Rede von
Hans-Joachim
Otto
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(F.D.P.)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Meine
Damen und Herren! Wir sind uns dessen bewußt, daß
uns für die heutige Debatte kein Bambi verliehen wird
und daß keine Woge der Begeisterung aus der Bevölke-
rung über uns schwappt. Wir werden auch nicht alle
zum Ehrenmitglied im Bund der Steuerzahler ernannt
werden. Wir sind uns, wie die Vorredner sehr deutlich
gemacht haben, bewußt, daß es in weiten Teilen der Be-
völkerung eine große Skepsis gegenüber dieser Ände-
rung gibt, und zum Teil gibt es auch offene Ablehnung.
Sicherlich wird uns nicht nur die „Frankfurter Rund-
schau“, sondern werden uns auch einige Boulevardzei-
tungen mit Kritik und Häme überschütten. Aber ich will
nicht anstehen, für meine Fraktion die Notwendigkeit,
die Verantwortbarkeit und das Maß dieser Änderung
kurz zu begründen.
Parteien sind – Herr Professor Scholz hat darauf hin-
gewiesen – kein Selbstbedienungsladen von profilsüch-
tigen Egomanen, sondern ein unverzichtbares Element
jeder demokratischen Willensbildung, übrigens nicht nur
in Deutschland, sondern in allen Demokratien der Welt.
Die Beschlußfassung heute geschieht strikt nach den
Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts und der Sach-
verständigenkommission. Über Unklarheiten, die das
Urteil des Bundesverfassungsgerichts geschaffen hat, ist
zu Lasten der Parteien entschieden worden.
Meine Rede ist eine typische Fensterrede; sie wendet
sich nicht an die Parlamentarier hier, sondern an die
Bürgerinnen und Bürger draußen im Lande.
– Ach, das Fernsehen wird gerade darauf warten, diese
Debatte auf allen Kanälen live zu übertragen.
Parteien sind Dienstleister für den Bürger. Tag für Tag
werden in der ganzen Republik in Hunderten von Dis-
kussions- und Informationsveranstaltungen Wünsche
von Bürgern erfüllt. Tag für Tag werden Zigtausende
Anfragen von Bürgern beantwortet. Allein bei der klei-
nen F.D.P. gibt es Woche für Woche über 300 000 Zu-
griffe auf den Internet-Server.
– Nein, mit steigender Tendenz, Herr Kollege. – Alle
Parteien haben den Auftrag – und erfüllen ihn gelegent-
lich sogar ganz gut –, Schulung und Selektion von poli-
tischem Nachwuchs und von Mandatsträgern zu betrei-
ben. Vergessen wir auch nicht: Die Parteien sind für
Zigtausende Menschen Arbeitgeber.
Ich möchte besonders darauf hinweisen – die Vorred-
ner haben es schon angeschnitten –: Es handelt sich
nicht um eine staatliche Vollfinanzierung, sondern nur
um eine Teilfinanzierung. In der Praxis werden über
70 Prozent aller Mittel von den Mitgliedern der Parteien
aufgebracht. Wir dürfen die Ehrenamtlichkeit nicht
Cem Özdemir
668 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 11. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Dezember 1998
(C)
überfordern. Deswegen denke ich, daß diese Erhöhung
geboten und maßvoll ist. Sie beinhaltet nur den Inflati-
onsausgleich. Sie enthält keinen Zuschlag dafür, daß
durch das geänderte Kommunikationsverhalten der Bür-
ger wesentlich höhere Anforderungen an die Parteien
gestellt werden, und sie enthält übrigens auch keinen
Aufschlag für den Umzug nach Berlin.
245 Millionen DM, das klingt sehr viel. Es sind aller-
dings nur – darauf möchte ich Sie hinweisen – 3 DM pro
Bürger pro Jahr, das heißt, es handelt sich um eine halbe
Schachtel Zigaretten oder ein Glas Bier am Stammtisch.
Ich frage Sie, ich frage die Bürgerinnen und Bürger un-
seres Landes: Ist die Demokratie uns das nicht wert? Ich
plädiere deshalb dafür, daß wir uns trotz der Schwierig-
keiten bei diesem Thema nicht verstecken. Demokratie
braucht Parteien. Die Parteien sind sich bewußt, daß sie
mit dem Geld der Steuerzahler maßvoll und vernünftig
umzugehen haben. Aber sie brauchen Unterstützung.
Deswegen unterstützen wir diesen Änderungsantrag. Er
ist maßvoll, er ist geboten, und er ist notwendig.
Vielen Dank, meine Damen und Herren.