Herr Westerwelle, ich
habe vorhin keine Zwischenfrage zugelassen; bitte sehen
Sie mir nach, wenn ich konsequent bleibe. Dies sage ich,
obgleich es vielleicht meine Redezeit verlängert hätte
und ich noch ein paar Gedanken zusätzlich hätte anfüh-
ren können.
Lassen Sie mich fortfahren. Sie wollen den § 1631
BGB, der die Gewalt in Ehe und Familie zum Gegen-
stand hat, wieder ändern; wir haben ihn ja erst geändert.
Wir haben ihn ja gerade erst geändert. Wir haben ent-
würdigende Erziehungsmaßnahmen verurteilt und dies
im Kindschaftsrecht so festgehalten. Das ist nicht einmal
ein Jahr Gesetz.
Ich weiß nicht, ob es gut ist, wenn man Gesetze allzu
schnell wieder ändert. Aber wenn es eine andere Regie-
rung gibt, dann hat sie wohl das Recht dazu. Das muß
man akzeptieren und respektieren. Aber ist es sehr ver-
nünftig? Was machen wir mit einem Kind, das morgens
nicht aufstehen, nicht zur Schule gehen will und das am
Ende, weil es schulpflichtig ist, von der Polizei mit Ge-
walt in die Schule gebracht werden muß? Wo ist denn
da die gewaltfreie Erziehung? Lassen Sie diese Formel
weg! Das sind meiner Meinung nach nichts als Schlag-
wörter, die in der Sache nicht weiterbringen.
Wenn man sie ernst nimmt, dann kann es – im Ge-
gensatz zu dem, was Herr Beck sagt – tatsächlich sein,
daß die Eltern Gefahr laufen, allzu schnell mit dem
Strafrecht in Konflikt zu geraten. Damit würde eine sol-
che Reform der Regelungen mehr Unfrieden bringen, als
sie zum Frieden beiträgt.
Ich meine, daß wir uns Gedanken machen müssen,
was wir im strafrechtlichen Bereich angehen müssen.
Sie liefern Stichworte wie „Schwitzen statt sitzen“ und
„elektronische Fußfesseln“ und bringen das inzwischen
geläufige Thema Strafgeld in die Diskussion. Wir ha-
ben Bedenken, Frau Ministerin, ob die Einführung eines
Strafgeldes nicht doch auf eine Entkriminalisierung des
Ladendiebstahls hinausläuft. Daneben haben wir auch
Bedenken, ob dadurch die Polizei nicht noch mehr bela-
stet wird, ob damit auf die Polizei nicht noch mehr Ver-
waltungszuständigkeiten zukommen, so daß sie am Ende
stärker belastet ist, als das jetzt der Fall ist. Landauf,
landab klagt sie über Stellenabbau. Dann allerdings
müssen die Länder bereit sein, die Zahl der Personal-
stellen bei der Polizei zu erhöhen.
Ich meine, daß in der Sache nicht viel gewonnen wer-
den kann. Unser Hauptbedenken liegt in der Befürchtung
einer Entkriminalisierung. Wir meinen, die Staatsanwalt-
schaft hat schon jetzt genügend Möglichkeiten, dieser
Massendelikte – wir wollen gar nicht verschweigen, daß
es sich um solche handelt – Herr zu werden.
Zu einem weiteren Punkt, dem Schutz der Kinder
vor Sexualstraftätern. Mit dem 6. Strafrechtsreformge-
setz haben wir ein umfangreiches Gesetzeswerk einge-
bracht und in dessen Zuge das Strafmaß ganz gehörig
erhöht. Übereinstimmung gab es diesbezüglich quer
durch alle Parteien. Aber inzwischen hat der Bundesge-
richtshof Urteile gefällt, aus denen hervorgeht, daß man-
che Regelungen des 6. Strafrechtsreformgesetzes milder
sind als vorher. Das widerspricht dessen Intention. Des-
halb müssen wir, so meinen wir, auch hier noch einmal
drüberschauen und überlegen, ob nicht gesetzliche Än-
derungen notwendig sind.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es gäbe
natürlich noch viele Punkte anzuführen. Ich hoffe, daß
wir in ein gutes Gespräch kommen, und gehe davon aus,
daß im Rechtsausschuß nach wie vor das Argument und
nicht die Ideologie zählt.
Ich danke Ihnen.