Rede:
ID1402002300

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 9
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
    3. hat: 1
    4. nunStaatsminister: 1
    5. Ludger: 1
    6. Volmer,: 1
    7. Bündnis: 1
    8. 90/Die: 1
    9. Grünen.D: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 14/20 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 20. Sitzung Bonn, Dienstag, den 23. Februar 1999 I n h a l t : Erweiterung der Tagesordnung........................ 1383 B Zusatztagesordnungspunkt 1: Abgabe einer Erklärung der Bundes- regierung zu den gewalttätigen Aktionen aus Anlaß der Verhaftung des PKK- Vorsitzenden Abdullah Öcalan ................. 1383 B Otto Schily, Bundesminister BMI.................... 1383 B Erwin Marschewski CDU/CSU ....................... 1387 A Günter Graf (Friesoythe) SPD ..................... 1388 A Ludwig Stiegler SPD ....................................... 1389 B Dr. Guido Westerwelle F.D.P. ......................... 1391 B Cem Özdemir BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.. 1393 A Petra Pau PDS.................................................. 1394 B Uta Zapf SPD................................................... 1395 B Ruprecht Polenz CDU/CSU............................. 1396 D Dr. Ludger Volmer, Staatsminister AA ........... 1398 B Tagesordnungspunkt 1: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes über die Feststellung des Bundeshaus- haltsplans für das Haushaltsjahr 1999 (Haushaltsgesetz 1999) (Drucksache 14/300) .................................. 1399 D b) Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht über den Stand und die voraus- sichtliche Entwicklung der Finanzwirt- schaft (Drucksache 14/350) ....................... 1399 D Oskar Lafontaine, Bundesminister BMF ......... 1400 A Friedrich Merz CDU/CSU............................... 1409 D Joachim Poß SPD ........................................ 1412 D Volker Kröning SPD.................................... 1414 B Ingrid Matthäus-Maier SPD ............................ 1416 B Dr. Christa Luft PDS ................................... 1420 B Dr. Günter Rexrodt F.D.P................................ 1420 C Ingrid Matthäus-Maier SPD ............ 1421 D, 1437 D Oswald Metzger BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN................................................................. 1424 B Bartholomäus Kalb CDU/CSU.................... 1425 B Hartmut Schauerte CDU/CSU..................... 1428 D Dr. Uwe-Jens Rössel PDS ............................... 1430 D Hans Georg Wagner SPD ................................ 1432 B Jürgen Koppelin F.D.P. .............................. 1433 D Bartholomäus Kalb CDU/CSU........................ 1437 A Dietrich Austermann CDU/CSU ..................... 1437 B Oswald Metzger BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN ............................................................ 1440 B Jörg Tauss SPD............................................ 1442 B Dr. Konstanze Wegner SPD ............................ 1443 A Gerda Hasselfeldt CDU/CSU .......................... 1445 A Dr. Barbara Höll PDS...................................... 1447 A Fritz Schösser SPD .......................................... 1448 A Susanne Jaffke CDU/CSU............................... 1450 C Edelgard Bulmahn, Bundesministerin BMBF . 1451 B Steffen Kampeter CDU/CSU........................... 1454 C II Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 20. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 23. Februar 1999 Dr. Peter Eckart SPD ....................................... 1457 A Jürgen W. Möllemann F.D.P. ......................... 1458 B Matthias Berninger BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN................................................................. 1460 B Jürgen W. Möllemann F.D.P. ..................... 1461 C Maritta Böttcher PDS....................................... 1463 A Jörg Tauss SPD................................................ 1464 B Dr. Gerhard Friedrich (Erlangen) CDU/CSU .. 1467 B Hans-Josef Fell BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 1469 A Thomas Rachel CDU/CSU .............................. 1470 B Jürgen Trittin, Bundesminister BMU............... 1472 A Jochen Borchert CDU/CSU ............................. 1473 B Ulrike Mehl SPD ............................................. 1475 A Jürgen Koppelin F.D.P. ................................... 1476 D Waltraud Lehn SPD..................................... 1478 B Dr. Reinhard Loske BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN................................................................. 1479 A Eva Bulling-Schröter PDS............................... 1480 C Christoph Matschie SPD.................................. 1481 B Dr. Klaus Lippold (Offenbach) CDU/CSU ..... 1482 D Michael Müller (Düsseldorf) SPD................... 1485 A Nächste Sitzung .............................................. 1486 C Berichtigung ................................................... 1486 B Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten .......... 1487 A Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 20. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 23. Februar 1999 1383 (A) (C) (B) (D) 20. Sitzung Bonn, Dienstag, den 23. Februar 1999 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Berichtigung 19. Sitzung, Seite 1327 A, 3. Absatz. Der Satzanfang ist zu lesen: „Wie das Sein das Bewußtsein verän- dert, ...“ Michael Müller (Düsseldorf) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 20. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 23. Februar 1999 1487 (A) (C) (B) (D) Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich Baumeister, Brigitte CDU/CSU 23.1.99 Brudlewsky, Monika CDU/CSU 23.1.99 Diemers, Renate CDU/CSU 23.1.99 Ehlert, Heidemarie PDS 23.1.99 Erler, Gernot SPD 23.1.99 Fischer (Frankfurt), Joseph BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 23.1.99 Frick, Gisela F.D.P. 23.1.99 Hasenfratz, Klaus SPD 23.1.99 Hempelmann, Rolf SPD 23.1.99 Dr. Luther, Michael CDU/CSU 23.1.99 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Michels, Meinolf CDU/CSU 23.1.99 Dr. Protzner, Bernd CDU/CSU 23.1.99 Rauber, Helmut CDU/CSU 23.1.99 Roth (Augsburg), Claudia BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 23.1.99 Rupprecht, Marlene SPD 23.1.99 Schindler, Norbert CDU/CSU 23.1.99 Sebastian, Wilhelm-Josef CDU/CSU 23.1.99 Verheugen, Günter SPD 23.1.99 Dr. Waigel, Theodor CDU/CSU 23.1.99 Willner, Gert CDU/CSU 23.1.99 Wissmann, Matthias CDU/CSU 23.1.99 Wohlleben, Verena SPD 23.1.99
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Ruprecht Polenz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident!
    Meine Damen und Herren! Herr Bundesinnenminister,
    Sie haben in Ihrer Regierungserklärung mit einem
    Rückblick und vielen Zitaten früherer Minister und

    Uta Zapf






    (A) (C)



    (B) (D)


    anderer Kollegen begonnen und sind dann ganz schnell
    zu den Ereignissen der letzten Tage gekommen. Sie ha-
    ben weniger darüber gesprochen, was seit dem 12. No-
    vember 1998 geschehen ist, als Öcalan in Rom aufge-
    taucht war und auf Grund eines deutschen Haftbefehls
    festgenommen wurde.

    Ich habe mir bei der ganzen Debatte überlegt: Wie
    hätten Sie wohl die frühere Bundesregierung angegrif-
    fen, wenn sie seit dem 12. November 1998 wie Bundes-
    kanzler Schröder gehandelt hätte? Ich glaube, Sie hätten
    nur Hohn und Spott für diese Bundesregierung übrig ge-
    habt.


    (Beifall des Abg. Dietrich Austermann [CDU/CSU])


    Erst verzichtet man aus Sorge um den Rechtsfrieden
    und die innere Sicherheit bei uns auf die Auslieferung
    Öcalans an Deutschland.


    (Uta Zapf [SPD]: Das war doch richtig!)

    Jetzt ist aber der Rechtsfrieden trotzdem massiv gestört,
    und die innere Sicherheit wird durch gewaltsame Aktio-
    nen von PKK-Anhängern gefährdet, auch ohne daß
    Öcalan in Deutschland vor Gericht steht. Gleichzeitig
    verbittet sich die türkische Regierung Belehrungen – et-
    wa von unserer Bundesregierung – darüber, wie ein
    rechtsstaatliches Verfahren auszusehen hätte. Sie tut dies
    mit dem schlichten Hinweis: Regierungen wie die der
    Bundesrepublik Deutschland, die es selber in der Hand
    gehabt hätten, ein rechtsstaatliches Verfahren durchzu-
    führen, sind die allerletzten, die der Türkei Belehrungen
    erteilen dürften, wie ein Verfahren gegen Öcalan durch-
    zuführen sei.

    Sie, meine Damen und Herren von der Regierung,
    haben es seit dem 12. November 1998 fertiggebracht,
    sich zwischen wirklich alle Stühle zu setzen.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Es ist verständlich, daß Sie versuchen, die Opposition

    dafür mitverantwortlich zu machen. Herr Schily, Sie ha-
    ben wiederholt auf Herrn Beckstein und Herrn Lamers
    verwiesen und damit den Eindruck erweckt, die Opposi-
    tion habe Ihre Entscheidung mitgetragen, auf einen
    Auslieferungsantrag zu verzichten. Herr Minister, das
    ist nicht einmal die halbe Wahrheit. Das entscheidende
    Datum in diesem Zusammenhang ist der 27. November
    1998, als sich Bundeskanzler Schröder mit dem italieni-
    schen Ministerpräsidenten D'Alema in Bonn getroffen
    hat. An diesem Freitag hat der Bundeskanzler dem ita-
    lienischen Ministerpräsidenten mitgeteilt: Die Bundes-
    regierung hat entschieden, auf ein Auslieferungsersu-
    chen zu verzichten.

    Zugegebenermaßen war zum damaligen Zeitpunkt die
    Entscheidung über einen Auslieferungsantrag schwierig.
    Die Entscheidung, Öcalan wegen der besonderen Si-
    cherheitsprobleme – bei uns leben 2,2 Millionen Türken,
    davon sind 500 000 Kurden – nicht in Deutschland vor
    Gericht zu stellen, war insoweit vertretbar. Nur dazu ha-
    ben sich der bayerische Innenminister und auch mein
    Kollege Lamers geäußert. Herr Bundesinnenminister,
    beide sind aber selbstverständlich davon ausgegangen,

    es werde sichergestellt, daß Öcalan vor ein Gericht
    kommt. Das ist doch der Punkt.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Der Punkt ist nicht, daß man ihn einfach laufenläßt.

    Für eine solche Strategie der Bundesregierung können
    Sie keinen Oppositionspolitiker in Anspruch nehmen.
    Auch die Justizministerin hat in der „Süddeutschen
    Zeitung“ vom 30. November 1998 festgestellt – sie hatte
    in dem Verfahren eine verfassungsrechtlich besondere
    Stellung –: „Uns in Deutschland gebietet die Rechts-
    staatlichkeit, ihn vor Gericht zu stellen. Dieses muß aber
    nicht in Deutschland geschehen.“ Die Sachlage ist also,
    auch juristisch, ganz klar.

    In der Debatte vom 3. Dezember 1998 wurde noch
    einmal über die Art und Weise debattiert, wie die Bun-
    desregierung die Opposition seinerzeit informiert hatte.
    Am Vorabend des 27. November 1998 war der Infor-
    mationsstand folgender: Die Regierung wolle die Ent-
    scheidung über den Auslieferungsantrag vorläufig offen-
    lassen und wolle sich gleichzeitig bemühen, daß
    Öcalan beispielsweise vor einen internationalen Ge-
    richtshof kommt. In dem Zusammenhang gestatten Sie
    mir den Hinweis, daß ich das für ein vertretbares Vor-
    gehen halte.

    Einen Tag bzw. zwölf Stunden später hat der Bun-
    deskanzler offensichtlich auch diese Angelegenheit wie
    die 630-Mark-Jobs zur Chefsache erklärt und gesagt, auf
    ein Auslieferungsgesuch werde endgültig verzichtet, das
    sei nun definitiv entschieden.


    (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Das ist Rechtsstaat!)


    Hier stelle ich die Frage: War es rechtlich überhaupt
    möglich, in dieser Weise aus dem Legalitätsprinzip ab-
    zuleitende Ansprüche einfach aufzugeben?


    (Uta Zapf [SPD]: Natürlich war das möglich!)

    Zweitens. Schröder hat mit D'Alema auch darüber ge-

    sprochen, daß Öcalan vor ein internationales Gericht
    gestellt werden sollte. Ich frage mich und insbesondere
    auch Sie: Wann war Ihnen klar, daß das mit dem inter-
    nationalen Gerichtshof nicht klappen würde? Warum
    haben Sie dann nicht den Auslieferungsantrag gestellt?
    Warum haben Sie dann in Kauf genommen, daß Öcalan
    auf einmal aus Italien verschwindet?

    Ein Drittes: Der Bundeskanzler und der italienische
    Ministerpräsident haben an diesem 27. November 1998
    eine europäische Initiative angekündigt, um eine politi-
    sche Lösung für die Streitigkeiten zwischen der Türkei
    und den Kurden zu finden. Wenn diesen Worten damals
    erkennbare Taten gefolgt wären, dann wären diese in der
    jetzigen Situation sicherlich außerordentlich hilfreich
    und auch ein Beitrag zur Entspannung der innenpoliti-
    schen Lage in Deutschland gewesen.

    Ich frage die Bundesregierung, Herr Staatsminister:
    Was ist aus der Ankündigung der Bundesregierung vom
    27. November 1998, eine europäische Initiative zu er-
    greifen, geworden? Hat der Bundeskanzler wenigstens
    seit der Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft eine
    Initiative ergriffen, mit der die EU die Türkei zu einer

    Ruprecht Polenz






    (B)



    (A) (C)



    (D)


    Lösung des Kurdenproblems bewegen könnte? Sind
    die Amerikaner in eine solche Initiative eingebunden
    worden? Es ist doch auch klar, daß ohne eine Konsul-
    tation mit den USA in dieser Frage auf die Türkei
    überhaupt kein Einfluß genommen werden kann. Ich
    denke, Sie werden gleich etwas dazu sagen, Herr
    Staatsminister.

    Ich habe noch eine Frage an Sie: Was haben Sie poli-
    tisch unternommen, um die Fixierung vieler Kurden in
    der Bundesrepublik Deutschland auf die PKK ein Stück
    weit dadurch aufzulockern, daß Sie mit den Vertretern
    der Kurden, der kurdischen Gemeinden usw. sprechen,
    die ihre Ziele gewaltfrei und demokratisch zu erreichen
    versuchen und keinen selbständigen Kurdenstaat anstre-
    ben? Das wären wichtige politische Initiativen gewesen.
    Ich habe nichts davon mitbekommen, daß die Bundesre-
    gierung solche Gespräche geführt hat. Wenn ich nichts
    davon mitbekomme, dann bekommen die Kurden in un-
    serem Land davon auch nichts mit. Der Effekt, durch
    solche Gespräche auch eine Aufwertung gemäßigter
    kurdischer Politiker zu erreichen, ist dann natürlich nicht
    zu erzielen.

    Es ist ja noch einmal darauf hingewiesen worden,
    Frau Zapf, daß überall Kontinuität herrsche, die Bundes-
    regierung es aber in der Türkei-Politik wirklich besser
    machen wolle. Sie haben den Mund in Sachen Türkei-
    Politik außerordentlich voll genommen. Wir werden Sie
    an Ihren Taten messen.


    (Beifall bei der CDU/CSU)




Rede von Dr. h.c. Wolfgang Thierse
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat nun
Staatsminister Ludger Volmer, Bündnis 90/Die Grünen.

D
  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Ludger Volmer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die ge-
    rade von Herrn Polenz geäußerten Vorwürfe muß ich im
    Namen der Bundesregierung zurückweisen.


    (Erwin Marschewski [CDU/CSU]: Er hat Fragen gestellt! Sagen Sie mal etwas dazu!)


    Wir haben uns ständig in Abstimmung mit unseren Part-
    nern bemüht, im internationalen Bereich eine juristische
    Lösung zu finden. Auch heute halten diese Anstrengun-
    gen noch an. Ihr Erfolg ist aber nicht einzig und allein
    von uns abhängig.

    Ich möchte aber darauf hinweisen, daß dieser Kon-
    flikt nicht nur eine innenpolitische Dimension hat, son-
    dern insbesondere auch eine außenpolitische.


    (Erwin Marschewski [CDU/CSU]: Das ist nichts Neues!)


    In den letzten Wochen hat sich ein Problem zugespitzt
    und ist eruptiv hervorgetreten, das leider jahrelang ver-
    drängt worden ist. Für diese jahrelange Verdrängung
    trägt nicht die jetzige Bundesregierung, sondern – wenn
    überhaupt – die vorherige Bundesregierung die Verant-
    wortung.


    (Erwin Marschewski [CDU/CSU]: O je!)


    Notwendig ist es, endlich anzuerkennen, daß es eine
    kurdische Frage gibt, die noch nicht gelöst ist.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Man kann dieser Frage nicht ständig dadurch auswei-
    chen wollen, daß man sie innenpolitisch eingrenzt. Je-
    der, der sagt, man müsse mit der türkischen Regierung
    in einen Dialog über dieses Problem eintreten, hat völlig
    recht. Genau diesen Weg wird die Bundesregierung ein-
    schlagen.

    Wie die Europäische Gemeinschaft und die gesamte
    internationale Gemeinschaft werden wir uns beim Dia-
    log mit der Türkei von den Menschenrechten und Min-
    derheitenrechten leiten lassen.


    (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Er beantwortet noch nicht einmal die Fragen!)


    Wir sagen aber auch, daß das Problem der Kurden nicht
    hier, sondern letztendlich nur in der Türkei selbst gelöst
    werden kann.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Wir erleben am Beispiel eines anderen Regionalkon-
    flikts, um dessen friedliche Lösung zur Stunde in Ram-
    bouillet noch gerungen wird, daß es zu Kriegen und
    Bürgerkriegen kommen kann und fast zwangsläufig
    kommen wird, wenn überzogene Ansprüche aufeinan-
    derprallen.


    (Erwin Marschewski [CDU/CSU]: Und die Chinesen sind dagegen! Zur Sache!)


    Wir sind der Meinung: Jedes Volk und jede Ethnie hat
    ein Recht auf kulturelle Eigenständigkeit und auf zu-
    mindest teilweise Selbstverwaltung in diesem Bereich.
    Dieses Recht muß aber ganz klar vom Recht auf staatli-
    che Unabhängigkeit, woraus sich der Separatismus er-
    gibt, unterschieden werden.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Diese Unterscheidung wird in Rambouillet eingeführt.
    Sie scheint uns ein Schlüssel dafür zu sein, wie man
    auch andere Regionalkonflikte lösen kann.

    Wir hoffen, daß die türkische Regierung die Chance
    ergreift, die in der Festnahme von Öcalan besteht, und
    daß sie den Unterschied zwischen staatlicher Separation
    und kultureller Eigenständigkeit sieht. Man kann auch
    völkerrechtlich argumentieren: Das Selbstbestimmungs-
    recht der Völker beinhaltet nicht automatisch das Staa-
    tenbildungsrecht. Aber umgekehrt dürfen Minderheiten-
    rechte, zum Beispiel das Recht auf kulturelle Eigenstän-
    digkeit, nicht nur deswegen zurückgewiesen und unter-
    drückt werden, weil eine berechtigte oder unberechtigte
    Furcht vor Separatismus besteht.

    Wir hoffen, daß wir mit der Türkei in einen Dialog
    eintreten können, aus dem fruchtbare Konsequenzen ab-
    geleitet werden können. Wir fühlen uns dabei durch
    einige ermutigende Äußerungen aus der Türkei selbst
    bestärkt. So hat sich beispielsweise Staatspräsident
    Demirel dafür ausgesprochen, daß es eine Amnestie für

    Ruprecht Polenz






    (A) (C)



    (B) (D)


    PKK-Kämpfer geben könnte. Ministerpräsident Ecevit
    hat sich gegen die Todesstrafe ausgesprochen. Das tür-
    kische Parlament hat einen Gesetzentwurf eingebracht,
    wonach eine gewisse Regionalisierung in der Türkei
    vorgesehen ist. Dies sind ermutigende Zeichen, an die
    wir gerne anknüpfen, um sowohl für den türkischen
    Staat als auch für die kurdische Minderheit zu einem
    tragfähigen Ergebnis zu kommen.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Wir sagen ganz eindeutig: Die Türkei hat ein sehr be-

    rechtigtes Interesse daran, daß die staatliche Integrität
    bestehenbleibt. Dabei werden wir sie unterstützen. Auf
    der anderen Seite haben die Kurden ein absolut legiti-
    mes Interesse daran, daß sich ihre kulturelle Eigenstän-
    digkeit entfalten kann. Auch diese Position unterstützen
    wir. Es wird Zeit, daß dieser berechtigte Anspruch von
    der Europäischen Gemeinschaft anerkannt wird.

    Die Bundesregierung wird demnächst eine entspre-
    chende Delegationsreise unternehmen; die EU wird eine
    Troika entsenden.


    (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Wie schön!)


    Wir werden mit der türkischen Regierung über die offe-
    nen Fragen reden. Die Voraussetzungen für einen Dia-
    log sind besser als in der Vergangenheit, denn die jetzi-
    ge Bundesregierung war es, die der Türkei in Aussicht
    gestellt hat, daß sie in absehbarer Zeit Vollmitglied der
    Europäischen Union werden könnte, wenn sie sich an
    all die Standards hält, die in Kopenhagen für alle Bei-
    trittsaspiranten der EU festgelegt worden sind. Dabei
    handelt es sich insbesondere um Standards im Bereich
    der Demokratisierung und der Menschenrechte.

    Wir sind der Meinung, daß die Europäische Union
    keine christliche Religionsgemeinschaft, sondern eine
    Wertegemeinschaft ist. Zu dieser Wertegemeinschaft
    gehören auch Personen islamischen Glaubens.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    In diese Wertegemeinschaft können daher auch Staaten
    aufgenommen werden, deren grundsätzliche Orientie-
    rung eher in Richtung Islam geht, solange sie sich an die
    allgemeinen Standards von Demokratie und Menschen-
    rechten halten.