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ID1402001300

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    Vokabeln: 8
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    8. Westerwelle.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 14/20 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 20. Sitzung Bonn, Dienstag, den 23. Februar 1999 I n h a l t : Erweiterung der Tagesordnung........................ 1383 B Zusatztagesordnungspunkt 1: Abgabe einer Erklärung der Bundes- regierung zu den gewalttätigen Aktionen aus Anlaß der Verhaftung des PKK- Vorsitzenden Abdullah Öcalan ................. 1383 B Otto Schily, Bundesminister BMI.................... 1383 B Erwin Marschewski CDU/CSU ....................... 1387 A Günter Graf (Friesoythe) SPD ..................... 1388 A Ludwig Stiegler SPD ....................................... 1389 B Dr. Guido Westerwelle F.D.P. ......................... 1391 B Cem Özdemir BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.. 1393 A Petra Pau PDS.................................................. 1394 B Uta Zapf SPD................................................... 1395 B Ruprecht Polenz CDU/CSU............................. 1396 D Dr. Ludger Volmer, Staatsminister AA ........... 1398 B Tagesordnungspunkt 1: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes über die Feststellung des Bundeshaus- haltsplans für das Haushaltsjahr 1999 (Haushaltsgesetz 1999) (Drucksache 14/300) .................................. 1399 D b) Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht über den Stand und die voraus- sichtliche Entwicklung der Finanzwirt- schaft (Drucksache 14/350) ....................... 1399 D Oskar Lafontaine, Bundesminister BMF ......... 1400 A Friedrich Merz CDU/CSU............................... 1409 D Joachim Poß SPD ........................................ 1412 D Volker Kröning SPD.................................... 1414 B Ingrid Matthäus-Maier SPD ............................ 1416 B Dr. Christa Luft PDS ................................... 1420 B Dr. Günter Rexrodt F.D.P................................ 1420 C Ingrid Matthäus-Maier SPD ............ 1421 D, 1437 D Oswald Metzger BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN................................................................. 1424 B Bartholomäus Kalb CDU/CSU.................... 1425 B Hartmut Schauerte CDU/CSU..................... 1428 D Dr. Uwe-Jens Rössel PDS ............................... 1430 D Hans Georg Wagner SPD ................................ 1432 B Jürgen Koppelin F.D.P. .............................. 1433 D Bartholomäus Kalb CDU/CSU........................ 1437 A Dietrich Austermann CDU/CSU ..................... 1437 B Oswald Metzger BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN ............................................................ 1440 B Jörg Tauss SPD............................................ 1442 B Dr. Konstanze Wegner SPD ............................ 1443 A Gerda Hasselfeldt CDU/CSU .......................... 1445 A Dr. Barbara Höll PDS...................................... 1447 A Fritz Schösser SPD .......................................... 1448 A Susanne Jaffke CDU/CSU............................... 1450 C Edelgard Bulmahn, Bundesministerin BMBF . 1451 B Steffen Kampeter CDU/CSU........................... 1454 C II Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 20. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 23. Februar 1999 Dr. Peter Eckart SPD ....................................... 1457 A Jürgen W. Möllemann F.D.P. ......................... 1458 B Matthias Berninger BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN................................................................. 1460 B Jürgen W. Möllemann F.D.P. ..................... 1461 C Maritta Böttcher PDS....................................... 1463 A Jörg Tauss SPD................................................ 1464 B Dr. Gerhard Friedrich (Erlangen) CDU/CSU .. 1467 B Hans-Josef Fell BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 1469 A Thomas Rachel CDU/CSU .............................. 1470 B Jürgen Trittin, Bundesminister BMU............... 1472 A Jochen Borchert CDU/CSU ............................. 1473 B Ulrike Mehl SPD ............................................. 1475 A Jürgen Koppelin F.D.P. ................................... 1476 D Waltraud Lehn SPD..................................... 1478 B Dr. Reinhard Loske BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN................................................................. 1479 A Eva Bulling-Schröter PDS............................... 1480 C Christoph Matschie SPD.................................. 1481 B Dr. Klaus Lippold (Offenbach) CDU/CSU ..... 1482 D Michael Müller (Düsseldorf) SPD................... 1485 A Nächste Sitzung .............................................. 1486 C Berichtigung ................................................... 1486 B Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten .......... 1487 A Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 20. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 23. Februar 1999 1383 (A) (C) (B) (D) 20. Sitzung Bonn, Dienstag, den 23. Februar 1999 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Berichtigung 19. Sitzung, Seite 1327 A, 3. Absatz. Der Satzanfang ist zu lesen: „Wie das Sein das Bewußtsein verän- dert, ...“ Michael Müller (Düsseldorf) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 20. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 23. Februar 1999 1487 (A) (C) (B) (D) Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich Baumeister, Brigitte CDU/CSU 23.1.99 Brudlewsky, Monika CDU/CSU 23.1.99 Diemers, Renate CDU/CSU 23.1.99 Ehlert, Heidemarie PDS 23.1.99 Erler, Gernot SPD 23.1.99 Fischer (Frankfurt), Joseph BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 23.1.99 Frick, Gisela F.D.P. 23.1.99 Hasenfratz, Klaus SPD 23.1.99 Hempelmann, Rolf SPD 23.1.99 Dr. Luther, Michael CDU/CSU 23.1.99 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Michels, Meinolf CDU/CSU 23.1.99 Dr. Protzner, Bernd CDU/CSU 23.1.99 Rauber, Helmut CDU/CSU 23.1.99 Roth (Augsburg), Claudia BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 23.1.99 Rupprecht, Marlene SPD 23.1.99 Schindler, Norbert CDU/CSU 23.1.99 Sebastian, Wilhelm-Josef CDU/CSU 23.1.99 Verheugen, Günter SPD 23.1.99 Dr. Waigel, Theodor CDU/CSU 23.1.99 Willner, Gert CDU/CSU 23.1.99 Wissmann, Matthias CDU/CSU 23.1.99 Wohlleben, Verena SPD 23.1.99
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Ludwig Stiegler


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Da-
    men und Herren! Der Kollege Marschewski hat in be-
    währter, alter, übler Manier wieder versucht, ein innen-
    politisches Problem zu einem Kampfinstrument zu
    schmieden, statt zur Lösung der Probleme beizutragen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Herr Marschewski, was wir im Zusammenhang mit
    der PKK geerbt haben, ist die Schlußbilanz Ihrer angeb-
    lich großartigen Politik. Was haben Sie alles gemacht!
    Und was ist daraus geworden? Was haben Sie verboten,
    was haben Sie verfolgt, was haben Sie an Gesetzesver-
    schärfungen gemacht! Wie schaut die Realität des Ta-
    ges aus? Sie haben einen Augiasstall hinterlassen und
    führen sich jetzt wie der Herkules auf. Dabei sind Sie
    nur ein kleiner Stallknecht.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Es wird versucht, mit üblen Verdrehungen Stimmung
    zu machen. So stellt sich der Herr Marschewski hierher

    und verbreitet den Eindruck, als könne ein PKK-
    Kämpfer durch das neue Einbürgerungsrecht Deutscher
    werden. Entweder, Herr Marschewski, Sie können die
    Gesetzentwürfe nicht lesen, oder Sie haben hier vor dem
    deutschen Volke die Unwahrheit gesagt. Sie sollten sich
    für diese Art von politischer Auseinandersetzung ent-
    schuldigen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Meine Damen und Herren, gerade angesichts der Erfah-
    rung, die wir alle miteinander gemacht haben, kann man
    nur davor warnen, solche Probleme für den innenpoliti-
    schen Kampf zu instrumentalisieren. Das hilft weder zur
    Lösung des Problems noch den Menschen, noch dient es
    dem inneren Frieden.


    (Beifall der Abg. Uta Zapf [SPD])

    Gerade weil Sie so kurzfristig mit Ihrer eigenen Ver-

    gangenheit konfrontiert werden, müssen Sie hier zur
    Sachlichkeit zurückkehren. Gehen Sie zu Herrn
    Schmidbauer, fragen Sie ihn nach den Verabredungen,
    die er getroffen hat, und fragen Sie ihn auch nach den
    Ergebnissen. Dann wissen Sie, daß Sie den Mund nicht
    so voll nehmen können.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Ich danke dem Bundesinnenminister für seinen sach-
    lichen und ausgewogenen Bericht. Ich danke ihm für
    das, was er zusammen mit seinen Kolleginnen und Kol-
    legen in den vergangenen Wochen und Tagen getan hat.

    An den Anfang aber stelle ich den Dank an die jun-
    gen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten, die für uns
    alle vor Ort die Hauptlast der Auseinandersetzung zu
    tragen haben.


    (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


    Für sie hätte ich mir gewünscht, daß unsere Dienste frü-
    her, schneller und korrekter gemeldet hätten, damit zum
    Beispiel in Berlin nicht eine kleine Schar von Polizisten
    zu einer solchen Übermacht geschickt worden wäre und
    dafür leiden mußte. Das ist doch die Situation. Diese
    Dienste aber haben wir von Ihnen übernommen.

    Schauen wir uns doch einmal an, was uns der ehema-
    lige Bundeskanzler übergeben hat! – Sie brauchen gar
    nicht den Kopf zu schütteln.


    (Dr. Helmut Kohl [CDU/CSU]: Doch!)

    Diese Dienste sind unter Ihrer Verantwortung entstan-
    den. Sich jetzt hier hinzustellen und nach wenigen Wo-
    chen schon der neuen Regierung zu sagen: „Die sind
    schuld, daß wir nicht rechtzeitig informiert worden
    sind!“, ist eine Frechheit, meine Damen und Herren.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Lachen bei der CDU/CSU – Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Aber die Wecker waren in Ordnung!)


    – Sie als einer der Brandstifter, die Sie sich immer als
    Biedermänner gebärden, müssen das gerade sagen.

    Erwin Marschewski






    (B)



    (A) (C)



    (D)


    Wir danken der kurdischen Bevölkerung, die sich
    nicht hat anstiften lassen, die sich nicht hat mitreißen
    lassen. Diese müssen wir davor schützen, daß sie von
    Ihnen in den falschen Verdacht gestellt wird. Das ist
    eine Notwendigkeit. Wer nämlich diese Menschen alle
    in einen Topf wirft, der wird die Terroristen nicht von
    den anständigen Bürgern mit politischen Anliegen tren-
    nen, sondern wird die Solidarisierung vorantreiben. Das
    ist Gift für die künftige Auseinandersetzung, das Sie hier
    einträufeln.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Wir danken vor allem dem israelischen Botschafter,
    der das Gespräch gesucht hat, der gezeigt hat, wie man
    mit dieser Situation umgeht. Solche Gesten der Versöh-
    nung und der Zusammenarbeit brauchen wir auch in Zu-
    kunft.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Ich danke allen, die sich an vielen Stellen an der De-
    eskalation beteiligt haben und dadurch unter schwere
    Kritik von Ihnen geraten sind.

    In Deutschland haben wir weiß Gott genügend Erfah-
    rungen mit dem Terrorismus gemacht. Wir wissen, daß
    nur Ruhe und Besonnenheit die Dinge wieder in Ord-
    nung bringen, daß nicht Aufgeregtheit und innenpoliti-
    sche Instrumentalisierung dazu dienen, mit den Proble-
    men fertig zu werden.

    Ich möchte an die Zeit der RAF erinnern und daran,
    wie sehr wir alle miteinander gekämpft haben, die Sym-
    pathisantenszene auszutrocknen und den harten Kern
    von den Unterstützern zu trennen, auch daran, wie es am
    Ende gelungen ist, das Problem zu lösen. Das ist der
    richtige Weg. Alle Ihre Sprüche in der Vergangenheit
    haben zur Lösung des Problems bisher nicht beigetra-
    gen.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Meine Damen und Herren, mit den Problemen umzu-
    gehen heißt auch, mit den Ursachen der Probleme um-
    zugehen. Wir können uns in Deutschland nicht hinstel-
    len und sagen: O Gott, was geht uns an, was in der Welt
    passiert! In einer offenen Gesellschaft – wir sind wirt-
    schaftlich in den Ländern vertreten – müssen wir auch
    die Frage stellen, woher das kommt. Es kommt nicht
    immer vom Schicksal – wie es der alte Kanzler sagte,
    um der Frage, wo es herkommt, auszuweichen. Ähnlich
    hat Max Frisch geschrieben: Sie nennen es Schicksal,
    damit niemand fragt, wo es herkommt. – Wir müssen
    vielmehr fragen: Woher kommt das? Welche Ursachen
    gibt es in der Türkei?

    Seit ich 1967 in Bonn zu studieren begonnen habe,
    kenne ich das Kurdenproblem. Europa hat aus wirt-
    schaftlichen, aus militärstrategischen Gründen heraus
    zugesehen, wie hier eine Bevölkerung unterdrückt und
    bekämpft worden ist. Man hat in Europa zugesehen, nur
    weil man seine eigenen Interessen durchsetzen wollte.
    Die Folgen haben wir hier miteinander auszubaden. Man

    muß sich selber an die Nase fassen und das Problem be-
    trachten.


    (Erwin Marschewski [CDU/CSU]: Das ist wahr!)


    – Wer hat denn die Waffen geliefert, mit denen sie dort
    beschossen worden sind? Das waren doch Sie!


    (Beifall bei der SPD)

    Es kommt darauf an, daß die europäische Gesell-

    schaft – wir haben es mit einem europäischen Problem
    zu tun – sich fragt: Was haben wir dort unten unterlas-
    sen, versäumt oder aktiv getan, damit dieser dauerhafte
    Unfriede entstehen konnte, der auch uns jetzt in unseren
    Palästen erreicht? So ist die Lage. Mit dieser Einstellung
    müssen wir an die Probleme herangehen.

    Deshalb kommt es jetzt zunächst einmal darauf an,
    daß wir von der Türkei verlangen, daß sie einen fairen
    Prozeß unter internationaler Beteiligung durchführt.
    Wenn die Türkei zum Westen gehören will, dann muß
    sie mit den Grundsätzen des Rechtsstaats, die hier ent-
    wickelt worden sind, an das Problem herangehen und
    darf das nicht nur einäugig und mit dem Gefühl der
    Rache und der Absicht, andere weiter unterdrücken zu
    wollen, tun.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Das heißt: Es muß internationale Beobachter geben.
    Das heißt auch, daß sich die europäische Politik – es
    zeigt sich, daß ein Problem in der Türkei auch ein Pro-
    blem der europäischen Innenpolitik ist – mit dem Pro-
    blem auseinandersetzen muß. Jeder weiß, daß, nachdem
    die Dinge so lange schiefgelaufen sind, nicht über Nacht
    eine Lösung kommen wird. Aber wenn Millionen Men-
    schen keine Hoffnung schöpfen können, wird immer ein
    Teil von ihnen in die Radikalität abgleiten; das hat uns
    die Geschichte immer wieder gezeigt. Wir haben es mit
    in der Hand, Hoffnung zu geben, damit diejenigen, die
    einen friedlichen Weg gehen wollen, in ihrem Vertrauen
    darauf, daß die Probleme gelöst werden, gestärkt wer-
    den.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Wir müssen mit der Türkei reden; wir müssen auch

    die parlamentarischen Möglichkeiten nutzen. Aber wir
    müssen auch die vielfach entstandene Sprachlosigkeit
    gegenüber der kurdischen Bevölkerung und der türki-
    schen Bevölkerung im Inland überwinden. Ihre unsäg-
    liche Unterschriftenaktion war ja geradezu der Beweis
    dafür, daß Sie nicht reden wollen, sondern daß Sie dif-
    famieren und andere Menschen ausgrenzen wollen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)


    Meine Damen und Herren, schwierige Probleme ste-
    hen vor uns. Aber der Rechtsstaat bewährt sich in der
    Krise. Man kann nicht wie der Kollege Marschewski
    hier starke Worte von sich geben und dann, wenn man
    auf die Konsequenzen verwiesen wird, sagen: Wir, Mit-
    glieder der späteren CDU, haben gegen die Nazis

    Ludwig Stiegler






    (A) (C)



    (B) (D)


    gekämpft. – Dazu kann ich nur sagen: Lesen Sie die ent-
    sprechende Stelle im Protokoll nach!


    (Zuruf von der F.D.P.: Wo denn?)

    Darüber könnte man viele Worte verlieren. Ich will nur
    sagen: Sie erwecken den Eindruck, als wollten Sie Men-
    schen in Folter und Unterdrückung schicken. Wenn Sie
    das nicht wollen, dann wählen Sie gefälligst andere
    Worte,


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)


    und hören Sie auf, den Eindruck zu erwecken, Sie
    könnten die Leute quasi über Nacht vogelfrei und
    rechtlos machen.

    Nein, meine Damen und Herren, nur ein besonnener,
    fester, konsequenter Rechtsstaat, der auch seine Grenzen
    beachtet, wird sich auf die Dauer durchsetzen und wird
    dafür sorgen können, daß Frieden und Gerechtigkeit zu-
    sammen bestehen können.

    Vielen Dank.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)




Rede von Dr. h.c. Wolfgang Thierse
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort für die
F.D.P.-Fraktion hat Kollege Guido Westerwelle.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Guido Westerwelle


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (F.D.P.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident!
    Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die gewalttäti-
    gen Ausschreitungen von PKK-Aktivisten in den ver-
    gangenen Wochen haben – das ist mehr als verständlich –
    zu Recht Emotionen in unserem Lande ausgelöst, nicht
    nur bei den betroffenen Menschen, sondern auch bei der
    Öffentlichkeit und bei denen, die durch ihr Amt oder
    durch ihren Beruf damit zu tun hatten. Deswegen ist es
    mir ein Bedürfnis, für die F.D.P.-Bundestagsfraktion zu-
    allererst zwei Feststellungen zu machen.

    Erstens. Wir als Freie Demokraten danken den Si-
    cherheitskräften, danken den Beamten. Ich möchte an
    Sie alle appellieren, daß diese Beamten jetzt nicht zu
    Prügelknaben für politische Auseinandersetzungen wer-
    den. Die halten für uns den Kopf hin; das sollten wir
    hier noch einmal erwähnen.


    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Die zweite Feststellung, die ich treffen möchte, ist
    mir nicht weniger wichtig. Es handelt sich bei diesen
    Gewalttätern nach Schätzungen um etwa 2 000 Persön-
    lichkeiten.


    (Erwin Marschewski [CDU/CSU]: Persönlichkeiten?)


    – Das ist genau der Punkt, um den es geht:

    (Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Es sind Subjekte gemeint!)

    Ich befürchte, daß wir diese Debatte nicht nutzen, um
    unser Land voranzubringen. Die Menschen wollen vom

    Deutschen Bundestag und den Regierungen Antworten
    darauf, wie derartige Gewalttätigkeiten vermieden wer-
    den, und keine irgendwie gearteten parteipolitischen
    Dusseligkeiten hier im Parlament.


    (Beifall bei der F.D.P. und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der CDU/CSU)


    – Wir haben die Debatte ja auch beantragt.
    Es handelt sich bei diesen 2 000 Betroffenen um Ge-

    walttäter einer Minderheit. Wir appellieren an alle, daß
    nicht die große Mehrheit der in Deutschland friedlich
    lebenden Ausländerinnen und Ausländer quasi in ge-
    samtschuldnerische Haftung für kriminelle Terroristen
    gezogen werden. Wer so handelt, nutzt unserer Gesell-
    schaft nicht.


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Die PKK hat in Deutschland gut 10 000 Aktivisten. Die-
    se können, so sagen Sicherheitsexperten, derzeit etwa
    50 000 Anhänger mobilisieren. Um die geht es, und auf
    die will ich mich beziehen.

    Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist aus
    unserer Sicht begrüßenswert – deswegen will ich das
    ausdrücklich anerkennend erwähnen –, daß der Bun-
    desinnenminister am Verbot der PKK festhält und
    diesbezüglich die Politik der letzten Bundesregierung
    fortsetzen will. Wir begrüßen dies ausdrücklich, und wir
    appellieren an alle Kräfte in diesem Hause, sich dem an-
    zuschließen.


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Das gilt insbesondere für die kleinere Regierungsfrak-
    tion. Wenn Ihre verteidigungspolitische Sprecherin, Frau
    Beer, noch im Dezember 1998 erklärt hat, daß das Ver-
    bot der kurdischen Arbeiterpartei PKK in Deutschland
    aufgehoben werden müsse – mit der wörtlichen Begrün-
    dung: „Die Kriminalisierung von Kurden muß beendet
    werden.“ –, dann ist das aus unserer Sicht eine unerträg-
    liche Verfälschung der Tatsachen. Nicht die Kurden
    werden kriminalisiert, indem die PKK verboten wird,
    sondern die PKK kriminalisiert sich selbst, indem sie
    terroristischen Gewalttaten Vorschub leistet und sie ihre
    Anhänger dazu anstiftet, bürgerkriegsähnliche Zustände
    auf deutsche Straßen zu bringen.


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Wir sind ein wehrhafter Rechtsstaat. Das muß auch
    so bleiben. Zu einem wehrhaften Rechtsstaat gehört, daß
    diejenigen, die meinen, sie könnten hier in Deutschland
    derartige Gewalttaten verüben, mit einem Strafverfah-
    ren verfolgt werden. Das setzt voraus, daß man zunächst
    einmal ihrer Personalien habhaft wird. Wenn man fest-
    stellt, daß es Besetzungen von Konsulaten, Geiselnah-
    men, Sachbeschädigungen, Körperverletzungen gibt,
    dann ist es ein Armutszeugnis für den Rechtsstaat, wenn
    anschließend grüne Europaabgeordnete daherkommen,
    zwischen diesen kurdischen Gewalttätern und deutschen

    Ludwig Stiegler






    (B)



    (A) (C)



    (D)


    Sicherheitskräften vermitteln und ein Kuhhandel zustan-
    de kommt dahin gehend, daß diese ohne Feststellung der
    Personalien die Räumlichkeiten verlassen können. Wir
    müssen solche Täter konsequent verfolgen.


    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Das hat nichts mit Deeskalation zu tun. Mit dem

    neumodischen Wort „Deeskalation“ wird in Deutschland
    offensichtlich eine Art von Kapitulation erklärt. De-
    eskalation heißt natürlich auch, mäßigend auf Beteiligte
    einzuwirken. Es heißt aber nicht wegsehen. Wenn je-
    mand Geiseln nimmt, sei es die PKK, sei es ein
    Bankräuber, dann muß er wissen: Er kommt nicht mit
    einem Kuhhandel durch politische Vermittlung davon.


    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Dieter Wiefelspütz [SPD]: Wer macht einen solchen Kuhhandel?)


    Deswegen sagen wir als Freie Demokraten: Wir
    wollen, daß derartige Täter belangt werden. Dies heißt:
    Die Personalien müssen festgestellt und die Täter müs-
    sen vor Gericht gestellt werden.

    Es ist in der derzeitigen Debatte eine Diskussion dar-
    über entbrannt, ob es notwendig ist, die Gesetze an die-
    ser Stelle zu verschärfen. Ich will mich auf diese Dis-
    kussion heute nicht einlassen, weil der Bundesinnenmi-
    nister und die Landesinnenminister erst einmal selbst
    vortragen müssen, wo sie konkret entsprechende Verän-
    derungen der Gesetzeslage für notwendig halten.

    Für mich stellt sich das Problem derzeit anders dar.
    Wir erleben zur Zeit weniger ein Gesetzesdefizit als
    vielmehr ein Vollzugsdefizit; das ist das eigentliche
    Problem. Jede dieser Taten ist strafbar. Wenn man die
    Täter nicht verfolgt, kann man sie auch nicht vor Gericht
    stellen. Wir als Rechtsstaatspartei sagen: Die Täter müs-
    sen dingfest gemacht, in beschleunigten Verfahren vor
    Gericht gestellt und anschließend ausgewiesen werden.
    Wenn in Gesprächen mit der Türkei eine den Menschen-
    rechten entsprechende Verhandlung sichergestellt wird,
    werden die Täter selbstverständlich auch abgeschoben.
    Wer hier kriminell wird, kann nicht darauf hoffen, einer
    Ausweisung und Abschiebung zu entgehen.


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Erwin Marschewski [CDU/CSU]: Sehr neu!)


    Die Täter sollten in einem beschleunigten Verfahren
    vor Gericht gestellt werden. Die Abschiebung sollte zü-
    gig erfolgen. Die Strafe muß der Tat auf dem Fuße fol-
    gen. Wenn Sie sagen, Herr Kollege, das sei neu


    (Erwin Marschewski [CDU/CSU]: Das ist neu bei Ihnen!)


    – das sei neu bei der F.D.P. –, dann will ich Sie darauf
    aufmerksam machen, daß der liberale Justizminister in
    Baden-Württemberg, Herr Goll, von den Möglichkeiten
    der Strafprozeßordnung konsequenten Gebrauch ge-
    macht hat. Dort gibt es das beschleunigte Verfahren.


    (Beifall bei der F.D.P. – Erwin Marschewski [CDU/CSU]: Er hat von seinem Vorgänger gelernt!)


    Wir appellieren an die Staatsanwaltschaften der anderen
    Länder, die Möglichkeiten des beschleunigten Verfah-
    rens zu nutzen; denn es macht keinen Sinn, daß man die
    Täter erst einmal wieder freiläßt, daß sie untertauchen,
    daß sie erst Jahre oder Monate später vor Gericht gestellt
    werden, wenn niemand mehr den Zusammenhang re-
    konstruieren kann. Wir brauchen deshalb beschleunigte
    Verfahren, Hauptverhandlungshaft. Die Strafe muß der
    Tat auf dem Fuße folgen.


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Wir als F.D.P. appellieren daher an die Bundesregie-
    rung, an Bundesaußenminister Joschka Fischer und an
    Sie, Herr Bundesinnenminister, Ihre Möglichkeiten im
    Rahmen der EU-Präsidentschaft jetzt auch zu nutzen.
    Treten Sie in Gespräche mit der türkischen Regierung
    ein! Sorgen Sie dafür, daß beide Regierungen für kur-
    dische Straftäter nach ihrer Abschiebung ein rechts-
    staatliches Verfahren in der Türkei sicherstellen! Nie-
    mand wird in Folter oder Tod abgeschoben.


    (Rudolf Bindig [SPD]: Illusion!)

    Das können Sie durch entsprechende Vereinbarungen
    sicherstellen.

    Reisen Sie gemeinsam mit Herrn Fischer nach Anka-
    ra! Verhandeln Sie, wie das vor Ihnen Bundesinnenmi-
    nister Kanther und Bundesaußenminister Kinkel getan
    haben! Stellen Sie durch eine völkerrechtsverbindliche
    Vereinbarung zwischen beiden Ländern sicher, daß in
    der Türkei ein rechtsstaatliches Verfahren möglich wird!
    Dann kann bei Einhaltung sämtlicher Menschenrechte
    abgeschoben werden. Wir appellieren an Sie, Ihre Mög-
    lichkeiten im Rahmen der EU-Präsidentschaft jetzt auch
    zu nutzen.


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Es zeigt sich aber, daß Sie in diesem Zusammenhang
    noch einige Dinge klarzustellen haben. Es macht keinen
    Sinn, wenn in Deutschland der Eindruck entsteht, als
    würden diese Taten nicht wirklich verfolgt.

    Herr Bundesinnenminister, Sie sind auch für den Ver-
    fassungsschutz zuständig. Es ist traurig genug, daß Sie
    erst nach der PKK erfahren haben, daß Herr Öcalan ver-
    haftet wurde. Das können Sie nicht damit abtun, daß Sie
    sagen, Sie hätten die Dienste übernommen. Die Wecker
    haben jedenfalls zu unserer Regierungszeit funktioniert.

    Ich möchte Ihnen aber noch etwas anderes sagen.
    Daß in der letzten Woche in Bonn eine Pressekonferenz
    stattfinden konnte, zu der auch die PKK – eine verbote-
    ne Organisation – einlädt, ist ein Skandal. Das kann
    nicht hingenommen werden.


    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Ich frage Sie, Herr Bundesinnenminister, ich frage die
    Bundesregierung: Was tun Sie dafür, daß so etwas nicht
    möglich ist, was tun Sie dafür, daß die PKK auch ent-
    sprechend verfolgt wird und ihrer verbotenen Tätigkeit
    in Deutschland nicht nachgehen kann? Darauf kommt es
    an. Es reicht nicht aus, ein paar Zitate vom früheren

    Dr. Guido Westerwelle






    (A) (C)



    (B) (D)


    Bundesinnenminister und vom früheren Bundesaußen-
    minister vorzutragen. Sie müssen konkret sagen, was Sie
    tun, damit die PKK ihr unseliges Wirken in Deutschland
    nicht fortsetzen kann.


    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Das ist eine Pflicht, die Sie gegenüber dem Hause ha-

    ben. Sie tragen Verantwortung. Also müssen Sie sich
    vor diesem Hause auch verantworten. Ihre Regierungs-
    erklärung war diesbezüglich außerordentlich unbefriedi-
    gend und unzureichend. Den Ansprüchen, wie sie ein
    selbstbewußtes Parlament erheben sollte, ist diese Re-
    gierungserklärung jedenfalls nicht gerecht geworden.


    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)