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ID1403200900

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Metadaten
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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 14/32 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 32. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 15. April 1999 I n h a l t : Eintritt der Abgeordneten Gudrun Roos in den Deutschen Bundestag................................ 2619 A Nachträgliche Glückwünsche zum Geburts- tag der Abgeordneten Carl-Dieter Spran- ger, Dr. Martin Pfaff, Hans-Eberhard Ur- baniak ............................................................. 2619 B Tagesordnungspunkt 1: Eidesleistung des Bundesministers der Finanzen .................................................... 2619 B Präsident Wolfgang Thierse............................. 2619 C Hans Eichel, Bundesminister BMF............ 2619 D Dank an den ausgeschiedenen Bundesminister der Finanzen, Oskar Lafontaine .................... 2619 D Tagesordnungspunkt 2: Abgabe einer Regierungserklärung des Bundeskanzlers Aktuelle Lage im Kosovo ......................... 2620 A Gerhard Schröder, Bundeskanzler ................... 2620 A Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU ................. 2623 D Dr. Peter Struck SPD ....................................... 2627 B Dr. Wolfgang Gerhardt F.D.P.......................... 2629 C Rezzo Schlauch BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2632 C Dr. Gregor Gysi PDS....................................... 2634 D Joseph Fischer, Bundesminister AA.......2638 B, 2641 D Dr. Gregor Gysi PDS................................... 2641 B Dr. Edmund Stoiber, Ministerpräsident (Bay- ern)................................................................... 2642 B Rudolf Scharping, Bundesminister BMVg...... 2645 C Heidi Lippmann PDS................................... 2648 C Karl Lamers CDU/CSU................................... 2649 A Gernot Erler SPD............................................. 2650 D Annelie Buntenbach BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ........................................................ 2653 A Christian Schmidt (Fürth) CDU/CSU.............. 2654 A Dr. Eberhard Brecht SPD ................................ 2654 D Otto Schily, Bundesminister BMI ..........2656 B, 2658 D Hans-Peter Repnik CDU/CSU..................... 2658 B Nächste Sitzung ............................................... 2659 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten ........... 2661 A Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 32. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. April 1999 2619 (A) (C) (B) (D) 32. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 15. April 1999 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Bundesminister Otto Schily Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 32. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. April 1999 2661 (A) (C) (B) (D) Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich Beck (Köln), Volker BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 15.4.99 Behrendt, Wolfgang SPD 15.4.99 * Belle, Meinrad CDU/CSU 15.4.99 Bindig, Rudolf SPD 15.4.99 * Dr. Blüm, Norbert CDU/CSU 15.4.99 Bühler (Bruchsal), Klaus CDU/CSU 15.4.99 * Dzembritzki, Detlef SPD 15.4.99 Eichhorn, Maria CDU/CSU 15.4.99 Eppelmann, Rainer CDU/CSU 15.4.99 Eymer (Lübeck), Anke CDU/CSU 15.4.99 Frankenhauser, Herbert CDU/CSU 15.4.99 Haack (Extertal), Karl-Hermann SPD 15.4.99 Hasenfratz, Klaus SPD 15.4.99 Dr. Haussmann, Helmut F.D.P. 15.4.99 Hornung, Siegfried CDU/CSU 15.4.99 * Hübner, Carsten PDS 15.4.99 Ibrügger, Lothar SPD 15.4.99 Imhof, Barbara SPD 15.4.99 Irber, Brunhilde SPD 15.4.99 Jaffke, Susanne CDU/CSU 15.4.99 Jelpke, Ulla PDS 15.4.99 Dr. Jens, Uwe SPD 15.4.99 Dr.-Ing. Jork, Rainer CDU/CSU 15.4.99 von Klaeden, Eckart CDU/CSU 15.4.99 Kolbow, Walter SPD 15.4.99 Lehn, Waltraud SPD 15.4.99 Maaß (Wilhelmshaven), Erich CDU/CSU 15.4.99 Manzewski, Dirk SPD 15.4.99 Möllemann, Jürgen W. F.D.P. 15.4.99 Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich Müller (Berlin), Manfred PDS 15.4.99 Müller (Kirchheim), Elmar CDU/CSU 15.4.99 Neumann (Bramsche), Volker SPD 15.4.99 Nolte, Claudia CDU/CSU 15.4.99 Ostrowski, Christine PDS 15.4.99 Raidel, Hans CDU/CSU 15.4.99 Dr. Ruck, Christian CDU/CSU 15.4.99 Dr. Schäfer, Hansjörg SPD 15.4.99 Schenk, Christina PDS 15.4.99 Scherhag, Karl-Heinz CDU/CSU 15.4.99 Schloten, Dieter SPD 15.4.99 ** Schmidbauer, Bernd CDU/CSU 15.4.99 von Schmude, Michael CDU/CSU 15.4.99 Schnieber-Jastram, Birgit CDU/CSU 15.4.99 Schuhmann (Delitzsch), Richard SPD 15.4.99 Dr. Schwarz-Schilling, Christian CDU/CSU 15.4.99 Seiters, Rudolf CDU/CSU 15.4.99 Singhammer, Johannes CDU/CSU 15.4.99 Steen, Antje-Marie SPD 15.4.99 Steiger, Wolfgang CDU/CSU 15.4.99 Thiele, Carl-Ludwig F.D.P. 15.4.99 Vaatz, Arnold CDU/CSU 15.4.99 Wiefelspütz, Dieter SPD 15.4.99 Willner, Gert CDU/CSU 15.4.99 Wimmer (Neuss), Willy CDU/CSU 15.4.99 Wissmann, Matthias CDU/CSU 15.4.99 Wolf, Aribert CDU/CSU 15.4.99 Würzbach, Peter Kurt CDU/CSU 15.4.99 Zapf, Uta SPD 15.4.99 ——————* für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versamm-lung des Europarates** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union 2662 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 32. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. April 1999 (A) (C) (B) (D) Druck: Bonner Universitäts-Buchdruckerei, 53113 Bonn 53003 Bonn, Telefon: 02 28/3 82 08 40, Telefax: 02 28/3 82 08 44 20
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Peter Struck


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Da-
    men und Herren! Es ist gut, Herr Kollege Schäuble und
    liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU-
    Fraktion und von der F.D.P.-Fraktion, daß wir uns in
    dieser für unser Land sehr wichtigen Frage einig sind.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Ich möchte hier allerdings – der Kollege ist zwar ge-
    rade nicht anwesend – für meine Fraktion deutlich aus-
    drücken, wie peinlich ich den Vorgang des Besuches
    von Herrn Gysi in Belgrad und seine Begegnung mit
    Herrn Milosevic finde,


    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der F.D.P.)


    und darauf hinweisen, daß mir hier eine Zeitung vor-
    liegt, herausgegeben von der PDS im Deutschen Bun-
    destag, in der der Bundesminister der Verteidigung, Herr
    Kollege Rudolf Scharping, als „Kriegsminister“ diskre-
    ditiert wird.


    (Zuruf von der CDU/CSU: Pfui!)

    Ich weise diese Unerhörtheit deutlich zurück.


    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der F.D.P.)


    Ich nehme das zum Anlaß, an dieser Stelle gerade auch
    Herrn Verteidigungsminister Scharping für sein sehr be-
    sonnenes Auftreten in der Kosovo-Krise zu danken.


    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der F.D.P.)


    Seit unserer letzten Debatte haben sich die Ereignisse
    im Kosovo dramatisch zugespitzt. Wir alle mußten mit
    ansehen, wie das Morden, Zerstören und Vertreiben der
    albanischen Bevölkerung im Kosovo durch die serbische
    Soldateska eine kaum für möglich gehaltene Dimension
    angenommen hat. Fast die Hälfte der albanischen Be-
    völkerung wurde in die Nachbarstaaten vertrieben und
    deportiert. Schätzungsweise 300 000 Kosovaren befin-
    den sich im Kosovo auf der Flucht vor der serbischen
    Gewaltmaschine. Tag für Tag ein nicht enden wollender
    Strom zutiefst traumatisierter Menschen, die die Lan-
    desgrenzen überqueren: verletzt, gedemütigt, beraubt, in
    Trauer um ermordete Verwandte, Freunde und Nach-
    barn, in Sorge um verschleppte Söhne und Ehemänner.

    Am Ende dieses an Schrecken reichen Jahrhunderts
    versucht noch einmal ein wahnwitziger, machtbesesse-
    ner Diktator, eine ganze Volksgruppe zu vertreiben oder
    auszulöschen und seinem rassistischen Ziel eines „eth-
    nisch reinen“ Serbiens näherzukommen.

    Diese Beschreibung der Lage wird von allen Mitglie-
    dern meiner Fraktion geteilt. In der Beurteilung der
    Konsequenzen und der zu ergreifenden Schritte gibt es
    in meiner Fraktion und auch in meiner Partei jedoch ein-
    zelne Mitglieder, die das, was ich dazu ausführe, nicht
    teilen und eine andere Auffassung vertreten. Ich halte
    dies nicht nur für legitim, sondern bekunde ihnen ge-
    genüber meinen Respekt.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Der NATO ist es bisher nicht gelungen, Milosevic

    von diesen Greueltaten im Kosovo abzuhalten. Dies al-
    lerdings zur Begründung für eine Feuerpause oder einen
    Waffenstillstand anzuführen bedeutet, Ursache und
    Wirkung für die entstandene Lage zu verwechseln. Seit
    1989 verfolgt Milosevic seine chauvinistische Idee eines
    „ethnisch reinen“ Großserbiens. Er hat dafür bisher

    Dr. Wolfgang Schäuble






    (B)



    (A) (C)



    (D)


    Kriege gegen Slowenien, Kroatien und Bosnien-
    Herzegowina geführt.

    Ich will an dieser Stelle sagen: Ich empfinde es als
    einen großen Mangel unserer Politik, daß wir ihm nicht
    früher, Herr Kollege Schäuble, in Sachen Bosnien-
    Herzegowina in den Arm gefallen sind. Wir müssen jetzt
    die Konsequenzen aus diesem Verhalten ziehen.


    (Beifall bei der SPD)

    Seit Frühjahr 1998 führt Milosevic in großem Stil

    Vertreibungsaktionen und Dorfzerstörungen im Kosovo
    durch. Nach und während des Holbrooke-Milosevic-
    Abkommens ist der Vertreibungsplan „Hufeisen“ ent-
    worfen und in die Tat umgesetzt worden, während
    Milosevic seine Leute am Verhandlungstisch sitzen ließ.
    Dieser Plan sieht die Entvölkerung des Kosovo von
    Albanern vor. Dies darf nicht zugelassen werden.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Die NATO-Luftangriffe setzten ein, als alle Versu-
    che der friedlichen Konfliktbeilegung an der fortdauern-
    den Gewaltpolitik der serbischen Führung gescheitert
    waren. Sie jetzt auszusetzen bedeutet, Milosevic freie
    Hand zu geben, ihn ungestört sein Werk zu Ende brin-
    gen zu lassen. Wenn wir Europa als Kontinent des Frie-
    dens, der Freiheit und der Demokratie bewahren wollen,
    dann dürfen wir völkische Gewaltpolitik auf seinem Bo-
    den nicht zulassen.


    (Beifall bei der SPD)

    Milosevic muß sich darüber im klaren sein: Er wird

    seine politischen Ziele nicht erreichen. Wir lassen seine
    barbarischen Verbrechen nicht ungestraft geschehen. Je
    länger er daran festhält, um so höher wird der Preis, den
    er bezahlen muß. Ein Ende der Gewalt- und Vertrei-
    bungspolitik liegt auch im Interesse des serbischen Vol-
    kes. Es bezahlt seit vielen Jahren für die Machtbeses-
    senheit seines Präsidenten mit wirtschaftlicher Armut,
    geringem Lebensstandard sowie politischer Unterdrük-
    kung und Bevormundung.

    Wir – ebenso wie die NATO – führen keinen Krieg
    gegen das serbische Volk. Unser Ziel ist einzig und al-
    lein die Beseitigung des Schreckensregimes der serbi-
    schen Regierung im Kosovo.

    Daher ist es richtig, daß die NATO die Luftangriffe
    verstärkt und der Druck auf Milosevic erhöht wird. Es
    geht uns nicht um die Kapitulation Serbiens, sondern um
    die Schaffung von Voraussetzungen für eine politische
    Lösung.

    Daher unterstützt die sozialdemokratische Bundes-
    tagsfraktion die Bemühungen der Bundesregierung, in
    Übereinstimmung mit der Europäischen Union, der
    NATO und dem Generalsekretär Kofi Annan, Belgrad
    zu Abmachungen zu bewegen, die beinhalten, daß alle
    Kampfhandlungen sofort und überprüfbar eingestellt
    werden, alle militärischen und paramilitärischen Kräfte
    sowie die Sonderpolizei nachprüfbar aus dem Kosovo
    abgezogen werden, der Stationierung internationaler Si-
    cherheitskräfte im Kosovo zugestimmt wird, die Rück-
    kehr aller Deportierten bedingungslos ermöglicht sowie

    den Hilfsorganisationen ein ungehinderter Zugang zu
    den Opfern gewährt wird und daß der Versuch eines
    politischen Rahmenabkommens für das Kosovo auf der
    Basis der Abmachungen von Rambouillet unternommen
    wird. Ein überprüfbares Angehen dieser Punkte würde
    unmittelbar zu einer Aussetzung bzw. Beendigung der
    NATO-Luftschläge führen.

    Wie wir mit großer Genugtuung verfolgen, Herr
    Bundeskanzler, hat die Bundesregierung eine Reihe von
    diplomatischen Aktivitäten in Gang gesetzt, um die Um-
    setzung dieser politischen Ziele zu erreichen. Ihre In-
    itiative, den Generalsekretär zum Sondergipfel einzula-
    den, und Ihre Bemühungen, Herr Außenminister Fi-
    scher, Rußland über eine G-8-Initiative wieder zur Mit-
    wirkung am politischen Gestaltungsprozeß für das Ko-
    sovo zu bewegen, begrüßen wir ausdrücklich. Sie haben
    unsere volle Unterstützung.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Ich glaube, daß wir alle in diesem Haus uns einig
    sind, daß eine tragende Rolle Rußlands und eine ent-
    sprechende Beschlußlage des Sicherheitsrats der Ver-
    einten Nationen die Aussichten für eine dauerhafte Frie-
    densregelung für das Kosovo verbessern, wenn nicht gar
    erst ermöglichen werden. Dies vor allem deshalb, weil
    wir eine Lösung anstreben müssen, die die Interessen
    und Rechte der albanischen Bevölkerungsmehrheit im
    Kosovo mit den Stabilitätsanforderungen der Region
    und ganz Südosteuropas verbindet. Das schließt bis auf
    weiteres eine Eigenstaatlichkeit und Teilung des Kosovo
    ebenso aus wie seine Unterordnung unter die serbische
    Staatsautorität.

    Daher teile ich die Überlegungen der Bundesregie-
    rung hinsichtlich ihres Friedensplanes, für einen länge-
    ren Zeitraum eine von den Vereinten Nationen autori-
    sierte Übergangsverwaltung einzurichten, deren Autori-
    tät durch entsprechend mandatierte Friedenstruppen si-
    chergestellt werden muß. Ich stimme Ihnen zu, Herr
    Kollege Schäuble, daß man nicht zu sehr auf die Details
    eingehen sollte, was die künftige Regelung angeht. Die
    Zielrichtung aber ist klar, und in der Zielrichtung sind
    wir uns einig.

    Ich will an dieser Stelle betonen, meine Damen und
    Herren, daß wir nicht nur die Leistungen der mazedoni-
    schen Regierung, sondern vor allen Dingen der maze-
    donischen Bevölkerung mit großem Respekt zur
    Kenntnis nehmen sollten, die die Flüchtlinge bei sich zu
    Hause aufgenommen hat.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der F.D.P. und des Abg. Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU])


    Wir wissen, wie schwer es gerade für dieses Land ist,
    diese zusätzlichen Lasten zu tragen. Daß sich daraus für
    uns eine politische und auch finanzielle Verantwortung
    ergibt, muß uns allen klar sein.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Meine Damen und Herren, es ist richtig, daß im Au-

    genblick alle Kräfte auf eine Rückkehr zu einer friedli-

    Dr. Peter Struck






    (A) (C)



    (B) (D)


    chen Konfliktbeilegung im Kosovo konzentriert werden.
    Es ist richtig, daß wir versuchen wollen, die friedenstif-
    tenden Wirkungen der europäischen Integration mit den
    vertrauensbildenden Erfahrungen aus der Entspan-
    nungspolitik zu verbinden. Wir müssen den Völkern und
    Staaten in Südosteuropa eine europäische Perspektive
    bieten, sie nachhaltig in den euro-atlantischen Strukturen
    verankern. Davon darf kein Staat ausgeschlossen wer-
    den.

    Kofi Annan hat in seiner Rede vom 7. April in Genf
    unter Bezugnahme auf die ethnischen Säuberungen im
    Kosovo darauf hingewiesen, daß eine internationale
    Rechtsnorm in der Entwicklung begriffen sei, die das
    Verbot von gewaltsamer Unterdrückung von Minder-
    heiten höher einstuft als Belange der Staatssouveränität.
    Herr Bundeskanzler und Herr Bundesaußenminister, ich
    wünsche mir, daß die Bundesregierung und die Europäi-
    sche Union diese Einlassungen des Generalsekretärs der
    Vereinten Nationen aufgreifen und durch eine eigene
    Initiative verstärken. Wir müssen eine Völkerrechts-
    situation erreichen, die zukünftig verhindert, daß sich
    Völkermörder und völkische Gewaltverbrecher hinter
    dem Schutzschild nationaler Souveränität verstecken
    können, wie Kofi Annan es treffend ausgeführt hat.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der F.D.P.)


    Dies entspricht nicht nur unseren Auffassungen, die wir
    den Entscheidungen für den NATO-Einsatz im Kosovo
    zugrunde gelegt haben, sondern würde auch dem Kampf
    um den Schutz der Freiheit und der Würde des Men-
    schen ein neues historisches Kapitel hinzufügen.

    Meine Damen und Herren, zusammenfassend kann
    ich – sicherlich für die überwältigende Mehrheit im
    Haus – festhalten, daß der Deutsche Bundestag fest hin-
    ter der Bundesregierung und der NATO steht, daß wir
    die von der Bundesregierung angeregten diplomatischen
    Bemühungen um eine politische Lösung außerordentlich
    begrüßen und hoffen, daß sie möglichst bald zu einem
    Ende der Gewalt im Kosovo führen.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der CDU/CSU)


    Unser Dank gilt den selbstlosen Helfern des Techni-
    schen Hilfswerks und der Nicht-Regierungsorganisa-
    tionen, die vor Ort den Menschen tatkräftig zur Seite
    stehen.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der F.D.P.)


    Ich spreche sicherlich in unser aller Namen, wenn ich
    abschließend besonders unseren Soldaten danke, die
    durch ihren großen Einsatz zu einem unersetzlichen
    Faktor der humanitären Hilfe für die vertriebenen und
    geschundenen Kosovaren geworden sind.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der F.D.P.)




Rede von Dr. h.c. Wolfgang Thierse
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat nun
Kollege Wolfgang Gerhardt, Vorsitzender der F.D.P.-
Fraktion.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Wolfgang Gerhardt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (F.D.P.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident!
    Meine Damen und Herren! Der Kollege Struck hat, per-
    sönlich verständlich und zu Recht, die Frage ausge-
    drückt, warum Demokratien eigentlich so lange ge-
    braucht haben, um einem Tyrann in den Arm zu fallen.

    Das führt mich zurück auf die Feststellung, daß, wie
    wir alle wissen, Europa selbst lange Zeit hat verstreichen
    lassen, bis es die tatsächliche Lage so bewertet hat, wie
    sie bewertet werden mußte. Wir erinnern uns an viele
    Debatten, die eher über die alten Bündnispartnerschaften
    des zweiten Weltkrieges, die heutigen Verbündeten in
    den westlichen Demokratien, ausgetragen wurden als
    mit Blick auf die tatsächliche Lagebeurteilung.


    (Dr. Helmut Kohl [CDU/CSU]: Ja!)

    Ich erinnere auch an viele Fehleinschätzungen der Ver-
    einigten Staaten von Nordamerika, die uns immer gerne
    Ratschläge erteilen, wie wir das in Europa handhaben
    müssen, aber damals mit einem Fernglas auf Jugoslawi-
    en gesehen haben, ohne einmal die Lupe zur Hand zu
    nehmen, um zu untersuchen, was sich dort wirklich
    vollzieht.

    Der Gang, den Kollege Struck erwähnt hat – über
    Slowenien, Kroatien und Bosnien-Herzegowina –, war
    ja erkennbar. Die Unverträglichkeit und der Haß breite-
    ten sich ja geradezu mit täglicher Steigerung aus – im
    übrigen nicht nur bei Milosevic, sondern auch bei ande-
    ren Erben des früheren Jugoslawien, aber bei Milosevic
    in ihrer brutalsten Form. Dies hat Europa lange ver-
    drängt, in der Kette von Slowenien über Kroatien bis
    Bosnien-Herzegowina. Das gilt auch für führende Per-
    sönlichkeiten, die unsere Verbündeten sind.

    Deshalb kann nicht darauf verzichtet werden, sich an
    Debatten, die wir 1995 in diesem Hause über Bosnien
    geführt haben, zu erinnern. Da war für diejenigen, die
    nicht blind waren, schon klar, was sich dort vollzieht.
    Trotzdem war die politische Bereitschaft, ein Mandat für
    Friedenserhaltung zu schaffen, auch in diesem Hause
    nur bei Teilen ausgeprägt. Ich erlebte damals, daß sich
    der jetzige Außenminister nach meiner Rede komplett
    gegenteilig aussprach. Das ist kein Vorwurf; denn sol-
    che Skrupel gehören zu den Wesensmerkmalen einer
    Demokratie. Aber manche, die heute auf der Regie-
    rungsbank sitzen, haben in den damaligen Debatten kei-
    ne Lorbeeren geerntet. Das muß eindeutig gesagt wer-
    den.


    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Es ist zum Teil auch von daher verständlich, weil sich

    die Deutschen immer international klar geordnete Ver-
    hältnisse wünschen. Nur leider will sich die Wirklichkeit
    – das lernen wir ja jetzt wohl kennen – diesen Wünschen
    nach Ordnung, die von netten Leuten gehegt werden,
    nicht immer so beugen, wie das ordentlichen Leuten
    wünschenswert erscheint. Als dann urplötzlich die Zei-
    ten, in denen sich andere – Deutschland war geteilt; es
    gab die Vier-Mächte-Verantwortung – um die Probleme

    Dr. Peter Struck






    (B)



    (A) (C)



    (D)


    der Welt kümmerten, vorbei waren, da wurden die Fra-
    gen für uns sehr drängend, und sie stellten sich sehr klar.

    Jetzt erleben wir – das muß man doch ungeschminkt
    sagen –, daß die Reaktion der westlichen Staatenge-
    meinschaft am Ende einer Kette von vielen Verdrängun-
    gen, von zeitweiligem Wegschauen steht. Es sind in ei-
    ner Demokratie wichtige Sperren, wenn man Skrupel
    hat; sie gehören sogar zum Wesensmerkmal einer De-
    mokratie. Aber die Frage ist schon richtig, warum wir
    denn alles bis zur Neige durchleben müssen, bevor wir
    Entscheidungen treffen können. So ist die gesamte
    Nachkriegsgeschichte westlicher Demokratien abgelau-
    fen; so stellt sich ihre Fähigkeit zur Reaktion auf Tyran-
    nen und Despoten dar. Wie in einem Brennglas kann
    man darin auch die Geschichte der Reaktion auf das
    Auseinanderfallen des früheren Jugoslawien sehen.

    Jetzt befinden wir uns in einer Situation, die man klar
    beschreiben muß, wie immer auch diese Beschreibung
    ausfällt. Wir befinden uns in der Situation, daß dort ein
    Krieg stattfindet, in den wir zum erstenmal deutsche
    Soldaten – legitimiert, mandatiert – entsandt haben. Wir
    müssen eigentlich unserer deutschen Gesellschaft ein
    großes Kompliment dafür machen, daß sie in einer der-
    artigen Klugheit, Vielfalt und Eindringlichkeit diese
    dramatische Situation diskutiert. Man sollte sich nicht
    öfter solchen Proben unterwerfen. Ich bewundere schon
    den Reifegrad vieler Diskussionen in einer stabilen
    deutschen Demokratie.


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Es gibt kontroverse Meinungen in der Sache, aber der
    Vorgang ist doch bemerkenswert. Hierbei handelt es
    sich ja nicht um eine der üblichen Debatten, die wir in
    Situationen des Streits über innenpolitische Vorgänge
    oder auch über andere große Themen führen. Hierbei
    handelt es sich zum erstenmal um eine Debatte, die auch
    zur Folge haben kann, daß sie Mitbürgerinnen und Mit-
    bürgern, sprich: die deutschen Soldaten bei einem Ein-
    satz, das Leben kosten könnte. Daß dies nicht geschehen
    ist, darüber freuen wir uns. Aber daß das Risiko hoch ist,
    das ist doch jedem bei diesem Thema bewußt. Deshalb
    muß der Deutsche Bundestag – da stimme ich mit Kol-
    legen Schäuble völlig überein; die deutsche Öffentlich-
    keit tut es ja auch – immer den Druck dahin gehend auf-
    rechterhalten, daß neben strategischen Luftoperationen
    auch politische Lösungen angestrebt werden. Es geht
    nur in einer Mixtur, in einer Zwei-Wege-Strategie.

    Ganz entscheidend wird sein, ob die Kräfte Rußlands
    ausreichen – oder ob man Rußland die Kraft dazu ver-
    schaffen kann –, einen Weg zu finden, der bewirken
    kann, daß man sich in diesem großen Land nicht nur
    ausschließlich damit beschäftigt, den Zusammenbruch
    der früheren Sowjetunion zu verarbeiten. Die Binnenori-
    entierung und die Fragmentierung der russischen Politik
    müssen überwunden werden. Man fragt heute ja so neu-
    deutsch, ob dieses Land die Kraft hat, die eigene Demo-
    kratie zu stabilisieren und andernorts in der Welt mit uns
    zusammen alles dafür zu tun, daß freiheitliche Gesell-
    schaften sozusagen implementiert werden. Diese ernst-
    hafte Frage stellt sich.

    Die alte Rolle kann Rußland nicht mehr spielen. Es
    kann nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion keine
    falsche Selbstvergewisserung mehr betreiben. Das so-
    zialistische System ist ja wie ein Gletscher gewesen, der
    sich über alles gelegt hat. Nachdem nun das Eis des
    Gletschers weg ist, suchen manche nach europäischer
    Orientierung, manche noch nicht. Manche betreiben eine
    falsche ethnische Selbstvergewisserung. Wir müssen
    den Kräften helfen, die eine europäische Orientierung
    suchen.


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Wir müssen sogar ein massives Interesse daran haben,
    daß sie sie finden, und wir müssen sogar alles dafür tun,
    damit unser großer Nachbar Rußland im übertragenen
    Sinne die Chance bekommt, auf dem Wege dorthin Er-
    folgserlebnisse zu haben. Das muß die Haltung deut-
    scher Politik sein.


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


    Diese müssen wir ausstrahlen; die müssen wir Rußland
    auch mitteilen. Es genügt nicht, wenn wir darüber nur
    im Bundestag debattieren. Jeder von uns muß bei allen
    Begegnungen – keine Reise dorthin darf uns jetzt eine
    Reise zuviel sein – den russischen Politikern das auch
    sagen. Wir müssen ihnen sagen: Wir brauchen euch; wir
    brauchen Rußland. Das müssen wir Rußland sagen. Oh-
    ne Rußland wird es zu keiner Lösung dieses Problems
    kommen. Das ist ausgeschlossen.


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Wer das weiß, muß dann entsprechend reagieren.
    Meine Damen und Herren, militärisch wird entschei-

    dend sein, ob Milosevic im Kosovo alsbald die Hände
    gebunden werden können. Meine größte Ungeduld gilt
    nahezu täglich der Frage, wann endlich die paramilitäri-
    schen Organisationen, das jugoslawische Militär auf
    dem Boden des Kosovo gestoppt werden können. Ich
    warte mit Ungeduld auf all das, was bisher angekündigt
    worden ist. Denn der Kosovo ist ein besonderes Pro-
    blem: Milosevic standen in allen Teilen Jugoslawiens
    bisher Strohmänner für den Einsatz von Gewalt zur Ver-
    fügung, während er jetzt selbst ganz klar der Verant-
    wortliche für das Vorgehen, und zwar nicht nur für die
    Repressionen, für die Plünderungen und Vertreibungen,
    für die Vergewaltigungen, sondern auch für den
    schlichten Mord, ist. Er ist kein Staatschef, er ist ein
    Kriegsverbrecher. Das ist ganz eindeutig und kein über-
    höhter Ausdruck.


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


    Ich sage deshalb für die Freien Demokraten: Es gibt
    keine Alternative zu der Strategie der NATO, zu dem
    militärischen Einsatz. Wir dürfen auch nicht zögern. Der
    Einsatz muß fortgesetzt werden, und er kann, solange
    dieser Tyrann wütet und politisch nicht einlenkt, keinen
    Tag ausgesetzt werden. Wir sind in einer Situation – so

    Dr. Wolfgang Gerhardt






    (A) (C)



    (B) (D)


    paradox das auch klingt –, in der für die Öffentlichkeit,
    für die Weltgemeinschaft, für die Menschen dort die
    Menschenwürde nicht anders als mit militärischen Mit-
    teln durchgesetzt werden kann. Alles andere ist in dieser
    Diskussion keine brauchbare Alternative.

    Meine Damen und Herren, für eine Lösung des Pro-
    blems wird es natürlich nicht reichen, die Flüchtlinge
    zurückzuführen. Für eine Lösung des Problems sehen
    wir heute schon weit über Rambouillet hinaus, daß für
    die gesamte Region ein Stück ökonomische Stabilität
    und Lebensperspektiven für die Menschen geschaffen
    werden müssen. Das ist seit Bestehen der Europäischen
    Union ihre größte Bewährungsprobe.

    Das ist eine schwierige Situation, aber es ist für die
    Europäische Union und für uns als Politiker in
    Deutschland gleichzeitig eine Chance, deutlich zu ma-
    chen, daß sich die Europäische Union in unserem Ver-
    ständnis nicht in den Themenbereichen Milchseen, But-
    terberge, Struktur- und Kohäsionsfonds, ja nicht einmal
    im deutschen Nettozahlerbeitrag erschöpft, sondern auch
    zu einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik fä-
    hig ist; denn sonst wird sie an Respekt und Ansehen
    verlieren. Ich sage trotz aller Bemühungen der Bundes-
    regierung: Die Stimme der Europäischen Union muß in
    dieser Situation kräftiger werden. Sie muß deutlich ma-
    chen, daß sie auf Krisen glaubwürdig reagieren kann.


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Der frühere Außenminister Hans-Dietrich Genscher
    hat einmal gesagt, die Europäische Gemeinschaft sei die
    moralische Konsequenz aus der Geschichte europäischer
    Bruderkriege. Er hat hinzugefügt, wenn sie nichts ande-
    res bewirkt hätten, als daß Kriege unter ihren Mitglie-
    dern niemals mehr möglich sein werden, dann hätte sich
    schon deshalb ihre Existenz gelohnt.

    Deshalb will ich die junge Generation in Deutschland
    und uns alle daran erinnern, daß es nicht ausreicht,
    kleinliche Kritik an der Brüsseler Bürokratie zu üben.
    Die Europäische Union ist entstanden, weil es Menschen
    gab, die nicht nur aus den Geschichtsbüchern Kenntnis-
    se über Hitler und Stalin hatten und nie mehr wollten,
    daß auf diesem Kontinent die alten Dämonen wieder
    aufwachen und sich Zutritt verschaffen. In einer solchen
    Situation leben wir. Wir haben es nicht für möglich ge-
    halten, daß am Ende dieses Jahrhunderts wieder Phäno-
    mene zur Erscheinung kommen, die den Beginn dieses
    Jahrhunderts so dramatisch gestaltet haben.

    Niemand darf in Europa mit Haltungen, wie Milose-
    vic sie prägt, am Ausgang dieses Jahrhunderts Men-
    schen bedrohen, und wenn es geschieht, darf die Völ-
    kergemeinschaft nicht tatenlos zusehen. Wenn es vorbei
    ist, muß den Gesellschaften geholfen werden, die sich so
    verblenden ließen. Auch dazu gibt es keine Alternative,
    wie wir Deutschen am eigenen Leib nach 1945 erfahren
    haben.


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


    Wir wissen, was dort getan werden muß, wenn auch das
    serbische Volk wieder eine Chance erhalten soll.

    Die deutschen Soldaten wie auch die Soldaten der
    Verbündeten und ihre Familien haben unseren Rückhalt.
    Wir danken ihnen und ihren Angehörigen. Wir bedan-
    ken uns bei den Hilfsorganisationen für ihre vielen
    humanitären Bemühungen. Wir sind – so hat es der
    Bundeskanzler gesagt – dankbar für die große Spen-
    denbereitschaft in Deutschland.

    Herr Bundeskanzler, die Bundesregierung hat die
    Unterstützung der F.D.P. für den unumgänglichen Ein-
    satz militärischer Mittel im Bündnis. Wir sind in einem
    selbstbewußten Parlament, das alle Mittel der parla-
    mentarischen Kontrolle hat, das Mandatierungen nach
    Lageeinschätzung begrenzt, erneuert oder verändert. Es
    bleibt aber ständiger Auftrag für das Primat des Politi-
    schen: Es gibt keinen Automatismus des Militärischen,
    und es kann ihn nicht geben. Es kann streckenweise Ein-
    sätze von militärischen Mitteln geben, um politische
    Ziele durchsetzungsfähig zu machen; am Ende müssen
    es aber politische Ziele sein. Das heißt – an die Adresse
    der Bundesregierung gesagt –: Dieser policy mix aus
    strategischen Luftoperationen der NATO, zugleich aber
    täglichen Versuchen politischer Initiativen ist die Regie-
    rungskunst, die jetzt erforderlich ist. Am Ende darf Mi-
    losevic nicht siegen. Ich füge sogar persönlich hinzu:
    Am Ende kann er auch nicht wieder Verhandlungspart-
    ner werden, nach all dem, was er getan hat.


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Herr Bundeskanzler, die politischen Ziele, die not-
    wendige Haltung und die Bündnisfähigkeit, über die Sie
    vorgetragen haben, werden von der Opposition – ich er-
    kläre das jedenfalls für meine Kolleginnen und Kollegen
    aus der Bundestagsfraktion der Freien Demokratischen
    Partei – voll unterstützt. Ich habe manchmal sogar das
    Gefühl, daß unsere Unterstützung viel stärker und klarer
    ist als die Unterstützung aus den Reihen der Koalitions-
    partei, die Sie gewählt haben.


    (Beifall bei der F.D.P.)

    Darüber müssen Sie sich keine Sorgen machen; da kön-
    nen Sie sich in Ihrer Arbeit entlasten. Die Politik der
    Bundesregierung im Bündnis ist so stabil, weil die Op-
    position in diesem Hause so stabil ist.


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Eine solche Haltung hätte sich die frühere Bundesregie-
    rung von manchen Kolleginnen und Kollegen, die jetzt
    in der Verantwortung sind, gewünscht, als es ebenfalls
    um ernsthafte Fragen ging.


    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Skrupel haben auch wir. Krieg mögen auch wir nicht.

    Deshalb sind die Einfachheit und Schlichtheit, die Herr
    Kollege Gysi in seiner Argumentation immer verwendet,
    so absurd. Hier sitzen sich doch nicht Lager in den Al-
    ternativen Krieg oder nicht Krieg gegenüber.

    Wahr ist aber auch, was Brzezinski, der Sicherheits-
    berater des früheren amerikanischen Präsidenten Carter,
    in einer großen deutschen Tageszeitung einfach, klar,

    Dr. Wolfgang Gerhardt






    (B)



    (A) (C)



    (D)


    streitig, aber wahrheitsgemäß, ausgeführt hat – ich zitie-
    re ihn –:

    Unzweideutig steht mittlerweile mehr auf dem
    Spiel als das Schicksal des Kosovo. Die Vorausset-
    zungen haben sich an dem Tag dramatisch verän-
    dert, an dem das Bombardement begann. Ohne zu
    übertreiben ist festzustellen, daß ein Scheitern der
    NATO das Ende ihrer Glaubwürdigkeit wäre und
    gleichzeitig die globale Führungsrolle der Verei-
    nigten Staaten in Mitleidenschaft geriete. Die Fol-
    gen wären verheerend für die globale Stabilität.

    Ich sage diese drastischen Worte ganz klar: Wir
    müssen dort gewinnen – und zwar militärisch wie poli-
    tisch –, um überhaupt Verantwortung in einer Welt, die
    auf freiheitliche Gesellschaften zugeht, wahrnehmen zu
    können. Der Tyrann darf nicht siegen – weder militä-
    risch noch politisch.


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Uns, allen Abgeordneten meiner Fraktion, ist das klar.
    Deshalb bleibt – mit der Begründung unserer Haltung

    zur Unterstützung der Bundesregierung – am Ende üb-
    rig, Ihnen, Herr Bundeskanzler, weiterhin viel Erfolg bei
    der Überzeugungsarbeit in Ihren eigenen Reihen, bei Ih-
    ren Koalitionsparteien, zu wünschen. Die F.D.P. hat, wie
    alle Demokraten, lange gezögert und sich nicht leicht-
    getan mit den Entscheidungen, wie wir sie dann treffen
    mußten. Der frühere Bundesaußenminister Kinkel und
    der frühere Bundeskanzler Kohl haben in ihrer Verant-
    wortung Abwägungsprozesse unternommen, die in der
    Qualität in nichts den Abwägungsprozessen nachstehen,
    die Sie heute bewältigen müssen und die immer positi-
    ves Kennzeichen von Demokratien sind. Aber sie und
    auch wir haben in dieser Zeit genau gewußt, daß Demo-
    kratien nicht nur Sonnenscheinveranstaltungen sind,
    sondern irgendwann – weil in manchen Völkergemein-
    schaften menschliche Charaktere das Licht der Welt er-
    blicken, die politisch nicht so denken, wie es ordentli-
    chen Menschen wünschenswert erscheint – notfalls auch
    zu letzten Mitteln greifen müssen, um denjenigen Ein-
    halt zu gebieten, die plündern, vergewaltigen und mor-
    den.

    Ich kann mich nur begrenzt in einer Diskussion auf-
    halten, in der feinsinnig bedauert wird, daß die alte
    Nachkriegsweltordnung nicht mehr möglich ist, weil
    dieser Einsatz vom Sicherheitsrat nicht in der klassi-
    schen Form mandatiert worden sei. Das kann ich keinem
    Menschen vermitteln, der mit einem Gewehr bedroht
    wird, dem mit dem Messer die Kehle durchgeschnitten
    wird, der auf einen Traktor gesetzt wird, fünf Minuten
    Zeit hat, sein Haus zu verlassen – beim Verlassen des
    Dorfes sieht er noch, daß es angezündet wird –, und der
    die Demokratien fragt, ob sie denn bei aller Freiheitlich-
    keit am Ende wehrlos gegenüber solchen Staatsmännern
    in Form von Terroristen sind. Diese Frage kann ich nur
    so wie Wolfgang Schäuble beantworten.


    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Diese Frage ist natürlich schwierig. Man kann uns

    vorhalten, daß wir uns nicht auf rechtlich sicherer Seite

    befinden. Aber ich bin überzeugt, daß wir uns auf der
    menschlich sicheren Seite befinden. Darum geht es bei
    diesem Einsatz.

    Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)