D Norbert Hauser (Bonn) CDU/CSU .................. 2811 B Bodo Seidenthal SPD....................................... 2812 D Thomas Rachel CDU/CSU .............................. 2815 B Tagesordnungspunkt 15: Überweisungen im vereinfachten Verfahren a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Reform des Staatsangehörig- keitsrechts (Drucksache 14/744)............... 2815 C b) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Über- weisungsgesetzes (Drucksache 14/745) .... 2815 C c) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Abkommen vom 8. Dezem- ber 1997 über wirtschaftliche Partner- schaft, politische Koordinierung und Zusammenarbeit zwischen der Euro- päischen Gemeinschaft und ihren Mit- gliedstaaten einerseits und den Ver- einigten Mexikanischen Staaten ande- rerseits (Drucksache 14/684)..................... 2815 D d) Erste Beratung des vom Bundesrat einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Vereinfachung und Beschleunigung des arbeitsgerichtlichen Verfahrens (Arbeits- gerichtsbeschleunigungsgesetz) (Druck- sache 14/626) ............................................. 2815 D e) Erste Beratung des von den Abgeordneten Wolfgang Dehnel, Dr.-Ing. Joachim Schmidt (Halsbrücke), weiteren Abgeord- neten und der Fraktion CDU/CSU einge- brachten Entwurfs eines Zweiten Geset- zes zur Änderung des Verkehrswege- planungsbeschleunigungsgesetzes (Drucksache 14/544) .................................. 2815 D f) Antrag der Fraktion der CDU/CSU Änderung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (Drucksache 14/542) ....................................................... 2816 A in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 3: Weitere Überweisungen im vereinfachten Verfahren a) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 21. Dezember 1995 über den Beitritt der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schwe- den zu dem Übereinkommen über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen (Drucksache 14/748) .................................. 2816 A b) Antrag der Abgeordneten Hildebrecht Braun (Augsburg), Rainer Brüderle, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion F.D.P. Für eine sofortige Verhängung umfas- sender Handelssanktionen gegen Jugo- slawien (Drucksache 14/793) .................... 2816 A c) Antrag der Abgeordneten Gabriele Fogra- scher, Adelheid Tröscher, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion SPD sowie der Abgeordneten Dr. Angelika Köster- Loßack, Kerstin Müller (Köln), Rezzo Schlauch und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN UN-Sondergeneralversammlung – 5 Jah- re nach der Konferenz für Bevölkerung und Entwicklung in Kairo – Aktive Be- völkerungspolitik in der Entwicklungs- zusammenarbeit (Drucksache 14/797)......... 2816 B d) Antrag der Abgeordneten Fred Gebhardt, Heidi Lippmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion PDS Ausschluß des Eintritts Minderjähriger in die Bundeswehr (Drucksache 14/551) . 2816 B e) Antrag der Abgeordneten Fred Gebhardt, Carsten Hübner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion PDS Einsatz von Kindern als Soldaten wirk- sam verhindern (Drucksache 14/552) ...... 2816 C f) Antrag der Abgeordneten Karin Kort- mann, Brigitte Adler, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion SPD sowie der Ab- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 35. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 22. April 1999 III geordneten Dr. Angelika Köster-Loßack, Hans-Christian Ströbele, Rezzo Schlauch und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Gegen den Einsatz von Kindern als Soldaten in bewaffneten Konflikten (Drucksache 14/806) .................................. 2816 C Tagesordnungspunkt 16: Abschließende Beratungen ohne Aussprache a) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Techno- logie zu der Verordnung der Bundesregie- rung Aufhebbare Einhundertachtunddrei- ßigste Verordnung zur Änderung der Einfuhrliste – Anlage zum Außenwirt- schaftsgesetz – (Drucksachen 14/264, 14/305 Nr. 2.2, 14/729) ....................................................... 2816 D b) Beschlußempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses zu der Unterrich- tung durch die Bundesregierung Privatisierung von Bundesbeteiligungen hier: Veräußerung der Geschäftsan- teile an der Heimstätte Rheinland-Pfalz GmbH, Organ der staatlichen Woh- nungspolitik, Mainz (Drucksachen 14/186, 14/305 Nr. 1.1, 14/657) ....................................................... 2817 A Zusatztagesordnungspunkt 12: a) bis e) Beschlußempfehlungen des Peti- tionsausschusses Sammelübersichten 38, 39, 40, 41, 42 (Drucksachen 14/814, 14/815, 14/816, 14/817 und 14/818) .................................... 2817 B Zusatztagesordnungspunkt 4: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Siebten Gesetzes zur Änderung des Bundessozialhilfegesetzes (Drucksa- chen 14/389, 14/474, 14/820)..................... 2817 C Brigitte Lange SPD.......................................... 2817 D Peter Weiß (Emmendingen) CDU/CSU .......... 2819 B Katrin Göring-Eckardt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN......................................................... 2820 D Dr. Heinrich L. Kolb F.D.P. ........................... 2821 D Dr. Klaus Grehn PDS....................................... 2822 C Zusatztagesordnungspunkt 5: Aktuelle Stunde betr. Haltung der Bundesregierung als Bauherr zu Schwarzarbeit und außertariflicher Be- schäftigung auf den Baustellen des Bundes in Berlin und zu den Auswir- kungen auf die Beschäftigungssituation im Baugewerbe Berlins und Branden- burgs sowie die ostdeutsche Bauwirt- schaft insgesamt ....................................... 2823 D Petra Pau PDS.................................................. 2823 D Achim Großmann, Parl. Staatssekretär BMVB ............................................................. 2825 A Dr.-Ing. Dietmar Kansy CDU/CSU................. 2826 C Franziska Eichstädt-Bohlig BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN................................................. 2827 C Dr. Heinrich L. Kolb F.D.P. ........................... 2828 B Renate Rennebach SPD ................................... 2829 B Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) CDU/CSU...... 2830 C Annelie Buntenbach BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ........................................................ 2831 C Dr. Klaus Grehn PDS ...................................... 2832 D Gabriele Iwersen SPD ..................................... 2833 D Karl-Josef Laumann CDU/CSU ...................... 2834 D Wolfgang Weiermann SPD ............................. 2835 D Konrad Gilges SPD ......................................... 2837 A Karl-Josef Laumann CDU/CSU ...................... 2838 B Tagesordnungspunkt 7: Antrag der Fraktionen SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN Entschuldungsinitiative anläßlich des Weltwirtschaftsgipfels der G-7/G-8- Staaten in Köln (Drucksache 14/794) ...... 2839 A in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 6: a) Antrag der Abgeordneten Klaus-Jürgen Hedrich, Dr. Christian Ruck, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion CDU/CSU Entschuldung armer Entwicklungs- länder – Initiativen zum G-8-Gipfel in Köln (Drucksache 14/785)......................... 2839 A b) Antrag der Abgeordneten Carsten Hübner, Fred Gebhardt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion PDS Umfassender Schuldenerlaß für einen Neuanfang (Drucksache 14/800) .............. 2839 A IV Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 35. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 22. April 1999 Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesministe- rin BMZ ........................................................... 2839 B Klaus-Jürgen Hedrich CDU/CSU.................... 2841 C Dr. R. Werner Schuster SPD........................ 2842 D Hans-Christian Ströbele BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN......................................................... 2844 A Joachim Günther (Plauen) F.D.P. .................... 2845 B Adelheid Tröscher SPD ................................... 2847 A Carsten Hübner PDS........................................ 2848 C Frank Hempel SPD .......................................... 2850 B Dr. Ralf Brauksiepe CDU/CSU ....................... 2851 C Dr. Uschi Eid, Parl. Staatssekretärin BMZ ...... 2853 D Klaus-Jürgen Hedrich CDU/CSU.................... 2854 D Dagmar Schmidt (Meschede) SPD .................. 2855 B Zusatztagesordnungspunkt 7: a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, weiteren Abgeordneten und der Fraktion F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neurege- lung des Schutzes parlamentarischer Beratungen (Drucksache 14/183) ............. 2856 D b) Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Evelyn Kenzler, Sabine Jünger und der Fraktion PDS eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Aufhebung der Bannmeilenregelung (Drucksache 14/516) ....................................................... 2857 A Dr. Hermann Otto Solms F.D.P. ...................... 2857 A Dieter Wiefelspütz SPD................................... 2858 A Dr. Edzard Schmidt-Jortzig F.D.P. .................. 2859 C Dieter Wiefelspütz SPD................................... 2859 D Joachim Hörster CDU/CSU............................. 2860 A Hans-Christian Ströbele BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN......................................................... 2861 B Roland Claus PDS ........................................... 2862 B Dieter Wiefelspütz SPD............................... 2862 D Tagesordnungspunkt 9: Antrag der Abgeordneten Hartmut Büttner (Schönebeck), Margarete Späte, weiterer Abgeordneter und der Fraktion CDU/CSU Beteiligung des Bundes an Gedenkstät- ten und Mahnmalen zur Erinnerung an die beiden deutschen Diktaturen und ihre Opfer (Drucksache 14/656) ............... 2863 D in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 8: Antrag der Abgeordneten Gert Weisskir- chen (Wiesloch), Angelika Krüger-Leiß- ner, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion SPD sowie der Abgeordneten Antje Vollmer, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN Konzeption zur Förderung und Festi- gung der demokratischen Erinnerungs- kultur (Drucksache 14/796) ...................... 2864 A Hartmut Koschyk CDU/CSU .......................... 2864 B Angelika Krüger-Leißner SPD ........................ 2865 D Hans-Joachim Otto (Frankfurt) F.D.P. ........... 2867 D Antje Vollmer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . 2869 A Dr. Heinrich Fink PDS .................................... 2870 D Gert Weisskirchen (Wiesloch) SPD ................ 2871 D Margarete Späte CDU/CSU............................. 2873 C Zusatztagesordnungspunkt 9: a) Antrag der Fraktionen SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN Keine weitere Unterstützung der Atom- kraftwerke Khmelnytsky 2 und Rivne 4 in der Ukraine (Drucksache 14/795) ........ 2875 C b) Antrag der Abgeordneten Angela Mar- quardt, Eva-Maria Bulling-Schröter, Dr. Gregor Gysi und der Fraktion PDS Investitionen der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung in Khmelnystky 2 und Rivne 4 (Drucksa- che 14/708) ................................................ 2875 C c) Antrag der Abgeordneten Kurt-Dieter Grill, Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach), weiterer Abgeordneter und der Fraktion CDU/CSU Festhalten an den Zusagen zum Bau von sichereren Ersatzreaktoren in der Ukraine (Drucksache 14/819) ................... 2875 C Monika Griefahn SPD ..................................... 2875 D Kurt-Dieter Grill CDU/CSU............................ 2876 D Michaele Hustedt BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN................................................................. 2878 A Ulrike Flach F.D.P........................................... 2879 B Eva-Maria Bulling-Schröter PDS .................... 2880 B Horst Kubatschka SPD .................................... 2881 A Tagesordnungspunkt 10: Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Evelyn Kenzler, Roland Claus, weite- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 35. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 22. April 1999 V ren Abgeordneten und der Fraktion PDS eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bürgerlichen Ge- setzbuchs (Verjährung Schadensersatz- forderungen für Zwangsarbeit) (Druck- sache 14/554) ............................................. 2882 B Dr. Evelyn Kenzler PDS.................................. 2882 B Joachim Stünker SPD ...................................... 2883 B Dr. Wolfgang Götzer CDU/CSU ..................... 2885 C Winfried Nachtwei BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN................................................................. 2886 B Rainer Funke F.D.P. ........................................ 2887 C Nächste Sitzung ............................................... 2887 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten ........... 2889 A Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 35. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 22. April 1999 2761 (A) (C) (B) (D) 35. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 22. April 1999 Beginn: 9.00 Uhr
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    Winfried Nachtwei Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 35. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 22. April 1999 2889 (A) (C) (B) (D) Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich Binding (Heidelberg), Lothar SPD 22.4.99 Bühler (Bruchsal), Klaus CDU/CSU 22.4.99* Fink, Ulf CDU/CSU 22.4.99 Friedhoff, Paul K. F.D.P. 22.4.99 Dr. Gysi, Gregor PDS 22.4.99 Hasenfratz, Klaus SPD 22.4.99 Ibrügger, Lothar SPD 22.4.99 Dr. Kohl, Helmut CDU/CSU 22.4.99 Kolbow,Walter SPD 22.4.99 Moosbauer, Christoph SPD 22.4.99 Müller (Berlin), Manfred PDS 22.4.99 Müntefering, Franz SPD 22.4.99 Nolte, Claudia CDU/CSU 22.4.99 Dr. Paziorek, Peter CDU/CDU 22.4.99 Polenz, Ruprecht CDU/CSU 22.4.99 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Raidel, Hans CDU/CSU 22.4.99 Ronsöhr, Heinrich-Wilhelm CDU/CSU 22.4.99 Dr. Schäfer, Hansjörg SPD 22.4.99 Schmidbauer (Nürnberg), Horst SPD 22.4.99 Schuhmann (Delitzsch), Richard SPD 22.4.99 Dr. Süssmuth, Rita CDU/CSU 22.4.99 Thiele, Carl-Ludwig F.D.P. 22.4.99 Trittin, Jürgen BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 22.4.99 Weisskirchen (Wiesloch), Gert SPD 22.4.99 Willner, Gert CDU/CSU 22.4.99 Wimmer (Neuss), Willy CDU/CSU 22.4.99 Wissmann, Matthias CDU/CSU 22.4.99 Wolf, Aribert CDU/CSU 22.4.99 –––––––– *) für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates 2890 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 35. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 22. April 1999 (A) (C) (B) (D)
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. h.c. Gernot Erler


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Liebe Kolle-
    ginnen und Kollegen! Runde Geburtstage – das zeigt
    diese Debatte – verleiten zu Rückblicken. Manch einen
    verleiten sie auch zu einem nochmaligen Schlagen ver-
    gangener Schlachten, wie man an den Beiträgen der
    Kollegen Rühe bis Glos in bezug auf Wiederbewaffnung
    und NATO-Doppelbeschluß sehen konnte.


    (Michael Glos [CDU/CSU]: Sie mögen das nicht gern hören, das verstehe ich schon! Sagen Sie doch mal, was Sie damals gemacht haben!)


    Ich möchte hier einen Aspekt ansprechen, Herr Glos, der
    uns vielleicht auch in der Erinnerung etwas näher zu-
    sammenbringt.


    (Michael Glos [CDU/CSU]: Sie sind doch auch einer von den linken Vögeln! Wo haben Sie denn gestanden?)


    In Deutschland muß ja der Blick auf die besondere Be-
    deutung der NATO-Mitgliedschaft für den deutschen
    Weg in die westliche Staatengemeinschaft fallen.

    Elf Jahre nach dem Krieg holte der Eintritt in die
    NATO die Bundesrepublik von der Strafbank weg,
    machte sie vom Angeklagten zum Partner. Aber da hatte
    der Kalte Krieg schon begonnen. Die DDR wurde Part-
    ner des anderen Bündnisses, das wir „Warschauer
    Pakt“ nannten. Und für 33 Jahre lief die waffenstarren-
    de Systemgrenze mitten durch Deutschland. Mauer und
    Stacheldraht wurden zum Synonym des deutschen
    Schicksals in der Nachkriegszeit, für viele einzelne
    Menschen wurden sie zum Verhängnis.

    Ich behaupte: Für kein anderes NATO-Land hatte die
    Bündnismitgliedschaft eine solche prägende Bedeutung
    wie für Deutschland. Man kann sagen: Unsere Integrati-
    on in die westliche Allianz war für die ganze deutsche
    Nachkriegsgeschichte konstitutiv und existentiell: kon-
    stitutiv im Sinne unserer Rückkehr in eine westliche In-
    teressen- und Wertegemeinschaft nach den Verbrechen
    der Nazi-Zeit und der Ausgrenzung als Folge davon,
    existentiell als einzige Quelle von Sicherheit in unserer
    Position als Frontstaat an der Grenze zweier antagonisti-
    scher Systeme.

    Weil wir über die NATO Reintegration gewonnen
    haben, besteht bei uns ein besonderes Verständnis für
    die Transformationsstaaten in Ost- und in Südosteuropa,
    die heute ihren Wunsch und ihr Drängen nach Mitglied-
    schaft in der Allianz als Chance zur Integration in Euro-
    pa verstehen. Unsere eigene geschichtliche Erfahrung
    auf beiden Seiten der heute verschwundenen System-
    grenze macht uns sensibel, gibt uns eine besondere Ver-
    antwortung, wenn es um den Erweiterungsprozeß der
    NATO geht.

    Als das Bündnis im Juli 1997 hierzu Entscheidungen
    zu treffen hatte, wurde die SPD-Bundestagsfraktion die-
    ser Verantwortung gerecht, indem sie eine Entschlie-
    ßung vorlegte, die drei Stichworte hervorhob: Vermei-

    Michael Glos






    (A) (C)



    (B) (D)


    dung neuer Grenzen in Europa, Partnerschaft mit Ruß-
    land und Fortsetzung des Abrüstungsprozesses. Diese
    Positionsbestimmung hat bis heute nichts an Aktualität
    verloren.


    (Beifall bei der SPD)

    Bei dem Erweiterungsprozeß des Bündnisses, der

    jetzt mit der Aufnahme von drei neuen Mitgliedern be-
    gonnen hat, bleibt die Vermeidung neuer Grenzlinien
    quer durch Europa die vordringlichste Aufgabe. Wir
    unterstützen insofern das Konzept, das wir im Gipfel-
    Dokument von Washington erwarten, nachdem die Alli-
    anz für die neuen Mitglieder offenbleibt, aber sich jetzt
    nicht bereits auf eine zweite oder dritte Runde festlegt.
    Diese Behutsamkeit ist klug. Sie vermeidet Rückstel-
    lungseffekte und Ausgrenzungsgefühle. Wir gewinnen
    damit Zeit. Diese müssen wir aktiv nutzen, um ein Ge-
    samtkonzept für Sicherheit und Stabilität in Europa
    zu entwickeln, in das der Erweiterungsprozeß der Alli-
    anz eingebaut ist, und Strategien, wie an den Außen-
    grenzen des Bündnisses als Integrationsraum trennende
    Grenzen zu vermeiden sind.

    Ich will Ihnen ein Beispiel nennen: Zwischen Polen
    und der Ukraine läuft heute die Grenze zwischen NATO
    und Nicht-NATO. Morgen wird dort die Grenze zwi-
    schen EU und Nicht-EU laufen, und damit werden in
    Polen die Regeln des Schengener Abkommens gelten.
    Die Grenze zwischen Polen und der Ukraine ist heute
    aber auch eine Brücke für den Austausch von Menschen
    und Waren, von grenzüberschreitenden Arbeitsverhält-
    nissen, aber auch von politischen Ideen und von Kultu-
    ren. Diese Grenze – und es gibt viele ähnliche Grenzen
    in Osteuropa und in Südosteuropa – darf nicht herme-
    tisch werden. Die Brückenfunktion muß erhalten blei-
    ben.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)


    Die Behutsamkeit des Erweiterungsprozesses gibt uns
    und den zahlreichen neuen Kandidaten auch die Chance,
    von jetzt zu sammelnden Erfahrungen zu profitieren.

    Vor wenigen Wochen haben wir Polen, Tschechien
    und Ungarn in das Bündnis aufgenommen. Wir hätten
    uns gewünscht, daß unsere neuen Partner nicht als erstes
    in die bisher schwerste Bewährungsprobe des Bündnis-
    ses geraten, die sich mit dem Namen Kosovo verbindet.
    Ich möchte hier unsere Anerkennung und unseren Dank
    dafür zum Ausdruck bringen, wie die drei neuen Partner
    diese Bewährungsprobe im Moment bestehen.


    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der F.D.P.)


    Namentlich möchte ich Ungarn erwähnen, das einzi-
    ge NATO-Land mit einer direkten Grenze zur Bundes-
    republik Jugoslawien, ein Land, das sich Sorgen machen
    muß um 350 000 Landsleute jenseits der Grenze, in der
    Vojvodina, wo heute Bomben einschlagen. Wieviel nä-
    her, wieviel existentieller ist der furchtbare Konflikt in
    diesem Donauland, dieser Konflikt, der doch schon bei
    uns zahlreiche Risse in der öffentlichen Meinung, in den
    Parteien, ja, in den einzelnen Menschen selbst erzeugt!
    Wir haben eine Bringschuld an Solidarität gerade ge-

    genüber diesem Land, das eine so positive Rolle – dies
    ist heute vom Bundeskanzler noch einmal gewürdigt
    worden – bei dem deutschen Einigungsprozeß gespielt
    hat, nun unversehens Nachbar eines schrecklichen Ge-
    schehens wird und die Verantwortung doch voll trägt.
    Ich möchte diese Solidarität – ich hoffe, im Namen des
    ganzen Hauses – hier im Deutschen Bundestag zum
    Ausdruck bringen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie des Abg. Volker Rühe [CDU/CSU] und des Abg. Dr. Wolfgang Gerhardt [F.D.P.])


    Bezüglich des Kosovo-Konflikts haben wir unseren
    Respekt noch für einen anderen Nachbarn im Osten aus-
    zudrücken – das ist auch in der Debatte in der letzten
    Woche geschehen –, nämlich für die Russische Födera-
    tion. Wir wissen, Moskau lehnt die Luftangriffe auf
    Serbien ab, verhält sich jedoch besonnen und macht
    politische Vermittlungsversuche, auf die sich viele
    Hoffnungen gründen. Das ist nicht selbstverständlich;
    denn wir kennen Rußlands Probleme hinsichtlich der
    Osterweiterung der NATO.

    Zu den guten Erfahrungen, die wir in diesen Tagen
    machen, zählen wir den Erfolg der NATO-Rußland-
    Grundakte vom 27. Mai 1997 und ihre Umsetzung.
    Gerhard Schröder hat es schon gesagt: Der ständige
    NATO-Rußland-Rat hat sich bewährt. Ich erinnere an
    die letzte Irak-Krise. In einer Zeit, wo Moskau die Bot-
    schafter aus Washington und London abzog, ist die All-
    tagsarbeit in dem ständigen NATO-Rußland-Rat fortge-
    setzt worden. Das ist ein guter Weg. Ich möchte das in
    diesem Satz zusammenfassen: Zur Zukunft der NATO
    gehört unverzichtbar die Partnerschaft mit Rußland und
    deren weiterer Ausbau.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Das erwarten wir auch von den Dokumenten des bevor-
    stehenden NATO-Gipfels.

    Meine Kolleginnen und Kollegen, in der Grundakte
    wurden auch Zusagen zur Abrüstung gemacht, nament-
    lich zur konventionellen Abrüstung, zur Anpassung
    des KSE-Vertrages. Das war ein schwieriger Prozeß.
    Ich bin sehr froh, daß es gelungen ist, daß trotz dieser
    Schwierigkeiten noch rechtzeitig vor dem NATO-Gipfel
    ein Kompromiß zustande kam, ein Erfolg der KSE.


    (Beifall bei der SPD)

    Das war möglich auf der Basis von konstruktiven deut-
    schen Beiträgen.

    Ich möchte hier einen Namen nennen. In diesen Ta-
    gen verabschiedet sich der langjährige deutsche Chef-
    abrüster, Botschafter Dr. Rüdiger Hartmann, aus seinem
    politischen Leben im Dienste der Bundesrepublik. Sein
    Name ist eng mit diesem Erfolg verbunden. Ich möchte
    ihm von dieser Stelle aus herzlich für seine Arbeit dan-
    ken.


    (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der F.D.P.)


    Gernot Erler






    (B)



    (A) (C)



    (D)


    Der Abrüstungsprozeß muß auf anderen Gebieten
    weitergehen. Es ist trotz mehrerer großer Abrüstungs-
    verträge noch nicht überall der Weg begonnen worden,
    sie auch umzusetzen. Es gibt noch immer viel zu viele
    Atomwaffen auf diesem Planeten. Es ist noch nicht ge-
    lungen, ihre weitere Verbreitung mit allen damit ver-
    bundenen Gefahren aufzuhalten.

    Ob Nonproliferation, wie es genannt wird, eine
    Chance bekommt, hängt auch davon ab, wie überzeu-
    gend die offiziellen Atomstaaten ihren Abrüstungsver-
    pflichtungen nachkommen und welche Rolle das west-
    liche Bündnis den Atomwaffen zumißt. Hier ist die
    NATO-Strategie gefragt.

    Es gibt bei uns eine Sorge: Wenn wir sagen, wir
    brauchen Atomwaffen auch, um Angriffe mit nicht-
    atomaren Waffen abzuwehren, dann stellt sich die Frage,
    wie wir anderen Ländern erklären und sie davon über-
    zeugen können, daß sie keine Atomwaffen brauchen.
    Hier gibt es ein Überzeugungsproblem im Hinblick auf
    das Ziel der Nichtverbreitung. Dieses Problem müssen
    wir lösen. Deshalb haben wir Bedarf an Diskussionen
    über die künftige Strategie der Allianz angemeldet.

    Es ist erfreulich, daß zu diesem Thema jetzt sehr vor-
    sichtige Formulierungen in das Strategiepapier der Alli-
    anz aufgenommen wurden. Es ist noch erfreulicher, daß
    in dem Gipfeldokument – wir begrüßen das – ein Auf-
    trag zur Prüfung genau des Aspekts, der in der Öffent-
    lichkeit „first use“ genannt wird, enthalten sein wird.
    Das ist wichtig; denn wenn die Strategie der Nichtver-
    breitung scheitert, dann werden wir vor neuen
    Rüstungswettläufen stehen. Diese wollen wir alle nicht.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Zusammenfassend möchte ich hier erklären: Wir sind
    uns der Bedeutung der NATO für den politischen Weg
    Deutschlands nach dem Krieg und für seine europäische
    Reintegration bewußt. Wir sind aus inhaltlicher Über-
    zeugung verläßliche Partner im Bündnis. Wir sehen eine
    gute Zukunft für das westliche Bündnis, einschließlich
    einer breiten öffentlichen Akzeptanz, wenn es gelingt,
    die von mir genannten drei Rahmenbedingungen und
    Begleitstrategien zu stärken. Ich fasse sie zusammen:
    Sie heißen Einbindung in ein europäisches Gesamtkon-
    zept von Sicherheit und Stabilität, mit dem neue Grenz-
    linien quer durch Europa vermieden werden und mit
    dem unsere Fähigkeit zur präventiven Friedenspolitik
    und zur Konfliktprävention verstärkt wird.

    Der zweite Aspekt betrifft den Ausbau der Partner-
    schaft mit der Russischen Föderation und auch mit der
    Ukraine.

    Der dritte Aspekt betrifft schließlich die Fortsetzung
    der Abrüstungspolitik mit neuen Anstrengungen und
    Initiativen, mit dem Ziel der Nichtverbreitung von
    Atomwaffen im Zentrum.

    Wir freuen uns, daß diese Elemente in den Formulie-
    rungen der neuen NATO-Strategie und in anderen Gip-
    feldokumenten in angemessener Weise zum Ausdruck
    kommen werden. Das wissen wir heute schon. Das ist
    ein Erfolg von stiller, aber engagierter Diplomatie zur

    Vorbereitung des Gipfels. Auch hier gab es zahlreiche
    engagierte deutsche Beiträge. Auch für diese Arbeit ha-
    ben wir hier zu danken.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)




Rede von Dr. Rudolf Seiters
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Ich gebe das Wort
dem Kollegen Helmut Lippelt, Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Helmut Lippelt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle-
    gen! Die Anträge, über die wir heute eigentlich diskutie-
    ren wollen, sind Wochen vor dem 24. März 1999 verfaßt
    worden. Aus dem ursprünglich beabsichtigten Jubi-
    läumsgipfel ist jetzt ein Arbeitstreffen geworden. Sätze
    wie die von „der NATO als dem erfolgreichsten Sicher-
    heits- und Verteidigungsbündnis der Geschichte“ blei-
    ben uns heute leicht im Munde stecken. Denn wir wis-
    sen, daß sich die NATO in ihrer tiefsten Krise befindet,
    wenn ich auch nicht so weit wie der Kollege Gehrcke
    gehen möchte, der jetzt schon den Anfang ihres Endes
    eingeleitet sieht.

    Die NATO befindet sich in dieser Krise, weil sich
    zwischen ihren Mitteln und Möglichkeiten einerseits
    und den politischen Zielen andererseits eine wachsende
    Inkongruenz entwickelt hat, wie es der ehemalige EU-
    Bosnien-Beauftragte Carl Bildt formulierte: daß ihre
    hochentwickelte Technologie der Präzisionsbomben und
    -raketen eben nicht die mordende und brandschatzende
    Soldateska treffen konnte, ja nicht treffen kann und sie
    in ihrem Geschäft sogar noch vorantreibt.

    Die NATO befindet sich in einer Krise, weil sich die
    Selbstdefinition der NATO als einer Wertegemeinschaft
    immer schwieriger in geeignete Mittel übersetzen läßt
    und weil sich die Abwehr des Völkermords im Koso-
    vo, von deren Notwendigkeit wir doch alle überzeugt
    sind, eben nicht in der Form des 3. September 1939
    vollzieht, als England und Frankreich dem expansiven
    Rassenwahn eines deutschen Diktators ein entschiedenes
    Halt entgegenriefen und vom Appeasement zum Krieg
    übergingen.

    Heute übertragen wir der NATO 14 Flugzeuge und
    delegieren die Kriegführung an einen Apparat NATO.
    Eine solche Delegation führt dann zu der perversen
    Trennung von Krieg und Geschäft, wie wir sie in der
    Frage der Erdöllieferungen gerade erlebt haben. Allen
    Vorstellungen von Alternativen zur Kriegführung wird
    hohngesprochen; die Glaubwürdigkeit der NATO steht
    auch an diesem Punkte ganz entschieden in Frage.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Es entspricht – das ist absolut richtig – unserem Ver-

    fassungsverständnis von parlamentarischer Kontrolle
    und Verantwortung, daß wir Auftrag und Mandat genau
    definieren und limitieren. Dennoch müssen wir zur
    Kenntnis nehmen, daß unser Einfluß auf die Art und
    Weise der Kriegführung begrenzt und in Relation zu
    den der NATO übertragenen Mitteln, nämlich den
    14 Flugzeugen, zu sehen ist. Unserer historischen Erfah-

    Gernot Erler






    (A) (C)



    (B) (D)


    rung, die wir eigentlich einzubringen hätten und die be-
    sagt, daß ein Bombenkrieg auch kontraproduktiv sein
    kann und den Graben zwischen Diktator und Volk nicht
    aufreißt, sondern überbrückt, können wir nicht in der
    notwendigen Weise Geltung verschaffen. Wir sind der
    Eskalation der Kriegführung ausgeliefert. Vorstellungen
    – ich trage sie hier als meine ganz persönliche Meinung
    vor – von einer Kombination von Festigkeit in den Zie-
    len, verbunden mit einer Konzentration der Kriegfüh-
    rung im Kosovo, die alles tut, um die Flüchtlinge dort zu
    retten, und einer Deeskalation der Kriegführung gegen-
    über dem übrigen Serbien, die sich als oberstes Ziel set-
    zen würde, die Loyalität zum Diktator aufzubrechen,
    haben wenig Chancen.

    Vor dem Hintergrund dieser Bemerkungen zur Krieg-
    führung der NATO nun noch einige Bemerkungen zu
    den inhaltlichen Fragen, die in Washington zur Verab-
    schiedung anstehen:

    Erstens. Klar dürfte doch wohl sein, daß die Vorstel-
    lungen, die um den Begriff einer neuen NATO als der
    Organisation des Krisenmanagements schlechthin krei-
    sen, hinfällig geworden sind. Die NATO sollte bleiben,
    was sie in ihrer Kernfunktion ist: ein atlantisch-
    europäisches Sicherheits- und Stabilitätsbündnis.
    Wer in diesen Wochen Gelegenheit zu Gesprächen mit
    Politikern außerhalb dieses Raums hatte, der weiß, daß
    das Mißtrauen gegenüber der NATO als einem Herr-
    schaftsinstrument der hochindustrialisierten Länder des
    Westens gewachsen ist – trotz aller Verständigungs-
    möglichkeiten in bezug auf den Kosovo-Konflikt.

    Zweitens. Der Verzicht auf die UN-Mandatierung
    bei der NATO-Intervention muß eine absolute Ausnah-
    me bleiben. Er bedarf der Heilung, und zwar von beiden
    Seiten: auch von seiten des UN-Sicherheitsrats, in dem
    die Ausübung eines Vetos stärker an die Prinzipien der
    internationalen Gemeinschaft zu binden und von den
    nationalen Interessen eines einzelnen Sicherheitsrats-
    mitglieds zu lösen ist. Die Bundesregierung ist mit der
    verstärkten Einbeziehung Rußlands und des UN-
    Generalsekretärs in diese Richtung vorangegangen. Wir
    unterstützen sie darin und ermutigen sie, in diesem Sin-
    ne fortzufahren.

    Drittens. Die sich wandelnde NATO – ich sage das
    im Gegensatz zu dem vorhin über die sogenannte neue
    NATO Gesagten –, die NATO der Kooperation in ihren
    vielfältigen Formen von NATO-Rußland-Rat, NATO-
    Ukraine-Charta und Partnership for Peace, ist in jeder
    Weise auf diesem Wege zu bestärken. Das bedeutet: Die
    Öffnung der NATO muß in steter Wechselwirkung mit
    der Vertiefung der Einbindung Rußlands stehen. Die
    Risiken der gegenwärtigen Situation haben eben auch
    damit zu tun, daß die NATO, die im Kosovo zugunsten
    der Menschenrechte interveniert, in den Augen der rus-
    sischen Elite eben die NATO der Osterweiterung ist.
    Diese Wunden sind noch lange nicht verheilt. Um so
    höher ist es der Bundesregierung als Verdienst anzu-
    rechnen, daß sie sich in Kontinuität zur Politik des frü-
    heren Bundeskanzlers um die vertiefte Einbindung
    Rußlands bemüht.

    Viertens. Die NATO muß wieder verstärkt die NATO
    der Abrüstung, auch der nuklearen Abrüstung und des

    KSE-Prozesses werden. Auch wenn die Diskussion zu
    „first use“ auf dem Washingtoner Gipfel wohl keine
    Rolle spielen wird, so erwarten wir uns doch den Ar-
    beitsauftrag für ihre anschließende Fortsetzung.

    Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, bei
    all dem soll nicht vergessen werden, daß dies der erste
    Gipfel der 19 mit voller Partizipation unserer direkten
    östlichen Nachbarn ist. Auch und gerade zu der Kosovo-
    Problematik haben sie viel zu sagen. Dies soll und muß
    ein Signal auch für die Völker des ehemaligen Jugosla-
    wien sein – nicht im Sinne einer Zukunft in der NATO,
    wohl aber im Sinne einer Zukunft in Europa, die auch
    einem demokratischen Kosovo in einem demokratischen
    Serbien offensteht.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)