Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ein Stück
mehr Glaubwürdigkeit täte Ihrer Politik und Ihrer Person
weiß Gott gut. Auf Dauer werden Sie die mangelnde
Glaubwürdigkeit nicht mit lockeren Sprüchen überspie-
len können. Die Probleme werden Sie mit Sicherheit
einholen.
Sie haben die Bauern genannt und in diesem Zusam-
menhang meine Reise nach Ungarn angesprochen. Ich
will kurz auf diesen Punkt eingehen. Herr Bundeskanz-
ler, der ehemalige Landwirtschaftsminister von Nieder-
sachsen und jetzige Bundeslandwirtschaftsminister hat
vor einem halben Jahr die Position der Regierung Kohl
und des damaligen Bundeslandwirtschaftsministers Bor-
chert zur Agenda 2000 mit einem „Nein, so nicht!“ voll
und ganz zurückgewiesen.
Ein halbes Jahr später nimmt er plötzlich die Be-
schlüsse im Rahmen der Agenda 2000 in toto als
Grundlage für seine Politik, obwohl er selbst die Aus-
wirkungen dieser Beschlüsse beklagt, nämlich daß zum
Beispiel 30 000 bis 40 000 Bauernhöfe in Deutschland –
vor allen Dingen in Süddeutschland – vernichtet wür-
den. Man kann dieses Problem nicht so bewältigen, wie
das mit der Agenda 2000 versucht wird; man kann nicht
die Bedingungen des Weltmarktes für die deutsche
Landwirtschaft akzeptieren, wenn in Deutschland ganz
andere Produktionsbedingungen auf Grund ökologischer
Erfordernisse bestehen, die man so zum Beispiel in
Amerika nicht findet. Daher muß man während der
Übergangsphase mehr Schutz für unsere Bauern fordern.
Ich freue mich, daß auch Sie den politischen Ascher-
mittwoch in Bayern entdeckt haben. Bei dieser Gele-
genheit haben Sie in Vilshofen zu den protestierenden
Bauern gesagt – Sie sind der Bundeskanzler; die Bauern
wollen deshalb Ihnen ihre Sorgen beschreiben –: „Was
wollt ihr eigentlich? Ihr habt doch die CSU oder die
CDU gewählt! Ich kann doch nicht in hundert Tagen all
das ändern, was eure alte Regierung versaubeutelt hat.“
– Es ist gut, daß da geklatscht wird. – Ich halte das für
einen absoluten Zynismus,
denn es geht nicht um die Vergangenheit, sondern es
geht darum, was morgen und übermorgen kommt.