Rede:
ID1402003100

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Metadaten
  • insert_drive_fileAus Protokoll: 14020

  • date_rangeDatum: 23. Februar 1999

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    Vokabeln: 6
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    2. Kollege: 1
    3. Merz,gestatten: 1
    4. Sie: 1
    5. eine: 1
    6. Zwischenfrage?: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 14/20 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 20. Sitzung Bonn, Dienstag, den 23. Februar 1999 I n h a l t : Erweiterung der Tagesordnung........................ 1383 B Zusatztagesordnungspunkt 1: Abgabe einer Erklärung der Bundes- regierung zu den gewalttätigen Aktionen aus Anlaß der Verhaftung des PKK- Vorsitzenden Abdullah Öcalan ................. 1383 B Otto Schily, Bundesminister BMI.................... 1383 B Erwin Marschewski CDU/CSU ....................... 1387 A Günter Graf (Friesoythe) SPD ..................... 1388 A Ludwig Stiegler SPD ....................................... 1389 B Dr. Guido Westerwelle F.D.P. ......................... 1391 B Cem Özdemir BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.. 1393 A Petra Pau PDS.................................................. 1394 B Uta Zapf SPD................................................... 1395 B Ruprecht Polenz CDU/CSU............................. 1396 D Dr. Ludger Volmer, Staatsminister AA ........... 1398 B Tagesordnungspunkt 1: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes über die Feststellung des Bundeshaus- haltsplans für das Haushaltsjahr 1999 (Haushaltsgesetz 1999) (Drucksache 14/300) .................................. 1399 D b) Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht über den Stand und die voraus- sichtliche Entwicklung der Finanzwirt- schaft (Drucksache 14/350) ....................... 1399 D Oskar Lafontaine, Bundesminister BMF ......... 1400 A Friedrich Merz CDU/CSU............................... 1409 D Joachim Poß SPD ........................................ 1412 D Volker Kröning SPD.................................... 1414 B Ingrid Matthäus-Maier SPD ............................ 1416 B Dr. Christa Luft PDS ................................... 1420 B Dr. Günter Rexrodt F.D.P................................ 1420 C Ingrid Matthäus-Maier SPD ............ 1421 D, 1437 D Oswald Metzger BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN................................................................. 1424 B Bartholomäus Kalb CDU/CSU.................... 1425 B Hartmut Schauerte CDU/CSU..................... 1428 D Dr. Uwe-Jens Rössel PDS ............................... 1430 D Hans Georg Wagner SPD ................................ 1432 B Jürgen Koppelin F.D.P. .............................. 1433 D Bartholomäus Kalb CDU/CSU........................ 1437 A Dietrich Austermann CDU/CSU ..................... 1437 B Oswald Metzger BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN ............................................................ 1440 B Jörg Tauss SPD............................................ 1442 B Dr. Konstanze Wegner SPD ............................ 1443 A Gerda Hasselfeldt CDU/CSU .......................... 1445 A Dr. Barbara Höll PDS...................................... 1447 A Fritz Schösser SPD .......................................... 1448 A Susanne Jaffke CDU/CSU............................... 1450 C Edelgard Bulmahn, Bundesministerin BMBF . 1451 B Steffen Kampeter CDU/CSU........................... 1454 C II Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 20. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 23. Februar 1999 Dr. Peter Eckart SPD ....................................... 1457 A Jürgen W. Möllemann F.D.P. ......................... 1458 B Matthias Berninger BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN................................................................. 1460 B Jürgen W. Möllemann F.D.P. ..................... 1461 C Maritta Böttcher PDS....................................... 1463 A Jörg Tauss SPD................................................ 1464 B Dr. Gerhard Friedrich (Erlangen) CDU/CSU .. 1467 B Hans-Josef Fell BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 1469 A Thomas Rachel CDU/CSU .............................. 1470 B Jürgen Trittin, Bundesminister BMU............... 1472 A Jochen Borchert CDU/CSU ............................. 1473 B Ulrike Mehl SPD ............................................. 1475 A Jürgen Koppelin F.D.P. ................................... 1476 D Waltraud Lehn SPD..................................... 1478 B Dr. Reinhard Loske BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN................................................................. 1479 A Eva Bulling-Schröter PDS............................... 1480 C Christoph Matschie SPD.................................. 1481 B Dr. Klaus Lippold (Offenbach) CDU/CSU ..... 1482 D Michael Müller (Düsseldorf) SPD................... 1485 A Nächste Sitzung .............................................. 1486 C Berichtigung ................................................... 1486 B Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten .......... 1487 A Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 20. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 23. Februar 1999 1383 (A) (C) (B) (D) 20. Sitzung Bonn, Dienstag, den 23. Februar 1999 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Berichtigung 19. Sitzung, Seite 1327 A, 3. Absatz. Der Satzanfang ist zu lesen: „Wie das Sein das Bewußtsein verän- dert, ...“ Michael Müller (Düsseldorf) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 20. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 23. Februar 1999 1487 (A) (C) (B) (D) Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich Baumeister, Brigitte CDU/CSU 23.1.99 Brudlewsky, Monika CDU/CSU 23.1.99 Diemers, Renate CDU/CSU 23.1.99 Ehlert, Heidemarie PDS 23.1.99 Erler, Gernot SPD 23.1.99 Fischer (Frankfurt), Joseph BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 23.1.99 Frick, Gisela F.D.P. 23.1.99 Hasenfratz, Klaus SPD 23.1.99 Hempelmann, Rolf SPD 23.1.99 Dr. Luther, Michael CDU/CSU 23.1.99 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Michels, Meinolf CDU/CSU 23.1.99 Dr. Protzner, Bernd CDU/CSU 23.1.99 Rauber, Helmut CDU/CSU 23.1.99 Roth (Augsburg), Claudia BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 23.1.99 Rupprecht, Marlene SPD 23.1.99 Schindler, Norbert CDU/CSU 23.1.99 Sebastian, Wilhelm-Josef CDU/CSU 23.1.99 Verheugen, Günter SPD 23.1.99 Dr. Waigel, Theodor CDU/CSU 23.1.99 Willner, Gert CDU/CSU 23.1.99 Wissmann, Matthias CDU/CSU 23.1.99 Wohlleben, Verena SPD 23.1.99
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hermann Otto Solms


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Ich er-
    öffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege Fried-
    rich Merz von der CDU/CSU-Fraktion.

    Friedrich Merz (CDU/CSU) (von Abgeordneten der
    CDU/CSU mit Beifall begrüßt): Herr Präsident! Meine
    sehr verehrten Damen und Herren! Wenn man einen
    Eindruck vom Zustand der rotgrünen Regierung gewin-
    nen wollte, dann mußte man während der Rede von Os-
    kar Lafontaine nur auf die Regierungsbank schauen.


    (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Ja!)

    In den ersten 30 Minuten Ihrer Rede zur Einbringung Ih-
    res ersten Bundeshaushaltes, Herr Lafontaine, war noch
    nicht einmal ein Drittel der Mitglieder des Bundeskabi-
    netts anwesend.


    (Hans Georg Wagner [SPD]: Ein sehr starkes Argument!)


    Bundesminister Oskar Lafontaine






    (B)



    (A) (C)



    (D)


    Diese Tatsache scheint Ihnen völlig gleichgültig zu sein.
    Uns ist sie aber nicht gleichgültig, weil Ihr Verhalten
    nicht der Achtung vor dem Parlament entspricht.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Während Ihrer Rede war der Gesichtsausdruck des

    Herrn Bundeskanzlers ziemlich gequält, aber jetzt lacht
    er wieder.


    (Lachen bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Er kann ja nicht immer lachen!)


    Vorher hat er 60 Minuten lang die goldene Regel „Im-
    mer lachen“ nicht eingehalten.


    (Lachen und Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Zuruf von der SPD: Merz, zur Sache!)


    Lassen Sie uns nun auf die wichtigen Punkte des
    Bundeshaushaltes zu sprechen kommen. Ich will einige
    Stichpunkte aufgreifen, die der Bundesfinanzminister
    genannt hat und die für die allgemeine wirtschafts- und
    finanzpolitische Ausrichtung der Bundesrepublik
    Deutschland langfristig von Bedeutung sind.

    Herr Lafontaine, Sie haben erneut das Thema Steu-
    erquote angesprochen. Dieses Thema greifen Sie immer
    wieder auf und erwecken damit bewußt den Eindruck,
    als ob sich große Teile der Privatpersonen, aber auch
    große Teile der Unternehmen in der Bundesrepublik
    Deutschland der Steuerpflicht entziehen. Ich will diesem
    Eindruck mit Nachdruck widersprechen. Mit einer rein
    volkswirtschaftlichen Betrachtung der Steuerquote kön-
    nen Sie nämlich überhaupt keine Aussage darüber tref-
    fen, wie denn die tatsächliche Steuerbelastung von Steu-
    ersubjekten ist.


    (V o r s i t z : Vizepräsidentin Petra Bläss)

    Ich will Ihnen diesen Sachverhalt an einer konkreten

    Zahl deutlich machen. Das Bundeswirtschaftsministeri-
    um sagt bis zum heutigen Tag – diese Auffassung hat
    sich durch den Regierungswechsel nicht geändert –, daß
    weniger als die Hälfte der Einnahmen, die in der Bun-
    desrepublik Deutschland erzielt werden, aus Ertragsteu-
    ern resultiert. Wenn aber nur ungefähr die Hälfte der
    Einnahmen aus Ertragsteuern resultiert, dann ist die
    Steuerbelastung hinsichtlich der anderen Hälfte mit real
    deutlich über 40 Prozent zwangsläufig zu hoch. Diesen
    Gesamtzusammenhang verschweigen Sie in jeder öf-
    fentlichen Betrachtung über die Steuerquote.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Die Aushöhlung der Steuerbasis hat im wesentlichen

    zwei Ursachen: Die erste Ursache ist eine von uns ge-
    meinsam gewollte und richtige steuerpolitische Grund-
    entscheidung, nämlich die Steuerfreistellung des Exi-
    stenzminimums und damit die Steuerfreistellung von
    rund einem Drittel der Arbeitnehmereinkommen in der
    Bundesrepublik Deutschland. Das ist die ganze steuer-
    politische Wahrheit, die Sie erwähnen müssen, wenn Sie
    über die Steuerquote sprechen.

    Die zweite Ursache für die anhaltende Aushöhlung
    der Steuerbasis liegt in der Vielzahl der Möglichkeiten

    der steuerlichen Gestaltung im Rahmen der Gewinn-
    ermittlungsvorschriften.


    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Ja!)

    Wenn Sie heute diesen Zustand beklagen, dann muß ich
    Ihnen, Herr Lafontaine, sagen, daß schon vor zwei Jah-
    ren eine Lösung hätte erreicht werden können; denn
    große Teile der Steuerbasis wären wiederhergestellt
    worden, wenn es im Jahre 1997 in Deutschland zu der
    von uns konzipierten großen Steuerreform gekommen
    wäre.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Ihr ständiger Hinweis auf die Steuerquote ist deswe-

    gen irreführend. Wir müssen Ihnen den Vorwurf ma-
    chen, daß Sie mit der Zahl, die Sie im Zusammenhang
    mit der Steuerquote isoliert nennen, ganz bewußt die Öf-
    fentlichkeit in Deutschland spalten wollen, um auf diese
    Art und Weise Neidkomplexe in die Gesellschaft zu tra-
    gen, damit Sie darauf Ihre Umverteilungs- und Steuer-
    politik aufbauen können.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Ich will einen zweiten Punkt ansprechen, den Sie hier

    ausformuliert haben, nämlich die Frage der steuerlichen
    Behandlung der Familien. Wir sind uns einig, daß da
    erheblicher Korrekturbedarf besteht. Nur bitte, erlauben
    Sie mir die Feststellung, daß der vom Bundesverfas-
    sungsgericht für verfassungswidrig erklärte Zustand mit
    dem, was Sie am 1. Januar 1999 in Kraft gesetzt haben,
    nicht beendet worden ist.


    (Widerspruch bei der SPD)

    Es ist nicht etwa so, als ob Sie seit dem 1. Januar 1999
    den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichtes ge-
    recht geworden wären. Das ist nicht zutreffend.


    (Zuruf der Abg. Ingrid Matthäus-Maier [SPD])

    Im übrigen – bevor Sie weitere Zwischenrufe machen –


    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Ja, das macht Sie nervös!)


    will ich Sie auf einen Punkt hinweisen, der Ihnen noch
    viel Freude machen wird: Wenn Sie dabei bleiben, in ei-
    nem System der progressiven Steuerbelastung kontinu-
    ierlich nur eine lineare Entlastung durchzusetzen, dann
    werden Sie mit diesen Entscheidungen des Bundesver-
    fassungsgerichtes wirklich in ernsthafte Konflikte gera-
    ten. Denn wenn Sie einen Umfang von nur rund 10 000
    DM für Familien mit zwei Kindern zusätzlich steuerfrei
    stellen und diese bei einer gleichzeitigen Grenzsteuer-
    belastung von 40 oder gar 50 Prozent in Transferleistun-
    gen überführen, dann werden Sie mit den von Ihnen
    skizzierten 10 Milliarden DM nicht hinkommen. Des-
    wegen sage ich Ihnen von dieser Stelle aus noch einmal:
    Die Zeiten, in denen Sie progressiv belasten und nur li-
    near entlasten, sind mit diesen Entscheidungen des Bun-
    desverfassungsgerichtes vorbei. Da sind wir sehr ge-
    spannt, welche Lösungen Sie anbieten. Im übrigen hätte
    es der von Ihnen immer wieder zitierten Haushaltsklar-
    heit und Haushaltswahrheit gedient, wenn Sie schon die
    notwendige Vorsorge für das Jahr 1999 angesprochen
    hätten. Denn Sie werden zumindest bei den Kinder-

    Friedrich Merz






    (A) (C)



    (B) (D)


    freibeträgen rückwirkende Korrekturen der Steuerbe-
    scheide bis in das Jahr 1983 vornehmen müssen. Das
    wird den Haushalt 1999 möglicherweise belasten, weil
    der Bundesfinanzhof Sie aufgefordert hat, bis Ende
    März 1999 zu erklären, wie Sie das regeln wollen. Wenn
    Sie das nicht öffentlich sagen, dann werden wir Sie
    durch eine Anfrage im Parlament veranlassen, wenig-
    stens hier zu sagen, wie Sie dieses Problem lösen wol-
    len, das Sie eben beschrieben haben und bei dem Sie
    jede Antwort schuldig geblieben sind.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er argumentiert auf dünnem Eis!)


    Sie haben, Herr Lafontaine, die Steuerreform ange-
    sprochen. Ich habe mir das Vergnügen gemacht, Sie mir
    spät abends bei einer Fernsehübertragung der Pressekon-
    ferenz anzusehen, die Sie nach der sogenannten Klau-
    surtagung des Bundeskabinetts am 10. Februar gegeben
    haben, bei der Sie eine Reihe von Korrekturen vorge-
    nommen haben. Ich will zunächst einmal ausdrücklich
    begrüßen, daß Sie eine Reihe von Steuererhöhungen zu-
    rückgenommen haben, etwa im Umfang von 6,6 Milli-
    arden DM. Sie sind dann allerdings auf dieser Presse-
    konferenz in geradezu peinlicher Weise jede Antwort
    darauf schuldig geblieben, wie Sie denn die Steuererhö-
    hungen von mehr als 8 Milliarden DM, die Sie im Bun-
    deskabinett gleichzeitig beschlossen haben, in das Ge-
    setzgebungsverfahren einbringen wollen. Ich habe bei
    dieser Gelegenheit das erste Mal das Gefühl gehabt, daß
    Sie auch von der fachlichen Seite her bei dem, was Sie
    an Steuerpolitik machen, offensichtlich überfordert sind.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


    Das war jedenfalls der Eindruck, der auch in der Bun-
    despressekonferenz allgemein bestand.

    Damit das nicht wieder passiert – Herr Bundeskanz-
    ler, Sie haben den Bundesfinanzminister gestern offen-
    sichtlich aufgefordert, bis übermorgen ein Unterneh-
    mensteuerkonzept vorzulegen,


    (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Schon wieder eins!)


    damit die Bündnisgespräche nicht platzen – und damit
    es nicht weitere Probleme gibt, die Sie nicht vorhergese-
    hen haben, will ich Sie nur auf einen Sachzusammen-
    hang hinweisen: Wenn Sie es weiter durchhalten wollen,
    ein Betriebsteuerkonzept mit einem einheitlichen Steu-
    ersatz von 35 Prozent für sämtliche Unternehmensge-
    winne, unabhängig von der Rechtsform, zu erstellen,
    dann wird es zwei Fragen geben, die Sie beantworten
    müssen. Die erste lautet: Beziehen Sie bei diesem Be-
    triebsteuerkonzept die Gewerbesteuer mit ein, ja oder
    nein? Wenn Sie die Gewerbesteuer nicht einbeziehen,
    dann hat es keinen Sinn, ein solches Konzept zu ma-
    chen, denn dann wird die Steuerbelastung zu hoch blei-
    ben.

    Zweitens – dies ist ein verfahrenstechnischer Hin-
    weis, den ich Ihnen geben will, weil der Kollege Struck,
    der gerade nicht da ist, in anderem Zusammenhang et-
    was hochmütig gesagt hat: Wir brauchen die Opposition

    nicht –: Bei diesem Konzept werden Sie die Opposition
    brauchen. Denn wenn Sie in Deutschland eine neue
    Steuer einführen – die Betriebsteuer ist als Objektsteuer
    eine neue Steuerart, die wir in Deutschland bisher nicht
    kennen –, dann werden Sie zumindest in die Finanzver-
    fassung des Grundgesetzes eine Zuweisungsnorm auf-
    nehmen müssen, die dem Grunde nach etwas darüber
    aussagt, wem das Steueraufkommen aus dieser neuen
    Steuerart zusteht. Vielleicht lassen Sie das in Ihrem
    Hause vorbereiten,


    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    damit Sie nach einer Klausurtagung des Bundeskabinetts
    in einer Pressekonferenz nicht wieder ratlos dasitzen und
    auf die Fragen der Journalisten keine Antwort geben
    können.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


    Meine Damen und Herren, ich will aus den aktuellen
    steuerpolitischen Debatten nur zwei Punkte herausneh-
    men, die mir wichtig zu sein scheinen, um deutlich zu
    machen, daß Sie offensichtlich konzeptionell wieder
    einmal nicht verstanden haben, welche Probleme Sie
    auslösen: Sie wollen in Zukunft die sogenannten Ver-
    lustzuweisungsgesellschaften nicht mehr ermöglichen.
    Das ist Teil Ihrer Politik der Mindestbesteuerung.

    Nun ist Staatsminister Naumann nicht da. Ich hätte
    ihn ansonsten gern darauf hingewiesen, daß es eine Ver-
    lustzuweisungsgesellschaft gibt, die einen ganz wesent-
    lichen Teil seiner Politik, nämlich die Förderung der
    deutschen Filmwirtschaft, ausmacht. Wenn diese Ver-
    lustzuweisungsgesellschaften gestrichen werden – Sie
    haben die Kultur angesprochen –, wird zumindest ein
    Teil Ihrer Kulturförderungspolitik in Zukunft nicht mehr
    möglich sein.

    Nun mögen Sie sagen, das ist nur ein kleiner Teil.
    Aber was ist mit der Immobilienwirtschaft, mit den ge-
    werblich und privat genutzten Immobilien? Sie erhalten
    doch im Augenblick eine Vielzahl von Briefen, in denen
    Sie darauf hingewiesen werden, welche nachhaltigen
    Probleme es für den Wohnungs- und Immobilienbau in
    Deutschland schlechthin geben wird, wenn Sie die Ver-
    lustzuweisungsgesellschaften in Zukunft verbieten. Of-
    fensichtlich sind Sie nicht in der Lage, in der Kürze der
    selbst gesetzten Zeit zu überblicken, welche Konsequen-
    zen Ihre steuerpolitischen Vorschläge haben.

    Ich nenne Ihnen den zweiten Punkt: Sie sind auf die
    Idee gekommen, das sogenannte Abzinsungsgebot nicht
    nur für Rückstellungen auf Geldleistungsverpflichtun-
    gen, sondern auch für Sachleistungsverpflichtungen ein-
    zuführen. Herr Bundesminister Oskar Lafontaine, damit
    stellen Sie Rückstellungen in der deutschen Wirtschaft
    in einer Größenordnung von fast 60 Milliarden DM in
    Frage, die zum Teil kurzfristig aufgelöst werden müs-
    sen, um die Haushaltsprobleme, die Sie durch Ihr Aus-
    gabengebaren ausgelöst haben, zu beseitigen.

    Ich will Ihnen Beispiele sagen: Sie werden die Förde-
    rung der Braunkohle im Westen mit 2 Milliarden DM
    zusätzlich belasten, im Osten mit 1 Milliarde DM. Die
    Ruhrkohle AG, darunter auch die saarländische Kohle,

    Friedrich Merz






    (B)



    (A) (C)



    (D)


    wird Rückstellungen in einer Größenordnung von
    2 Milliarden DM – das sind Verpflichtungen beispiels-
    weise für die Rekultivierung oder die Begleichung von
    Bergschäden – auflösen müssen. Wie sollen diese Un-
    ternehmen in Zukunft noch die Schäden bezahlen kön-
    nen, wenn Sie sie vorher durch Ihre Steuerpolitik ge-
    zwungen haben, Rückstellungen aufzulösen?


    (Joachim Poß [SPD]: RWE kann es nicht mehr bezahlen! Unglaublich!)


    – Die Zwischenrufe, Herr Kollege Poß, zeigen mir nur,
    daß auch der finanzpolitische Sprecher der SPD-
    Bundestagsfraktion nicht verstanden hat, um was es hier
    geht.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Den allergrößten Teil machen die Rückstellungen der

    Versicherungswirtschaft aus. Nun kann man ja in be-
    währter Klassenkampfmanier auf die Versicherungs-
    wirtschaft in Deutschland zugehen und sagen: Raus mit
    dem Geld! Aber das, was Sie jetzt vorschlagen, bedeutet
    für die Versicherungswirtschaft in der Bundesrepublik
    Deutschland die Auflösung von Rückstellungen in einer
    Größenordnung von 17 Milliarden DM, davon allein
    4 Milliarden DM im ersten Jahr. Hierbei handelt es sich
    um sogenannte Regulierungskosten, die Sie nicht mehr
    als rückstellungsfähig anerkennen wollen.

    Was das für die Versicherungsnehmer in der Bundes-
    republik Deutschland bedeutet, machen Sie sich offen-
    sichtlich nicht klar. Vielleicht ist es Ihnen auch völlig
    gleichgültig, was aus den Versicherungsunternehmen
    wird, die Ihnen in einem umfangreichen Brief klar und
    deutlich gesagt haben, daß Ihr Vorschlag für eine Reihe
    von großen und kleinen Versicherungsunternehmen in
    der Bundesrepublik Deutschland die Standortfrage
    schlechthin ist und daß es im europäischen Ausland in
    keinem einzigen Land eine solche Regelung gibt, wie
    Sie sie vorschlagen.

    Meine Damen und Herren, das ist die Finanz- und
    Steuerpolitik von Oskar Lafontaine für mehr Beschäfti-
    gung und mehr unternehmerische Tätigkeit in Deutsch-
    land. Das Gegenteil wird eintreten, wenn Sie das durch-
    ziehen, was Sie vorhaben.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Mit leichter Hand wird Steuer- und Finanzpolitik ge-

    macht. Gleichzeitig haben Sie großzügig in den Zahlen-
    werken, die Sie vorgelegt haben, verheimlicht, daß auf
    die Ökosteuer – ich werde in anderem Zusammenhang
    noch einmal darauf zu sprechen kommen – auch noch
    Mehrwertsteuer in Höhe von 16 Prozent zu zahlen ist.
    Das ist ein sogenannter Kaskadeneffekt, der durch die
    Mehrwertsteuer auf die höheren Mineralölsteuerbela-
    stungen von 1,4 Milliarden DM entsteht und der im
    Bundeshaushalt überhaupt nicht ausgewiesen ist. Mit
    Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit, Herr Lafon-
    taine, hat das nun wirklich überhaupt nichts mehr zu tun.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


    Wir fordern Sie – das gilt für die ganze Bundesregie-
    rung – auf: Kehren Sie zu einer sachlich und zeitlich

    möglichen, der Sache angemessenen Beratung im Deut-
    schen Bundestag und insbesondere im Finanzauschuß
    zurück! Ich darf bei dieser Gelegenheit – Sie mögen
    vielleicht darüber lachen – sagen: Wenn gegen die
    Stimmen der Opposition eine Sondersitzung des Finanz-
    ausschusses erzwungen wird – parallel zum Plenum, zur
    Kanzlerdebatte im Deutschen Bundestag und zwar nur,
    weil Sie sonst in Zeitdruck geraten –, zeigt das den
    Umgang, den Sie mit dem Parlament und insbesondere
    mit der Opposition pflegen. Ich kündige an dieser Stelle
    an: Wir lassen das einmal durchgehen. Aber ein zweites
    Mal werden wir es nicht akzeptieren, daß Sie die Oppo-
    sition auf diese Art und Weise von der parlamentari-
    schen Mitwirkung an der Gesetzgebung in der Bundes-
    republik Deutschland ausschließen. Das machen wir
    nicht ein zweites Mal mit!


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Zuruf von der SPD: So ein Quatsch!)


    Zweitens. Herr Lafontaine, beenden Sie den völlig
    inakzeptablen Druck, den Sie jetzt durch Ihre Partei auf
    die hessische Landesregierung ausüben!


    (Abg. Joachim Poß [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)




Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Merz,
gestatten Sie eine Zwischenfrage?


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Friedrich Merz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Vom Kollegen Poß, ja.