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ID1402100800

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Metadaten
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    6. Fraktion: 1
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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 14/21 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 21. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 24. Februar 1999 I n h a l t : Gedenkworte für den verstorbenen König Hussein von Jordanien .................................. 1489 A Glückwünsche zu den Geburtstagen der Ab- geordneten Adelheid Tröscher, Ilse Schu- mann und Helmut Wieczorek (Duisburg)..... 1489 C Erweiterung der Tagesordnung........................ 1489 D Absetzung des Punktes 2c von der Tagesord- nung ................................................................. 1490 A Tagesordnungspunkt 1: (Fortsetzung) a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes über die Feststellung des Bundes- haushaltsplans für das Haushaltsjahr 1999 (Haushaltsgesetz 1999) (Drucksache 14/300) .................................. 1490 D b) Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht über den Stand und die voraus- sichtliche Entwicklung der Finanzwirt- schaft (Drucksache 14/350) ....................... 1490 D Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU ................. 1490 D Dr. Peter Struck SPD ....................................... 1500 B Dr. Wolfgang Gerhardt F.D.P.......................... 1505 A Rezzo Schlauch BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN................................................................. 1510 C Dr. Gregor Gysi PDS....................................... 1514 D Gerhard Schröder, Bundeskanzler ................... 1519 B Dr. Edmund Stoiber, Ministerpräsident (Bayern) ........................................................... 1526 C Joseph Fischer, Bundesminister AA................ 1533 A Karl Lamers CDU/CSU................................... 1536 D Dr. Christoph Zöpel SPD................................. 1538 C Ulrich Irmer F.D.P. ......................................... 1541 D Wolfgang Gehrcke PDS .................................. 1543 A Dr. Friedbert Pflüger CDU/CSU ..................... 1544 A Rudolf Scharping, Bundesminister BMVg...... 1546 B Dietrich Austermann CDU/CSU ..................... 1549 A Angelika Beer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . 1551 A Günther Friedrich Nolting F.D.P. .................... 1552 C Heidi Lippmann-Kasten PDS .......................... 1554 A Peter Zumkley SPD ......................................... 1555 A Kurt J. Rossmanith CDU/CSU .................... 1555 D Dietrich Austermann CDU/CSU ................. 1556 A Günther Friedrich Nolting F.D.P. ................ 1556 C Paul Breuer CDU/CSU.................................... 1557 C Alfred Hartenbach SPD ................................... 1561 A Hans Jochen Henke CDU/CSU ....................... 1562 A Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ........................................................ 1563 C Rainer Funke F.D.P. ........................................ 1565 C Dr. Evelyn Kenzler PDS.................................. 1566 D Norbert Geis CDU/CSU ...................... 1567 D, 1570 C Hans-Christian Ströbele BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN .............................. 1569 D, 1584 B, 1589 D Dr. Guido Westerwelle F.D.P.............. 1570 B, 1589 B II Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 21. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Februar 1999 Dr. Herta Däubler-Gmelin, Bundesministerin BMJ ................................................................. 1571 A Ludwig Stiegler SPD ....................................... 1574 A Dr. Jürgen Rüttgers CDU/CSU........................ 1576 A Sebastian Edathy SPD.................................. 1578 C Cem Özdemir BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.. 1579 C Dr. Guido Westerwelle F.D.P. ..................... 1580 C Dr. Werner Hoyer F.D.P. ................................. 1581 C Ulla Jelpke PDS............................................... 1583 A Carl-Detlev Freiherr von Hammerstein CDU/ CSU ................................................................. 1585 A Otto Schily, Bundesminister BMI........ 1586 A, 1589 D Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesministe- rin BMZ ............................................... 1590 C, 1601 A Michael von Schmude CDU/CSU ................... 1592 D Dr. R. Werner Schuster SPD........................ 1593 B Antje Hermenau BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN................................................................. 1594 D Joachim Günther (Plauen) F.D.P. ................... 1596 D Carsten Hübner PDS........................................ 1598 A Klaus-Jürgen Hedrich CDU/CSU.................... 1599 B Adelheid Tröscher SPD ................................... 1601 D Zusatztagesordnungspunkt 2: Überweisungen im vereinfachten Verfahren a) Antrag der Bundesregierung Deutsche Beteiligung an der militäri- schen Umsetzung eines Rambouillet- Abkommens für den KOSOVO sowie an NATO-Operationen im Rahmen der Notfalltruppe (Extraction Force) (Drucksache 14/397) .................................. 1559 C b) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Ge- setzes zum Internationalen Privatrecht für außervertragliche Schuldverhältnis- se und für Sachen (Drucksache 14/343)... 1559 C c) Erste Beratung des von den Fraktionen SPD, CDU/CSU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die allgemeine und die repräsentative Wahlstatistik bei der Wahl zum Deutschen Bundestag und bei der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bun- desrepublik Deutschland (Drucksache 14/401) ....................................................... 1559 C d) Antrag der Abgeordneten Hans Martin Bury, Ernst Schwanhold, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Werner Schulz (Leip- zig), Margareta Wolf (Frankfurt) und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Förderung der Luftfahrttechnologie (Drucksache 14/395) .................................. 1559 D Tagesordnungspunkt 4: Abschließende Beratungen ohne Aussprache a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung von Zu- ständigkeiten nach dem Sorgerechts- übereinkommens-Ausführungsgesetz (Drucksachen 14/33, 14/338) ..................... 1559 D b) Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zu der Streitsache vor dem Bundesverfassungsgericht 2 BvE 3/98 (Drucksache 14/321).......................... 1560 A c) bis e) Beschlußempfehlungen des Peti- tionsausschusses Sammelübersichten 15, 16 und 17 zu Petitionen (Drucksachen 14/322, 14/323, 14/324) ...... 1560 B Zusatztagesordnungspunkt 3: Weitere abschließende Beratungen ohne Aussprache Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Öffnung der Sozial- und Steuerverwaltung für den Euro (Zwei- tes Euro-Einführungsgesetz) (Druck- sachen 14/229, 14/406) .............................. 1560 C Nächste Sitzung ............................................... 1603 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten ........... 1605 A Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 21. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Februar 1999 1489 (A) (C) (B) (D) 21. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 24. Februar 1999 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Adelheid Tröscher Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 21. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 24. Februar 1999 1605 (A) (C) (B) (D) Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich Dr. Bartsch, Dietmar PDS 24.2.99 Behrendt, Wolfgang SPD 24.2.99 * Brudlewsky, Monika CDU/CSU 24.2.99 Diemers, Renate CDU/CSU 24.2.99 Ehlert, Heidemarie PDS 24.2.99 Erler, Gernot SPD 24.2.99 Frick, Gisela F.D.P 24.2.99 Fuchs (Köln), Anke SPD 24.2.99 Großmann, Achim SPD 24.2.99 Haack (Extertal), Karl-Hermann SPD 24.2.99 Hartnagel, Anke SPD 24.2.99 Hasenfratz, Klaus SPD 24.2.99 Hempelmann, Rolf SPD 24.2.99 Jung (Düsseldorf), Volker SPD 24.2.99 Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich Dr. Luther, Michael CDU/CSU 24.2.99 Mascher, Ulrike SPD 24.2.99 Dr. Protzner, Bernd CDU/CSU 24.2.99 Rauber, Helmut CDU/CSU 24.2.99 Roth (Augsburg), Claudia BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 24.2.99 Rupprecht, Marlene SPD 24.2.99 Schindler, Norbert CDU/CSU 24.2.99 Sebastian, Wilhelm-Josef CDU/CSU 24.2.99 Dr. Sonntag-Wolgast, Cornelie SPD 24.2.99 Verheugen, Günter SPD 24.2.99 Willner, Gert CDU/CSU 24.2.99 Wohlleben, Verena SPD 24.2.99 Dr. Wolf, Winfried PDS 24.2.99 ––––––––––– * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Rezzo Schlauch


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kol-
    lege Gerhardt, mich überraschen Sie und Ihre F.D.P.
    nicht. In Rheinland-Pfalz sind Sie für die erleichterte
    Einbürgerung – 3 000 Stimmen über den Durst in Hes-
    sen, dann schmeißen Sie sich ohne zu Zögern an die
    Seite von Stoibers Sendboten, der auf übelste Weise ge-
    gen jede Form von Doppelstaatlichkeit polemisiert hat
    und der Ihnen in Hessen jede Reform versagt. In Bonn
    schließlich sind Sie für ein starkes Sowohl-Als-auch.
    Herr Gerhardt, eine Partei, die für alles offen ist, ist für
    mich nicht ganz dicht.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Dr. Wolfgang Gerhardt [F.D.P.]: Ich verstehe Ihren Ärger!)


    Ich kann Ihnen ja Ihre 5,1 Prozent gönnen. Aus meiner
    Erfahrung mit 6,7 Prozent wünsche ich Ihnen viel Spaß
    in Hessen!


    (Dr. Wolfgang Gerhardt [F.D.P.]: Wir sehen uns ja bei der Beratung wieder!)


    Wir haben in Hessen verloren – das ist richtig –, und
    zwar an diesem im wahrsten Sinne schwarzen Sonntag.
    Wir nehmen diesen Warnschuß ernst, wir nehmen ihn
    nicht auf die leichte Schulter, und wir haben die Bürge-
    rinnen und Bürger an diesem Punkt verstanden. Wir als
    Grüne sollten als allererste davon lernen; wir müssen
    insgesamt lernen, unsere Arbeit in Bonn besser zu tun.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)


    Eines werden wir mit Sicherheit nicht: Wir werden nie
    so langweilig, nie so statisch und nie so rückwärtsge-
    wandt werden wie die alte Regierung.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Herr Bundeskanzler, Sie haben neulich gesagt, Sie
    seien der „Kanzler aller Autos“. Wenn Sie der „Kanzler
    aller Autos“ sind, dann sind wir Grünen der ADAC. Wir
    werden mithelfen, den Reformstau aufzulösen.


    (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN – Lachen bei der CDU/CSU – Michael Glos [CDU/CSU]: Bulldozer!)


    Meine Damen und Herren, wo gehobelt wird, da fal-
    len Späne; das wissen wir alle. Das ist allemal besser,
    als wenn die Regierungswerkstatt nur ab und zu von
    dem Regierungsvorsteher besucht wird und dann ge-
    schaut wird, ob alle noch gut schlafen, der Staub des
    Stillstands aber liegenbleibt.


    (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der SPD)


    Das war das System von Schwarzgelb. Die Regierung
    Fischer und Schröder geht die Probleme an.


    (Lachen bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wir werden – und wir haben es schon – den Staub des
    Stillstands wegfegen und werden die Regierungswerk-
    statt wieder in Fahrt bringen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Lachen bei der CDU/CSU und der F.D.P.)


    Dr. Wolfgang Gerhardt






    (A) (C)



    (B) (D)


    Genießen Sie also Ihren hessischen Triumph, solange
    Sie noch können. Denn eins ist sicher: Diese Regierung
    ist nicht am Ende; wir fangen erst an!


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Lachen bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Michael Glos [CDU/CSU]: Armes Deutschland! – Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Ein Fehlstart nach dem anderen!)


    Herr Schäuble, Sie lachen. Bündnis 90/Die Grünen
    war nicht der einzige Verlierer der Hessenwahl. Die
    Wahl hatte noch einen Verlierer, und das sind Sie, Herr
    Schäuble. Am Wahlabend frohlockten Sie noch, Sie sei-
    en noch nie so stark gewesen. Das sei Ihnen an diesem
    Abend gegönnt! Schaut man aber genauer hin, so haben
    nicht Sie, sondern hat Stoibers Sendbote die Wahl in
    Hessen gewonnen.


    (Widerspruch bei Abgeordneten der CDU/ CSU)


    Die Wahl hatte ein eindeutiges Ergebnis, das wir heute
    besichtigen können: Künftig gibt es bei Ihnen mehr
    Stoiber und weniger Schäuble.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Uwe Küster [SPD]: Leider!)


    Herr Schäuble, wer mit Herrn Stoiber zusammen in der
    ersten Reihe sitzt, der sitzt – das kann Ihnen Herr Wai-
    gel gut erzählen – sehr bald in der zweiten Reihe.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Michael Glos [CDU/CSU]: Ausgesprochen dummes Zeug!)


    Vorbei sind die Zeiten, in denen Sie, Herr Schäuble,
    in der Rolle des dialogoffenen Konservativen glänzen
    konnten. Ihre Unterschriftenkampagne hat die Bevöl-
    kerung gespalten, und der Riß geht mitten durch Ihre ei-
    genen Reihen.


    (Michael Glos [CDU/CSU]: Das würden Sie sich wünschen!)


    Herr Schäuble weiß aus Baden-Württemberg, daß dort
    die Unterschriftenlisten in den Kreisgeschäftsstellen der
    CDU vergammeln. Sie haben eine Lawine losgetreten,
    die donnernd zwischen Ihnen und der „Neuen Mitte“
    niedergegangen ist.


    (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der SPD)


    Sie haben sich rechts davon gestellt, und dort sitzen Sie
    fest.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Sie werden sie auch nicht zurückgewinnen, wenn Sie
    die Kurdenkrawalle instrumentalisieren, wie Sie es in
    der letzten Woche getan haben. Sie werden sie insbe-
    sondere nicht vor dem scheinheiligen Hintergrund zu-
    rückgewinnen, daß Ihre Regierung mit der PKK paktiert
    hat und sich Abgeordnete von Ihnen mit Herrn Öcalan
    haben ablichten lassen.


    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Ja, echt? – Weiterer Zuruf von der SPD: Wer war das?)


    – Herr Lummer hat sich mit Herrn Öcalan getroffen und
    mit ihm paktiert.

    Wir Grünen erteilen jeglicher Form von Gewalt eine
    klare Absage, und unser Rechtsstaat hat alle Mittel, um
    der Gewalt Herr zu werden. Diese werden wir anwenden.
    Nur ein souveräner Staat ist ein starker Staat und nicht
    derjenige, der immer nach schärferen Gesetzen ruft.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)


    Wir werden die Kluft, die in den letzten Jahren zwi-
    schen Staat und Gesellschaft entstanden ist, wieder
    schließen. Wir setzen auf Gesellschaftspolitik statt auf
    puren Machterhalt und pure Machtpolitik.


    (Dr. Wolfgang Gerhardt [F.D.P.]: Nein!)

    Gesellschaftliche Diskussionen haben wieder Platz in
    diesem Parlament, und das zeigt auch die Diskussion
    über die Reform des Staatsbürgerschaftsrechts, die
    Sie 16 Jahre lang verschlafen haben.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Ein Staat, der große Teile seiner Bevölkerung von der

    Partizipation ausschließt, hat sich ein Problem geschaf-
    fen. Meine Damen und Herren, Sie hatten bisher vier
    Jahre lang Gelegenheit, beispielsweise mit unserem
    Kollegen Herrn Özdemir zu sprechen und ihn zu erle-
    ben. Ich kann nur sagen: Die Menschen, die hier gebo-
    ren sind und dauerhaft hier leben, sind doch ein Gewinn
    für diese Gesellschaft und dieses Parlament. Wir sollten
    sie in diesem Land willkommen heißen und ihre Einbür-
    gerung erleichtern, statt sie wegzudrücken. Vielleicht
    verdrängen Sie das aber nur deshalb, weil es mehr Men-
    schen wie Herrn Özdemir gibt


    (Zuruf von der CDU/CSU: Hat er einen zweiten Paß?)


    und Sie vor solchen Menschen möglicherweise Angst
    haben.


    (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN, der SPD und der PDS – Dr. Wolfgang Gerhardt [F.D.P.]: Welches Modell wollen Sie?)


    Dabei ist doch die doppelte Staatsbürgerschaft –
    Herr Gerhardt, das wissen Sie doch ganz genau – nie ein
    Ziel für uns gewesen,


    (Widerspruch bei der CDU/CSU und der F.D.P.)


    sondern nur eine Übergangsform. Sie war doch kein
    Selbstzweck. Ich gebe Ihnen ein gutes Beispiel, das Sie
    wahrscheinlich kennen.

    Ich komme aus Stuttgart, und dort gibt es eine Firma,
    die früher Daimler-Benz hieß. Heute heißt diese Firma
    Daimler-Chrysler. Ist das jetzt eine deutsche Firma, ist
    es eine amerikanische Firma? In der Wirtschaft interes-
    siert der Status dieser Firma keinen Menschen.


    (Dr. Wolfgang Gerhardt [F.D.P.]: Was sind die Beschäftigten?)


    Rezzo Schlauch






    (B)



    (A) (C)



    (D)


    Was für die Wirtschaft gilt, muß doch erst recht für die
    Menschen gelten. Wir werden unsere Politik für die
    Menschen machen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Dr. Wolfgang Gerhardt [F.D.P.]: Welches Modell?)


    Jetzt frage ich Sie: Was ist für das außenpolitische
    Ansehen unseres Landes besser: eine Regierung, die
    nach außen immer Weltoffenheit gepredigt und im In-
    nern nichts, aber auch gar nichts dafür getan hat, oder
    eine Regierung, in der Innen- und Außenpolitik im Ein-
    klang stehen? Ich sehe es Ihnen an, Herr Gerhardt, und
    merke es, wenn Sie hier reden, wie es Sie jeden Tag in-
    nerlich zerfrißt, daß nach nur 120 Tagen die ganze Welt
    das F.D.P.-geführte Außenamt längst vergessen hat. Fi-
    scher ist frischer, Deutschland hat endlich wieder einen
    Außenminister, der nicht nur redet, sondern auch weiß,
    wovon er spricht.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS – Lachen bei der CDU/CSU und der F.D.P.)


    Herr Schäuble, das kann man von Ihrer Fraktion leider
    nicht sagen.


    (Dr. Wolfgang Gerhardt [F.D.P.]: Das ist alter Wein im neuen Schlauch!)


    Herr Rühe, der ja nicht irgendwer, sondern Ihr Stell-
    vertreter ist, sagt in der „Saarbrücker Zeitung“ vom 20.
    Januar dieses Jahres: Fischer schielt auf die eigene Basis
    anstatt auf die Toten im Kosovo. Das ist auf dem Hin-
    tergrund des Engagements unseres Außenministers ein
    unglaublicher Vorgang, der an Schäbigkeit, Verlogen-
    heit und Anstandslosigkeit nicht zu überbieten ist.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Ich fordere Sie auf – entweder ihn selbst oder Sie –,
    sich für diese Aussage zu entschuldigen.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Zeigen Sie so, daß die CDU wieder zur außenpolitischen
    Verantwortung unseres Landes steht und sich nicht da-
    von verabschiedet. Ob Sie es wollen oder nicht – ich zi-
    tiere jetzt den geschätzten Kollegen Struck, der dies
    sagte; dem ist nichts hinzuzufügen –: Fischer ist der be-
    ste Außenminister seit Willy Brandt.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Lachen bei der CDU/CSU)


    – Ich weiß, daß Ihnen das weh tut.
    Aber auch in einem anderen Bereich ist die Gesell-

    schaft weiter als die Politik. Es ist der Bereich der dy-
    namischen Beschäftigungsverhältnisse. Mit der Neure-
    gelung der 630-DM-Jobs – das ist doch keine Frage –
    hatten wir Schwierigkeiten. Aber diese Diskussion hat
    uns gezeigt, daß diese 630-Mark-Regelung eben noch
    viel zu statisch ist. Was wir nicht wollen, ist ein Entwe-
    der-Oder: Entweder keine soziale Sicherheit oder volle
    Abgabenlast.

    Angesichts von 4 Millionen Arbeitslosen müssen wir
    alles daransetzen, um Arbeitskraft zu mobilisieren. Der
    Arbeitswille der Menschen darf nicht an unflexiblen
    rechtlichen Lösungen scheitern. Wir stellen uns dieser
    Herausforderung. Wir wollen dabei mehrere Fliegen mit
    einer Klappe schlagen: Wir wollen neue Impulse für den
    Arbeitsmarkt, neue Chancen für Niedrigqualifizierte und
    neue Möglichkeiten für Eltern, Familie und Beruf mit-
    einander vereinbaren. Die dynamischen Beschäftigungs-
    verhältnisse müssen Sprungbrett in den statt Rutschbahn
    aus dem Arbeitsmarkt werden.

    Bislang gibt es dazu viele Modelle und viele Tabus.
    Es gilt, die Modelle auf ihre Praxistauglichkeit zu über-
    prüfen und die Tabus zu überwinden. Arbeit statt Ar-
    beitslosigkeit finanzieren, haben wir im Wahlkampf ge-
    sagt. Diese Leitlinie haben wir noch nicht ganz ausge-
    füllt. Im Bereich der dynamischen Beschäftigungsver-
    hältnisse haben wir die Chance und stehen wir in der
    Pflicht, diesen Anspruch auf der Grundlage europäischer
    Arbeitskultur auch zu verwirklichen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Noch an einem anderen Thema zeigt sich, warum die
    Regierung von gestern die Opposition von heute ist. Ich
    spreche von der Energiepolitik. Über Jahre haben CDU
    und F.D.P. eine Energiepolitik gegen die Interessen der
    Bevölkerung betrieben. Sie, Frau Merkel – ich sehe sie
    gerade nicht, sie war vorhin da –, haben die Castortrans-
    porte regelrecht inszeniert, um die Gesellschaft zu spal-
    ten, um den starken Staat mit Tausenden von Polizeibe-
    amten zu exekutieren, ohne Not und ohne Notwendig-
    keit.


    (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


    Mit dieser Politik ist Schluß. Wir setzen auf eine neue
    Energiepolitik, die nicht gegen, sondern für die und mit
    der Gesellschaft betrieben wird. Die neue Bundesregie-
    rung wird die Nutzung der Atomkraft beenden. Es ist
    nicht mehr die Frage, ob, sondern nur noch die Frage,
    wie ausgestiegen wird. Dabei gibt es auf der Seite der
    Atomindustrie, die keineswegs nur mit einer Stimme
    spricht, sowohl Falken als auch Tauben. Dieser Teil des
    Hauses scheint sich offensichtlich mit den Falken ver-
    binden zu wollen. Wir sind allerdings verläßliche Part-
    ner, Herr Bundeskanzler, gemeinsam mit unserem Um-
    weltminister Trittin.


    (Lachen bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    – Ich weiß, daß es Ihnen nicht paßt, wenn wir mit den
    reformwilligen Menschen in der Atomwirtschaft Kon-
    sensgespräche führen.


    (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der SPD)


    Wir jedenfalls wollen mit diesen reformwilligen Kräften
    in der Frage der Restlaufzeiten und der Wiederaufbe-
    reitung zu akzeptablen Ergebnissen kommen. Allerdings
    erwarten wir dann genauso die Unterstützung, wenn wir
    an den Falken wie Ihnen scheitern sollten und im Bun-
    destag eine gesetzliche Regelung beraten und verab-
    schieden müßten.

    Rezzo Schlauch






    (A) (C)



    (B) (D)


    Ich appelliere an alle, die in den letzten Jahren mit
    uns für den Ausstieg aus der Atomkraft gekämpft haben:
    Auch wenn wir einen längeren Weg gehen müssen, wer-
    den wir am Ziel ankommen. Bei uns wird der Castor
    nämlich aufs Abstellgleis gestellt.

    Die Atomkraft ist ja nicht nur gesellschaftlich, sondern
    auch wirtschaftlich gescheitert. Sie von der Opposition
    tragen die Verantwortung beispielsweise dafür, daß die
    Menschen in den neuen Ländern von den Strommonopo-
    listen abgezockt werden. Es ist doch kein Grund ersicht-
    lich, daß die Menschen in den neuen Ländern 20 Prozent
    mehr für ihren Strom zahlen als im Westen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Die Ängste der Beschäftigten in der Atomindustrie
    und deren Familien lassen uns nicht kalt. Durch die För-
    derung neuer Energietechnologien werden wir ungleich
    mehr zukunftssichere Jobs schaffen. Wir schaffen das
    weltweit eindrucksvollste Programm zur Förderung der
    Sonnenenergie. Wo war denn da der Herr Rexrodt? Er
    hat doch in dieser Frage acht oder zehn Jahre lang ge-
    schlafen. Wir schaffen damit neue Anreize für Zu-
    kunftsmärkte und Jobs.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Diese neue Energiepolitik hat einen klaren Gewinner
    in der Wirtschaft: den Mittelstand und das Handwerk in
    allen Regionen.


    (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN – Lachen des Abg. Rainer Brüderle [F.D.P.])


    An den Grünen scheitert eine Wirtschaftspolitik für die-
    se „Neue Mitte“ nicht. Wir wissen um die Bedeutung
    der kleinen und mittleren Unternehmen für die Schaf-
    fung von Ausbildungs- und Arbeitsplätzen. Deshalb re-
    det die neue rotgrüne Regierung nicht von Mittel-
    standspolitik, sondern sie macht sie. Das heißt in harten
    Zahlen: Der Mittelstand wird im neuen Haushalt gegen-
    über den Ansätzen der Vorgängerregierung um 3,5 Mil-
    liarden DM entlastet.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Zum erstenmal seit Jahren sinken wieder die Lohnne-
    benkosten. Menschliche Arbeit wird für die Unterneh-
    men endlich wieder billiger. Neue Beschäftigungsanrei-
    ze entstehen.

    Herr Schäuble und meine Damen und Herren von der
    Opposition, vielleicht werden Sie sich in den nächsten
    Tagen und Wochen schwarz ärgern, wenn Sie Anzeigen
    mit der Überschrift „Unsere Antwort auf die Ökosteuer –
    die Benzinsparmodelle“ in den Illustrierten lesen. Interes-
    sant ist dabei, daß diese Anzeigen nicht von einem deut-
    schen, sondern von einem ausländischen Autokonzern ge-
    schaltet werden. Im Ausland hat man offensichtlich be-
    griffen, was wir mit der Ökosteuer wollen. Sie haben es
    nicht begriffen, oder Sie wollen es nicht begreifen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Die Einkommensteuerreform entlastet kleine und
    mittlere Einkommen. Die Verlierer Ihrer Politik erhalten
    so endlich einen gerechten Ausgleich.

    All dies schultern wir trotz der angespannten Haus-
    haltslage, trotz der hohen Verschuldung und trotz des
    Erbes der Vorgängerregierung. Wir haben in diesem
    Haushalt auch erreicht, daß die Neuverschuldung sinkt.
    Unser Ziel ist ein Haushalt im Gleichgewicht.

    Die eigentliche Herausforderung liegt mit dem Haus-
    halt 2000 allerdings noch vor uns. Mit diesem Haushalt
    werden wir all das anpacken, was sie haben liegenlas-
    sen. Wir werden die Staatsfinanzen konsolidieren. Wir
    werden die Unternehmensteuerreform endlich anpacken.
    Wir werden die Renten auch für die jüngeren Generatio-
    nen sichern. Wir werden die Gesundheitsreform auf den
    Weg bringen.

    Nicht zuletzt, sondern zuvorderst werden wir – jetzt
    komme ich zu Ihnen, Herr Schäuble – das Urteil des
    Bundesverfassungsgerichts in Sachen Familie umset-
    zen.


    (Zurufe von der CDU/CSU – Gegenruf des Abg. Ludwig Stiegler [SPD]: Verfassungsbrecher sind Sie!)


    Wer für ein Urteil verantwortlich ist, das besagt, daß
    Familien in den letzten Jahren 22 Milliarden DM vor-
    enthalten worden sind – dieses Urteil ist an Sie und nicht
    an uns gegangen –, der sollte für meine Begriffe vom
    Wert der Familie ganz bescheiden reden.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Diesen Beschluß haben wir Ihrer Politik zu verdan-
    ken, die über Jahre hinweg die materiellen und damit
    auch die ideellen Grundlagen der Familien hat erodieren
    lassen. Sie haben die Familie im Munde geführt, aber in
    Ihrer praktischen Politik nichts anderes getan, als die
    Deregulierung, die Globalisierung und Materialisierung
    unserer Gesellschaft auf dem Rücken der Menschen und
    ihrer Familien zu betreiben.


    (Beifall bei der SPD)

    Die neue rotgrüne Politik wird mit dieser Politik zu La-
    sten der Menschen und der Familien Schluß machen.

    Der Beschluß des Bundesverfassungsgerichts zeigt
    uns aber auch, wie tief das Mißtrauen in die Handlungs-
    fähigkeit der alten Politik war. Das hohe Gericht schreibt
    bis ins Detail vor, wie die finanziellen Verhältnisse von
    Familien zu verbessern sind. Diesen Auftrag nehmen
    wir an. Familie ist dabei für uns im Gegensatz zu Ihnen
    allerdings nicht durch Ideologie verengt. Auch ohne
    Trauschein gibt es, ob es die CDU will oder nicht,
    am Ende des 20. Jahrhunderts Lebensgemeinschaften
    mit Kindern, und auch die Alleinerziehenden sind
    Familien.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS)


    Wir wollen jede Form von Familie fördern. Für uns
    steht des Leben mit Kindern im Mittelpunkt und nicht
    die juristisch wie auch immer geartete Lebensgemein-

    Rezzo Schlauch






    (B)



    (A) (C)



    (D)


    schaft der Eltern. Wir sind nicht nur in diesem Punkt
    das, meine Damen wnd Herren Kollegen von der
    F.D.P., was Sie einmal waren: In diesem Punkt sind wir
    liberal.


    (Widerspruch bei der F.D.P.)

    Heute ordnet die F.D.P. dem Primat des schlanken

    Staates alles unter. Sie sind verliebt in ein Mißverständ-
    nis der Idee von Adam Smith, nämlich den Nacht-
    wächterstaat. Es ist kein Zufall, Herr Gerhardt, daß das
    Thema Kinder in Ihrer gesamten Rede nicht vorgekom-
    men ist.


    (Dr. Wolfgang Gerhardt [F.D.P.]: Doch!)

    Ihre Politik ist ohne Herz, ist ohne Rationalität, sie ist
    einfach nur kalt.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Wir vollziehen den Kurswechsel zugunsten der Fa-
    milien. Dazu gehört, daß in der Haushalts- und Renten-
    politik die Lasten nicht weiter den kommenden Genera-
    tionen aufgebürdet werden. Wir wollen einen neuen Ge-
    nerationenvertrag, der diesen Namen auch wieder ver-
    dient. Wir wollen einen Generationenvertrag, dessen
    Grundlage die Generationengerechtigkeit ist.

    Hier sind wir an einem Punkt angelangt, an dem wir
    uns alle einmal an die eigene Brust klopfen sollten.
    Wenn der Bundespräsident Herzog in Berlin davon re-
    det, es müsse ein Ruck durch diese Gesellschaft gehen,
    dann gibt es Beifall durch alle Reihen. Wenn aber nur
    ein Rückle angekündigt wird, wie beispielsweise von
    Herrn Riester, dann sagen alle: So haben wir es aber
    nicht gewollt. Das wollen wir nicht. – Das ist unglaub-
    würdig. Wenn wir diesen Punkt wollen und brauchen,
    dann sollten wir ihn auch gestalten


    (Dr. Wolfgang Gerhardt [F.D.P.]: Sprechen sie bitte in Richtung der Sozialdemokraten!)


    und in diesem Punkt zusammenarbeiten. Das biete ich
    Ihnen in der Frage der Rentenstrukturreform aus-
    drücklich an.


    (Beifall bei der SPD – Dr. Wolfgang Gerhardt [F.D.P.]: Da bin ich gespannt!)


    Zu einer Politik zugunsten der Familien gehört auch,
    daß wir die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf
    ermöglichen. Im „Bündnis für Arbeit“ setzen wir uns
    für flexible Arbeitszeitmodelle ein, denn sie bringen
    nicht nur mehr Menschen in Arbeit, sie erleichtern auch
    für junge Väter und Mütter den Einstieg in das Berufsle-
    ben. Unsere Ministerin Andrea Fischer wird in diesem
    „Bündnis für Arbeit“ dafür sorgen, daß diese Punkte mit
    behandelt werden und die grüne Stimme nicht verloren-
    geht.

    Die Bundesregierung hat der Jugendarbeitslosigkeit
    den Kampf angesagt. Herr Schäuble, wer das Programm
    zur Schaffung von 100 000 Arbeitsplätzen so abhandelt
    wie Sie, wer sagt, daß wir damit die Jugendlichen ruhig-
    stellen,


    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Unglaublich!)


    der nimmt eine menschenunwürdige Haltung gegenüber
    diesen Jugendlichen ein.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS)


    Zu dieser Haltung kann ich nur sagen: Wir kümmern
    uns um die, die unten sind. Sie mögen sich um die
    kümmern, die oben sind, obwohl die selber durchkom-
    men. Unsere Solidarität gilt denen, die hier Schwierig-
    keiten haben, und nicht denjenigen, die sowieso schon
    oben auf der Karriereleiter sind.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Wir wollen wieder allen Jugendlichen einen Einstieg
    in das Arbeitsleben ermöglichen. Qualifikation ist hier-
    für die zentrale Bedingung. Bildung ist, wie Bundesprä-
    sident Herzog es ausgedrückt hat, das Megathema der
    Zukunft. Dem tragen wir bereits im Haushalt 1999
    Rechnung. 1 Milliarde DM mehr wird in die Bildung
    unserer Kinder investiert. Unser Ziel ist die Verdoppe-
    lung der Investitionen für Bildung und Forschung. Dafür
    haben Sie in den letzten Jahren nichts anderes als Kür-
    zungen übriggehabt. Die jungen Menschen in unserem
    Land sind leistungsbereit. Sie sind fit für die Globalisie-
    rung. Unser Bildungssystem ist es nicht. Das werden wir
    ändern, indem wir eine zweite Bildungsreform auf den
    Weg bringen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Wir greifen heute das auf, was Kollege Geißler lange
    zurück in der Vergangenheit begonnen hat. Kollege
    Geißler war damals schon auf dem richtigen Weg. Wäre
    seine Partei Herrn Geißler gefolgt, ginge es den Famili-
    en heute bei weitem besser, und das Bundesverfas-
    sungsgericht hätte sein Urteil in dieser Form nicht ge-
    fällt. Die Besserstellung der Familien wird d a s Pro-
    jekt der rotgrünen Regierung sein. Das treibt uns um.
    Hieran haben wir bereits gearbeitet. Ich nenne nur die
    Stichwörter „Kindergeld“, „Entlastung der kleinen und
    mittleren Einkommen“ sowie „Erhöhung der Freibeträ-
    ge“. Hieran werden wir die nächsten Monate und Jahre
    mit Hochdruck arbeiten. Wir machen Haushaltspolitik
    nicht zum Selbstzweck. Wir machen Haushaltspolitik
    für die Familien und die Menschen in unserem Land.

    Danke schön.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)




Rede von Dr. Antje Vollmer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das Wort hat
jetzt der Vorsitzende der Fraktion der PDS, Gregor
Gysi.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (PDS)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Frau Präsidentin! Meine
    Damen und Herren! Herr Schlauch, Sie haben – an die
    Adresse aller Parteien hier im Hause – von der Notwen-
    digkeit eines Rucks in der Gesellschaft gesprochen. Ich
    finde, einen Mangel an Rucken gibt es zumindest bei
    den Grünen nicht. Wenn ich mir ansehe, wie sich die
    Positionen der Grünen in den letzten Jahren verändert

    Rezzo Schlauch






    (A) (C)



    (B) (D)


    haben, dann muß man feststellen, daß sie schon man-
    chen Ruck hinter sich haben. Wenn man das sieht, dann
    muß man sich auch vor den Rucken fürchten, die uns
    noch bevorstehen.


    (Beifall bei der PDS – Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na ja, Sie haben den noch vor sich!)


    Sie haben heute erklärt, daß die Grünen der ADAC
    Deutschlands seien. Das ist in etwa so real, als ob Herr
    Gerhardt sagen würde, die F.D.P. sei die Partei der so-
    zialen Gerechtigkeit, oder ich behaupten würde, die PDS
    sei die parteipolitische Zukunft Bayerns.


    (Heiterkeit bei der PDS)

    Deshalb meine ich, wir sollten versuchen, den Rahmen
    bei Vergleichen nicht zu sprengen.


    (Heiterkeit bei der PDS)

    Herr Bundeskanzler, Sie stellen seit mehr als hundert

    Tagen diese Bundesregierung. Sie haben Kontinuität in
    der Außen- und in der Innenpolitik betont und durch Ih-
    re Minister Fischer und Schily auch zum Ausdruck ge-
    bracht, vielleicht mit Ausnahme bei der Staatsbürger-
    schaftsfrage. Sie haben Kontinuität auch in der Verteidi-
    gungspolitik durch Herrn Scharping betont. Die Konti-
    nuität in diesen drei Politikfeldern ist nach meiner Ein-
    schätzung so groß, daß wir uns den Regierungswechsel
    hätten sparen können, wenn es nur um diese drei Mi-
    nisterien gegangen wäre. Es hat sich leider nichts verän-
    dert.


    (Beifall bei der PDS)

    Wir werden morgen die Gelegenheit haben, über Au-

    ßenpolitik zu sprechen. Ich sage Ihnen schon heute: Die
    Art und Weise, wie die Verhandlungen in Rambouillet
    zustande gekommen sind, und die Art und Weise der
    Androhung militärischer Gewalt gegen Jugoslawien
    werden dieses Europa und diese Welt verändern. Es ist
    nach der UN-Charta verboten, militärische Gewalt an-
    zudrohen. Schon im Zivilrecht ist jeder Vertrag nichtig,
    der durch vorgehaltene Pistole zustande kommt. Im
    Völkerrecht gilt genau dasselbe.

    Natürlich wünschen auch wir uns, daß es einen Ver-
    trag in Rambouillet gibt, der das Blutvergießen in Jugo-
    slawien beendet und Krieg verhindert. Aber der Makel,
    von dem ich hier gesprochen habe, bleibt bestehen.


    (Beifall bei der PDS)

    Ich füge hinzu, daß Sie ein Konzept der USA unter-

    stützen, wonach die NATO vom Völkerrecht freigestellt
    wird. Das wird Konsequenzen haben. Wenn die UN-
    Charta nicht mehr für die NATO gilt, dann gilt sie auch
    für andere Staaten nicht mehr und dann haben Sie eine
    Weltordnung, wie sie nach 1945 entstanden ist, besei-
    tigt, ohne eine bessere zu besitzen. Das wird in dieser
    Welt Folgen haben.


    (Beifall bei der PDS)

    Darauf weist übrigens kein anderer als der CDU-
    Politiker Wimmer sehr deutlich hin. Ich werde ihn mor-
    gen zitieren, was bei mir wirklich selten vorkommt. Ich

    finde, daß er in vielen Punkten seiner Einschätzung recht
    hat.

    Ich bin davon überzeugt, daß die französische und die
    italienische Regierung die Absicht haben, in gleicher
    Augenhöhe mit den USA zu sprechen. Dazu brauchen
    sie aber das Einvernehmen mit der deutschen Regierung.
    Weil der Ruf ein anderer ist, sind Sie jedoch bemüht,
    täglich zu beweisen, daß Sie die treuesten Verbündeten
    der USA sind. Ich meine aber, man muß auch eigene
    Interessen artikulieren.

    Was hier im Oktober beschlossen worden ist, war
    nichts anderes als eine völkerrechtswidrige Aggression;
    denn das ist es nun einmal, wenn man einen Staat an-
    greift, der einen nicht selbst angegriffen hat, und wenn
    es keinen Beschluß des Sicherheitsrates nach Kapitel
    VII der UN-Charta gibt. Ein solches Vorgehen verändert
    Politik dauerhaft.

    Ich komme nun zur Innenpolitik. Es ist richtig, daß
    Sie Wahlversprechen auch erfüllt haben. Im Dezember
    ist hier eine Menge beschlossen worden, zum Kündi-
    gungsschutz, zur Senkung der Zuzahlung bei Medika-
    menten – wenngleich die Beschlüsse hierzu unzurei-
    chend waren –, zur Erhöhung des Kindergeldes, zur
    Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und zur Aussetzung
    der Kürzung des Rentenniveaus. Das waren wichtige
    Entscheidungen.

    Ich habe mich gefragt: Warum sind Sie damit so we-
    nig in der Öffentlichkeit umgegangen, und warum haben
    Sie andere Themen so in den Mittelpunkt gestellt?
    Manchmal hatte ich das Gefühl, daß es einige gab, die
    das zwar mit beschlossen haben, die aber nicht sicher
    waren, ob diese Politik der richtige Weg ist, weswegen
    sie sich so selten dazu geäußert haben.

    Wir haben diese Gesetzesvorhaben unterstützt; aber
    damit sind noch lange nicht alle Ihre Wahlversprechen,
    Herr Bundeskanzler, erfüllt. Ich muß sagen: Das ging
    relativ zügig und klar; allerdings war bei dem, was da-
    nach passiert ist, das Wirrwarr so gewaltig, daß auch ich
    erstaunt war. Man muß mit einer Regierung nicht in den
    politischen Zielen übereinstimmen; man kann sogar
    ganz anderer Auffassung sein. Aber von jeder Regierung
    – egal, von wem sie gestellt wird – muß man wenigstens
    handwerkliche Sauberkeit verlangen. In dieser Hinsicht
    ist in dieser Regierungspolitik vieles durcheinanderge-
    raten.


    (Beifall bei der PDS)

    Ich fange mit dem Staatsbürgerschaftsrecht an.

    Natürlich ist es notwendig, unser Staatsbürgerschafts-
    recht zu modernisieren. Natürlich haben wir hier ein
    großes Problem. Aber, Herr Bundeskanzler, wie konnten
    Sie zulassen, daß die Aufklärung in der Öffentlichkeit
    allein von der CDU/CSU bestritten wurde? Weshalb ha-
    ben Sie nichts an Aufklärung dagegengesetzt? Das wäre
    doch dringend erforderlich gewesen, weil man die Zu-
    stimmung in der Gesellschaft zu einem solchen Vorha-
    ben braucht.


    (Beifall bei der PDS)

    An die Adresse von Herrn Schäuble und vor allen

    Dingen von Herrn Stoiber sage ich: Was Sie in unserer

    Dr. Gregor Gysi






    (B)



    (A) (C)



    (D)


    Gesellschaft angerichtet haben, wird langfristige Folgen
    haben, die wir alle sehr teuer bezahlen werden. Mit dem,
    was Sie hier zu Europa vorgetragen haben, hat das über-
    haupt nichts zu tun. Wer europäische Integration will,
    der weiß, daß irgendwann auch eine europäische Staats-
    bürgerschaft kommt, und der weiß, daß wir uns mit an-
    deren Ländern diesbezüglich zu verständigen haben
    werden. Sie glauben doch nicht im Ernst, daß sich die
    Niederlande, Frankreich, Großbritannien und andere
    Länder auf unser Staatsbürgerschaftsrecht aus dem vori-
    gen Jahrhundert einlassen werden. Das ist doch absurd!


    (Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Anstatt Wege nach vorn zu gehen, wollen Sie unsere
    Gesellschaft zurückführen.

    Ich habe mit Interesse eines zur Kenntnis genommen:
    CDU und CSU haben die Straße wiederentdeckt. Sie
    führen einen starken außerparlamentarischen Kampf. Ich
    stelle mit Interesse fest, daß Herr Schäuble heute plötz-
    lich von den Arbeitsloseninitiativen gesprochen hat.
    Schon dieses Wort hat er in den letzten 16 Jahren nicht
    in den Mund genommen.


    (Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Wenn denn der Mehrheitswille der Bevölkerung für Sie
    so wichtig ist, dann lassen Sie uns doch mit der notwen-
    digen Zweidrittelmehrheit im Deutschen Bundestag den
    Volksentscheid einführen.


    (Beifall bei der PDS)

    Dann klären wir die Bevölkerung gemeinsam auf und
    lassen sie über die Staatsbürgerschaftsfrage entscheiden.
    Dann wären wir wirklich einen Schritt weiter, auch bei
    der Ergänzung der parlamentarischen Demokratie durch
    Elemente unmittelbarer Demokratie. Aber die Straße
    immer nur zu rufen, wenn man glaubt, sie für polemi-
    sche Zwecke nutzen zu können, und ansonsten Volks-
    entscheide abzulehnen, das ist in höchstem Maße un-
    glaubwürdig.


    (Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Nun habe ich aber auch eine Bitte, Herr Bundes-
    kanzler: Nehmen Sie die Wahlniederlage in Hessen und
    die Kampagne der CDU/CSU nicht zum Anlaß, Ihre
    Politik in der Staatsbürgerschaftsfrage zu ändern. Be-
    weisen Sie Mut, werden Sie nicht ein Kanzler der Zu-
    rückweichung, sondern ein Kanzler des Vorwärts-
    schreitens. Darum geht es auch in dieser Frage.

    Ich finde, daß es auch beim Atomausstieg ziemlich
    hanebüchen zugegangen ist. Ein Gesetzentwurf, der ab-
    gesprochen wurde und im Bundestag auf der Tagesord-
    nung stand – es war ein ganzer Freitag dafür vorgesehen
    –, war noch nicht einmal im Kabinett beschlossen, weil
    Sie alles so eilig hatten. Dann wird den Abgeordneten
    hier mitgeteilt, der ganze Freitag fällt aus, ein Ersatzta-
    gesordnungspunkt steht nicht zur Verfügung – und das
    alles, weil das Kabinett den Entwurf nicht verabschiedet
    hat. Ich muß Ihnen dazu sagen: Ich bin jetzt seit 1990 im
    Bundestag und habe hier schon viel erlebt. Aber so et-

    was habe ich zum erstenmal erlebt. Das spricht von
    mangelndem Durchsetzungsvermögen und auch von
    mangelnder handwerklicher Solidität in solchen Fragen.
    Sie müssen wenigstens wissen, was Sie wollen, dann
    können wir ja darüber streiten. Setzen Sie hier aber kei-
    ne Tagesordnungspunkte auf, wenn Sie noch gar nicht
    wissen, was Sie vorhaben. Das geht nicht. Das will ich
    deutlich gesagt haben.


    (Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


    Das Thema Reichtum und Armut wird uns noch
    über viele Jahre hinweg beschäftigen. Ich glaube, Sie,
    Herr Bundeskanzler, versuchen da etwas, weil Sie der
    Kanzler des Konsenses sein wollen. Nun weiß ich na-
    türlich, wie wichtig Konsens in der Gesellschaft ist. Ich
    weiß, wie wichtig es ist, Gruppen zusammenzuführen
    und einen Interessenausgleich herbeizuführen. Das gilt
    in jeder Partei, aber natürlich auch in der Gesamtgesell-
    schaft. Wer aber regieren will, muß auch irgendwann
    sagen: Das sind die Interessen, die ich durchsetzen will;
    das heißt, ich stelle mich auch gegen andere. Sie werden
    nicht immer alle in ein Boot bekommen. Wenn das
    möglich wäre, müßte die Gesellschaft gar nicht regiert
    werden.


    (Beifall bei Abgeordneten der PDS)

    Das ist das Problem des Regierens und auch die Kunst
    des Regierens. Dazu braucht man Mut.

    Wenn Sie also Armut wirksam bekämpfen wollen,
    haben Sie keine andere Chance, als Reichtum zu be-
    grenzen. Wenn Sie nicht den Mut haben, Reichtum zu
    begrenzen, werden Sie Armut nicht wirksam bekämpfen
    können. Sie müssen sich eines Tages entscheiden. Sie
    werden das nicht ewig hinausschieben können.


    (Beifall bei der PDS – Zurufe von der F.D.P.)

    – Ich wäre an Ihrer Stelle einmal ganz ruhig. Es mag
    viele Fehlentscheidungen gegeben haben. Wenn ich aber
    daran denke, welche Güter Ihr Prinz von Sachsen-
    Anhalt aus Hannover jetzt in Sachsen-Anhalt zurückzu-
    erhalten versucht, kann ich Ihnen nur sagen: Uns war ja
    klar, daß die DDR abgewickelt wird und daß der Kapi-
    talismus wieder eingeführt wird. Daß Sie aber gleich
    zum Feudalismus zurückwollen, haben Sie am 3. Okto-
    ber 1990 nicht angekündigt.


    (Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Ich nehme hier auch mit großem Interesse zur Kennt-
    nis, wie sich die F.D.P. und auch die CDU/CSU über
    den Tarifabschluß in der Metallindustrie aufregen.
    Das ist ja wirklich ein starkes Stück. Zunächst einmal
    muß man die Regierung verteidigen; sie saß ja gar nicht
    mit am Verhandlungstisch. Unterschrieben haben es die
    Arbeitgeber und die Gewerkschaften. Das möchte ich
    einfach nur einmal wegen der Wahrheit festhalten. Inso-
    fern ist das auch eine Kritik an den Arbeitgebern, die Sie
    hier erstaunlicherweise vornehmen.

    Sie regen sich also über 3,2 Prozent und ein weiteres
    Prozent – also reden wir ruhig von etwas über 4 Prozent –

    Dr. Gregor Gysi






    (A) (C)



    (B) (D)


    Lohnerhöhung auf und behaupten, das sei gegen die
    Wirtschaft und gegen die Arbeitslosen gerichtet usw. Ich
    sage Ihnen dazu nur eines: Heute wird VW folgende
    Zahlen veröffentlichen: Im letzten Geschäftsjahr ist der
    Gewinn bei VW nach Steuern, nicht vor Steuern, um
    64 Prozent gestiegen. Da ist doch die Forderung der
    Gewerkschaften wirklich ausgesprochen moderat.


    (Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Stellen Sie sich einmal vor, was dann los gewesen wäre,
    wenn sie gesagt hätten: Wir wollen den gleichen Anstieg
    wie bei den Gewinnen.

    Seit Jahren haben Sie zugesehen, wie die Gewinne
    jährlich gestiegen sind. Noch nie hat einer von Ihnen
    Bescheidenheit hinsichtlich der Gewinne in die Diskus-
    sion gebracht und gefordert, daß die Gewinne für Inve-
    stitionen und für die Schaffung von Arbeitsplätzen ver-
    wendet werden. Sie regen sich hier schon auf, wenn die
    Gewerkschaften nur wollen, daß wenigstens die Teue-
    rungsrate und andere Kostensteigerungen ausgeglichen
    werden. Das zeigt den unsozialen Charakter Ihrer ge-
    samten Politik. Wegen dieser Politik sind Sie im Sep-
    tember 1998 abgewählt worden.


    (Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Mit großer Sorge nehme ich auch zur Kenntnis, daß
    darüber debakelt wird, diesen Abschluß für Ost-
    deutschland nicht zu übernehmen, sondern dort niedri-
    gere Tarife einzuführen. Das heißt im Klartext, daß nicht
    nur der wirtschaftliche Abstand zwischen Ost und West
    zunimmt, sondern daß auch die Lohnabstände wieder
    größer werden. Der Abstand bleibt noch nicht einmal
    gleich, sondern er wird größer. Da Sie dieses Thema zur
    Chefsache erklärt haben, kann ich Ihnen, Herr Bundes-
    kanzler, nur sagen: Kümmern Sie sich darum! Ein weite-
    res Auseinanderdriften der Einkommen zwischen Ost
    und West verträgt diese Gesellschaft nicht und ist den
    Menschen in den neuen Bundesländern in Anbetracht
    der Preise von 100 Prozent nicht zumutbar.


    (Beifall bei der PDS)

    Wenn man Arbeitslosigkeit bekämpfen will, dann

    genügt es nicht, Herr Bundesfinanzminister, darauf hin-
    zuweisen, daß man dem zweiten Arbeitsmarkt eine Mil-
    liarde DM mehr zur Verfügung stellt und daß man be-
    stimmte Finanzumverteilungen vornimmt. Diese Vorha-
    ben sind zwar zu begrüßen, und wir haben natürlich die
    damalige Regierung sehr kritisiert, als sie diese Mittel
    gekürzt hat. Wir brauchen jetzt aber eine Verstetigung
    und einen allmählichen Übergang vom zweiten Ar-
    beitsmarkt hin zu einem öffentlich geförderten Be-
    schäftigungssektor mit dauerhaften Arbeitsverhältnis-
    sen.


    (Beifall bei der PDS)

    Wir brauchen den Mut zur Arbeitszeitverkürzung. Mit
    der Änderung des Arbeitszeitgesetzes könnte der Bun-
    destag insbesondere hinsichtlich des Abbaus von Über-
    stunden etwas leisten.

    Wir brauchen natürlich eine Steuerreform, die end-
    lich an das Geschäftsergebnis von Wirtschaftsunterneh-
    men anknüpft und nicht länger die Substanz und die
    Schaffung von Arbeitsplätzen bestraft. Das wäre eine
    Reform, die diesen Namen wirklich verdient hätte.

    Ich betone: Wir brauchen auch einen neuen Ansatz
    für die Lohnnebenkosten. Wir haben immer darauf
    hingewiesen, daß es sehr viel günstiger wäre, die Unter-
    nehmen bezahlten die Abgaben in die Versicherungssy-
    steme nach ihrer Wertschöpfung und nicht nach der Zahl
    ihrer Beschäftigten und nach der Höhe der Bruttolöhne.
    Die alte Regelung ist steuerrechtlich und abgabenrecht-
    lich gesehen ein Kontrapunkt zur Schaffung von Ar-
    beitsplätzen. Wir benötigen dringend eine entsprechende
    Reform am Ende dieses Jahrhunderts.


    (Beifall bei der PDS)

    Natürlich brauchen wir nicht nur irgendwelche indi-

    rekten Steuerentlastungen. Wir brauchen eine direkte
    und gezielte Förderung kleiner und mittelständischer
    Unternehmen in Ost und West. Dazu müssen wir die
    Macht der Banken begrenzen. Es geht nicht so weiter,
    daß – wie es in den neuen Bundesländern, aber auch
    schon zu einem großen Teil in den alten Bundesländern
    der Fall ist – faktisch eine oder zwei Banken darüber
    entscheiden, ob ein kleines oder mittelständisches Un-
    ternehmen überhaupt eine Chance hat, und daß der Ge-
    setzgeber tatenlos zuschaut. In diesem Bereich brauchen
    wir dringend Reformen.


    (Beifall bei der PDS – Zuruf von der CDU/ CSU: Kommunistische Planwirtschaft!)


    Es gibt weitere Wahlversprechen, die Sie bisher nicht
    erfüllt haben. Ich habe den Eindruck, daß Ihre Absicht,
    sie zu erfüllen, nicht besonders groß ist. Ich nenne das
    Schlechtwettergeld, die Vermögensteuer


    (Zuruf von der SPD: Doch, kommt alles!)

    und die Beseitigung der Einschränkung des Streikrechts
    – Stichwort: § 116 des alten AFG.


    (Zuruf von der SPD: Kommt auch!)

    Von der Sozialdemokratie wird seit Jahren versprochen,
    daß der alte Zustand wiederhergestellt wird. Das gilt
    auch für andere Fragen der Wirtschaftsdemokratie.

    Als weiteres Beispiel nenne ich die Sonntagsarbeit
    bei Banken, die es seit dem 1. Januar 1999 gibt. Dabei
    werden doch nicht nur die Rechte der Arbeitnehmerin-
    nen und Arbeitnehmer beeinträchtigt. Lassen Sie uns
    auch einmal darüber nachdenken, welche Folgen sich
    für eine Gesellschaft ergeben, wenn Sonn- und Feiertage
    zu ganz gewöhnlichen Tagen werden und die Gesell-
    schaft dadurch keine besondere kulturelle Eigenheit
    mehr besitzt! Ich halte diesen Ansatz für sehr verhee-
    rend und unterstütze diesbezüglich die Kirchen.


    (Beifall bei der PDS)

    Ich muß Ihnen folgendes vorhalten: Wir haben zu all

    diesen Punkten Anträge eingebracht, die zum größten
    Teil noch nicht einmal über Ihre Wahlversprechen hin-
    ausgehen, um es Ihnen besonders leichtzumachen. Doch
    was tun Sie? Sie blockieren unsere Anträge in den Aus-

    Dr. Gregor Gysi






    (B)



    (A) (C)



    (D)


    schüssen und lassen nicht zu, daß hier in zweiter Lesung
    über sie abgestimmt wird. Man kann der CDU/CSU und
    der F.D.P. viel vorwerfen, aber nicht die Blockade unse-
    rer Anträge. Sie hat nie verhindert, daß über unsere An-
    träge im Bundestag abgestimmt wurde. Sie hat unsere
    Anträge zwar abgelehnt – das ist klar –, aber sie hat im-
    merhin die Abstimmung zugelassen. Sie lassen die Ab-
    stimmung aus einem ganz einfachen Grunde nicht zu:
    Sie wollen nicht ja zu unseren Anträgen sagen, und Sie
    trauen sich nicht, öffentlich nein dazu zu sagen. Das ist
    Ihr Problem. Aber den Mut, sich eindeutig zu äußern,
    müssen Sie schon aufbringen.


    (Beifall bei der PDS)

    Ich sage deshalb: Her mit den Gesetzentwürfen; lassen
    Sie uns darüber streiten und entscheiden!

    Dann haben Sie eine Einkommensteuerreform in An-
    griff genommen, zu der ich mich heute nicht äußern
    werde. Wir haben dazu später noch Gelegenheit.

    Sie haben ein 630-Mark-Gesetz vorgelegt. Herr
    Bundeskanzler, Sie haben sogar eine Aktuelle Stunde
    genutzt – das sollte man als Bundeskanzler nie machen –,
    um Ihr eigenes Modell vorzustellen. Das ist inzwischen
    vielfach geändert worden. Ich unterstütze alle Anträge,
    die auf die Absetzung dieses Gesetzes abzielen. Denn
    man muß doch wenigstens noch die Zeit haben, den
    neuesten Stand einmal durchzulesen und zu verstehen,
    wie die Regelung augenblicklich aussehen soll.


    (Beifall bei der PDS)

    Gestern abend haben unsere Expertinnen und Experten
    versucht, uns zu erklären, was sich durch die vierte Fas-
    sung nun eigentlich geändert hat. Wir sind damit nicht
    zu Rande gekommen. Sie überfordern uns in gewisser
    Hinsicht. Das ist selten, aber in diesem Fall tun Sie es
    wirklich.

    Deshalb meine Bitte: Legen Sie einen Entwurf vor,
    wenn Sie wissen, was Sie wollen, statt nachträglich an-
    zufangen, zu überlegen, was man wollen könnte, und ei-
    ne vierte und fünfte Fassung vorzulegen. Nachher pas-
    siert uns dann nämlich folgendes: Wir verabschieden
    hier ein Gesetz, und keiner weiß, in welcher Fassung.
    Ich finde, das geht zu weit.


    (Beifall bei der PDS)

    Hier werden Sie uns als Opposition kennenlernen.

    Zu Ihren neuen Denkansätzen muß ich sagen: Sie ha-
    ben ein bißchen Rücksicht genommen auf die Argu-
    mentation der Opposition hinsichtlich der Verfassungs-
    widrigkeit des vorhergehenden, des dritten Entwurfs.
    Aber auch der vierte Entwurf ist noch nicht verfas-
    sungskonform. Er löst keine sozialen Probleme, und er
    löst auch keine wirtschaftlichen Probleme. Wir werden
    ihm in dieser Fassung nicht zustimmen können.

    Mit der ökologischen Steuerreform ist es nicht viel
    besser. Wir sollen sie am Freitag verabschieden. Haben
    Sie sich einmal überlegt, wie viele Änderungen in den
    letzten Wochen und Monaten an diesem Gesetzeswerk
    vorgenommen worden sind? Es kennt ja kaum jemand

    den letzten Stand dieses Entwurfs. Das ist für das Par-
    lament eine Zumutung.

    Im übrigen verzichtet dieses Gesetz auf die ökologi-
    sche Lenkungswirkung. Wenn Sie nicht Primärenergie-
    erzeugung besteuern, können Sie doch gar nicht zwi-
    schen den Arten unterscheiden, wie Energie erzeugt
    wird. Sie nehmen die Industrie faktisch raus und erlegen
    ihr eine viel kleinere Steuer auf als allen anderen. Dann
    bekommt sie noch den größten Teil erstattet, wenn es
    dennoch zu einer Mehrbelastung kommt. Das heißt, der
    größte Energieverbraucher ist am wenigsten belastet.
    Können Sie mir einmal erklären, worin dann die ökolo-
    gische Lenkungswirkung bestehen soll?

    Darf ich noch etwas fragen: Wieso muß die Land-
    wirtschaft die Steuer voll bezahlen und die Industrie fast
    gar nicht? Das gilt auch für Dienstleistungseinrichtun-
    gen und für andere. Was ist das für eine Ungerechtigkeit
    in der Behandlung der Unternehmen?


    (Lachen bei der SPD – Ulrich Heinrich [F.D.P.]: Das ist geändert! Sie haben es auf unseren Druck geändert! – Zuruf von der SPD: Ist alles erledigt!)


    – Wenn Sie schon wieder einen neuen Stand haben,
    richtet sich Ihr Lachen diesmal gegen Sie. Wer jeden
    Tag Gesetzentwürfe ändert, kann in einem Parlament
    nicht mehr ernst genommen werden. Das will ich deut-
    lich sagen.


    (Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)


    Das Soziale kommt bei dieser ökologischen Steuerre-
    form völlig zu kurz. Die Sozialhilfeempfängerinnen und
    Sozialhilfeempfänger, die Rentnerinnen und Rentner
    sowie die Arbeitslosen zahlen drauf und haben von der
    Lohnnebenkostensenkung entweder gar nichts oder fast
    gar nichts. Das ist die Realität. Das wird sich für sie
    nicht rechnen, und sie können, im Unterschied zur Indu-
    strie, nicht zum Zollamt gehen und eine Differenz gel-
    tend machen. Wieso überhaupt zum Zollamt? Wissen
    Sie, daß wir da 500 neue Leute einstellen müssen? Das
    ist zwar eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme, aber es
    bedeutet auch das Zehnfache an Bürokratie.

    Auch daß das Steuerrecht dadurch leichter werden
    würde, können Sie nicht behaupten. Die Steuerberater
    werden das mit Wohlwollen zur Kenntnis nehmen, aber
    auch sie werden langsam überfordert sein; davon bin ich
    überzeugt.

    Lassen Sie mich noch etwas zum Osten sagen. Ich
    habe schon über den Abschluß in der Metallindustrie ge-
    sprochen. Sie haben das zur Chefsache erklärt. Ich frage