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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 14/31 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 31. Sitzung Bonn, Freitag, den 26. März 1999 I n h a l t : Tagesordnungspunkt 15: Erste Beratung des von den Abgeordneten Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Rainer Funke, weiteren Abgeordneten und der Fraktion F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Reform des Stif- tungsrechts (Drucksache 14/336) ............. 2561 A Hans-Joachim Otto (Frankfurt) F.D.P.............. 2561 B Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten CDU/CSU.................................................... 2562 B Dr. Eckhart Pick, Parl. Staatssekretär BMJ ..... 2563 A Dr. Antje Vollmer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN..................................................... 2564 A Hildebrecht Braun (Augsburg) F.D.P. ........ 2564 B Norbert Hauser (Bonn) CDU/CSU .............. 2564 C Wilhelm Schmidt (Salzgitter) SPD.............. 2564 D Dr. Hermann Otto Solms F.D.P. ................. 2565 A Dr. Rita Süssmuth CDU/CSU.......................... 2565 B Dr. Antje Vollmer BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN................................................................. 2567 A Dr. Heinrich Fink PDS..................................... 2568 B Jörg Tauss SPD................................................ 2569 A Hans-Joachim Otto (Frankfurt) F.D.P.......... 2569 D Tagesordnungspunkt 14: Abgabe einer Erklärung der Bundesre- gierung zur aktuellen Lage im Kosovo nach dem Eingreifen der NATO und zu den Ergebnissen der Sondertagung des Europäischen Rates in Berlin Gerhard Schröder, Bundeskanzler ................... 2571 A Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU ................. 2575 C Dr. Peter Struck SPD....................................... 2579 C Dr. Wolfgang Gerhardt F.D.P. ........................ 2581 D Joseph Fischer, Bundesminister AA................ 2583 D Dr. Gregor Gysi PDS....................................... 2586 D Dr. Norbert Wieczorek SPD............................ 2589 D Ulrich Heinrich F.D.P. .................................... 2594 A Dr. Norbert Wieczorek SPD............................ 2594 C Dr. Edmund Stoiber, Ministerpräsident (Bayern) 2595 A Rezzo Schlauch BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN................................................................. 2598 C Dr. Helmut Haussmann F.D.P. ....................... 2599 D Dr. Gerald Thalheim SPD................................ 2601 A Peter Hintze CDU/CSU ................................... 2602 D Günter Verheugen, Staatsminister AA ............ 2604 A Dr. Gerd Müller CDU/CSU............................. 2606 A Dr. Helmut Lippelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ........................................................ 2607 A Rudolf Scharping, Bundesminister BMVg...... 2607 D Dr. Gregor Gysi PDS....................................... 2610 A Paul Breuer CDU/CSU.................................... 2610 D Rudolf Scharping, Bundesminister BMVg...... 2611 B Hans-Christian Ströbele BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ........................................................ 2611 D Gernot Erler SPD............................................. 2612 D Hans-Christian Ströbele BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ........................................................ 2613 C Nächste Sitzung ............................................... 2614 C II Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 31. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. März 1999 Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten............ 2615 A Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zu dem Ent- wurf eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes (Tagesordnungs- punkt 12) Hans Michelbach CDU/CSU ........................... 2615 D Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Rede zu dem Entwurf eines Gesetzes über die allgemeine und die reprä- sentative Wahlstatistik bei der Wahl der Abge- ordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland (Zusatzpunkt 6) Cem Özdemir BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.... 2616 C Anlage 4 Amtliche Mitteilungen..................................... 2617 B Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 31. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. März 1999 2561 (A) (C) (B) (D) 31. Sitzung Bonn, Freitag, den 26. März 1999 Beginn: 9.00 Uhr
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    Hans-Christian Ströbele Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 31. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. März 1999 2615 (A) (C) (B) (D) Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich Altmann (Aurich), Gila BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 26.3.99 Austermann, Dietrich CDU/CSU 26.3.99 Belle, Meinrad CDU/CSU 26.3.99 Dr. Bergmann-Pohl, Sabine CDU/CSU 26.3.99 Bernhardt, Otto CDU/CSU 26.3.99 Bulmahn, Edelgard SPD 26.3.99 Burchardt, Ulla SPD 26.3.99 Buwitt, Dankward CDU/CSU 26.3.99 Carstens (Emstek), Manfred CDU/CSU 26.3.99 Diemers, Renate CDU/CSU 26.3.99 Formanski, Norbert SPD 26.3.99 Friedrich (Altenburg), Peter SPD 26.3.99 Dr. Geißler, Heiner CDU/CSU 26.3.99 Götz, Peter CDU/CSU 26.3.99 Gröhe, Hermann CDU/CSU 26.3.99 Frhr. von Hammerstein, Carl-Detlev CDU/CSU 26.3.99 Hasenfratz, Klaus SPD 26.3.99 Kampeter, Steffen CDU/CSU 26.3.99 Kunik, Konrad SPD 26.3.99 Kutzmutz, Rolf PDS 26.3.99 Lennartz, Klaus SPD 26.3.99 Dr. Lippold (Offenbach), Klaus W. CDU/CSU 26.3.99 Maaß (Wilhelmshaven), Erich CDU/CSU 26.3.99 Meckel, Markus SPD 26.3.99 Dr. Merkel, Angela CDU/CSU 26.3.99 Möllemann, Jürgen W. F.D.P. 26.3.99 Neuhäuser, Rosel PDS 26.3.99 Ostrowski, Christine PDS 26.3.99 Pau, Petra PDS 26.3.99 Dr. Protzner, Bernd CDU/CSU 26.3.99 Rauber, Helmut CDU/CSU 26.3.99 Reinhardt, Erika CDU/CSU 26.3.99 Ronsöhr, Heinrich- Wilhelm CDU/CSU 26.3.99 Schmidt (Eisleben), Silvia SPD 26.3.99 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Schütze (Berlin), Diethard CDU/CSU 26.3.99 Schuhmann (Delitzsch), Richard SPD 26.3.99 Schulz (Everswinkel), Reinhard SPD 26.3.99 Seiters, Rudolf CDU/CSU 26.3.99 Spranger, Carl-Dieter CDU/CSU 26.3.99 Steinbach, Erika CDU/CSU 26.3.99 Streb-Hesse, Rita SPD 26.3.99 Thiele, Carl-Ludwig F.D.P. 26.3.99 Trittin, Jürgen BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 26.3.99 Dr. Wegner, Konstanze SPD 26.3.99 Willner, Gert CDU/CSU 26.3.99 Wissmann, Matthias CSU/CSU 26.3.99 Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes (Tagesordnungs- punkt 12) (vgl. 30. Sitzung, Seite 2542 A und Seite 2557, Anlage 4) Hans Michelbach (CDU/CSU): Der Entwurf der PDS zur Änderung des Einkommensteuergesetzes geht an dem eigentlichen Ziel von Entschädigungszahlungen grundlegend vorbei. Ziel kann es doch nur sein, den Zwangsarbeitern möglichst schnell und unkompliziert zu helfen. Dies ist um so wichtiger, da viele dieser Geschä- digten bereits ein hohes Alter erreicht haben. Die Frage der Entschädigung sollte daher nicht zu einer reinen steuerrechtlichen Frage degradiert werden, sondern sollte ohne langfristige Steuermaßnahmen den Opfern Abhilfe für das erlittene Unrecht verschaffen. Steuer- rechtliche Aspekte sollte man in anderen Zusammen- hängen erörtern, jedoch nicht im Zusammenhang mit den nationalsozialistischen Grausamkeiten. Wichtig ist daher allein die effiziente Errichtung ei- nes Entschädigungsfonds, der sich auf die humanitären und nicht auf die steuertechnischen Aspekte konzen- triert. Die ehemalige DDR, wie sie als Nachfolgepartei der SED wissen sollten, hat ihren Beitrag dazu übrigens nicht geleistet. Bis heute verweigern ehemalige kommu- nistisch regierte Länder, Schadensausgleich für Unrecht und Vertreibung zu leisten. Die Bundesrepublik Deutschland dagegen war und ist stets bemüht gewesen, durch umfangreiche Entschädigungsregeln das zugefügte 2616 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 31. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. März 1999 (A) (C) (B) (D) Unrecht wiedergutzumachen, insofern dies überhaupt möglich ist. Ausdruck dieses Entschädigungswillens ist sehr deutlich in der Erklärung ,,Stiftungsinitiative deutscher Unternehmen“ zu sehen. Es wird ein Zeichen gesetzt, welches als eine unmittelbare gesellschaftliche Ergän- zung der staatlichen Wiedergutmachungspolitik anzuse- hen ist. Bislang erfolgte diese allein aus öffentlichen Steuermitteln. Eine Beteiligung deutscher Firmen an dieser Wiedergutmachungspolitik erfolgte somit bereits indirekt. Schon in der Nachkriegszeit hat die deutsche Wirtschaft aus den erwirtschafteten Erträgen einen ho- hen Steuerbeitrag für die staatliche Wiedergutma- chungspolitik geleistet. Schon bald werden sich deutsche Firmen auch direkt an dieser Wiedergutmachungspolitik beteiligen. We- sentlich ist daher die Unterstützung für die Einrichtung solcher Entschädigungsfonds statt langwieriger Diskus- sionen über eine verfassungsrechtlich bedenkliche Än- derung des deutschen Steuerrechts. Nachdem die Größenordnung der Zahlungen noch nicht feststeht, kann zu den fiskalischen Auswirkungen eigentlich keine Bewertung stattfinden. Einige Firmen haben schon aus Eigeninitiative versucht, den Opfern di- rekt und unmittelbar durch schnelle Zahlungen zu hel- fen. Hier ist insbesondere die Firma Diehl in Nürnberg zu nennen, die unkompliziert, ohne daß eine Rechts- pflicht vorgelegen hätte, an die ehemaligen Zwangsar- beiter Entschädigungsgelder gezahlt hat. Auch sollte man berücksichtigen, daß fast immer auch die Entschei- dungsträger und Eigentümer der Firmen ebenso wie alle anderen den unmenschlichen Zwangsmaßnahmen des totalitären Nazi-Regimes unterworfen waren. Die Errichtung des Entschädigungsfonds ,,Stiftungs- initiative deutscher Unternehmen“ zeigt, deutsche Fir- men scheuen sich nicht, die soziale und moralische Ver- antwortung zu übernehmen. Damit wird der Anerken- nung Deutschlands als freiheitlicher Demokratie ge- dient. Darüber hinaus würde eine Veränderung des Ein- kommensteuerrechts ein falsches Signal für andere Be- reiche aussenden: Das deutsche Recht darf nicht beliebig veränderbar sein. Der sogenannte Betriebsausgabenab- zug ist keine Steuervergünstigung, die einfach gestri- chen werden kann, er beruht vielmehr auf einem Grund- prinzip des Steuerrechts. Betriebsausgaben sind alle Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlaßt worden sind, wozu auch die Entschädigungszahlungen an Zwangsarbeiter gehören. Eine Abzugsbeschränkung für Entschädigungszahlungen würde eine Gesetzesänderung voraussetzen, eine solche wäre verfassungsrechtlich nicht haltbar. Hintergrund dieser Vorschrift (§ 4 Abs. 5 EStG) ist, daß die Durchbrechung des im Steuerrecht geltenden Nettoprinzips ausnahmsweise auch gerecht- fertigt ist bei Aufwendungen mit Bezug zu einem recht- lich oder moralisch verwerflichen Verhalten. Bei den Leistungen an die NS-Zwangsarbeiter han- delt es sich um Wiedergutmachungsleistungen, die einen entstandenen Schaden ausgleichen sollen. Sie stellen somit Schadensersatzleistungen dar, da ihr Rechtsgrund in der beruflichen Sphäre der Banken liegt. Auf das Ver- schulden kommt es bei Schadensersatzleistungen nicht an; ansonsten dürften auch Leistungen für ärztliche Kunstfehler z.B. nicht als Betriebsausgaben abzugsfähig sein. Diese Steuerdebatte trägt zynische Züge gegenüber den Opfern der NS-Schreckensherrschaft. Die PDS schießt hiermit gerade als Nachfolgepartei der SED ein schwerwiegendes Eigentor. Die CDU/CSU-Fraktion dankt den Unternehmen für ihre Bereitschaft zur Mit- wirkung an der Einrichtung eines Entschädigungsfonds ohne eine Rechtspflicht. Damit wird die humanitäre Verpflichtung und Verantwortung wahrgenommen. Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Rede zu dem Entwurf eines Gesetzes über die allge- meine und die repräsentative Wahlstatistik bei der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutsch- land (Zusatzpunkt 6) (vgl. 30. Sitzung, Seite 2544 B und Seite 2557, Anlage 6) Cem Özdemir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): So- wohl 1994 als auch 1998 mußten die Bürgerinnen und Bürger nach den Bundestagswahlen auf eine Auswer- tung und eine umfassende Analyse des Wahlverhaltens nach Alter und Geschlecht verzichten. Der 12. Bundes- tag hatte Sonderauszählungen ausgesetzt, und der ge- ballte Sachverstand der deutschen Wahlforschung konnte die dadurch entstandene Erkenntnislücke nicht schließen. Wir wollen unter strenger Wahrung des Da- tenschutzes die amtliche Statistik wieder einführen. Sie ist nach einhelliger Auffassung von Experten, Wissen- schaftlern und Meinungsforschern unverzichtbar. Ich darf in diesem Zusammenhang übrigens an Entschlie- ßungen des Bundesrates erinnern: Die Landesregierun- gen haben uns schon 1994 und 1998 gedrängt, hier tätig zu werden. Bei Wahlen artikulieren sich die Bürgerinnen und Bürger. Das Ergebnis müssen wir formal hinnehmen: Darum sitzen wir hier in diesem wunderbaren Saal in dieser Zusammensetzung. Wir müssen uns bei unserer Arbeit aber auch im klaren sein, was hinter den Wahler- gebnissen steckt, wie die Parteipräferenzen sind, z.B. von jungen Menschen. Hier können wir Hinweise zur Nei- gung von Jungwählern zu Extremisten in bestimmten Wählergruppen erhalten. Die Meinungsforschung liefert uns nur ein ungenaues Bild. Sie erhebt nicht die tatsäch- lich abgegebenen Stimmen. Als Bürgerrechtspartei nehmen Bündnis 90/Die Grü- nen die datenschutzrechtlichen Einwände sehr, sehr ernst. Wir waren noch nie Freunde der staatlichen Da- tensammelwut. Die Anlage von staatlichen Daten- sammlungen und überflüssigen Datenbeständen haben wir immer abgelehnt. Wir werden das auch in Zukunft ablehnen. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 31. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. März 1999 2617 (A) (C) (B) (D) Bei der Wahlstatistik handelt es sich jedoch nicht um eine flächendeckende Abfrage wie bei einer Volkszäh- lung, sondern um eine sorgfältig erhobene Stichprobe. Hier hat es seit 1953 keine Probleme gegeben, und wir erwarten zukünftig auch keine. Ganz klar sei aber hier gesagt: Wir haben in das Gesetz strenge Sicherungen eingebaut, die es in den alten gesetzlichen Regelungen nicht gab. Zusätzlich haben wir mit der Mindestgröße der Wahlbezirke von 400 Wahlberechtigten auch eine hin- reichende Sperre gegen die Aushebelung des Wahlge- heimnisses. Weniger wäre problematisch. Eine größere Zahl – etwa 500 – wäre datenschutzrechtlich wün- schenswert. Für die Statistik wäre das allerdings pro- blematisch, da dann kleine Gemeinden, und ländliche Gebiete nicht berücksichtigt werden könnten. Dem Schutz des Wahlgeheimnisses dient auch die gesetzliche Festschreibung von zehn Geburtsjahrgangs- gruppen mit jeweils drei Jahrgängen. Weniger Gruppen lassen sich nicht bilden, da wir sonst beispielsweise nichts über das Wahlverhalten junger Erwachsene von 18 bis 21 Jahren in Erfahrung bringen. Bei diesem Gesetzentwurf haben wir sowohl die Be- dürfnisse der Wahlstatistik berücksichtigt als auch die des Datenschutzes. Wir haben also ein vernünftiges Ge- setz zustande gebracht, das sicherlich die begeisterte Zu- stimmung des gesamten hohen Hauses finden wird. Anlage 4 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner 736. Sitzung am 19. März 1999 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzu- stimmen, bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Absatz 2 Grundgesetz nicht zu stellen: – Gesetz zum Einstieg in die ökologische Steuerreform – Gesetz zur Änderung von Zuständigkeiten nach demSorgerechtsübereinkommens-Ausführungsgesetz – Gesetz zur Öffnung der Sozial- und Steuerverwaltung für denEuro (Zweites Euro-Einführungsgesetz) – Gesetz zur Neuregelung der geringfügigen Beschäfti-gungsverhältnisse – Gesetz zur Änderung der Berücksichtigung von Entlassungs-entschädigungen im Arbeitsförderungsrecht (Entlassungsent-schädigungs-Änderungsgesetz – EEÄndG) – Gesetz zu dem Abkommen vom 18. August 1998 zwischender Regierung der Bundesrepublik Deutschland, den Ver-einten Nationen und dem Sekretariat des Übereinkom-mens der Vereinten Nationen zur Bekämpfung der Wü-stenbildung über den Sitz des Ständigen Sekretariats desÜbereinkommens – Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 Zu dem letztgenannten Gesetz hat der Bundesrat fol- gende Entschließung gefaßt: 1. Der Bundesrat begrüßt das vorliegende Steuerentlastungsge-setz 1999/2000/2002, das insbesondere darauf ausgerichtetist, Wachstum und Beschäftigung zu verbessern sowie Ar-beitnehmer/innen und Familien spürbar zu entlasten. Der Bundesrat stellt fest, daß in dem nun vom DeutschenBundestag beschlossenen Gesetzentwurf wesentliche steuerli-che Belange der mittelständischen Unternehmen eine ange-messene Berücksichtigung gefunden haben. Der Bundesratverweist in diesem Zusammenhang insbesondere auf die Bei-behaltung der Teilwertabschreibung, des Verlustrücktragesund der Ansparabschreibung sowie auf die Freibetragsrege-lung bei Veräußerungsgewinnen. Der Bundesrat erwartet, daß die Reform der Unternehmens-besteuerung ab dem Jahr 2000 umgesetzt wird. 2. Der Bundesrat weist – wie schon gegenüber der alten Bundes-regierung – auf den Ausgleichsanspruch der Länder aus derNeuregelung des Familienleistungsausgleichs hin, wonach derBund einen Anteil von 74 vom Hundert und die Länder einenAnteil von 26 vom Hundert der Lasten aus der Berücksichti-gung von Kindern im Einkommensteuerrecht zu tragen haben.Allein aus der Leistungsverbesserung beim Kindergeld abdem Jahr 1999 haben die Länder einen Anspruch von rund1,8 Mrd. DM. Zur Herstellung des vorgesehenen Lasten-teilungsverhältnisses haben die Länder darüber hinausAnsprüche von rund 2,4 Mrd. DM für das Jahr 1999 und vonrund 5,7 Mrd. DM für die Jahre 1996 bis 1998. Insgesamtbeläuft sich der Anspruch der Länder daher auf rund10 Mrd. DM. Die Länder halten daher ihre Forderung aufrecht, daß derBund der im Grundgesetz festgelegten Ausgleichspflicht ge-genüber den Ländern und ihren Gemeinden nachkommt. Die Fraktion der PDS hat mit Schreiben vom 18. März 1999 ihren Antrag „Verlängerung der Pachtver- träge für ehemals volkseigene Flächen“ – Drucksache 14/291 – zurückgezogen. Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu der nachstehenden Vorlage absieht: Innenausschuß – Unterrichtung durch die Bundesregierung Umfassender Bericht über bisherige Wiedergutma-chungsleistungen deutscher Unternehmen – Drucksachen 13/4787, 14/272 Nr. 6 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über den Stand der Ab-wicklung des Fonds für Wiedergutmachungsleistungenan jüdische Verfolgte – Drucksachen 13/8684, 14/272 Nr. 7 – Ausschuß für Wirtschaft und Technologie – Fünfter Zwischenbericht der Enquete-Kommission „Zu-kunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft –Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft“ zum Thema Verbraucherschutz in der Informationsgesellschaft – Drucksachen 13/11003, 14/272 Nr. 81 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht über die Anwendung des Subsidiaritätsprinzipsim Jahr 1997 („Subsidiaritätsbericht 1997“) – Drucksachen 13/11074, 14/272 Nr. 82 – Ausschuß für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht zum Stand der Planungen für umweltfreundli-che Ansätze bei den Bauten des Bundes in Berlin – Drucksachen 13/11211, 14/69 Nr. 1.3 – Ausschuß für Angelegenheiten der neuen Länder – Unterrichtung durch die Bundesregierung Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand derDeutschen Einheit 1998 – Drucksachen 13/10823, 14/272 Nr. 172 – 2618 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 31. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. März 1999 (A) (C) (B) (D) – Unterrichtung durch die Bundesregierung Perspektivbericht der Bundesregierung „Vorrang fürAufbau Ost“ – Drucksachen 13/11073, 14/272 Nr. 173 – Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EU- Vorlagen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Parlament zur Kenntnis genommen oder von einer Be- ratung abgesehen hat. Auswärtiger Ausschuß Drucksache 14/272 Nr. 2 Innenausschuß Drucksache 14/272 Nr. 10Drucksache 14/272 Nr. 11Drucksache 14/272 Nr. 12Drucksache 14/342 Nr. 1.1Drucksache 14/342 Nr. 2.43 Rechtsausschuß Drucksache 14/272 Nr. 22Drucksache 14/309 Nr. 2.3Drucksache 14/309 Nr. 2.40Drucksache 14/488 Nr. 2.14 Finanzausschuß Drucksache 14/342 Nr. 2.19Drucksache 14/488 Nr. 2.22Drucksache 14/488 Nr. 2.35Drucksache 14/488 Nr. 2.41 Ausschuß für Wirtschaft und Technologie Drucksache 14/342 Nr. 1.7Drucksache 14/342 Nr. 2.1Drucksache 14/342 Nr. 2.2Drucksache 14/342 Nr. 2.4Drucksache 14/342 Nr. 2.8Drucksache 14/342 Nr. 2.14Drucksache 14/342 Nr. 2.15Drucksache 14/342 Nr. 2.30Drucksache 14/342 Nr. 2.31Drucksache 14/342 Nr. 2.52Drucksache 14/342 Nr. 2.56Drucksache 14/342 Nr. 2.57 Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Drucksache 14/272 Nr. 103Drucksache 14/272 Nr. 104Drucksache 14/272 Nr. 105 Drucksache 14/272 Nr. 108Drucksache 14/272 Nr. 109Drucksache 14/272 Nr. 1.10Drucksache 14/309 Nr. 2.23Drucksache 14/309 Nr. 2.27Drucksache 14/309 Nr. 2.33Drucksache 14/309 Nr. 2.34Drucksache 14/309 Nr. 2.56Drucksache 14/309 Nr. 2.59Drucksache 14/309 Nr. 2.64Drucksache 14/309 Nr. 2.67Drucksache 14/309 Nr. 2.68Drucksache 14/342 Nr. 2.7Drucksache 14/342 Nr. 2.10Drucksache 14/342 Nr. 2.11Drucksache 14/342 Nr. 2.13Drucksache 14/342 Nr. 2.26Drucksache 14/342 Nr. 2.27Drucksache 14/342 Nr. 2.28Drucksache 14/342 Nr. 2.29Drucksache 14/342 Nr. 2.32Drucksache 14/342 Nr. 2.33Drucksache 14/342 Nr. 2.35Drucksache 14/342 Nr. 2.44Drucksache 14/342 Nr. 2.46Drucksache 14/342 Nr. 2.47Drucksache 14/342 Nr. 2.48Drucksache 14/342 Nr. 2.49Drucksache 14/342 Nr. 2.51Drucksache 14/342 Nr. 2.53Drucksache 14/342 Nr. 2.55Drucksache 14/431 Nr. 2.4Drucksache 14/488 Nr. 2.28 Ausschuß für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen Drucksache 14/272 Nr. 147Drucksache 14/272 Nr. 150Drucksache 14/272 Nr. 155Drucksache 14/272 Nr. 158Drucksache 14/309 Nr. 1.3Drucksache 14/309 Nr. 2.48 Ausschuß für Menschenrechte und humanitäre Hilfe Drucksache 14/74 Nr. 2.21Drucksache 14/74 Nr. 2.38 Ausschuß für Kultur und Medien Drucksache 14/74 Nr. 1.19Drucksache 14/74 Nr. 2.101Drucksache 14/272 Nr. 215 Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Uni-on Drucksache 14/309 Nr. 2.63 Druck: Bonner Universitäts-Buchdruckerei, 53113 Bonn 53003 Bonn, Telefon: 02 28/3 82 08 40, Telefax: 02 28/3 82 08 44 20
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Wolfgang Schäuble


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Frau Präsi-
    dentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eugen
    Gerstenmaier, der große Präsident dieses Hauses, hat
    seine Memoiren mit dem Titel überschrieben: „Streit
    und Friede hat seine Zeit“. Wir sind heute in einer be-
    sonderen Situation. Wir haben, Herr Bundeskanzler, ge-
    stern schon kurz darüber debattiert. Deswegen will ich
    ganz ruhig und klar sagen, inwieweit wir das unterstüt-
    zen, was Sie gesagt haben, und worin wir uns unter-
    scheiden.

    Wir unterstützen, Herr Bundeskanzler, das, was Sie
    zur Lage im Kosovo gesagt haben. Ich habe gestern für
    die CDU/CSU-Fraktion erklärt, daß sich die Bundesre-
    gierung auf unsere Unterstützung verlassen kann.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


    Ich fand richtig – und wir unterstützen das –, was Sie
    grundsätzlich zu Europa, zum Prozeß der europäischen
    Integration und zu der Notwendigkeit der Erweiterung
    gesagt haben. Wir unterstützen besonders und begrüßen,
    daß es dem Europäischen Rat gelungen ist, sich so rasch
    auf einen Nachfolger von Santer zu einigen. Wir begrü-
    ßen, daß man sich darauf geeinigt hat, Romano Prodi als
    neuen Kommissionspräsidenten vorzuschlagen.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Wir sind in der Bewertung dessen, was auf dem Berli-
    ner Gipfel zur Agenda 2000 erreicht worden ist, unter-
    schiedlicher Meinung. Das muß auch so bleiben. Herr
    Bundeskanzler, ich glaube auch gar nicht, daß es gut wä-
    re, wenn wir Europa und europapolitische Fragen, wie Sie
    am Schluß ein bißchen mißverständlich – vielleicht habe
    ich Sie nicht richtig verstanden – gesagt haben, aus dem
    Streit, aus der politischen Konkurrenz herausnehmen
    würden. Die Demokratie, die Suche nach Alternativen,
    das Ringen um die besseren Lösungen muß bei aller Ge-
    meinsamkeit darüber, daß die europäische Einigung das
    wichtigste Projekt am Ende dieses Jahrhunderts ist, auch
    und gerade in europäischen Fragen funktionieren.

    Ich möchte gerne noch ein Wort zu der aktuellen Si-
    tuation im Kosovo sagen. Das erste ist: Wir fühlen uns
    in diesen Stunden mit den Soldaten, mit ihren Familien
    und auch mit den Streitkräften unserer Verbündeten ver-
    bunden. Unsere Unterstützung gilt ihnen. Wir begrüßen,
    daß alles getan wird, um Gefahren so gering wie mög-
    lich zu halten.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Man muß es immer und immer wieder sagen: Die
    Völkergemeinschaft hat mit unendlicher Langmut ver-
    sucht zu verhindern, was unvermeidlich geworden ist.
    Aber es ist gut, notwendig und unausweichlich, daß am

    Bundeskanzler Gerhard Schröder






    (B)



    (A) (C)



    (D)


    Ende Langmut nicht mit Wankelmut verwechselt wer-
    den durfte. Deswegen mußte jetzt eine klare, feste Ent-
    scheidung getroffen werden.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Die Angriffe richten sich nicht gegen das serbische

    Volk. Die Menschen sollten sich auch nicht durch die
    jetzt angeworfene Propagandamaschine in die Irre leiten
    lassen. Worum es geht, ist, Morden zu verhinden und zu
    helfen, daß der Friede so rasch wie möglich überall in
    Europa, auch in Jugoslawien und vor allem im Kosovo,
    wiederhergestellt wird. Worum es geht, ist, daß eine
    Tragödie für Hunderttausende von Menschen so rasch
    wie möglich beendet wird. Darum und um nichts ande-
    res geht es. Dafür werden wir geschlossen und ent-
    schlossen die getroffenen Entscheidungen unterstützen.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


    Wir stimmen darin überein, daß es notwendig und
    richtig ist, so rasch wie möglich zu erreichen, daß die
    Waffen im Kosovo schweigen, und so rasch wie mög-
    lich die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß wieder
    humanitäre Hilfe geleistet werden kann, damit das
    Elend, dem die Menschen durch die Aggression, das
    Verbrechen, das Morden dieses Diktators ausgesetzt
    sind, gelindert werden kann.

    Ich will noch eine Bemerkung im Hinblick auf manche
    Äußerungen aus diesem Hause am gestrigen Tage und
    auch in der öffentlichen Debatte machen: Ich finde, wir
    haben im Oktober in Kenntnis aller Probleme auf sicherer
    verfassungsrechtlicher und völkerrechtlicher Grund-
    lage die notwendige Entscheidung dieses Bundestages
    sorgfältig erwogen und getroffen. Ich bin dagegen, jetzt in
    eine verfassungsrechtliche Rabulistik einzutreten, die
    nicht weiterführt. Im übrigen will ich noch eine Bemer-
    kung machen: Das Verfassungsgericht hat die Klage ge-
    gen diesen militärischen Einsatz ja zurückgewiesen.

    Ich habe schon einmal diesen Aufsatz aus einer gro-
    ßen deutschen Tageszeitung im Zusammenhang damit
    zitiert. Wenn ich mir die verfassungsrechtlichen Debat-
    ten dazu so anhöre, habe ich das Gefühl, daß man nicht
    immer unterscheiden kann. Wir werden nicht durch
    einen Verzicht auf militärische Mittel – eingesetzt zur
    Bewahrung des Friedens und zur Beendigung des Mor-
    dens – Frieden erreichen und das Morden beenden. Es
    geht darum, größeres Morden zu verhindern.

    Es kann am Ende dieses Jahrhunderts doch nicht sein,
    daß am Schluß dieser rabulistischen Diskussionen Über-
    schriften stehen wie jene eines Zeitschriftenaufsatzes, die
    da lautete: „Wir lassen uns in Ruhe – auch beim Morden“.
    Wir dürfen uns in Europa und in dieser einen Welt beim
    Morden nicht mehr in Ruhe lassen. Darum geht es.


    (Beifall bei der CDU/CSU, der F.D.P. und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Die aktuelle Lage unterstreicht – insofern fand dieser
    Berliner Gipfel ganz gewiß unter bestimmten Umständen
    statt –, wie notwendig ein handlungsfähiges, ein starkes
    Europa ist. Es ist der beste Weg, die größte Chance an der
    Schwelle zum kommenden Jahrhundert, Frieden in ganz

    Europa sicherzustellen, was leider in diesen Tagen immer
    noch nicht gelungen ist. Deswegen ist es auch richtig, daß
    wir alle unsere Kraft darauf verwenden, den Beitritt der
    Länder aus Mittelost- und Südosteuropa so rasch wie
    möglich voranzubringen. In diesem Zusammenhang ist
    daran zu erinnern, daß die Aufgabe der Agenda 2000 vor
    allem darin bestand, die Voraussetzungen dafür zu schaf-
    fen, daß dieser Beitritt erleichtert wird und er so rasch wie
    möglich zustande kommen kann. Auch da stimmen wir
    also im Grundsätzlichen überein.

    Ich finde gut, daß die Entscheidung für Romano
    Prodi so schnell getroffen worden ist. Wir unterstützen
    auch die Absicht, schon jetzt nach den Regeln des Am-
    sterdamer Vertrages – auch wenn er noch gar nicht in
    Kraft ist – zu verfahren, so daß die Entscheidung des
    Rates durch das jetzt im Amt befindliche Europäische
    Parlament bestätigt und Prodi beauftragt wird, ein Re-
    formprogramm zu entwickeln und eine Kommission zu
    bilden. Diese muß dann noch einmal als Ganzes vom
    neu zu wählenden Parlament einer Bestätigung zuge-
    führt werden, um dann eine neue, handlungsfähige
    Kommission zu haben, die für die volle Amtszeit von
    fünf Jahren an einem Programm institutioneller Refor-
    men arbeiten und somit einen Beitrag leisten kann, um
    den wichtigen und schwierigen Reformprozeß in Europa
    voranzubringen.

    Aber die Beschlüsse zur Agenda 2000 bleiben – das
    muß man sagen – hinter den Notwendigkeiten und hinter
    den gesteckten Erwartungen zurück.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Das gilt in besonderer Weise für die Agrarpolitik; dar-
    an kann kein Zweifel sein. Natürlich muß man Kom-
    promisse finden, natürlich war es schwierig. Aber was
    wir schon vor einer Woche gesagt haben, gilt auch heu-
    te: Es war nach unserer Überzeugung ein schwerer Feh-
    ler, das von einer Mehrheit der Mitgliedstaaten unter-
    stützte Ziel der Kofinanzierung als einen ersten Schritt
    für mehr Subsidiarität auch in der Agrarpolitik schon
    vor dem Berliner Gipfel aufzugeben.


    (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Leider!)

    Die Aufgabe dieser Position hat sich auf die Ergebnisse des
    Berliner Gipfels, so wie wir sie kennen, zum Nachteil einer
    wirkungsvollen Reform der Agrarpolitik ausgewirkt.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wir kennen die Zahlen nicht im einzelnen. Das ist

    keine Kritik; der Berliner Gipfel ging ja bis in die frühen
    Morgenstunden. Wir legen einen Entschließungsantrag
    vor, in dem wir – gemäß unserer Überzeugung, daß das
    Parlament als Ganzes Stellung beziehen sollte – eine
    Position formulieren. Aber auch wenn man die Zahlen
    nicht im einzelnen kennt, eines ist klar: Die grundlegen-
    den Probleme in der Agrarpolitik werden durch das Er-
    gebnis des Berliner Gipfels nicht gelöst. Manches wird
    sogar schlechter. Der Preisdruck beispielsweise durch
    die Milchquoten wird eher stärker werden. Die Ein-
    kommenseinbußen für die deutsche Landwirtschaft
    – wie immer sich die Zahlen im einzelnen darstellen –
    sind erheblich. Wir muten keinem anderen Teil unserer
    Bevölkerung etwas Vergleichbares zu.

    Dr. Wolfgang Schäuble






    (A) (C)



    (B) (D)


    Angesichts dieser Situation, wo wir den Bauern in
    Deutschland etwas zumuten, was wir keiner anderen
    Bevölkerungsgruppe zumuten, will ich noch einmal mit
    allem Nachdruck an die Mehrheit dieses Hauses appel-
    lieren: Es ist falsch und unverantwortlich, durch Maß-
    nahmen nationaler Gesetzgebung – von der sogenannten
    Steuerentlastung, die für die Landwirtschaft eine Steuer-
    mehrbelastung bedeutet,


    (Widerspruch bei der SPD)

    über die Ökosteuer bis zur Kürzung der Zuschüsse für
    die landwirtschaftliche Unfallversicherung – zusätzliche
    Einkommensverluste in einer Größenordnung von
    1,8 Milliarden DM für die deutsche Landwirtschaft zu
    beschließen.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Auch wenn es unvermeidlich ist, im Zuge der Reform

    der europäischen Agrarpolitik Kompromisse zu schlie-
    ßen, auch Opfer zuzumuten, ist es in einer solchen Si-
    tuation auch um des inneren Friedens und der sozialer
    Gerechtigkeit willen in diesem Lande geradezu verhee-
    rend, der Bevölkerungsgruppe, der man die meisten
    Auswirkungen von Reformen zumutet – vielleicht teil-
    weise zumuten muß –, durch nationale Maßnahmen zu-
    sätzliche Belastungen aufzuerlegen, anstatt daß man ver-
    sucht, die Auswirkungen für die betroffenen Menschen,
    für die betroffene Bevölkerungsgruppe durch nationale
    Maßnahmen zu mindern.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


    Ich sage noch einmal, verehrte Kolleginnen und Kol-
    legen: Wer glaubt, die Bauern in unserem Lande seien
    nur eine kleine Minderheit, über die man sich leicht
    hinwegsetzen könne, der hat nicht verstanden, daß die
    Stabilität unseres Landes auf einem ausgewogenen Ver-
    hältnis von städtischen Ballungszentren und ländlichen
    Räumen beruht und daß der ländliche Raum ohne eine
    funktionierende Landwirtschaft nicht lebensfähig ist.
    Das wird auch in der Zukunft so bleiben.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Deswegen: Wer die Lebensfähigkeit unserer Land-

    wirtschaft untergräbt, schadet nicht nur den Bauern,
    sondern verletzt die innere Stabilität unseres Landes.


    (Uwe Hiksch [SPD]: Das glauben Sie ja selber nicht!)


    – Ja, natürlich, wegen der Ausgewogenheit im Vergleich
    zu anderen Ländern. Ich komme gleich auf die Regio-
    nalpolitik zu sprechen.


    (Ludwig Stiegler [SPD]: Das weiß der Kalle Funke besser!)


    Wenn Sie ein wenig über die Vorteile unserer Bun-
    desrepublik Deutschland – eine größere Balance auch
    als Folge unseres föderalen Systems und eine größere
    Ausgewogenheit zwischen ländlichen Regionen, klei-
    nen, mittleren und großen Städten bzw. Zentren – nach-
    denken, dann werden Sie vielleicht verstehen, daß die
    Lebensfähigkeit des ländlichen Raumes nicht nur für die
    Menschen dort, sondern auch für die Menschen in den

    städtischen Ballungszentren wichtig ist. Deswegen geht
    es nicht um Klientelpolitik, sondern um die richtigen
    ordnungs- und strukturpolitischen Entscheidungen für
    unser Land.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich will noch einmal sagen: Natürlich muß die euro-

    päische Agrarpolitik reformiert werden, um die Voraus-
    setzungen dafür zu schaffen, daß die Erweiterung der
    Europäischen Union besser vorankommt. Da wir aber
    gleichzeitig darüber reden, Herr Bundeskanzler, wie der
    weitere Weg institutioneller Reformen auszusehen hat
    – von den Arbeiten, die Romano Prodi in der Vorberei-
    tung auf eine neue Kommission und sein Programm zu
    leisten hat bis zum Kölner Gipfel und zu dem Prozeß,
    der von dort ausgehen muß –, will ich noch einmal das
    Prinzip beschreiben: Wir werden die Probleme der euro-
    päischen Agrarpolitik besser lösen, wenn wir im Bereich
    der Einkommenshilfen – wie immer sie heißen, ob es
    landwirtschaftliche Sozialpolitik ist, ob es direkte Ein-
    kommensbeihilfen oder was auch immer sind – das
    Subsidiaritätsprinzip stärker verwirklichen.

    Wir können angesichts der ganz unterschiedlichen
    klimatischen, regionalen und sonstigen Strukturen in Eu-
    ropa, des unterschiedlichen Wohlstands und Preisni-
    veaus in Europa


    (Ludwig Stiegler [SPD]: Jetzt erzählt er Selbstverständliches!)


    bei der Reform der europäischen Agrarpolitik die Le-
    bensfähigkeit der Landwirtschaft in Deutschland nicht
    allein durch europäische Maßnahmen sichern. Deswe-
    gen brauchen wir stärker das Subsidiaritätsprinzip.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Weil auf dem Berliner Gipfel keine Vereinbarung über
    Maßnahmen zu stärkeren nationalen Gestaltungsmög-
    lichkeiten erreicht worden ist – die Kofinanzierung wäre
    der entscheidende Schritt in diese Richtung gewesen –,
    ist dieser Gipfel gescheitert. Dafür trägt die Bundesre-
    gierung erhebliche Verantwortung.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. – Widerspruch bei der SPD)


    – Ich weiß doch, daß das für Frankreich ein ganz
    schwieriges Thema ist.


    (Bundesminister Joseph Fischer: Nächstes Mal nehmen wir Sie mit!)


    – Die deutsch-französische Freundschaft ist doch kein
    Grund dafür, daß man mit unseren französischen Freun-
    den und Nachbarn nicht intensiv darüber reden kann und
    muß, was der richtige Weg für Europa ist. Wenn man
    aber die Debatte so, wie Bundeskanzler Schröder es An-
    fang des Jahres getan hat, als er sagte, jetzt ist Schluß
    damit, daß in Brüssel das deutsche Geld verbraten wird,
    beginnt, dann kann man mit Frankreich nicht zu einem
    Ergebnis kommen.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das war Herr Stoiber!)


    Dr. Wolfgang Schäuble






    (B)



    (A) (C)



    (D)


    Es ist doch bemerkenswert, daß Tony Blair nach sei-
    ner Rückkehr sagen kann – wenn ich die Agenturmel-
    dungen richtig gelesen habe –, daß kein britisches Pfund
    mehr bezahlt werde und man den britischen Beitragsra-
    batt gehalten habe. Auch die Franzosen können sagen:
    Wir haben alles gehalten. Auch die Südländer können
    sagen: Wir haben alles gehalten.


    (Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

    Aber der deutsche Bundeskanzler, der am Anfang der
    deutschen Präsidentschaft am meisten davon geredet hat,
    welche angeblichen Fehler seiner Vorgängerregierung
    jetzt korrigiert werden müssen, hat am wenigsten er-
    reicht. So macht man sich durch eigenes Reden die
    Erfolge kaputt.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Dr. Eberhard Brecht [SPD]: Wer hat denn die Kürzungen ins Spiel gebracht? – Weiterer Zuruf von der SPD: Jetzt kommen Sie wieder in das alte Fahrwasser!)


    Herr Bundeskanzler, lassen Sie doch endlich davon
    ab, die Legende zu bilden – ich drücke mich noch sehr
    zurückhaltend aus –,


    (Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Stoiber sitzt auf der anderen Bank!)


    als sei in den vergangenen Jahren die Entwicklung dahin
    gegangen, daß Deutschland immer mehr gezahlt habe,
    und als habe Ihre Vorgängerregierung – wie haben Sie
    sich ausgedrückt? – das Geld geradezu nach Brüssel ge-
    schaufelt, damit es dort verbraten werde. Die Wahrheit
    ist, daß der deutsche Nettobeitrag nach den amtlichen
    Zahlen der Kommission in den Jahren 1994 bis 1997
    – für diese Jahre haben wir die amtlichen Zahlen; für
    1998 gibt es die Zahlen noch nicht – von 27 Milliarden
    DM auf 22 Milliarden DM gesunken ist. Die Trendwen-
    de ist also 1994 eingeläutet worden.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


    Die von Ihnen in Ihrer Regierungserklärung eingefor-
    derte Gemeinsamkeit kann nicht auf der Grundlage fal-
    scher Zahlen und falscher Legenden zustande kommen,
    mit denen Sie die Bevölkerung und das Parlament ein
    Stück weit täuschen. Die Wahrheit ist, daß die Regie-
    rung Kohl/Waigel in den Jahren 1994 bis 1997 eine
    Trendwende durch die Senkung des deutschen Netto-
    beitrags von 27 auf 22 Milliarden DM erreicht hat. Ge-
    messen daran sind die Ergebnisse, die Sie in Berlin er-
    reicht haben, ausgesprochen kläglich.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


    Ich will noch ein Wort zur europäischen Regional-
    politik sagen. In der heutigen Debatte will ich vor allen
    Dingen noch einmal das Prinzip, um das es uns geht,
    klarmachen. Wir sagen in unserem Entschließungsantrag
    – ich habe das auch in der vergangenen Woche von die-
    sem Platz aus gesagt –: Wir akzeptieren, daß die Förde-
    rung für die Bundesrepublik Deutschland aus den euro-
    päischen Strukturfonds zurückgeführt wird. Wir akzep-

    tieren notfalls auch, daß die Strukturförderung für
    Deutschland überdurchschnittlich zurückgeführt wird.
    Das ist ja das Ergebnis von Berlin, wenn man die Zah-
    len, die wir jetzt kennen, einigermaßen richtig bewertet.
    Wenn dies aber geschieht, dann ist es zwingend notwen-
    dig, daß die Mitgliedstaaten und die Regionen, soweit
    sie in den Mitgliedstaaten eine rechtliche Qualität besit-
    zen – für die Bundesrepublik Deutschland heißt das
    Bund und Länder –, mehr Möglichkeiten erhalten, mit
    eigenen Mitteln in eigener Zuständigkeit regionale Pro-
    bleme zu lösen, für die es in Zukunft weniger Mittel aus
    Brüsseler Kassen gibt. Das fordern wir; das haben Sie
    nicht erreicht.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


    Das läßt sich an vielen Zahlen belegen.
    Das Entscheidende ist, daß wir das Prinzip der Auf-

    gabenabschichtung, der Subsidiarität, klarer durchsetzen
    müssen: Wofür ist Europa, wofür sind die Mitgliedstaa-
    ten und wofür sind die Regionen zuständig? Das wird
    auch die entscheidende Aufgabe für den institutionellen
    Reformprozeß sein müssen.

    Wenn wir in Europa weiterhin die Entwicklung ha-
    ben, daß für immer mehr Aufgaben in immer stärkerem
    Maße die europäische Ebene zuständig ist, daß wir eine
    Mischfinanzierung haben, die am Ende keiner mehr
    richtig durchschaut, und daß wir auf europäischen Gip-
    feln in den Nacht- und Morgenstunden Regelungen und
    Geld hin- und herschieben – 10 Millionen für dich,
    5 Millionen für mich –, so daß am Ende keiner mehr
    weiß – das ist kein Vorwurf –, was nun im einzelnen be-
    schlossen worden ist, dann werden wir – –


    (Dr. Peter Struck [SPD]: Wie war es denn früher?)


    – Ich bitte Sie herzlich, verehrte Kolleginnen und Kolle-
    gen, ich habe mit keinem Wort kritisiert, daß der Bun-
    deskanzler in seiner Regierungserklärung keinerlei sub-
    stantielle Angaben zu den Inhalten des Ergebnisses des
    Berliner Gipfels gemacht hat.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


    Aber wenn Sie hier solche Zwischenrufe machen, dann
    muß ich doch darauf hinweisen, daß ich ja verstehe, daß
    man ein paar Stunden nach Abschluß des Gipfels noch
    nicht in einer Regierungserklärung sagen kann, was im
    einzelnen beschlossen worden ist.


    (Widerspruch bei der SPD)

    Das zeigt doch die Absurdität dieses Verfahrens. Das

    können wir nur dann besser lösen, wenn wir bei der in-
    stitutionellen Reform der Europäischen Union zu ein-
    facheren, klareren Regelungen kommen. Es muß nicht
    jede Aufgabe in Europa durch europäische Institutionen
    gelöst werden. Subsidiarität, mehr Bürgernähe, mehr
    Transparenz und mehr Klarheit, das ist der bessere Weg,
    um Europa voranzubringen.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)


    Dr. Wolfgang Schäuble






    (A) (C)



    (B) (D)


    Das ist vor allen Dingen deswegen wichtig, weil wir
    Europa nur voranbringen werden, wenn es uns gelingt,
    die Menschen in Europa und auch in Deutschland davon
    zu überzeugen – und zwar sowohl im Großen und
    Grundsätzlichen als auch im Kleinen und Konkreten,
    also nicht nur in den Festreden, sondern auch im Alltag –,
    daß Europa der bessere Weg für unsere Zukunft ist.
    Deswegen müssen die Ergebnisse und die Entscheidun-
    gen in Europa für die Menschen nachvollziehbar sein.
    Deswegen muß man wissen, wer was entscheidet, wer
    wofür die Verantwortung trägt, warum welche Entschei-
    dung getroffen wird und wie sie demokratisch legiti-
    miert ist. Das ist, in einfachen Worten, die Aufgabe für
    die institutionellen Reformen.

    Davon war im übrigen der Berliner Gipfel ein Teil.
    Die Ergebnisse des Berliner Gipfels werden diesem
    Maßstab aber nicht gerecht. Sie bedeuten nicht eine
    Stärkung der Subsidiarität in Europa, sondern sie resul-
    tieren wiederum nur aus dem Versuch – vielleicht war es
    in dieser Woche in der Lage gar nicht anders möglich –,
    die Milliarden ohne eine systematische Klarheit hin- und
    herzuschieben. Bei diesem Hin- und Herschieben von
    Milliarden hat die deutsche Präsidentschaft für die deut-
    schen Interessen weniger erreicht, als die Regierungen
    anderer Mitgliedstaaten erreicht haben, wie alle Agen-
    turmeldungen von heute morgen zeigen.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Damit sich dies nicht wiederholt, wird es notwendig

    sein – ich nütze die Gelegenheit dieser Debatte, dafür zu
    werben –, daß wir Europa bei den institutionellen Re-
    formen mit einer Art Verfassungsvertrag unterstützen,
    um das Ganze für die Menschen einsehbar und nach-
    vollziehbar zu machen, um die Menschen für Europa zu
    gewinnen und sie mitzunehmen. Sie sollen sehen, daß
    ihre Sache dort entschieden wird, und zwar nicht nega-
    tiv, sondern positiv. Es soll erkennbar werden, wer in
    Europa für welche Entscheidung zuständig ist und wie
    jede Entscheidung in Europa demokratisch legitimiert
    wird – auch das ist wichtig –, was wir nicht allein durch
    die nationalen Parlamente machen können, weswegen
    das Europäische Parlament gestärkt werden muß. Je bes-
    ser das gelingt, um so größer sind die Chancen, daß wir
    die Menschen dafür gewinnen, den Weg der europäi-
    schen Einigung in guten und in schwierigen Zeiten wei-
    ter voranzugehen. Das ist das Wichtigste. Die große
    Aufgabe deutscher und europäischer Politik ist ange-
    sichts der Ereignisse dieser Woche, in der sich viele
    dramatische Entwicklungen sozusagen wie zu einem
    Knoten zusammengefügt haben, dafür zu sorgen, daß
    sich die Menschen weiterhin für die demokratischen
    Entscheidungsprozesse interessieren.

    Deswegen darf dieser Punkt nicht aus dem demokra-
    tischen Meinungsstreit ausgeklammert werden, Herr
    Bundeskanzler. Die entsprechende Diskussion muß
    vielmehr Gegenstand des demokratischen Wettbewerbs
    sein. Es muß klar sein, wer wo um welche Konzeptionen
    streitet. Unsere Konzeption für Europa beinhaltet ein
    handlungsfähiges und starkes Europa; ein Europa, das
    Frieden, Freiheit, Menschenrechte, soziale Gerechtig-
    keit, wirtschaftlichen Wohlstand, ökologische Nachhal-
    tigkeit und den Schutz von Natur und Umwelt sichert.
    Aus diesem Grunde ist die Erweiterung so wichtig.

    Wir müssen die Subsidiarität stärken, um demokrati-
    sche Entscheidungen auf allen Ebenen zu ermöglichen,
    und wir müssen die kommunale Selbstverwaltung und
    die Zuständigkeit der Länder ernst nehmen. Die Mit-
    gliedstaaten müssen ihre Funktion, die sie bisher wahr-
    genommen haben, beibehalten und sich für die Interes-
    sen der Menschen einsetzen. Europa ist längst nicht
    mehr eine Festveranstaltung, sondern – wenn die Politik
    richtig angelegt ist – die beste Antwort, um die Interes-
    sen der Deutschen im kommenden Jahrhundert zu wah-
    ren.

    Dazu gehört, daß wir die Kraft aufbringen, Entschei-
    dungen zu treffen, auch wenn die Entscheidungen, für
    die es wie im Falle der aktuellen Lage im Kosovo keine
    bessere Alternative gibt, sehr weh tun.


    (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU – Beifall bei der F.D.P.)




Rede von Dr. Antje Vollmer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das Wort hat
jetzt der Fraktionsvorsitzende der SPD, Peter Struck.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Peter Struck


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Meine
    sehr verehrten Damen und Herren! Herr Bundeskanzler,
    im Namen der SPD-Fraktion gratuliere ich Ihnen zu den
    Ergebnissen, die Sie in Berlin erreicht haben.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Bevor ich darauf und auch auf die Bemerkungen
    meines Vorredners näher eingehe, möchte ich noch eini-
    ge Ausführungen zur aktuellen Situation im Kosovo
    machen. Niemand in diesem Hause wird in diesen Tagen
    und Stunden ohne Skrupel sein; niemand wird unbeein-
    druckt von den Fernsehbildern der letzten beiden Nächte
    sein. Es wird niemanden geben, der sich nicht eindring-
    lich fragt und prüft, ob der militärische Einsatz in Jugo-
    slawien wirklich berechtigt ist. Es wird auch niemanden
    geben, der sich nicht der gewaltigen Zäsur bewußt ist,
    daß erstmals nach dem zweiten Weltkrieg deutsche Sol-
    daten in Kampfeinsätze geschickt werden mußten.

    Ich muß für meine Person bedrückt feststellen, daß ich
    keine Alternative zu diesen Entscheidungen gefunden ha-
    be. Ich halte die begonnenen Luftschläge gegen militäri-
    sche Ziele in Jugoslawien für unabdingbar. Die Gewalt-
    herrschaft des jugoslawischen Präsidenten Milosevic und
    das blutige, menschenverachtende Vorgehen der serbi-
    schen Polizei- und Militärkräfte im Kosovo konnten mit
    diplomatischen und politischen Mitteln nicht mehr ge-
    stoppt werden. Im Gegenteil: Je intensiver sich die USA,
    Europa und auch die Vereinten Nationen um Lösungen
    bemühten, desto grausamer gingen die Schergen von Mi-
    losevic im Kosovo vor: mehr als 2 000 Tote, über 500
    zerstörte Dörfer und 500 000 Vertriebene. Die Tragödie
    der Kosovo-Albaner mußte ein Ende haben.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


    Es gab viele Stimmen, die das Zuwarten der NATO
    seit dem Massaker von Racak im letzten Januar kritisiert

    Dr. Wolfgang Schäuble






    (B)



    (A) (C)



    (D)


    haben. Sie könnten vielleicht sogar recht haben. Un-
    zweifelhaft ist aber auf jeden Fall, daß die Regierungen
    der NATO-Mitgliedstaaten, die Bosnien-Kontaktgruppe,
    die Europäische Union, die OSZE und die Vereinten
    Nationen alles versucht und alle Möglichkeiten ausge-
    schöpft haben, um Milosevic zu einer friedlichen Lö-
    sung des Konflikts zu bewegen. Auch die russische Re-
    gierung hat sich intensiv an solchen Überzeugungsver-
    suchen beteiligt.

    Alle diese Versuche hatten das Ziel, einerseits Ver-
    treibungen, Dorfzerstörungen und Tötungen durch serbi-
    sche Einheiten zu beenden, andererseits den Gewaltak-
    ten der albanischen UCK Einhalt zu gebieten. Sie zielten
    auf eine menschenrechtskonforme Lösung des Konflikts
    im Rahmen einer fairen Lösung für beide Konfliktpar-
    teien: Bewahrung und Sicherstellung der Souveränität
    und der territorialen Integrität Jugoslawiens, weitgehen-
    de Autonomie und Selbstverwaltung für die albanische
    Mehrheit im Kosovo, Garantie der individuellen Men-
    schenrechte. Alle diese Bemühungen aber prallten an
    dem machtversessenen, zynischen Diktator Milosevic
    ab.

    Angesichts dieser Erfahrungen darf Europa kein
    zweites Srebrenica zulassen!


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Wolfgang Gerhardt [F.D.P.])


    In Bosnien haben wir zu lange gewartet, nicht frühzeitig
    genug schwerste Verbrechen gegen die Menschlichkeit
    unterbunden und haben dadurch einen Völkermord mit-
    ten in Europa geschehen lassen. Das darf und wird uns
    nicht noch einmal passieren. – Wenn wir glaubhaft für
    den Aufbau und die Schaffung eines demokratischen
    Europas eintreten wollen, wenn wir für dieses Europa
    die höchsten Menschenrechtsnormen beanspruchen, dann
    bleibt uns nichts, als gegen die humanitäre Katastrophe,
    gegen Gewalt und Willkür im Kosovo entschieden vor-
    zugehen.

    Ich sehe das Dilemma, das eine Reihe von Ihnen hier
    im Haus, auch aus meiner Fraktion beklagen. Wir stan-
    den vor der schwierigen Alternative, entweder ethnische
    Säuberungen und andere schwerste Menschenrechts-
    verletzungen geschehen zu lassen oder ohne die Zu-
    stimmung Rußlands und Chinas im Sicherheitsrat für ei-
    ne Beendigung dessen zu sorgen. Ich halte unsere Ent-
    scheidung und die unserer Partnerstaaten für letzteres
    unter den konkreten Umständen für angemessen, vor
    allem deshalb, weil die Verhinderung von Völkermord
    schwerer ins Gewicht fällt als der Respekt vor dem Ve-
    torecht von zwei Mitgliedern des Sicherheitsrates, zumal
    dies aus sachfremden Gründen mißbraucht worden ist.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Von dieser Stelle aus wende ich mich an all die vielen
    Mitbürgerinnen und Mitbürger jugoslawischer Herkunft
    in unserem Land. Ihnen und dem serbischen Volk
    möchte ich eindringlich klarmachen, daß weder die
    NATO noch die Europäische Union, daß weder die USA
    noch Deutschland oder ein anderer europäischer Staat

    Feindschaft gegen das serbische Volk, die Republik
    Serbien oder die Bundesrepublik Jugoslawien hegen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Unser Vorgehen richtet sich allein gegen den Diktator
    und gewalttätigen Hasardeur Milosevic und die von ihm
    befehligten Polizei- und Streitkräfte. Er handelt gegen
    die Interessen seines eigenen Volkes, indem er es vom
    demokratischen Europa isoliert.

    Meine Damen und Herren, mit Genugtuung und Re-
    spekt habe ich verfolgt, wie der Bundesverteidigungs-
    minister mit großer Umsicht und Fürsorge den größt-
    möglichen Schutz für unsere am Einsatz beteiligten Sol-
    daten veranlaßt hat.


    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der F.D.P.)


    Um die Last, die in diesen Tagen auf ihm liegt, ist er
    nicht zu beneiden. Er verdient für diese Aufgabe die
    Unterstützung aller, auch die seines Vorgängers im Amt.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Trotz aller Vorsichts- und Sicherheitsmaßnahmen
    bleibt ein hohes Gefahrenpotential für die Gesundheit
    und das Leben unserer Soldaten. Zum erstenmal nach
    dem zweiten Weltkrieg beteiligen sie sich an einem
    Kampfeinsatz, nach dem sich niemand von uns gedrängt
    hat. Sie sind beteiligt an einem Einsatz, der Terror und
    Völkermord mitten in Europa beenden und die Grundla-
    ge für ein friedliches Miteinander garantieren soll. Unse-
    re Gedanken und unsere Anteilnahme sind bei den Tor-
    nadopiloten und bei den Bodentruppen in Mazedonien.
    Wir bangen mit ihren Familien. Wir hoffen mit ihnen,
    daß alle unbeschadet zurückkehren.


    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Die Schrecken im Kosovo machen uns bewußt, daß es
    zur europäischen Integration keine Alternative gibt. Sie
    allein ist der Weg zu Frieden und gemeinsamem Wohl-
    stand auf diesem Kontinent.

    Einen weiteren wichtigen Schritt in diese Richtung ist
    in diesen Tagen die Europäische Union auf dem Son-
    dergipfel in Berlin gegangen. Erstmals in der Ge-
    schichte der Europäischen Union mußten drei große Po-
    litikbereiche reformiert werden: die gemeinsame Agrar-
    politik, der Strukturfonds und das gesamte EU-
    Finanzsystem. Daß bei dieser komplexen Gemengelage
    ein umfassender und tragfähiger Kompromiß gefunden
    werden konnte, ist eine große Leistung des Europäi-
    schen Rates.


    (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Mit liederlichem Ausgang!)


    Die Ergebnisse des Gipfeltreffens in Berlin sind ein
    großer persönlicher Erfolg auch für Sie, Herr Bundes-
    kanzler, und für Sie, Herr Bundesaußenminister.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Dr. Peter Struck






    (A) (C)



    (B) (D)


    Die unermüdlichen Bemühungen des Bundeskanzlers im
    Vorfeld und auf dem Gipfel des Europäischen Rates ha-
    ben zu sehr beachtlichen Resultaten geführt. Sie, Herr
    Bundeskanzler, habe Ihre Kritiker damit Lügen gestraft
    und in kürzester Zeit diplomatische und europapolitische
    Akzente gesetzt. Für Europa sind diese Ergebnisse sehr
    ermutigend.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Wenn die Opposition hier im Hause das Ergebnis von
    Berlin kritisiert, so gehört dies zu ihrer Aufgabe. Sie
    würde ihre Aufgabe verfehlen, wenn sie dies nicht täte.
    Wenn sich allerdings Ihre Kritik, Herr Kollege
    Schäuble, vor allen Dingen auf die Beschlüsse im Be-
    reich der gemeinsamen Agrarpolitik konzentriert, dann,
    denke ich, springen Sie viel zu kurz. Europa ist mehr als
    nur eine gemeinsame europäische Agrarpolitik.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Die Verabschiedung der Agenda 2000 ist nach der
    sehr schnellen und sehr übereinstimmenden Entschei-
    dung zugunsten von Romano Prodi das zweite wesentli-
    che Ergebnis des Gipfels. Mit der Agenda 2000 ist ein
    Handlungsrahmen geschaffen worden, der die finan-
    zielle Solidität der Gemeinschaft und die Stabilität der
    Europäischen Währungsunion garantiert. Gleichzeitig
    sind die in der Agenda 2000 getroffenen Regelungen
    entscheidende Voraussetzungen für die Osterweiterung
    der Europäischen Union. Jedem Kenner war klar, daß
    nicht jedes Detail der deutschen Vorstellungen durchzu-
    setzen war und daß alle Beteiligten Kompromißfähigkeit
    zeigen mußten. Wesentlich ist aber, daß im Hinblick auf
    die Agrarausgaben eine reale Konstante erreicht worden
    ist. Sie liegt nur gering oberhalb der angestrebten Gren-
    ze von jährlich 40,5 Milliarden Euro.

    Sie, Herr Kollege Schäuble, haben festgestellt, daß
    alle beteiligten Regierungschefs in ihren Ländern aus ih-
    rer nationalen Sicht das Ergebnis des Gipfels als Erfolg
    bezeichnet haben. Ich denke, der Bundeskanzler hat ge-
    nau das erreicht, was man auf einem solchen Gipfel
    überhaupt erreichen kann: Alle sind zufrieden, das heißt,
    alle tragen diesen Kompromiß mit.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Alles in allem konnte die deutsche Nettobelastung
    durch die Berliner Entscheidungen gesenkt werden. Die
    Entlastung ist nicht so hoch, wie wir es uns gewünscht
    hätten. Sie ist ganz sicherlich nicht so hoch, wie es von
    der Opposition absurderweise gefordert wurde, die von
    einer Entlastung in Höhe von 14 Milliarden DM sprach
    und die Möglichkeit der Durchsetzung einer solchen
    Forderung suggerieren wollte. Jeder Experte wußte, daß
    das eine unsinnige Forderung war.


    (Hans Michelbach [CDU/CSU]: Zufriedenheit auf niedrigem Niveau!)


    Wir haben die Hypotheken, die wir von der Regierung
    Kohl übernehmen mußten, nicht von heute auf morgen

    abtragen können. Das dauert etwas länger, meine Damen
    und Herren. Aber wir sind auf dem richtigen Wege.


    (Beifall bei der SPD)

    Es ist eine Tendenzumkehr erreicht worden. Weitere
    Schritte müssen folgen.

    Mit dem erfolgreichen Abschluß des Berliner Gipfels
    ist die Europäische Union dem Ziel, auf dem globalen
    Markt wirtschaftlich konkurrenzfähig und mitgestaltend
    bestehen zu können, ein gutes Stück nähergerückt.


    (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Das kann bloß ein Ahnungsloser sagen!)


    Die neue Regierung, die nur zwei Monate Vorberei-
    tungszeit hatte, kann mit dem Ergebnis mehr als zufrie-
    den sein. Sie hat ihre europapolitische Kompetenz be-
    wiesen.


    (Beifall bei der SPD)

    Damit sind die Weichen für Erfolge beim Beschäfti-
    gungspakt und in der Weiterentwicklung der Gemein-
    samen Außen- und Sicherheitspolitik positiv gestellt.

    Berlin war ein entscheidender Meilenstein für den er-
    folgreichen Abschluß der deutschen Präsidentschaft. Da-
    für danken wir dem Bundeskanzler Gerhard Schröder
    und seiner Bundesregierung.


    (Lebhafter Beifall bei der SPD – Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)