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ID1402002800

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 14/20 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 20. Sitzung Bonn, Dienstag, den 23. Februar 1999 I n h a l t : Erweiterung der Tagesordnung........................ 1383 B Zusatztagesordnungspunkt 1: Abgabe einer Erklärung der Bundes- regierung zu den gewalttätigen Aktionen aus Anlaß der Verhaftung des PKK- Vorsitzenden Abdullah Öcalan ................. 1383 B Otto Schily, Bundesminister BMI.................... 1383 B Erwin Marschewski CDU/CSU ....................... 1387 A Günter Graf (Friesoythe) SPD ..................... 1388 A Ludwig Stiegler SPD ....................................... 1389 B Dr. Guido Westerwelle F.D.P. ......................... 1391 B Cem Özdemir BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.. 1393 A Petra Pau PDS.................................................. 1394 B Uta Zapf SPD................................................... 1395 B Ruprecht Polenz CDU/CSU............................. 1396 D Dr. Ludger Volmer, Staatsminister AA ........... 1398 B Tagesordnungspunkt 1: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes über die Feststellung des Bundeshaus- haltsplans für das Haushaltsjahr 1999 (Haushaltsgesetz 1999) (Drucksache 14/300) .................................. 1399 D b) Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht über den Stand und die voraus- sichtliche Entwicklung der Finanzwirt- schaft (Drucksache 14/350) ....................... 1399 D Oskar Lafontaine, Bundesminister BMF ......... 1400 A Friedrich Merz CDU/CSU............................... 1409 D Joachim Poß SPD ........................................ 1412 D Volker Kröning SPD.................................... 1414 B Ingrid Matthäus-Maier SPD ............................ 1416 B Dr. Christa Luft PDS ................................... 1420 B Dr. Günter Rexrodt F.D.P................................ 1420 C Ingrid Matthäus-Maier SPD ............ 1421 D, 1437 D Oswald Metzger BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN................................................................. 1424 B Bartholomäus Kalb CDU/CSU.................... 1425 B Hartmut Schauerte CDU/CSU..................... 1428 D Dr. Uwe-Jens Rössel PDS ............................... 1430 D Hans Georg Wagner SPD ................................ 1432 B Jürgen Koppelin F.D.P. .............................. 1433 D Bartholomäus Kalb CDU/CSU........................ 1437 A Dietrich Austermann CDU/CSU ..................... 1437 B Oswald Metzger BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN ............................................................ 1440 B Jörg Tauss SPD............................................ 1442 B Dr. Konstanze Wegner SPD ............................ 1443 A Gerda Hasselfeldt CDU/CSU .......................... 1445 A Dr. Barbara Höll PDS...................................... 1447 A Fritz Schösser SPD .......................................... 1448 A Susanne Jaffke CDU/CSU............................... 1450 C Edelgard Bulmahn, Bundesministerin BMBF . 1451 B Steffen Kampeter CDU/CSU........................... 1454 C II Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 20. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 23. Februar 1999 Dr. Peter Eckart SPD ....................................... 1457 A Jürgen W. Möllemann F.D.P. ......................... 1458 B Matthias Berninger BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN................................................................. 1460 B Jürgen W. Möllemann F.D.P. ..................... 1461 C Maritta Böttcher PDS....................................... 1463 A Jörg Tauss SPD................................................ 1464 B Dr. Gerhard Friedrich (Erlangen) CDU/CSU .. 1467 B Hans-Josef Fell BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 1469 A Thomas Rachel CDU/CSU .............................. 1470 B Jürgen Trittin, Bundesminister BMU............... 1472 A Jochen Borchert CDU/CSU ............................. 1473 B Ulrike Mehl SPD ............................................. 1475 A Jürgen Koppelin F.D.P. ................................... 1476 D Waltraud Lehn SPD..................................... 1478 B Dr. Reinhard Loske BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN................................................................. 1479 A Eva Bulling-Schröter PDS............................... 1480 C Christoph Matschie SPD.................................. 1481 B Dr. Klaus Lippold (Offenbach) CDU/CSU ..... 1482 D Michael Müller (Düsseldorf) SPD................... 1485 A Nächste Sitzung .............................................. 1486 C Berichtigung ................................................... 1486 B Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten .......... 1487 A Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 20. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 23. Februar 1999 1383 (A) (C) (B) (D) 20. Sitzung Bonn, Dienstag, den 23. Februar 1999 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Berichtigung 19. Sitzung, Seite 1327 A, 3. Absatz. Der Satzanfang ist zu lesen: „Wie das Sein das Bewußtsein verän- dert, ...“ Michael Müller (Düsseldorf) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 20. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 23. Februar 1999 1487 (A) (C) (B) (D) Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich Baumeister, Brigitte CDU/CSU 23.1.99 Brudlewsky, Monika CDU/CSU 23.1.99 Diemers, Renate CDU/CSU 23.1.99 Ehlert, Heidemarie PDS 23.1.99 Erler, Gernot SPD 23.1.99 Fischer (Frankfurt), Joseph BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 23.1.99 Frick, Gisela F.D.P. 23.1.99 Hasenfratz, Klaus SPD 23.1.99 Hempelmann, Rolf SPD 23.1.99 Dr. Luther, Michael CDU/CSU 23.1.99 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Michels, Meinolf CDU/CSU 23.1.99 Dr. Protzner, Bernd CDU/CSU 23.1.99 Rauber, Helmut CDU/CSU 23.1.99 Roth (Augsburg), Claudia BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 23.1.99 Rupprecht, Marlene SPD 23.1.99 Schindler, Norbert CDU/CSU 23.1.99 Sebastian, Wilhelm-Josef CDU/CSU 23.1.99 Verheugen, Günter SPD 23.1.99 Dr. Waigel, Theodor CDU/CSU 23.1.99 Willner, Gert CDU/CSU 23.1.99 Wissmann, Matthias CDU/CSU 23.1.99 Wohlleben, Verena SPD 23.1.99
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. h.c. Wolfgang Thierse


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Liebe Kolleginnen
    und Kollegen, ich schließe die Aussprache und unter-
    breche die Sitzung vereinbarungsgemäß bis 11 Uhr, also
    bis zum Beginn der Haushaltsdebatte.


    (Unterbrechung von 10.51 bis 11.00 Uhr)




Rede von Dr. Hermann Otto Solms
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Meine
sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, wir setzen die
Sitzung fort.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 1a und 1b auf:
a) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-

gebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die
Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das
Haushaltsjahr 1999

(Haushaltsgesetz 1999)

– Drucksache 14/300 –
Überweisungsvorschlag:Haushaltsausschuß

b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesre-
gierung
Bericht über den Stand und die voraussichtli-
che Entwicklung der Finanzwirtschaft
– Drucksache 14/350 –

(federführend Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die heutige Aussprache im Anschluß an die Einbringung des Haushalts fünfeinhalb Stunden, für morgen neun Stunden, für Donnerstag acht Stunden und für Freitag zwei Stunden vorgesehen. – Dagegen erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist es so beschlossen. Das Wort zur Einbringung des Haushalts hat der Bundesminister der Finanzen, Oskar Lafontaine. Herr Bundesminister, bitte schön. Staatsminister Dr. Ludger Volmer Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wichtiges Ziel der Bundesregierung ist es, die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen und für mehr soziale Gerechtigkeit in Deutschland zu sorgen. Der Bundeshaushalt 1999 entspricht diesen Zielsetzungen. Der Bundeshaushalt enthält zentrale Elemente dieser Politik für Arbeit, Innovationen und Gerechtigkeit: Erstens. Arbeitnehmer und Familien werden von Steuern entlastet. Darauf haben sie lange gewartet. Zweitens. Das Kindergeld wird erhöht. Drittens. Die Zukunftsinvestitionen für Forschung, Bildung und Wissenschaft werden gestärkt. Viertens. Der Mittelstand wird entlastet. (Lachen bei der CDU/CSU – Dr. Günter Rexrodt [F.D.P.]: Na, na!)


(Beifall bei der SPD)





(B)


(A) (C)


(D)

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Oskar Lafontaine


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DIE LINKE.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)


    Ich weise darauf hin, daß das Ifo-Institut kürzlich er-
    rechnet hat, daß in unserem Steueränderungsgesetz für
    den Mittelstand eine Entlastung in Höhe von dreieinhalb
    Milliarden DM vorgesehen ist. Wenn Sie dies schon der
    Bundesregierung aus Verblendung nicht glauben, dann
    glauben Sie wenigstens einem Institut, das dies wissen-
    schaftlich errechnet hat.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Fünftens. Die ökologische Steuer- und Abgabenre-
    form wird auf den Weg gebracht.

    Sechstens. Die Lohnnebenkosten werden gesenkt.
    Siebtens – das ist ein ganz wichtiger Punkt und ein

    Markenzeichen dieser Bundesregierung –: Wir starten
    ein Programm zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosig-
    keit, weil wir die Jugend nicht allein lassen wollen in
    ihrem Bemühen, sich in den Arbeitsmarkt zu integrieren
    und Ausbildung und Beschäftigung zu finden.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Achtens. Der Aufbau Ost wird verstärkt.
    Neuntens. Die unsozialen Kürzungen im Renten- und

    im Gesundheitsbereich werden zurückgenommen. Das
    haben die Wählerinnen und Wähler so gewollt, und wir
    haben entsprechend entschieden.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Wichtig war uns, daß die Versprechungen, die wir
    vor der Bundestagswahl abgegeben haben, direkt nach
    der Bundestagswahl umgesetzt worden sind. Allzulange
    hat sich bei den Wählerinnen und Wählern das Vorurteil
    verfestigt, daß vor Wahlen Versprechungen gemacht
    werden, die dann nach den Wahlen nicht eingehalten
    werden. Wir sind stolz darauf, daß dieser Haushalt mit
    der Überschrift „Versprochen und gehalten“ charakteri-
    siert werden kann. So muß das in einer Demokratie sein.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Meine Damen und Herren, ich habe auch heute wie-
    der gelesen, daß einzelne Wirtschaftsverbände sagen:
    Die ganze Richtung stimmt nicht. – Ich wiederhole: Ar-
    beitnehmer und Familien werden entlastet, und der Mit-
    telstand wird nach Berechnungen des Ifo-Instituts um
    dreieinhalb Milliarden DM entlastet. Ich stelle fest: Die
    ganze Richtung stimmt; denn es war falsch – wie das in
    den letzten Jahren geschehen ist –, immer nur die
    Großindustrie zu unterstützen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Die heutigen Beratungen finden vor dem Hintergrund
    einer schwierigen Situation in der Weltwirtschaft statt.
    Die Krisenregionen in Südostasien erholen sich nur
    langsam. Die Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft
    sind stärker, als von dem einen oder anderen erwartet.
    Die wirtschaftliche Entwicklung in Brasilien und Süd-
    amerika insgesamt kommt hinzu. Auch hier können ne-
    gative Auswirkungen für die Weltwirtschaft und damit
    auch für unsere Volkswirtschaft nicht ausgeschlossen
    werden. Die instabile wirtschaftliche Lage in Rußland
    ist auch für unsere Wirtschaft von Bedeutung. Die wirt-
    schaftlichen Schwierigkeiten dort erfassen zunehmend
    auch die mittel- und osteuropäischen Reformstaaten.
    Auch das beeinflußt die ökonomische Entwicklung in
    Deutschland in diesem Jahr.

    Die amerikanische Wirtschaft verzeichnet erfreuli-
    cherweise weiterhin einen klaren Aufwärtstrend. Auf der
    Basis der Zahlen des letzten Quartals errechnet sich für
    1998 ein Wachstum von 5,8 Prozent. Aber auch Alan
    Greenspan weist zu Recht immer wieder darauf hin, daß
    es Risiken gibt: erstens die sicherlich überzogenen Prei-
    se auf dem amerikanischen Aktienmarkt, zweitens die
    einmalig negative Sparquote, die, wenn sie in Europa
    vorherrschte, ein gigantisches Nachfrageprogramm nach
    sich ziehen würde, und drittens Handelsbilanzdefizite,
    die wieder Rekordmarken erreichen. Das sind drei
    Gründe, die Veranlassung geben, darüber nachzuden-
    ken, wie lange die amerikanische Konjunktur allein zu
    einem solch starken Wachstumstrend in der Weltwirt-
    schaft führen kann.

    Insbesondere die Exportentwicklung ist gedämpft
    worden. Zugleich aber zeigen sich die Vorteile in Euro-
    pa: die Vorteile einer gemeinsamen Währung und fester
    Wechselkurse bzw. Währungsbänder, die Staaten der
    Europäischen Union, die nicht den Euro-11-Staaten an-
    gehören, eingeführt haben. Allerdings ist auch in Europa
    das Wachstum deutlich abgeschwächt. Auf der anderen
    Seite, monetär betrachtet, ist die Euro-Zone im Ver-
    gleich zu anderen Regionen ein Stabilitätsanker und hat
    daher die Voraussetzungen, wieder zu verstärktem
    Wachstum zu finden.

    Die Auswirkungen der Weltwirtschaftslage auf die
    deutsche Wirtschaft werden wir 1999 deutlicher spüren
    als 1998. Die Wechselkursentwicklungen insbesondere
    in Südostasien haben die Konkurrenz für deutsche Gü-
    ter, wie jeder weiß, verschärft. Der deutsche Export –
    das ist nicht mehr zu bestreiten – hat es schwerer.
    Gleichzeitig aber profitiert die deutsche Wirtschaft von
    gesunkenen Erzeugerpreisen auf Grund billigerer Roh-
    stoffe; die Importpreise fallen.






    (A) (C)



    (B) (D)


    Wenn der Export als Wachstumsmotor an Bedeutung
    verliert, muß die Binnennachfrage mehr Verantwor-
    tung für ein ausreichendes Wachstum übernehmen. Des-
    halb begrüße ich es, daß sich die Finanzminister der G7
    am Samstag völlig einig darin waren, daß jetzt eine bin-
    nenwirtschaftlich gestützte Wachstumsstrategie, die zu
    einer ausgewogeneren Entwicklung der Länder beitra-
    gen würde, erfolgen muß. Die Bundesregierung hat dies
    immer wieder verlangt; die Finanzminister der G7 haben
    diese Wirtschaftspolitik am Wochenende bestätigt.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Lachen bei der CDU/CSU)


    Die Investitionsneigung darf nicht weiter sinken. Die
    Nachfrage nach Investitionsgütern ist Bestandteil der
    gesamtwirtschaftlichen Nachfrage. Wir verbessern die
    Angebotsbedingungen durch Strukturreformen. Eine
    stärkere Nachfrage sichert den Absatz neuer Güter.

    Für das Jahr 1999 rechnet die Bundesregierung mit
    einem Rückgang der Zahl der Arbeitslosen um 150 000
    bis 200 000. Nach dieser Schätzung wird die Arbeitslo-
    senquote auf 10,5 Prozent sinken. Voraussetzung ist –
    das will ich in aller Klarheit hinzufügen –, daß das
    Wachstum in der zweiten Hälfte dieses Jahres anzieht
    und daß es wieder Beschäftigungsimpulse gibt.

    Die Arbeitslosigkeit ist noch immer viel zu hoch; ihre
    Reduzierung bleibt wichtigstes Ziel der Bundesregie-
    rung. Um dieses Ziel zu erreichen, versuchen wir einen
    neuen Politikansatz: Wir setzen auf einen international
    abgestimmten kurz-, mittel- und langfristigen Policy-
    mix. Wir wollen eine ausgewogene Mischung von An-
    gebots- und Nachfragepolitik.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Dazu ist nicht nur in Deutschland, sondern zumindest
    auf europäischer Ebene, wenn nicht sogar darüber hin-
    aus eine gesamtwirtschaftliche Koordinierung notwen-
    dig. Finanz-, Lohn- und Geldpolitik sollen konfliktfrei
    zusammenwirken. Es darf nicht wieder dazu kommen –
    wie im Jahre 1992 –, daß überzogenes Ausgabeverhalten
    des Staates, über der Produktivität liegende Lohnab-
    schlüsse und eine Geldpolitik, bei der sich die kurzfristi-
    gen Zinsen bei 10 Prozent bewegten, auf Wachstum und
    Beschäftigung wirken und damit die Grundlage für
    einen weiteren Aufbau der Arbeitslosigkeit legen. Dies
    müssen wir in Zukunft vermeiden.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Das brauchen Sie uns nicht zu erzählen!)


    Die Finanzpolitik der Bundesregierung wird Wachs-
    tum und Beschäftigung neue Impulse geben. Die jetzige
    Wirtschaftslage erfordert die Stärkung der Binnennach-
    frage. Dies soll die Finanzpolitik, soweit sie es kann,
    unterstützen. Gleichzeitig müssen die Staatsfinanzen sa-
    niert werden. Solide Staatsfinanzen sind Voraussetzung
    für gute Angebotsbedingungen und für eine stabile
    Nachfrage.

    Im deutschen Stabilitätsprogramm, das wir vor we-
    nigen Wochen der Europäischen Kommission vorgelegt

    haben, planen wir für die Zukunft sinkende Defizite so-
    wie eine sinkende Schulden- und Staatsquote. Voraus-
    setzung für das Erreichen dieser Ziele ist aber zum einen
    der erfolgreiche Abbau der Arbeitslosigkeit. Zum ande-
    ren darf es nicht zu einer dauernden Wachstumsschwä-
    che kommen. Dazu müssen in den nächsten Monaten die
    notwendigen Anstrengungen unternommen werden; da-
    zu muß auch die Lohnpolitik einen Beitrag leisten. Das
    läßt sich am besten erreichen, wenn sich die Lohnzu-
    wächse am mittelfristigen Produktivitätsfortschritt und
    am Preisstabilitätsziel der Europäischen Zentralbank
    orientieren.


    (Zurufe von der CDU/CSU)

    – Sie müßten aus den Fehlern der letzten 16 Jahre doch
    allmählich gelernt haben.

    Wer weiterhin nur auf stetig sinkende Lohnstückko-
    sten in Deutschland setzt, hat die Lehren der Vergan-
    genheit nicht begriffen und hat nicht begriffen, warum
    sich die Arbeitslosigkeit in Deutschland systematisch
    aufbauen konnte.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Auch in den vergangenen drei Jahren, meine Damen und
    Herren – schauen Sie in die internationalen Statistiken –,
    gab es sinkende Lohnstückkosten in Deutschland. Dies
    war aber offensichtlich kein Patentrezept zum Abbau der
    Arbeitslosigkeit. Der Anteil der Löhne am Bruttosozial-
    produkt ist in Deutschland 1998 so niedrig wie nie zuvor
    gewesen. Das ist schlicht und einfach eine Tatsache.
    Daher darf man nicht immer nur auf die Lohnseite
    schauen, wenn die Frage gestellt wird: Wer kann denn –
    im Sinne von Zurückhaltung – einen Beitrag für
    Wachstum und Beschäftigung leisten?

    Die realen Nettolöhne sind mit der Ausnahme des
    Jahres 1996 seit Jahren rückläufig. Die Daten der Indu-
    strieländer, die uns oft als Vorbild vorgehalten werden,
    zum Beispiel die Vereinigten Staaten, zeigen hingegen
    steigende Reallöhne. Ich wiederhole: Im Gegensatz zur
    Entwicklung bei uns zeigt die Entwicklung in den Ver-
    einigten Staaten, daß steigende Reallöhne Grundlage
    auch von Wachstum und Beschäftigung sind. In den
    Vereinigten Staaten – auch wenn das Vorurteilen wider-
    spricht, aber es sind Tatsachen – gibt es keine sinkenden
    Lohnstückkosten, sondern es gibt statt dessen eine sta-
    bile Konsumentennachfrage. Sie ist offensichtlich auch
    eine wichtige Voraussetzung für eine stabile Investitions-
    tätigkeit.

    Meine Damen und Herren, da das offensichtlich ein
    Streitpunkt ist, will ich ihn mit einigen Sätzen noch ein-
    gehender behandeln. Wer ständig auf sinkende Lohn-
    stückkosten setzt, kann dies vielleicht in einer kleinen
    Volkswirtschaft tun, wo etwa, wie in Nachbarländern,
    der Exportanteil bei weit über 50 Prozent liegt. Solche
    Staaten in der Europäischen Gemeinschaft können viel-
    leicht noch auf eine solche Strategie setzen. Wer aber
    wie wir eine Relation von 75 Prozent Binnennachfrage
    und 25 Prozent Export hat, der kann nicht auf ständig
    sinkende Lohnstückkosten setzen, weil er damit zwar
    etwas für den Export gewinnt, aber das, was er in bezug
    auf den Export gewinnt, in bezug auf die Binnen-

    Bundesminister Oskar Lafontaine






    (B)



    (A) (C)



    (D)


    nachfrage und besonders hinsichtlich von Wachstum
    und Beschäftigung verliert. Diesen Zusammenhang ha-
    ben Sie lange Jahre ignoriert; Sie müssen ihn endlich zur
    Kenntnis nehmen, wenn wir zu einem fruchtbaren Dia-
    log in der Wirtschaftspolitik kommen wollen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS – Zuruf von der F.D.P.: Kostenentwicklung!)


    Es ist eben ein Fehler gewesen, immer wieder darauf
    zu setzen, daß man im Export gewinnt. Eine nüchterne
    Betrachtung hätte doch jedem die Einsicht erschließen
    müssen, daß diese Strategie nicht für alle Staaten aufge-
    hen kann. Nicht alle Staaten können ihre Beschäfti-
    gungsprobleme über den Export lösen, insbesondere die
    großen Industriestaaten können ihre Beschäftigungspro-
    bleme nicht über den Export lösen. Um das noch deutli-
    cher zu formulieren: Ich wüßte nicht, wo die Weltwirt-
    schaft angelangt wäre, wenn etwa die Vereinigten Staa-
    ten der Versuchung erlegen wären, ihre binnenwirt-
    schaftichen Probleme verstärkt über den Export zu lö-
    sen. Ich will mir das Szenario überhaupt nicht ausmalen.

    Ich möchte zur Lohnpolitik nur eine Bemerkung ma-
    chen: Wer ständig für sinkende Lohnstückkosten oder –
    anders ausgedrückt – für eine moderate Lohnpolitik plä-
    diert, der muß die Frage beantworten, was am Ende ei-
    ner solchen Strategie steht. Er kann in diesem Fall stei-
    gende Exporterlöse zum Ziel haben. Das kann auch eine
    Zeit lang funktionieren. Aber wenn der Export einbricht,
    dann schrumpft das Wachstum sofort auf marginale
    Werte zusammen und kann die Probleme nicht mehr lö-
    sen. Deswegen war die Strategie der letzten Jahre falsch.

    Es gibt allerdings eine Kombination, die unbestritten
    gilt: Wenn sich die Lohnpolitik moderat verhält – zu
    deutsch: hinter dem Produktivitätsfortschritt herhinkt –,
    dann muß jemand dagegenhalten. Nach der internatio-
    nalen Diskussion muß das die Geldpolitik sein. In die-
    sem Fall muß die Geldpolitik, weil die Lohnpolitik nicht
    mehr inflationär ist, expansiv sein und für Nachfrage
    sorgen. Geschieht das nicht, dann ist das Ergebnis das,
    was wir in Europa seit Jahren feststellen können, näm-
    lich eine steigende Arbeitslosigkeit – obwohl wir doch,
    wie Sie vorgeben, in den letzten 16 Jahren eine solch er-
    folgreiche Regierung hatten. Schauen Sie auf die Ar-
    beitslosenzahlen! Die Arbeitslosenzahlen sind letztend-
    lich die Meßlatte für eine richtige oder falsche Wirt-
    schaftspolitik.


    (Dr. Günter Rexrodt [F.D.P.]: Darauf kommen wir zurück, Herr Lafontaine!)


    Eine andere gibt es leider nicht.

    (Beifall bei der SPD – Dr. Guido Westerwelle [F.D.P.]: Wiedervorlage!)

    – Ja, selbstverständlich: Wiedervorlage. Der Maßstab,
    der für Sie gegolten hat, gilt auch für uns. Das ist über-
    haupt keine Frage.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Wenn wir ein solches Wachstum der Arbeitslosigkeit zu
    verantworten hätten, wie Sie es in Ihrer Regierungszeit

    zu verantworten hatten, dann würden wir mit demselben
    Recht abgewählt werden, wie das bei Ihnen der Fall war.
    Wir lassen für uns die gleichen Maßstäbe gelten.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Guido Westerwelle [F.D.P.]: Wir kommen darauf zurück!)


    Wenn Finanz- und Lohnpolitik für ein stabiles Um-
    feld sorgen, entsteht Spielraum für die Geldpolitik, auch
    ihrerseits Wachstumsimpulse zu geben. Genauso sehen
    das der Maastrichter Vertrag und das Statut der Europäi-
    schen Zentralbank vor. Dort wird als Ziel zuerst die
    Preisstabilität genannt. Der Text fährt aber fort:

    Soweit dies ohne Beeinträchtigung des Zieles der
    Preisstabilität möglich ist, unterstützt das ESZB die
    allgemeine Wirtschaftspolitik in der Gemeinschaft,
    um zur Verwirklichung der in Artikel 2 dieses Ver-
    trages festgelegten Ziele der Gemeinschaft beizu-
    tragen.

    Diese Ziele sind – ich zitiere –: „ein beständiges, nicht
    inflationäres und umweltverträgliches Wachstum“ und
    „ein hohes Beschäftigungsniveau“.

    Das, was für Deutschland gilt, gilt für die gesamte
    Europäische Union. Wir werden eine Akzeptanz der eu-
    ropäischen Einigung bei den Bürgerinnen und Bürgern
    in Europa nur erreichen, wenn es in Gesamteuropa ge-
    lingt, Wachstum und Beschäftigung aufzubauen und die
    Arbeitslosigkeit zurückzuführen und zu beseitigen.


    (Beifall bei der SPD – Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Sie sind wie ein Repetitor, wie ein schlechter Repetitor!)


    – Auf den Zuruf „Sie sind ein Repetitor!“ möchte ich
    antworten: Das ist ein ganz bewährtes Instrument, das
    Sie beispielsweise hier an der Bonner Universität ken-
    nenlernen können. Es wird insbesondere bei Schülern
    angewandt, die Lernschwierigkeiten haben.


    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Man sollte Repetitoren nicht beleidigen!)


    Insofern muß ich als Repetitor auftreten. Vielen Dank
    für diesen Zuruf; ich erwarte die Fortsetzung.

    Wenn Inflationsgefahren bestehen, müssen diese be-
    kämpft werden. Wenn sie nicht bestehen, hat die Geld-
    politik Spielräume, das Wachstum zu unterstützen.
    Geldpolitik ist, entgegen manchem Urteil, nicht wachs-
    tumsneutral. So kann beispielsweise der Zinsmechanis-
    mus genutzt werden, um in einem stabilen wirtschaftli-
    chen Rahmen Wachstumsimpulse zu geben. Niedrige
    Kurzfristzinsen können positive Effekte auf die Gewinn-
    erwartungen, die Investitionen und die Beschäftigung
    haben. Sie regen zu Umschichtungen in längerfristige
    Titel an und senken die Finanzierungskosten für Investi-
    tionen. Sie stimulieren den Konsum, weil kurzfristige
    Anlagen dann unattraktiver werden.

    Das Beispiel Japan zeigt allerdings, daß eine funktio-
    nierende Geldpolitik eine Voraussetzung hat: daß das

    Bundesminister Oskar Lafontaine






    (A) (C)



    (B) (D)


    Bankensystem in Ordnung ist. Ohne funktionierende
    Bankenaufsicht sind auch die Möglichkeiten der Geld-
    politik nicht gegeben. Dazu kommt: Wenn bestimmte
    geldpolitische Impulse zu spät gesetzt werden, verpuffen
    sie, weil sie von den Verbrauchern und Investoren nicht
    mehr angenommen werden.

    Dieser wirtschaftspolitische Ansatz mit einer engen
    Koordination von Finanz-, Lohn- und Geldpolitik basiert
    auf einer stärkeren Beachtung makroökonomischer Zu-
    sammenhänge. Er bedeutet nicht, daß wir Strukturre-
    formen aus dem Auge verlieren. Deshalb werden wir
    auch die Investitionsbedingungen in Deutschland weiter
    verbessern. Wir haben beide Bereiche fest im Blick:
    Angebot und Nachfrage. Die empirischen Daten zeigen
    allerdings deutlich, daß in Deutschland und Europa der-
    zeit vor allem eines fehlt: eine Stärkung der Binnen-
    nachfrage.


    (Zurufe von der CDU/CSU: Ah!)

    Diesem Ziel dient auch die Steuerpolitik. Der Wechsel
    in der Steuer- und Abgabenpolitik ist in den Bundes-
    haushalt integriert worden. Die Steuerpolitik ist ein
    wichtiges Element unseres Politikkonzeptes für Wachs-
    tum und Beschäftigung.

    Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer tragen
    heute die Hauptlast bei der Finanzierung des Staates. Ich
    wiederhole das: Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh-
    mer tragen heute die Hauptlast bei der Finanzierung des
    Staates. Viele, insbesondere multinationale Unterneh-
    men, aber auch die Bezieher hoher Einkünfte, haben ihre
    Steuerzahlungen geschickt reduziert. Sie entziehen sich
    ihrer Verantwortung für die Finanzierung der Gemein-
    schaftsaufgaben. Es ist und bleibt ein ehrgeiziges Ziel
    dieser Koalition und dieser Bundesregierung, in
    Deutschland wieder Steuergerechtigkeit herzustellen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Der Prozeß, der sich über Jahre aufgebaut hat – eine
    Entwicklung, die über Jahre nicht gestoppt werden
    konnte und damit von Ihnen zu verantworten ist – und
    so aussieht, daß die Vermögenden und die Einkom-
    mensstarken durch legale Inanspruchnahme des Steuer-
    rechtes ihre Steuerlast praktisch immer mehr gegen
    Null führen konnten, während die Arbeitnehmer immer
    höhere Abgaben und immer höhere Steuern zahlen
    mußten, ist einer der Gründe für die Unzufriedenheit in
    der Bevölkerung und einer der Gründe dafür, warum Sie
    das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger verloren
    haben. Wir brauchen in Deutschland wieder mehr
    Steuerehrlichkeit und mehr Steuergerechtigkeit, um das
    Vertrauen in unseren Staat und seine Institutionen wie-
    derherstellen zu können.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Wir sind angetreten – das ist unser Auftrag, wir neh-
    men ihn ernst –, die in den letzten 16 Jahren entstandene
    Gerechtigkeitslücke zu schließen, von der auch einige
    aus den Reihen der Opposition gesprochen haben. Ich
    denke da an Herrn Geißler und Herrn Rühe. Es ist noch
    keine vier Jahre her, daß sie die Gerechtigkeitslücke

    festgestellt haben. Wir sind angetreten, diese Gerechtig-
    keitslücke zu schließen. Schon wenige Wochen nach der
    Regierungsübernahme haben wir mit der ersten Stufe
    der Einkommensteuerreform einen wichtigen Schritt da-
    zu getan. Wir wollen, daß Arbeitnehmer und Familien
    wieder mehr Geld in der Tasche haben. So einfach ist
    das.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Die Konzentration der Steuerentlastung auf Arbeit-
    nehmer und Familien stärkt die Kaufkraft und gibt der
    Nachfrage Impulse. Allerdings muß auch die Steuer-
    politik das Gebot solider Staatsfinanzen beachten. Des-
    halb werde ich nicht müde, darauf hinzuweisen, daß
    Deutschland die niedrigste Steuerquote in der Europäi-
    schen Gemeinschaft hat. Ich wiederhole das: Trotz der
    Aufgabe, etwa den Aufbau Ost zu finanzieren – wir
    müssen das auf europäischer Ebene immer wieder in
    Erinnerung rufen –, haben wir die niedrigste Steuerquote
    in der Europäischen Gemeinschaft. Sie betrug 1998 in
    der Abgrenzung der volkswirtschaftlichen Gesamtrech-
    nung 22,5 Prozent.

    Nun wird die eine oder der andere unserer Zuschaue-
    rinnen und Zuschauer sagen: Das kann doch nicht wahr
    sein, daß wir die niedrigste Steuerquote in der Euro-
    päischen Gemeinschaft haben; ich zahle doch soviel
    Steuern.– Ich will die Erklärung dafür liefern – die Ant-
    wort ist ganz einfach –: Die einen zahlen treu und brav
    ihre Steuern, die anderen können sich der Steuer auf der
    Grundlage eines Steuerrechtes, das sich völlig verfehlt
    entwickelt hat, ganz oder teilweise entziehen. Genau das
    muß geändert werden. Wir sind dabei, das zu tun.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)


    Die Steuerentlastungen müssen daher gezielt erfolgen
    und mit den volkswirtschaftlichen Erfordernissen und
    den Finanzierungsmöglichkeiten von Bund, Ländern
    und Gemeinden im Einklang stehen. Zugunsten der
    mittelständischen Wirtschaft haben wir an unserem Ge-
    setzentwurf Korrekturen vorgenommen, die sich in den
    Bilanzen dieser Unternehmen mit 6 Milliarden DM und
    steuerlich – wie das Ifo-Institut ausgerechnet hat – mit
    3,5 Milliarden DM niederschlagen. Deshalb ist die Ein-
    kommensteuerreform in den ersten Schritten aufkom-
    mensneutral. Trotzdem führt die Einkommensteuerre-
    form – und das ist gewollt – zu einer Entlastung der Be-
    zieher kleiner und mittlerer Einkommen sowie zu einer
    Entlastung der Familien mit Kindern; denn der Ein-
    gangssteuersatz wurde abgesenkt, das Kindergeld spür-
    bar angehoben. Durch Umschichtungen im Steuersy-
    stem, durch Herstellung von mehr Steuergerechtigkeit
    läßt sich die Binnennachfrage auch bei Aufkommens-
    neutralität stärken.

    Ich sage jetzt noch etwas zum Eingangssteuersatz:
    Es ist nicht so, als könnte man das Steuerrecht nur unter
    formalen Gesichtspunkten oder nur unter Gesichts-
    punkten der sozialen Gerechtigkeit betrachten, die im
    Widerspruch zu vernünftigen volkswirtschaftlichen Er-
    wägungen stehen. Es wird viel – und oft allein – vom

    Bundesminister Oskar Lafontaine






    (B)



    (A) (C)



    (D)


    Eingangssteuersatz geredet. Wir haben in den letzten
    Jahren immer wieder moniert, daß er viel zu hoch ist.
    Nach meiner Meinung ist er jetzt im ersten Anlauf
    eigentlich noch zuwenig gesenkt worden. Es ist aber
    notwendig, ihn zu senken, weil ein zu hoher Eingangs-
    steuersatz eben die Schwarzarbeit begünstigt. Dies liegt
    auch im Interesse der Staatsfinanzen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS – Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Wir hatten schon einmal 15 Prozent!)


    Für die Unternehmen planen wir eine Steuerreform,
    an deren Ende eine rechtsformunabhängige Besteue-
    rung mit einem Steuersatz von höchstens 35 Prozent
    steht. In Richtung Mittelstand möchte ich dazu sagen,
    daß es sich bei diesen 35 Prozent um einen Höchst-
    steuersatz handelt, nicht um einen Steuersatz, den jeder
    entrichten muß. Hier ist es da und dort zu Mißverständ-
    nissen gekommen. Für das normale mittelständische
    Unternehmen wird der tatsächliche Steuersatz niedriger
    sein. Hier gab es einen systematischen Fehler einzelner
    Entwürfe – ich sage dies jetzt nicht nur in eine Richtung
    –, die in den letzten Jahren vorgelegt worden sind. Man
    hat auch bei den Unternehmensteuern allzu stark immer
    auf die Höchststeuersätze gestarrt. Das war insbesondere
    gegenüber den kleinen und mittleren Betrieben falsch,
    die die Höchststeuersätze gar nicht erreichen.


    (Beifall bei der SPD)

    Deshalb genügt es nicht, immer nur auf die Höchst-
    steuersätze zu starren.

    Es ist auch falsch, wenn beispielsweise einzelne
    Wirtschaftsverbände bei ihren Debatten immer nur die
    Höchststeuersätze nennen. Das ist ein Irrtum auch dieser
    Verbandsvertreter. Es geht um die Durchschnittsbela-
    stung der mittelständischen und der kleinen Betriebe.
    Die muß heruntergefahren werden. Dies erreicht man
    aber nicht über eine Betrachtung allein der Höchst-
    steuersätze.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)


    Die Bundesregierung hält nach wie vor an dem Ziel
    fest, die ökologische Steuer- und Abgabenreform
    durchzuführen. Dieses Ziel, das über Jahre unstreitig
    war und auf europäischer Ebene inzwischen von der
    Mehrheit der Staaten akzeptiert wird, ist Ausdruck ver-
    nünftiger Modernisierung, vernünftiger Strukturrefor-
    men und vor allen Dingen Ausdruck einer längerfristig
    angelegten Politik. Natürlich kann man – in den letzten
    Wochen und Monaten haben sich die Beispiele wieder
    gehäuft – kurzfristig Punkte machen, indem man da und
    dort gegen die Steuerreform polemisiert und sich nur
    den Belastungsteil herausgreift.


    (Friedrich Merz [CDU/CSU]: Damit haben Sie Erfahrungen!)


    Aber es ist keine seriöse Diskussion, nur den Bela-
    stungsteil zu nennen und den Entlastungsteil zu ver-
    schweigen.

    Ich sage an die Verbandsvertreter der Wirtschaft und
    an die Einzelunternehmen: Eine faire steuerliche De-
    batte ist notwendig, um zu guten Ergebnissen zu kom-
    men. Das setzt voraus, daß man bei der Steuer- und Ab-
    gabenreform – der ökologischen Steuer- und Abgaben-
    reform – nicht nur den Belastungsteil benennt, sondern
    bitte schön auch vorrechnet, was man bei den Lohnne-
    benkosten an Einsparungen hat. Sonst ist die ganze De-
    batte nicht seriös und verstimmt im Grunde genommen
    auch. So kann man doch nicht vorgehen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)


    Wenn ich jetzt sehe – man müßte etwas differenzie-
    ren, aber die Zeit läßt es nicht zu –, wie die Opposi-
    tionsparteien diskutieren, so stelle ich fest: Das ist wirk-
    lich billiger Populismus und im Grunde auch Irrefüh-
    rung der Öffentlichkeit. Ich habe es von dieser Stelle aus
    immer wieder begrüßt, daß sich einzelne in ihren Reihen
    – einige wollen dies heute scheinbar nicht mehr wissen –
    für die ökologische Steuer- und Abgabenreform einge-
    setzt haben. Es gab hier vor den Bundestagswahlen eine
    Auseinandersetzung zwischen der CDU und der CSU.
    Ich verstehe die Beweggründe der Parteivorsitzenden,
    ich kenne die Notwendigkeit zusammenzuführen usw.;
    das soll man auch tun. Aber so ein bißchen darf man zu
    den Überzeugungen, die man einmal vertreten hat, noch
    stehen. Die ökologische Steuer- und Abgabenreform ist
    ein Projekt der Modernisierung, ist ein Zukunftsprojekt.
    Wir dürfen es nicht einfach preisgeben und einem billi-
    gen Populismus opfern.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Ich spreche von Zukunftsorientierung. Oft wird be-
    klagt, daß die Politik nur auf die Schlagzeile des näch-
    sten Tages starrt. Diese Kritik ist sicherlich gerechtfer-
    tigt. Jeder von uns


    (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Nicht den Kanzler angreifen!)


    – jeder von uns, Herr Kollege Schäuble, habe ich gesagt,
    sogar Sie – muß sich eine solche Kritik teilweise gefal-
    len lassen und sich die Frage stellen, ob er nicht allzu
    leicht solchen Versuchungen entspricht. Wir haben Her-
    ausforderungen gegenüber kommenden Generationen.
    Ich erinnere daran, weil ich den früheren Bundeskanzler
    Kohl hier im Plenum sehe. Wir sind angesichts der
    kommenden Generationen gefordert, eine langfristige
    Orientierung vorzulegen. Ich erinnere mich noch gut an
    Ihre Reden, die Sie vor zwei, drei Jahren im Vorfeld des
    Gipfels von Rio und anderer Gipfel, auch in Berlin, ge-
    halten haben, als Sie für stärkere Maßnahmen im Um-
    weltschutz geworben haben. Bleiben wir doch gemein-
    sam bei dieser Grundüberzeugung! Der Umweltschutz
    ist angesichts unserer Verantwortung für Generationen,
    die noch gar nicht geboren sind, eine wichtige Aufgabe.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Ilja Seifert [PDS])


    Bundesminister Oskar Lafontaine






    (A) (C)



    (B) (D)


    Im übrigen ist doch in vielen Debatten zuvor – ich
    erinnere an die Einführung des Katalysators, ich erin-
    nere an die verstärkten Auflagen bei der Luftreinhal-
    tung – zu Recht darauf hingewiesen worden, daß auf
    diesem Sektor Technologien induziert und marktfähig
    gemacht worden sind, die auch in Deutschland Beschäf-
    tigung gebracht haben. Das ist doch von allen hier im-
    mer wieder festgestellt worden, und an diesem Sachver-
    halt hat sich gar nichts geändert. Nur die Produkte wer-
    den die Märkte der Zukunft erobern, die nicht mit zu
    starken Belastungen der Umwelt verbunden sind.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Ilja Seifert [PDS])


    Der Haushalt 1999 ist ein erster Schritt, aber – viel-
    leicht ist es ungewöhnlich, wenn ich als derjenige, der
    ihn, zumindest was die Aufstellung angeht, zu verant-
    worten hat, das sage – er ist ein bei weitem noch unzu-
    reichender Schritt zur Sanierung der Staatsfinanzen.


    (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Der erste richtige Satz!)


    – Herr Kollege Zwischenrufer, wenn Sie bei einer sol-
    chen Debatte, in der es um einen sachlichen Ansatz geht,
    dann, wenn ich feststelle, daß wir bei weitem noch nicht
    genügend Anstrengungen unternommen haben, um das
    strukturelle Defizit abzubauen, sagen, das sei der erste
    richtige Satz gewesen, so qualifiziert dieser Zwischenruf
    Sie selber. Ich lasse ihn so stehen.


    (Lachen bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wir haben bei weitem noch nicht genug Anstrengun-

    gen unternommen, um den Staatshaushalt zu sanieren.
    Zu rechtfertigen ist das nur, weil ich der Auffassung bin,
    die von vielen geteilt wird, daß der Staat in einer Phase
    zurückgehender Konjunktur diesen Prozeß nicht noch
    durch verstärkte Sparmaßnahmen oder Steuererhöhun-
    gen verschärfen soll.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Man kann sich zu dieser Auffassung bekennen oder
    nicht. Ich halte diese Auffassung für richtig. Wenn Ge-
    fahren bestehen, daß das Wachstum zu stark zurückgeht,
    dann kann der Staat nicht verstärkt Ausgaben kürzen
    oder Steuern erhöhen. Zu dieser Auffassung kann man ja
    oder nein sagen, aber man sollte an dieser Stelle eine
    gewisse Konsequenz entwickeln.

    Im Vergleich zum Haushaltsentwurf der alten Bun-
    desregierung haben die Ressorts grundsätzlich einen
    Konsolidierungsbeitrag in Höhe von 0,5 Prozent ihres
    Ausgabevolumens erbracht. Ich sagte bereits: Das wird
    in Zukunft nicht ausreichen. Entsprechend dem Finan-
    zierungsvorbehalt des Koalitionsvertrages mußten die
    Ressorts neue Ausgaben durch Einsparungen innerhalb
    des eigenen Einzelplanes finanzieren. Durch diese Um-
    schichtung von Mitteln ist es möglich geworden, neue
    politische Weichenstellungen vorzunehmen. Bei dem
    notwendigen Einstieg in die Sanierung der Staatsfinan-
    zen haben alle Ressorts einen Beitrag zu leisten. Es kann
    niemand davon ausgenommen werden. Auch das wollte
    ich heute in aller Klarheit noch einmal festgestellt haben.

    Die Neuverschuldung wird im Bundeshaushalt 1999
    auf 56,2 Milliarden DM zurückgeführt. Sie liegt damit
    leicht unter dem Niveau von 1998. Trotz des hohen
    Schuldenberges, der zu erheblichen Zinsbelastungen
    führt, die niemand bestreiten kann, wird die Nettokre-
    ditaufnahme unterhalb der verfassungsrechtlich vorge-
    gebenen Verschuldungsgrenze gehalten. Die Investi-
    tionsausgaben liegen um 2 Milliarden höher als die
    Nettokreditaufnahme. Mit dieser Begrenzung der Neu-
    verschuldung setzt die Bundesregierung ein Stabilitäts-
    signal – wenn ich auch hinzufüge: Im Hinblick auf die
    längerfristige Perspektive ist das noch nicht ausreichend.

    Wir haben die durchlaufenden Posten bereinigt. Der
    effektive Anstieg der Ausgaben wird auf 1,7 Prozent
    begrenzt. Er liegt damit unter dem erwarteten Wachstum
    des Bruttosozialproduktes. Das entspricht den Vereinba-
    rungen des Finanzplanungsrates für den Gesamtstaat.

    Um auch in den kommenden Jahren die sich aus
    Art. 115 des Grundgesetzes ergebende Verschuldungs-
    grenze einzuhalten, müssen wir die Deckungslücke
    schließen, die die Regierung Kohl hinterlassen hat. Es
    handelt sich um eine strukturelle Deckungslücke von
    30 Milliarden DM. Bisher haben wir immer von nur 20
    Milliarden DM gesprochen. Diese Lücke ist bisher
    durch Veräußerung von Vermögenswerten geschlossen
    worden. Jetzt kommen aber die Folgen des Urteils des
    Bundesverfassungsgerichtes zum Tragen: Auf den
    Bundeshaushalt kommen weitere 10 Milliarden DM zu,
    auf die Länderhaushalte ebenfalls 10 Milliarden.

    Meine Damen und Herren, man kann diese Debatte
    um Himmels willen nicht so führen – dann würden doch
    die Grenzen fairen Umgangs miteinander verletzt –, als
    wäre das die Verantwortung der jetzigen Bundesregie-
    rung. Der Beschluß des Verfassungsgerichtes ist bitter.
    Er bedeutet nämlich, daß Sie den Familien – wie oft
    wurde auf Parteitagen der CDU/CSU die Familienpoli-
    tik in den Mittelpunkt gestellt? – Jahr für Jahr
    20 Milliarden DM vorenthalten haben. Welch vernich-
    tendes Urteil über die Familienpolitik der letzten Jahre!


    (Lebhafter Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Beifall bei Abgeordneten der PDS)


    Daß dabei oft auch finanzielle Zwänge eine Rolle ge-
    spielt haben, wer wollte das in Abrede stellen? Daß da-
    bei Fehleinschätzungen der letzten Jahre, die beträcht-
    liche Ausmaße hatten, eine Rolle gespielt haben, wer
    wollte das in Abrede stellen? Aber hier zeigt sich wieder
    einmal, daß man die finanziellen Probleme auf Dauer
    eben nicht zu Lasten einzelner Gruppen lösen kann.
    Auch hier zeigt sich das Problem der Gerechtigkeit.
    Wie ich gesagt habe, daß es ungerecht war, die Arbeit-
    nehmer über Gebühr mit Steuern und Abgaben zu bela-
    sten, um die Staatsaufgaben zu finanzieren, so sage ich:
    Es war eine nicht hinnehmbare Ungerechtigkeit, daß die
    Familien in den letzten Jahren so stark benachteiligt
    worden sind.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)


    Bundesminister Oskar Lafontaine






    (B)



    (A) (C)



    (D)


    Ich sage in allem Freimut, daß es keine leichte Auf-
    gabe sein wird, diese Deckungslücke von 30 Milliarden
    DM zu schließen. Ich rate dazu, ein Mindestmaß an
    intellektueller Redlichkeit walten zu lassen.


    (Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)


    – Da die Opposition erfreulicherweise reagiert, will ich
    das etwas deutlicher machen.


    (Dr. Guido Westerwelle [F.D.P.]: Wir reagieren immer!)


    Wer auf der einen Seite weitere Steuersenkungen und
    auf der anderen Seite zwar allgemein Ausgabenkürzun-
    gen, aber in seinem speziellen Bereich Ausgabenerhö-
    hungen fordert, der macht sich in einer solchen Debatte
    völlig unglaubwürdig. Das ist in aller Deutlichkeit zu
    sagen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Ich kann Ihnen aus langjähriger Erfahrung mit Opposi-
    tionen auf anderen Ebenen sagen, daß solche Politik in
    der Regel keine Chance hat.

    Meine Damen und Herren, nicht nur die Haus-
    haltseckwerte, sondern auch die Struktur des Haushaltes
    setzt neue politische Akzente. Mit dem Haushalt 1999
    vollziehen wir in wichtigen Bereichen den Neuanfang,
    den wir den Bürgerinnen und Bürgern vor der Wahl ver-
    sprochen haben. Deshalb noch einmal: Das Motto heißt
    „Versprochen – gehalten“.

    Ich komme zum Aufgabenschwerpunkt Wissenschaft
    und Bildung. Der Wohlstand in Deutschland hängt in
    großem Umfange von unserer wirtschaftlichen Lei-
    stungsfähigkeit ab. Diese Leistungsfähigkeit kann nur
    erhalten werden, wenn wir die international führende
    Position Deutschlands bei Forschung und Wissenschaft
    ausbauen. Das wichtigste Kapital der deutschen Wirt-
    schaft sind der hohe Ausbildungsstand und das Wissen
    der Menschen in diesem Land. Im Bundeshaushalt 1999
    werden daher die Zukunftsinvestitionen für Forschung,
    Bildung und Wissenschaft gegenüber 1998 um 1 Mil-
    liarde DM erhöht. Dies ist ein Signal zur Zukunftssiche-
    rung und zur Unterstützung von Innovationen.

    Es kann jeder berechtigt einwenden, 1 Milliarde DM
    sei angesichts der großen Herausforderungen der Zu-
    kunft im Grunde genommen noch ein sehr bescheidener
    Betrag. Wir hätten hier auch gerne stärkere Signale ge-
    setzt; ich sage das in aller Klarheit. Aber die Lage des
    Haushaltes ließ das nicht zu. Jedoch hatten wir den Bür-
    gerinnen und Bürgern und den Menschen, die in diesen
    Bereichen arbeiten, vor der Bundestagswahl eine Auf-
    stockung versprochen, und dieses Versprechen wird mit
    diesem Bundeshaushalt gehalten.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Für die kommenden Jahre ist eine weitere Verstärkung
    dieser Zukunftsinvestitionen vorgesehen. Der Bund
    stockt jetzt endlich wieder die Zukunftsinvestitionen auf.
    Wer die Zukunft gewinnen will, der darf nicht bei For-

    schung, bei Bildung und bei Wissenschaft sparen; so
    kann man die Zukunft nicht gewinnen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)


    Der Etat enthält Mittelaufstockungen für die Förde-
    rung der Forschung kleiner und mittlerer Unternehmen,
    für die Förderung moderner Schlüsseltechnologien, für
    die Förderung von wissenschaftlichem Nachwuchs und
    für ein Sonderprogramm zum Ausbau der Forschungs-
    landschaft in den neuen Ländern. Für den Hochschulbau
    werden 200 Millionen DM zusätzlich zur Verfügung ge-
    stellt. Auch hier wiederum der Bezug auf die Vergan-
    genheit: Jahrelang haben wir hier im Bundestag kriti-
    siert, daß der Bund zuwenig Mittel für den Hochschul-
    bau zur Verfügung stellt. Hinsichtlich der 200 Millionen
    DM kann wieder kritisiert werden, daß dieser Betrag zu
    gering sei. Was will man dieser Kritik entgegenhalten?
    Aber wir sind stolz darauf, daß wir jetzt einen Anfang
    machen und die Raumnot an den Universitäten nicht nur
    auf den Lippen führen, sondern einen Akzent zu ihrer
    Bekämpfung setzen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Die BAföG-Mittel für 1999 werden gegenüber dem
    Vorjahr um 6 Prozent erhöht. Die Entwicklung an den
    deutschen Hochschulen – über die in den letzten Mona-
    ten verstärkt berichtet worden ist –, daß immer weniger
    Kinder aus Haushalten mit niedrigem Einkommen eine
    Chance haben, ein Hochschulstudium zu absolvieren,
    sollte doch uns alle herausfordern. Es ist nicht damit
    getan, daß wir einfach irgend jemandem die Schuld zu-
    weisen. Wir müssen das schlicht und einfach ändern.
    Das ist einer der Gründe, warum wir sagen: Es ist bes-
    ser, die finanzielle Situation dieser Familien über
    BAföG zu stärken, als noch Studiengebühren draufzu-
    setzen. Wie sollen denn dann die Arbeiterhaushalte das
    Studium ihrer Kinder noch finanzieren können? Ich
    weiß die Antwort dann nicht mehr.


    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


    Wenn ich schon bei diesem Bereich bin, sage ich
    auch an die Adresse der Liberalen einmal ein Wort. Es
    ist begrüßenswert, wenn Sie immer wieder sagen: Wir
    unterstützen den Ansatz, auf die Zukunft gerichtet For-
    schung, Wissenschaft, Bildung usw. zu stärken. – Es ist
    gut, wenn man an dieser Stelle Übereinstimmung hat.
    Wenn man aber gleichzeitig weiß, daß wir jetzt im Bun-
    deshaushalt ein strukturelles Defizit von 30 Milliarden
    DM haben, und wenn man gleichzeitig weiß, daß die ur-
    sprünglichen Planungen, den Aufbau Ost zu unterstüt-
    zen, nicht eingehalten werden können – weder im
    Zeitrahmen noch in der Höhe der aufzubringenden Mit-
    tel –, dann ist es vor diesem Hintergrund nicht glaub-
    würdig, sich auf die Forderung nach immer weiteren
    Steuersenkungen im Saldo zu reduzieren. Das war der
    Fehler Ihres Konzeptes vor der Bundestagswahl. Nach
    der Bundestagswahl und nach dem Urteil des Bundes-
    verfassungsgerichts ist dieses Konzept völlig in sich

    Bundesminister Oskar Lafontaine






    (A) (C)



    (B) (D)


    zusammengebrochen. Da muß man doch einfach wahr-
    haftig und redlich sein.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Wir setzen auch einen Schwerpunkt auf den Aufbau
    Ost, wie wir es bereits vor den Wahlen gesagt haben.
    Wir haben versprochen, den Aufbau in den neuen Län-
    dern auf hohem Niveau fortzusetzen. Wir halten dieses
    Versprechen. Im Bundeshaushalt werden für Leistungen
    in den neuen Ländern Mittel von 100 Milliarden DM zur
    Verfügung gestellt. Im Vordergrund steht der Ausbau
    der Infrastruktur. Die Verkehrsprojekte Deutsche Ein-
    heit werden zügig fertiggestellt. Damit gewinnt der
    Standort neue Länder weiter an Attraktivität.

    Im Rahmen der regionalen Wirtschaftsförderung
    können in den neuen Ländern 1999 neue Bewilligungen
    in einer Größenordnung von 6 Milliarden DM eingegan-
    gen werden. Ein besonderer Schwerpunkt des Aufbaus
    Ost ist die Förderung von Mittelstand und Handwerk.
    Die Sonderprogramme für Forschung und Entwicklung
    in den neuen Ländern werden auf 325 Millionen DM er-
    höht. Für die Nachsorge bei ehemaligen Treuhandunter-
    nehmen durch die Bundesanstalt für vereinigungsbe-
    dingte Sonderaufgaben stellen wir in diesem Jahr 500
    Millionen DM mehr zur Verfügung. Diese zusätzlichen
    Mittel können eingesetzt werden, um Investitionen und
    Arbeitsplätze bei den ehemaligen Treuhandunternehmen
    zu sichern. Hinzu kommen aus dem Bundeshaushalt
    über 1 Milliarde DM für die anderen Treuhandnachfol-
    geeinrichtungen. Diese Mittel tragen ebenfalls zur Um-
    strukturierung der ostdeutschen Wirtschaft bei. Sie die-
    nen auch der Sanierung der ostdeutschen Braunkohle-
    reviere.

    Die robuste Struktur der deutschen Volkswirtschaft
    ist in großen Teilen von einem sehr flexiblen Mittel-
    stand geprägt. Diesen Mittelstand wollen wir erhalten
    und fördern. Bei der Schaffung von Arbeitsplätzen set-
    zen wir auf kleine Betriebe, auf den Mittelstand und auf
    das Handwerk. Wir haben dem Mittelstand Steuersen-
    kungen versprochen, und wir halten dieses Verspre-
    chen. Ich verweise in diesem Zusammenhang noch ein-
    mal auf die 3,5 Milliarden DM, die das Ifo-Institut er-
    rechnet hat. Die Förderung des Mittelstandes im Einzel-
    plan des Bundesministers für Wirtschaft und Technolo-
    gie wird gegenüber dem Entwurf der alten Bundesregie-
    rung auf 2,2 Milliarden DM erhöht. Die Forschungsför-
    derung für kleine und mittlere Unternehmen wird ge-
    genüber 1998 um rund 100 Millionen DM aufgestockt.
    Mit dem Haushalt 1999 starten wir auch ein neues Pro-
    gramm zur Verbesserung der Innovationsfähigkeit der
    kleinen und mittleren Unternehmen.

    Gerade der Mittelstand ist nicht in erster Linie und
    allein im Export tätig. Er ist abhängig von einer stabilen
    Nachfrage. Deshalb ist auch der Mittelstand und sind
    auch die kleinen Betriebe in Deutschland, sind vor allen
    Dingen auch die Handwerksbetriebe in Deutschland auf
    eine stabile Binnennachfrage angewiesen.

    Es ist erfreulich, daß seit November im Einzelhandel
    wieder höhere Umsätze getätigt werden. Das ist eine er-
    freuliche Entwicklung, die man jetzt nicht durch ir-

    gendwelche Fehlentscheidungen wieder abbrechen oder
    belasten darf. Auch vor diesem Hintergrund bitte ich,
    die Debatten der letzten Tage zu verstehen. Daher wäre
    es auch falsch, wenn wir in einer solch labilen Situation
    die Bevölkerung und die Wirtschaft mit ständig neuen
    Prognosen über Mehrwertsteuererhöhungen verunsi-
    chern. Ich bleibe dabei – ich sage das auch im Auftrag
    des Bundeskanzlers –: Die jetzige schwierige ökonomi-
    sche Situation verträgt sich überhaupt nicht mit wö-
    chentlich wiederkehrenden Steuererhöhungsdebatten.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Mit unserer Wirtschafts- und Finanzpolitik wollen
    wir vor allem die Beschäftigungsmöglichkeiten auf dem
    ersten Arbeitsmarkt verbessern. Auch das ist unstreitig.
    Aber das Bekenntnis zum ersten Arbeitsmarkt löst nicht
    die Probleme der vier Millionen Menschen, die keine
    Beschäftigung haben, zumindest nicht kurzfristig. Dies
    bitte ich zu beachten, wenn immer allzu leichtfertig über
    den sogenannten zweiten Arbeitsmarkt gesprochen
    wird. Wenn man selbst in der Lage wäre, nämlich daß
    man sich als Langzeitarbeitsloser oder als junger
    Mensch monatelang – manchmal sogar ein Jahr oder
    länger – vergeblich um einen Arbeits- oder Ausbil-
    dungsplatz bemüht, dann würde man begreifen, daß für
    diese Menschen auch der zweite Arbeitsmarkt ein An-
    gebot ist, das wir machen müssen, natürlich mit dem
    Ziel, sie in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


    Es geht hier auch um etwas, was ökonomisch gar
    nicht zu quantifizieren ist. Es geht um den Verlust des
    Selbstwertgefühls der Menschen und um den Verlust des
    Zutrauens in die eigenen Fähigkeiten. Das ist ökono-
    misch oder in Zahlen gar nicht auszudrücken. Wir sind
    aber auch nicht nur dazu da, um auf Zahlen zu starren;
    vielmehr müssen wir uns auch konkret klarmachen, was
    die Zahlen bedeuten. Angesichts der vielen Menschen,
    die Arbeit und Ausbildung suchen, sind verstärkte An-
    strengungen der Arbeitsmarktpolitik auf dem sogenann-
    ten zweiten Arbeitsmarkt notwendig. Wir haben das ver-
    sprochen. Wir setzen das jetzt auch mit unserem Bun-
    deshaushalt um.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Das Programm zur Bekämpfung der Jugendar-
    beitslosigkeit habe ich bereits genannt. Wir sind stolz
    darauf. Das Programm zur Bekämpfung der Langzeit-
    arbeitslosigkeit wird fortgesetzt. Für die Jahre 1999 bis
    2002 stellen wir weitere Mittel von insgesamt
    2,25 Milliarden DM zur Verfügung. Mit diesen Mitteln
    finanzieren wir Lohnkostenzuschüsse an Arbeitgeber,
    die Langzeitarbeitslose einstellen.

    Die Zuschüsse des Bundes an die gesetzliche Ren-
    tenversicherung steigen um 18,5 Milliarden DM auf
    insgesamt 119 Milliarden DM. Diese Steigerung erlaubt
    es, den Beitragssatz ab 1. April 1999 von 20,3 auf 19,5
    Prozent abzusenken. Dazu möchte ich eine Bemerkung

    Bundesminister Oskar Lafontaine






    (B)



    (A) (C)



    (D)


    an die rechte Seite des Hauses richten: Wir haben, als
    der Beitragssatz Ihnen zu entgleiten drohte, zugestimmt,
    die Mehrwertsteuer zu erhöhen. Wir wußten, daß das
    keine populäre Entscheidung war. Ich hoffe, daß dies
    noch in Erinnerung ist. Ich wünsche mir manchmal, daß
    mit ähnlicher Sachlichkeit, mit der wir Ihnen vor einigen
    Monaten begegnet sind, auch das Bemühen der jetzigen
    Koalition begleitet würde, die Lohnnebenkosten zu
    senken und den Beitragssatz der Rentenversicherung in
    Grenzen zu halten.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Ich möchte zu den Angeboten auf dem Arbeits-
    markt eines hinzufügen: Wir können hier von Skandi-
    navien und vielleicht auch von den angelsächsischen
    Ländern noch lernen. Das ist meine Überzeugung. Wir
    können lernen, daß das Angebot auf dem Arbeitsmarkt
    allein nicht ausreichend ist; vielmehr muß es mit Maß-
    nahmen verbunden sein, die dazu führen können, daß
    Mitbürgerinnen und Mitbürger, die dieses Angebot nicht
    annehmen wollen, mit Kürzungen und Streichungen
    bei den sozialen Transferleistungen zu rechnen haben.
    Ich meine, daß es nicht nur Rechte, sondern auch
    Pflichten in unserem Staat gibt. Dies muß auch in der
    Sozialgesetzgebung zum Ausdruck kommen.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der F.D.P.)


    Im neuen Haushalt für Verkehr, Bau und Wohnungs-
    wesen sind die Investitionen für die öffentliche Infra-
    struktur gebündelt. Für den Ausbau der öffentlichen
    Infrastruktur stehen insgesamt 25,7 Milliarden DM zur
    Verfügung. Dabei handelt es sich vor allem um Investi-
    tionen in den Bereichen Schiene, Straße, Wasserwege,
    Städtebau und sozialer Wohnungsbau. Für diese Investi-
    tionen werden 1999 1,5 Milliarden DM mehr als 1998
    zur Verfügung gestellt. Für die Lärmsanierung an beste-
    henden Schienenwegen werden erstmals 100 Millionen
    DM angesetzt. Im Städtebau setzen wir einen neuen Ak-
    zent. Unter dem Titel „Die soziale Stadt“ starten wir mit
    dem Haushalt 1999 ein neues Programm zur Förderung
    von Stadtteilen mit besonderem Entwicklungsbedarf.
    Dieses Programm hat einen Verpflichtungsrahmen von
    100 Millionen DM. Die Mittel für Wohngeld werden
    1999 gegenüber dem Vorjahr um 240 Millionen DM er-
    höht. Damit beträgt der Bundesanteil an den Wohngeld-
    ausgaben 1999 über 4 Milliarden DM.

    Ich habe vorhin etwas zur Energiepolitik und zur
    ökologischen Steuer- und Abgabenreform gesagt. Wir
    haben auch hier einen Akzent gesetzt. Ich meine das
    Milliardenprogramm zur Förderung der Solarenergie,
    das „100 000-Dächer-Programm“, mit einem Gesamt-
    volumen von 1,1 Milliarden DM. Auch hiergegen kann
    eingewandt werden, wir bräuchten weitaus größere An-
    strengungen; dennoch meine ich, daß wir eine Debatte
    nach der Maßgabe „Kurzfristig reichen die fossilen
    Brennstoffe aus“ nicht führen können. Diese Maßgabe
    steht außer Zweifel; das gilt im besonderen für die
    Weltkohlevorräte, das gilt aber – mit deutlichen Ab-
    schlägen – auch für die Gasvorräte und für die Mineral-

    ölvorräte, das gilt mit noch weiteren Abschlägen für die
    Vorräte an Uranerzen.

    Nur, so kann man nicht arbeiten. Angesichts unseres
    Wissensstandes können wir Politik heute nicht mehr
    machen, indem wir lediglich etwa in Jahreszeiträumen
    planen. Wir müssen vielmehr in längeren Zeiträumen
    planen und deshalb jetzt die Chance ergreifen, die soge-
    nannten erneuerbaren Energien auszubauen. Ein wichti-
    ger Akzent in diesem Haushalt ist die Finanzierung des
    Programms zum Ausbau der Solarenergie.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Angesichts der aktuellen Diskussionen im Bereich
    der Außenpolitik weise ich darauf hin: Durch den Haus-
    halt 1999 wird sichergestellt, daß die Bundeswehr ihren
    Auftrag erfüllen kann. Der Plafond des Verteidigungs-
    etats wird gegenüber dem Vorjahr um rund 400 Millio-
    nen DM erhöht. Auf der anderen Seite hat – ebenso wie
    die anderen Ressorts – auch der Verteidigungsetat einen
    Konsolidierungsbeitrag in Höhe von 0,5 Prozent des
    Etatvolumens im Vergleich zum Haushaltsentwurf der
    Vorgängerregierung geleistet.

    Ich sage aber dazu – jeder in diesem Hause weiß das –,
    daß wir auch angesichts der internationalen Herausfor-
    derungen den bereits durchgeführten Reformen weitere
    Strukturreformen hinzufügen müssen. Gerade in den
    letzten Monaten ist deutlich geworden, daß die Heraus-
    forderungen dieser Tage andere als die Herausforderun-
    gen vor zehn Jahren sind. Dem haben wir Rechnung zu
    tragen. Deshalb mahne ich auch im Rahmen dieser
    Haushaltsberatungen die notwendigen Strukturreformen
    an und bitte, sie zügig in Angriff zu nehmen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Ich möchte auch diese Haushaltsdebatte zum Anlaß
    nehmen, angesichts der jüngsten Diskussionen an dieser
    Stelle den deutschen Soldaten für ihren Dienst zu dan-
    ken. Dies gilt insbesondere für die Bundeswehrangehö-
    rigen, die zur Zeit im ehemaligen Jugoslawien ihren
    Dienst tun. Was sie dort tun, ist ein Friedensdienst, der
    im Interesse ganz Europas liegt.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Wir, die wir politische Verantwortung tragen, dürfen

    niemals vergessen und müssen uns immer bewußt sein,
    daß wir schwierige Entscheidungen treffen, für die ande-
    re einzustehen haben, notfalls mit ihrem Leben. Das ist
    die Tragweite der Herausforderung, und deshalb sind
    wir unseren Soldaten zu großem Dank verpflichtet.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der F.D.P.)


    Ich möchte noch ein Wort zu den Entwicklungslän-
    dern Afrikas, Asiens und Südamerikas sagen. Wir be-
    weisen internationale Solidarität. Im Bereich der inter-
    nationalen Zusammenarbeit enthält der Haushaltsent-
    wurf einen besonderen Akzent. Die Ausgaben für Ent-
    wicklungshilfe werden gegenüber dem alten Regie-
    rungsentwurf um 124 Millionen DM angehoben. Auf

    Bundesminister Oskar Lafontaine






    (A) (C)



    (B) (D)


    dem Weltwirtschaftsgipfel im Juni in Köln wird die
    Bundesregierung zusammen mit den anderen Ländern
    der G7 eine neue Entschuldungsinitiative zugunsten der
    ärmsten Entwicklungsländer auf den Weg bringen.

    Wir sollten das Thema gar nicht streitig stellen, son-
    dern uns nur über folgenden Sachverhalt im klaren sein.
    Wir hatten in den letzten Jahren angesichts der deut-
    schen Einheit, angesichts der Schwierigkeiten in Europa,
    insbesondere in Osteuropa, und angesichts der Notwen-
    digkeit, auch Rußland unter die Arme zu greifen, große
    Herausforderungen zu bewältigen. Dennoch meine ich,
    daß wir darüber nicht vergessen dürfen – so möchte ich
    es formulieren –, daß es in anderen Teilen der Welt im-
    mer noch große Probleme und große Herausforderungen
    gibt und daß Menschen in anderen Teilen der Welt im-
    mer noch in großer Not leben und teilweise verhungern.
    Deshalb meine ich, daß unser großer Industriestaat trotz
    der Herausforderungen, denen er gegenübersteht, die
    Menschen in diesen Teilen der Welt nicht vergessen
    darf. So rechtfertigt sich unser Mitwirken an der Ent-
    schuldungsinitiative, die der Bundeskanzler in Köln mit
    den Staats- und Regierungschefs beschließen wird.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


    Noch ein kurzes Wort zu den Aufstockungen der
    Mittel für Kultur: Wie versprochen, werden die Mittel
    für die Kulturförderung für die Hauptstadt Berlin und
    für die neuen Länder um 180 Millionen DM erhöht. Das
    werden alle begrüßen. Ich füge aber eines hinzu – das
    gilt nicht nur für den Bereich, in dem die CSU Verant-
    wortung trägt, die sich an dieser Stelle etwas zu wichtig
    nimmt –: Wenn wir Berlin und die neuen Länder zu-
    sätzlich aus dem Bundeshaushalt bei der Förderung der
    Kultur unterstützen, dann folgt daraus für jeden, der
    redlich mit dem Bundeshaushalt umgeht, der Schluß,
    daß wir die bisherige Praxis, Ländern, die auf Grund ih-
    rer finanziellen Lage selbst in der Lage sind – es geht
    nicht nur um ein Land –, die Kultur zu finanzieren, auch
    noch aus dem Bundeshaushalt kulturelle Veranstaltun-
    gen in größerem Umfang zu finanzieren, nicht fortsetzen
    können. Ich will das hier in aller Klarheit sagen. Anson-
    sten würde ja die Redlichkeit wirklich im Salto springen.
    Ich bitte Sie deshalb, an dieser Stelle zu einer redlichen
    Debatte zurückzukehren. Ich weise noch einmal darauf
    hin: Das, was ich hier vorgetragen habe, gilt nicht nur
    für ein Bundesland, sondern für eine ganze Reihe von
    Ländern, die vielleicht darauf hoffen, daß man nicht
    weiß, welche Mittel aus dem Bundeshaushalt gewährt
    werden. Kulturpolitik ist in erster Linie – das dürfen wir
    nicht vergessen – Aufgabe der Länder.

    Noch ein Wort zur Technik: Mit dem neuen Haushalt
    schaffen wir mehr Haushaltswahrheit und Haushalts-
    klarheit. Die alte Bundesregierung hat Milliardenschul-
    den in Schattenhaushalte geschoben. Das haben wir
    immer kritisiert. Wir werden diese Schuldenlast jetzt im
    Bundeshaushalt ausweisen. Im einzelnen geht es um den
    Erblastentilgungsfonds, den Verstromungsfonds und das
    Bundeseisenbahnvermögen. Eine Entlastung des Bun-
    deshaushalts 1999 ist mit dieser Übertragung der Schat-
    tenhaushalte nicht verbunden.

    Die Schulden des Erblastentilgungsfonds werden nach
    den gleichen Regeln wie vor der Schuldübernahme be-
    dient. Der bei über 7 Milliarden DM liegende Bundes-
    bankgewinn wird unverändert voll und ganz zur Tilgung
    des Erblastentilgungsfonds eingesetzt. Zusätzlich werden
    wir – das ist das eigentliche Novum gegenüber der Rege-
    lung der bisherigen Regierung – die Zahlungen der neuen
    Länder für kommunale Altschulden in Höhe von jährlich
    300 Millionen DM jetzt nur noch zur Schuldentilgung
    verwenden. Der Restbetrag für den Schuldendienst wird
    vom Bund wie bisher zur Verfügung gestellt. Ich bitte al-
    so, daß Sie Ihre ständig wiederholten öffentlichen Be-
    hauptungen korrigieren. Es hat keinen Sinn, immer wie-
    der – vielleicht auf der Grundlage fehlender Informatio-
    nen – falsche Behauptungen aufzustellen.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Meine Damen und Herren, wir bitten, dem Bundes-
    haushalt zuzustimmen. Wir begründen das wie folgt: Mit
    diesem Haushalt schaffen wir neue Impulse für mehr
    Wachstum und mehr Beschäftigung. Sowohl die Ange-
    bots- als auch die Nachfragebedingungen werden durch
    die im Bundeshaushalt ergriffenen Maßnahmen verbes-
    sert. Die deutsche Volkswirtschaft wird davon profitieren.
    Der Etat 1999 ist konjunkturgerecht. Da der Export
    schwächer wird, soll der Haushalt dazu beitragen, die
    Binnennachfrage als Wachstumspfeiler aufzubauen. Die
    Ausgabenpolitik der Bundesregierung setzt klare Akzente
    bei Zukunftsinvestitionen, beim Aufbau Ost und bei der
    Förderung von Mittelstand und Handwerk.

    Der Bundeshaushalt 1999 leistet einen Beitrag, die
    Gerechtigkeitslücke in unserer Gesellschaft zu schlie-
    ßen. Dies ist ein Gebot sozialer Verantwortung und auch
    ein Gebot der wirtschaftspolitischen Vernunft. Weil wir
    versprochen haben, die Gerechtigkeitslücke zu schlie-
    ßen, sind wir von den Wählerinnen und Wählern beauf-
    tragt worden, die Regierung zu bilden. Dieser Haushalt
    zeigt: Wir halten unser Versprechen. Daher bitten wir
    um Zustimmung zu diesem Bundeshaushalt.


    (Anhaltender Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)