Christine Ostrowski
960 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 14. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1998
(A) (C)
(B) (D)
Anlagen zum Stenographischen Bericht
Anlage 1
Liste der entschuldigten Abgeordneten
Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich
Balt, Monika PDS 10.12.98
Bläss, Petra PDS 10.12.98
Bosbach, Wolfgang CDU/CSU 10.12.98
Frhr. von Hammerstein,
Carl-Detlev
CDU/CSU 10.12.98
Hartnagel, Anke SPD 10.12.98
Kampeter, Steffen CDU/CSU 10.12.98
Kasparick, Ulrich SPD 10.12.98
Koschyk, Hartmut CDU/CSU 10.12.98
Kossendey, Thomas CDU/CSU 10.12.98
Kraus, Rudolf CDU/CSU 10.12.98
Dr. Lamers (Heidelberg),
Karl A.
CDU/CSU 10.12.98
Dr. Pfaff, Martin SPD 10.12.98
Pieper, Cornelia F.D.P. 10.12.98
Polenz, Ruprecht CDU/CSU 10.12.98
Reiche, Kathrina CDU/CSU 10.12.98
Dr. Richter, Edelbert SPD 10.12.98
Schemken, Heinz CDU/CSU 10.12.98
Schmidt (Fürth),
Christian
CDU/CSU 10.12.98
von Schmude, Michael CDU/CSU 10.12.98
Dr. Schwarz-Schilling,
Christian
CDU/CSU 10.12.98
Dr. Uhl, Hans-Peter CDU/CSU 10.12.98
Uldall, Gunnar CDU/CSU 10.12.98
Dr. Waigel, Theodor CDU/CSU 10.12.98
Wissmann, Matthias CDU/CSU 10.12.98
Zierer, Benno CDU/CSU 10.12.98
Anlage 2
Erklärung
des Abgeordneten Friedhelm Ost (CDU/CSU)
zur namentlichen Abstimmung über den Ent-
schließungsantrag der Fraktion der F.D.P. auf
der Drucksache 14/140 (Vgl. 12. Sitzung, Seite
721 A):
Ich habe an der namentlichen Abstimmung teilge-
nommen und mit Ja gestimmt.
Anlage 3
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Paul K. Friedhoff, Hans-
Joachim Otto (Frankfurt), Jörg van Essen,
Walter Hirche, Dirk Niebel, Hans-Michael Gold-
mann, Marita Sehn, Ulrike Flach, Dr. Dieter
Thomae, Dr. Max Stadler, Sabine Leutheusser-
Schnarrenberger, Klaus Haupt, Ernst Burg-
bacher, Klaus Kinkel, Gisela Frick (alle F.D.P.)
zur namentlichen Abstimmung über den An-
trag der Fraktion der CDU/CSU: Festigung
und Fortentwicklung der Europäischen Union
während der deutschen Ratspräsidentschaft im
1. Halbjahr 1999 (Drucksache 14/159) (Tages-
ordnungspunkt 4d), sowie
über den Antrag der Fraktionen SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Vorschau auf den
Europäischen Rat in Wien am 11./12. Dezember
1998 und Ausblick auf die deutsche Präsident-
schaft in der ersten Jahreshälfte 1999 (Druck-
sache 14/181) (Tagesordnungspunkt 4c)
Auch im Namen meiner Kollegen möchte ich erklä-
ren, daß wir dem Antrag der Fraktion der CDU/CSU zur
Regierungserklärung zustimmen, den entsprechenden
Antrag der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN jedoch ablehnen.
Wir sind der Ansicht, daß die Aufhebung der grenz-
überschreitenden Buchpreisbindung durch die EU-Kom-
mission zwar große Probleme für die deutschen Verlage
und Buchhandlungen bedeuten würde. Aber die Aufhe-
bung der Teilwertabschreibung durch die neue Bundes-
regierung bedeutet aus unserer Sicht eine zusätzliche
und weitaus größere Belastung. Das Verbot hat exi-
stenzbedrohende Konsequenzen für eine Vielzahl mittel-
ständischer Verlage und Buchhandlungen und in noch
schwerwiegenderer Weise für den Kunsthandel, insbe-
sondere die Galerien. Mit dieser Maßnahme zerstört die
Bundesregierung mit ihrer Steuerpolitik Tausende von
Arbeitsplätzen. Das führt zu einer massiven Verarmung
der Vielfalt auf dem deutschen Literatur- und Kultur-
markt.
Den Antrag der SPD, der die Benachteiligung des
Mittelstandes durch die Abschaffung der Teilwertab-
schreibung nicht berücksichtigt, halten wir für schein-
heilig. Wir erwarten, daß die Bundesregierung ihre Plä-
ne zur Teilwertabschreibung zurücknimmt.
Anlage 4
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Annette Faße (SPD)
zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung
des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und
Reaktorsicherheit zu der Unterrichtung durch
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 14. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1998 961
(A) (C)
(B) (D)
die Bundesregierung; Vorschlag für eine Richt-
linie des Rates zur Schaffung eines Ordnungs-
rahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft
im Bereich der Wasserpolitik (Tagesordnungs-
punkt 13d)
Ich stimme der Beschlußempfehlung des 16. Aus-
schusses zu, da ich die positiven Ansätze der Richtlinie
des Rates aus grundsätzlichen Erwägungen ausdrücklich
begrüße.
Folgende Anmerkungen zu den Beratungen des
Richtlinienentwurfs halte ich jedoch für angebracht:
1. Der Ausschuß für Verkehr, Bau- und Wohnungs-
wesen des Deutschen Bundestages (15. Ausschuß) ist in
die Beratungen des Richtlinienentwurfs in keiner Weise
miteinbezogen worden, obwohl der Entwurf im Falle
seiner Umsetzung weitreichende Konsequenzen für den
Verkehrsträger Wasserstraße hätte. Durch die Nichtbe-
teiligung des Ausschusses für Verkehr, Bau- und Woh-
nungswesen bestand keine Möglichkeit, diese verkehr-
lichen Interessen in angemessener Form in die Beratun-
gen einzubringen.
2. Bei den weiteren Beratungen des Richtlinienvor-
schlages im Rat der Europäischen Union und in der
Stellungnahme des Europäischen Parlaments sollte zwi-
schen den im Richtlinienentwurf formulierten Umwelt-
zielen und konkurrierenden Zielen wie zum Beispiel der
Nutzung der Gewässer als Verkehrsweg genau abgewo-
gen werden. Es sollte berücksichtigt werden, daß reinen
Umweltzielen andere Belange entgegenstehen können,
die zumindest gleichrangig, gegebenenfalls höherrangig
zu bewerten sind. Vergleichbare Rechtsnormen enthal-
ten dieses grundsätzliche Gebot der Abwägung zwi-
schen konkurrierenden Zielen. Die von der EU-Kom-
mission und den EU-Mitgliedstaaten sowohl aus um-
weltpolitischen wie aus wirtschaftlichen Gründen gefor-
derte und geförderte Verkehrsverlagerung auf Wasser-
straßen darf deshalb nicht durch eine fehlende Be-
rücksichtigung der Gewässerfunktion als Verkehrsweg
gefährdet werden.
Anlage 5
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Karl-Josef Laumann, Rainer
Eppelmann, Ingrid Fischbach, Dr. Rita Süss-
muth, Eva-Maria Kors, Cajus Caesar, Renate
Diemers, Dr.-Ing. Rainer Jork, Gerald Weiß
(Groß-Gerau), Heinz Wiese (Ehingen), Franz
Rommer, Peter Weiß (Emmendingen), Dr.
Maria Böhmer, Walter Link (Diepholz), Heinz
Schemken, Ulf Fink (alle CDU/CSU)
zur namentlichen Abstimmung über den von
den Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN eingebrachten Entwurf eines Geset-
zes zu Korrekturen in der Sozialversicherung
und zur Sicherung der Arbeitnehmerrechte
(Tagesordnungspunkt 5a)
Dieses Gesetz lehnen wir, die Unterzeichnenden, ab,
weil durch die Außerkraftsetzung der Rentenreform, be-
sonders des darin enthaltenen demographischen Faktors,
dem Generationenvertrag als der Grundlage unserer
Rentenversicherung schwerer Schaden zugefügt wird.
Zudem enthält dieses Gesetz unsachgemäße Rege-
lungen für den Bereich „Entsendegesetz“ und „Schein-
selbständigkeit“.
Dagegen halten wir die Herabsetzung des Schwel-
lenwertes beim Kündigungsschutz von 10 auf 5 Be-
schäftigte sowie die Regelung bei der Lohnfortzahlung
für vertretbar.
Anlage 6
Erklärungen nach § 31 GO
zur Abstimmung über den von den Fraktionen
SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einge-
brachten Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung
der Solidarität in der gesetzlichen Krankenver-
sicherung – GKV-Solidaritätsstärkungsgesetz
(Tagesordnungspunkt 6)
Hans-Ulrich Klose (SPD): Bei der Abstimmung
über den genannten Gesetzentwurf werde ich mich der
Stimme enthalten. Ich kann nicht gegen den Entwurf
stimmen, weil er in Teilen wichtige Korrekturen ver-
gangener Fehlentscheidungen bringt. Ich kann aber auch
nicht für den Entwurf stimmen, weil ich die Regelungen
zur Budgetierung zwar aus der Sicht der Kassen verste-
hen, aus der Sicht der Patienten und der Leistungser-
bringer aber auf keinen Fall gutheißen kann.
Zum einen erscheint mir die Grundidee der Budgetie-
rung nicht nur fragwürdig, sondern sogar ethisch be-
denklich, weil sie den einzelnen Arzt in eine kaum auf-
lösbare Konfliktlage hineinführen kann: Vor allem im
dritten Monat eines Quartals werden Ärzte bei (aus ihrer
ärztlichen Überzeugung) notwendigen Verordnungen
zögern, weil eine Überschreitung des Arzneimittelbud-
gets droht, mit der Konsequenz, daß die Ärzte dann für
ihre Leistung nicht nur kein Honorar erhalten, sondern
über den Arzneimittelregreß sogar auch noch die einge-
setzten Medikamente selbst bezahlen müssen. Da die
Ärzte (ein Teil von ihnen) dazu nicht bereit sein werden,
ist nicht auszuschließen, daß entweder die angemesse-
ne/richtige Behandlung unterbleibt oder viele Patienten
unnötig in Krankenhäuser eingewiesen werden, was
dann die Kosten nicht reduzieren, sondern nach oben
treiben müßte. In solche Konfliktlagen, die kein Abge-
ordneter für sich akzeptieren würde, darf der Gesetzge-
ber auch andere Berufsgruppen nicht hineinstellen. Der
nachteilig Betroffene ist in dieser Konfliktlage in erster
Linie der Patient, und das darf nicht sein.
In dem Gesetz soll im übrigen dem § 75 folgender
Absatz 10 angefügt werden: „Zur Sicherung der wirt-
schaftlichen Verordnungsweise können die Kassenärzt-
lichen Bundesvereinigungen und die Kassenärztlichen
962 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 14. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1998
(A) (C)
(B) (D)
Vereinigungen auf der Grundlage der Richtlinien der
Bundesausschüsse die Vertragsärzte über verordnungs-
fähige Leistungen und deren Preise oder Entgelte infor-
mieren sowie nach dem allgemein anerkannten Stand
der medizinischen Erkenntnisse Hinweise zu Indikation
und therapeutischem Nutzen geben.“
Auch dem kann ich nicht zustimmen, weil es in der
Medizin bekanntlich unterschiedliche Therapie-Richtun-
gen und infolgedessen in vielen Teilen einen „allgemein
anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse“
nicht gibt. Weil das so ist, können die Kassenärztlichen
Vereinigungen die genannten „Hinweise“ gar nicht ge-
ben. Sie können es auch aus ganz praktischen Gründen
um so weniger, als die Funktionsträger der Vereinigun-
gen in der Regel nicht mehr voll in der Praxis stehen,
also auch nicht (mehr) über die notwendige Qualifi-
kation verfügen, um solche „Hinweise“ begründen zu
können. Überdies weiß jeder Praktiker, daß bei
Entscheidungen der Kassenärztlichen Vereinigungen
nicht immer nur objektive/sachliche Argumente aus-
schlaggebend sind – auch dort werden „Interessen“ ver-
treten.
Im übrigen ist mein Eindruck der, daß der gesamte
Gesetzentwurf in erster Linie auf die Kostenlage der
Kassen reagiert, nicht aber auf die Frage, wie eine – aus
der Sicht der Patienten – bestmögliche und kostengün-
stige medizinische Versorgung gewährleistet werden
kann. Letzteres müßte aber bei jeder Reform im Vorder-
grund aller Überlegungen stehen.
Monika Heubaum (SPD): Bei der Abstimmung über
den genannten Gesetzentwurf werde ich mich der Stim-
me enthalten. Das GKV enthält wichtige Elemente zur
notwendigen Korrektur einer verfehlten Weichenstel-
lung in der Gesundheitspolitik. Ich kann dem GVK-
SolG jedoch nicht zustimmen, weil ich insbesondere die
Regelungen zur Budgetierung zwar aus der Sicht der
Kassen verstehen, aus der Sicht der Patienten und der
Leistungserbringer (insbesondere der Ärzte) aber nicht
gutheißen kann.
Es ist zweifellos medizinisch machbar und im Sinne
einer wirtschaftlichen Vorgehensweise wünschenswert,
daß Behandlungen verstärkt aus dem stationären in den
ambulanten Bereich verlegt werden. Hierfür schafft das
GKV-SolG jedoch keine geeigneten Voraussetzungen.
So ist es grundsätzlich nicht hinnehmbar, wie ärztliche
Leistungen und Verordnungen künftig budgetiert wer-
den sollen. Denn die vorgesehene Budgetierung, so ist
zu befürchten, wird dazu führen, daß die niedergelasse-
nen Ärzte gegen Quartalsende gezwungen sein werden,
vermehrt stationäre Einweisungen vorzunehmen, um
Budget-Überschreitungen zu vermeiden. Andernfalls
werden diese Mediziner notwendige Medikamente, die
von ihnen verordnet wurden, aus der eigenen Tasche be-
zahlen müssen. Dies würde zu Konfliktsituationen füh-
ren, die eine verstärkte Einweisung von ambulant be-
handelbaren Patienten in die Krankenhäuser zur Folge
hätten. Dabei stünde dies im krassen Gegensatz zu den
Interessen der Partienten sowie zur angestrebten Wirt-
schaftlichkeit und würde somit die gewollte Zielrichtung
konterkarieren.
Anlage 7
Zu Protokoll gegebene Reden
zu der Beschlußempfehlung des Rechtsaus-
schusses zu der Verordnung der Bundesregie-
rung zur Verlängerung der Frist in § 27
des Investitionsvorranggesetzes (Tagesordnungs-
punkt 10)
Hans-Joachim Hacker (SPD): Der im Einigungs-
vertrag festgeschriebene Grundsatz „Rückgabe vor Ent-
schädigung“ hat zu weitreichenden Blockaden bei beab-
sichtigten Verfügungen über Grundstücke in den neuen
Ländern geführt. Richtig ist sicher, daß die rechtsstaatli-
che und rechtsbeständige Klärung der sogenannten offe-
nen Vermögensfragen aus der DDR-Zeit in einem be-
achtlichen Umfang auch eine Vermögensrückgabe er-
forderte. Ich denke hierbei insbesondere an Ansprüche
von Verfolgungsopfern, wie zum Beispiel von Zwangs-
ausgesiedelten.
Nicht vergessen sollten wir auch, daß der erste Schritt
in der Restitutionsfrage bekanntlich von Ministerpräsi-
dent Modrow mit der Rückgabe der 1972 verstaatlichten
Betriebe getan worden war. Wenn man so will, ist Herr
Modrow, der Ehrenvorsitzende der PDS, der Erfinder
der Restitution am Ende der DDR; die Koalition von
CDU/CSU und F.D.P. hat diesen Ansatz perfektioniert.
Wenn das Kabinett Modrow die juristischen Folgen der
Einzelfallentscheidung möglicherweise nicht übersehen
hat, war es dagegen der erklärte Wille der konservativen
Koalition im Jahre 1990, aus ideologischen Gründen
diese Lösung trotz erkennbarer Risiken zu wählen.
Aber schon bald nach der deutschen Einheit wurde
allen Beteiligten klar, welche Blockade von dieser Poli-
tik ausging und daß Nutzer von Gebäuden, vor allem
Handwerker und Gewerbetreibende in den neuen Län-
dern, flächendeckend verunsichert wurden; denn das ge-
nutzte Betriebsgrundstück war restitutionsbelastet und
damit die Betriebsperspektive unklar – eine fatale Be-
gleiterscheinung der Kohlschen Politik der „blühenden
Landschaften“. Diese Investitionsbremse, für deren Zu-
standekommen der kleine, aber einflußreiche Partner der
damaligen Koalition, die F.D.P., die Hauptverantwor-
tung trägt, mußte wenigstens teilweise gelockert werden.
Das geschah im Zuge der Gesetzgebung, zuletzt durch
das Investitionsvorranggesetz. Bei der Verabschiedung
des Gesetzes ist der Gesetzgeber davon ausgegangen,
daß die Notwendigkeit besonderer Investitionsvorrang-
regelungen nur bis zum 31. 12. 1995 bestehen würde.
Jedoch wurde im Laufe des Jahres 1995 deutlich, daß
diese Annahme unrealistisch war, da mehr als eine Mil-
lion Anträge auf Rückgabe von über 2 Millionen Grund-
stücken bestanden und die offensichtlichen Wirkungen,
nämlich Blockade und Stagnation, durch Investitions-
vorrangverfahren gemildert werden mußten.
Jetzt sind die Ämter zur Regelung offener Vermö-
gensfragen und die Landesämter zur Regelung offener
Vermögensfragen vor allem mit Anträgen befaßt, die
sich durch besondere Kompliziertheit und damit Lang-
wierigkeit auszeichnen. Wir alle wissen, daß die Kom-
munen in den neuen Ländern bei den städtebaulichen
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 14. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1998 963
(A) (C)
(B) (D)
Entwicklungsplanungen durch restitutionsbedingte Be-
sonderheiten belastet sind. Besonderheiten des Restituti-
onsverfahrens wie Mehrfachanmeldungen, große Erben-
gemeinschaften und formale, zum Teil unbegründete
Anspruchsanmeldungen blockieren dringend notwendi-
ge Entscheidungen zur Entwicklung der Innenstädte.
Das Instrumentarium des Baugesetzbuches kann hier
keine Abhilfe schaffen. Weiterhin gibt es eine Vielzahl
restitutionsbelasteter Wohnhäuser im Bestand der städti-
schen Wohnungsunternehmen, deren Zustand marode ist
und die dringend saniert und modernisiert werden müssen.
Jeder Politiker, der vor Ort mit den daraus resultie-
renden Problemen, vor allem für die Mieter, aber auch
für die Verwalter in diesen Häusern konfrontiert wird,
weiß, daß hier weiterhin dringender Handlungsbedarf
besteht, um den Verfall dieses Mietwohnungsbestandes
aufzuhalten und endlich die Ursachen für Ärger und Re-
signation in diesen Häusern zu beseitigen. Die Möglich-
keit der Veräußerung von sanierungsbedürftigen restitu-
tionsbehafteten Wohnungsbeständen durch die Woh-
nungsunternehmen ist eine entscheidende Vorausset-
zung für die Lösung dieses Gordischen Knotens. Auch
daher muß die Frist für die Anwendung des Investiti-
onsvorrangverfahrens verlängert werden.
Wer sich ernsthaft mit den Rechtsproblemen ausein-
andersetzt, die das Investitionsvorrangverfahren betref-
fen, kommt nicht umhin zuzugestehen, daß es auch Ar-
gumente gibt, die für ein Auslaufen der Frist in § 27 In-
vestitionsvorranggesetz sprechen. Ich sehe hier insbe-
sondere das starke Argument des Eigentumschutzes, das
sich aus Art. 14 GG ableiten läßt. Aber auch die Vorga-
ben aus Art. 14 GG zwingen uns nicht, das Rechtsinsti-
tut des Investitionsvorrangverfahrens auslaufen zu las-
sen; denn wie in diesen Fällen sind zahlreiche andere
Personengruppen in der DDR von Vermögenseingriffen
betroffen gewesen.
Auch die F.D.P. wird zur Kenntnis nehmen müssen,
daß es sich bei der Investitionsvorrangregelung nicht um
einen nicht hinnehmbaren Eingriff in die Rechte der
Alteigentümer handelt, sondern daß die Verlängerung
der Frist des Investitionsvorrangverfahrens aus prakti-
schen und juristischen Gründen im Interesse des wirt-
schaftlichen Aufbaus in den neuen Ländern dringend er-
forderlich ist. Außerdem – und das muß hier nochmals
sehr deutlich gesagt werden – können sich ja auch An-
melder als Investoren an diesem Investitionsvorrangver-
fahren beteiligen.
Viele Antragsteller erhalten die Vermögenswerte
nicht zurück, oft sind diese gar nicht mehr vorhanden
oder zu öffentlichen Zwecken genutzt worden. Der Ge-
setzgeber mußte daher für die zahlreichen Fälle, bei de-
nen die gesetzlich begründeten Rückgabeansprüche ob-
jektiv nicht erfüllt werden können, eine Entschädigungs-
regelung finden, was mit Erlaß des Entschädigungs-
gesetzes 1994 geschehen ist. Wir alle wissen, daß die
Entschädigungsbeträge gering sind und der heutige
Verkehrswert in der Regel weitaus höher ist. Das BVG
hat in den bekannten Entscheidungen zur Regelung von
Eigentumsfragen in den neuen Ländern dem gesamt-
deutschen Gesetzgeber einen weiten Handlungsspiel-
raum eingeräumt. Wenn ich die vermögensrechtliche
Situation des Anmelders, der von einem Investititions-
vorrangverfahren betroffen ist, bewerte, muß ich fest-
stellen, daß an ihn eine Erlösauskehr (mindestens in Hö-
he des Verkehrswertes) erfolgt. Eine Beeinträchtigung
seiner grundgesetzlich garantierten Rechte (Art. 14 GG)
vermag ich daher auch bei Verlängerung der Frist für
das Investitionsvorrangverfahren nicht zu erkennen, ins-
besondere wenn ich diese Erlösauskehr mit anderen An-
sprüchen bei ähnlich gelagerten Fällen des Entschädi-
gungsgesetzes vergleiche.
Wir, die SPD, waren immer dafür eingetreten, die
Schere zwischen den Immobilienwerten bei Natural-
restitution und gesetzlicher Entschädigung bei Unmög-
lichkeit der Vermögensrückgabe zu verringern. Und
wenn man schon den Regierungen der neuen Länder, der
Bundesregierung und der neuen Koalition im Deutschen
Bundestag nicht glaubt, dann – und das sage ich vor al-
lem an die Adresse der Kolleginnen und Kollegen der
F.D.P. – sollte man die Argumente unabhängiger Sach-
verständiger zur Kenntnis nehmen und akzeptieren. Die
Notarkammer Mecklenburg-Vorpommern, deren Mit-
glieder ganz praktisch mit den Wirkungen des Investiti-
onsvorranggesetzes konfrontiert werden, plädieren
nachdrücklich für eine Fristverlängerung. Ich zitiere aus
einem Schreiben des Stellvertretenden Präsidenten vom
21. Oktober 1998:
Der Investitionsvorrangbescheid ersetzt nach § 11
InVorG die Genehmigungen nach der Grund-
stücksverkehrsordnung und der Kommunalverfas-
sung sowie das Negativattest nach § 28 BauGB.
Damit trägt der Investitionsvorrangbescheid in er-
heblichem Maße zu einer Beschleunigung des
Grundstücksverkehrs bei.
Aus diesem Grunde wird angeregt, die am 31. 12.
1998 ablaufende Antragsfrist des § 27 InVorG zu
verlängern, um auf diese Weise sicherzustellen, daß
die in den neuen Bundesländern nach wie vor er-
forderlichen Investitionen im Grundstücksbereich
beschleunigt und erleichtert werden.
Die vorgelegte Verordnung der Bundesregierung ist
dringend erforderlich. Der Rechtsausschuß des Bundes-
tages sieht keine rechtsförmlichen und verfassungs-
rechtlichen Bedenken. Im Gegenteil: Bei Abwägung al-
ler Argumente sprechen die rechtlichen und die sachli-
chen Aspekte für die Verlängerung des Investitionsvor-
rangverfahrens bis zum 31. 12. 2000. Die Verordnung
ist notwendig und wichtig für den Aufbau in den neuen
Ländern. Die Initiative der Bundesregierung ist ein
weiterer Beleg dafür, daß diese Aufgabe Chefsache der
Bundesregierung unter Gerhard Schröder ist.
Ich bitte Sie daher, der Verordnung zuzustimmen.
Andrea Voßhoff (CDU/CSU): Wie meine Vorredner
schon ausgeführt haben, geht es um ein formalrechtlich
überschaubares, in seinen Auswirkungen aber nicht ge-
ring einzuschätzendes Thema, nämlich um die Verord-
nung der Bundesregierung zur Verlängerung der Frist in
§ 27 des Investitionsvorranggesetzes. Mit einer Verlän-
gerung der dort genannten Antragsfrist wird es bis zum
31. Dezember 2000 weiterhin möglich sein, im be-
964 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 14. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1998
(A) (C)
(B) (D)
schleunigten Verfahren Investitionen bei Bedarf auf
anmeldebelasteten Vermögenswerten zu ermöglichen,
die ansonsten wegen der nach wie vor langen Bearbei-
tungszeiten der Vermögensämter nicht kurzfristig zu
realisieren wären.
Schon einmal wurde aus diesem Grunde mit Verord-
nung vom 8. Dezember 1995 die Frist nach dem Inve-
stitionsvorranggesetz bis zum Ablauf des 31. Dezember
1998 verlängert. Nunmehr handelt es sich hier um die
zweite und durch Verordnung letztmalig mögliche Ver-
längerung der Antragsfrist nach § 27 Investitionsvor-
ranggesetz, gegen die sich rechtstechnische und rechts-
förmliche Bedenken – auch aus Sicht der CDU/CSU-
Fraktion – nicht erheben.
Es stellt sich aber bei einer erneuten Verlängerung
natürlich die Frage der Notwendigkeit und des Bedarfs,
und es gilt, den Bedenken derjenigen Rechnung zu tra-
gen, die hier eine Einschränkung der Eigentümerrechte
geltend machen. Von dort wird im wesentlichen argu-
mentiert, daß die Befugnisse des Eigentümers durch die
erneute Verlängerung der Antragsfrist weiter einge-
schränkt werden und der Bedarf auch in Anbetracht der
Erledigungszahlen der Ämter zur Regelung offener
Vermögensfragen nicht mehr bestehe.
Wir wissen nur zu gut, daß im Einigungsrecht immer
auch der Interessenausgleich zwischen den Rückgabebe-
rechtigten und – wie in diesem Fall –, den für den Auf-
bau Ost dringend benötigten Investoren gefunden wer-
den mußte. Ich will deshalb auch gar nicht bestreiten,
daß die Rechte der Restitutionsberechtigten durch An-
meldung investiver Vorhaben Dritter nach dem Investi-
tionsvorranggesetz tangiert und auch eingeschränkt wer-
den, auch wenn das InVorG durch entsprechende Rege-
lung den Restitutionsberechtigten materiell so stellt, als
wenn restituiert worden wäre. Wir haben diesen Aspekt
nie vernachlässigt oder gar untergewichtet.
Allerdings gibt es, bedingt durch die Deutsche Ein-
heit und das Bestreben, die Lebensverhältnisse der Bür-
ger in den neuen Bundesländern denen in den alten Län-
dern möglichst schnell anzugleichen, andere Grundent-
scheidungen, die wir ebenfalls in unsere Überlegungen
einzubeziehen haben. Dazu gehört auch die generelle
Entscheidung, für einen begrenzten Zeitraum investiven
Vorhaben auf restitutionsbelasteten Vermögen zur Si-
cherung und Schaffung von Arbeitsplätzen, zur Sanie-
rung von Wohnraum und zur Durchführung notwendiger
Infrastrukturvorhaben Vorrang vor den Belangen der
durch diese Maßnahmen betroffenen Eigentümern zu
geben. Dies wurde – einhergehend mit einer deutlichen
Straffung des Verfahrens – mit den Vorschriften des In-
vestitionsvorranggesetzes für einen befristeten Zeitraum
erreicht.
Nun konnten die Vermögensämter im Juni 1998 mit
einer Erledigungsquote von zirka 86 Prozent bei Grund-
stücken und bei Unternehmen zirka 81 Prozent aufwar-
ten. Besteht bei einer solchen Erledigungsquote dann
noch der Bedarf nach einer Fortsetzung dieser Rege-
lung? Ich denke – ja –, denn in absoluten Zahlen heißt
dies nichts anderes, als daß noch – unterstellt die Zahlen
der Bundesregierung stimmen – zirka 300 000 anmelde-
belastete Vermögenswerte bestehen, die derzeit noch
nicht entschieden sind und auf denen nicht beschleunigt
investiert werden könnte, gäbe es das Investitionsvor-
rangsverfahren nicht.
Auch in einer Pressemitteilung des Bundesamtes zur
Regelung offener Vermögensfragen vom 19. Mai 1998
wird deutlich, daß bei reduziertem Personalbestand und
der Vielzahl von Widerspruchs- und Klageverfahren
immer weniger Zeit für die eigentliche Antragserledi-
gung bleibt, so daß sich die Bearbeitung der restlichen
Verfahren länger als bislang erwartet hinziehen wird.
Zudem gibt es noch eine Vielzahl von städtebaulich re-
levanten Grundstücken in den Kommunen, die restituti-
onsbelastet sind.
Es ist zwar richtig, daß auch die §§ 86 ff. des Bauge-
setzbuches ([Enteignung] sowie die §§ 136 ff. des Bau-
gesetzbuches [Ausweisung von Sanierungsgebieten])
Möglichkeiten eröffnen, städtebauliche Planungen zu
verwirklichen. Dabei sind die verfahrenstechnischen
Hürden jedoch hoch. Im Gegensatz dazu ermöglicht das
Investitionsvorranggesetz hier eine flexiblere und
schnellere Behandlung investiver Vorhaben und stellt
dabei den berechtigten Alteigentümer materiell so, als
sei restituiert worden.
Auch darf nicht vergessen werden, daß der Eigentü-
mer selbst auch vom Investitionsvorrangsverfahren ja
profitieren kann, wenn er investieren will. Gerade Pri-
vatinvestitionen sollen doch durch das Investitionsvor-
ranggesetz gefördert und erleichtert werden.
Im Interesse des weiteren Aufbaus Ost bleibt deshalb
– auch nach gründlicher Abwägung festzuhalten, daß die
letztmalige Verlängerung der Frist in § 27 Investitions-
vorranggesetz trotz der dagegen geäußerten Bedenken
als notwendig angesehen werden muß, und auch wir von
der CDU/CSU-Fraktion der Verordnung daher zustimmen.
Zur Vermeidung von Mißverständnissen muß aber
eines an dieser Stelle klargestellt werden:
Die zeitliche Rahmenvorgabe, nämlich die Möglich-
keit, die Antragsfrist überhaupt bis zum Ablauf des
31. Dezember 2000 auf dem Verordnungsweg zu ver-
längern, wurde durch die CDU/CSU-geführte Bundes-
regierung bereits Ende 1993 im Registerverfahrensbe-
schleunigungsgesetz (Verordnungsermächtigung des
Artikel 18 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1, Satz 3 bis 7 des Register-
verfahrensbeschleunigungsgesetzes in der Fassung des
Artikel 7 Abs. 4 des Wohnraummodernisierungssiche-
rungsgesetzes) verankert, um so flexibel auf die zukünf-
tige Situation in den neuen Bundesländern eingehen zu
können. Diese Verlängerung nunmehr, wie es Herr
Staatsminister Schwanitz anläßlich der Regierungserklä-
rung getan hat, großspurig als Punkt 5 eines Aufbaupro-
gramms der neuen Bundesregierung mit dem Namen
„Zukunft Ost“ zu verkünden, ist reines Blendwerk. Es
ist schlicht und einfach so, daß die rotgrüne Bundesre-
gierung mit dieser Verordnung die von der CDU/CSU-
geführten Regierung geschaffenen gesetzlichen Mög-
lichkeiten nutzt, da ihr der Wähler – für eine absehbare
Zeit – die Regierungsverantwortung übertragen hat. Man
kann auch sagen, Herr Staatsminister Schwanitz, Sie
trittbrettfahren auf der Investitionslokomotive Ost, die
die CDU/CSU-geführte Bundesregierung angeschoben
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 14. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1998 965
(A) (C)
(B) (D)
hat. Für eine vollmundige Ankündigung eines neuen
Konzeptes „Zukunft Ost“ ein dürftiger Start.
Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN): Das Vermögensgesetz gibt Alteigentümern
das Recht, Grundstücke, Gebäude und Unternehmen zu
beanspruchen. Das Prinzip „Rückgabe vor Entschädi-
gung“, das im Einigungsvertrag verankert ist, hat zu
vielen Problemen und Ungerechtigkeiten gegenüber den
Nutzern geführt, die die Häuser und Grundstücke redlich
erworben und häufig über mehrere Generationen be-
wohnt hatten. Dies haben wir immer wieder kritisiert
und uns zum Programm gemacht, die Nachfolgerege-
lungen zum Einigungsvertrag, die dieses Prinzip ver-
stärken, soweit rechtlich noch möglich, zu korrigieren.
Die Regelungen des Vermögensgesetzes haben aber
auch dazu geführt, daß für die Gesellschaft besonders
wichtige Investitionen nicht getätigt, Grundstücke nicht
genutzt werden können. Die Rekonstruktion der alten
Eigentumsverhältnisse ist häufig schwierig, Rechte der
Nutzer stehen einer freien Verfügung nicht selten entge-
gen. Noch heute, acht Jahre nach der Einheit, sind die
Verhältnisse nicht geklärt.
Das Investitionsvorranggesetz schränkt die Rück-
übertragungsrechte nach dem Vermögensgesetz ein,
wenn ein besonderer Investitionszweck gegeben ist. Sol-
che Zwecke sind vor allem die Schaffung und die Siche-
rung von Arbeitsplätzen oder auch die Schaffung neuen
Wohnraumes. Auf Antrag kann ein Investitionsvorrang-
bescheid ergehen. Solche Anträge können aber nur bis
Ende dieses Jahres gestellt werden. Diese Frist reicht
nicht aus. Es ist nicht hinnehmbar, daß ab Anfang des
kommenden Jahres dringenden Investitionsbedürfnissen
nicht mehr nachgegeben werden kann. Damit würde der
besonders in den Ostbundesländern so besonders drin-
genden und wichtigen wirtschaftlichen Entwicklung der
Boden und die Basis genommen. Das darf nicht sein.
Lang dauernde Rückübertragungsverfahren dürfen not-
wendige Investitionsvorhaben nicht behindern. Die In-
teressen der Bevölkerung gehen den Eigentumsinteres-
sen vor. Wenigstens in diesen gesellschaftlichen Berei-
chen muß der Grundsatz „Rückgabe vor Entschädigung“
zurückgedrängt werden.
Weil die Rückübertragungsverfahren in den Ostbun-
desländern noch lange nicht abgeschlossen sind und
voraussichtlich noch Jahre dauern, ist es dringend not-
wendig, die Frist des § 27 Investitionsvorranggesetzes
um wenigstens zwei Jahre, also wie vorgesehen bis zum
31. Dezember 2000, zu verlängern. Damit werden nicht
direkt Arbeitsplätze, aber wichtige Voraussetzungen für
neue oder die Sicherung von Arbeitsplätzen geschaffen.
Die ablehnende Haltung der F.D.P. ist nur damit zu
erklären, daß sie bedingungslos und auch unter Inkauf-
nahme des Verlustes von Arbeitsplätzen die Rücküber-
tragungsansprüche der Alteigentümer sichern will. Für
Bündnisgrüne ist dies nicht nachvollziehbar. Zu Recht
hat die F.D.P. bei der Wahl in Ostdeutschland die Quit-
tung für diese Auffassung erhalten. Bündnisgrüne sehen
sich dagegen den Interessen der Bevölkerung besonders
verpflichtet und werden für diese Fristverlängerung
stimmen.
Gerhard Jüttemann (PDS): Im Namen der Fraktion
der PDS begrüße ich die vorliegende Fristverlängerung
in § 27 Investitionsvorranggesetz. Allerdings möchte ich
eines deutlich anmerken: Die immer wieder notwendige
Fristverlängerung zeigt einmal mehr, daß das Prinzip
„Rückgabe vor Entschädigung“ einer der gravierendsten
Fehler des Einigungsvertrages war. Die PDS hat darauf
von Anfang an verwiesen. Alle späteren Regelungen des
Gesetzgebers wie zum Beispiel im Vermögensgesetz
und im Wohnraummodernisierungssicherungsgesetz
hatten vor allem die Aufgabe die Nachteile des fatalen
Grundsatzes „Rückgabe vor Entschädigung“ wenigstens
teilweise auszubügeln.
Zwei Millionen Anträge auf Rückübertragung von
Grundstücken, Häusern und Unternehmen lagen den
Vermögensämtern vor. Daß mit diesem gewaltigen
Eigentumstransfer nicht nur Investitionen ausgelöst,
sondern auch viele Ostdeutsche von Grundstück und
Haus vertrieben wurden, kann ich nicht unerwähnt las-
sen.
Trotzdem: Die PDS stimmt für die Fristverlängerung.
Wir begrüßen, daß die neue Bundesregierung sich nicht
den Standpunkt der abgewählten Regierung zu eigen
gemacht hat, die noch im Sommer gegen eine Verlänge-
rung war. Und ich möchte auch klar sagen, warum. Es
wäre nämlich sonst ein weiteres Mal passiert, daß sich
das Justizministerium voll und ganz den Standpunkt des
Zentralverbandes der Deutschen Haus-, Wohnungs- und
Grundeigentümer zu eigen macht. Im Klartext darf man
wohl auch sagen: einer milliardenschweren Immobilien-
branche. Wenn ich an den Satz denke „Eigentum ver-
pflichtet“, kann ich nur feststellen: Diese Branche ist
schon in der Vergangenheit nur selten ihrer gesell-
schaftlichen Verantwortung gerecht geworden. Daran
hat sich nichts geändert. Man betrachte nur die jüngsten
Aussagen des Verbandes in der Sache. Denn wer wie
dieser Verband angesichts der Zahl von noch rund
300 000 anmeldebelasteten Vermögenswerten die Not-
wendigkeit der Fristverlängerung bestreitet, kann nur
herzlich wenig für die sowieso schon großen Sorgen
der Kommunen in den neuen Bundesländern übrig
haben.
Wir stimmen deshalb für die Fristverlängerung, weil
es im Interesse der Kommunen, der kommunalen Woh-
nungsgesellschaften und damit letztlich der Mieter ist,
die noch immer auf die Sanierung ihrer Wohnung war-
ten. Wenigstens diese Komponente der Planungssicher-
heit für Städte und Gemeinden, die mit dieser Verord-
nung ermöglicht wird, muß erhalten bleiben.
Was man in diesem Zusammenhang auch unbedingt
erwähnen muß, ist der beschäftigungspolitische Aspekt
der Angelegenheit. Wer wirklich und ernsthaft an Inve-
stitionen und damit auch der Sicherung von Arbeitsplät-
zen im Baugewerbe interessiert ist, kann sich eigentlich
nicht gegen das Weitergelten dieses Gesetzes ausspre-
chen. Und wer es dennoch tut, sollte wenigstens den
Menschen so ehrlich gegenübertreten und offen sagen,
daß ihm die Wünsche der nicht gerade notleidenden
Immobilienbranche näherliegen als das Wohl und Wehe
der Kommunen sowie Hunderttausender Menschen, die
davon so oder so betroffen sind.
966 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 14. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1998
(A) (C)
(B) (D)
Wenn also schon eine Güterabwägung vorgenommen
wird, muß sie nach Ansicht der PDS im Sinne des Ge-
meinwohls ausfallen. Dazu haben wir in der Vergangen-
heit gestanden, und deshalb wird meine Partei dieser
Verordnung auch ihre Zustimmung geben.
Jürgen Türk (F.D.P.): Nach dem jetzigen Stand des
Gesetzes läuft das Investitionsvorranggesetz am 31. De-
zember 1998 aus. Die Bundesregierung möchte jedoch
das Investitionsvorranggesetz bis zum 31. Dezember
2000, also um zwei Jahre, verlängern. Bei diesem Vor-
haben zeigt sich, daß die frühere Mehrheit aus F.D.P.
und CDU/CSU in diesem Hause nicht nur handwerklich
gute, sondern auch kluge Gesetze gemacht hat, wovon
die neue Regierungsmehrheit nur lernen kann. Klug war,
im Gesetz eine Fristverlängerung bis zum 31. Dezember
2000 durch Verordnung „vorsorglich“ einzubauen. Die-
se eingebaute Fristverlängerung für das Investitionsvor-
ranggesetz möchte die neue Bundesregierung nun nut-
zen.
Zu fragen ist, ob eine Verlängerung des Investitions-
vorranggesetzes auch inhaltlich gerechtfertigt ist, denn
die Bundesregierung sagt in ihrer Begründung selbst,
daß – ich zitiere: „... das im Investitionsvorranggesetz
zunächst verfolgte Ziel, einen Investitionen erst ermög-
lichenden Grundstücksmarkt zu schaffen, im wesentli-
chen erreicht ist.“
Festzuhalten ist, daß das eine Anerkennung für ein
von der F.D.P. initiiertes Gesetz und dessen Wirkung ist.
Das freut uns dann auch.
Dennoch darf man sich den noch offenstehenden
Problemen nicht verschließen, nämlich ob das Gesetz
noch notwendig ist. Die Verlängerung ist notwendig.
Etwa 300 000 Fälle der Vermögenszuordnung stehen
noch zur Entscheidung an und darunter befinden sich ei-
ne Vielzahl von komplizierten und langwierigen Fällen,
die noch bearbeitet werden müssen.
Weiterhin stellt die Restitution bei Grundstücken für
die städtebauliche Planung sowie bauliche Umsetzung
gerade im Innenstadtbereich eine nicht zu vernachlässi-
gende Behinderung dar.
Ein durchaus stichhaltiges Argument ist auch, daß
immer noch durch Unklarheiten in der Vermögenszu-
ordnung ganze Straßenzüge ohne Fristverlängerung ver-
rotten würden. Denn die Wohnungsunternehmen sind
durch die Vielzahl dieser Wohnungsbestände mit der
Sanierung überfordert, und sie sind darum auf die Ver-
äußerung an Investoren trotz Verfügungssperre des
Vermögensgesetzes angewiesen. Es muß aber auch im
gesellschaftlichen Interesse liegen, daß ein Stadt- und
Straßenbild mit heruntergekommenen Häusern und
Straßenzügen in Ostdeutschland endgültig der Vergan-
genheit angehört.
Nach Abwägen der vorgetragenen Argumente für und
wider einer Fristverlängerung des Investitionsvorrang-
gesetzes, komme ich für meine Fraktion zum Schluß,
daß eine Fristverlängerung durchaus einen Sinn hat. Die
F.D.P.-Fraktion wird deshalb der Fristverlängerung zu-
stimmen.
Anlage 8
Zu Protokoll gegebene Reden
zum
a – Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung der
wohngeldrechtlichen Regelungen – Wohngeld-
anpassungsgesetz –
b – Antrag der Abgeordneten Christine
Ostrowski, Dr. Ilja Seifert, Dr. Winfried Wolf,
Dr. Gregor Gysi und der Fraktion der PDS:
Fortführung des Wohnraum-Modernisierungs-
programms der Kreditanstalt für Wiederauf-
bau bis zum Jahr 2000
c – Antrag der Abgeordneten Christine
Ostrowski, Dr. Ilja Seifert, Dr. Winfried Wolf
und der Fraktion der PDS: Verbesserte Förde-
rung der Wohnungsmodernisierung im Altbau-
bestand und bei Wohnhochhäusern nach dem
Investitionszulagengesetz 1999 (Tagesordnungs-
punkt 12)
Dr. Christine Lucyga (SPD): Die Zeit der Wunsch-
zettel ist da, denn Weihnachten steht vor der Tür. Und
so haben wir denn auch – als letzten Tagesordnungs-
punkt – einige „Wünsch-Dir-was-Anträge“ zu behandeln
(mit und ohne Bart), die sich die PDS offenbar als
Weihnachtsgeschenke vorgestellt hat.
Besonders deutlich wird dies beim Antrag der PDS
auf Novellierung des Investitionszulagengesetzes. Die
Frage ist nur, wer dieses Weihnachtsgeschenk bekom-
men soll, wer es braucht, wem es nützt und wer es denn
bezahlen soll, ganz abgesehen davon, daß es ein sehr
kostspieliges Geschenk der Kategorie Luxusgut wäre,
wenn es denn noch auf den Gabentisch käme.
Um nicht von vornherein mißverstanden zu werden:
Wir sehen den Bedarf, Förderprioritäten auszubauen,
Programme weiterzuführen oder besser zu koordinieren,
werden deshalb auch den weiterhin hohen Modernisie-
rungsbedarf, die Situation der Mieter oder die schwieri-
ge Lage der mittelständischen Bauwirtschaft im Osten
Deutschlands beachten und zum Beispiel bei einer Ver-
längerung des KfW-Modernisierungsprogramms die
notwendigen Schwerpunkte setzen. Doch es muß im
Hinblick auf den Antrag zum Investitionszulagengesetz
auch deutlich gesagt werden: Die Umstellung der För-
dersystematik in den neuen Ländern mit dem Auslaufen
des Fördergebietsgesetzes auf das Investitionszulagen-
gesetz war eine sinnvolle Entscheidung, an der die SPD
maßgeblich mitgewirkt hat. Und wir werden es weiter-
führen. Mit diesem Gesetz gibt es eine klare Prioritäten-
setzung für Modernisierungen gegenüber dem Mietwoh-
nungsneubau. Die Größenordnungen sind dergestalt, daß
Modernisierungen einen mehrfachen Betrag dessen
ausmachen, was für die Förderung des Neubaus ange-
setzt wurde, und es wurden differenzierte Höchstförder-
beträge gewählt, um nicht Luxusmodernisierungen zu
fördern und um andererseits der Tatsache Rechnung zu
tragen, daß Bauen im innerstädtischen Bereich und vor
allem eine Vollmodernisierung im Altbau aufwendig
und kostenintensiv ist.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 14. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1998 967
(A) (C)
(B) (D)
Aufwendige und kostspielige Modernisierungen ste-
hen in den neuen Ländern sowohl für historische Bau-
substanz im innerstädtischen Bereich auf der Tagesord-
nung als auch in den Plattenbausiedlungen. Daher hat
diese Regierungskoalition sich darauf verständigt, wie
im Wahlprogramm ausgesagt, die Bestandserneuerung
gegenüber dem Neubau zu stärken.
Wir werden vor allem das Zusammenwirken der För-
derinstrumente effizienter gestalten. Dies betrifft sowohl
die Städtebauförderung, die Um- und Ausbauförderung,
den Denkmalschutz und die allgemeine Modernisie-
rungsförderung als auch das KfW-Modernisierungs-
programm Ost, dessen Verlängerung wir wollen. Dabei
sind durchaus verbesserte Förderkonditionen für be-
stimmte Fördernotwendigkeiten bei Altbauten oder
Plattenbaumodernisierung denkbar, über die jetzt vor
Abschluß der Haushaltsverhandlungen noch keine kon-
kreten Aussagen möglich sind. Um es noch einmal
deutlich zu sagen: Wir meinen durchaus, daß das Inve-
stitionszulagengesetz verbessert werden kann und haben
in diese Richtung vorausgedacht. Uns geht es jedoch
nicht – wie der PDS – um reine Schaufensteranträge vor
Weihnachten, sondern um vernünftige und durchset-
zungsfähige Vorlagen, und wir sehen keine Veranlas-
sung, uns mit Anträgen, wie die PDS sie vorlegt, auf
wohnungs- und finanzpolitisches Glatteis führen zu las-
sen.
Sie werden sich schon fragen lassen müssen, was da
bei einer Altbauförderung von bis zu 4 000 DM denn
gefördert werden soll und wofür, wenn nicht für Luxus-
wohnraum, der irgendwann auch zu Luxusmieten führen
würde. Was in dem Antrag der PDS gefordert wird, ist
eine Übersubventionierung, bei der gefragt werden muß,
wem sie nützen soll, und die nicht nur vertretbare För-
dersachverhalte bei weitem übersteigt (auch der Ge-
samtverband der Wohnungswirtschaft bleibt bei allen
einschlägigen Kalkulationen weit darunter), sondern die
auch weder quantitativ noch qualitativ erfaßt ist. Wir
wissen lediglich, daß es Mehraufwendungen in Milliar-
denhöhe sind, die hier teilweise am tatsächlichen und
sozial begründbaren Bedarf vorbei für Fehlförderung
ausgegeben würden, ginge es nach Ihrem Antrag.
Übrigens – so ganz ernstgemeint können die Anträge
wohl doch nicht sein, denn ich frage mich, welches par-
lamentarische Verfahren es noch ermöglichen sollte, die
in den Anträgen genannten Forderungen auch zum Zeit-
punkt 1. Januar 1999 in Kraft treten zu lassen.
Da auch die Länder mit einem nicht unerheblichen
Anteil an dieser Art der Förderung beteiligt werden
müßten, würde mich schon interessieren, ob sie diesen
Antrag zum Beispiel mit dem Bauminister von Meck-
lenburg-Vorpommern abgestimmt haben, der bekannt-
lich Ihrer Partei, wenn auch nicht Ihrer Fraktion ange-
hört, und wenn ja, ob er bereit ist, aus dem Haushalt sei-
nes Ressorts die Mehrbelastungen für das Land zu über-
nehmen.
Alles in allem mögen die Anträge ja – gut gemeint,
wie sie sind – Freude auslösen, handwerklich sind sie
verpfuscht und damit für eine parlamentarische Be-
handlung zum jetzigen Zeitpunkt verfehlt.
Hannelore Rönsch (Wiesbaden) (CDU/CSU): Alle
im Bundestag vertretenen Fraktionen sind sich einig,
daß das Wohngeldrecht reformiert werden muß. Nach
der Bundestagswahl haben SPD und Grüne in ihrer Ko-
alitionsvereinbarung und der neue Minister dies auch
noch einmal bekräftigt. Nun warten die Mitglieder des
Bundestages seit der Wahl darauf, daß Minister Münte-
fering im Bundestag oder im Ausschuß seine Ankündi-
gungen erläutert und einen Gesetzentwurf vorlegt.
Und was ist bisher passiert? Leider gar nichts, außer
substanzlosen Versprechungen und Vertröstungen – ich
befürchte, daß diese Regierung auch in der Wohnungs-
politik die Regierungsarbeit völlig ohne ein eigenes
Konzept aufgenommen hat.
Dabei hat der Parlamentarische Staatssekretär Groß-
mann doch schon vor der Wahl gewußt, daß 1,5 Milliar-
den DM an Mehrausgaben für die Reform einzuplanen
seien. Er hatte doch Zeit, einen Gesetzentwurf zu erar-
beiten und mit seinen Kollegen aus der Finanzpolitik die
Finanzierung zu klären. Aber wir haben es schon beim
Steuergesetz gemerkt. Das gesetzestechnische Hand-
werk müssen Sie noch üben. Bei der Sitzung der Arge-
bau in der letzten Woche hätte Minister Müntefering mit
seinen Länderkollegen einen Gesetzentwurf diskutieren
können. Der Minister fehlte und der Staatssekretär
wußte nicht, was der Minister wollte. Mit dieser Politik
enttäuscht die Bundesregierung die Menschen in unse-
rem Land, und sie bricht ihr Wahlversprechen.
Die Bundesregierung hat einen Gesetzentwurf mit In-
krafttreten noch im kommenden Jahr angekündigt. Dies
ist kaum noch zu erreichen. Deshalb arbeiten Sie nun
endlich einen soliden Entwurf aus, und hören Sie mit
den Ausreden auf.
Sehr gespannt habe ich in der letzten Woche auf die
Vorschläge zur Wohngeldreform von Herrn Minister
Vesper gewartet. Herr Vesper kündigte ein Inkrafttreten
zum 1. Juli 1999 an, eine Finanzierung über eine Absen-
kung der Einkommensgrenzen bei der Eigenheimzulage
und durch die Streichung des Vorkostenabzuges, und er
versprach, daß er der Argebau ein fertiges Konzept in
Absprache mit den SPD-Bauministern der Länder vorle-
gen wollte.
2 Milliarden DM forderte Herr Vesper für dieses
Konzept. Das war in der vergangenen Woche. Nur wäh-
rend der Argebau-Sitzung hat Minister Vesper über-
haupt nichts vorgelegt. Bis heute warten die Mieterinnen
und Mieter auf eine Aufklärung. Statt dessen forderte
Herr Vesper auch noch, daß sich der Bund aus dem so-
zialen Wohnungsbau zurückziehen soll. Bei dieser Poli-
tik der Versprechungen sollten Sie bedenken, daß Sie
mit den Sorgen und Nöten von unseren Mitbürgern
spielen.
Was hat Herr Minister Vesper nun mit der SPD abge-
sprochen? Was haben die SPD-Länder hierzu gesagt?
Wollen Sie nun einen Entwurf vorlegen oder nicht?
Wollen Sie aus dem sozialen Wohnungsbau aussteigen?
Hierüber sollte der zuständige Bundesminister der SPD
noch vor der Vorlage des Haushaltes den Bundestag
aufklären.
968 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 14. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1998
(A) (C)
(B) (D)
Vor allem sollten die bauwilligen Familien endlich
Klarheit bekommen, ob sie in Zukunft noch die Eigen-
heimzulage nutzen können. Die CDU/CSU lehnt die
Kappung der Einkommensgrenzen ab, weil dies die er-
folgreiche Wohneigentumspolitik und den die Wohn-
baukonjunktur stützenden Eigenheimbau abwürgte.
Besonders gespannt warte ich auf die angekündigte
strukturelle Reform in dem Gesetzesvorhaben. Hier hat
sich der Mieterbund bereits auf die CDU/CSU-Position
zubewegt. Auch Mieterbunddirektor Rips fordert nun,
die Ausgaben für das pauschale Wohngeld auf das heu-
tige Niveau zu begrenzen und damit die Kommunen da-
zu anzureizen, die Kosten für Wohnungen von Sozialhil-
feempfängern niedrig zu halten. Gerade die Grünen ha-
ben diese Forderung bisher strikt abgelehnt.
Herr Minister Müntefering, die CDU ist hier zu einer
konstruktiven Zusammenarbeit bereit. Wir wünschen
uns von Ihnen in Zukunft eine glücklichere Hand bei der
Führung Ihres Hauses.
Die von der PDS heute Abend zur Abstimmung stehen-
den Gesetzesentwürfe lehnt die CDU/CSU-Fraktion ab.
Franziska Eichstädt-Bohlig (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN): In allen drei Punkten, über die wir heute
sprechen, sehen wir Handlungs- und Reformbedarf in
dieser Wahlperiode. Wir wollen eine gesamtdeutsche
Wohngeldreform im nächsten Jahr, die KfW-Förderung
muß fortgesetzt werden – dafür werden wir im nächsten
Haushalt auch zusätzliche Mittel brauchen –, und wir
sehen auch Korrekturbedarf bei den Fördersätzen des
Investitionszulagengesetzes. Dies haben wir in den Ko-
alitionsvereinbarungen festgeschrieben.
Allerdings scheint die PDS zu denken – ich habe das
schon im Ausschuß gesagt – die neue Bundesregierung
müsse all das, was sie sich für die nächsten vier Jahre
vorgenommen hat, in vier Wochen durchführen – mög-
lichst noch vor Weihnachten. Wir haben in den letzten
Wochen eine Vielzahl von Maßnahmen zur sozialen
Entlastung auf den Weg gebracht, und auch wir haben
lernen müssen, daß Geschwindigkeit nicht alles ist. Bei
den Schnellschußanträgen der PDS scheint mir, daß die
fachliche Qualität vollends dem Tempo geopfert wurde.
Unbestritten: Wir brauchen eine schnelle Wohn-
geldreform. Doch was die PDS hier vorlegt, ist kein
ernstzunehmender Reformvorschlag. Für die einzelnen
Vorschläge gibt es keine Begründung. Warum sollen
zum Beispiel die Miethöchstbeträge nur für Ost-
deutschland angehoben werden? In Westdeutschland
sind sie schon sehr viel länger unverändert. Warum sol-
len die Beträge für eine Dreipersonenfamilie im Neubau
um 235,– DM, für eine Vierpersonenfamilie aber nur um
185,– DM angehoben werden?
Die PDS will 1,5 Milliarden DM allein für eine Art
„Vorläufer“ der Wohngeldreform ausgeben. Einen Ge-
genfinanzierungsvorschlag gibt es nicht, ebensowenig
eine Aussage darüber, was die „große“ Wohngeldreform
kosten und woraus sie finanziert werden soll. Die PDS
fordert eine Reform zum 1. Januar 1999, obwohl allen
klar ist, daß dies selbst bei größter Eile völlig unreali-
stisch ist.
Ähnliches gilt für die beiden anderen Anträge. Das
KfW-Modernisierungsprogramm muß fortgesetzt wer-
den; da sind sich alle Fraktionen des Hauses einig. Ich
denke, es gibt auch Korrekturbedarf bei den Zins- und
Tilgungskonditionen. Da das derzeitige Volumen im
Laufe des nächsten Jahres ausgeschöpft sein wird, brau-
chen wir schon im nächsten Haushalt neue Mittel dafür.
Doch anstatt sich im Rahmen der Haushaltsberatungen
für notwendige Änderungen, Finanzbedarf und Gegenfi-
nanzierung einzusetzen, stellt die PDS hier einen reinen
Schaufensterantrag.
Ohne Zweifel gibt es Korrekturbedarf bei den Förder-
sätzen der Investitionszulage. Die zu hohe Differenz
zwischen Neubau- und Altbauförderung wird den Ab-
rißdruck auf den innerstädtischen Altbaubestand erhö-
hen; deswegen brauchen wir differenziertere Fördersät-
ze. Doch die Kostenobergrenze für Instandsetzung und
Modernisierung einfach auf 4 000 DM anheben zu wol-
len – auch wieder ohne zu sagen, wie das finanziert
werden soll, frei nach dem Motto „Allen wohl und nie-
mand weh“ –, das ist finanzpolitisch unverantwortlich
und wohnungspolitisch nicht durchdacht.
Ich denke, die PDS muß sich entscheiden, ob sie als
Reformkraft ernst genommen werden will, oder ob sie
sich zu einer Art populistischer „Lega Ost“ entwickelt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, was ihr hier vor-
legt, ist ohne konzeptionelle Kraft und ohne finanzpoli-
tische Verantwortung. Eure Strategie zielt offenbar nur
darauf, aus der Ablehnung dieser völlig unrealistischen
Forderungen populistischen Profit zu ziehen.
Ich bin entschieden gegen eine Diffamierung der
PDS. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen aus der
PDS, eine Partei, die immerhin 20 Prozent der Ostdeut-
schen vertritt, stiehlt sich aus der politischen Verant-
wortung, wenn sie Forderungen stellt, die unter keiner
Bundesregierung finanzierbar sind, es sei denn, sie
könnte sich eine Legion von Dukateneseln halten. Eine
Partei, die ernst genommen werden will, darf den Men-
schen in Ostdeutschland nicht vorgaukeln, alle Probleme
könnten aus der Staatskasse gelöst werden und es gäbe
Reformen, die niemandem weh tun. Sie haben auch als
Opposition politische Verantwortung dafür, daß die
Kluft zwischen Ost und West nicht immer größer wird.
Deswegen fordere ich Sie sehr ernsthaft auf, nicht mit
uneinlösbaren Forderungen den Frust der Menschen in
Ostdeutschland immer weiter zu vergrößern.
Sie wissen wie wir, daß die Sanierung der ostdeut-
schen Städte eine Folge von 40 Jahren unterlassener In-
standhaltung zu DDR-Zeiten sind, die die öffentlichen
Kassen bis an die Grenzen der Belastbarkeit strapaziert.
Wir werden uns mit aller Kraft dafür einsetzen, daß die
notwendigen Mittel dafür bereitgestellt werden. Ich er-
warte aber von der PDS, daß sie sich ihrer historischen
und politischen Verantwortung für das Herunterwirt-
schaften der Städte und Dörfer durch die SED-Politik
bewußt ist. Wir wollen von Ihnen kein demonstratives
Büßertum; aber wir erwarten, daß Sie jetzt Ihren Teil zur
Lösung der Probleme beitragen. Wir fordern Sie auf,
realistische und finanzierbare Vorschläge auf den Tisch
zu legen und den Ostdeutschen reinen Wein darüber
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 14. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1998 969
(A) (C)
(B) (D)
einzuschenken, was nicht finanzierbar ist und welche
Probleme nicht in kurzer Zeit und nicht vom Staat gelöst
werden können.
Treiben sie kein zynisches und gefährliches Spiel mit
unerfüllbaren Hoffnungen! Stellen Sie sich endlich der
Debatte um die haushalts- und finanzpolitischen Gren-
zen staatlicher Förderung oder staatlichen Handelns! Sie
tragen als Fraktion und Partei Verantwortung für die
politische Kultur in Ostdeutschland und für das Zusam-
menwachsen Deutschlands. Wenn Sie als Reformkraft
ernst genommen werden wollen, müssen Sie dieser Ver-
antwortung endlich gerecht werden.
Dr. Karl-Heinz Guttmacher (F.D.P.): Eine Lei-
stungs- und Strukturnovelle des Wohngeldgesetzes ist
überfällig. Die uns vorgeführte verzögerte Anpassung
des Wohngeldes an die Entwicklung am Mietwoh-
nungsmarkt hat zu nicht mehr hinnehmbaren Entwick-
lungen geführt.
Das Wohngeld erfüllt weder seine sozialen noch sei-
ne wohnungswirtschaftlichen Funktionen. Trotz eines
zur Zeit ausgeglichenen Mietwohnungsmarktes und
teilweise sinkender Mieten droht das Wohngeld seine
Funktion als zielgenaues einkommensbezogenes För-
derinstrument zu verlieren.
Durch eine bloße Anhebung der Miethöchstbeträge
können die strukturellen Verwerfungen um Wohn-
geldrecht des PDS-Antrages ebensowenig beseitigt wer-
den wie durch eine vorgeschlagene Anpassungspau-
schale. Ein solcher Ansatz würde das Ungleichgewicht
zwischen dem derzeit noch bestehenden Wohngeld der
alten und neuen Bundesländer zementieren.
Diesen sicher durch die PDS gewollten Ansatz der
Wohngeldnovelle lehnen wir ab. Wir brauchen ein ein-
heitliches Wohngeld für ganz Deutschland. Wenn die
Höhe der Wohngeldleistung wieder stimmen soll, müs-
sen sich die Mietenobergrenzen und die Einkommens-
grenzen des Wohngeldgesetzes diesen tatsächlichen
Verhältnissen anpassen.
Das Verhältnis zwischen zielgenauem Tabellen-
wohngeld und pauschaliertem Wohngeld muß zugunsten
des Tabellenwohngeldes deutlich verbessert werden. Bei
den Höchstbetragstabellen sollte berücksichtigt werden,
daß die Mietpreise pro Quadratmeter für kleinere Woh-
nungen höher anzusetzen sind.
Die Wohngeldnovelle muß den Entbürokratisierungs-
und Deregulierungsstau auflösen. So sind Einsparungen
in Vollzug und Verwaltung möglich durch eine Verein-
heitlichung des Einkommensbegriffs, einfachere Regeln
bei Verletzung der Informationspflicht durch den
Wohngeldbezieher und bei der Bemessung des Wohn-
geldes bei Wirtschafts- und Wohngemeinschaften von
Nicht-Familienmitgliedern. Ebenso muß die wohn-
geldrechtliche Behandlung eheähnlicher Lebensgemein-
schaften berücksichtigt werden.
Die F.D.P. hält ein Wahlrecht von Vorteil, mit dem
ein pauschales und im Verhältnis zum Tabellenwohn-
geld niedrigeres Ausbildungs- und Studentenwohngeld
oder ein zielgenaues, aber prüfungsaufwendiges regulä-
res Wohngeld beantragt werden kann.
Das würde den Forderungen der Länder entgegen-
kommen, die Wohngeldstellen von der bisherigen büro-
kratisch aufwendigen Prüfung der Frage der Zugehörig-
keit des Studenten/Auszubildenden zum Elternhaushalt
entlasten. Ebenso sind die Leistungen des BAföG und
des Wohngeldes zur Unterstützung des Wohnens von
Studenten und beruflich Erstauszubildenden zu harmo-
nisieren.
Die finanzielle Ausstattung muß sich an der Lei-
stungs- und Strukturnovelle des Wohngeldgesetzes
orientieren. Hierbei ist zu berücksichtigen, daß durch die
Strukturreform und dem vorgeschlagenen Abbau von
bürokratischen Regelungen vor allem bei den Ländern
erhebliche dauerhafte Ersparnisse entstehen, die den
Wohngeldempfängern zugute kommen müssen.
Der vorliegende Wohngeldgesetzentwurf der PDS
stellt keine sachgerechte und ausreichende Lösung der
bestehenden Wohngeldproblematik dar. Da der Ge-
setzentwurf keinerlei strukturelle Reformansätze des
Wohngeldes vorsieht, die Aufteilung des Wohn-
geldrechts in Ost und West festigt, keinen überzeugen-
den Gegenfinanzierungsvorschlag enthält und das Ge-
setz wegen des notwendigen Verwaltungsvorlaufes zum
vorgesehenen Zeitpunkt 1. Januar 1999 nicht umsetzbar
ist, lehnt die F.D.P. den Wohngeldgesetzentwurf der
PDS ab.
In dem Antrag zur verbesserten Förderung der Woh-
nungsmodernisierung im Altbaubestand und bei Wohn-
hochhäusern nach dem Investitionszulagengesetz 1999
fordert die PDS 400 DM pro Quadratmeter Wohnfläche
des Gebäudes, bei förderfähigen Kosten maximal 4 000
DM pro Quadratmeter Wohnfläche, sowie einen Förder-
satz von 10 Prozent.
Die F.D.P. geht von einer Investitionszulage von 180
DM pro Quadratmeter Wohnfläche bei 15prozentigem
Fördersatz 1999 aus.
Für die von der PDS geforderten förderfähigen Ko-
sten von 400 DM pro Quadratmeter Wohnfläche bei
förderfähigen Kosten maximal 4 000 DM pro Quadrat-
meter Wohnfläche, lassen sich heute neue Traumvillen
bauen. Die PDS läßt durch den Gesetzentwurf erkennen,
daß sie sich für eine Luxussanierung einsetzt.
Dieser Ansatz der Förderung der Wohnungsmoderni-
sierung wird durch die F.D.P. nicht mitgetragen.
Gert Willner (CDU/CSU):Wohngeld ist eine Sozial-
leistung mit Rechtsanspruch, die in Deutschland weit
über 2,7 Millionen Haushalte erhalten. Dieses System
hat insbesondere auch in den neuen Ländern seine so-
ziale Leistungsfähigkeit unter Beweis gestellt. Wir stel-
len eine nachhaltige Verlangsamung des Mietenanstiegs
fest. Der Mietenanstieg betrug in den ersten zehn Mo-
naten dieses Jahres weniger als 2 Prozent. Damit liegt
der Mietanstieg in der Steigerung so gering wie seit
Mitte der 80er Jahre nicht mehr. Trotz dieser Verlang-
samung des Mietanstieges besteht die Notwendigkeit ei-
ner familiengerechten Anpassung des Wohngeldes an
die Einkommens- und Mietenentwicklung. Hierüber be-
steht Einvernehmen.
970 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 14. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1998
(A) (C)
(B) (D)
CDU/CSU und F.D.P. haben deshalb bereits Anfang
diesen Jahres vorgeschlagen, zum 1. Januar 1999 eine
kleine Wohngeldnovelle mit einem zusätzlichen Finanz-
volumen von 500 Millionen DM zu beschließen. Nach
diesen Plänen sollte das Wohngeld durchgängig in allen
Mietstufen angehoben werden. Außerdem wollten wir
das Wohngeld West an die etwas höheren Beträge im
Osten anpassen. Beim sogenannten pauschalen Wohn-
geld für Sozialhilfeempfänger sollten künftig ähnlich
wie bereits bei allen übrigen Wohngeldempfängern
Höchstbeträge gelten. Diese Deckelung – ohne Eingriff
in den status quo! – würde nach unserer Einschätzung
den zu erwartenden weiteren Anstieg der Wohngeldaus-
gaben von Bund und Ländern gebremst haben. Dies wä-
re ein wichtiger Einstieg in eine Wohngeldreform gewe-
sen.
Die SPD hat hierzu nein gesagt. In Haushaltsanträgen
der SPD sind Verbesserungen um 500 Millionen DM als
nicht akzeptabel bezeichnet worden. Kollege Großmann,
jetzt Parlamentarischer Staatssekretär im dafür fachlich
zuständigen Ministerium, hat insgesamt 1,5 Milliarden
DM für erforderlich gehalten.
Sie, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von Rot-
grün haben jetzt die Chance das umzusetzen, was Sie
versprochen haben. Und dazu gehört, daß auch die Zu-
sagen des Bundeskanzlers Gerhard Schröder eingelöst
werden. In Schröders Wahlaussagen ist eine Wohn-
geldreform so schnell wie möglich versprochen worden.
Und die Grünen haben durch Joschka Fischer eine
Wohngeldreform spätestens zum 1. Juli 1999 angekün-
digt.
Auf klare Fragen im Ausschuß nach der Zukunft des
Wohngeldes sind unklare, verschwommene Antworten
gegeben worden. Dabei haben viele Mieter in unserem
Land nach der Bundestagswahl erwartet, daß SPD und
Grüne die von ihnen versprochene Wohngeldreform
schnell verwirklichen. Bis heute liegen nicht mal an-
deutungsweise konkrete Überlegungen auf dem Tisch.
Rotgrün hat offenbar weder ein Konzept noch das Geld
für eine Wohngeldreform.
Zu einer Ausrede sollten Sie, Herr Großmann, sich
dabei nicht flüchten: Ihre Behauptung (so am letzten
Freitag in der ARGEBau), Sie hätten im BM Bau kaum
Vorarbeiten vorgefunden, ist zu billig und eine Beleidi-
gung der Beamten, die nicht erst seit dem 27. September
1998 an der Reform arbeiten.
Rotgrün muß erkennen, daß sie mit ihrem Nein zu
unserem Vorschlag eines Einstiegs in eine Wohngeldre-
form eine große Chance verpaßt haben. Hätten sie Ja ge-
sagt, hätten alle Empfänger von Wohngeld im Schnitt
eine Erhöhung von 38 DM ab 1. Januar 1999 gehabt.
Hören Sie bitte genau zu: 38 DM! Das wäre noch mehr
gewesen, als die von Ihnen so gefeierte Kindergeldlö-
sung. Und sie wäre finanziert gewesen. Durch Ihr Nein
fehlt die Wohngelderhöhung, fehlt dieses Geld allen
Wohngeldempfängern ab 1. Januar 1999.
Dafür gibt es durch Rotgrün eine zusätzliche Bela-
stung durch die sogenannte Ökosteuer, die in erster Li-
nie Steuererhöhung und Einführung einer neuen Strom-
steuer ist, mit der Sie die privaten Haushalte belasten.
Sie tragen dazu bei, daß die Wohnnebenkosten sich
weiter zu einer zweiten Miete entwickeln und die Bürger
doppelt zahlen müssen, nämlich einmal über die Ener-
giesteuern und zweitens, weil diese Energiesteuern auch
durch die Kommunen zu zahlen sind. Das heißt konkret
höhere Gebühren vom Kindergarten bis zur Straßenrei-
nigung.
Zur Wohngeldreform sind unsere Forderungen klar
und deutlich: Wir erwarten, daß die Bundesregierung so
schnell wie möglich, in Verbindung mit der Haushalts-
vorlage einen Gesetzesvorschlag vorlegt. Wir gehen da-
von aus, daß in diesem Gesetzesvorschlag eine Verein-
fachung, eine Vereinheitlichung mit anderen Leistungs-
gesetzen der Wohnungsbauförderung sowie strukturel-
len Verbesserungen und zwar als gesamtdeutsche
Wohngeldreform enthalten sind.
Ein Wort zum Wohnraummodernisierungsprogramm
der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). Über
700 000 Plattenbauten sind mit diesen Mitteln saniert
worden. Das entspricht etwa einem Drittel aller Platten-
bauwohnungen in den neuen Ländern. Ich bin überzeugt
davon, daß dies ein erfolgreiches Programm ist für die
Menschen in den neuen Bundesländern. Dieses Pro-
gramm kann sich sehen lassen. CDU/CSU und F.D.P.
haben deshalb 1997 für das Jahr 1998 eine Aufstockung
um noch einmal 10 Milliarden DM auf 70 Milliarden
DM ermöglicht, weil dadurch die mittelständische Bau-
wirtschaft und das Handwerk vor Ort gestärkt und sta-
bilisiert wurde.
Unsere Praxis der Wohnungsbauförderung zeigte ein
erfolgreiches Zusammenwirken von Modernisierung der
Wohnungen und Verbesserung des Wohnumfeldes. Wir
haben damit auch einen Beitrag zur sozialen Stabilisie-
rung in den Städten geleistet. Für die Fortsetzung des
Programms erwarten wir eine konstruktive Aussage der
Bundesregierung im Zusammenhang mit der Vorlage
des Haushalts. Wir erwarten auch Vorschläge, daß der
gemeinsam kritisierte Belastungssprung nach fünf Jah-
ren vermieden wird.
Wir sagen Ja zu einer Fortführung des Programms,
um die mittelständische Bauwirtschaft und das Hand-
werk vor Ort zu stärken und weiterhin zu stabilisieren.
Wir sagen Ja zu einer Fortführung einer Maßnahme, von
der CDU/CSU und F.D.P. sagen können: Auch hier
können wir auf konkrete Erfolge verweisen!
Wolfgang Spanier (SPD): Es ist selten, daß alle
Fraktionen in diesem Hause in einer sozialpolitischen
Frage übereinstimmen. Beim Wohngeld ist dies der Fall.
Alle Fraktionen stimmen überein in der Beschreibung
der sozialen Schieflage, die dadurch entstanden ist, daß
das Wohngeld seit 1990 nicht an die Einkommensent-
wicklung und nicht an die Mietenentwicklung angepaßt
worden ist. Faktisch ist das Wohngeld seit Jahren radikal
gekürzt worden; das Wohnen ist teurer geworden, das
Wohngeld geringer.
F.D.P. und CDU/CSU mahnen die Bundesregierung
zur Eile. Die F.D.P. fordert in ihrem Antrag „die unver-
zügliche Vorlage einer Leistungs- und Strukturnovelle
des Wohngeldgesetzes“. Die CDU/CSU-Fraktion er-
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 14. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1998 971
(A) (C)
(B) (D)
wartet, „daß die Bundesregierung so schnell wie mög-
lich einen Gesetzesvorschlag für die Wohngeldreform
dem Deutschen Bundestag vorlegen wird.“ Das ist schon
verwunderlich, wenn man bedenkt, daß beide Fraktionen
und die abgewählte Bundesregierung im 13. Deutschen
Bundestag Gelegenheit hatten, endlich diesen Gesetz-
entwurf zur Wohngeldreform vorzulegen, daß dies aber
trotz vieler Ankündigungen ihrer Bundesbauminister in
diesen Jahren nicht erfolgt ist und daß ganz im Gegenteil
immer wieder auch hier in diesem Haus geäußerte Ver-
sprechungen schlicht und einfach gebrochen wurden.
Die Problemlage beschreib die PDS in ihrem Gesetz-
entwurf zu einem Wohngeldanpassungsgesetz zutref-
fend. Seit Jahren schon erfüllt das Wohngeldgesetz nicht
mehr seine ihm ursprünglich zugedachte Funktion: Es
sollte einkommensschwachen Haushalten helfen, sich
mit ausreichenden Wohnraum zu versorgen, und die
Mietbelastung für einkommensschwache Haushalte in
erträglichen Grenzen halten. Diese Funktion erfüllt das
Wohngeldgesetz nicht mehr. Ich will das an einem Bei-
spiel aus meinem Wahlkreis deutlich machen. Eine
Rentnerin mit 1 250 DM monatlicher Rente und einer
Wohnkostenbelastung von zirka 620 DM in einer, was
die Ausstattung und Größe betrifft, völlig angemessenen
Wohnung hat nach Abzug des Beitrags zur Krankenver-
sicherung monatlich lediglich 550 DM zur Verfügung.
Die Mietbelastung liegt bei fast 50 Prozent, dennoch hat
sie keinen Anspruch auf Wohngeld. An diesem Beispiel
wird deutlich, daß das Wohngeld völlig unzureichend
ist und seinen ursprünglichen Zweck nicht mehr er-
füllt. Wenn wir es ernst meinen mit dem sozialpoliti-
schen Ziel des Wohngeldes, müssen wir endlich han-
deln.
Dennoch lehnt die SPD-Bundestagesfraktion den
vorliegenden Gesetzentwurf ab. Die PDS will im Vor-
griff auf eine allgemeine Reform des Wohngeldgesetzes
zum 1. Januar 1999 die Miethöchstbeträge anheben und
gleichzeitig auch eine Anpassung der Einkommensgren-
zen vornehmen. Dieser Gesetzentwurf und auch die
Vorgehensweise der PDS sind allen nur allzu bekannt.
Erneut kommt die PDS in allerletzter Sekunde und zu
einem Zeitpunkt, wo allen klar ist, daß der Termin des
Inkrafttretens, der 1. Januar 1999, völlig unrealistisch
ist. Es ist auch der PDS sicherlich klar, daß in der Zeit
seit der Einbringung des Antrags mit Datum vom 5. No-
vember 1998 das Verfahren der Gesetzgebung, das na-
türlich eine Abstimmung mit den Ländern beinhaltet,
nicht zu leisten ist und daß auch der notwendige Vorlauf
für die Verwaltung in den Kommunen, die das ja umset-
zen muß, nicht gegeben ist. Zudem ist eine vorgezogene
Härtefallregelung auch überflüssig, weil im nächsten
Jahr – und hier haben wir eine klare Aussage des Mi-
nisters Franz Müntefering –, im ersten Halbjahr, ein
Entwurf einer Gesamtdeutschen Strukturnovelle des
Wohngeldgesetzes vorgelegt wird und dieses Gesetz
dann, so ebenfalls die Zusage des Fachministers, noch
im Jahre 1999 in Kraft treten wird. Daß dem Gesetzent-
wurf der PDS eine seriöse Finanzierung fehlt, will ich
nur der Ordnung halber ergänzen. Wir brauchen eine ge-
samtdeutsche Wohngeldreform! Nicht nur eine Anpas-
sung an die Mietentwicklung und die Einkommensent-
wicklung, sondern strukturelle Veränderungen.
Ich will im folgenden einige Aspekte ansprechen, die
deutlich machen, wo zur Zeit die strukturellen Probleme
unseres jetzigen Wohngeldgesetzes liegen, die bei einer
Wohngeldreform beseitigt werden sollen. Zunächst ein-
mal sage ich mit besonderer Betonung in die Richtung
der Regionalpartei PDS: Die derzeitige Regelung enthält
massive soziale Verwerfungen zwischen dem Wohngeld
West und dem Wohngeld Ost. Ich will das an einem
Beispiel belegen: Bei 1 190 DM monatlichem Einkom-
men, z.B. einer Rentnerin, und bei Mietstufe III einer
vor 1996 fertiggestellten Wohnung mit Bad und Sam-
melheizung beträgt der Wohngeldanspruch in den alten
Bundesländern 12 DM und in den neuen Bundesländern
80 DM. Dieser beträchtliche Unterschied ist nicht zu
rechtfertigen. In einer Wohngeldreform muß diese Un-
gleichbehandlung beseitigt werden. Die Miethöchstbe-
träge einfach undifferenziert anzuheben reicht also nicht
aus. Zusätzlich müssen wir sehen, wie wir Anreize schaf-
fen, auch ältere und einfachere Wohnungen anzumieten.
Ich halte das für einen wichtigen Punkt. Eine strukturelle
Wohngeldreform muß darüber hinaus die Unterversor-
gung vor allem von Haushalten mit vier und mehr Per-
sonen, das heißt, Familien mit Kindern, endlich durch
eine zweckmäßigere Tarifgestaltung beseitigen. Die jet-
zige Höchstbetragstabelle benachteiligt aber auch kleine
Haushalte, denn die Quadratmetermieten kleiner Woh-
nungen sind bekanntlich höher. Auch hier müssen die
Höchstbetragstabellen modifiziert werden. Wir brauchen
dringend eine Vereinfachung: Wenn Sie sich die Rege-
lung für die alten und die neuen Bundesländern einmal
anschauen, sehen Sie, daß die Regelungen aus guten
Gründen in den neuen Bundesländern deutlich einfacher
sind, das heißt, wir müssen prüfen, ob es bei den bishe-
rigen Baualtersklassen bleibt. Eine Wohngeldreform
muß die besondere Situation der Ballungsgebiete stärker
berücksichtigen, weil wir hier in den letzten Jahren ge-
radezu eine Mietenexplosion festzustellen haben.
Lassen Sie mich noch einige persönliche Anmerkun-
gen zum pauschalierten Wohngeld machen. Die F.D.P.
schlägt beim pauschalierten Wohngeld die Einführung
von Mietobergrenzen vor. Wenn dahinter die Absicht
steht, Mittel für das pauschalierte Wohngeld zu kürzen
oder zu deckeln, dann kann ich nur bekräftigen, was die
Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und SPD im Mai
diesen Jahres in ihren Entschließungsanträgen zum
Wohngeld- und Mietenbericht festgestellt haben: „Die
geplante Kappung des pauschalierten Wohngeldes zu
Lasten der Kommunen ist nicht hinnehmbar“; es ist
„von allen Überlegungen Abstand zu nehmen, die den
Ländern und Gemeinden durch eine Neugestaltung des
pauschalierten Wohngeldes Mehrkosten in dreistelliger
Millionenhöhe aufbürden“. Das war einer der Schwach-
punkte Ihres kläglichen Eckpunktepapiers in der letzten
Legislaturperiode. Das Ungleichgewicht zwischen Pau-
schal- und Tabellenwohngeld läßt sich sinnvoll nur
durch die Verbesserung des Tabellenwohngeldes besei-
tigen. Mit der von der alten Bundesregierung prakti-
zierten Verlagerung von Kosten auf die Kommunen als
Sozialhilfeträger muß endlich Schluß sein.
Grundsätzlich gilt: Wir sollten die anstehende Wohn-
geldreform als Chance sehen, die notwendige Hilfe des
Staates für die Haushalte, die sich nicht aus eigener
972 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 14. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Dezember 1998
(A) (C)
(B) (D)
Kraft mit angemessenem Wohnraum versorgen können,
so treffsicher, so gezielt zu gestalten, daß das Wohn-
geldgesetz seine eigentliche Aufgabe wieder erfüllt.
Deshalb reicht eine Härtefallregelung nicht aus. Deshalb
ist es richtig, die anstehende Wohngeldreform sorgfältig
vorzubereiten. Deshalb ist es richtig, das Gespräch mit
den Ländern zu suchen. Wir unterstützen die Zusage des
Ministers, daß in 1999 die Wohngeldreform als Gesetz-
entwurf vorgelegt wird und daß sie noch 1999 in Kraft
tritt.
Anlage 9
Amtliche Mitteilung
Der Vorsitzende des folgenden Ausschusses hat mit-
geteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der
Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu der
nachstehenden Vorlage absieht:
Ausschuß für Bildung, Forschung und Technikfolgenab-schätzung
Unterrichtung durch die Bundesregierung
Faktenbericht 1998zum Bundesbericht Forschung– Drucksachen 13/11091, 13/11203 Nr. 5 –
Anlage 10
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Dr. Eckhart Pick auf die Frage
des Abgeordneten Dr. Wolfgang Götzer (CDU/CSU)
(Drucksache 14/143, Frage 54) (Plenarprotokoll 14/13,
Seite 797 A)
Auf der Grundlage welcher Ergebnisse von Untersuchun-gen/Umfragen kommt die Bundesministerin der Justiz zu derFeststellung, „heute werden Ladendiebstähle im Wert bis150 DM de facto in keinem Bundesland verfolgt“ (Interview inder Süddeutschen Zeitung vom 30. November 1998, S. 9), undwelche Einstellungskriterien nach § 153 der Strafprozeßordnunggelten für die Staatsanwaltschaften tatsächlich in den einzelnenBundesländern?
In Folge der Erhöhungen der Berufungssumme durch
das Rechtspflegevereinfachungsgesetz vom 17. Dezem-
ber 1990 (BGBl. I S. 2847) von 700 auf 1 200 DM und
durch das Gesetz zur Entlastung der Rechtspflege vom
11. Januar 1993 (BGBl. I S. 50) auf 1 500 DM ist die
Zahl der erstinstanzlichen Urteile des Amtsgerichts, die
gleichzeitig letztinstanzliche Urteile sind, auf 41,7% der
erledigten Gesamtverfahren angestiegen (Quelle: Stati-
stisches Bundesamt Wiesbaden, Arbeitsunterlage Zivil-
gerichte, 1997, S. 26, laufende Nummern 11 bis 13). Bei
einer weiteren Erhöhung der Berufungssumme von
1 500 auf 2 000 DM, wie sie im Bundesratsentwurf ei-
nes Gesetzes zur Vereinfachung des zivilgerichtlichen
Verfahrens und des Verfahrens der freiwilligen Ge-
richtsbarkeit in der letzten Legislaturperiode vorgesehen
war (BT-Drucksache 13/6398), hätte unter Zugrundele-
gung der Erledigungszahlen für 1995 bei den Amtsge-
richten dazu geführt, daß ca. 51,3% der Verfahren auf
den Streitwertbereich nur bis 2 000 DM entfallen wäre
und damit als letztinstanzliche Entscheidungen gelten
müßten (Stellungnahme der Bundesregierung zum Bun-
desratsentwurf eines Gesetzes zur Vereinfachung des
zivilgerichtlichen Verfahrens und des Verfahrens der
freiwilligen Gerichtsbarkeit, BT-Drucksache 13/6398,
S. 46, Nr. 13). Darauf hat die Bundesministerin der
Justiz hingewiesen. Insoweit wurde ihre Aussage in der
zitierten AP-Meldung nicht im richtigen Zusammenhang
wiedergegeben.
Druck: Bonner Universitäts-Buchdruckerei, 53113 Bonn
53003 Bonn, Telefon: 02 28/3 82 08 40, Telefax: 02 28/3 82 08 44
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