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ID1403500900

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    7. PDS-Fraktion.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 14/35 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 35. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 22. April 1999 I n h a l t : Glückwünsche zum Geburtstag des Abgeord- neten Dr. Theodor Waigel.............................. 2761 A Eintritt des Abgeordneten Wolfgang Steiger in den Deutschen Bundestag............................ 2761 A Erweiterung der Tagesordnung.......... 2761 B, 2817 A Absetzung des Punktes 8 von der Tagesord- nung ................................................................. 2762 A Tagesordnungspunkt 5: a) Abgabe einer Regierungserklärung des Bundeskanzlers anläßlich des 50. Jah- restages der Gründung der Nordatlan- tikpakt-Organisation................................ 2762 B b) Antrag der Fraktionen SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN NATO-Gipfel in Washington und Wei- terentwicklung des Bündnisses (Druck- sache 14/599) ............................................. 2762 B c) Antrag der Fraktion der CDU/CSU Die Handlungsfähigkeit der Nordatlan- tischen Allianz für das 21. Jahrhundert sichern (Drucksache 14/316)..................... 2762 B d) Antrag der Fraktion PDS Europäische Sicherheitsarchitektur statt Dominanz der Nordatlantischen Allianz (Drucksache 14/454 (neu)) ........................... 2762 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 2: Antrag der Abgeordneten Hildebrecht Braun (Augsburg), Rainer Brüderle, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion F.D.P. 50 Jahre Nordatlantisches Bündnis (Drucksache 14/792) .................................. 2762 C Gerhard Schröder, Bundeskanzler ................... 2762 C Volker Rühe..................................................... 2766 A Rudolf Scharping, Bundesminister BMVg...... 2770 A Dr. Wolfgang Gerhardt F.D.P.......................... 2773 A Joseph Fischer, Bundesminister AA................ 2776 A Wolfgang Gehrcke PDS .................................. 2779 A Markus Meckel SPD.................................... 2781 B Michael Glos CDU/CSU ................................. 2781 D Gernot Erler SPD............................................. 2784 C Dr. Helmut Lippelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ........................................................ 2786 C Markus Meckel SPD........................................ 2787 C Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) CDU/CSU... 2789 B Angelika Beer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . 2791 B Peter Zumkley SPD ......................................... 2792 D Dr. Christoph Zöpel SPD................................. 2794 B Tagesordnungspunkt 6: Antrag der Abgeordneten Dr. Gerhard Friedrich (Erlangen), Friedrich Merz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion CDU/CSU Deutschland muß verläßlicher Partner in europäischer Raumfahrt bleiben (Drucksache 14/655) .................................. 2795 C Ilse Aigner CDU/CSU..................................... 2795 C Edelgard Bulmahn, Bundesministerin BMBF . 2797 C II Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 35. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 22. April 1999 Thomas Rachel CDU/CSU .......................... 2799 C Dr.Martin Mayer (Siegertsbrunn) CDU/CSU.. 2801 A Edelgard Bulmahn, Bundesministerin BMBF . 2801 B Hans-Josef Fell BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2801 D Jürgen W. Möllemann F.D.P. .......................... 2804 B Jörg Tauss SPD............................................ 2805 C Thomas Rachel CDU/CSU .............................. 2806 D Stephan Hilsberg SPD ................................. 2807 A Lothar Fischer (Homburg) SPD....................... 2809 B Jürgen W. Möllemann F.D.P. ..................... 2809 D Norbert Hauser (Bonn) CDU/CSU .................. 2811 B Bodo Seidenthal SPD....................................... 2812 D Thomas Rachel CDU/CSU .............................. 2815 B Tagesordnungspunkt 15: Überweisungen im vereinfachten Verfahren a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Reform des Staatsangehörig- keitsrechts (Drucksache 14/744)............... 2815 C b) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Über- weisungsgesetzes (Drucksache 14/745) .... 2815 C c) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Abkommen vom 8. Dezem- ber 1997 über wirtschaftliche Partner- schaft, politische Koordinierung und Zusammenarbeit zwischen der Euro- päischen Gemeinschaft und ihren Mit- gliedstaaten einerseits und den Ver- einigten Mexikanischen Staaten ande- rerseits (Drucksache 14/684)..................... 2815 D d) Erste Beratung des vom Bundesrat einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Vereinfachung und Beschleunigung des arbeitsgerichtlichen Verfahrens (Arbeits- gerichtsbeschleunigungsgesetz) (Druck- sache 14/626) ............................................. 2815 D e) Erste Beratung des von den Abgeordneten Wolfgang Dehnel, Dr.-Ing. Joachim Schmidt (Halsbrücke), weiteren Abgeord- neten und der Fraktion CDU/CSU einge- brachten Entwurfs eines Zweiten Geset- zes zur Änderung des Verkehrswege- planungsbeschleunigungsgesetzes (Drucksache 14/544) .................................. 2815 D f) Antrag der Fraktion der CDU/CSU Änderung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (Drucksache 14/542) ....................................................... 2816 A in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 3: Weitere Überweisungen im vereinfachten Verfahren a) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 21. Dezember 1995 über den Beitritt der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schwe- den zu dem Übereinkommen über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen (Drucksache 14/748) .................................. 2816 A b) Antrag der Abgeordneten Hildebrecht Braun (Augsburg), Rainer Brüderle, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion F.D.P. Für eine sofortige Verhängung umfas- sender Handelssanktionen gegen Jugo- slawien (Drucksache 14/793) .................... 2816 A c) Antrag der Abgeordneten Gabriele Fogra- scher, Adelheid Tröscher, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion SPD sowie der Abgeordneten Dr. Angelika Köster- Loßack, Kerstin Müller (Köln), Rezzo Schlauch und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN UN-Sondergeneralversammlung – 5 Jah- re nach der Konferenz für Bevölkerung und Entwicklung in Kairo – Aktive Be- völkerungspolitik in der Entwicklungs- zusammenarbeit (Drucksache 14/797)......... 2816 B d) Antrag der Abgeordneten Fred Gebhardt, Heidi Lippmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion PDS Ausschluß des Eintritts Minderjähriger in die Bundeswehr (Drucksache 14/551) . 2816 B e) Antrag der Abgeordneten Fred Gebhardt, Carsten Hübner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion PDS Einsatz von Kindern als Soldaten wirk- sam verhindern (Drucksache 14/552) ...... 2816 C f) Antrag der Abgeordneten Karin Kort- mann, Brigitte Adler, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion SPD sowie der Ab- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 35. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 22. April 1999 III geordneten Dr. Angelika Köster-Loßack, Hans-Christian Ströbele, Rezzo Schlauch und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Gegen den Einsatz von Kindern als Soldaten in bewaffneten Konflikten (Drucksache 14/806) .................................. 2816 C Tagesordnungspunkt 16: Abschließende Beratungen ohne Aussprache a) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Techno- logie zu der Verordnung der Bundesregie- rung Aufhebbare Einhundertachtunddrei- ßigste Verordnung zur Änderung der Einfuhrliste – Anlage zum Außenwirt- schaftsgesetz – (Drucksachen 14/264, 14/305 Nr. 2.2, 14/729) ....................................................... 2816 D b) Beschlußempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses zu der Unterrich- tung durch die Bundesregierung Privatisierung von Bundesbeteiligungen hier: Veräußerung der Geschäftsan- teile an der Heimstätte Rheinland-Pfalz GmbH, Organ der staatlichen Woh- nungspolitik, Mainz (Drucksachen 14/186, 14/305 Nr. 1.1, 14/657) ....................................................... 2817 A Zusatztagesordnungspunkt 12: a) bis e) Beschlußempfehlungen des Peti- tionsausschusses Sammelübersichten 38, 39, 40, 41, 42 (Drucksachen 14/814, 14/815, 14/816, 14/817 und 14/818) .................................... 2817 B Zusatztagesordnungspunkt 4: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Siebten Gesetzes zur Änderung des Bundessozialhilfegesetzes (Drucksa- chen 14/389, 14/474, 14/820)..................... 2817 C Brigitte Lange SPD.......................................... 2817 D Peter Weiß (Emmendingen) CDU/CSU .......... 2819 B Katrin Göring-Eckardt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN......................................................... 2820 D Dr. Heinrich L. Kolb F.D.P. ........................... 2821 D Dr. Klaus Grehn PDS....................................... 2822 C Zusatztagesordnungspunkt 5: Aktuelle Stunde betr. Haltung der Bundesregierung als Bauherr zu Schwarzarbeit und außertariflicher Be- schäftigung auf den Baustellen des Bundes in Berlin und zu den Auswir- kungen auf die Beschäftigungssituation im Baugewerbe Berlins und Branden- burgs sowie die ostdeutsche Bauwirt- schaft insgesamt ....................................... 2823 D Petra Pau PDS.................................................. 2823 D Achim Großmann, Parl. Staatssekretär BMVB ............................................................. 2825 A Dr.-Ing. Dietmar Kansy CDU/CSU................. 2826 C Franziska Eichstädt-Bohlig BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN................................................. 2827 C Dr. Heinrich L. Kolb F.D.P. ........................... 2828 B Renate Rennebach SPD ................................... 2829 B Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) CDU/CSU...... 2830 C Annelie Buntenbach BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ........................................................ 2831 C Dr. Klaus Grehn PDS ...................................... 2832 D Gabriele Iwersen SPD ..................................... 2833 D Karl-Josef Laumann CDU/CSU ...................... 2834 D Wolfgang Weiermann SPD ............................. 2835 D Konrad Gilges SPD ......................................... 2837 A Karl-Josef Laumann CDU/CSU ...................... 2838 B Tagesordnungspunkt 7: Antrag der Fraktionen SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN Entschuldungsinitiative anläßlich des Weltwirtschaftsgipfels der G-7/G-8- Staaten in Köln (Drucksache 14/794) ...... 2839 A in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 6: a) Antrag der Abgeordneten Klaus-Jürgen Hedrich, Dr. Christian Ruck, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion CDU/CSU Entschuldung armer Entwicklungs- länder – Initiativen zum G-8-Gipfel in Köln (Drucksache 14/785)......................... 2839 A b) Antrag der Abgeordneten Carsten Hübner, Fred Gebhardt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion PDS Umfassender Schuldenerlaß für einen Neuanfang (Drucksache 14/800) .............. 2839 A IV Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 35. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 22. April 1999 Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesministe- rin BMZ ........................................................... 2839 B Klaus-Jürgen Hedrich CDU/CSU.................... 2841 C Dr. R. Werner Schuster SPD........................ 2842 D Hans-Christian Ströbele BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN......................................................... 2844 A Joachim Günther (Plauen) F.D.P. .................... 2845 B Adelheid Tröscher SPD ................................... 2847 A Carsten Hübner PDS........................................ 2848 C Frank Hempel SPD .......................................... 2850 B Dr. Ralf Brauksiepe CDU/CSU ....................... 2851 C Dr. Uschi Eid, Parl. Staatssekretärin BMZ ...... 2853 D Klaus-Jürgen Hedrich CDU/CSU.................... 2854 D Dagmar Schmidt (Meschede) SPD .................. 2855 B Zusatztagesordnungspunkt 7: a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, weiteren Abgeordneten und der Fraktion F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neurege- lung des Schutzes parlamentarischer Beratungen (Drucksache 14/183) ............. 2856 D b) Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Evelyn Kenzler, Sabine Jünger und der Fraktion PDS eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Aufhebung der Bannmeilenregelung (Drucksache 14/516) ....................................................... 2857 A Dr. Hermann Otto Solms F.D.P. ...................... 2857 A Dieter Wiefelspütz SPD................................... 2858 A Dr. Edzard Schmidt-Jortzig F.D.P. .................. 2859 C Dieter Wiefelspütz SPD................................... 2859 D Joachim Hörster CDU/CSU............................. 2860 A Hans-Christian Ströbele BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN......................................................... 2861 B Roland Claus PDS ........................................... 2862 B Dieter Wiefelspütz SPD............................... 2862 D Tagesordnungspunkt 9: Antrag der Abgeordneten Hartmut Büttner (Schönebeck), Margarete Späte, weiterer Abgeordneter und der Fraktion CDU/CSU Beteiligung des Bundes an Gedenkstät- ten und Mahnmalen zur Erinnerung an die beiden deutschen Diktaturen und ihre Opfer (Drucksache 14/656) ............... 2863 D in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 8: Antrag der Abgeordneten Gert Weisskir- chen (Wiesloch), Angelika Krüger-Leiß- ner, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion SPD sowie der Abgeordneten Antje Vollmer, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN Konzeption zur Förderung und Festi- gung der demokratischen Erinnerungs- kultur (Drucksache 14/796) ...................... 2864 A Hartmut Koschyk CDU/CSU .......................... 2864 B Angelika Krüger-Leißner SPD ........................ 2865 D Hans-Joachim Otto (Frankfurt) F.D.P. ........... 2867 D Antje Vollmer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . 2869 A Dr. Heinrich Fink PDS .................................... 2870 D Gert Weisskirchen (Wiesloch) SPD ................ 2871 D Margarete Späte CDU/CSU............................. 2873 C Zusatztagesordnungspunkt 9: a) Antrag der Fraktionen SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN Keine weitere Unterstützung der Atom- kraftwerke Khmelnytsky 2 und Rivne 4 in der Ukraine (Drucksache 14/795) ........ 2875 C b) Antrag der Abgeordneten Angela Mar- quardt, Eva-Maria Bulling-Schröter, Dr. Gregor Gysi und der Fraktion PDS Investitionen der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung in Khmelnystky 2 und Rivne 4 (Drucksa- che 14/708) ................................................ 2875 C c) Antrag der Abgeordneten Kurt-Dieter Grill, Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach), weiterer Abgeordneter und der Fraktion CDU/CSU Festhalten an den Zusagen zum Bau von sichereren Ersatzreaktoren in der Ukraine (Drucksache 14/819) ................... 2875 C Monika Griefahn SPD ..................................... 2875 D Kurt-Dieter Grill CDU/CSU............................ 2876 D Michaele Hustedt BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN................................................................. 2878 A Ulrike Flach F.D.P........................................... 2879 B Eva-Maria Bulling-Schröter PDS .................... 2880 B Horst Kubatschka SPD .................................... 2881 A Tagesordnungspunkt 10: Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Evelyn Kenzler, Roland Claus, weite- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 35. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 22. April 1999 V ren Abgeordneten und der Fraktion PDS eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bürgerlichen Ge- setzbuchs (Verjährung Schadensersatz- forderungen für Zwangsarbeit) (Druck- sache 14/554) ............................................. 2882 B Dr. Evelyn Kenzler PDS.................................. 2882 B Joachim Stünker SPD ...................................... 2883 B Dr. Wolfgang Götzer CDU/CSU ..................... 2885 C Winfried Nachtwei BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN................................................................. 2886 B Rainer Funke F.D.P. ........................................ 2887 C Nächste Sitzung ............................................... 2887 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten ........... 2889 A Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 35. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 22. April 1999 2761 (A) (C) (B) (D) 35. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 22. April 1999 Beginn: 9.00 Uhr
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    Winfried Nachtwei Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 35. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 22. April 1999 2889 (A) (C) (B) (D) Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich Binding (Heidelberg), Lothar SPD 22.4.99 Bühler (Bruchsal), Klaus CDU/CSU 22.4.99* Fink, Ulf CDU/CSU 22.4.99 Friedhoff, Paul K. F.D.P. 22.4.99 Dr. Gysi, Gregor PDS 22.4.99 Hasenfratz, Klaus SPD 22.4.99 Ibrügger, Lothar SPD 22.4.99 Dr. Kohl, Helmut CDU/CSU 22.4.99 Kolbow,Walter SPD 22.4.99 Moosbauer, Christoph SPD 22.4.99 Müller (Berlin), Manfred PDS 22.4.99 Müntefering, Franz SPD 22.4.99 Nolte, Claudia CDU/CSU 22.4.99 Dr. Paziorek, Peter CDU/CDU 22.4.99 Polenz, Ruprecht CDU/CSU 22.4.99 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Raidel, Hans CDU/CSU 22.4.99 Ronsöhr, Heinrich-Wilhelm CDU/CSU 22.4.99 Dr. Schäfer, Hansjörg SPD 22.4.99 Schmidbauer (Nürnberg), Horst SPD 22.4.99 Schuhmann (Delitzsch), Richard SPD 22.4.99 Dr. Süssmuth, Rita CDU/CSU 22.4.99 Thiele, Carl-Ludwig F.D.P. 22.4.99 Trittin, Jürgen BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 22.4.99 Weisskirchen (Wiesloch), Gert SPD 22.4.99 Willner, Gert CDU/CSU 22.4.99 Wimmer (Neuss), Willy CDU/CSU 22.4.99 Wissmann, Matthias CDU/CSU 22.4.99 Wolf, Aribert CDU/CSU 22.4.99 –––––––– *) für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates 2890 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 35. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 22. April 1999 (A) (C) (B) (D)
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Joseph Fischer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Folgt man
    der heutigen Debatte, so muß man feststellen, daß Par-
    lamentsdebatten für die Geschichtsschreibung nur be-
    dingt tauglich sind. Dies erklärt sich aus der Tatsache,
    daß Parlamentsdebatten im wesentlichen interessenge-
    leitet sind.


    (Michael Glos [CDU/CSU]: Wollen Sie Ihre Aussagen tilgen, die Sie hier gemacht haben?)


    – Ich komme auf die verschiedenen Aussagen zurück,
    Herr Kollege Glos. Sie sollten es aber eher als eine
    positive Entwicklung begreifen, daß ehemalige NATO-
    Gegner oder NATO-Kritiker heute NATO-General-
    sekretär bzw. Bundesaußenminister sind. Dazu haben
    Sie durch den Gang in die Opposition ja Erhebliches
    beigetragen.


    (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


    Ich komme jetzt gar nicht aus parteipolitischen Grün-
    den auf die Geschichte zurück, sondern möchte auf ein
    Element des Widerspruchs in der europäischen Si-
    cherheitspolitik hinweisen, das seit der Gründung der
    NATO die ganze Nachkriegszeit hindurch bis in die Ge-
    genwart hinein – konstitutiv ist. Das ist ein Wider-
    spruchselement, das man gerade am heutigen Tag nicht
    ignorieren sollte, wenn man über die zukünftige Politik
    der NATO und über die zukünftige Sicherheits- und
    Außenpolitik in Europa spricht. Der erste Generalsekre-
    tär der NATO, Lord Ismay, hat das Gründungspro-
    gramm der NATO in einem sehr einprägsamen Satz zu-
    sammengefaßt. Lord Ismay sagte damals, Zweck der
    NATO sei es, „to keep the Americans in, the Russians
    out and the Germans down“. Das heißt, der Zweck sei
    es, nach dem zweiten Weltkrieg die Amerikaner in
    Europa zu halten, die Russen draußen zu halten und die
    Deutschen unten zu halten. Dieses Programm galt bis
    zum Ende des kalten Krieges.

    Was Sie heute vergessen haben zu erwähnen, ist die
    Tatsache, daß Deutschland zu Beginn gar nicht in der
    NATO war. Das hatte nicht nur damit zu tun, daß die
    NATO den ehemaligen Kriegsgegner und Feind
    Deutschland noch nicht wollte, sondern vor allen Din-
    gen damit, daß es ursprünglich einen Widerspruch zwi-
    schen der anglo-britischen Gründung der NATO und
    dem deutsch-französischen Versuch der Gründung der
    Europäischen Verteidigungsgemeinschaft gab. Dieser
    Widerspruch zwischen der Bindung Deutschlands – von
    seinem Sicherheitsinteresse her – an die transatlantische
    Achse und der gleichzeitigen Bindung Deutschlands
    – vom seinem europäischen Interesse her – an die
    deutsch-französische Achse ist bis heute ein konstituti-
    ves Element geblieben und macht die sicherheitspoliti-
    sche Orientierung der Bundesrepublik über alle Regie-
    rungen hinaus aus. Diesen Widerspruch in eine gemein-
    same europäische Sicherheits- und Außenpolitik und in
    eine Stärkung der europäischen Säule innerhalb der

    NATO aufzulösen wird demnach die entscheidende
    Herausforderung der kommenden Jahre sein.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Herr Rühe, ich verstehe ja, daß Sie bundesrepublika-
    nische Geschichte als Parteigeschichte darstellen.


    (Zurufe von der CDU/CSU: Billig! – Starkes Stück! – Unerhört!)


    – Die Union hat viele Gründe, das zu verknüpfen; das ist
    jetzt wirklich nicht polemisch gemeint. – Sie hätten aber
    einige Punkte hinzufügen müssen: Alle hier sitzenden
    Parteien haben, wenn man die bundesrepublikanische
    Geschichte insgesamt anschaut, ihre innerparteiliche
    Entwicklung gegen die Entwicklung dieser Geschichte
    gesetzt. Sie haben die ganzen zehn Jahre der Ostpolitik
    nicht erwähnt und auch nicht die Tatsache, daß diese
    Politik entscheidend zur Herausbildung des europäi-
    schen Sicherheitssystems beigetragen hat.


    (Widerspruch bei der CDU/CSU – Dr. Guido Westerwelle [F.D.P.]: Da haben wir kein Problem mit!)


    Diese Ostpolitik war konstitutiv. Daß Sie die Änderung
    der Politik der Union, nachdem sie 1982 wieder an die
    Regierung gekommen ist und diesen ganzen Kurs hint-
    angestellt hat, und daß Sie die Debatten um den Atom-
    waffensperrvertrag – „intergalaktisches Versailles“ hieß
    es damals – nicht erwähnen, verstehe ich. Wenn man
    aber die Geschichte bemüht, dann sollte man sie der
    Wahrhaftigkeit halber als Ganzes erwähnen und dann
    muß man dies alles hinzufügen. Denn das sind konstitu-
    tive Elemente: Ohne die Ostpolitik und ohne die Ent-
    spannungspolitik hätte es den ganzen Prozeß hin zu
    Gorbatschow und letztlich auch den Prozeß hin zur
    deutschen Einheit nicht gegeben. Das wissen Sie ganz
    genau.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


    Das ist aber nur eine Anmerkung, denn ich stimme
    allen Rednern zu: Die europäische Sicherheit wird in der
    Tat ganz entscheidend durch die Anwesenheit der USA
    geprägt. Der Dreiteiler von Lord Ismay – die Amerika-
    ner drin, die Russen draußen und die Deutschen unten
    zu halten – gilt heute nicht mehr. Wenn wir über das
    transatlantische Sicherheitsbündnis sprechen, müssen
    wir über die konstitutiven Bedingungen der Zukunft re-
    den. Dabei gibt es ein gemeinsames Interesse: Ich be-
    haupte, in einem sich vereinigenden Europa – und wenn
    man vorausschaut, selbst dann, wenn Europa eines Ta-
    ges als politisches Subjekt tatsächlich vereinigt ist –
    wird es sicherheitspolitisch gesehen notwendig sein, daß
    die USA dauerhaft in Europa präsent bleiben.

    Wir befinden uns nicht in einer insularen Lage. So
    richtig und wichtig es ist, zu erkennen, daß europäische
    Sicherheit von Rußland abhängt, so ist es noch um ein
    Vielfaches wichtiger zu erkennen, daß wir den transat-
    lantischen Brückenbogen auf Dauer sicherstellen müs-






    (A) (C)



    (B) (D)


    sen, weil europäische Sicherheit ohne die USA schlech-
    terdings nicht herstellbar ist.


    (Christian Schmidt [Fürth] [CDU/CSU]: Das ist wohl die Rede für den 13. Mai?)


    – Das ist nicht die Rede für den 13. Mai, sondern das ist
    meine Überzeugung. Das zeigt einmal wieder, mein
    Lieber, wie doch der außenpolitische Nachwuchs Ihrer
    Fraktion noch bemüht ist, die parteipolitischen Eier-
    schalen abzustreifen; das muß ich Ihnen ehrlich sagen.


    (Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Dr. Guido Westerwelle [F.D.P.]: Welch eine Arroganz!)


    – Das hat doch nichts mit Arroganz zu tun. Der Zwi-
    schenruf paßt an der Stelle einfach nicht; geben Sie es
    doch zu.

    Wir diskutieren hier über die zukünftige europäische
    Sicherheitsarchitektur. Ich bin der festen Überzeugung,
    daß wir eine Sicherheitsarchitektur entlang von drei Bö-
    gen brauchen. Wir brauchen das sich vereinigende Euro-
    pa, das als politisches Subjekt hergestellt wird. Ich unter-
    stütze in diesem Zusammenhang nachdrücklich alle, die
    gesagt haben, daß die europäische Säule gestärkt werden
    muß. Gerade der Kosovo-Konflikt macht doch klar – ich
    möchte das aufnehmen, was verschiedene Vorredner ge-
    sagt haben –, daß es vor allen Dingen auch um das politi-
    sche Gewicht der Europäer im Bündnis geht, das heißt
    darum, inwieweit wir unsere eigenen politischen Interes-
    sen im Bündnis zum Tragen bringen können.

    Es müssen doch aber auch alle diejenigen, die eine
    neue Vorstellung von der NATO hatten – die die NATO
    sozusagen als neue Plattform unter Hintanstellung ande-
    rer Plattformen, wie etwa der der Vereinten Nationen –,
    begreifen, daß eine politische Lösung im Kosovo – ich
    hoffe sehr, daß es eine solche Lösung gibt – ohne Ruß-
    land nicht herstellbar ist, daß wir diesen zweiten Sicher-
    heitsbogen, nämlich die Einbindung Rußlands in die
    europäische Sicherheit im Bündnis über die Kooperation
    zwischen NATO und Rußland, aber auch über die Ko-
    operation zwischen EU und Rußland brauchen, daß eine
    politische Lösung, wenn es zu massiven Konflikten oder
    sogar zum Krieg gekommen ist, nur mit Rußland mög-
    lich ist. Das ist eine klare Absage an diejenigen, die in
    den vergangenen Jahren der Überzeugung gewesen sind,
    man könne dies allein auf NATO-Plattform machen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Bei dem Krieg im Kosovo – ich möchte dies noch-
    mals hervorheben –, geht es nicht nur um Moral und
    nicht nur um die schwerste Mißachtung der Menschen-
    rechte, sondern im Kosovo geht es vor allem um die
    Frage, in welchem Europa der Zukunft wir leben wollen.
    Dort geht es um europäische Sicherheit.

    Die vergangenen Wochen haben intensive Konsulta-
    tionen auch und gerade mit den Nachbarstaaten mit sich
    gebracht. In vielen Kommentaren wird gegenwärtig das
    19. und frühe 20. Jahrhundert beschworen, wird auf die
    hegemonialen Eingriffe der europäischen Großmächte in
    das auseinanderbrechende Osmanische Reich Bezug ge-
    nommen. Das alles ist heute nicht mehr die politische

    Realität. Wo gibt es einen hegemonialen Anspruch wel-
    cher Macht im Kosovo? Gibt es einen europäischen he-
    gemonialen Anspruch oder einen transatlantischen oder
    amerikanischen hegemonialen Anspruch? Nichts der-
    gleichen ist der Fall.

    Wenn ich mir anschaue, was die Nachbarländer dort
    wollen, so muß ich sagen: Sie wollen zur EU, und sie
    wollen Sicherheit in der NATO. Albanien, Mazedonien,
    Kroatien, Slowenien, Ungarn, Rumänien und Bulgarien,
    alle diese Länder wollen in das Europa der Integra-
    tion. Das ist der entscheidende Punkt. Milosevic steht
    hier gegen das Europa der Integration. Er vertritt eine
    Politik des extremen Nationalismus, eine Politik der
    Gewalt und der Vergangenheit. Wenn man ihn machen
    läßt, dann wird das Europa der Integration in dieser Re-
    gion dauerhaft gefährdet. Das ist neben den Menschen-
    rechtsprinzipien, neben unseren Grundwerten der ent-
    scheidende Punkt dafür, warum Milosevic so nicht wei-
    termachen kann und darf.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)


    Ich füge an dieser Stelle hinzu: Es wird von entschei-
    dender Bedeutung sein, daß wir eine politische Lösung
    finden. Herr Kollege Gerhardt – ich möchte Sie direkt
    ansprechen –, da machen Sie sich nur keine Sorgen. Es
    geht hier nicht darum, daß irgend etwas in die Zeitungen
    gebracht wird. In den Zeitungen wird heute alles disku-
    tiert. Vielmehr sage ich Ihnen: Wir haben dieses Kon-
    zept gerade auf der außerordentlichen NATO-Rats-
    tagung mit allen unseren wichtigen Bündnispartnern
    ausführlich diskutiert. Seitdem spielt dies in den ständi-
    gen Telefonkonferenzen, in direkten Treffen und auch
    bei der Vorbereitung der entsprechenden Schlußdoku-
    mente eine entscheidende Rolle.

    Ich möchte Ihnen noch einmal sagen: Alle Vorschlä-
    ge, die ich bisher gehört habe, beziehen sich letztendlich
    auf dieses Konzept, und zwar nicht, weil wir besonders
    klug sind, sondern weil wir die fünf Punkte zur Grund-
    lage gemacht haben. Wenn Sie diese fünf Punkte opera-
    tionalisieren, dann stoßen Sie zuerst auf die Frage der
    Einbeziehung Rußlands. Was heißt Einbeziehung Ruß-
    lands, wenn man es nicht therapeutisch, sondern real
    meint? Einbeziehung Rußlands heißt, daß Rußland seine
    Selbstblockade im VN-Sicherheitsrat aufgibt und daß
    wir als erstes eine Resolution nach Kapitel VII im VN-
    Sicherheitsrat bekommen. Das ist der erste Schritt.

    Wenn wir diese Resolution haben – der Bundeskanz-
    ler hat vorhin drei der fünf Kernpunkte genannt –, dann
    ist die erste Voraussetzung der völlige Abzug der be-
    waffneten Streitkräfte, der Paramilitärs und der Sonder-
    polizei aus dem Kosovo. Wenn dieser Abzug beginnt,
    dann halten wir es in der Tat für angemessen und übri-
    gens auch für praktisch notwendig, daß eine Waffenruhe
    beginnen kann – allerdings nie mehr durch das Vertrau-
    en auf Worte, sondern nur noch durch Taten verifiziert –
    und daß es, wenn innerhalb der festgesetzten Frist der
    Abzug abgeschlossen ist, nicht nur zur Implementierung
    einer internationalen Friedenstruppe kommt, sondern zu
    einem dauerhaften Schweigen der Waffen, damit die
    Voraussetzung für eine Übergangsverwaltung geschaf-

    Bundesminister Joseph Fischer






    (B)



    (A) (C)



    (D)


    fen wird und die Flüchtlinge zurückkehren können.
    Wenn es zu einer politischen Lösung kommt, dann wird
    man diese Forderungen letztendlich in jedem Konzept
    wiederfinden müssen, weil es die Konsequenz der Um-
    setzung der fünf Punkte ist. Genau das ist der deutsche
    Vorschlag.


    (Dr. Wolfgang Gerhardt [F.D.P.]: Wie ist der jetzige Stand der Verhandlungen?)


    – Der jetzige Stand ist, daß wir gegenwärtig auf genau
    dieser Grundlage über das Gipfeldokument diskutieren,
    daß wir versuchen, auf dieser Grundlage mit dem VN-
    Generalsekretär, der sich Gott sei Dank in eine ähnliche
    Richtung bewegt und die Initiative übernommen hat, zu
    diskutieren, daß wir darüber noch vorgestern abend mit
    unseren Bündnispartnern in Paris gesprochen haben und
    daß wir dies auch mit der amerikanischen Seite tun.

    Was Sie gesagt haben, hört sich in der Tat schön an.
    Wir bedanken uns dafür, daß wir eine solche Opposition
    haben. Da stimme ich Ihnen zu. Aber eines möchte ich
    Ihnen gleich ins Protokoll diktieren: Die innenpolitische
    Debatte in den angelsächsischen Ländern läuft anders.
    Es ist nicht so, daß da nur die Administration einen an-
    deren Kurs fährt; vielmehr diskutiert auch der Kongreß
    anders. Das muß ich Ihnen nicht erzählen, das wissen
    Sie sehr genau. Dasselbe gilt selbstverständlich für die
    innenpolitische Debatte in Großbritannien. Das heißt,
    daß sich vieles, was es an Vorschlägen gibt, in der ganz
    anderen innenpolitischen Prioritätensetzung sehr wichti-
    ger Bündnispartner stößt. Das muß man bei alldem be-
    denken.


    (Dr. Wolfgang Gerhardt [F.D.P.]: Aber das ist ein normaler Vorgang!)


    – Das ist ein normaler Vorgang. Nur, bei allem Re-
    spekt, Sie müssen bedenken: Die Gewichtsverhältnisse
    spielen schon eine Rolle. Wir waren in der Regel mit
    vier bis sechs Flugzeugen bei insgesamt mehr als 400
    Flugzeugen beteiligt. Ich sage das, um klarzumachen,
    was die Gewichtsverhältnisse bei der politischen Ent-
    scheidungsfindung betrifft.

    Ich kann Ihnen an diesem Punkt nur versichern, daß
    wir mit allem Nachdruck an einer politischen Lösung
    arbeiten. Wir dürfen uns einer militärischen Eskala-
    tionslogik in diesem Punkt nicht beugen. Wir führen
    keinen Krieg gegen Serbien und gegen das serbische
    Volk.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Was wir wollen, ist die Durchsetzung von Menschen-
    rechten, von Humanität gegen eine Politik der ethni-
    schen Kriegführung. Das müssen und werden wir durch-
    setzen, weil ein Beugen, ein Wegducken vor dieser
    Politik Milosevics keinen Frieden, sondern noch mehr
    Krieg, noch mehr Vertreibung und noch mehr Zerstö-
    rung bedeuten würde. Das haben die vergangenen zehn
    Jahre gezeigt.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)


    Lassen Sie mich zum Schluß noch ganz kurz den Be-
    zug zwischen neuer NATO und anderen Sicherheitsor-
    ganisationen ansprechen. Wer sich die Konsequenz der
    jetzigen Entwicklung anschaut, wer sieht, wie wichtig es
    ist, daß der VN-Generalsekretär wieder eine aktive Rolle
    spielt, wer sieht, wie wichtig es ist, daß Rußland in den
    Versuch, eine Friedenslösung für den Kosovo zu finden,
    eingebunden wird, der erkennt, daß manches an der De-
    batte über die neue NATO in den letzten Jahren verkürzt
    geführt wurde.

    Die NATO ist keine Alternative zu den Vereinten
    Nationen. Sie ist eine regionale Sicherheitsorganisation.
    Sie zu überfordern würde bedeuten, sie zu gefährden.
    Ich glaube, das macht jetzt auch der Kosovo klar.

    Die Reformdebatte der NATO über das neue Konzept
    wird unmittelbar zu einer Debatte über zwei weitere Or-
    ganisationen führen müssen: über die Rolle der OSZE –
    wir haben im Kosovo gesehen, daß sie nicht mehr nur
    eine Alternative darstellt, sondern eine wichtige Kom-
    plementärfunktion zum Sicherheitsbündnis NATO unter
    den neuen Bedingungen nach dem Ende des kalten
    Krieges wahrnimmt, und daß ihr Instrumentarium drin-
    gend fortentwickelt werden muß – und über eine interes-
    sengeleitete Reform der Vereinten Nationen, die vor
    dem Tabu der Wahrnehmung des Gewaltmonopols
    durch den Sicherheitsrat nicht haltmachen darf. Es geht
    nicht darum, das Gewaltmonopol in Frage zu stellen,
    aber der Gewaltmonopolinhaber – ich bin nachdrücklich
    für das Gewaltmonopol des Sicherheitsrates in den in-
    ternationalen Beziehungen des 21. Jahrhunderts – muß
    sich auch bestimmten Verpflichtungen unterwerfen, da-
    mit dieses Gewaltmonopol nicht auf nationalen, sondern
    auf internationalen Interessen gründet; dieses muß auch
    in den verschiedenen Chartas der Vereinten Nationen
    umgesetzt werden.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Ich möchte es Ihnen an einem Beispiel verdeut-
    lichen: Wir vertreten die Ein-China-Politik, und dies –
    wie ich denke, das ganze Haus – aus Überzeugung. Daß
    sich Peking darüber aufregt, wenn Mazedonien Taiwan
    anerkennt, kann ich aus Sicht der nationalen Position
    Pekings nachvollziehen. Ob es aber im Interesse des Si-
    cherheitsrates, des Gewaltmonopolinhabers in der inter-
    nationalen Politik, liegt, daß eine sinnvolle VN-Frie-
    densmission in Mazedonien nicht verlängert wird, weil
    aus einer aus meiner Sicht berechtigten nationalen Ver-
    ärgerung heraus ein Veto eingelegt wird, daran habe ich
    große Zweifel. Ich glaube nicht, daß so der Gewalt-
    monopolinhaber Sicherheitsrat unter den Bedingungen
    des 21. Jahrhunderts wirklich funktionieren kann.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Die gegenwärtige Diskussion über die Frage, was
    völkerrechtlich zulässig ist oder nicht, ist aus meiner
    nicht-juristischen, aber politischen Sicht eine Formalde-
    batte. Warum? Weil der Sicherheitsrat im Fall des Ko-
    sovo schlicht und einfach hätte handeln müssen. Ich wä-
    re froh gewesen, wenn wir eine Resolution nach Kapi-
    tel VII bekommen hätten. Ich hoffe, daß jetzt unter Ein-

    Bundesminister Joseph Fischer






    (A) (C)



    (B) (D)


    beziehung Rußlands eine entsprechende Resolution zu-
    stande kommt; denn alle vorherigen Resolutionen führen
    auf diesen Punkt hin. Insofern ist für mich die Frage
    nach einer neuen Strategie der NATO nicht die Frage,
    ob eine Alternative zu den Vereinten Nationen und ihren
    möglichen Reformen geschaffen wird, sondern letztere
    sind eine der Voraussetzungen für eine regionale Si-
    cherheitsorganisation für und in Europa. Eine Überdeh-
    nung der NATO würde sie meines Erachtens gefährden.
    Deswegen müssen wir diese Reformdebatte auch in
    Richtung OSZE und VN führen und zu entsprechenden
    Beschlüssen kommen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)




Rede von Dr. h.c. Wolfgang Thierse
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat nun
Kollege Wolfgang Gehrcke, PDS-Fraktion.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: ()
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Herr Präsident! Meine
    Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
    Aus meiner Sicht wäre es sinnvoll und anständig gewe-
    sen, wenn die NATO ihr Gipfeltreffen, ihre Feierlich-
    keiten und die Verabschiedung einer neuen NATO-
    Strategie verschoben hätte.


    (Beifall bei Abgeordneten der PDS)

    Ich befürchte, daß dieser NATO-Gipfel unter dem Zei-
    chen des Krieges steht und sich in Diskussionen über
    den Krieg erschöpfen wird.

    Wir reden über eine NATO, die Krieg führt, Krieg in
    Europa, Krieg ohne Mandat der UNO, Krieg unter
    Bruch ihrer eigenen Charta, Krieg ohne ein politisches
    Konzept. Wir hören dieser Tage von der US-Außen-
    ministerin, daß sich jetzt – ebenso wie sich in der Ver-
    gangenheit das Militärische der Diplomatie unterordnen
    mußte – die Diplomatie dem Militärischen unterordnen
    muß. Wir reden von einer NATO und der Rolle unseres
    Landes in diesem Bündnis, über die der Altbundes-
    kanzler Helmut Schmidt sagte – ich zitiere ihn –, „ge-
    gängelt von der USA, haben wir das internationale
    Recht und die Charta der Vereinten Nationen mißach-
    tet“. Daß ausgerechnet ich einmal Helmut Schmidt ge-
    gen Gerhard Schröder ins Felde führen würde, wäre mir
    selbst in meinen schlimmsten Träumen nicht in den Sinn
    gekommen.


    (Beifall bei der PDS)

    Die alte NATO gibt es nicht mehr. Eine neue NATO

    hat sich der Welt vorgestellt. Sie will sich auf ihrem
    Gipfeltreffen Ende des Monats eine neue Strategie ge-
    ben. Das Vorhaben soll nicht gefährdet werden. Ich darf
    Ihnen dazu aus der „New York Times“ zitieren: „Ein
    vermasselter Einsatz könnte das Bestreben ernsthaft ge-
    fährden, für die NATO eine neue Rolle bei Friedenser-
    haltung und Krisenmanagement zu formulieren.“

    Man kann auch nachlesen, was der US-Senator
    McClaim geschrieben hat: „Wir müssen diesen Konflikt
    gewinnen, egal was es kostet.“ Der Sicherheitsberater
    des US-Präsidenten, Samuel Berger, nannte in der „In-
    ternational Herald Tribune“ vom 24. März als einen der

    Hauptgründe für die Bombenangriffe „die Demonstra-
    tion, daß die NATO es ernst meint“.

    In der Tat – das will ich bedauernd feststellen – hat
    sich die Politik dem Militärischen untergeordnet. Die
    militärische Logik folgt eigenen Gesetzen. Ob es der
    Bundestag will oder nicht: Wir werden hier vor der Fra-
    ge stehen, ob wir dem Einsatz von Bodentruppen zu-
    stimmen sollen. Alle Überlegungen der Regierung gehen
    in Richtung Eskalation. Als nächstes soll eine Seeblok-
    kade Jugoslawiens folgen. Die Debatte über die militäri-
    sche Eröffnung von Korridoren für die Rückkehr von
    Flüchtlingen heißt doch im Klartext Einsatz von Boden-
    truppen. Wie werden Sie diese Frage dann beantworten?
    Jedes neue Dementi von den Regierungsbänken wird
    immer zweideutiger. Zugleich nehmen die Forderungen
    aus Washington an Eindeutigkeit zu. Wie war es in die-
    ser Woche im „Spiegel“ zu lesen? „Die Amis wollen
    den Krieg.“

    Nein, auf dem NATO-Gipfel gibt es wenig zu feiern.
    Es gibt aber allen Anlaß, darüber nachzudenken, wie
    dieser Irrsinn beendet werden kann.


    (Beifall bei der PDS)

    Ich sage Ihnen voraus – wir werden darüber reden kön-
    nen –, daß der jetzt eingeschlagene Weg, die jetzt einge-
    schlagene Politik der NATO etwas fertigbringt, was die
    Linken 50 Jahre nicht geschafft haben. Diese Politik ist
    der Anfang vom Ende der NATO. Aber bedanken werde
    ich mich dafür nicht; der Preis ist mir entschieden zu
    hoch.


    (Beifall bei der PDS)

    Daß die NATO ihre Strategie nach dem Ende des

    kalten Krieges, nach der Aufhebung der Spaltung der
    Welt in zwei Pole, nach der Auflösung des Warschauer
    Paktes neu durchdenken muß, versteht sich von selbst.
    Erinnern wir uns noch an die Diskussion über ein ge-
    meinsames Haus Europa? Denken wir überhaupt noch
    ernsthaft darüber nach, daß Sicherheit nur gemeinsame
    Sicherheit sein kann? Erscheint uns heute nicht der Kern
    des neuen Denkens – das sich eng mit dem Namen Gor-
    batschow verbindet –, die Interessen der Kontrahenten,
    ja des möglichen Gegners in die eigenen Überlegungen
    aufzunehmen und Demütigungen zu vermeiden, un-
    wirklich?

    Lassen Sie mich aus einem Papier zitieren, das sich
    wie eine Botschaft aus einer anderen Welt liest:

    Die neue Bundesregierung hält an dem Ziel der
    vollständigen Abschaffung aller Massenvernich-
    tungswaffen fest und wird sich in Zusammenarbeit
    mit den Partnern und Verbündeten Deutschlands an
    Initiativen zur Umsetzung dieses Ziels beteiligen.

    Und weiter:
    Zur Umsetzung der Verpflichtungen zur atomaren
    Abrüstung aus dem Atomwaffensperrvertrag wird
    sich die neue Bundesregierung für die Absenkung
    des Alarmstatus der Atomwaffen sowie für den
    Verzicht auf den Ersteinsatz von Atomwaffen ein-
    setzen.

    Bundesminister Joseph Fischer






    (B)



    (A) (C)



    (D)


    Das, Kolleginnen und Kollegen von Rotgrün, ist Ihr Ko-
    alitionsvertrag. Schon vergessen? Oder glauben Sie noch
    daran? Mich zumindest hat es sehr berührt, daß Michael
    Gorbatschow im Zusammenhang mit der Osterweiterung
    der NATO schrieb, er fühle sich „vom Westen verraten“
    und die NATO-Erweiterung sei „eine Absage an ein
    neues europäisches Sicherheitssystem“.

    Wie viele werden sich noch verraten fühlen, wenn auf
    dem NATO-Gipfel aus der heutigen NATO, die sich als
    Bündnis zur kollektiven Verteidigung ihrer Mitglied-
    staaten versteht, eine Militärmacht wird, die künftig
    Militäreinsätze außerhalb des Bündnisgebietes planen
    und durchführen soll, wenn die NATO künftig weiterhin
    Militäreinsätze auch dann vornimmt, wenn dafür kein
    konkretes UN-Mandant vorliegt, sie sich also selbst
    mandatiert – die Fraktion der CDU/CSU unterstützt dies
    ja in ihrem Entschließungsantrag ausdrücklich –, und
    wenn schließlich die NATO ausdrücklich an ihrer ato-
    maren Strategie einschließlich der Option des nuklearen
    Ersteinsatzes – auch dies fordert die CDU/CSU – fest-
    hält? Vom Bundesaußenminister war bereits zu lesen,
    daß sein diesbezüglicher Vorstoß auf dem Gipfel nicht
    zur Diskussion stehen wird.

    Eine Fortschreibung der NATO-Strategie in die
    Richtung einer neuen NATO entfernt die NATO auch
    von den eigenen Grundlagen. Ich will dies seitens mei-
    ner Fraktion festhalten. Der geltende NATO-Vertrag
    stellt keinen rechtlich unbegrenzten Handlungsrahmen
    für beliebige politische und militärische Zwecke dar.
    Die NATO ist nach dem Vertrag eine Organisation zur
    kollektiven Selbstverteidigung ihrer Mitgliedstaaten.
    Nur dazu haben die Parlamente der Mitgliedstaaten bei
    der Inkraftsetzung des NATO-Vertrages ihre Zustim-
    mung erteilt.

    Die PDS-Fraktion ist der Auffassung, daß die NATO
    zugunsten solcher ziviler Organisationen wie die der
    UNO und der OSZE abgebaut werden sollte. Im glei-
    chen Umfang, wie die UNO gestärkt und die OSZE
    endlich handlungsfähig wird, kann die NATO zurückge-
    nommen werden.


    (Beifall bei der PDS)

    Um solche Optionen überhaupt aufrechterhalten zu kön-
    nen, fordern wir, daß es bei den bisherigen vertraglichen
    Regelungen bleibt, daß die NATO sich nicht globalisiert
    und selbst mandatiert und daß endlich auch wieder
    ernsthaft über Abrüstung nachgedacht wird. In diesem
    Sinne sind wir für eine gemeinsame europäische Außen-
    und Sicherheitspolitik. Denn es ist schädlich, wenn in
    der Welt nur ein starker politischer und militärischer Pol
    vorhanden ist.


    (Beifall bei der PDS)

    Die NATO ist, historisch gesehen – verschiedene

    Kolleginnen und Kollegen haben etwas zur geschichtli-
    chen Entwicklung gesagt –, kein Kind der Anti-Hitler-
    Koalition und keine Schlußfolgerung des Sieges über
    den Faschismus. Das ist die UNO. Die NATO ist ein
    Produkt des kalten Krieges, und das wirkt bis heute fort.


    (Beifall bei der PDS)


    Der kalte Krieg hat seine Spuren auch im Wertekatalog,
    in den Wertvorstellungen, der NATO tief eingegraben.
    Inwieweit die Ambitionen der NATO, europäische
    Grundwerte, nämlich Freiheit, Gleichheit und Brüder-
    lichkeit – dies hat einmal der Kanzler zitiert; ich füge
    hinzu: Schwesterlichkeit –


    (Dr. Christoph Zöpel [SPD]: Das ist in Ordnung!)


    – danke –, für sich in Anspruch nehmen zu können, tat-
    sächlich glaubwürdig sind, wenn es um Menschenrechte
    geht, darf nicht nur im Hinblick auf den NATO-Partner
    Türkei getrost hinterfragt werden. Zu oft haben auch
    NATO-Länder – in der Logik der Blockkonfrontation –
    brutale Diktatoren unterstützt, Vertreibung geduldet,
    Folter akzeptiert und demokratisch gewählte Regierun-
    gen gestürzt.

    Lassen Sie mich – nicht nur mit Blick auf das Koso-
    vo; aber dies gilt selbstverständlich auch dort – sagen:
    Keine Ideologie, keine Interessen, keine Heilsmissionen
    rechtfertigen Unterdrückung, Vertreibung und Terror.


    (Beifall bei der PDS)

    Unterdrückung, Vertreibung und Terror – wo auch im-
    mer, ob in der Türkei oder im Kosovo – müssen auf Ab-
    sage und Widerstand stoßen. Dies muß eindeutig und
    schroff erfolgen.


    (Beifall bei der PDS)

    Menschenrechte aber werden nicht durch Krieg ver-

    teidigt. Kein politisches Problem unserer Zeit wird
    durch Krieg gelöst. Krieg vernichtet Menschenrechte;
    Krieg verroht, befördert Aggressionen. Bomben sind
    ebensowenig wie Vertreibung in der Lage, Menschen
    dazu zu bringen, solidarisch miteinander zu leben. Jeder
    Tag Krieg, so meine Furcht, bringt uns einer politischen
    Lösung nicht näher, sondern führt weg von ihr.


    (Beifall bei der PDS)

    Deshalb noch einmal: Die Bombenangriffe müssen

    sofort eingestellt und mit Hilfe der UNO Friedensge-
    spräche in Gang gesetzt werden. Die serbischen Armee-
    sicherheitskräfte und Sonderpolizeien müssen sofort zu-
    rückgenommen, die UCK entwaffnet und eine – auch
    von der UNO – gesicherte Rückkehr der Flüchtlinge
    möglich gemacht werden.


    (Beifall bei der PDS)

    Dem Kosovo ist eine weitestgehende Autonomie einzu-
    räumen. Mit Hilfe der OSZE und der UNO muß rasch
    eine Balkan-Friedenskonferenz vorbereitet und umfas-
    sende Aufbauhilfe geleistet werden. Europa muß sich
    den Balkanländern öffnen, wenn wir Konflikte und Kri-
    sen mindern wollen.


    (Beifall bei der PDS)

    Liebe Kolleginnen und Kollegen, gestatten Sie mir im

    Zusammenhang mit den historischen Rückblicken noch
    ein Wort zu einem aktuellen Problem: Der Bundesver-
    teidigungsminister hat – nicht heute, sondern in voran-
    gegangenen Reden und mit ihm ein Teil der Presse – das
    Drama der Kosovo-Albaner mit dem der Juden im Drit-

    Wolfgang Gehrcke






    (A) (C)



    (B) (D)


    ten Reich verglichen. In diesem Zusammenhang ist von
    KZs, von Selektion und Zwangsarbeit die Rede. Das
    Bild provoziert geradezu den Vergleich zwischen
    Auschwitz und Kosovo. Dieser Vergleich ist unange-
    messen und falsch.

    Lassen Sie mich an dieser Stelle den Fernsehjournali-
    sten Gerd Ruge aus einem Interview mit dem „Tages-
    spiegel“ zitieren, der davor warnt:

    Die Gleichsetzung Holocaust und Kosovo kann
    schließlich dazu führen, daß man fast alles machen
    darf.

    Im Kosovo werden die Albaner verfolgt und vertrie-
    ben. Diese Tatsache allein ist schlimm genug; sie ist
    eine europäische Tragödie. Der Kosovo ist aber nicht die
    Rampe von Auschwitz, auf der die Verfolgten Europas
    selektiert und ins KZ getrieben wurden.

    Auschwitz steht für den industriellen Massenmord an
    den europäischen Juden und an allen, die die Nazis als
    Untermenschen bezeichneten, ein Massenmord, den die
    damalige Regierung, die SS und die deutsche Industrie
    – dafür steht im Zusammenhang mit Auschwitz nament-
    lich die IG Farben – in Absprache und gemeinsam vor-
    nahmen.

    Der Vergleich zwischen dem Kosovo und Auschwitz
    relativiert die Einmaligkeit dieses Menschheitsverbre-
    chens, mehr noch: Der Vergleich nährt die Vorstellung,
    die Geschichte wiederhole sich; nur diesmal steht
    Deutschland auf der richtigen Seite, und die anderen
    sind die Hitlers.

    So verwandelt sich der jetzige Krieg gegen Jugosla-
    wien unter der Hand zur Sühne für Auschwitz. Dieser
    Krieg wird zur deutschen Wiedergutmachung für den
    industriellen Massenmord am europäischen Judentum,
    an Sinti, Roma und Slawen.