Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der heu-
tigen Verabschiedung eines Gesetzes zur Änderung des
Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung und anderer
Gesetze – wie es genau heißt – wird der Schlußstrich
unter eine jahrelange Vorarbeit im Ministerium der
Justiz, im Bundestag und seinen Ausschüssen, insbeson-
dere dem Rechtsausschuß, gesetzt, nachdem wir die In-
solvenzordnung einschließlich eines Einführungsgeset-
zes bereits im Herbst 1994 verabschiedet haben.
Vier Jahre lang hatten die Länder und auch die Ge-
richte nun Zeit, sich auf diese neue Insolvenzordnung
vorzubereiten, wenn sie am 1. Januar 1999 in Kraft tritt.
In diesen vier Jahren hat es nicht an Versuchen gefehlt –
Herr Staatssekretär Pick hat darauf hingewiesen –, Sand
und Salz ins Getriebe zu streuen, um das Inkrafttreten zu
verschieben. Mal waren es finanzielle Gründe, mal per-
sonelle Gründe, mal die Länder, mal die Verbände oder
interessierte Berufszweige, und alle hatten eine Reihe
von Nachbesserungsvorschlägen und -wünschen – ohne
zunächst einmal abzuwarten, wie das Gesetz funktio-
niert.
Die Insolvenzordnung soll alte Zöpfe abschneiden
und neue Möglichkeiten eröffnen, Betriebe weiterzufüh-
ren, statt sie zu zerschlagen, und dem privaten Schuldner
ermöglichen, nach einer Wohlverhaltenszeit frei von
aufgelaufenen Verbindlichkeiten neu zu beginnen, ohne
die Umwege über Ehefrau, Kinder oder Scheinfirmen
nehmen zu müssen.
Eines haben wir bei den Beratungen der Insol-
venzordnung vor vier Jahren nicht erreicht – erst recht
jetzt nicht mehr bei den Ergänzungen, nachdem die Re-
gierung gewechselt hat –, nämlich die Aufnahme einer
Bestimmung, daß § 613 a Abs. 4 BGB bei der Fortfüh-
rung einer Firma nach der Insolvenz nicht anzuwenden
ist. Dieser Arbeitsplatzvernichtungsparagraph war in der
Vergangenheit und wird auch in Zukunft für die Zer-
schlagung von Betrieben, um keine Arbeitnehmer über-
nehmen zu müssen, und damit für die Vernichtung von
Arbeitsplätzen verantwortlich sein, anstatt daß man ver-
sucht, mindestens einen Teil der Arbeitsplätze durch
Fortführung zu retten.
Lieber Kollege Pick, von den 33 000 Konkursen hätte
man wahrscheinlich 20 Prozent, um die 6 000, vermei-
den können, wenn man diesen § 613 a Abs. 4 entschärft
hätte. Ich hoffe, daß wir durch die Insolvenzordnung ein
klein wenig an Entschärfung hineingebracht haben. Aber
es gibt da keine Systematik. Ich glaube auch nicht an die
Einsicht der jetzigen Mehrheit in die Notwendigkeit,
diesen Paragraphen abzuschaffen. Nachdem Sie sogar
die Änderungen im Kündigungsschutzgesetz, die sehr
sinnvoll waren, im Schweinsgalopp wieder aufheben,
glaube ich nicht, daß Sie in diesem Bereich etwas Gutes
tun.
Wir werden der Änderung des Einführungsgesetzes
zustimmen, das vernünftigerweise einige klarstellende
Ergänzungen enthält, obwohl wir die gesetzliche Insti-
tutionalisierung von Laien im Gerichtssaal im Rahmen
des Insolvenzrechts ablehnen. Wir hätten gerne gehabt,
daß nur die früher im Rechtsberatungsgesetz vorgesehe-
nen Vertreter vor Gericht hätten auftreten können, weil
wir eine unübersehbare Flut von nicht unbedingt geeig-
neten Personen befürchten. Ich kann mich hier nur dem
Parl. Staatssekretär Dr. Eckhart Pick
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 11. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Dezember 1998 671
(C)
(D)
Urteil der Bundesrechtsanwaltskammer anschließen, die
wörtlich zu dieser von SPD und Grünen durchgesetzten
Änderung sagt:
Sie ist unsystematisch, unprofessionell, kosten-
trächtig und überflüssig und widerspricht damit
dem allgemein anerkannten Ziel eines „schlanken
Staates“
und eines gerechten Staates, wie ich hinzufügen möchte.
Wir haben deswegen im Rechtsausschuß diese Er-
weiterungen im Änderungsgesetz abgelehnt. Aber wir
sind in den Abstimmungen unterlegen. Daran müssen
wir uns jetzt leider ab und zu gewöhnen. Wir haben
dennoch dem Gesetz im ganzen mehrheitlich zuge-
stimmt. Dies haben wir auch deswegen getan, weil die
Insolvenzordnung ein Regierungsentwurf der christlich-
demokratisch-liberalen Koalition war, der in zähen Ver-
handlungen auch mit der damaligen Opposition als Ge-
setz zustande kam.
Inzwischen sitzt zumindest einer der Väter der Insol-
venzrechtsreform, Herr Staatssekretär a. D. Funke, auf
den harten Oppositionsbänken und der Hauptberichter-
statter der Sozialdemokraten, Herr Professor Pick, auf
den weichen Regierungsbänken.
Man kann auch sagen: Wir hatten mit der früheren
Koalition leichte Liquiditätsprobleme bei den Wähler-
stimmen. Aber, meine Damen und Herren von den Re-
gierungsparteien, wir haben uns bereits gefangen – Sie
lachen ja mit Recht –, während Sie wie auf einem Hüh-
nerhof arbeiten, auf dem alles durcheinandergackert und
niemand weiß, welcher Hahn, Schröder oder Lafontaine,
der Haushahn ist.
Wir haben uns bereits in der Oppositionsrolle geübt,
damit wir nicht, wie im Insolvenzrecht vorgesehen, fünf
oder sieben Jahre Wohlverhalten zeigen müssen, son-
dern bereits nach vier Jahren den Betrieb hier im Hause
wieder übernehmen können.
– Die „Liquidität“ macht Freude. – Wir werden nicht
wegen einiger „Schönheitsfehler“, Herr Beck, das recht-
zeitige Inkrafttreten des Gesetzes durch Geschäftsord-
nungstricks verhindern oder notwendige Änderungen
verzögern, weil wir der Meinung sind, daß es ein gutes
Gesetz ist. Die Anwender sollen das Gesetz so nutzen,
daß die Verfahren zügiger als bisher durchgeführt wer-
den, daß die Intention des Gesetzes beachtet wird, näm-
lich möglichst wenig Masse zu entwerten und zu zer-
schlagen, und daß der Schuldner möglichst so gestellt
wird, daß er wirtschaftlich weiterarbeiten kann, und sei
es unter Kontrolle.
Wir wollen auch, daß die bisherige 30jährige Frist,
die einen Schuldner – auch bei Unterbrechung der
Zinszahlungen – lebenslang in die Knie zwingen konnte,
bei ernsthaft Gutwilligen ein Ende hat. Wir warnen aber
auch gleichzeitig die Schuldner, die glauben, sie könnten
nun ohne jede Rücksicht auf Risiko wirtschaften, weil
sie nach fünf bzw. sieben Jahren wieder frei seien, und
die deshalb glauben, neue und unverantwortliche Risi-
ken eingehen zu können.
Mit den Ergänzungsänderungen haben wir einer Rei-
he von Vorschlägen Rechnung getragen, aber insbeson-
dere auch – das hat der Herr Staatssekretär gesagt –
notwendige Gesetzeskongruenzen hergestellt. Ich sage
in diesem Zusammenhang einen besonderen Dank an die
Mitarbeiter des Ministeriums, die diese Marathonarbeit
geleistet haben, insbesondere an Herrn Lanfermann, der
von Anfang an dabei war.
Ein Schmunzeln konnte ich mir im Rechtsausschuß
nicht verkneifen, als wir feststellten, daß das seinerzeit
geänderte Kabelpfandgesetz – das ich bis dahin auch
nicht kannte – 1994 aufgehoben wurde, wahrscheinlich
weil man beim Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung
erstmalig wieder auf es aufmerksam wurde und gesagt
hat: Wir brauchen es gar nicht. Wir haben es gestern aus
dem Gesetz herausgenommen.
Zum Schluß möchte ich nochmals auf die wesentliche
Neuerung hinweisen, daß die Restschuldbefreiung vie-
len Menschen, die sich mit Schuld oder auch ohne
Schuld finanziell übernommen oder verspekuliert haben,
die Möglichkeit gibt, in ein geordnetes Privat- oder Ge-
schäftsleben zurückzukehren. Dies hängt beim Ge-
schäftsmann naturgemäß nicht nur vom Wohlverhalten
ab, sondern auch von dem Bemühen, den finanziellen
Schaden wiedergutzumachen. Insoweit haben die Gläu-
biger zu Recht ein Wort mitzureden.
Anders, und zwar deutlich vereinfacht, ist dies beim
sogenannten privaten Schuldenbereinigungsverfahren,
wenn der Schuldner eine natürliche Person ist, die keine
oder nur geringe selbständige wirtschaftliche Tätigkeit
ausübt. Hier kann im wesentlichen mit einem Schulden-
bereinigungsplan unter Zustimmung eines Teils der
Gläubiger oder Ersetzung dieser Zustimmung eine Ent-
schuldung vorgenommen werden. Ist eine gütliche Re-
gelung mit dem Gläubiger nicht zu erzielen, sorgt ein
vereinfachtes Insolvenzverfahren für eine gerichtliche
Klärung. Hier ist der Schuldner also nicht auf Gedeih
und Verderb den Gläubigern ausgeliefert.
Ich hoffe, daß diese Restschuldbefreiungsmöglichkeit
zu positiven Ergebnissen führt. Meine Damen und Her-
ren, wenn Mißbrauch stattfindet, sind wir hier im Hause
sicher wieder einig, daß wir Änderungen oder Ergän-
zungen anbringen müssen. Aber zunächst wünschen wir
diesem Gesetz viel Erfolg ab 1. Januar 1999.
Danke schön.