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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 14/31 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 31. Sitzung Bonn, Freitag, den 26. März 1999 I n h a l t : Tagesordnungspunkt 15: Erste Beratung des von den Abgeordneten Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Rainer Funke, weiteren Abgeordneten und der Fraktion F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Reform des Stif- tungsrechts (Drucksache 14/336) ............. 2561 A Hans-Joachim Otto (Frankfurt) F.D.P.............. 2561 B Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten CDU/CSU.................................................... 2562 B Dr. Eckhart Pick, Parl. Staatssekretär BMJ ..... 2563 A Dr. Antje Vollmer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN..................................................... 2564 A Hildebrecht Braun (Augsburg) F.D.P. ........ 2564 B Norbert Hauser (Bonn) CDU/CSU .............. 2564 C Wilhelm Schmidt (Salzgitter) SPD.............. 2564 D Dr. Hermann Otto Solms F.D.P. ................. 2565 A Dr. Rita Süssmuth CDU/CSU.......................... 2565 B Dr. Antje Vollmer BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN................................................................. 2567 A Dr. Heinrich Fink PDS..................................... 2568 B Jörg Tauss SPD................................................ 2569 A Hans-Joachim Otto (Frankfurt) F.D.P.......... 2569 D Tagesordnungspunkt 14: Abgabe einer Erklärung der Bundesre- gierung zur aktuellen Lage im Kosovo nach dem Eingreifen der NATO und zu den Ergebnissen der Sondertagung des Europäischen Rates in Berlin Gerhard Schröder, Bundeskanzler ................... 2571 A Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU ................. 2575 C Dr. Peter Struck SPD....................................... 2579 C Dr. Wolfgang Gerhardt F.D.P. ........................ 2581 D Joseph Fischer, Bundesminister AA................ 2583 D Dr. Gregor Gysi PDS....................................... 2586 D Dr. Norbert Wieczorek SPD............................ 2589 D Ulrich Heinrich F.D.P. .................................... 2594 A Dr. Norbert Wieczorek SPD............................ 2594 C Dr. Edmund Stoiber, Ministerpräsident (Bayern) 2595 A Rezzo Schlauch BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN................................................................. 2598 C Dr. Helmut Haussmann F.D.P. ....................... 2599 D Dr. Gerald Thalheim SPD................................ 2601 A Peter Hintze CDU/CSU ................................... 2602 D Günter Verheugen, Staatsminister AA ............ 2604 A Dr. Gerd Müller CDU/CSU............................. 2606 A Dr. Helmut Lippelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ........................................................ 2607 A Rudolf Scharping, Bundesminister BMVg...... 2607 D Dr. Gregor Gysi PDS....................................... 2610 A Paul Breuer CDU/CSU.................................... 2610 D Rudolf Scharping, Bundesminister BMVg...... 2611 B Hans-Christian Ströbele BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ........................................................ 2611 D Gernot Erler SPD............................................. 2612 D Hans-Christian Ströbele BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ........................................................ 2613 C Nächste Sitzung ............................................... 2614 C II Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 31. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. März 1999 Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten............ 2615 A Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zu dem Ent- wurf eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes (Tagesordnungs- punkt 12) Hans Michelbach CDU/CSU ........................... 2615 D Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Rede zu dem Entwurf eines Gesetzes über die allgemeine und die reprä- sentative Wahlstatistik bei der Wahl der Abge- ordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland (Zusatzpunkt 6) Cem Özdemir BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.... 2616 C Anlage 4 Amtliche Mitteilungen..................................... 2617 B Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 31. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. März 1999 2561 (A) (C) (B) (D) 31. Sitzung Bonn, Freitag, den 26. März 1999 Beginn: 9.00 Uhr
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    Hans-Christian Ströbele Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 31. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. März 1999 2615 (A) (C) (B) (D) Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich Altmann (Aurich), Gila BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 26.3.99 Austermann, Dietrich CDU/CSU 26.3.99 Belle, Meinrad CDU/CSU 26.3.99 Dr. Bergmann-Pohl, Sabine CDU/CSU 26.3.99 Bernhardt, Otto CDU/CSU 26.3.99 Bulmahn, Edelgard SPD 26.3.99 Burchardt, Ulla SPD 26.3.99 Buwitt, Dankward CDU/CSU 26.3.99 Carstens (Emstek), Manfred CDU/CSU 26.3.99 Diemers, Renate CDU/CSU 26.3.99 Formanski, Norbert SPD 26.3.99 Friedrich (Altenburg), Peter SPD 26.3.99 Dr. Geißler, Heiner CDU/CSU 26.3.99 Götz, Peter CDU/CSU 26.3.99 Gröhe, Hermann CDU/CSU 26.3.99 Frhr. von Hammerstein, Carl-Detlev CDU/CSU 26.3.99 Hasenfratz, Klaus SPD 26.3.99 Kampeter, Steffen CDU/CSU 26.3.99 Kunik, Konrad SPD 26.3.99 Kutzmutz, Rolf PDS 26.3.99 Lennartz, Klaus SPD 26.3.99 Dr. Lippold (Offenbach), Klaus W. CDU/CSU 26.3.99 Maaß (Wilhelmshaven), Erich CDU/CSU 26.3.99 Meckel, Markus SPD 26.3.99 Dr. Merkel, Angela CDU/CSU 26.3.99 Möllemann, Jürgen W. F.D.P. 26.3.99 Neuhäuser, Rosel PDS 26.3.99 Ostrowski, Christine PDS 26.3.99 Pau, Petra PDS 26.3.99 Dr. Protzner, Bernd CDU/CSU 26.3.99 Rauber, Helmut CDU/CSU 26.3.99 Reinhardt, Erika CDU/CSU 26.3.99 Ronsöhr, Heinrich- Wilhelm CDU/CSU 26.3.99 Schmidt (Eisleben), Silvia SPD 26.3.99 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Schütze (Berlin), Diethard CDU/CSU 26.3.99 Schuhmann (Delitzsch), Richard SPD 26.3.99 Schulz (Everswinkel), Reinhard SPD 26.3.99 Seiters, Rudolf CDU/CSU 26.3.99 Spranger, Carl-Dieter CDU/CSU 26.3.99 Steinbach, Erika CDU/CSU 26.3.99 Streb-Hesse, Rita SPD 26.3.99 Thiele, Carl-Ludwig F.D.P. 26.3.99 Trittin, Jürgen BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 26.3.99 Dr. Wegner, Konstanze SPD 26.3.99 Willner, Gert CDU/CSU 26.3.99 Wissmann, Matthias CSU/CSU 26.3.99 Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes (Tagesordnungs- punkt 12) (vgl. 30. Sitzung, Seite 2542 A und Seite 2557, Anlage 4) Hans Michelbach (CDU/CSU): Der Entwurf der PDS zur Änderung des Einkommensteuergesetzes geht an dem eigentlichen Ziel von Entschädigungszahlungen grundlegend vorbei. Ziel kann es doch nur sein, den Zwangsarbeitern möglichst schnell und unkompliziert zu helfen. Dies ist um so wichtiger, da viele dieser Geschä- digten bereits ein hohes Alter erreicht haben. Die Frage der Entschädigung sollte daher nicht zu einer reinen steuerrechtlichen Frage degradiert werden, sondern sollte ohne langfristige Steuermaßnahmen den Opfern Abhilfe für das erlittene Unrecht verschaffen. Steuer- rechtliche Aspekte sollte man in anderen Zusammen- hängen erörtern, jedoch nicht im Zusammenhang mit den nationalsozialistischen Grausamkeiten. Wichtig ist daher allein die effiziente Errichtung ei- nes Entschädigungsfonds, der sich auf die humanitären und nicht auf die steuertechnischen Aspekte konzen- triert. Die ehemalige DDR, wie sie als Nachfolgepartei der SED wissen sollten, hat ihren Beitrag dazu übrigens nicht geleistet. Bis heute verweigern ehemalige kommu- nistisch regierte Länder, Schadensausgleich für Unrecht und Vertreibung zu leisten. Die Bundesrepublik Deutschland dagegen war und ist stets bemüht gewesen, durch umfangreiche Entschädigungsregeln das zugefügte 2616 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 31. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. März 1999 (A) (C) (B) (D) Unrecht wiedergutzumachen, insofern dies überhaupt möglich ist. Ausdruck dieses Entschädigungswillens ist sehr deutlich in der Erklärung ,,Stiftungsinitiative deutscher Unternehmen“ zu sehen. Es wird ein Zeichen gesetzt, welches als eine unmittelbare gesellschaftliche Ergän- zung der staatlichen Wiedergutmachungspolitik anzuse- hen ist. Bislang erfolgte diese allein aus öffentlichen Steuermitteln. Eine Beteiligung deutscher Firmen an dieser Wiedergutmachungspolitik erfolgte somit bereits indirekt. Schon in der Nachkriegszeit hat die deutsche Wirtschaft aus den erwirtschafteten Erträgen einen ho- hen Steuerbeitrag für die staatliche Wiedergutma- chungspolitik geleistet. Schon bald werden sich deutsche Firmen auch direkt an dieser Wiedergutmachungspolitik beteiligen. We- sentlich ist daher die Unterstützung für die Einrichtung solcher Entschädigungsfonds statt langwieriger Diskus- sionen über eine verfassungsrechtlich bedenkliche Än- derung des deutschen Steuerrechts. Nachdem die Größenordnung der Zahlungen noch nicht feststeht, kann zu den fiskalischen Auswirkungen eigentlich keine Bewertung stattfinden. Einige Firmen haben schon aus Eigeninitiative versucht, den Opfern di- rekt und unmittelbar durch schnelle Zahlungen zu hel- fen. Hier ist insbesondere die Firma Diehl in Nürnberg zu nennen, die unkompliziert, ohne daß eine Rechts- pflicht vorgelegen hätte, an die ehemaligen Zwangsar- beiter Entschädigungsgelder gezahlt hat. Auch sollte man berücksichtigen, daß fast immer auch die Entschei- dungsträger und Eigentümer der Firmen ebenso wie alle anderen den unmenschlichen Zwangsmaßnahmen des totalitären Nazi-Regimes unterworfen waren. Die Errichtung des Entschädigungsfonds ,,Stiftungs- initiative deutscher Unternehmen“ zeigt, deutsche Fir- men scheuen sich nicht, die soziale und moralische Ver- antwortung zu übernehmen. Damit wird der Anerken- nung Deutschlands als freiheitlicher Demokratie ge- dient. Darüber hinaus würde eine Veränderung des Ein- kommensteuerrechts ein falsches Signal für andere Be- reiche aussenden: Das deutsche Recht darf nicht beliebig veränderbar sein. Der sogenannte Betriebsausgabenab- zug ist keine Steuervergünstigung, die einfach gestri- chen werden kann, er beruht vielmehr auf einem Grund- prinzip des Steuerrechts. Betriebsausgaben sind alle Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlaßt worden sind, wozu auch die Entschädigungszahlungen an Zwangsarbeiter gehören. Eine Abzugsbeschränkung für Entschädigungszahlungen würde eine Gesetzesänderung voraussetzen, eine solche wäre verfassungsrechtlich nicht haltbar. Hintergrund dieser Vorschrift (§ 4 Abs. 5 EStG) ist, daß die Durchbrechung des im Steuerrecht geltenden Nettoprinzips ausnahmsweise auch gerecht- fertigt ist bei Aufwendungen mit Bezug zu einem recht- lich oder moralisch verwerflichen Verhalten. Bei den Leistungen an die NS-Zwangsarbeiter han- delt es sich um Wiedergutmachungsleistungen, die einen entstandenen Schaden ausgleichen sollen. Sie stellen somit Schadensersatzleistungen dar, da ihr Rechtsgrund in der beruflichen Sphäre der Banken liegt. Auf das Ver- schulden kommt es bei Schadensersatzleistungen nicht an; ansonsten dürften auch Leistungen für ärztliche Kunstfehler z.B. nicht als Betriebsausgaben abzugsfähig sein. Diese Steuerdebatte trägt zynische Züge gegenüber den Opfern der NS-Schreckensherrschaft. Die PDS schießt hiermit gerade als Nachfolgepartei der SED ein schwerwiegendes Eigentor. Die CDU/CSU-Fraktion dankt den Unternehmen für ihre Bereitschaft zur Mit- wirkung an der Einrichtung eines Entschädigungsfonds ohne eine Rechtspflicht. Damit wird die humanitäre Verpflichtung und Verantwortung wahrgenommen. Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Rede zu dem Entwurf eines Gesetzes über die allge- meine und die repräsentative Wahlstatistik bei der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutsch- land (Zusatzpunkt 6) (vgl. 30. Sitzung, Seite 2544 B und Seite 2557, Anlage 6) Cem Özdemir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): So- wohl 1994 als auch 1998 mußten die Bürgerinnen und Bürger nach den Bundestagswahlen auf eine Auswer- tung und eine umfassende Analyse des Wahlverhaltens nach Alter und Geschlecht verzichten. Der 12. Bundes- tag hatte Sonderauszählungen ausgesetzt, und der ge- ballte Sachverstand der deutschen Wahlforschung konnte die dadurch entstandene Erkenntnislücke nicht schließen. Wir wollen unter strenger Wahrung des Da- tenschutzes die amtliche Statistik wieder einführen. Sie ist nach einhelliger Auffassung von Experten, Wissen- schaftlern und Meinungsforschern unverzichtbar. Ich darf in diesem Zusammenhang übrigens an Entschlie- ßungen des Bundesrates erinnern: Die Landesregierun- gen haben uns schon 1994 und 1998 gedrängt, hier tätig zu werden. Bei Wahlen artikulieren sich die Bürgerinnen und Bürger. Das Ergebnis müssen wir formal hinnehmen: Darum sitzen wir hier in diesem wunderbaren Saal in dieser Zusammensetzung. Wir müssen uns bei unserer Arbeit aber auch im klaren sein, was hinter den Wahler- gebnissen steckt, wie die Parteipräferenzen sind, z.B. von jungen Menschen. Hier können wir Hinweise zur Nei- gung von Jungwählern zu Extremisten in bestimmten Wählergruppen erhalten. Die Meinungsforschung liefert uns nur ein ungenaues Bild. Sie erhebt nicht die tatsäch- lich abgegebenen Stimmen. Als Bürgerrechtspartei nehmen Bündnis 90/Die Grü- nen die datenschutzrechtlichen Einwände sehr, sehr ernst. Wir waren noch nie Freunde der staatlichen Da- tensammelwut. Die Anlage von staatlichen Daten- sammlungen und überflüssigen Datenbeständen haben wir immer abgelehnt. Wir werden das auch in Zukunft ablehnen. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 31. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. März 1999 2617 (A) (C) (B) (D) Bei der Wahlstatistik handelt es sich jedoch nicht um eine flächendeckende Abfrage wie bei einer Volkszäh- lung, sondern um eine sorgfältig erhobene Stichprobe. Hier hat es seit 1953 keine Probleme gegeben, und wir erwarten zukünftig auch keine. Ganz klar sei aber hier gesagt: Wir haben in das Gesetz strenge Sicherungen eingebaut, die es in den alten gesetzlichen Regelungen nicht gab. Zusätzlich haben wir mit der Mindestgröße der Wahlbezirke von 400 Wahlberechtigten auch eine hin- reichende Sperre gegen die Aushebelung des Wahlge- heimnisses. Weniger wäre problematisch. Eine größere Zahl – etwa 500 – wäre datenschutzrechtlich wün- schenswert. Für die Statistik wäre das allerdings pro- blematisch, da dann kleine Gemeinden, und ländliche Gebiete nicht berücksichtigt werden könnten. Dem Schutz des Wahlgeheimnisses dient auch die gesetzliche Festschreibung von zehn Geburtsjahrgangs- gruppen mit jeweils drei Jahrgängen. Weniger Gruppen lassen sich nicht bilden, da wir sonst beispielsweise nichts über das Wahlverhalten junger Erwachsene von 18 bis 21 Jahren in Erfahrung bringen. Bei diesem Gesetzentwurf haben wir sowohl die Be- dürfnisse der Wahlstatistik berücksichtigt als auch die des Datenschutzes. Wir haben also ein vernünftiges Ge- setz zustande gebracht, das sicherlich die begeisterte Zu- stimmung des gesamten hohen Hauses finden wird. Anlage 4 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner 736. Sitzung am 19. März 1999 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzu- stimmen, bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Absatz 2 Grundgesetz nicht zu stellen: – Gesetz zum Einstieg in die ökologische Steuerreform – Gesetz zur Änderung von Zuständigkeiten nach demSorgerechtsübereinkommens-Ausführungsgesetz – Gesetz zur Öffnung der Sozial- und Steuerverwaltung für denEuro (Zweites Euro-Einführungsgesetz) – Gesetz zur Neuregelung der geringfügigen Beschäfti-gungsverhältnisse – Gesetz zur Änderung der Berücksichtigung von Entlassungs-entschädigungen im Arbeitsförderungsrecht (Entlassungsent-schädigungs-Änderungsgesetz – EEÄndG) – Gesetz zu dem Abkommen vom 18. August 1998 zwischender Regierung der Bundesrepublik Deutschland, den Ver-einten Nationen und dem Sekretariat des Übereinkom-mens der Vereinten Nationen zur Bekämpfung der Wü-stenbildung über den Sitz des Ständigen Sekretariats desÜbereinkommens – Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 Zu dem letztgenannten Gesetz hat der Bundesrat fol- gende Entschließung gefaßt: 1. Der Bundesrat begrüßt das vorliegende Steuerentlastungsge-setz 1999/2000/2002, das insbesondere darauf ausgerichtetist, Wachstum und Beschäftigung zu verbessern sowie Ar-beitnehmer/innen und Familien spürbar zu entlasten. Der Bundesrat stellt fest, daß in dem nun vom DeutschenBundestag beschlossenen Gesetzentwurf wesentliche steuerli-che Belange der mittelständischen Unternehmen eine ange-messene Berücksichtigung gefunden haben. Der Bundesratverweist in diesem Zusammenhang insbesondere auf die Bei-behaltung der Teilwertabschreibung, des Verlustrücktragesund der Ansparabschreibung sowie auf die Freibetragsrege-lung bei Veräußerungsgewinnen. Der Bundesrat erwartet, daß die Reform der Unternehmens-besteuerung ab dem Jahr 2000 umgesetzt wird. 2. Der Bundesrat weist – wie schon gegenüber der alten Bundes-regierung – auf den Ausgleichsanspruch der Länder aus derNeuregelung des Familienleistungsausgleichs hin, wonach derBund einen Anteil von 74 vom Hundert und die Länder einenAnteil von 26 vom Hundert der Lasten aus der Berücksichti-gung von Kindern im Einkommensteuerrecht zu tragen haben.Allein aus der Leistungsverbesserung beim Kindergeld abdem Jahr 1999 haben die Länder einen Anspruch von rund1,8 Mrd. DM. Zur Herstellung des vorgesehenen Lasten-teilungsverhältnisses haben die Länder darüber hinausAnsprüche von rund 2,4 Mrd. DM für das Jahr 1999 und vonrund 5,7 Mrd. DM für die Jahre 1996 bis 1998. Insgesamtbeläuft sich der Anspruch der Länder daher auf rund10 Mrd. DM. Die Länder halten daher ihre Forderung aufrecht, daß derBund der im Grundgesetz festgelegten Ausgleichspflicht ge-genüber den Ländern und ihren Gemeinden nachkommt. Die Fraktion der PDS hat mit Schreiben vom 18. März 1999 ihren Antrag „Verlängerung der Pachtver- träge für ehemals volkseigene Flächen“ – Drucksache 14/291 – zurückgezogen. Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu der nachstehenden Vorlage absieht: Innenausschuß – Unterrichtung durch die Bundesregierung Umfassender Bericht über bisherige Wiedergutma-chungsleistungen deutscher Unternehmen – Drucksachen 13/4787, 14/272 Nr. 6 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über den Stand der Ab-wicklung des Fonds für Wiedergutmachungsleistungenan jüdische Verfolgte – Drucksachen 13/8684, 14/272 Nr. 7 – Ausschuß für Wirtschaft und Technologie – Fünfter Zwischenbericht der Enquete-Kommission „Zu-kunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft –Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft“ zum Thema Verbraucherschutz in der Informationsgesellschaft – Drucksachen 13/11003, 14/272 Nr. 81 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht über die Anwendung des Subsidiaritätsprinzipsim Jahr 1997 („Subsidiaritätsbericht 1997“) – Drucksachen 13/11074, 14/272 Nr. 82 – Ausschuß für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht zum Stand der Planungen für umweltfreundli-che Ansätze bei den Bauten des Bundes in Berlin – Drucksachen 13/11211, 14/69 Nr. 1.3 – Ausschuß für Angelegenheiten der neuen Länder – Unterrichtung durch die Bundesregierung Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand derDeutschen Einheit 1998 – Drucksachen 13/10823, 14/272 Nr. 172 – 2618 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 31. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. März 1999 (A) (C) (B) (D) – Unterrichtung durch die Bundesregierung Perspektivbericht der Bundesregierung „Vorrang fürAufbau Ost“ – Drucksachen 13/11073, 14/272 Nr. 173 – Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EU- Vorlagen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Parlament zur Kenntnis genommen oder von einer Be- ratung abgesehen hat. Auswärtiger Ausschuß Drucksache 14/272 Nr. 2 Innenausschuß Drucksache 14/272 Nr. 10Drucksache 14/272 Nr. 11Drucksache 14/272 Nr. 12Drucksache 14/342 Nr. 1.1Drucksache 14/342 Nr. 2.43 Rechtsausschuß Drucksache 14/272 Nr. 22Drucksache 14/309 Nr. 2.3Drucksache 14/309 Nr. 2.40Drucksache 14/488 Nr. 2.14 Finanzausschuß Drucksache 14/342 Nr. 2.19Drucksache 14/488 Nr. 2.22Drucksache 14/488 Nr. 2.35Drucksache 14/488 Nr. 2.41 Ausschuß für Wirtschaft und Technologie Drucksache 14/342 Nr. 1.7Drucksache 14/342 Nr. 2.1Drucksache 14/342 Nr. 2.2Drucksache 14/342 Nr. 2.4Drucksache 14/342 Nr. 2.8Drucksache 14/342 Nr. 2.14Drucksache 14/342 Nr. 2.15Drucksache 14/342 Nr. 2.30Drucksache 14/342 Nr. 2.31Drucksache 14/342 Nr. 2.52Drucksache 14/342 Nr. 2.56Drucksache 14/342 Nr. 2.57 Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Drucksache 14/272 Nr. 103Drucksache 14/272 Nr. 104Drucksache 14/272 Nr. 105 Drucksache 14/272 Nr. 108Drucksache 14/272 Nr. 109Drucksache 14/272 Nr. 1.10Drucksache 14/309 Nr. 2.23Drucksache 14/309 Nr. 2.27Drucksache 14/309 Nr. 2.33Drucksache 14/309 Nr. 2.34Drucksache 14/309 Nr. 2.56Drucksache 14/309 Nr. 2.59Drucksache 14/309 Nr. 2.64Drucksache 14/309 Nr. 2.67Drucksache 14/309 Nr. 2.68Drucksache 14/342 Nr. 2.7Drucksache 14/342 Nr. 2.10Drucksache 14/342 Nr. 2.11Drucksache 14/342 Nr. 2.13Drucksache 14/342 Nr. 2.26Drucksache 14/342 Nr. 2.27Drucksache 14/342 Nr. 2.28Drucksache 14/342 Nr. 2.29Drucksache 14/342 Nr. 2.32Drucksache 14/342 Nr. 2.33Drucksache 14/342 Nr. 2.35Drucksache 14/342 Nr. 2.44Drucksache 14/342 Nr. 2.46Drucksache 14/342 Nr. 2.47Drucksache 14/342 Nr. 2.48Drucksache 14/342 Nr. 2.49Drucksache 14/342 Nr. 2.51Drucksache 14/342 Nr. 2.53Drucksache 14/342 Nr. 2.55Drucksache 14/431 Nr. 2.4Drucksache 14/488 Nr. 2.28 Ausschuß für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen Drucksache 14/272 Nr. 147Drucksache 14/272 Nr. 150Drucksache 14/272 Nr. 155Drucksache 14/272 Nr. 158Drucksache 14/309 Nr. 1.3Drucksache 14/309 Nr. 2.48 Ausschuß für Menschenrechte und humanitäre Hilfe Drucksache 14/74 Nr. 2.21Drucksache 14/74 Nr. 2.38 Ausschuß für Kultur und Medien Drucksache 14/74 Nr. 1.19Drucksache 14/74 Nr. 2.101Drucksache 14/272 Nr. 215 Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Uni-on Drucksache 14/309 Nr. 2.63 Druck: Bonner Universitäts-Buchdruckerei, 53113 Bonn 53003 Bonn, Telefon: 02 28/3 82 08 40, Telefax: 02 28/3 82 08 44 20
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    Rede von Gerhard Schröder


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsiden-
    tin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In dieser
    Woche hat Europa Handlungsfähigkeit beweisen müs-
    sen. Die Kosovo-Krise, der Rücktritt der Kommission
    und die Agenda 2000 waren in dieser Bündelung wohl
    mit die größten Herausforderungen, die ein Europäischer
    Rat jemals bewältigen mußte. Ich bin froh und bin auch
    stolz, Ihnen heute sagen zu können, daß die Europäische
    Union unter deutscher Ratspräsidentschaft diese Prüfung
    bestanden hat.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    In den frühen Morgenstunden ist es uns nach anstren-
    genden und gewiß harten Verhandlungen in Berlin ge-
    lungen, die Agenda 2000 zu verabschieden. Mit diesem,
    wie ich es nennen möchte, Berlin-Paket haben wir
    einen Kompromiß gefunden, bei dem alle beteiligten
    Parteien, also auch wir, Abstriche von ihren Ausgangs-
    positionen zu machen hatten. Es ist ein Kompromiß, der
    vernünftig ist und mit dem alle leben können. Genau
    deshalb ist er gut und richtig.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Bereits am Mittwoch habe ich in meiner Eigenschaft
    als Präsident des Europäischen Rates Romano Prodi
    namens und im Auftrage des Europäischen Rates für das
    Amt des Präsidenten der Kommission vorgeschlagen.
    Nach Zustimmung durch das Europäische Parlament
    werden wir schon im Sommer wieder eine handlungsfä-
    hige Kommission unter seiner gewiß hochkompetenten
    Leitung haben.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Meine sehr verehrten Damen und Herren, in der
    Nacht zum Donnerstag hat die NATO mit Luftschlägen
    gegen militärische Ziele in Jugoslawien begonnen. Das
    Bündnis war zu diesem Schritt gezwungen, um weitere
    schwere und systematische Verletzungen der Menschen-
    rechte im Kosovo zu unterbinden und um eine humani-
    täre Katastrophe dort zu verhindern.

    Der Bundesaußenminister, die Bundesregierung und
    die Kontaktgruppe haben in den letzten Wochen und
    Monaten nichts, aber auch gar nichts unversucht gelas-

    sen, eine friedliche Lösung des Kosovo-Konfliktes zu
    erzielen. Präsident Milosevic hat sein eigenes Volk, die
    albanische Bevölkerungsmehrheit im Kosovo und die
    Staatengemeinschaft ein ums andere Mal hintergangen.

    Monatelang haben der EU-Sonderbeauftragte Pe-
    tritsch und sein amerikanischer Kollege Hill in intensi-
    ver Reisediplomatie mit den beiden Konfliktparteien
    Gespräche geführt und den Boden für ein faires Ab-
    kommen bereitet. In Rambouillet und Paris ist mehrere
    Wochen lang – wir alle waren Zeugen – hartnäckig ver-
    handelt worden. Zu dem dort vorgelegten Abkommen,
    das die Menschenrechte der albanischen Bevölkerungs-
    mehrheit im Kosovo, aber auch die territoriale Integrität
    der Republik Jugoslawien gewährleistet, gibt es nach
    meiner festen Auffassung keine Alternative.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)


    Das ist der Grund, warum alle Parteien diesem Abkom-
    men hätten zustimmen müssen.

    Die Ziele dieses Abkommens – das ist mir wichtig –
    werden auch von Rußland geteilt. Ich selbst habe in
    einem Telefongespräch mit dem russischen Premiermi-
    nister Primakow unterstrichen, daß die Europäische
    Union die Beziehungen zu Rußland nicht einschränken,
    nicht relativieren, nein: gerade jetzt weiter ausbauen
    wird.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)


    Wir haben – das betrifft alle Parteien dieses Hauses –
    mit Rußland eine Qualität in unseren Beziehungen er-
    reicht, die wir von unserer Seite aus nicht in Frage ge-
    stellt sehen wollen.

    Die Vertreter der Kosovo-Albaner haben dem Ab-
    kommen von Rambouillet schließlich zugestimmt. Ein-
    zig die Belgrader Delegation hat durch ihre Obstruk-
    tionspolitik alle, aber auch wirklich alle Vermittlungs-
    versuche scheitern lassen. Sie allein trägt die Verant-
    wortung für die entstandene Lage.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Gleichzeitig hat das Milosevic-Regime seinen Krieg

    gegen die Bevölkerung im Kosovo noch intensiviert.
    Unsagbares menschliches Leid ist die Folge dieser Poli-
    tik. Mehr als 250 000 Menschen mußten aus ihren Häu-
    sern fliehen oder wurden gar mit Gewalt vertrieben. Al-
    lein in den letzten sechs Wochen haben noch einmal
    80 000 Menschen dem Inferno, das es dort gibt, zu ent-
    rinnen versucht. Umgerechnet auf die Bevölkerung der
    Bundesrepublik Deutschland wäre das die Einwohner-
    schaft einer Metropole wie Berlin. Es wäre zynisch und
    verantwortungslos gewesen, dieser humanitären Kata-
    strophe weiter tatenlos zuzusehen.


    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der F.D.P.)


    Bis zuletzt hat sich die Staatengemeinschaft bemüht,
    dem Morden auf diplomatischem Wege Einhalt zu ge-

    Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer






    (B)



    (A) (C)



    (D)


    bieten. Außenminister Fischer als EU-Ratspräsident,
    der russische Außenminister Iwanow und der OSZE-
    Vorsitzende Vollebaek haben Präsident Milosevic in
    Belgrad zur Annahme des Rambouillet-Abkommens
    gedrängt. Schließlich hat Richard Holbrooke als Son-
    dergesandter der Vereinigten Staaten am Montag und
    Dienstag dieser Woche einen allerletzten Versuch un-
    ternommen, das Regime in Belgrad zum Einlenken zu
    bewegen – alles vergebens. Wir hatten deshalb keine
    andere Wahl, als gemeinsam mit unseren Verbündeten
    die Drohung der NATO wahrzumachen und ein deutli-
    ches Zeichen dafür zu setzen, daß wir als Staatenge-
    meinschaft die weitere systematische Verletzung der
    Menschenrechte im Kosovo nicht hinzunehmen bereit
    sind.

    Meine Damen und Herren, wir alle wissen, daß dies
    das erste Mal seit dem zweiten Weltkrieg ist, daß deut-
    sche Soldaten in einem Kampfeinsatz stehen. Ich darf
    Ihnen deshalb versichern, daß die Bundesregierung sich
    ihre Entscheidung nicht leichtgemacht hat. Aber wir
    wissen uns einig und in Übereinstimmung mit der gro-
    ßen Mehrheit der deutschen Bevölkerung und, Gott sei
    Dank, auch mit der großen Mehrheit des Deutschen
    Bundestages – über alle Parteigrenzen hinweg.

    Ich möchte von dieser Stelle aus ein Wort des auf-
    richtig empfundenen Dankes an unsere Soldaten und
    ihre Familien richten.


    (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Angela Marquardt [PDS])


    Sie erfüllen eine schwierige und – das muß man redli-
    cherweise hinzufügen – auch gefährliche Mission. Ob-
    wohl wir alles getan haben und tun werden, um für ihren
    Schutz und ihre Sicherheit zu sorgen, können wir Gefah-
    ren für Leib und Leben nicht ausschließen. Gerade des-
    halb sollen sie wissen, daß die Mehrheit unserer Mitbür-
    gerinnen und Mitbürger ihren Einsatz für die Mensch-
    lichkeit und den Frieden wohl zu würdigen weiß und
    ihnen dafür zutiefst dankbar ist.


    (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Ich denke, es ist ein Gebot des Anstandes und der Ver-
    nunft, auch vom Deutschen Bundestag aus ein Zeichen
    der Solidarität und der Unterstützung an unsere Streit-
    kräfte zu richten.

    Die Verantwortung für die entstandene Lage trägt
    allein die extremistische Belgrader Führung. Es liegt in
    ihrer Hand, die Militäroperation unverzüglich zu been-
    den. Auch von dieser Stelle – aus dem deutschen Parla-
    ment heraus – fordere ich deshalb Präsident Milosevic
    noch einmal auf, die Kämpfe im Kosovo sofort zu been-
    den und das Friedensabkommen zu unterzeichnen. Dann
    wird Frieden sein können, meine Damen und Herren.


    (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Die NATO und die internationale Gemeinschaft insge-
    samt sind unverändert bereit, mit Zustimmung der
    Streitparteien mitzuhelfen, das Abkommen von Ram-
    bouillet umzusetzen. Wir sind auch bereit, für die mili-
    tärische Absicherung eines Waffenstillstandes einzu-
    treten. Dafür stehen erste NATO-Einheiten, darunter
    3 000 deutsche Soldaten, bereit. Auch sie sollen wissen,
    daß die Bundesregierung und das deutsche Parlament
    hinter ihnen stehen.


    (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Auf der Sondertagung des Europäischen Rates in
    Berlin hat Europa seine Verantwortung für eine fried-
    liche Entwicklung auf dem Kontinent bekräftigt. Wir
    können heute mit berechtigtem Stolz sagen: Angesichts
    der schwierigen Mission im Kosovo spricht Europa
    wirklich mit einer Stimme.

    Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen
    Union haben in Berlin einvernehmlich beschlossen, den
    früheren italienischen Ministerpräsidenten Romano Pro-
    di zu bitten, das wichtige Amt des Präsidenten der
    Europäischen Kommission zu übernehmen. Gleichzei-
    tig haben die Staats- und Regierungschefs der Europäi-
    schen Union den Rücktritt der Kommission mit Respekt
    zur Kenntnis genommen. Gleichgültig, was auch immer
    kritisiert worden ist und wieviel Grund es dafür gegeben
    haben mag – an dieser Stelle möchte ich der scheiden-
    den Kommission und deren Präsidenten Jacques Santer
    noch einmal für ihre Arbeit danken, die sie für Europa
    geleistet haben.


    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der F.D.P.)


    Ich füge hinzu – ich denke, auch das ist gerade in einer
    solchen Situation angemessen –: Ohne die Vorarbeiten,
    ohne den Rat der Mitglieder sowie der Mitarbeiterinnen
    und Mitarbeiter der Kommission in Berlin und – trotz
    allem, was vorgefallen ist – ohne ihre konstruktiven
    Vorschläge wären wir auf diesem Sondergipfel wohl
    kaum so schnell zu einer auskömmlichen Einigung ge-
    langt. In Anwendung des im Vertrag von Amsterdam
    festgelegten Verfahrens – unabhängig von seinem wohl
    doch rechtzeitigen Inkrafttreten – wird die Nominierung
    von Romani Prodi – nein, Romano – –


    (Heiterkeit)

    – Es ist wirklich schwierig, jedenfalls zu diesem Zeit-
    punkt.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


    Die Nominierung von Romano Prodi also wird dem ge-
    genwärtigen Europäischen Parlament zur Zustimmung
    vorgelegt werden. Anschließend soll der designierte
    Kommissionspräsident versuchen, in Zusammenarbeit mit
    den Regierungen der Mitgliedstaaten so früh wie möglich
    die Ernennung einer neuen Kommission vorzubereiten.
    Die Regierungen der Mitgliedstaaten werden dann im
    Einvernehmen mit Romano Prodi


    (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.)


    Bundeskanzler Gerhard Schröder






    (A) (C)



    (B) (D)


    die übrigen Personen benennen, die sie als Kommis-
    sionsmitglieder zu ernennen beabsichtigen. Dieses neue
    Kollegium wird sich schon im Sommer dieses Jahres
    dem Votum des dann neu gewählten Europaparlaments
    stellen. Damit schaffen Rat und Parlament die Voraus-
    setzungen, daß die neue Kommission ihre Arbeit zum
    frühestmöglichen Zeitpunkt beginnen und ab Januar
    2000 für eine volle fünfjährige Amtszeit fortführen
    kann.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Durch den Rücktritt der Kommission drohte dem ver-
    einten Europa die Gefahr einer schweren institutionellen
    Krise. Vor diesem Hintergrund läßt sich ermessen, wie
    bedeutend die schnelle und überzeugende Lösung dieser
    Krise durch die Ernennung des neuen Kommissionsprä-
    sidenten ist. Europa hat – das darf man ruhig deutlich
    unterstreichen – in dieser Situation Entschlossenheit und
    auch Handlungsfähigkeit bewiesen. Ich denke, das wird
    Europa und der europäischen Idee im Bewußtsein der
    Bürgerinnen und Bürger auch unseres Landes helfen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Ich sage das keineswegs nur aus pragmatischen
    Gründen. Die in Berlin versammelten Delegationen,
    Minister sowie Staats- und Regierungschefs waren trotz
    aller Unterschiede in Einzelfragen der Agenda 2000 in
    einer Überzeugung geeint, nämlich in der, daß wir die
    einmalige historische Chance, die sich den europäi-
    schen Völkern durch den konsequenten Integrationspro-
    zeß bietet, wirklich beherzt ergreifen wollen. Wir haben
    den Schritt zur Wirtschafts- und Währungsunion getan.
    Weitere EU-Mitgliedstaaten werden sich dieser Union
    anschließen. Genau dafür, also für die Erweiterung der
    Union, sind in Berlin allerwichtigste Grundlagen gelegt
    worden.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Wir haben heute die Möglichkeit, ausgehend von
    50 Jahren Frieden in Europa, unsere Völker und Staaten
    in freundschaftlicher Nachbarschaft immer enger mit-
    einander zu verzahnen. Dies ist der Auftrag, den wir von
    den Vätern und Müttern, die zwei schreckliche Kriege
    auf diesem Kontinent erleben mußten, übernommen ha-
    ben. Wir werden ihn konsequent ausführen. Dies ist der
    Auftrag, den uns unsere Kinder, für die das vereinte
    Europa auch eine kulturelle – nicht nur eine politische –
    Selbstverständlichkeit geworden ist, täglich aufs neue
    erteilen.

    Dieses gemeinsame Europa kann nicht par ordre du
    mufti oder auf einem Gipfeltreffen beschlossen werden.
    Nein, es braucht die Unterstützung der freien Bürgerin-
    nen und Bürger dieses Kontinents, sonst greift es zu
    kurz. Es braucht auch nicht nur auf die Entscheidungen
    der politischen Führungen zu starren; denn in der guten
    Nachbarschaft unserer Völker ist ein Europa, das sich
    auf die Menschen stützt und stützen kann, längst ent-
    standen. Aber Europas Bürgerinnen und Bürger haben
    ein Recht darauf, daß ihre Regierungen die europäischen

    Institutionen handlungsfähig machen und sie dadurch
    erhalten. Genau das haben wir getan.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Genau das in einer schwierigen Situation geschafft zu
    haben ist der große, ja der durchschlagende und währen-
    de Erfolg des Gipfeltreffens in Berlin.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Meine Damen und Herren, die Europäische Union
    – ich habe darauf verwiesen – braucht so bald wie mög-
    lich eine starke Kommission, die dem Gebot der Effi-
    zienz, der Transparenz und – das ist entscheidend – der
    Bürgernähe wirklich gerecht wird. Wir werden deshalb
    den designierten Kommissionspräsidenten Prodi bitten,
    im Dialog mit den Mitgliedstaaten ein Programm auszu-
    arbeiten, in dem die veränderte Arbeitsweise der neuen
    Kommission fest umrissen wird. Ein erster Gedanken-
    austausch zwischen den Staats- und Regierungschefs
    und dem neuen Kommissionspräsidenten über ein sol-
    ches Reformprogramm wird bereits am 14. April, ver-
    mutlich in Brüssel, stattfinden.

    Wir müssen und wollen bei der Verwaltung von Ge-
    meinschaftsfonds, von Programmen und von Projekten
    durch die Kommission ein Höchstmaß an Integrität, aber
    auch ein Höchstmaß an Effizienz in der Durchführung
    erreichen.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Unsere Bürgerinnen und Bürger haben genau darauf
    einen Anspruch.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Die europäischen Völker wollen die Integration. Sie

    drängen uns auch, den nächsten Schritt zu tun, ohne den
    die europäische Vereinigung unvollendet bliebe: Ich
    meine die Erweiterung der Europäischen Union um
    unsere östlichen Nachbarstaaten.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Die Union, meine Damen und Herren, darf nicht an
    Deutschlands Ostgrenze enden. Gerade deshalb haben
    die Bürgerinnen und Bürger Europas kein Verständnis
    für administrativen Unterschleif oder eine Politik des
    nationalen Egoismus.

    Ich freue mich, Ihnen sagen zu können, daß es uns
    auf dem Berliner Gipfeltreffen gelungen ist, darüber
    hinaus wichtige Vereinbarungen zu erzielen. Nach rund
    dreijährigen Verhandlungen ist eine Einigung zum
    Handels- und Kooperationsabkommen mit Südafrika
    erzielt worden.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Werner Hoyer [F.D.P.])


    Damit, meine Damen und Herren, stellt Europa unter
    Beweis, daß es ihm mit seinem Engagement für das

    Bundeskanzler Gerhard Schröder






    (B)



    (A) (C)



    (D)


    neue Südafrika – für das Südafrika des so großartigen
    Menschen Nelson Mandela – ernst ist.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der PDS)


    Das geeinte Europa stellt unter Beweis, daß es eben kei-
    ne Exklusivveranstaltung für die Reichen der Welt ist,
    sondern daß es zu freundschaftlicher Zusammenarbeit
    gerade mit denen fähig ist, denen es nicht so gut geht
    wie den reichen Nationen dieser Welt. Daß wir übrigens
    diese Einigung am letzten Tag der Amtszeit von Präsi-
    dent Nelson Mandela, der auch mir ganz persönlich mit
    seinem opferreichen Kampf für die Menschenrechte
    stets ein Vorbild gewesen ist,


    (Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)

    erzielen konnten, erfüllt mich wirklich mit Freude.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)


    Meine Damen und Herren, wie es so ist: Ein guter
    Kompromiß tut allen weh. Das gilt auch für den in Ber-
    lin erzielten Kompromiß zur Agenda 2000. Gleich-
    wohl können alle Partner, also auch wir, mit den Ergeb-
    nissen zufrieden sein. Bedenkt man, wie weit die Aus-
    gangspositionen auseinander lagen, ist das Ergebnis zu-
    friedenstellend, weil es ausgewogen ist. Die Einigung,
    die wir in Berlin erzielt haben, ist ein klares Signal an
    die europäischen Bürgerinnen und Bürger, an die
    Märkte und an die Beitrittskandidaten, und sie belegt,
    daß wir alle am Ende unsere gemeinsame Verantwor-
    tung vor die jeweiligen Einzelinteressen gestellt haben.
    Das Berliner Paket ist ein tragfähiges Fundament für das
    Handeln der Europäischen Union.

    Zwei Prinzipien standen und stehen dabei im Vorder-
    grund: Ausgabenstabilität und Solidarität innerhalb
    Europas mit den Schwächeren.


    (Zustimmung bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Wir haben uns auf einen Rahmen geeinigt, der uns vor-
    gibt, auch in Europa strenge Haushaltsdisziplin zu
    üben. Wir werden dabei den Zusammenhalt unter den
    Mitgliedstaaten wahren, so wie es der Vertrag vorsieht.
    Wir haben in Berlin eine Obergrenze für die
    EU-Ausgaben bis zum Jahr 2006 einvernehmlich fest-
    geschrieben. Das war am Anfang alles andere als eine
    Selbstverständlichkeit. Diese Grenze wird bei 1,27 Pro-
    zent des EU-Bruttosozialproduktes liegen.

    Wir werden in zwei Stufen bis zum Jahre 2004 die
    Mehrwertsteuereigenmittel zur Hälfte auf Bruttosozial-
    produkteigenmittel umstellen. Wir erhöhen die Erhe-
    bungskostenpauschale bei den sogenannten traditionel-
    len Eigenmitteln von 10 Prozent auf 25 Prozent. Beim
    Beitragsrabatt für Großbritannien sowie beim Schlüssel
    für die Finanzierung des Rabatts haben wir Modifikatio-
    nen vereinbart, die zu einer größeren Beitragsgerechtig-
    keit für die Nettozahler – damit meine ich alle Netto-
    zahler, nicht nur Deutschland – führen werden.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Meine sehr verehrten Damen und Herren, in der
    Agrarpolitik sind wir nach langem Ringen zu einer
    auskömmlichen Lösung gelangt. Vielleicht wird es dem
    einen oder anderen an Begeisterung mangeln. Denjeni-
    gen, bei dem das so ist, kann ich trösten: Bei mir ist das
    nicht anders.

    Kernstück sind die Preissenkungen bei Getreide und
    Rindfleisch sowie die auf dem Petersberger Gipfel ver-
    einbarte Höchstgrenze für die Agrarausgaben. Auch
    über den Kohäsionsfonds haben wir eine Einigung er-
    zielt. Innerhalb der Strukturfonds haben wir für die neu-
    en Bundesländer auch für die nächsten sieben Jahre die
    höchste Förderpriorität gesichert.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Übrigens, dazu gehört auch eine vernünftige Übergangs-
    regelung für Ostberlin.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Man nennt das in der Sprache der europäischen Beamten
    „phasing out“.


    (Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)


    – Sehen Sie: Irgendeinen Grund zur Freude muß ich
    Ihnen doch auch geben.


    (Heiterkeit und Zustimmung bei Abgeordneten der SPD)


    Auch wir Deutschen haben nicht alles von dem
    durchsetzen können, was wir gern durchgesetzt hätten.
    Das gerade hier zu sagen gebietet die Redlichkeit.


    (Zustimmung bei Abgeordneten der SPD)

    Etwas Wesentliches haben wir allerdings erreicht:

    Die Ausgabenbegrenzung konnte so festgeschrieben
    werden, wie Deutschland und einige unserer Partner es
    im nationalen, aber auch im europäischen Interesse ge-
    fordert haben. Schritte hin zu mehr Beitragsgerechtig-
    keit liegen nicht nur im deutschen, im niederländischen,
    im österreichischen oder im schwedischen Interesse; der
    Gesichtspunkt der Solidarität und der Gerechtigkeit auch
    den Stärkeren gegenüber liegt vielmehr auch im euro-
    päischen Interesse. Solidarität ist eben keine Einbahn-
    straße.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Wir haben uns deshalb in Berlin darauf geeinigt, daß
    die Kurve der deutschen Nettozahlungen in der Ten-
    denz gestoppt und – naturgemäß langsam – umgedreht
    wird.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Aber es gilt ganz kühl festzustellen: Wir werden nicht
    auf einen Schlag reparieren können, was in der Vergan-
    genheit versäumt worden ist.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Widerspruch bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)


    Bundeskanzler Gerhard Schröder






    (A) (C)



    (B) (D)


    – Das ist so! Sollte sich der eine oder andere von dieser
    oder jener Bank zu Wort melden, dann bin ich sehr ge-
    spannt darauf, ob er es schafft, das, was wir in Berlin er-
    reicht haben, mit dem zu vergleichen, was andere aus
    Edinburgh mitgebracht haben.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Auf diese Diskussion, die wir sicherlich noch mit
    großem Nachdruck und mit großem Interesse miteinan-
    der – in welchen Gruppierungen bei Ihnen auch immer –
    werden führen können, freuen wir uns wirklich.


    (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: So eine Nullnummer!)


    Deutschland hat die EU–Ratspräsidentschaft in einer
    gewiß prekären Lage übernommen. Am Ende dieses
    Halbjahres werden wir vier Gipfeltreffen der Staats- und
    Regierungschefs hinter uns gebracht haben, und dies
    – wie wir mit ein Stück weit Stolz sagen – durchaus mit
    Erfolg.

    Mit der Nominierung von Prodi haben wir eine insti-
    tutionelle Krise in der Union abwenden können. Die La-
    ge im Kosovo hat die europäische Wertegemeinschaft
    erstmals seit dem zweiten Weltkrieg vor den Zwang ge-
    stellt, mit militärischen Mitteln eine humanitäre Kata-
    strophe verhindern zu müssen.

    Mit dem Berliner Paket haben wir eine gute Basis
    gelegt, um die Osterweiterung der Europäischen Union
    voranzutreiben. Diese Erweiterung ist und bleibt unsere
    größte, unsere drängendste Aufgabe.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Die Europäische Union strukturell und finanziell für die
    Aufnahme der Beitrittskandidaten fit zu machen – ich
    habe darauf immer wieder hingewiesen – stand und steht
    weit oben auf der europäischen Tagesordnung.

    Auf dem Gipfel in Köln Anfang Juni wollen wir dar-
    über hinaus einen Beschäftigungspakt für und in Europa
    verabschieden und einen Fahrplan für die dringend not-
    wendigen institutionellen Reformen der EU festlegen.
    Damit erweisen wir uns einmal mehr als der in der Rea-
    lität und nicht nur im Reden wirkliche und ehrliche An-
    walt der Beitrittskandidaten.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Mit dem in Berlin erreichten Kompromiß sind wir
    unseren Zielen, vor allen Dingen dem Ziel, Europa zu
    erweitern, ein großes Stück näher gekommen. Ich er-
    warte nicht, daß alle Mitglieder dieses Hohen Hauses
    allen Einzelheiten des Kompromisses zustimmen. Aber
    ich erwarte, meine Damen und Herren, daß wir den
    ernstgemeinten Versuch machen, europäische Politik ein
    Stück weit herauszuhalten aus dem politischen Konkur-
    renzkampf der Parteien.

    Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

    (Langanhaltender Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)




Rede von Dr. Antje Vollmer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das Wort hat
jetzt der Herr Vorsitzende der CDU/CSU–Fraktion, Dr.
Wolfgang Schäuble.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Wolfgang Schäuble


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Frau Präsi-
    dentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eugen
    Gerstenmaier, der große Präsident dieses Hauses, hat
    seine Memoiren mit dem Titel überschrieben: „Streit
    und Friede hat seine Zeit“. Wir sind heute in einer be-
    sonderen Situation. Wir haben, Herr Bundeskanzler, ge-
    stern schon kurz darüber debattiert. Deswegen will ich
    ganz ruhig und klar sagen, inwieweit wir das unterstüt-
    zen, was Sie gesagt haben, und worin wir uns unter-
    scheiden.

    Wir unterstützen, Herr Bundeskanzler, das, was Sie
    zur Lage im Kosovo gesagt haben. Ich habe gestern für
    die CDU/CSU-Fraktion erklärt, daß sich die Bundesre-
    gierung auf unsere Unterstützung verlassen kann.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


    Ich fand richtig – und wir unterstützen das –, was Sie
    grundsätzlich zu Europa, zum Prozeß der europäischen
    Integration und zu der Notwendigkeit der Erweiterung
    gesagt haben. Wir unterstützen besonders und begrüßen,
    daß es dem Europäischen Rat gelungen ist, sich so rasch
    auf einen Nachfolger von Santer zu einigen. Wir begrü-
    ßen, daß man sich darauf geeinigt hat, Romano Prodi als
    neuen Kommissionspräsidenten vorzuschlagen.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Wir sind in der Bewertung dessen, was auf dem Berli-
    ner Gipfel zur Agenda 2000 erreicht worden ist, unter-
    schiedlicher Meinung. Das muß auch so bleiben. Herr
    Bundeskanzler, ich glaube auch gar nicht, daß es gut wä-
    re, wenn wir Europa und europapolitische Fragen, wie Sie
    am Schluß ein bißchen mißverständlich – vielleicht habe
    ich Sie nicht richtig verstanden – gesagt haben, aus dem
    Streit, aus der politischen Konkurrenz herausnehmen
    würden. Die Demokratie, die Suche nach Alternativen,
    das Ringen um die besseren Lösungen muß bei aller Ge-
    meinsamkeit darüber, daß die europäische Einigung das
    wichtigste Projekt am Ende dieses Jahrhunderts ist, auch
    und gerade in europäischen Fragen funktionieren.

    Ich möchte gerne noch ein Wort zu der aktuellen Si-
    tuation im Kosovo sagen. Das erste ist: Wir fühlen uns
    in diesen Stunden mit den Soldaten, mit ihren Familien
    und auch mit den Streitkräften unserer Verbündeten ver-
    bunden. Unsere Unterstützung gilt ihnen. Wir begrüßen,
    daß alles getan wird, um Gefahren so gering wie mög-
    lich zu halten.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Man muß es immer und immer wieder sagen: Die
    Völkergemeinschaft hat mit unendlicher Langmut ver-
    sucht zu verhindern, was unvermeidlich geworden ist.
    Aber es ist gut, notwendig und unausweichlich, daß am

    Bundeskanzler Gerhard Schröder






    (B)



    (A) (C)



    (D)


    Ende Langmut nicht mit Wankelmut verwechselt wer-
    den durfte. Deswegen mußte jetzt eine klare, feste Ent-
    scheidung getroffen werden.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Die Angriffe richten sich nicht gegen das serbische

    Volk. Die Menschen sollten sich auch nicht durch die
    jetzt angeworfene Propagandamaschine in die Irre leiten
    lassen. Worum es geht, ist, Morden zu verhinden und zu
    helfen, daß der Friede so rasch wie möglich überall in
    Europa, auch in Jugoslawien und vor allem im Kosovo,
    wiederhergestellt wird. Worum es geht, ist, daß eine
    Tragödie für Hunderttausende von Menschen so rasch
    wie möglich beendet wird. Darum und um nichts ande-
    res geht es. Dafür werden wir geschlossen und ent-
    schlossen die getroffenen Entscheidungen unterstützen.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


    Wir stimmen darin überein, daß es notwendig und
    richtig ist, so rasch wie möglich zu erreichen, daß die
    Waffen im Kosovo schweigen, und so rasch wie mög-
    lich die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß wieder
    humanitäre Hilfe geleistet werden kann, damit das
    Elend, dem die Menschen durch die Aggression, das
    Verbrechen, das Morden dieses Diktators ausgesetzt
    sind, gelindert werden kann.

    Ich will noch eine Bemerkung im Hinblick auf manche
    Äußerungen aus diesem Hause am gestrigen Tage und
    auch in der öffentlichen Debatte machen: Ich finde, wir
    haben im Oktober in Kenntnis aller Probleme auf sicherer
    verfassungsrechtlicher und völkerrechtlicher Grund-
    lage die notwendige Entscheidung dieses Bundestages
    sorgfältig erwogen und getroffen. Ich bin dagegen, jetzt in
    eine verfassungsrechtliche Rabulistik einzutreten, die
    nicht weiterführt. Im übrigen will ich noch eine Bemer-
    kung machen: Das Verfassungsgericht hat die Klage ge-
    gen diesen militärischen Einsatz ja zurückgewiesen.

    Ich habe schon einmal diesen Aufsatz aus einer gro-
    ßen deutschen Tageszeitung im Zusammenhang damit
    zitiert. Wenn ich mir die verfassungsrechtlichen Debat-
    ten dazu so anhöre, habe ich das Gefühl, daß man nicht
    immer unterscheiden kann. Wir werden nicht durch
    einen Verzicht auf militärische Mittel – eingesetzt zur
    Bewahrung des Friedens und zur Beendigung des Mor-
    dens – Frieden erreichen und das Morden beenden. Es
    geht darum, größeres Morden zu verhindern.

    Es kann am Ende dieses Jahrhunderts doch nicht sein,
    daß am Schluß dieser rabulistischen Diskussionen Über-
    schriften stehen wie jene eines Zeitschriftenaufsatzes, die
    da lautete: „Wir lassen uns in Ruhe – auch beim Morden“.
    Wir dürfen uns in Europa und in dieser einen Welt beim
    Morden nicht mehr in Ruhe lassen. Darum geht es.


    (Beifall bei der CDU/CSU, der F.D.P. und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Die aktuelle Lage unterstreicht – insofern fand dieser
    Berliner Gipfel ganz gewiß unter bestimmten Umständen
    statt –, wie notwendig ein handlungsfähiges, ein starkes
    Europa ist. Es ist der beste Weg, die größte Chance an der
    Schwelle zum kommenden Jahrhundert, Frieden in ganz

    Europa sicherzustellen, was leider in diesen Tagen immer
    noch nicht gelungen ist. Deswegen ist es auch richtig, daß
    wir alle unsere Kraft darauf verwenden, den Beitritt der
    Länder aus Mittelost- und Südosteuropa so rasch wie
    möglich voranzubringen. In diesem Zusammenhang ist
    daran zu erinnern, daß die Aufgabe der Agenda 2000 vor
    allem darin bestand, die Voraussetzungen dafür zu schaf-
    fen, daß dieser Beitritt erleichtert wird und er so rasch wie
    möglich zustande kommen kann. Auch da stimmen wir
    also im Grundsätzlichen überein.

    Ich finde gut, daß die Entscheidung für Romano
    Prodi so schnell getroffen worden ist. Wir unterstützen
    auch die Absicht, schon jetzt nach den Regeln des Am-
    sterdamer Vertrages – auch wenn er noch gar nicht in
    Kraft ist – zu verfahren, so daß die Entscheidung des
    Rates durch das jetzt im Amt befindliche Europäische
    Parlament bestätigt und Prodi beauftragt wird, ein Re-
    formprogramm zu entwickeln und eine Kommission zu
    bilden. Diese muß dann noch einmal als Ganzes vom
    neu zu wählenden Parlament einer Bestätigung zuge-
    führt werden, um dann eine neue, handlungsfähige
    Kommission zu haben, die für die volle Amtszeit von
    fünf Jahren an einem Programm institutioneller Refor-
    men arbeiten und somit einen Beitrag leisten kann, um
    den wichtigen und schwierigen Reformprozeß in Europa
    voranzubringen.

    Aber die Beschlüsse zur Agenda 2000 bleiben – das
    muß man sagen – hinter den Notwendigkeiten und hinter
    den gesteckten Erwartungen zurück.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Das gilt in besonderer Weise für die Agrarpolitik; dar-
    an kann kein Zweifel sein. Natürlich muß man Kom-
    promisse finden, natürlich war es schwierig. Aber was
    wir schon vor einer Woche gesagt haben, gilt auch heu-
    te: Es war nach unserer Überzeugung ein schwerer Feh-
    ler, das von einer Mehrheit der Mitgliedstaaten unter-
    stützte Ziel der Kofinanzierung als einen ersten Schritt
    für mehr Subsidiarität auch in der Agrarpolitik schon
    vor dem Berliner Gipfel aufzugeben.


    (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Leider!)

    Die Aufgabe dieser Position hat sich auf die Ergebnisse des
    Berliner Gipfels, so wie wir sie kennen, zum Nachteil einer
    wirkungsvollen Reform der Agrarpolitik ausgewirkt.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wir kennen die Zahlen nicht im einzelnen. Das ist

    keine Kritik; der Berliner Gipfel ging ja bis in die frühen
    Morgenstunden. Wir legen einen Entschließungsantrag
    vor, in dem wir – gemäß unserer Überzeugung, daß das
    Parlament als Ganzes Stellung beziehen sollte – eine
    Position formulieren. Aber auch wenn man die Zahlen
    nicht im einzelnen kennt, eines ist klar: Die grundlegen-
    den Probleme in der Agrarpolitik werden durch das Er-
    gebnis des Berliner Gipfels nicht gelöst. Manches wird
    sogar schlechter. Der Preisdruck beispielsweise durch
    die Milchquoten wird eher stärker werden. Die Ein-
    kommenseinbußen für die deutsche Landwirtschaft
    – wie immer sich die Zahlen im einzelnen darstellen –
    sind erheblich. Wir muten keinem anderen Teil unserer
    Bevölkerung etwas Vergleichbares zu.

    Dr. Wolfgang Schäuble






    (A) (C)



    (B) (D)


    Angesichts dieser Situation, wo wir den Bauern in
    Deutschland etwas zumuten, was wir keiner anderen
    Bevölkerungsgruppe zumuten, will ich noch einmal mit
    allem Nachdruck an die Mehrheit dieses Hauses appel-
    lieren: Es ist falsch und unverantwortlich, durch Maß-
    nahmen nationaler Gesetzgebung – von der sogenannten
    Steuerentlastung, die für die Landwirtschaft eine Steuer-
    mehrbelastung bedeutet,


    (Widerspruch bei der SPD)

    über die Ökosteuer bis zur Kürzung der Zuschüsse für
    die landwirtschaftliche Unfallversicherung – zusätzliche
    Einkommensverluste in einer Größenordnung von
    1,8 Milliarden DM für die deutsche Landwirtschaft zu
    beschließen.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Auch wenn es unvermeidlich ist, im Zuge der Reform

    der europäischen Agrarpolitik Kompromisse zu schlie-
    ßen, auch Opfer zuzumuten, ist es in einer solchen Si-
    tuation auch um des inneren Friedens und der sozialer
    Gerechtigkeit willen in diesem Lande geradezu verhee-
    rend, der Bevölkerungsgruppe, der man die meisten
    Auswirkungen von Reformen zumutet – vielleicht teil-
    weise zumuten muß –, durch nationale Maßnahmen zu-
    sätzliche Belastungen aufzuerlegen, anstatt daß man ver-
    sucht, die Auswirkungen für die betroffenen Menschen,
    für die betroffene Bevölkerungsgruppe durch nationale
    Maßnahmen zu mindern.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


    Ich sage noch einmal, verehrte Kolleginnen und Kol-
    legen: Wer glaubt, die Bauern in unserem Lande seien
    nur eine kleine Minderheit, über die man sich leicht
    hinwegsetzen könne, der hat nicht verstanden, daß die
    Stabilität unseres Landes auf einem ausgewogenen Ver-
    hältnis von städtischen Ballungszentren und ländlichen
    Räumen beruht und daß der ländliche Raum ohne eine
    funktionierende Landwirtschaft nicht lebensfähig ist.
    Das wird auch in der Zukunft so bleiben.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Deswegen: Wer die Lebensfähigkeit unserer Land-

    wirtschaft untergräbt, schadet nicht nur den Bauern,
    sondern verletzt die innere Stabilität unseres Landes.


    (Uwe Hiksch [SPD]: Das glauben Sie ja selber nicht!)


    – Ja, natürlich, wegen der Ausgewogenheit im Vergleich
    zu anderen Ländern. Ich komme gleich auf die Regio-
    nalpolitik zu sprechen.


    (Ludwig Stiegler [SPD]: Das weiß der Kalle Funke besser!)


    Wenn Sie ein wenig über die Vorteile unserer Bun-
    desrepublik Deutschland – eine größere Balance auch
    als Folge unseres föderalen Systems und eine größere
    Ausgewogenheit zwischen ländlichen Regionen, klei-
    nen, mittleren und großen Städten bzw. Zentren – nach-
    denken, dann werden Sie vielleicht verstehen, daß die
    Lebensfähigkeit des ländlichen Raumes nicht nur für die
    Menschen dort, sondern auch für die Menschen in den

    städtischen Ballungszentren wichtig ist. Deswegen geht
    es nicht um Klientelpolitik, sondern um die richtigen
    ordnungs- und strukturpolitischen Entscheidungen für
    unser Land.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich will noch einmal sagen: Natürlich muß die euro-

    päische Agrarpolitik reformiert werden, um die Voraus-
    setzungen dafür zu schaffen, daß die Erweiterung der
    Europäischen Union besser vorankommt. Da wir aber
    gleichzeitig darüber reden, Herr Bundeskanzler, wie der
    weitere Weg institutioneller Reformen auszusehen hat
    – von den Arbeiten, die Romano Prodi in der Vorberei-
    tung auf eine neue Kommission und sein Programm zu
    leisten hat bis zum Kölner Gipfel und zu dem Prozeß,
    der von dort ausgehen muß –, will ich noch einmal das
    Prinzip beschreiben: Wir werden die Probleme der euro-
    päischen Agrarpolitik besser lösen, wenn wir im Bereich
    der Einkommenshilfen – wie immer sie heißen, ob es
    landwirtschaftliche Sozialpolitik ist, ob es direkte Ein-
    kommensbeihilfen oder was auch immer sind – das
    Subsidiaritätsprinzip stärker verwirklichen.

    Wir können angesichts der ganz unterschiedlichen
    klimatischen, regionalen und sonstigen Strukturen in Eu-
    ropa, des unterschiedlichen Wohlstands und Preisni-
    veaus in Europa


    (Ludwig Stiegler [SPD]: Jetzt erzählt er Selbstverständliches!)


    bei der Reform der europäischen Agrarpolitik die Le-
    bensfähigkeit der Landwirtschaft in Deutschland nicht
    allein durch europäische Maßnahmen sichern. Deswe-
    gen brauchen wir stärker das Subsidiaritätsprinzip.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Weil auf dem Berliner Gipfel keine Vereinbarung über
    Maßnahmen zu stärkeren nationalen Gestaltungsmög-
    lichkeiten erreicht worden ist – die Kofinanzierung wäre
    der entscheidende Schritt in diese Richtung gewesen –,
    ist dieser Gipfel gescheitert. Dafür trägt die Bundesre-
    gierung erhebliche Verantwortung.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. – Widerspruch bei der SPD)


    – Ich weiß doch, daß das für Frankreich ein ganz
    schwieriges Thema ist.


    (Bundesminister Joseph Fischer: Nächstes Mal nehmen wir Sie mit!)


    – Die deutsch-französische Freundschaft ist doch kein
    Grund dafür, daß man mit unseren französischen Freun-
    den und Nachbarn nicht intensiv darüber reden kann und
    muß, was der richtige Weg für Europa ist. Wenn man
    aber die Debatte so, wie Bundeskanzler Schröder es An-
    fang des Jahres getan hat, als er sagte, jetzt ist Schluß
    damit, daß in Brüssel das deutsche Geld verbraten wird,
    beginnt, dann kann man mit Frankreich nicht zu einem
    Ergebnis kommen.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das war Herr Stoiber!)


    Dr. Wolfgang Schäuble






    (B)



    (A) (C)



    (D)


    Es ist doch bemerkenswert, daß Tony Blair nach sei-
    ner Rückkehr sagen kann – wenn ich die Agenturmel-
    dungen richtig gelesen habe –, daß kein britisches Pfund
    mehr bezahlt werde und man den britischen Beitragsra-
    batt gehalten habe. Auch die Franzosen können sagen:
    Wir haben alles gehalten. Auch die Südländer können
    sagen: Wir haben alles gehalten.


    (Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

    Aber der deutsche Bundeskanzler, der am Anfang der
    deutschen Präsidentschaft am meisten davon geredet hat,
    welche angeblichen Fehler seiner Vorgängerregierung
    jetzt korrigiert werden müssen, hat am wenigsten er-
    reicht. So macht man sich durch eigenes Reden die
    Erfolge kaputt.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Dr. Eberhard Brecht [SPD]: Wer hat denn die Kürzungen ins Spiel gebracht? – Weiterer Zuruf von der SPD: Jetzt kommen Sie wieder in das alte Fahrwasser!)


    Herr Bundeskanzler, lassen Sie doch endlich davon
    ab, die Legende zu bilden – ich drücke mich noch sehr
    zurückhaltend aus –,


    (Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Stoiber sitzt auf der anderen Bank!)


    als sei in den vergangenen Jahren die Entwicklung dahin
    gegangen, daß Deutschland immer mehr gezahlt habe,
    und als habe Ihre Vorgängerregierung – wie haben Sie
    sich ausgedrückt? – das Geld geradezu nach Brüssel ge-
    schaufelt, damit es dort verbraten werde. Die Wahrheit
    ist, daß der deutsche Nettobeitrag nach den amtlichen
    Zahlen der Kommission in den Jahren 1994 bis 1997
    – für diese Jahre haben wir die amtlichen Zahlen; für
    1998 gibt es die Zahlen noch nicht – von 27 Milliarden
    DM auf 22 Milliarden DM gesunken ist. Die Trendwen-
    de ist also 1994 eingeläutet worden.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


    Die von Ihnen in Ihrer Regierungserklärung eingefor-
    derte Gemeinsamkeit kann nicht auf der Grundlage fal-
    scher Zahlen und falscher Legenden zustande kommen,
    mit denen Sie die Bevölkerung und das Parlament ein
    Stück weit täuschen. Die Wahrheit ist, daß die Regie-
    rung Kohl/Waigel in den Jahren 1994 bis 1997 eine
    Trendwende durch die Senkung des deutschen Netto-
    beitrags von 27 auf 22 Milliarden DM erreicht hat. Ge-
    messen daran sind die Ergebnisse, die Sie in Berlin er-
    reicht haben, ausgesprochen kläglich.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


    Ich will noch ein Wort zur europäischen Regional-
    politik sagen. In der heutigen Debatte will ich vor allen
    Dingen noch einmal das Prinzip, um das es uns geht,
    klarmachen. Wir sagen in unserem Entschließungsantrag
    – ich habe das auch in der vergangenen Woche von die-
    sem Platz aus gesagt –: Wir akzeptieren, daß die Förde-
    rung für die Bundesrepublik Deutschland aus den euro-
    päischen Strukturfonds zurückgeführt wird. Wir akzep-

    tieren notfalls auch, daß die Strukturförderung für
    Deutschland überdurchschnittlich zurückgeführt wird.
    Das ist ja das Ergebnis von Berlin, wenn man die Zah-
    len, die wir jetzt kennen, einigermaßen richtig bewertet.
    Wenn dies aber geschieht, dann ist es zwingend notwen-
    dig, daß die Mitgliedstaaten und die Regionen, soweit
    sie in den Mitgliedstaaten eine rechtliche Qualität besit-
    zen – für die Bundesrepublik Deutschland heißt das
    Bund und Länder –, mehr Möglichkeiten erhalten, mit
    eigenen Mitteln in eigener Zuständigkeit regionale Pro-
    bleme zu lösen, für die es in Zukunft weniger Mittel aus
    Brüsseler Kassen gibt. Das fordern wir; das haben Sie
    nicht erreicht.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


    Das läßt sich an vielen Zahlen belegen.
    Das Entscheidende ist, daß wir das Prinzip der Auf-

    gabenabschichtung, der Subsidiarität, klarer durchsetzen
    müssen: Wofür ist Europa, wofür sind die Mitgliedstaa-
    ten und wofür sind die Regionen zuständig? Das wird
    auch die entscheidende Aufgabe für den institutionellen
    Reformprozeß sein müssen.

    Wenn wir in Europa weiterhin die Entwicklung ha-
    ben, daß für immer mehr Aufgaben in immer stärkerem
    Maße die europäische Ebene zuständig ist, daß wir eine
    Mischfinanzierung haben, die am Ende keiner mehr
    richtig durchschaut, und daß wir auf europäischen Gip-
    feln in den Nacht- und Morgenstunden Regelungen und
    Geld hin- und herschieben – 10 Millionen für dich,
    5 Millionen für mich –, so daß am Ende keiner mehr
    weiß – das ist kein Vorwurf –, was nun im einzelnen be-
    schlossen worden ist, dann werden wir – –


    (Dr. Peter Struck [SPD]: Wie war es denn früher?)


    – Ich bitte Sie herzlich, verehrte Kolleginnen und Kolle-
    gen, ich habe mit keinem Wort kritisiert, daß der Bun-
    deskanzler in seiner Regierungserklärung keinerlei sub-
    stantielle Angaben zu den Inhalten des Ergebnisses des
    Berliner Gipfels gemacht hat.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


    Aber wenn Sie hier solche Zwischenrufe machen, dann
    muß ich doch darauf hinweisen, daß ich ja verstehe, daß
    man ein paar Stunden nach Abschluß des Gipfels noch
    nicht in einer Regierungserklärung sagen kann, was im
    einzelnen beschlossen worden ist.


    (Widerspruch bei der SPD)

    Das zeigt doch die Absurdität dieses Verfahrens. Das

    können wir nur dann besser lösen, wenn wir bei der in-
    stitutionellen Reform der Europäischen Union zu ein-
    facheren, klareren Regelungen kommen. Es muß nicht
    jede Aufgabe in Europa durch europäische Institutionen
    gelöst werden. Subsidiarität, mehr Bürgernähe, mehr
    Transparenz und mehr Klarheit, das ist der bessere Weg,
    um Europa voranzubringen.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)


    Dr. Wolfgang Schäuble






    (A) (C)



    (B) (D)


    Das ist vor allen Dingen deswegen wichtig, weil wir
    Europa nur voranbringen werden, wenn es uns gelingt,
    die Menschen in Europa und auch in Deutschland davon
    zu überzeugen – und zwar sowohl im Großen und
    Grundsätzlichen als auch im Kleinen und Konkreten,
    also nicht nur in den Festreden, sondern auch im Alltag –,
    daß Europa der bessere Weg für unsere Zukunft ist.
    Deswegen müssen die Ergebnisse und die Entscheidun-
    gen in Europa für die Menschen nachvollziehbar sein.
    Deswegen muß man wissen, wer was entscheidet, wer
    wofür die Verantwortung trägt, warum welche Entschei-
    dung getroffen wird und wie sie demokratisch legiti-
    miert ist. Das ist, in einfachen Worten, die Aufgabe für
    die institutionellen Reformen.

    Davon war im übrigen der Berliner Gipfel ein Teil.
    Die Ergebnisse des Berliner Gipfels werden diesem
    Maßstab aber nicht gerecht. Sie bedeuten nicht eine
    Stärkung der Subsidiarität in Europa, sondern sie resul-
    tieren wiederum nur aus dem Versuch – vielleicht war es
    in dieser Woche in der Lage gar nicht anders möglich –,
    die Milliarden ohne eine systematische Klarheit hin- und
    herzuschieben. Bei diesem Hin- und Herschieben von
    Milliarden hat die deutsche Präsidentschaft für die deut-
    schen Interessen weniger erreicht, als die Regierungen
    anderer Mitgliedstaaten erreicht haben, wie alle Agen-
    turmeldungen von heute morgen zeigen.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Damit sich dies nicht wiederholt, wird es notwendig

    sein – ich nütze die Gelegenheit dieser Debatte, dafür zu
    werben –, daß wir Europa bei den institutionellen Re-
    formen mit einer Art Verfassungsvertrag unterstützen,
    um das Ganze für die Menschen einsehbar und nach-
    vollziehbar zu machen, um die Menschen für Europa zu
    gewinnen und sie mitzunehmen. Sie sollen sehen, daß
    ihre Sache dort entschieden wird, und zwar nicht nega-
    tiv, sondern positiv. Es soll erkennbar werden, wer in
    Europa für welche Entscheidung zuständig ist und wie
    jede Entscheidung in Europa demokratisch legitimiert
    wird – auch das ist wichtig –, was wir nicht allein durch
    die nationalen Parlamente machen können, weswegen
    das Europäische Parlament gestärkt werden muß. Je bes-
    ser das gelingt, um so größer sind die Chancen, daß wir
    die Menschen dafür gewinnen, den Weg der europäi-
    schen Einigung in guten und in schwierigen Zeiten wei-
    ter voranzugehen. Das ist das Wichtigste. Die große
    Aufgabe deutscher und europäischer Politik ist ange-
    sichts der Ereignisse dieser Woche, in der sich viele
    dramatische Entwicklungen sozusagen wie zu einem
    Knoten zusammengefügt haben, dafür zu sorgen, daß
    sich die Menschen weiterhin für die demokratischen
    Entscheidungsprozesse interessieren.

    Deswegen darf dieser Punkt nicht aus dem demokra-
    tischen Meinungsstreit ausgeklammert werden, Herr
    Bundeskanzler. Die entsprechende Diskussion muß
    vielmehr Gegenstand des demokratischen Wettbewerbs
    sein. Es muß klar sein, wer wo um welche Konzeptionen
    streitet. Unsere Konzeption für Europa beinhaltet ein
    handlungsfähiges und starkes Europa; ein Europa, das
    Frieden, Freiheit, Menschenrechte, soziale Gerechtig-
    keit, wirtschaftlichen Wohlstand, ökologische Nachhal-
    tigkeit und den Schutz von Natur und Umwelt sichert.
    Aus diesem Grunde ist die Erweiterung so wichtig.

    Wir müssen die Subsidiarität stärken, um demokrati-
    sche Entscheidungen auf allen Ebenen zu ermöglichen,
    und wir müssen die kommunale Selbstverwaltung und
    die Zuständigkeit der Länder ernst nehmen. Die Mit-
    gliedstaaten müssen ihre Funktion, die sie bisher wahr-
    genommen haben, beibehalten und sich für die Interes-
    sen der Menschen einsetzen. Europa ist längst nicht
    mehr eine Festveranstaltung, sondern – wenn die Politik
    richtig angelegt ist – die beste Antwort, um die Interes-
    sen der Deutschen im kommenden Jahrhundert zu wah-
    ren.

    Dazu gehört, daß wir die Kraft aufbringen, Entschei-
    dungen zu treffen, auch wenn die Entscheidungen, für
    die es wie im Falle der aktuellen Lage im Kosovo keine
    bessere Alternative gibt, sehr weh tun.


    (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU – Beifall bei der F.D.P.)