Rede von
Dr.
Guido
Westerwelle
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(F.D.P.)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Minister, Sie
haben hier zur Sachlichkeit, Mäßigung und Differenzie-
rung in der Diskussion nach den Kurdenkrawallen auf-
gerufen. Das kann man gut nachvollziehen. Sie haben
Umfragen zitiert und – wie die Redner vor Ihnen auch –
auf die tatsächlichen und völkerrechtlichen Schwierig-
keiten hingewiesen, die mit Abschiebungen zusammen-
hängen, wie Folter und Todesstrafe. Aber wen haben Sie
in diesem Hause damit ansprechen wollen? – Augen-
scheinlich haben Sie nicht die eigene Mannschaft ange-
sprochen.
In diesem Zusammenhang möchte ich Ihnen aus
einem Interview, das Bundeskanzler Schröder dem
„Stern“ gegeben hat und das morgen erscheint, zitieren:
Frage: Können Sie Abschiebungen in ein Land ver-
antworten, in dem gefoltert wird?
Antwort: Das Völkerrecht setzt hier Grenzen. Aber
kein Rechtsbrecher sollte glauben, daß er sich da-
hinter verstecken kann. Wir werden prüfen, ob wir
an der Abschiebepraxis etwas ändern müssen. Hier
besteht Handlungsbedarf.
Wenn also selbst unser alleroberster und äußerst
flexibler Bundeskanzler in einem solchen Interview auf
eine solche Frage antwortet, daß die Abschiebepraxis
erst überprüft werden müsse,
dann heißt das unter kundigen Thebanern natürlich, daß
er die Abschiebepraxis verändern will.
– Sie sind zwar neu im Parlament, aber da ich Sie ken-
nengelernt habe, weiß ich, daß Sie kein bißchen blau-
äugig sind. Das ist doch albern.
Natürlich ist Bundeskanzler Schröder ein wichtiger
Teil in der Diskussion und setzt bei der Abschiebungs-
diskussion Akzente, die auch meine Partei gefordert hat.
Meine Partei hat beispielsweise gesagt, daß Gewalttäter
im Rahmen völkerrechtlicher Verpflichtungen und einer
menschlichen, rechtlich korrekten Behandlung – das ist
selbstverständlich – auch abgeschoben werden müssen.
Als Bundesinnenminister müßten Sie aber Ihrem eige-
nen Bundeskanzler viel mehr als dem überwiegenden
Teil dieses Hauses vortragen.